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film festivals facing digital furor - Swiss Films

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FILMFESTIVALS IM DIGITALEN UMBRUCH<br />

Das <strong>digital</strong>e Kino stellt Film<strong>festivals</strong> vor neue Chancen und Herausforderungen.<br />

Bestandsaufnahme einer Branche im Wildwest-Zustand. Von Reto Bühler<br />

In den Kinos hat er dank 3D nun doch noch stattgefunden:<br />

der Durchbruch des Digital Cinema.<br />

Innerhalb Jahresfrist hat sich die Zahl <strong>digital</strong><br />

bespielbarer Leinwände in der Schweiz verdreifacht<br />

(Stand Juni 2010: 89 Leinwände = 16%). Der<br />

Zugang zum Digital Cinema bleibt jedoch vorwiegend<br />

den 3D-Blockbustern vorbehalten, mit welchen<br />

die Kinobetreiber die hohen Investitionskosten<br />

einzuspielen versuchen. So musste etwa Jean-Luc<br />

Godards <strong>digital</strong> produzierter «Film Socialisme» für<br />

den Kinostart auf 35mm umkopiert werden, weil sich<br />

in der Westschweiz kein <strong>digital</strong>es Kino finden liess.<br />

In Cannes wurde der Film gemäss Godards Wunsch<br />

<strong>digital</strong> projiziert «weil ein <strong>digital</strong> produzierter Film<br />

einfach besser aussieht, wenn er auch <strong>digital</strong> projiziert<br />

wird», wie seine Produzentin Ruth Waldburger<br />

bestätigt.<br />

Das Umrüsten der grossen Festivals auf Digital<br />

Cinema ist in vollem Gange. Die meisten A-<br />

Festivals bieten mittlerweile DCP-Screenings<br />

in allen Programmsektionen an. In Berlin und in<br />

Cannes gingen dieses Jahr im Wettbewerb je fünf<br />

Filme als DCP ins Rennen und in Locarno erwartete<br />

man bei Redaktionsschluss bereits deren vier.<br />

In Retrospektiven-Sektionen wie beispielsweise<br />

den «Cannes Classics» haben sich die DCP mit<br />

15 gegenüber sieben 35mm-Kopien bereits deutlich<br />

durchgesetzt. Ähnlich ist die Lage an den<br />

Filmmärkten, wo laut Catherine Buresi, stellvertretende<br />

Geschäftsleiterin des European Film Markets<br />

in Berlin, beinahe schon die Hälfte aller Filme <strong>digital</strong><br />

vorgeführt werden – allerdings nur zum Teil als DCP.<br />

Andere A-Festivals wie San Sebastian setzen dagegen<br />

noch immer ganz auf 35mm. So lässt sich leider<br />

im Moment mit einer DCP-Festivalkopie – obwohl in<br />

der Herstellung wesentlich günstiger – noch kein<br />

Geld sparen: Am Ende verlangt meistens doch noch<br />

irgendwer eine 35mm-Kopie. Ein Problem, welches<br />

vor allem «kleinen Filmen» und damit auch SWISS<br />

FILMS zu schaffen macht. Die Promotionsagentur<br />

finanziert durch Ankauf die Festivalkopien der<br />

Schweizer Produzenten mit und musste in letzter<br />

Zeit oft miterleben, dass aufs falsche Pferd<br />

gesetzt wurde. Dies dürfte sich so bald nicht ändern,<br />

denn eine einheitliche Umstellung der Festivals<br />

auf Digital Cinema ist nicht in Sicht: «Die Wahl des<br />

Vorführformats ist in erster Linie eine ästhetische»,<br />

meint Ruth Waldburger, «wer seine Filme auf 35mm<br />

dreht, möchte sie auch so vorgeführt bekommen.»<br />

Wenig erstaunlich also, dass im Kurz- und Dokumentar<strong>film</strong>bereich,<br />

wo heute fast ausschliesslich<br />

<strong>digital</strong> produziert wird, das <strong>digital</strong>e Umrüsten der<br />

Festivals schon deutlich weiter fortgeschritten ist.<br />

Hier steht längst auf verlorenem Posten, wer keine<br />

<strong>digital</strong>en Screenings anzubieten hat. Allerdings<br />

herrscht ein grosses Formate-Chaos. Neben den<br />

nach wie vor unerlässlichen 35mm-Kopien, gehören<br />

MiniDV, Beta, Digibeta und HDCam zu den unerlässlichen<br />

Abspielformaten. Gerade im Kurz<strong>film</strong> kommt<br />

es auch immer öfter vor, dass Festivals statt einem<br />

Band nur noch einen Link für den Download eines<br />

HD-Files zugeschickt bekommen. Wenigstens ist<br />

mit HD ein in der Produktion günstiges Format auf<br />

dem Vormarsch, welches – gleichwertige High-<br />

End-Projektoren vorausgesetzt – eine dem Digital<br />

Cinema ebenbürtige Bildqualität ermöglicht.<br />

Kurz- und Dokumentar<strong>film</strong><strong>festivals</strong> bieten aber auch<br />

in anderer Hinsicht interessantes Anschauungsmaterial<br />

für das <strong>digital</strong>e Entwicklungspotential von<br />

22<br />

Film<strong>festivals</strong>. Gleich mehrere Internetplattformen<br />

wie «reelport» oder «withoutabox» buhlen mit der<br />

Vision der virtuellen Filmdatenbank um die Gunst<br />

von Festivals und Produzenten. Statt DVDs um den<br />

Globus zu schicken, laden die Produzenten ihre Filme<br />

auf einen Server, um sie von dort per Mausklick<br />

für die Festivals ihrer Wahl freizuschalten. Auch<br />

Verleiher wie das britische Experimental<strong>film</strong>-Label<br />

LUX oder regionale Filmförderer wie die skandinavische<br />

Promotionsplattform «Nordisk Panorama»<br />

verzichten für ihre Promotionsarbeit auf DVDs und<br />

investieren in passwortgeschützte Online-Kataloge,<br />

die Festivals und Einkäufer die Filme übers<br />

Internet visionieren lassen. Allerdings hält sich die<br />

Skepsis in der Branche gegenüber webbasierten<br />

Filmdatenbanken hartnäckig, nicht zuletzt weil<br />

Kompatibilitätsprobleme zwischen verschiedenen<br />

Formaten und Codierungen die Systeme noch immer<br />

erstaunlich fehleranfällig machen.<br />

Trotzdem hat sich an den Filmmärkten der grossen<br />

Dokumentar-und Kurz<strong>film</strong><strong>festivals</strong> die serverbasierte<br />

Videothek als Standard durchgesetzt, und in Cannes<br />

hat man, in Ergänzung zu den Market-Screenings,<br />

mit der Filmdatenbank «Cinando» bereits ein vergleichbares<br />

Tool für den Spiel<strong>film</strong> lanciert. Statt<br />

sich mit den Spielplänen der Marketscreenings<br />

herumzuschlagen, können sich potenzielle Käufer<br />

in ihren Videoboxen individuell und DVD-frei durchs<br />

Programm klicken. Manche Kurz<strong>film</strong>märkte, wie<br />

jener von Clermont-Ferrand, gehen gar einen Schritt<br />

weiter und stellen den am Festival anwesenden<br />

Professionals während sechs Monaten ein Online-<br />

Streaming sämtlicher Markt<strong>film</strong>e zur Verfügung, und<br />

das sind immerhin über 6‘000 Titel pro Jahr.<br />

Eine solche Masse von Filmen – eine direkte Folge<br />

günstiger <strong>digital</strong>er Produktions- und Vertriebsmöglichkeiten<br />

– stellt auch das Selbstverständnis<br />

der Film<strong>festivals</strong> in Frage: Vom Aufspüren schwer<br />

erhältlicher Titel, verlagert sich die grösste<br />

Herausforderung auf das Eindampfen einer ständig<br />

verfügbaren Filmflut auf ein überschaubares<br />

Mass – das Festival als Orientierungshilfe und<br />

Qualitätsgarant im audiovisuellen Dschungel. Eine<br />

spannende Weiterführung dieser Idee haben fünf<br />

führende europäische Dokumentar<strong>film</strong><strong>festivals</strong> in<br />

Angriff genommen: CPH:DOX Kopenhagen, DOK<br />

Leipzig, IDFF Jihlava, Planete Doc Review Warschau<br />

und Visions du Réel in Nyon betreiben unter dem<br />

Label «Doc Alliance» gemeinsam eine Webseite zur<br />

Promotion und Distribution von Dokumentar<strong>film</strong>en.<br />

Mit ihrem Renommee bürgen die Festivals für die<br />

Qualität der angebotenen Filme, welche für null bis<br />

fünf Euro gestreamt oder heruntergeladen werden<br />

können. Freilich hat man auch hier noch kein Rezept<br />

gefunden, um die User zum Zücken der Kreditkarte<br />

zu bewegen. Die meisten Klicks generieren gratis<br />

angebotene Studenten<strong>film</strong>e und entsprechend<br />

ernüchtert zeigt man sich bei Visions du Réel über<br />

die bisher erzielten Umsätze.<br />

Die Digitalisierung bringt Bewegung in die Festivallandschaft.<br />

Solange nicht entschieden ist, welche<br />

Standards sich durchsetzen werden, gibt es viel<br />

Raum für neue Ideen. Auf der anderen Seite wird die<br />

Freude an den gewonnen Vorteilen leider oft genug<br />

durch Kompatibilitätsprobleme getrübt.<br />

Reto Bühler ist Filmwissenschafter.<br />

Er ist künstlerischer Leiter der Internationalen Kurz<strong>film</strong>tage<br />

Winterthur und arbeitet als Filmkritiker für den Tages-Anzeiger.<br />

DC steht für Digital Cinema, DCP für die auf dem<br />

System gespielten Filme (Digital Cinema Package). Die<br />

heute mehrheitlich eingesetzte 2K Technologie bietet eine<br />

Auflösung von 2048x1080 Pixel, was ungefähr jener von<br />

HD entspricht (1920x1080 Pixel). Entscheidend für die<br />

Bildqualität ist jedoch nicht primär die Auflösung, sondern<br />

die Qualität der verwendeten Projektoren.

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