Im Lesesaal 2013-01.pdf - Elster Verlag
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Seite 2 <strong>Im</strong> <strong>Lesesaal</strong><br />
Fortsetzung von Seite 1<br />
Grenzen der Beschleunigung<br />
mit Internet-Anschluss», eine außerparlamentarische<br />
Opposition des digitalen Zeitalters.<br />
Ist diese Partei damit bereits an ihrem Ende<br />
angelangt?<br />
Das ist schwer zu beurteilen. Zukünftige<br />
Entwicklungen stellen wir uns in der Regel<br />
linear vor, und unsere Fantasie scheitert meist<br />
dort, wo die Dinge anders als in der gradlinigen<br />
Fortsetzung der Realität verlaufen. Der<br />
amerikanische Mathematiker Nassim Nicholas<br />
Taleb hat dieses gedankliche Phänomen<br />
einmal mit dem Bild des schwarzen Schwans<br />
umschrieben: Jeder rechnet nur mit weißen<br />
Schwänen, und alle sind deshalb umso überraschter,<br />
wenn ein schwarzer auftaucht.<br />
Aber unabhängig von der Frage, was denn<br />
diese Partei überhaupt zuwege gebracht hat<br />
außer Blog-Schreiben und sich gegenseitig anstänkern,<br />
lassen sich an ihren Strukturen bemerkenswerte<br />
und prinzipielle Dinge festmachen,<br />
die für eine digitale Gesellschaft stehen,<br />
die zwischen dem Auslösen einer Handlung<br />
und ihrem Reflex keine Zeit mehr zulässt.<br />
«Radikale Transparenz» ist das Stichwort<br />
in der Piratenpartei. Ihr politischer Geschäftsführer<br />
Johannes Ponader und der stellvertretende<br />
Vorsitzende Markus Barenhoff arbeiten<br />
an einer Änderung der Geschäftsordnung,<br />
wonach die Arbeit des Vorstandes transparenter<br />
werden soll. Noch transparenter, das<br />
würde bedeuten, dass Vorstandssitzungen<br />
und überhaupt jede Gremienbildung fast<br />
zeitgleich im Netz wiederzufinden ist und<br />
laufend kommentiert werden kann.<br />
Lassen wir die Fragen einmal außen vor,<br />
wie sinnvoll so etwas ist und wie lange sich<br />
jemand in einem Vorstandsgremium von der<br />
Partei zum Deppen machen lässt, während<br />
die Piratenmitglieder in den Blogs jegliche<br />
spontante Stellungnahme sofort in Grund<br />
und Boden verteufeln.<br />
Dann wird man sich mit der Tatsache<br />
auseinandersetzen müssen, dass durch die<br />
digitale Beschleunigung dem Gedanken der<br />
Reflexion kein Raum gegeben wird. Die permanente<br />
Öffentlichkeit ist den neuen Informationsmedien<br />
inhärent. Der Soziologe Gerhard<br />
Preyer hat in diesem Zusammenhang<br />
andere Rationalitätsparameter der neuen<br />
Medien ausgemacht; sie agierten nicht linear,<br />
«sondern gleichzeitig und netzartig». «Raum<br />
ist kein Ort, keine Bühne mehr, das Zeiterleben<br />
ist nicht mehr durch Sukzession bestimmt,<br />
sondern es wird in eine ‹unendliche<br />
und konstante Vertiefung des Augenblicks›<br />
(Paul Virilio) überführt.»<br />
Der Prozess des permanenten Handels<br />
erfolgt aber nicht allein durch die permanen-<br />
te Interaktion aus sich selbst heraus, sondern<br />
ist generell an eine Konsole geknüpft, sei es<br />
ein Computer oder ein Mobiltelefon. Welche<br />
Wirkung das hat, lässt sich bei einer einfachen<br />
Fahrt in einem öffentlichen Verkehrsmittel<br />
beobachten. Eine beträchtliche Minderheit ist<br />
ununterbrochen damit beschäftigt, auf das eigene<br />
Handy zu schauen – es könnte ja jemand<br />
angerufen haben.<br />
Von der Email-Flut bis zum Hochgeschwindigkeits-Aktienhandel<br />
wird das Tempo<br />
immer weiter vorangetrieben, ohne dass erkennbar<br />
wäre, dass Reflexionen, ungestörtes<br />
Denken, Zeit und Raum des Innehaltens,<br />
überhaupt noch einen Platz erhielten. Der<br />
Beginn des Internet-Hypes fing mit ähnlichen<br />
Erscheinungsformen an, um mit einer gigantischen<br />
Wertevernichtung zu enden.<br />
Und eine Neubelebung des politischen<br />
Agierungs durch die Technik? «Radikale<br />
Transparenz»? Auch das kann man sich kaum<br />
denken – eher eine seelische Überforderung:<br />
Der digital vernetzte Mensch ist ja jetzt schon<br />
für die Konzerne transparent. Zudem organisiert<br />
er sich selbst, plant sein Leben nur noch<br />
individuell, bewirtschaftet die ihm zugeschalteten<br />
Gimmicks von Morgen bis Abend, bis<br />
er an seine Grenzen kommt und erschöpft aus<br />
der Loipe fällt.<br />
Wie heißt es auf der Website der Hundeschule<br />
Slydogs im norddeutschen Falkensee<br />
so treffend? «Wir bitten auch um Verständnis,<br />
dass zur Zeit das Hundeschultelefon nicht 24<br />
Stunden besetzt ist und auch der Emailverkehr<br />
verlangsamt funktioniert.»<br />
Miszellen<br />
Empört haben die britischen Medien vor einigen<br />
Monaten über Prinz Harrys Teilnahme<br />
an einer Pool-Party in Las Vegas reagiert. Zumindest<br />
in der Armee des Britischen Empires<br />
ist er auf breite Zustimmung gestoßen. Es<br />
fehlt der Platz, um die vielen eindrücklichen<br />
Bilder zu zeigen, aus denen die Begeisterung<br />
der Armeeangehörigen spricht. Hier ein repräsentatives<br />
Bild. Und hier ein Link mit<br />
noch viel mehr Bildern:<br />
http://www.dailymail.co.uk/news/article-2194521/Prince-Harry-Facebook-groupstrips-support-party-loving-royal-naked-Vegas-photos-furore.html<br />
Aus der niederländischen Günter-Jauch-Variante<br />
von «Wer wird Millionär?»: