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OSI-Zeitung

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„Dann geh doch nach<br />

Afghanistan”<br />

Wenn aus einer Vorlesung eine hitzige Sexismus-Debatte wird<br />

Tatort: Einführungsvorlesung zum Thema<br />

Gender. „Kann ich mal bitte das Mikrofon<br />

haben?“, fragt der vornehm gekleidete Kommilitone<br />

mit osteuropäischem Akzent aus einer<br />

der hinteren Reihen. Das sei ja alles schön<br />

und gut, was Katharina Pühl über die Gleichberechtigung<br />

und Chancengleichheit der Frau<br />

erzählt habe. Doch nun sei es mal Zeit für eine<br />

Gegenposition.<br />

Fakt sei doch, dass Gesellschaften mit dem traditionellen<br />

Rollenbild der Frau, die hinterm<br />

Herd steht und in Karriere-Angelegenheiten den<br />

Mund zu halten hat, in den vergangenen Jahrhunderten<br />

ganz gut gefahren seien. Munteres<br />

Kichern im Publikum, das den schlank gewachsenen<br />

Brillenträger mit Bürstenhaarschnitt<br />

wohl motiviert, noch weiter zu gehen. Man sehe<br />

ja, wohin das berufliche Selbstbewusstsein moderner<br />

Frauen führe: Die westlichen Industrienationen<br />

wie Deutschland hätten mit dem demographischen<br />

Wandel zu kämpfen, während<br />

osteuropäische Länder mit dem althergebrachten<br />

Modell erheblich besser zurechtkämen.<br />

Rums. Das schlug ein wie eine Bombe. Die<br />

spontanen Reaktionen der Zuschauer reichten<br />

von Lachen und Beifall zu Entrüstung und<br />

anschwellender Wut. Solche vermeintlich diffamierenden<br />

Äußerungen im universitären<br />

„Schutzraum“, wie Sven Chojnacki das <strong>OSI</strong> in<br />

einer späteren Vorlesung nennt? Das sind ja<br />

ganz neue Töne für die im Raum versammelten<br />

Erstsemester - eigentlich wurde das <strong>OSI</strong> in den<br />

vergangenen Wochen doch so gerne als Mikrokosmos<br />

präsentiert, in dem ausgrenzende Meinungen<br />

nichts verloren haben.<br />

Alles Pustekuchen? Mitnichten! Dem Provokateur<br />

stellt sich eine energisch auftretende junge<br />

Dame mit schwarzen Locken entgegen, die<br />

den geballten Frust vieler ZuhörerInnen kanalisiert.<br />

Der „Prototyp eines Chauvinisten des 21.<br />

Jahrhunderts“ habe sich eben zu Wort gemeldet,<br />

und wenn er tatsächlich dem traditionellen Rollenbild<br />

der Frau am Herd anhänge, hat sie nur<br />

einen Rat für ihn übrig: „Dann geh doch nach<br />

Afghanistan!“<br />

Rums. Auch der Gegenschlag hat gesessen. Dieser<br />

High Noon der Weltbilder stieß eine Diskus-<br />

von Tobias Schmutzler<br />

sion unter den <strong>OSI</strong>anern an, die so schnell nicht<br />

mehr abließ. Wochenlang war die Frage nach<br />

dem richtigen Umgang mit derartigen Äußerungen<br />

ein Thema unter Erstsemestern und in<br />

den Tutorien zur Einführungsvorlesung. Wie<br />

weit geht in diesem Fall die Meinungsfreiheit?<br />

Wo fangen Diskriminierung und Chauvinismus<br />

an?<br />

Ihre persönliche Antwort darauf gaben einige<br />

der Erstsemester-Tutorinnen in einem Aufruf,<br />

den Sven Chojnacki in einer der folgenden<br />

Sitzungen vorlas und offiziell unterstützte. Darin<br />

unterstellten sie, dass „Rassismus und Sexismus“<br />

in den Räumen des <strong>OSI</strong> „überaus präsent“<br />

seien. Das passe zwar nicht mit „dem Selbstbild<br />

der meisten weißen, bzw. männlichen Studierenden“<br />

zusammen. Die Unterzeichnerinnen<br />

wendeten sich dennoch unerschrocken gegen<br />

Äußerungen aus einer „Gesellschaft, […] welche<br />

rassistisch, sexistisch und heteronormativ ist“.<br />

Inzwischen hat sich unter den <strong>OSI</strong>anern wohl<br />

jeder seine Meinung dazu gebildet, ohne dass<br />

die anfängliche Aufregung in eine größere, offizielle<br />

Aktion gemündet wäre. Das letzte Wort<br />

in dieser Angelegenheit ist indes noch nicht gesprochen.<br />

Die von Sven Chojnacki angekündigte<br />

Veranstaltung zu Rassismus an der Uni wird<br />

in Kürze stattfinden – sie könnte die Debatte<br />

doch noch zu einem versöhnlichen Abschluss<br />

führen.<br />

Illustration: Christa Roth<br />

» Wie weit geht<br />

in diesem Fall die<br />

Meinungsfreiheit?<br />

Wo fangen Diskriminierung<br />

und Chauvinismus<br />

an? «<br />

OZ | Institut<br />

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