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Grün in der Stadt − Für eine lebenswerte Zukunft

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<strong>Grün</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> <strong>−</strong><strong>Für</strong> e<strong>in</strong>e <strong>lebenswerte</strong> <strong>Zukunft</strong><strong>Grün</strong>buch <strong>Stadt</strong>grün


ImpressumHerausgeberBundesm<strong>in</strong>isterium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB)Referat Öffentlichkeitsarbeit · 11055 Berl<strong>in</strong>E-Mail: service@bmub.bund.de · Internet: www.bmub.bund.deRedaktionBMUB, Referat SW I 7, Prof. Dr. H. Ey<strong>in</strong>k, B. HeckKooperationspartnerBundesm<strong>in</strong>isterium für Wirtschaft und Technologie (BMWi)Bundesm<strong>in</strong>isterium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL)Bundesm<strong>in</strong>isterium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ)Bundesm<strong>in</strong>isterium für Gesundheit (BMG)Bundesm<strong>in</strong>isterium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI)Bundesm<strong>in</strong>isterium für Bildung und Forschung (BMBF)Beauftragte <strong>der</strong> Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM)TextBundes<strong>in</strong>stitut für Bau-, <strong>Stadt</strong>- und Raumforschung (BBSR): Dr. F. Dosch, S. Haury, J. Skowski, B. Wahler, S. Will<strong>in</strong>gerBundesamt für Naturschutz (BfN): T. Arndt, F. MayerJulius Kühn-Institut, Bundesforschungs<strong>in</strong>stitut für Kulturpflanzen (JKI): Dr. M. Hommes, S. MöschGestaltungK2 I agentur für kommunikation, Bonn, www.k2agentur.deNED.WORK Agentur + Verlag GmbH, Düsseldorf, www.nedwork.deDruckBundesamt für Bauwesen und Raumordnung, BonnStandMai 20151. Auflage3.500 ExemplareBestellung dieser PublikationPublikationsversand <strong>der</strong> BundesregierungPostfach 48 10 09 · 18132 RostockTel.: 030 / 18 272 272 1 · Fax: 030 / 18 10 272 272 1E-Mail: publikationen@bundesregierung.deInternet: www.bmub.bund.de/bestellformularH<strong>in</strong>weisDiese Publikation ist Teil <strong>der</strong> Öffentlichkeitsarbeit des Bundesm<strong>in</strong>isteriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit. Sie wirdkostenlos abgegeben und ist nicht zum Verkauf bestimmt. Gedruckt auf Recycl<strong>in</strong>gpapier.


<strong>Grün</strong>buch / Inhalt 3Vorwort 51Urbanes<strong>Grün</strong> für Mensch und Umwelt 6Herausfor<strong>der</strong>ung 7Entwicklungen zum <strong>Stadt</strong>grün <strong>in</strong> Deutschland 9Bundespolitische Ziele 10Argumente – Urbanes <strong>Grün</strong> als Lebensgrundlage undals Ressource für Mensch und Umwelt 12Die Akteure des <strong>Stadt</strong>grüns 17För<strong>der</strong>programme werten <strong>Stadt</strong>grün auf 19Planung und Konzeption <strong>Grün</strong>er Infrastruktur 202Vielfalt3Herausfor<strong>der</strong>ungenvon <strong>Stadt</strong>grün 22<strong>Stadt</strong>grün im Wandel <strong>der</strong> Zeiten und Nutzungen 23<strong>Grün</strong>e Vielfalt: <strong>Für</strong> mehr Qualität <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> 27Vom Wert von <strong>Grün</strong>: <strong>Stadt</strong>grün wertschätzen 30Bürgeraktivitäten: Engagiert <strong>Grün</strong> gestalten 37Soziale Funktionen: Begegnung und Teilhabe ermöglichen 40Gesundheit: Schaffung gesundheitsför<strong>der</strong>n<strong>der</strong> Umwelten 45Biologische Vielfalt: Natur entwickeln und erleben 49Urbaner Klimawandel: <strong>Stadt</strong>grün für Klimaanpassung und Risikovorsorge 54<strong>Grün</strong>e Architektur: <strong>Grün</strong>e Gebäude schaffen 59Urbane Agrikultur: Lebensmittel <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> produzieren 63und Perspektivenbeim <strong>Stadt</strong>grün 68Spannungsfel<strong>der</strong> und Interessenkonflikte 69Perspektiven und Handlungsfel<strong>der</strong> 794<strong>Zukunft</strong>sideenfür <strong>Grün</strong>e Städte 82Visionen und <strong>Zukunft</strong>sbil<strong>der</strong> zur <strong>Grün</strong>en <strong>Stadt</strong> 83Utopie und Pragmatismus – Was kennzeichnet die <strong>Grün</strong>e <strong>Stadt</strong> 2030? 885Fazit92Urbanes <strong>Grün</strong> ist <strong>Grün</strong>e Infrastruktur 93


<strong>Stadt</strong>grün o<strong>der</strong> urbanes<strong>Grün</strong> umfasst alle Formen grünerFreiräume und begrünter Gebäude.


<strong>Grün</strong>buch / Vorwort 5VorwortLiebe Leser<strong>in</strong>nen und Leser,Bäume und Sträucher, Hecken, Blumen und Wiesen –urbanes <strong>Grün</strong> macht unsere Städte attraktiver und<strong>lebenswerte</strong>r. <strong>Stadt</strong>grün reguliert die Temperatur,re<strong>in</strong>igt die Luft und wirkt sich damit positiv auf das<strong>Stadt</strong>klima und auf die Gesundheit aus. Es bietetLebensraum für Flora und Fauna und unterstütztdie biologische Vielfalt <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong>. Da immer mehrMenschen <strong>in</strong> unseren Städten leben wollen undleben werden, nimmt die Bedeutung e<strong>in</strong>er „<strong>Grün</strong>en Infrastruktur“ zu. Siesteigert die Wohnqualität, för<strong>der</strong>t Freizeit, Sport und Erholung und kanndamit den sozialen Zusammenhalt und die gesellschaftliche Teilhabe stärken.Mit städtischem <strong>Grün</strong> können die negativen Begleitersche<strong>in</strong>ungen<strong>der</strong> Urbanisierung wirksam begrenzt werden.Dabei geht es um weit mehr als Parks und <strong>Grün</strong>anlagen. „<strong>Grün</strong>e Architektur“kann durch Begrünung von Fassaden und Dächern <strong>Stadt</strong>räumeund Gebäude neu gestalten. Sogar Brachen und Baulücken tragen auf ihreWeise zu urbaner Wildnis bei. Mit „Urban Garden<strong>in</strong>g“, Geme<strong>in</strong>schaftsgärten,bepflanzten Baumscheiben und Aktionstagen zur Parkpflege br<strong>in</strong>gensich die Anwohner<strong>in</strong>nen und Anwohner aktiv <strong>in</strong> die Gestaltung undPflege ihrer Umgebung e<strong>in</strong>.Ich möchte mit dem <strong>Grün</strong>buch „<strong>Grün</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> – <strong>Für</strong> e<strong>in</strong>e <strong>lebenswerte</strong><strong>Zukunft</strong>“ e<strong>in</strong>en breiten Dialog anstoßen, welchen Stellenwert <strong>Grün</strong>- undFreiflächen zukünftig <strong>in</strong> unseren Städten e<strong>in</strong>nehmen sollen. Wir müssenuns darüber austauschen, wie es <strong>in</strong> Zeiten knapper Kassen gel<strong>in</strong>gen kann,bestehendes <strong>Grün</strong> zu erhalten und wo möglich neue <strong>Grün</strong>flächen zu entwickeln.Dafür benötigen wir das Fachwissen aus Wissenschaft und Praxisgenauso wie Kenntnisse über die Anfor<strong>der</strong>ungen, die die Nutzer heuteund <strong>in</strong> <strong>Zukunft</strong> an ihre Umwelt stellen. Ich lade Sie e<strong>in</strong>, mitzudiskutierenund unsere Städte von morgen mitzugestalten.Dr. Barbara HendricksBundesm<strong>in</strong>ister<strong>in</strong> für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit


1Urbanes <strong>Grün</strong> für Mensch und UmweltWo Verdichtung Pr<strong>in</strong>zip ist, s<strong>in</strong>d Nutzungskonflikte um Flächen vorprogrammiert. Die Nationale<strong>Stadt</strong>entwicklungspolitik betont den klimagerechten <strong>Stadt</strong>umbau und die Sicherung <strong>der</strong> natürlichenGrundlagen. Gesund, entspannt, mit Zugang zu Freiräumen zu leben und sich dennoch imZentrum des öffentlichen Lebens zu bef<strong>in</strong>den – das gehört zu den zentralen städtischen Qualitäten.


<strong>Grün</strong>buch / Urbanes <strong>Grün</strong> für Mensch und Umwelt 7Herausfor<strong>der</strong>ung<strong>Zukunft</strong> <strong>Stadt</strong>Städte nehmen nur zwei Prozent <strong>der</strong> globalen Landflächee<strong>in</strong>. Aber schon jetzt lebt weltweit mehr alsdie Hälfte aller Menschen <strong>in</strong> Städten und urbanenBallungsräumen, <strong>in</strong> Europa s<strong>in</strong>d es sogar rund dreiViertel <strong>der</strong> Bevölkerung – Tendenz steigend. Etwa 60Prozent <strong>der</strong> E<strong>in</strong>wohner Deutschlands leben <strong>in</strong> mittelgroßenund großen Städten ab 20.000 E<strong>in</strong>wohnern.Die gesellschaftliche, wirtschaftliche und ökologischeEntwicklung <strong>der</strong> Welt im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er ganzheitlichverstandenen Nachhaltigkeit ist e<strong>in</strong>e urbane Aufgabe,denn die vorherrschende Lebensform <strong>der</strong> <strong>Zukunft</strong> wirdstädtisch se<strong>in</strong>: Dort verdichten sich Angebot und Nachfragevon Produkten und Leistungen, dort besteht e<strong>in</strong>ezunehmende Digitalisierung und Technisierung. Derökologische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Wandelwird <strong>in</strong> Städten oft zuerst sichtbar. „<strong>Zukunft</strong> <strong>Stadt</strong>“ist daher – auch auf globaler Ebene – e<strong>in</strong> drängendesThema, das Politik und Gesellschaft vor vielfältigeAufgaben stellt.Nutzungskonflikte um Flächen s<strong>in</strong>d vorprogrammiert:Wo Verdichtung Pr<strong>in</strong>zip und politische Verpflichtungist, wird Freiraum zum knappen Gut. Die Freiflächen<strong>in</strong> den Städten s<strong>in</strong>d von entscheiden<strong>der</strong> Bedeutungfür Erholung und Wohlbef<strong>in</strong>den <strong>der</strong> Bürger<strong>in</strong>nen undBürger. Das <strong>Stadt</strong>grün ist aus sozialen <strong>Grün</strong>den vonbeson<strong>der</strong>em Wert: Dort treffen sich Menschen aus allenBevölkerungsgruppen und -schichten und deshalbDef<strong>in</strong>ition <strong>Stadt</strong>grün<strong>Stadt</strong>grün umfasst alle Formen grüner Freiräumeund begrünter Gebäude. Zu den <strong>Grün</strong>flächen zählenParkanlagen, Friedhöfe, Kle<strong>in</strong>gärten, Brachflächen,Spielbereiche und Spielplätze, Sportflächen, Straßengrünund Straßenbäume, Siedlungsgrün, <strong>Grün</strong>flächenan öffentlichen Gebäuden, Naturschutzflächen, Waldund weitere Freiräume, die zur Glie<strong>der</strong>ung und Gestaltung<strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> entwickelt, erhalten und gepflegt werdenmüssen. Auch private Gärten und landwirtschaftlicheNutzflächen s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> wesentlicher Teil des <strong>Grün</strong>s <strong>in</strong> denStädten. Auch das Bauwerksgrün mit Fassaden- undDachgrün, Innenraumbegrünung sowie Pflanzen anund auf Infrastrukture<strong>in</strong>richtungen gehören dazu. Allediese Formen des städtischen <strong>Grün</strong>s werden auch als„<strong>Grün</strong>e Infrastruktur“ bezeichnet, da sie – vergleichbarmit <strong>der</strong> „grauen Infrastruktur“ - zahlreiche wirtschaftliche,soziale und ökologische Leistungen erbr<strong>in</strong>gen.gute Infrastruktur, dort gibt es Arbeit und umfassendeFreizeitangebote. Dort werden aber auch die großenHerausfor<strong>der</strong>ungen unserer Zeit wie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Brennglassichtbar: Klimaschutz, Energiewende, demographischeEntwicklung, Konflikte um knappen Wohnraum,Verkehr, soziale Problemviertel, Migrationsströme,enger werdende f<strong>in</strong>anzielle Handlungsspielräume,erfahren <strong>Grün</strong>räume, Wasserflächen und <strong>der</strong>en Uferbereichesowie unbebaute Plätze im urbanen Umfeld e<strong>in</strong>ehohe Wertschätzung quer durch alle Gesellschaftsgruppen:Sie s<strong>in</strong>d unersetzlich als Orte <strong>der</strong> Begegnung undgesellschaftlicher Teilhabe, für Gesundheit, Naturerfahrungund das <strong>Stadt</strong>klima, aber auch für Baukultur,Qualität und Ästhetik im Wohn- und Arbeitsumfeld.


Multifunktional und chancenreichDie Funktionen und Effekte von <strong>Stadt</strong>grün s<strong>in</strong>d vielfältig:Urbane Parks, <strong>Grün</strong>flächen und Gärten verbesserndie Luftqualität und das <strong>Stadt</strong>klima, sie dämpfen Lärm,s<strong>in</strong>d Lebensraum für Tiere und Pflanzen und tragen sozum Artenschutz und zum Erhalt <strong>der</strong> Biodiversität bei,s<strong>in</strong>d Reserveflächen für Hochwasser- beziehungsweiseStarkregenereignisse, leisten e<strong>in</strong>en Beitrag zur Grundwasserneubildungund zum Bodenschutz. Sie s<strong>in</strong>dzudem Orte <strong>der</strong> Erholung und <strong>der</strong> Umweltbildung, siekönnen das nachbarschaftliche Mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> und dieIntegration sozialer und kultureller Milieus för<strong>der</strong>nund sie können das Wohlbef<strong>in</strong>den und die Lebensqualität<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> verbessern. Die Wertschätzungvon <strong>Grün</strong>flächen ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bevölkerung gestiegen unddamit auch die Erwartungshaltung. Es ist ke<strong>in</strong> Zufall,dass sich <strong>in</strong> Deutschland und auch <strong>in</strong>ternational e<strong>in</strong>eneue Begeisterung für das Gärtnern <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> unterdem Stichwort „Urban Garden<strong>in</strong>g“ entwickelt. Attraktive<strong>Grün</strong>räume werden immer wichtigere Faktorenfür Standortentscheidungen von Unternehmen wieFachkräften. Die zunehmende Verstädterung machtden Erhalt von Freiflächen und urbanem <strong>Grün</strong> elementarfür den gesellschaftlichen Zusammenhalt und dieVorsorge etwa vor Klimarisiken.Es gibt also gute <strong>Grün</strong>de, das <strong>Stadt</strong>grün auf Augenhöheneben an<strong>der</strong>en Planungsbereichen <strong>in</strong> die <strong>Stadt</strong>planungzu <strong>in</strong>tegrieren und übertragbare Lösungen für durchgrünte,<strong>lebenswerte</strong> und resiliente Städte zu entwickeln.Die Wertschätzung von <strong>Grün</strong>flächen ist <strong>in</strong> <strong>der</strong>Bevölkerung gestiegen und damit auch die Erwartungshaltung.Es ist ke<strong>in</strong> Zufall, dass sich <strong>in</strong>Deutschland und auch <strong>in</strong>ternational e<strong>in</strong>e neueBegeisterung für das Gärtnern <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> unterdem Stichwort „Urban Garden<strong>in</strong>g“ entwickelt.Der Zeitpunkt, sich jetzt mit dem <strong>Grün</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong>ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>zusetzen, ist richtig: Mit dem Trend zurReurbanisierung e<strong>in</strong>erseits, Schrumpfungsprozessenan<strong>der</strong>erseits, aber auch den Zielen zur M<strong>in</strong><strong>der</strong>ung <strong>der</strong>Auswirkungen des Klimawandels, dem Trend zu mehrGesundheitsvorsorge und nicht zuletzt dem Aufkommenneuer Formen <strong>der</strong> Bürgerbeteiligung kommen aufdie Städte neue Herausfor<strong>der</strong>ungen zu. Auf nationaler,regionaler und lokaler Ebene zeigen sich großeVerän<strong>der</strong>ungen, die sich auch auf die <strong>Grün</strong>raum- undFlächennutzung <strong>in</strong> Städten und Geme<strong>in</strong>den auswirken.


<strong>Grün</strong>buch / Urbanes <strong>Grün</strong> für Mensch und Umwelt 9Entwicklungen zum <strong>Stadt</strong>grün <strong>in</strong> DeutschlandSchrumpfung versus WachstumIn Deutschland stehen Metropolregionen und Wachstumszentrene<strong>in</strong>er immer größer werdenden Zahl wirtschaftlichund e<strong>in</strong>wohnerbezogen stagnieren<strong>der</strong> bisschrumpfen<strong>der</strong> Städte gegenüber. So unterschiedlichdie Entwicklung <strong>der</strong> Städte auch ist, die Grenzen von<strong>Stadt</strong> und Land verschw<strong>in</strong>den zunehmend.Städte <strong>in</strong> von Schrumpfung betroffenen Regionenverfügen im Zuge des Brachfallens und Rückbaus vonSiedlungs- und Gewerbeflächen über neue Freiräume,die e<strong>in</strong> Entwicklungspotenzial für vernetzte <strong>Grün</strong>flächenbieten, solange die Nachfrage nach e<strong>in</strong>er baulichenNutzung fehlt. In wachsenden Städten dagegenführt vor allem aus ökonomischen <strong>Grün</strong>den die Nachverdichtungzu e<strong>in</strong>em latenten Rückgang von <strong>Grün</strong>flächen.Aufgrund <strong>der</strong> demografischen Entwicklungbestehen <strong>in</strong> schrumpfenden Regionen jedoch großeProbleme <strong>in</strong> Fragen <strong>der</strong> Infrastrukturversorgung und<strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzierung von Freiflächen.<strong>Grün</strong>e LösungenDer Freiraum bietet e<strong>in</strong> verb<strong>in</strong>dendes Element, umdie vielfältigen Herausfor<strong>der</strong>ungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong>gesellschaftanzugehen. Dabei gew<strong>in</strong>nt das <strong>Stadt</strong>grün,komplementär zu allem Gebauten, e<strong>in</strong>e zentraleFunktion als Ausgleichsraum: <strong>Grün</strong>flächen bietenOrte für Begegnung und Bewegung, s<strong>in</strong>d Naturerfahrungs-und Ruheraum für die <strong>Stadt</strong>gesellschaftund atmosphärisch wirksamer Gegenpol zur urbanenBetriebsamkeit. Mit dem <strong>Stadt</strong>grün steht den Bürger<strong>in</strong>nenund Bürgern e<strong>in</strong> reales, lebendiges Gegenstückzur vermehrten Büroarbeit und Zunahme <strong>der</strong> virtuellenWelt, die das Alltags- und Berufsleben zunehmenddurchdr<strong>in</strong>gt, zur Verfügung. <strong>Stadt</strong>grün ist für dasphysische und psychische Wohlbef<strong>in</strong>den essentiell.<strong>Stadt</strong>planung mit <strong>Grün</strong> wird zu e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>ternationalbedeutsamen Wettbewerbsfaktor für Kommunen undhilft, die notwendigen Verän<strong>der</strong>ungsprozesse sozialundgesellschaftsverträglich zu gestalten.„Ja!“ zu <strong>Stadt</strong>grün<strong>Grün</strong> ist für die Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger e<strong>in</strong> hohes Gut.Attraktives <strong>Grün</strong> b<strong>in</strong>det sie an die <strong>Stadt</strong> und die <strong>Stadt</strong>gesellschaft.Beispiele wie die Frage nach <strong>der</strong> künftigenNutzung des Tempelhofer Feldes <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> o<strong>der</strong> desFlugplatzes Frankfurt Bonames, neuartige Landschaftsräumeund Parks auf alten Halden im Emscher Parko<strong>der</strong> <strong>der</strong> neue <strong>in</strong>terkulturelle Volkspark <strong>in</strong> Hamburgzeigen, welche Bedeutung die <strong>Grün</strong>- und Freiflächennicht nur für die Lebensqualität <strong>in</strong> bisher vernachlässigtenQuartieren, son<strong>der</strong>n für e<strong>in</strong> neues urbanes Selbstverständnisund Selbstwertgefühl entwickeln können.


10 Urbanes <strong>Grün</strong> für Mensch und Umwelt / <strong>Grün</strong>buchBundespolitische Ziele„Die För<strong>der</strong>ung e<strong>in</strong>er nachhaltigen Entwicklung istgrundlegendes Ziel und Maßstab des Regierungshandelns(…)“, so steht es im Koalitionsvertrag von2013. Der Bundesregierung – und <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e demBundesumwelt- und -baum<strong>in</strong>isterium – ist diesAnsporn und Verpflichtung zugleich. Der Staatssekretärsausschussfür nachhaltige Entwicklung hat imMärz 2015 unter an<strong>der</strong>em beschlossen, den Austauschund die Verknüpfung <strong>der</strong> verschiedenen Aktivitäten<strong>der</strong> Bundesregierung mit dem Fokus auf <strong>in</strong>ternationaleund nationale nachhaltige <strong>Stadt</strong>entwicklung zustärken und die nationale <strong>Stadt</strong>entwicklungspolitik<strong>in</strong> <strong>in</strong>ternationale Prozesse und Kooperationsstrukturene<strong>in</strong>zub<strong>in</strong>den. Hiermit sollen Relevanz undDimensionen <strong>der</strong> globalen, europäischen und nationalenNachhaltigkeitspolitik (Vere<strong>in</strong>te Nationen-Post2015-Agenda für nachhaltige Entwicklung, EU-Nachhaltigkeitspolitikund nationale Nachhaltigkeitsstrategie)für die nachhaltige <strong>Stadt</strong>entwicklungspolitikverdeutlicht und die diesbezüglichen Möglichkeiten<strong>der</strong> Unterstützung <strong>der</strong> Kommunen durch die Bundesebeneherausgearbeitet werden. Ziel ist e<strong>in</strong>e kohärente(„<strong>in</strong>tegrierte“) Politikgestaltung, die Synergien nutztund die Ausräumung von Konflikten ermöglicht.„<strong>Grün</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong>“ ist e<strong>in</strong> wichtiger Bauste<strong>in</strong> auf demWeg zu e<strong>in</strong>er mo<strong>der</strong>nen, nachhaltigen und <strong>in</strong>tegrierten<strong>Stadt</strong>entwicklungspolitik. Es ist e<strong>in</strong> Thema, das mit denverschiedenen Aspekten nachhaltiger <strong>Stadt</strong>entwicklung,etwa Soziales, Gesundheit, Klima, Beteiligung,Kultur und an<strong>der</strong>en mehr <strong>in</strong> Wechselwirkung steht.<strong>Stadt</strong>grün ist e<strong>in</strong> gutes Beispiel für das eher abstrakteKonzept <strong>der</strong> Nachhaltigkeit und br<strong>in</strong>gt dieses denBürger<strong>in</strong>nen und Bürgern – <strong>in</strong> allen drei Dimensionen(Ökologie, Ökonomie, Soziales) – nahe. Mit <strong>Stadt</strong>grünist Nachhaltigkeit erlebbar und erfahrbar.Die meisten Regelungen zum <strong>Stadt</strong>grün s<strong>in</strong>d im jeweiligenLandesrecht und <strong>in</strong> Städte- beziehungsweiseGeme<strong>in</strong>desatzungen festgelegt. <strong>Für</strong> das öffentliche<strong>Grün</strong> <strong>in</strong> den Städten und Geme<strong>in</strong>den s<strong>in</strong>d primär dieKommunen zuständig. E<strong>in</strong>ige Regelungen wie beispielsweiseBaumschutzsatzungen wirken sich jedochauch auf das private <strong>Grün</strong> aus, das ansonsten <strong>in</strong> <strong>der</strong>Verantwortlichkeit <strong>der</strong> Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger alsBauherr, Besitzer, Mieter und Nutzer liegt.Bestehende bundespolitische Ziele zur Verbesserungvon <strong>Grün</strong>ausstattung, -erreichbarkeit und -pflege s<strong>in</strong>dunter an<strong>der</strong>em <strong>in</strong> <strong>der</strong> Nationalen Biodiversitätsstrategie(2007) formuliert. Dort heißt es programmatisch:„Bis zum Jahre 2020 ist die Durchgrünung <strong>der</strong> Siedlungene<strong>in</strong>schließlich des wohnumfeldnahen <strong>Grün</strong>s(zum Beispiel Hofgrün, kle<strong>in</strong>e <strong>Grün</strong>flächen, Dach- undFassadengrün) deutlich erhöht. Öffentlich zugängliches<strong>Grün</strong> mit vielfältigen Qualitäten und Funktionensteht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel fußläufig zur Verfügung“.In <strong>der</strong> Deutschen Anpassungsstrategie an denKlimawandel (DAS 2008) und se<strong>in</strong>em Aktionsplan(APA I 2011) wird städtisches <strong>Grün</strong> als Instrumentzur M<strong>in</strong><strong>der</strong>ung von Extremwitterungen wie Starkregenund Hitze angesprochen. Bereits 1998 hatte dieEnquête-Kommission zum Schutz des Menschen und<strong>der</strong> Umwelt den „Erhalt von <strong>Grün</strong>zonen im <strong>Stadt</strong>raumfür die Verbesserung von Kle<strong>in</strong>klima und Ästhetik imWohnumfeld sowie für Lebensräume von Tieren undPflanzen“ gefor<strong>der</strong>t.


Ziel <strong>der</strong> Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie und<strong>der</strong>en Fortschrittsberichte ist es unter an<strong>der</strong>em, dieQualität <strong>der</strong> Flächenentwicklung zu verbessern. Dortheißt es zum Thema <strong>Stadt</strong>grün, dass „die Verbesserungdes Wohnumfelds <strong>in</strong> Innenstädten die Bereitschaft<strong>der</strong> Bevölkerung steigern kann, das Wohnen <strong>in</strong> <strong>der</strong><strong>Stadt</strong> wie<strong>der</strong> als attraktive Alternative zum Haus im<strong>Grün</strong>en anzuerkennen“.Die Nationale <strong>Stadt</strong>entwicklungspolitik, e<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>schafts<strong>in</strong>itiativevon Bund, Län<strong>der</strong>n und Kommunenzur Etablierung e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>tegrierten <strong>Stadt</strong>entwicklung,betont im Handlungsfeld „Die <strong>Stadt</strong> von morgenbauen – Klimaschutz und globale Verantwortung“den klimagerechten <strong>Stadt</strong>umbau und die Sicherung<strong>der</strong> natürlichen Grundlagen. Gesund, entspannt, mitZugang zu Freiräumen zu leben und sich dennoch imZentrum des öffentlichen Lebens zu bef<strong>in</strong>den, gehörtzu den zentralen städtischen Qualitäten.Das <strong>Grün</strong>buch „<strong>Grün</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong>“ – Ergebnisressortübergreifen<strong>der</strong> ZusammenarbeitDas <strong>Grün</strong>buch ist <strong>in</strong> ressortübergreifen<strong>der</strong> Zusammenarbeitentstanden. Mit dem <strong>Grün</strong>buch „<strong>Grün</strong> <strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> – <strong>Für</strong> e<strong>in</strong>e <strong>lebenswerte</strong> <strong>Zukunft</strong>“ nimmt<strong>der</strong> Bund e<strong>in</strong>e Bestandsaufnahme vor, mit <strong>der</strong> dievielfältigen Funktionen von <strong>Stadt</strong>grün für Mensch,<strong>Stadt</strong>natur und <strong>Stadt</strong>gesellschaft dargelegt werden.Darüber h<strong>in</strong>aus wird e<strong>in</strong> Ausblick darauf gegeben,wie e<strong>in</strong>e <strong>Grün</strong>e <strong>Stadt</strong> von morgen aussehen könnte.Mit dem <strong>Grün</strong>buch soll e<strong>in</strong> <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ärer Diskussionsprozessangestoßen und e<strong>in</strong>e von möglichstvielen E<strong>in</strong>richtungen getragene Initiative für <strong>Stadt</strong>grüngestartet werden. E<strong>in</strong>e solche Initiative querüber Fach- und Ressortgrenzen h<strong>in</strong>aus kann nur undsoll auch weiterh<strong>in</strong> unter breiter Beteiligung <strong>der</strong>jenigenerfolgen, die <strong>Stadt</strong>grün planen und entwickeln.Vor allem die Akteure <strong>in</strong> Kommunen, Verbänden,Unternehmen und geme<strong>in</strong>wohlorientierten Organisationen,aber auch Bund und Län<strong>der</strong> mit ihreneigenen Liegenschaften und Privatpersonen s<strong>in</strong>d angesprochen.Sie s<strong>in</strong>d deshalb auch die Zielgruppe des<strong>Grün</strong>buchs: e<strong>in</strong>e breite Fachöffentlichkeit aus obengenannten Akteursgruppen. Auf das <strong>Grün</strong>buch solle<strong>in</strong> Weißbuch mit Handlungsempfehlungen folgen,unterstützt durch weitere Aktivitäten unter an<strong>der</strong>emdurch Forschungsprojekte und Modellvorhaben zuguten und lehrreichen Beispielen <strong>in</strong> Kommunen.Das <strong>Grün</strong>buch „<strong>Grün</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> – <strong>Für</strong> e<strong>in</strong>e <strong>lebenswerte</strong><strong>Zukunft</strong>“ führt die vielen unterschiedlichenFacetten des <strong>Stadt</strong>grüns zusammen, ohne die damitverbundenen Konflikte außer Acht zu lassen. Insbeson<strong>der</strong>edort, wo es um Bebauung, <strong>Grün</strong>pflege o<strong>der</strong>Naturschutz geht, treffen auch gegensätzliche Interessenaufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong>.Entwickelt wurde das <strong>Grün</strong>buch aus e<strong>in</strong>er anthropozentrischenPerspektive heraus: Die Funktionen von<strong>Grün</strong>räumen und <strong>der</strong>en Nutzen für die Menschen <strong>in</strong>Städten stehen im Mittelpunkt. Es wird aber auch <strong>der</strong>Schutz von Naturräumen thematisiert (zum Beispiel„<strong>Stadt</strong>wildnis“), die um ihrer selbst willen und damitletztlich auch zum Wohlergehen des Menschen bewahrtwerden.


12 Urbanes <strong>Grün</strong> für Mensch und Umwelt / <strong>Grün</strong>buchArgumente – Urbanes <strong>Grün</strong> als Lebensgrundlage undals Ressource für Mensch und UmweltWarum ist <strong>Grün</strong> so wichtig? Welche Relevanz hat esfür die <strong>Stadt</strong>entwicklung und die <strong>Stadt</strong>gesellschaft?Wo liegen die Potenziale von <strong>Stadt</strong>grün für Soziales,Gesundheit, Klima, Biodiversität, Baukultur?In Bürgerbefragungen wird <strong>Stadt</strong>grün als wichtigund sehr wichtig bewertet, dies mit wachsen<strong>der</strong>Tendenz. Parks und <strong>Grün</strong>anlagen sowie e<strong>in</strong> grünesund attraktives Wohnumfeld bedeuten Lebensqualitätund Vitalität. <strong>Grün</strong>e Städte punkten im Standortwettbewerb.<strong>Stadt</strong>grün för<strong>der</strong>t Erholung und Gesundheit,ermöglicht Begegnung und Teilhabe undschafft Gestaltungsräume für alle <strong>Stadt</strong>bewohner.Zudem för<strong>der</strong>t es e<strong>in</strong> gesundes Klima, den Erhalt <strong>der</strong>Biodiversität und dient zugleich <strong>der</strong> Luftre<strong>in</strong>haltung,<strong>der</strong> Grundwasserneubildung und dem Schutz <strong>der</strong><strong>Stadt</strong>böden. Nicht zuletzt ist <strong>Stadt</strong>grün für Kommunene<strong>in</strong> positiver Imageträger. Gartendenkmälergeben Auskunft über gartenkünstlerische Intentionen,Repräsentationsformen und Bildungsansprücheihrer Entstehungszeit.Die Durchgrünung deutscher Städte ist weit fortgeschritten,demgegenüber steht jedoch e<strong>in</strong> andauern<strong>der</strong>Abbau von F<strong>in</strong>anzen und Personal <strong>in</strong> den <strong>Grün</strong>verwaltungen.Der Ressourcenabbau hat e<strong>in</strong>e Ausdünnung <strong>der</strong><strong>Grün</strong>pflege zur Folge. Branchenweit g<strong>in</strong>g die Beschäftigtenzahlvon Gartenarchitekten und Gärtnern seitetlichen Jahren deutlich zurück. Die Unzufriedenheit <strong>der</strong>Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger mit Instandhaltung und Pflegevon Parks und Natur ist hoch und <strong>der</strong> Unmut wächst.Die seit mehreren Jahren von <strong>der</strong> Gartenamtsleiterkonferenz(GALK) beauftragten Befragungen <strong>in</strong> deutschenStädten und Geme<strong>in</strong>den zeigen diese Unzufriedenheitdeutlich. Auch die im Frühjahr 2013 durchgeführterepräsentative Forsa-Umfrage zur Nutzung und zur Zufriedenheitvon Bürger<strong>in</strong>nen und Bürgern europäischerGroßstädte belegte den Handlungsbedarf bei <strong>der</strong> Pflegeöffentlicher <strong>Grün</strong>flächen. 1<strong>Stadt</strong>grün ist multifunktional. Nachfolgend werdenverschiedene Argumente für <strong>in</strong>tegrierte und nachhaltige<strong>Stadt</strong>entwicklung gebündelt und im Detail beleuchtet:


<strong>Grün</strong>buch / Urbanes <strong>Grün</strong> für Mensch und Umwelt 13GesundheitUmwelt SozialesÖkonomiePlanung■<strong>Stadt</strong>grün trägt zur Naturerfahrung und Umweltbildungbei: <strong>Grün</strong>e Schulhöfe, begrünte Freizeitanlagenund Spielplätze, Parks und <strong>Grün</strong>anlagen, botanischeGärten, Kle<strong>in</strong>gärten etc. bieten mit ihrer Vielfalt anPflanzen und Tieren Räume für das Erleben vonNatur- und Umweltzusammenhängen.Kurz gefasstSoziale Argumentefür e<strong>in</strong>e grüne <strong>Stadt</strong>entwicklungUrbane <strong>Grün</strong>flächen s<strong>in</strong>d ungleich verteilt:■ Großstädte verfügen über weniger <strong>Grün</strong> als Kle<strong>in</strong>städte(46 zu 71 Quadratmeter je E<strong>in</strong>wohner);■ Hoch verdichtete Quartiere bieten pro Person vielweniger <strong>Grün</strong> als locker bebaute;■ Sozial benachteiligte Wohngebiete zeigen rund e<strong>in</strong>Viertel weniger <strong>Grün</strong> als <strong>der</strong> städtische Durchschnitt(38 zu 50 Quadratmeter je E<strong>in</strong>wohner).Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger beteiligen sichan grüner <strong>Stadt</strong>entwicklung:■ Viele <strong>Stadt</strong>bewohner gärtnern bereits seit Jahrzehnten<strong>in</strong> rund e<strong>in</strong>er Millionen Kle<strong>in</strong>gärten, <strong>in</strong> 13.000Vere<strong>in</strong>en auf e<strong>in</strong>er Gesamtfläche von rund 48.000Hektar;■ Durch die Urban Garden<strong>in</strong>g-Initiativen <strong>der</strong> jüngstenVergangenheit s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>nerhalb weniger Jahre bundesweitrund 400 Geme<strong>in</strong>schaftsgärten entstanden;■ Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger for<strong>der</strong>n zunehmendBeteiligung an <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong>entwicklungsplanung undnehmen E<strong>in</strong>fluss auf ihr Wohn- und Arbeitsumfeld.<strong>Stadt</strong>grün bietet Räume für Begegnungund Bewegung:■ Familien und Freunde verabreden sich zum Spazieren,zum Picknick und Grillen, um Zeit mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong>zu verbr<strong>in</strong>gen;■ Ruhezonen und Bänke bieten jungen wie älterenMenschen Raum für Erholung;■ Hundebesitzer begegnen sich auf ihren täglichenRunden und kommen <strong>in</strong>s Gespräch;■ Kle<strong>in</strong>gartenanlagen ermöglichen Naturerleben undBegegnungen über geme<strong>in</strong>same Aktivitäten;■ Geme<strong>in</strong>schaftsgärten leisten e<strong>in</strong>en wichtigenBeitrag zur Integration und zur Identifikation <strong>der</strong>Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger mit ihrer <strong>Stadt</strong> und ihremViertel;Soziale Argumente➜ In mit <strong>Grün</strong>flächen vergleichsweise unterversorgtenWohngebieten sollte vermehrt<strong>Stadt</strong>grün angelegt werden, das unterschiedlicheQualitätsansprüche erfüllt.➜ Mit <strong>Stadt</strong>grün kann Bürgerbeteiligung positivgelebt werden.➜ <strong>Stadt</strong>grün trägt positiv zum nachbarschaftlichenZusammenleben, zu Naturerfahrungund Umweltbildung bei.Gesundheitsargumente für e<strong>in</strong>e grüne<strong>Stadt</strong>entwicklungAktivitäten im <strong>Grün</strong>en för<strong>der</strong>n den Ausgleichund die Gesundheit:■ <strong>Grün</strong>e Infrastruktur <strong>in</strong> Städten ist e<strong>in</strong> physischer,psychologischer, emotionaler und sozioökonomischerFaktor für das Wohlbef<strong>in</strong>den des E<strong>in</strong>zelnenwie auch <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>schaft;■ <strong>Grün</strong>räume <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wohnumgebung, die aktiv undpassiv genutzt werden können, wirken positiv aufdie psychische und physische Gesundheit;■ Durch Aufenthalte und Betätigung im <strong>Grün</strong>en kannStress abgebaut werden;■ Körperliche Aktivität und Sport s<strong>in</strong>d gesundheitsför<strong>der</strong>lich,schützen vor verschiedenen chronischenErkrankungen und können auch bei <strong>der</strong> Krankheitsbewältigungunterstützen.Altersabhängig gibt es unterschiedliche Ansprüchean die Umwelt:■ Urbane <strong>Grün</strong>räume schaffen e<strong>in</strong>e vielfältige <strong>Stadt</strong>natur,bieten Pflanzen und Tieren Lebensraum


14 Urbanes <strong>Grün</strong> für Mensch und Umwelt / <strong>Grün</strong>buchund gewähren Menschen die Möglichkeit täglicherNaturerfahrung;■ K<strong>in</strong><strong>der</strong> müssen ihren Bewegungsdrang auslebenkönnen und brauchen Raum für freies Spiel;■ Jugendliche aus dem Jugendforum <strong>Stadt</strong>entwicklungim Bundesm<strong>in</strong>isterium für Umwelt, Naturschutz,Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) for<strong>der</strong>n„Spielplätze abschaffen“ und e<strong>in</strong>e Öffnung allerurbanen Freiräume für alle;■ Ältere Menschen benötigen Bewegung und Räumezur aktiven Alltagsgestaltung;■ Insbeson<strong>der</strong>e für die psychosoziale Entwicklungvon K<strong>in</strong><strong>der</strong>n, aber auch von Erwachsenen, haben<strong>Grün</strong>flächen große Bedeutung.Innenstädte s<strong>in</strong>d oft hochgradig belastet:■ <strong>Grün</strong>flächen können Luftschadstoffe, Fe<strong>in</strong>staub undLärm absorbieren und leisten somit generell e<strong>in</strong>enBeitrag zur M<strong>in</strong><strong>der</strong>ung von Immissionen;■ Die M<strong>in</strong><strong>der</strong>ung von Luftschadstoffen kann zurGesundheitsvorsorge von allen <strong>Stadt</strong>bewohnern, vorallem aber K<strong>in</strong><strong>der</strong>n, Älteren o<strong>der</strong> Kranken, beitragen;■ <strong>Stadt</strong>waldböden sammeln und filtern Regen- undSchmelzwasser und tragen so zur Neubildung vonsauberem Grundwasser bei.Kurz gefasstGesundheitsargumente➜ <strong>Stadt</strong>grün för<strong>der</strong>t die Gesundheit <strong>der</strong> Bürger<strong>in</strong>nenund Bürger.➜ <strong>Stadt</strong>grün schafft Naturerfahrungsräume undsteigert das psychosoziale Wohlbef<strong>in</strong>den.➜ <strong>Stadt</strong>grün wirkt Umweltbelastungen entgegen.■ Jede CO 2-M<strong>in</strong><strong>der</strong>ung vor Ort verr<strong>in</strong>gert die negativenAuswirkungen des Klimawandels.Städte s<strong>in</strong>d Wärme<strong>in</strong>seln:■ In Innenstädten ist es nachts bis über zehn GradCelsius wärmer als im Umland;■ Mit dem Klimawandel werden Hitzetage und heißeNächte mit mehr als 20 Grad Celsius M<strong>in</strong>imumtemperatur,sogenannte „Tropennächte“, bis zum Jahr2100 drastisch zunehmen;■ Bäume bieten Schattenwurf und Verdunstungskühleund damit Temperaturausgleich;■ E<strong>in</strong>e wachsende und gleichzeitig alternde <strong>Stadt</strong>bevölkerungbraucht nächtliche Abkühlung undFrischluftaustausch zur Regeneration.■ E<strong>in</strong>e <strong>Grün</strong>e Infrastruktur för<strong>der</strong>t somit die Entstehungvon Kaltluft und Verdunstungskühle, för<strong>der</strong>tden Luftaustausch und schützt das Klima durchCO 2-Speicherung.Städte s<strong>in</strong>d geme<strong>in</strong>samer Lebensraum:■ Städte und Siedlungsbereiche weisen e<strong>in</strong>e Vielfalt anBiotopen auf, die zahlreichen Tieren und Pflanzene<strong>in</strong>en Lebens- und Rückzugsraum bieten;■ Beson<strong>der</strong>s artenreich s<strong>in</strong>d <strong>Stadt</strong>wäl<strong>der</strong>, große, reichstrukturierte Parkanlagen mit altem Baumbestandsowie die Übergangsbereiche zwischen <strong>Stadt</strong> undKulturlandschaft am <strong>Stadt</strong>rand;■ Urbane Wildnisflächen bieten e<strong>in</strong>e Fülle an Naturerfahrungsmöglichkeiten;■ Urban Garden<strong>in</strong>g-Initiativen erhöhen die Agrobiodiversität(Komponenten <strong>der</strong> biologischen Vielfalt,die für Ernährung und Landwirtschaft von Bedeutungs<strong>in</strong>d) und führen zu e<strong>in</strong>er höheren Wertschätzungvon Lebensmitteln.Kurz gefasstArgumente für e<strong>in</strong>e umweltgerechte<strong>Stadt</strong>entwicklungDer CO 2-Gehalt <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong>luft ist tendenziellhöher als im Umland:■ Vor allem die Emissionen durch Straßenverkehr undHeizungsanlagen sorgen für hohe CO 2-Gehalte <strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>Stadt</strong>luft;■ <strong>Stadt</strong>bäume speichern circa 62 Millionen Tonneno<strong>der</strong> umgerechnet sechs Prozent des KohlenstoffvorratsDeutschlands;Umweltgerechte <strong>Stadt</strong>entwicklung➜ <strong>Stadt</strong>grün schützt das Klima durch CO 2-Speicherung.➜ <strong>Stadt</strong>grün schafft Kaltluftgebiete, Luftaustausch,Schatten und Verdunstungskühleund schützt so vor Hitze.➜ <strong>Stadt</strong>grün för<strong>der</strong>t Artenreichtum und Biodiversitätim Lebensumfeld <strong>der</strong> Menschen.


<strong>Grün</strong>buch / Urbanes <strong>Grün</strong> für Mensch und Umwelt 15Ökonomische Argumente für e<strong>in</strong>egrüne <strong>Stadt</strong>entwicklungStädte stehen zue<strong>in</strong>an<strong>der</strong> im Wettbewerb:■ Im <strong>in</strong>ternationalen und nationalen Wettbewerb umE<strong>in</strong>wohner und Arbeitskräfte und als Standort fürUnternehmen ist das <strong>Stadt</strong>bild und se<strong>in</strong>e <strong>Grün</strong>qualitäte<strong>in</strong> wichtiger Standortfaktor;■ „<strong>Grün</strong>e Städte“ zeichnen sich durch hohe Lebensqualitätund Wettbewerbsfähigkeit aus. Dies bestätigenwie<strong>der</strong>holt auch Städterank<strong>in</strong>gs;■ Menschen, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>Stadt</strong>teil mit vielen Parks und<strong>Grün</strong>flächen leben, s<strong>in</strong>d im Durchschnitt zufriedenerals Bewohner<strong>in</strong>nen und Bewohner <strong>in</strong> Vierteln mitwenig <strong>Grün</strong>anteil.Hohe Bedeutung öffentlicher <strong>Grün</strong>anlagen:■ Städtisches <strong>Grün</strong> gehört zu den wichtigsten öffentlichenRäumen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er <strong>Stadt</strong>;■ Attraktives <strong>Grün</strong> verstärkt die Identifikation vonBürger<strong>in</strong>nen und Bürgern und ist e<strong>in</strong> entscheidendesKriterium bei <strong>der</strong> Wohnortwahl;■ Gärten und Parkanlagen <strong>in</strong> Städten s<strong>in</strong>d beliebteAufenthaltsräume im Freien und wichtig für dasNaturbewusstse<strong>in</strong>.Städte s<strong>in</strong>d Lebens- und Wirtschaftsräume:■ E<strong>in</strong>e <strong>Grün</strong>e Infrastruktur leistet direkte und <strong>in</strong>direkteBeiträge zur Wertschöpfung <strong>in</strong> Kommunen.■ Bäume, Beet- und <strong>Grün</strong>flächen erbr<strong>in</strong>gen vielfältigeLeistungen: Neben Ökosystemleistungen und <strong>der</strong>Erfüllung sozialer Aufgaben erhöhen <strong>Grün</strong>flächendie wirtschaftliche Anziehungskraft e<strong>in</strong>es <strong>Stadt</strong>quartierso<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er gesamten <strong>Stadt</strong>;■ Öffentliche <strong>Grün</strong>flächen haben e<strong>in</strong>en hohen Freizeit-und Erholungswert;■ <strong>Grün</strong>flächen wirken sich als Standortfaktor positivauf Wohnstandort- und Investitionsentscheidungensowie auf Boden- und Immobilienpreise aus undtragen damit direkt und <strong>in</strong>direkt zur wirtschaftlichenEntwicklung bei;■ Von <strong>Grün</strong>räumen profitieren <strong>der</strong> städtische Tourismusund das lokale Gewerbe, wie die Gastronomie,Gärtner o<strong>der</strong> Landschaftsarchitekten sowie <strong>der</strong>Sportsektor. Gartenschauen, Märkte und an<strong>der</strong>e Veranstaltungengenerieren direkte E<strong>in</strong>nahmen durchE<strong>in</strong>trittsgel<strong>der</strong> o<strong>der</strong> Flächenvermietung und tragendamit zu Wertschöpfung und Beschäftigung bei;■ <strong>Grün</strong>flächen können Quartiere aufwerten, wobei aufSozialverträglichkeit zu achten ist. Sie können diePreise <strong>der</strong> umliegenden Immobilien erheblich steigern.Dabei s<strong>in</strong>d Gestaltung, Aufenthaltsqualität, Zugänglichkeitund <strong>Grün</strong>pflege von zentraler Bedeutung.Kurz gefasstÖkonomische Argumente➜ <strong>Stadt</strong>grün steigert die Attraktivität von Städten.➜ <strong>Stadt</strong>grün bietet Lebensqualität, Wohlbef<strong>in</strong>denund Identifikation.➜ <strong>Stadt</strong>grün leistet direkte und <strong>in</strong>direkte Beiträgezur Wertschöpfung <strong>in</strong> Kommunen.Argumente für e<strong>in</strong>e <strong>Grün</strong>e Infrastrukturund Planung<strong>Grün</strong>e Infrastruktur ausbauen und gestalten:■ <strong>Grün</strong>e Infrastruktur ist auch für urbane Räumeessentiell. Sie stellt die Gesamtheit und Vernetzungaller städtischen <strong>Grün</strong>flächen dar. Die Ausstattung<strong>der</strong> Städte mit <strong>Grün</strong> ist neben <strong>der</strong> gebauten Infrastruktur,Verkehrs- sowie Ver- und Entsorgungs<strong>in</strong>frastrukturfür die <strong>Stadt</strong>bewohner Teil kommunalerGrundversorgung. Städte haben und brauchen<strong>Grün</strong>e Infrastruktur;■ Die Sicherung und Entwicklung grüner Infrastrukturist e<strong>in</strong>e gestalterische, stadt- und landschaftsplanerische,(garten)bauliche und architektonischeAufgabe mit vielen Facetten, von <strong>der</strong> funktionalenund technischen Anlage „<strong>Grün</strong>er Infrastruktur“ überdie visuell wirkende Strukturierung des Raumes biszur Bauwerksbegrünung;■ <strong>Grün</strong>e Infrastruktur ist e<strong>in</strong> Beitrag zur Verbesserung<strong>der</strong> Resilienz <strong>der</strong> Städte, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e gegenüberUmwelt-, Klima- und Gesundheitsrisiken.Freiflächen s<strong>in</strong>d Potenziale für <strong>Grün</strong>e Infrastruktur<strong>in</strong> Städten:■ Potenziale für den Ausbau, die Vernetzung und dieAufwertung von <strong>Grün</strong> im bebauten Bereich bietenbundesweit über 100.000 Hektar nicht zur Bebauungvorgesehene Brachflächen;■ Mit ihnen kann das Gesundheits- und Umweltpotenzialvon <strong>Grün</strong> ausgebaut und für verschiedeneNutzergruppen ausgeschöpft werden;■ Netzartig über die <strong>Stadt</strong> verteilt wirkt <strong>Grün</strong> optimalund ist gut erreichbar.


16 Urbanes <strong>Grün</strong> für Mensch und Umwelt / <strong>Grün</strong>buchEs gibt e<strong>in</strong>en deutlichen Trend „Zurück <strong>in</strong> die <strong>Stadt</strong>“:■ In Wachstumsregionen und <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>in</strong> Innenstadtlagenwerden Flächenreserven zunehmendbebaut. <strong>Stadt</strong>grün wird häufiger im Konflikt mitan<strong>der</strong>en Nutzungen verdrängt;■ Das Regierungsziel, die Durchgrünung von Siedlun-gen e<strong>in</strong>schließlich des wohnumfeldnahen <strong>Grün</strong>sbis zum Jahr 2020 deutlich zu erhöhen, ist damitgefährdet;■ Städte werden qualitativ, das heißt im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong>doppelten Innenentwicklung, betrachtet, so dassneben <strong>der</strong> Flächenersparnis auch die Aufwertungstädtischer Freiräume im Fokus steht;■ Fassaden- und Dachbegrünung sowie neue Bauformenmit mehr <strong>Grün</strong>raum und <strong>Grün</strong>volumen bietenChancen für den notwendigen Ausgleich.<strong>Stadt</strong>planung ist e<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>schaftsaufgabe:■ Urbanes <strong>Grün</strong> ist elementar für den gesellschaftlichenZusammenhalt und zur Risikovorsorge,<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e gegenüber Klima-, Umwelt- aber auchgesundheitlichen Risiken;■ Die <strong>Grün</strong>e Infrastruktur verb<strong>in</strong>det den bebautenRaum mit Verkehrsraum und an<strong>der</strong>en Freiräumen;■ Unterschiedlichste Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten<strong>in</strong> Kommunen haben Schnittstellenzur <strong>Grün</strong>planung.<strong>Stadt</strong>grün verb<strong>in</strong>det:■ <strong>Grün</strong> för<strong>der</strong>t Begegnung und kann die <strong>Stadt</strong>gesellschaftstabilisieren;■ Urbanes <strong>Grün</strong> ist Auftrag, Herausfor<strong>der</strong>ung undVision zugleich und bildet e<strong>in</strong>e Klammer über vieleFacetten <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong>entwicklung;■ E<strong>in</strong>e stärkere, auch professionelle, urbane Agrikulturkann die Versorgung und Krisenfestigkeit (Resilienz)von <strong>Stadt</strong>regionen verbessern;■ <strong>Stadt</strong>grün mit hoher Nutzungsvielfalt kann diversesoziale, ökologische und ökonomische Funktionenerfüllen.Kurz gefasst<strong>Grün</strong>e Infrastruktur und Planung➜ <strong>Grün</strong>e Infrastruktur ist e<strong>in</strong>e essentielleErgänzung <strong>der</strong> „grauen“ Infrastruktur imurbanen Raum.➜ Freie Flächen, die baulich nicht genutztwerden, sollten für <strong>Stadt</strong>grün erhalten undentwickelt werden – gegebenenfalls als temporäreZwischennutzung.➜ <strong>Stadt</strong>grün ist <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>in</strong> den hochverdichtetenInnenstadtlagen wichtig.➜ Integrierte <strong>Stadt</strong>planung braucht <strong>Grün</strong>planung➜ <strong>Stadt</strong>grün verstärkt die Resilienz <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong>gesellschaft– muss aber nutzbar und zugänglichse<strong>in</strong>.Naturschutz WertsteigerungAusgleich Gesundheit LebensqualitätPicknick<strong>Grün</strong> ist wichtigBegegnungUrban Garden<strong>in</strong>g ParksBaukultur BeteiligungMite<strong>in</strong>an<strong>der</strong>KlimaResilienz


<strong>Grün</strong>buch / Urbanes <strong>Grün</strong> für Mensch und Umwelt 17Die Akteure des <strong>Stadt</strong>grünsDer Bund und die Europäische KommissionDer Bund hat die wachsende öffentliche Wahrnehmungund die steigenden Anfor<strong>der</strong>ungen an <strong>Stadt</strong>grünerkannt und bündelt Aktivitäten <strong>der</strong> verschiedenenRessorts. Das Thema „<strong>Stadt</strong>grün“ soll stärker alsbisher <strong>in</strong> den Fokus gerückt und <strong>in</strong> den strategischenPlanungen <strong>der</strong> verschiedenen regionalen Ebenen,zum Beispiel bei Klimaschutz- und sonstigen Maßnahmenkonzepten,berücksichtigt werden. Hierbeis<strong>in</strong>d sowohl <strong>der</strong> strukturelle Ausbau des <strong>Stadt</strong>grünsals auch <strong>der</strong> Erhalt und die Pflege zu beachten.Das Thema „<strong>Stadt</strong>grün“ soll stärker <strong>in</strong> denFokus gerückt und <strong>in</strong> den strategischen Planungen<strong>der</strong> verschiedenen regionalen Ebenenberücksichtigt werden.Neben den bundespolitischen Zielen gibt es auchvielfältige Initiativen und Richtl<strong>in</strong>ien auf europäischerEbene, die Relevanz für die Entwicklung unsererStädte – <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e im Bereich des <strong>Stadt</strong>grüns –haben, da diese durch den Bund umgesetzt werdenmüssen. Dazu gehören beispielsweise die Natura-2000-Gebiete, die europäische Wasserrahmenrichtl<strong>in</strong>iebis h<strong>in</strong> zu Vorgaben zur Qualität von Pflanzen. DieEuropäische Kommission unterstützt unter an<strong>der</strong>emüber die Leipzig Charta aus dem Jahr 2007, über denWettbewerb „European Green Capital“ sowie über ihreStrategie zur „<strong>Grün</strong>en Infrastruktur“ das politischeZiel, den urbanen Raum grüner zu machen.Die Län<strong>der</strong> – Ideengeber für <strong>Grün</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong>Das Land Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen hat 2012 mit demThema „Urbanes <strong>Grün</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>in</strong>tegrierten <strong>Stadt</strong>entwicklung“e<strong>in</strong>e Vorstellung für das <strong>Stadt</strong>grün <strong>der</strong><strong>Zukunft</strong> gegeben: „<strong>Stadt</strong>bäume, Freiräume und neue<strong>Stadt</strong>landschaften tragen dazu bei, dass unsere Städte'atmen' können und <strong>Stadt</strong>räume (neu) <strong>in</strong> Wert gesetztwerden. Kle<strong>in</strong>gärten und Bürgergärten verbessern densozialen Zusammenhalt <strong>in</strong> den <strong>Stadt</strong>quartieren. AttraktiveWohnungsangebote und Büros entstehen <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>edort, wo e<strong>in</strong> qualitätsvolles grünes Umfeldmöglich ist. Bürgerzufriedenheit hängt mit Erreichbarkeit,Größe, Ausstattung und Pflege des städtischen<strong>Grün</strong>s eng zusammen.“ 2014 hat das Land Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen e<strong>in</strong>en Leitfaden „Urbanes <strong>Grün</strong> – Konzepteund Instrumente“ veröffentlicht und Handlungsfel<strong>der</strong>def<strong>in</strong>iert. Wesentliches Ziel <strong>der</strong> Leitfäden des Landesist, den Städten und Geme<strong>in</strong>den Anregung undHilfestellung zu geben, wie sie kommunale Ziele mit<strong>Grün</strong>flächen besser erreichen können.Weitere Län<strong>der</strong> haben Konzepte entwickelt, so unteran<strong>der</strong>em Berl<strong>in</strong> 2012 mit <strong>der</strong> „Strategie <strong>Stadt</strong>landschaft– natürlich urban produktiv“. <strong>Grün</strong>- undFreiräume klimagerecht und sozial weiterzuentwickelnist trotz f<strong>in</strong>anzieller Engpässe e<strong>in</strong> Kernthemaje<strong>der</strong> zukunftsfähigen <strong>Stadt</strong>entwicklung, um so dieLebensqualität <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> langfristig zu sichern. Alserste deutsche Großstadt entwickelte Hamburg 2014Pläne, die <strong>Stadt</strong> mithilfe e<strong>in</strong>er „<strong>Grün</strong>dachstrategie“ anden Klimawandel anzupassen. Das Bündnis „<strong>Grün</strong>esBremen“ vom Mai 2014 for<strong>der</strong>t <strong>in</strong> sieben Handlungsfel<strong>der</strong>n,städtisches <strong>Grün</strong> und Freiraumqualitäten <strong>in</strong>Bremen dauerhaft zu erhalten, weiterzuentwickelnund auszubauen und bietet dazu den Dialog an.Städte und Geme<strong>in</strong>den – die Macher vor OrtDie Kommunen verfügen über entscheidendePlanungs<strong>in</strong>strumente und bee<strong>in</strong>flussen über ihreAufgaben <strong>der</strong> kommunalen Selbstverwaltung <strong>in</strong> hohemMaße die Entwicklung von <strong>Grün</strong>flächen und <strong>der</strong>lokalen Biodiversität. 2012 haben engagierte Städteund Geme<strong>in</strong>den das Bündnis „Kommunen für biologischeVielfalt“ gegründet, das mittlerweile bundesweitmehr als 100 Mitglie<strong>der</strong> verzeichnet. Das Bündnisverfolgt die Vision grüner Städte und Geme<strong>in</strong>den mithochwertiger Natur im direkten Lebensumfeld <strong>der</strong>Menschen. Viele Städte und Geme<strong>in</strong>den <strong>in</strong> Deutschlandhaben Programme aufgelegt, um die <strong>Grün</strong>entwicklungvor Ort zu för<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> lokale Wettbewerbeorganisiert, um Bürgerengagement zu belohnen.Umfassende Begrünungen von Dächern und Fassadensowie durch Straßenbäume und Alleen können denFolgen des Klimawandels entgegenwirken – dieseTatsache hat <strong>in</strong> vielen Kommunen zu direkter o<strong>der</strong> <strong>in</strong>direkterFör<strong>der</strong>ung von Gebäudebegrünungsmaßnahmeno<strong>der</strong> auch Baumpflanzungen <strong>in</strong> privaten Gärtengeführt. Der Deutsche Städtetag formuliert <strong>in</strong> se<strong>in</strong>emPositionspapier aus dem Jahr 2013: „E<strong>in</strong>e klimaange-


18 Urbanes <strong>Grün</strong> für Mensch und Umwelt / <strong>Grün</strong>buchpasste und klimafreundliche Mobilität lässt sich (…)am ehesten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er kompakten, nutzungsgemischten<strong>Stadt</strong> mit kurzen Wegen und qualitätsvollen öffentlichenRäumen und <strong>Grün</strong>flächen erreichen.“Im deutschsprachigen Raum haben e<strong>in</strong>ige Großstädtevorbildliche Planungen und Konzepte für <strong>Grün</strong>räumeund städtisches <strong>Grün</strong>management entwickelto<strong>der</strong> br<strong>in</strong>gen diese gerade auf den Weg: Im Rahmen<strong>der</strong> Züricher „Strategien Zürich 2025“ ist das <strong>Grün</strong>buche<strong>in</strong> wichtiger Pfeiler nachhaltiger Planung. Alle<strong>Grün</strong>belange von Wald, Landwirtschaft, Parkanlagen,Wohnumfeld und Umweltbildung werden dar<strong>in</strong>erfasst und ihre nachhaltige <strong>Grün</strong>wirkung strategischgestärkt. Die <strong>Stadt</strong> Wien verb<strong>in</strong>det im „<strong>Stadt</strong>entwicklungsplan2025“ vom Juni 2014 das Ziel hoher städtebaulicherDichte mit <strong>der</strong> Erhaltung und Schaffungqualitätsvoller Frei- und <strong>Grün</strong>räume.Die grüne BrancheBundesverbände und Unternehmen setzen sich füre<strong>in</strong>e grüne <strong>Stadt</strong>entwicklung e<strong>in</strong>, etwa mit <strong>der</strong> Charta„<strong>Zukunft</strong> <strong>Stadt</strong> und <strong>Grün</strong>“. Die 2014 veröffentlichteCharta benennt <strong>in</strong> <strong>in</strong>sgesamt acht Wirkungs- undHandlungsfel<strong>der</strong>n die vielfältigen Lösungsbeiträgevon urbanem <strong>Grün</strong> für e<strong>in</strong>e nachhaltige <strong>Stadt</strong>entwicklung:Initiatoren <strong>der</strong> Charta s<strong>in</strong>d <strong>der</strong> BundesverbandGarten-, Landschafts- und Sportplatzbaue. V. (BGL) und die Stiftung DIE GRÜNE STADT. Zuden <strong>der</strong>zeit mehr als 45 Unterzeichnern zählen Verbände,Unternehmen, Stiftungen und E<strong>in</strong>zelpersonen.Der seit 2001 erfolgreich durchgeführte Bundeswettbewerb„Entente Florale“ zielt auf Städte und Geme<strong>in</strong>denmit mehr als 3.000 E<strong>in</strong>wohnern. Unter dem Motto„Geme<strong>in</strong>sam aufblühen“ werden unter Fe<strong>der</strong>führungdes Zentralverbandes Gartenbau e. V. (ZVG) vorbildlicheInitiativen für e<strong>in</strong>e nachhaltige <strong>Stadt</strong>- und<strong>Grün</strong>entwicklung ausgezeichnet. Im Mittelpunktdes Wettbewerbs steht die För<strong>der</strong>ung von lokalenGeme<strong>in</strong>schaftsaktionen von Politik, Verwaltung,Wirtschaft und Bürger<strong>in</strong>nen und Bürgern, um denstädtischen Raum mit Blumen und Pflanzen lebendigzu gestalten.


<strong>Grün</strong>buch / Urbanes <strong>Grün</strong> für Mensch und Umwelt 19För<strong>der</strong>programme werten <strong>Stadt</strong>grün aufMit <strong>der</strong> Verwaltungsvere<strong>in</strong>barung 2015 über dieStädtebauför<strong>der</strong>ung stärken Bund und Län<strong>der</strong> denStellenwert von <strong>Grün</strong> im besiedelten Raum. So wird dieBegrünung des Lebensumfeldes als wichtiger Bauste<strong>in</strong>für die Steigerung <strong>der</strong> Attraktivität <strong>der</strong> Städte und Geme<strong>in</strong>denals Wohn- und Wirtschaftsstandort ausdrücklichanerkannt. Darüber h<strong>in</strong>aus bietet <strong>der</strong> Bund mitden Programmen <strong>der</strong> Städtebauför<strong>der</strong>ung und demBundesprogramm "Nationale Projekte des Städtebaus",über die unter an<strong>der</strong>em auch Projekte zu <strong>Grün</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong><strong>Stadt</strong> geför<strong>der</strong>t werden können, weitere städtebaulicheUnterstützung an.H<strong>in</strong>zu kommen Län<strong>der</strong>programme wie das „Ökologieprogrammim Emscher-Lippe-Raum (ÖPEL)“ o<strong>der</strong> dieHamburger <strong>Grün</strong>dachstrategie. Kommunale Programmewidmen sich zum Beispiel <strong>der</strong> Hofbegrünung, <strong>der</strong>Entsiegelung o<strong>der</strong> über Spielplatzprogramme unteran<strong>der</strong>em <strong>der</strong> <strong>Grün</strong>pflege. Über sogenannte Erschließungsbeiträgeo<strong>der</strong> über städtebauliche Verträgewerden Bauherren an <strong>der</strong> <strong>Grün</strong>erschließung beteiligt.Viele Kommunen staffeln die Höhe <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>schlagswassergebührenje nach Versiegelungsgrad von Grundstückenund för<strong>der</strong>n so mittelbar die Begrünung vonPrivatgärten o<strong>der</strong> auf betrieblichen Flächen <strong>der</strong> lokalenWirtschaft. Nicht zuletzt för<strong>der</strong>n grüne Stiftungen sowiePatenschaften o<strong>der</strong> verschiedene Formen von sogenannten„Public Private Partnership“-Kooperationen die<strong>Grün</strong>entwicklung und das <strong>Grün</strong>flächenmanagement.Die <strong>Stadt</strong>quartiere sollen unter Berücksichtigung desKlimaschutzes und <strong>der</strong> Klimaän<strong>der</strong>ung an die Bedürfnisse<strong>der</strong> Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger angepasst werden,<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e mit Blick auf Familien beziehungsweiseHaushalte mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und ältere Menschen. Sowerden beispielsweise F<strong>in</strong>anzmittel e<strong>in</strong>gesetzt, umdas Wohnumfeld barrierefrei zu gestalten und umdie Ausstattung mit Geme<strong>in</strong>bedarfse<strong>in</strong>richtungen zuverbessern, die <strong>der</strong> Gesundheit, <strong>der</strong> Bildung und <strong>der</strong>Integration dienen. Dazu gehört auch <strong>der</strong> Ausbau vonSpielplätzen, <strong>Grün</strong>anlagen und Sportstätten im Rahmen<strong>der</strong> <strong>in</strong>tegrierten <strong>Stadt</strong>entwicklung.


20 Urbanes <strong>Grün</strong> für Mensch und Umwelt / <strong>Grün</strong>buchPlanung und Konzeption <strong>Grün</strong>er Infrastruktur<strong>Grün</strong>e Infrastruktur statt graue StandardlösungUnsere Städte und Geme<strong>in</strong>den bestehen nicht nur ausGebäuden, Plätzen und Straßen. Sie bestehen auchaus vielfältigen <strong>Grün</strong>strukturen. Die Bandbreite reichtdabei von <strong>in</strong>tensiv gestalteten Parks über e<strong>in</strong>fache<strong>Grün</strong>anlagen und Kle<strong>in</strong>gärten bis h<strong>in</strong> zu Straßenbegleitgrünund <strong>Stadt</strong>wäl<strong>der</strong>n sowie extensiv gestalteten<strong>Grün</strong>räumen und grünen Brachen. Auch begrünteGebäude und Gebäudeteile prägen das Bild unsererStädte. Da diese verschiedenen <strong>Grün</strong>strukturen diegebaute, sogenannte „graue“ Infrastruktur ergänzenund die <strong>Stadt</strong> dadurch qualitativ aufwerten, werdensie <strong>in</strong> ihrer Gesamtheit auch als „<strong>Grün</strong>e Infrastruktur“bezeichnet.Unter dem Begriff „<strong>Grün</strong>e Infrastruktur“ wird dabei e<strong>in</strong>strategisch geplantes Netzwerk wertvoller natürlicherund naturnaher Flächen sowie weiterer Umweltelementeverstanden, die dazu beitragen können, denBau teurer Infrastruktur zu vermeiden, da die Naturnicht nur kostengünstigere, son<strong>der</strong>n auch beständigereLösungen anbietet. Die Entwicklung e<strong>in</strong>er solchen<strong>Grün</strong>en Infrastruktur stellt aber nicht nur die Grundlagefür die Entwicklung und Sicherung wertvollerÖkosystemleistungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> dar, son<strong>der</strong>n trägtauch effektiv zum Erhalt und zur Weiterentwicklung<strong>der</strong> biologischen Vielfalt <strong>in</strong> unseren Städten bei. Dabeiwerden die Ziele <strong>der</strong> Raum- und <strong>Stadt</strong>planung konzeptionellaufgenommen, da die <strong>Grün</strong>e Infrastruktur dieräumliche Entwicklung und Steuerung unserer Städte


<strong>Grün</strong>buch / Urbanes <strong>Grün</strong> für Mensch und Umwelt 21nicht e<strong>in</strong>schränken, son<strong>der</strong>n ergänzen und erweiternsoll. <strong>Grün</strong>e Infrastruktur kann mitunter auch e<strong>in</strong>eAlternative zu „grauen“ Standardlösungen se<strong>in</strong> 2 .Die Wirkung <strong>Grün</strong>er InfrastrukturDie Planung <strong>Grün</strong>er Infrastruktur verfolgt <strong>in</strong>sofernden Anspruch, verschiedene räumliche Ebenen von<strong>der</strong> Region zur <strong>Stadt</strong> bis h<strong>in</strong> zum Quartier und demE<strong>in</strong>zelgebäude durch <strong>Grün</strong> funktional mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong>zu verzahnen. Damit bildet sie gewissermaßen e<strong>in</strong>eKlammer, die verschiedene Themen <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong>entwicklunganspricht. Sie ist dadurch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage, politischeZiele, die mit städtischen <strong>Grün</strong>flächen und -strukturenverbunden s<strong>in</strong>d, etwa den Erhalt <strong>der</strong> biologischenVielfalt, die Verbesserung <strong>der</strong> menschlichen Gesundheito<strong>der</strong> die Anpassung an den Klimawandel sowie dieUnterstützung <strong>der</strong> green economy, auf verschiedenenEbenen zu adressieren und letztlich auch <strong>in</strong>haltlich mitzu gestalten 3 .Unsere Städte profitieren nicht nur von den verschiedenenBestandteilen <strong>der</strong> „<strong>Grün</strong>en Infrastruktur“,son<strong>der</strong>n vor allem auch von den Wirkungen, die dieseerst im Verbund entfalten. So ermöglicht die Entwicklungvon Biotopverbundsystemen und ökologischenTrittste<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>e reichhaltige und erfahrbare <strong>Stadt</strong>natur,die die Menschen <strong>in</strong>spiriert und Ausgleich vomhektischen <strong>Stadt</strong>leben ermöglicht. Erst strategisch geplante<strong>Grün</strong>strukturen und <strong>der</strong>en Vernetzung können(zum Beispiel als Frischluftschneisen) e<strong>in</strong>e Anpassungan die Folgen des Klimawandels darstellen. Sie tragenwesentlich zur Schaffung gesundheitsför<strong>der</strong>n<strong>der</strong>Umwelten bei. Anhand dieser Beispiele wird deutlich,dass die „<strong>Grün</strong>e Infrastruktur“ im Vergleich zur „grauenInfrastruktur“, die allgeme<strong>in</strong> alle Formen von versiegeltenund bebauten Flächen umfasst, durch e<strong>in</strong>e hoheMultifunktionalität gekennzeichnet ist.Die Kommunen verfügen über e<strong>in</strong>e Reihe von formellenund <strong>in</strong>formellen Planungs<strong>in</strong>strumenten, mit denendie urbane <strong>Grün</strong>e Infrastruktur entscheidend aufallen relevanten Ebenen konzeptioniert, geplant undgeför<strong>der</strong>t werden kann. E<strong>in</strong> qualifizierter, aktueller undmit <strong>der</strong> Flächennutzung verzahnter Landschaftsplan iste<strong>in</strong>e wichtige Grundlage für e<strong>in</strong>e nachhaltige Siedlungsentwicklung.Daneben ist aber auch die regionaleEbene für funktionierende <strong>Stadt</strong>-Umland-Beziehungenzu beteiligen.Projektbeispiele➜ Region Köln/Bonn: Masterplan <strong>Grün</strong> 3.0Im Rahmen <strong>der</strong> Regionale 2010 wurde für dieMetropolregion Köln/Bonn e<strong>in</strong> „Masterplan<strong>Grün</strong>“ <strong>in</strong>itiiert und seitdem kont<strong>in</strong>uierlichweiterentwickelt. Ziel ist die Entwicklung undUmsetzung e<strong>in</strong>er übergeordneten Leitl<strong>in</strong>ie„<strong>Stadt</strong>Landschaft“, die sowohl ökologischkulturelleLeitl<strong>in</strong>ien zu den Themen Wasser,Natur- und Kulturerbe und Klima als auchökologisch-ökonomische Leitl<strong>in</strong>ien zu LandundForstwirtschaft und Ressourcenlandschaftsowie Leitl<strong>in</strong>ien zu Freizeit und Erholung undschließlich querschnittsorientierte Leitl<strong>in</strong>ienzum Thema Rhe<strong>in</strong> def<strong>in</strong>iert. Der Masterplanversteht sich als übergeordnetes, qualitativesInstrument zur Projektsteuerung. Zentrale Bestandteile<strong>der</strong> Masterplanung bilden Projekte,die sich explizit auf die sogenannte „Blau-<strong>Grün</strong>eInfrastruktur“ <strong>der</strong> Region beziehen und dadurchdie räumliche und ökologische Leitl<strong>in</strong>iefür die Infrastruktur <strong>der</strong> <strong>Zukunft</strong> formen.Mehr unter www.region-koeln-bonn.de/uploads/media/Masterplan_Gruen_3_0.pdf➜ <strong>Stadt</strong> Frankfurt/Ma<strong>in</strong>: <strong>Grün</strong>Gürtel-VerfassungDer Frankfurter „<strong>Grün</strong>Gürtel“ umschließt die<strong>Stadt</strong> als e<strong>in</strong> r<strong>in</strong>gförmig angelegtes Landschaftsschutzgebietund wurde bereits 1991 als e<strong>in</strong>er<strong>der</strong> ersten <strong>Grün</strong>gürtel <strong>der</strong> Welt mit e<strong>in</strong>er politischlegitimierten Verfassung begründet. Die<strong>Grün</strong>Gürtel-Verfassung stellt die vielfältigenÖkosystemleistungen des knapp 8.000 Hektargroßen R<strong>in</strong>gsystems für die <strong>Stadt</strong> und die dar<strong>in</strong>lebenden Menschen heraus und verweist dabei <strong>in</strong>beson<strong>der</strong>er Weise auf den Schutz und Erhalt <strong>der</strong>biologischen Vielfalt sowie <strong>der</strong> natürlichen Ressourcen.Die Sicherung und Weiterentwicklungdes Frankfurter <strong>Grün</strong>gürtels als quantitativ wiequalitativ bedeutsamer Bestandteil <strong>der</strong> <strong>Grün</strong>enFrankfurter Infrastruktur wird durch kont<strong>in</strong>uierlicheFortschreibung <strong>der</strong> Planungs<strong>in</strong>strumentegewährleistet und ist somit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage, positivauf die <strong>Stadt</strong>entwicklung e<strong>in</strong>zuwirken.Mehrunter www.frankfurt.de/sixcms/media.php/738/gruenguertelverfassung_bf.pdf und www.frankfurt.de/sixcms/media.php/738/20jahre_gg_bf.pdf


2Vielfalt von <strong>Stadt</strong>grünGeme<strong>in</strong>sam mit <strong>der</strong> Bebauung und den Straßenzügen und Plätzen prägen grüne Freiräumedas Ersche<strong>in</strong>ungsbild e<strong>in</strong>er <strong>Stadt</strong>. Vielfältige Entwicklungen vom Klimawandel bis zur Wahrunge<strong>in</strong>es gartenkulturellen Erbes führen heute zu e<strong>in</strong>em stark differenzierten Anfor<strong>der</strong>ungsspektruman urbane <strong>Grün</strong>flächen.


<strong>Grün</strong>buch / Vielfalt von <strong>Stadt</strong>grün 23<strong>Stadt</strong>grün im Wandel <strong>der</strong> Zeiten und NutzungenBedeutung und Gestaltungsvielfalt urbaner<strong>Grün</strong>flächenDas <strong>Stadt</strong>grün ist Spiegelbild gesellschaftlicher Gegebenheitenund zeigt die damit verbundenen Bedürfnisseund Wertevorstellungen se<strong>in</strong>er Zeit. Geme<strong>in</strong>sammit <strong>der</strong> Bebauung und den Straßenzügen und Plätzenprägen grüne Freiräume das Ersche<strong>in</strong>ungsbild unddamit die ästhetische Wirkung e<strong>in</strong>er <strong>Stadt</strong>. BegrünteAbstandsflächen im Wohnumfeld o<strong>der</strong> am Straßenrand,<strong>in</strong>nerstädtische Plätze, Sport- und Spielflächen,großflächige <strong>Grün</strong>anlagen und Parks s<strong>in</strong>d funktionale,räumliche und kulturhistorische Bestandteile e<strong>in</strong>er<strong>Stadt</strong>. Durch sie kann die Wahrnehmung <strong>der</strong> gebautenUmwelt verstärkt, verän<strong>der</strong>t o<strong>der</strong> neu geschaffen werden.Sie s<strong>in</strong>d schließlich auch Spiegelbild lokaler Baukultur.Beispiele wie <strong>der</strong> Landschaftspark Duisburg-Nord, <strong>der</strong> Phönixsee <strong>in</strong> Dortmund o<strong>der</strong> die Gelände <strong>der</strong>ehemaligen Bundesgartenschauen <strong>in</strong> Bonn, Cottbus,München, Schwer<strong>in</strong> o<strong>der</strong> Koblenz zeigen deutlich, dassdurch die Gestaltung des Freiraums und <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<strong>der</strong> <strong>Grün</strong>flächen auch neue Interpretationen und Nutzungendes <strong>Stadt</strong>raums erschlossen werden.Die städtebauliche Entwicklung hat zu e<strong>in</strong>er Vielzahlunterschiedlicher Formen von urbanen <strong>Grün</strong>flächengeführt. Die Öffnung <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> über ihre ursprünglichdurch Wehranlagen klar von <strong>der</strong> Landschaft getrennteSiedlungsfläche h<strong>in</strong>aus, die enorme Wachstumsdynamikwährend <strong>der</strong> Industrialisierung und nicht zuletztdas Primat des Autoverkehrs haben die Städte starkbee<strong>in</strong>flusst. Dabei hat sich auch das <strong>Stadt</strong>grün verän<strong>der</strong>t,bestehende <strong>Grün</strong>flächen wurden den neuen Bedürfnissen<strong>der</strong> Städte angepasst und neue <strong>Grün</strong>flächengeschaffen. Der demographische Wandel, <strong>der</strong> Klimawandel,die Qualifizierung weicher Standortfaktoren,die Wahrung des gartenkulturellen Erbes und <strong>der</strong> Biodiversitäto<strong>der</strong> auch die Bedürfnisse e<strong>in</strong>er gesundheitsorientiertenGesellschaft führen heutzutage zu e<strong>in</strong>emzunehmend differenzierten Anfor<strong>der</strong>ungsspektrum anurbane <strong>Grün</strong>flächen.Historische <strong>Grün</strong>- und GartenanlagenHeute s<strong>in</strong>d historische Gartenanlagen, sofern nocherhalten und entsprechend gartenpflegerisch <strong>in</strong>standgehalten, meist viel besuchte Ausflugsziele für kulturun<strong>der</strong>holungssuchende Touristen und Bürgerschaft.Die Gestaltung <strong>der</strong> Anlagen ist neben ihrer beson<strong>der</strong>enÄsthetik Ausdruck e<strong>in</strong>er dem jeweiligen Zeitgeist entsprechendenWerte- und Weltanschauung. Diese Gartenkulturwird von vielen Städten immer öfter Teil des<strong>Stadt</strong>market<strong>in</strong>gs. In ehemaligen Residenzstädten wirdoftmals <strong>der</strong> Garten synonym mit <strong>der</strong> namensgebenden<strong>Stadt</strong> verwendet, so zum Beispiel <strong>in</strong> Schwetz<strong>in</strong>gen, BadMuskau o<strong>der</strong> Hannover-Herrenhausen. Die Pflege, <strong>der</strong>Erhalt und <strong>der</strong> Schutz dieser historischen Gartenanlagens<strong>in</strong>d heutzutage beson<strong>der</strong>e Herausfor<strong>der</strong>ungen.Der Bund för<strong>der</strong>t als national herausragende Kulture<strong>in</strong>richtungendie Parks und Gartenanlagen <strong>der</strong> StiftungPreußische Schlösser und Gärten <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> undPotsdam, die beiden <strong>Für</strong>st-Pückler-Stiftungen <strong>in</strong> BadMuskau und Branitz sowie die Kulturstiftung Dessau-Wörlitz. Als Gartendenkmäler von höchstem Rang(teilweise UNESCO-Welterbestätten) bedürfen sie mitBlick auf ihren künstlerischen und historischen Werte<strong>in</strong>es beson<strong>der</strong>en Schutzes.Parks und <strong>Grün</strong>anlagenParks und <strong>Grün</strong>anlagen s<strong>in</strong>d stadtbildprägende <strong>Grün</strong>flächen,die für die Freizeitgestaltung, den Aufenthaltim Freien und das Naturerleben <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong>bewohnerunverzichtbar s<strong>in</strong>d. Neben <strong>der</strong> Umgestaltung <strong>der</strong> geschliffenenWallanlagen zu städtischen Boulevards und


24 Vielfalt von <strong>Stadt</strong>grün / <strong>Grün</strong>buch<strong>Grün</strong>anlagen führte <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die Verschlechterung<strong>der</strong> hygienischen Zustände Ende des 19. Jahrhun<strong>der</strong>tszu e<strong>in</strong>em zusätzlichen Bedeutungsgew<strong>in</strong>n städtischer<strong>Grün</strong>flächen. <strong>Für</strong> die wachsende <strong>Stadt</strong>bevölkerung wurdensie als Ausgleichs- und Therapieflächen angelegt,neue Parktypen wie <strong>der</strong> „Volkspark“ entstanden. Dabeigewann auch <strong>der</strong> soziale Aspekt des <strong>Grün</strong>s immer mehran Bedeutung. Spiel- und Sportflächen, Ruhebereicheund Schmuckanlagen im Wohnumfeld wurden meist <strong>in</strong><strong>Grün</strong>zügen e<strong>in</strong>gebettet und setzten neue Maßstäbe <strong>in</strong><strong>der</strong> Freiraumversorgung. Nach dem Zweiten Weltkriegund <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>aufbauphase entstanden mit Hilfe <strong>der</strong>Gartenschauen und an<strong>der</strong>er Großprojekte zur <strong>Stadt</strong>entwicklungneue <strong>in</strong>nerstädtische Parks und <strong>Grün</strong>anlagen.Der Olympia-Park <strong>in</strong> München, <strong>der</strong> auf dem Geländedes ehemaligen Flughafens München-Riem entstandenePark sowie <strong>der</strong> Landschaftspark Duisburg Nord s<strong>in</strong>dBeispiele gelungener Nachnutzungskonzepte und zeigendie neuen multifunktionalen Anfor<strong>der</strong>ungsprofile heutigerParkanlagen.Die gesellschaftlichen Verän<strong>der</strong>ungen unserer Zeithaben dazu geführt, dass die Anfor<strong>der</strong>ungen an Parkund<strong>Grün</strong>anlagen im Vergleich zu den ersten öffentlichenParkanlagen Ende des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts deutlichgestiegen s<strong>in</strong>d. Heutige Erwartungen an die Parknutzungs<strong>in</strong>d geprägt von e<strong>in</strong>er differenzierten Vielfaltund e<strong>in</strong>em teilweise sehr <strong>in</strong>tensiven Nutzerverhalten.Hieß es früher e<strong>in</strong>mal „Betreten verboten“, so ist heutedie ‚Besitzergreifung des Rasens‘ grenzenlos. Park- und<strong>Grün</strong>anlagen s<strong>in</strong>d heute öffentliche Flächen, auf denensich unterschiedliche soziale Gruppen begegnen undmite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> austauschen.<strong>Grün</strong> im öffentlichen <strong>Stadt</strong>raumDas öffentliche <strong>Grün</strong> <strong>in</strong> den Städten ist geprägt vone<strong>in</strong>er stark technisch-funktionalen sowie ästhetischenErwartung. Auf den Plätzen <strong>der</strong> <strong>Grün</strong><strong>der</strong>zeit wurde das<strong>Grün</strong> vorwiegend als Kulisse und Verzierung verstanden.In <strong>der</strong> Nachkriegszeit führte die neue Leitbildvorstellung<strong>der</strong> autogerechten <strong>Stadt</strong> zwar vor<strong>der</strong>gründigzu e<strong>in</strong>er Zunahme des <strong>Stadt</strong>grüns, jedoch diente dieseStraßenrandbepflanzung primär <strong>der</strong> funktionalenTrennung <strong>der</strong> Straßen vom <strong>Stadt</strong>raum. Selbst auf denheute entstehenden, multifunktionalen städtischenPlätzen werden neue <strong>Grün</strong>flächen aufgrund niedrigerPflegebudgets <strong>der</strong> Kommunen meist nur im ger<strong>in</strong>genUmfang realisiert.Als Folge <strong>der</strong> zunehmenden Bedeutung des Klimawandels,<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>in</strong> Städten, wächst <strong>der</strong> Bedarfnach mehr nutzbarem <strong>Grün</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong>. Der Rückbauehemaliger Militär-, Bahn- o<strong>der</strong> Industrieflächen zuLandschaftsparks, zum Beispiel im Rahmen <strong>der</strong> InternationalenBauausstellung (IBA) Emscher Park, kann alsAusdruck e<strong>in</strong>es gesellschaftlichen Bedürfnisses gewertetwerden. Auch die vielfältigen Projekte von Bürger<strong>in</strong>nenund Bürgern, lokalen Vere<strong>in</strong>en und Unternehmen, diesich zumeist <strong>in</strong> enger Zusammenarbeit mit den Kommunenfür grüne <strong>Stadt</strong>entwicklung e<strong>in</strong>setzen, s<strong>in</strong>dFolgen dieser Entwicklungen. Dabei rücken vor allemBrachflächen im städtischen Raum immer mehr <strong>in</strong> denFokus. Viele sogenannte „Urban-Garden<strong>in</strong>g-Projekte“gestalten neue grüne Rückzugs- und Anziehungsorte <strong>in</strong>Städten. Der Schrumpfungsprozess e<strong>in</strong>iger Städte hat<strong>in</strong> den letzten Jahren zu e<strong>in</strong>em weiteren Bedeutungsgew<strong>in</strong>nvon <strong>Grün</strong>flächen im <strong>Stadt</strong>raum geführt. So könnenneu gestaltete Wasser- und <strong>Grün</strong>flächen den Verlustidentitätsbehafteter <strong>Stadt</strong>räume kompensieren undsogar neue urbane Identifikation entstehen lassen.<strong>Grün</strong>flächen im WohnumfeldDer Begriff „Wohnumfeld“ umfasst die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Nachbarschaftliegenden Freiräume wie Vorgärten, Gärten anund h<strong>in</strong>ter Wohngebäuden, Abstandsflächen zwischenGeschossbauten, angrenzende Straßen, im näherenUmfeld gelegene Spielplätze o<strong>der</strong> auch <strong>Stadt</strong>plätze.Es geht also um öffentliche und teilöffentliche Flächen.Seit Anfang des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts setzte man imStädtebau statt <strong>der</strong> dichten Blockstruktur eher aufe<strong>in</strong>e lockere Bebauung mit geeigneter Belichtung,guter Durchlüftung und e<strong>in</strong>em grünen Umfeld. Damitwurden auch neue Formen urbaner <strong>Grün</strong>flächen imWohnumfeld möglich: Abwechslungsreiche Freiräume,unterschiedliche Vegetationsstrukturen und vor allemflexible Nutzungsmöglichkeiten wurden zum Bestandteilneuer Reformsiedlungen. Oftmals aber wurde dasgrüne Wohnumfeld zum re<strong>in</strong>en Gestaltungselement,womit das eigentliche Qualitätsmerkmal <strong>der</strong> Nutzungs-und Aneignungsmöglichkeit <strong>der</strong> <strong>Grün</strong>flächendurch die Bevölkerung verloren g<strong>in</strong>g.Aus langjährigen Untersuchungen ist bekannt, dassdort, wo sich Bewohner<strong>in</strong>nen und Bewohner mit ihremWohnumfeld identifizieren, soziale Strukturen gestärkt,gesellschaftliche Teilhabe geför<strong>der</strong>t und Verwahrlosungund Stigmatisierung vermieden werden können. ImRahmen <strong>der</strong> Städtebauför<strong>der</strong>ung des Bundes und <strong>der</strong>Län<strong>der</strong> werden daher bereits seit längerer Zeit gezieltMaßnahmen zur Wohnumfeldverbesserung geför<strong>der</strong>t.So kann die Gestaltung des urbanen <strong>Grün</strong>s <strong>in</strong> Komb<strong>in</strong>ationmit weiteren verkehrs<strong>in</strong>frastrukturellen, funkti-


onalen und städtebaulichen Aufwertungsmaßnahmenim Wohnumfeld, wie beispielsweise im Münchner<strong>Stadt</strong>teil „Hasenbergl“, e<strong>in</strong> wichtiger Bauste<strong>in</strong> zur Quartiersentwicklungund zur Imageverbesserung e<strong>in</strong>eseher benachteiligten <strong>Stadt</strong>teils se<strong>in</strong>.E<strong>in</strong> wichtiger Aspekt im Zusammenhang mit urbanen<strong>Grün</strong>flächen im Wohnumfeld ist die Differenzierungzwischen privaten und öffentlichen sowie geme<strong>in</strong>schaftlichenFreiflächen. E<strong>in</strong>e große Herausfor<strong>der</strong>ungliegt hierbei <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er angemessenenErschließung und Zonierung bei<strong>der</strong> Bereiche, um Konflikteschon im Vorfeld zu vermeiden.Kle<strong>in</strong>gärtenE<strong>in</strong>en vielfach unterschätzten Beitrag zum <strong>Stadt</strong>grünerbr<strong>in</strong>gen Kle<strong>in</strong>gärten. Geför<strong>der</strong>t durch die Reformbewegung<strong>der</strong> Schrebergärten haben sich Kle<strong>in</strong>gärtenihre Bedeutung als soziales und ökologisches Kle<strong>in</strong>o<strong>der</strong>arbeitet. Die Vielzahl von Kle<strong>in</strong>gärten – es gibt mehrals e<strong>in</strong>e Million im gesamten Bundesgebiet – leistet e<strong>in</strong>enwichtigen Beitrag zur Integration und zur Identifikation<strong>der</strong> Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger mit ihrer <strong>Stadt</strong>. Diemeist <strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>en organisierten Gartenanlagen bietenBegegnungsgärten für Senioren, Freizeitangebote fürK<strong>in</strong><strong>der</strong> o<strong>der</strong> <strong>in</strong>zwischen auch Bildungsangebote undKulturprojekte. Dieses Engagement wird vom Bund<strong>in</strong> Zusammenarbeit mit dem Bund Deutscher Gartenfreundealle vier Jahre mit dem Bundeswettbewerb„Gärten im Städtebau“ geför<strong>der</strong>t. Dabei wurde <strong>in</strong> denvergangenen Jahren die Bedeutung <strong>der</strong> Kle<strong>in</strong>gärtenfür die „Soziale <strong>Stadt</strong>“ hervorgehoben. Die aktuelleEntwicklung von Kle<strong>in</strong>gartenanlagen zu „Kle<strong>in</strong>gartenparks“,die durch e<strong>in</strong>en hohen Anteil an öffentlichen<strong>Grün</strong>flächen die Anlagen auch für Nichtgartenbesitzerattraktiver machen, zeigt das Potenzial dieser urbanen<strong>Grün</strong>flächen für die <strong>Stadt</strong>entwicklung. Beispiele wiedie Neuordnung mehrerer Kle<strong>in</strong>gartenanlagen imRahmen <strong>der</strong> Internationalen Gartenschau <strong>in</strong> HamburgWilhelmsburg 2013 machen dies deutlich.FriedhöfeFriedhöfe s<strong>in</strong>d nicht nur Bestattungsstätte, son<strong>der</strong>nauch wichtige Orte für die Begegnung von Menschenund bedeuten<strong>der</strong> Naturraum für Pflanzen und Tiere <strong>in</strong>Städten. Als Kulturdenkmale s<strong>in</strong>d sie wichtige Zeugen<strong>der</strong> Entwicklung unserer Städte und bieten vielfältigeAnknüpfungspunkte für die lokale Geschichte. Mit <strong>der</strong>verstärkten Mobilität <strong>der</strong> Menschen und <strong>der</strong> damite<strong>in</strong>hergehenden Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Bestattungsformenzeigt sich <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>in</strong> den Großstädten e<strong>in</strong>stetig rückläufiger Flächenbedarf für die Bestattung.Kommunen o<strong>der</strong> Kirchen als Eigentümer suchennach alternativen Nutzungen für die zunehmendenÜberhangflächen. E<strong>in</strong>e Entwicklung dieser Flächenist jedoch sowohl planungsrechtlich als auch politischsowie aus <strong>Grün</strong>den <strong>der</strong> Pietät sehr langwierig. Zudemstehen viele Friedhöfe unter Denkmalschutz. E<strong>in</strong>e Umnutzung<strong>der</strong> Friedhöfe als <strong>in</strong>nerstädtische Parkanlagenwird jedoch immer stärker diskutiert. Das Beispiel des„Leise-Parks“ <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>-Prenzlauer Berg, entstandendurch den Ankauf e<strong>in</strong>er über Jahrzehnte nicht mehrgenutzten Friedhofsfläche und <strong>der</strong>en Umgestaltung <strong>in</strong>e<strong>in</strong>en neuen Park mit Spielplatz, zeigt, welche Nutzungsmöglichkeitenbei gleichzeitiger Wahrung <strong>der</strong>Geschichte des Ortes möglich s<strong>in</strong>d.


26 Vielfalt von <strong>Stadt</strong>grün / <strong>Grün</strong>buchProjektbeispiele➜Wettbewerb „<strong>Grün</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong>“Der Wettbewerb ist e<strong>in</strong> Kooperationsprojekt des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) mit <strong>der</strong> DeutschenUmwelthilfe (DUH) e. V., bei dem Städte und Geme<strong>in</strong>den für ihr ökologisches <strong>Grün</strong>flächenmanagementausgezeichnet werden.Mehr unter www.duh.de/<strong>in</strong>dex.php?id=1590➜Urbane Wäl<strong>der</strong> – <strong>Stadt</strong>umbau durch AufforstungKern des Vorhabens ist am Beispiel <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> Leipzig die Aufforstung urbaner Brachen (Gewerbebrache <strong>in</strong>Anger-Crottendorf, Wohnbaubrache <strong>in</strong> <strong>Grün</strong>au sowie Bahnbrache <strong>in</strong> Plagwitz). Hier wird <strong>der</strong> Umgang mitnicht mehr genutzten Flächen als proaktives Instrument <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong>entwicklung erprobt. Erprobungs- undEntwicklungsvorhaben (E+E) des BfN, Projektlaufzeit 03/2009 – 12/2016, Investitionsvolumen: knapp3 Millionen Euro, davon 1,5 Millionen Euro Bundesför<strong>der</strong>ungMehr unter www.bfn.de/0304_urbande-wael<strong>der</strong>-pdm.html➜Emscher-UmbauDer Emscher Landschaftspark ist e<strong>in</strong> Regionalplan im nördlichen Ruhrgebiet. Er ist e<strong>in</strong> regionales Kooperationsprojektzur Schaffung e<strong>in</strong>es zusammenhängenden Park-Systems, das im Zuge <strong>der</strong> IBA Emscher Parkentstanden ist.Mehr unter www.metropoleruhr.de/freizeit-sport/emscher-landschaftspark.html➜„Die essbare <strong>Stadt</strong>“ <strong>in</strong> An<strong>der</strong>nachDie Aufwertung öffentlicher Flächen durch Nutzpflanzen und damit die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Agrobiodiversität <strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> ist das Ziel des Projekts. An<strong>der</strong>nach geht mit dem Konzept <strong>der</strong> multifunktionalen „Essbaren <strong>Stadt</strong>“neue Wege, lässt öffentlichen <strong>Grün</strong>räumen neue Funktionen zukommen und motiviert die Bürger<strong>in</strong>nen undBürger, sich für den Lebensraum <strong>in</strong> <strong>der</strong> eigenen <strong>Stadt</strong> e<strong>in</strong>zusetzen.Mehrunter www.an<strong>der</strong>nach.de/de/leben_<strong>in</strong>_an<strong>der</strong>nach/essbare_stadt.html


<strong>Grün</strong>buch / Vielfalt von <strong>Stadt</strong>grün 27<strong>Grün</strong>e Vielfalt: <strong>Für</strong> mehr Qualität <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong>Vielfältige Ansprüche an urbanes <strong>Grün</strong>Urbanes <strong>Grün</strong> hat vielfältige Funktionen und muss<strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage se<strong>in</strong>, den verschiedenen Ansprüchen vonMenschen, Pflanzen und Tieren gerecht zu werden. Sonutzen etwa Senior<strong>in</strong>nen und Senioren das <strong>Stadt</strong>grünan<strong>der</strong>s als Jugendliche und junge Erwachsene o<strong>der</strong>Familien mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n. Jugendliche aus dem Jugendforum<strong>Stadt</strong>entwicklung im BMUB wünschen sichzum Beispiel e<strong>in</strong>e Öffnung aller urbanen Freiräumefür alle Nutzungen. Entsprechend ist die Gestaltungdes öffentlichen Raumes stärker auf Aufenthalts- undNutzungsqualitäten für K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendliche auszurichten.Aus Sicht <strong>der</strong> verschiedenen Nutzergruppenergeben sich unterschiedliche Ansprüche, die starkenE<strong>in</strong>fluss auf die Wahrnehmung und Nutzung von urbanem<strong>Grün</strong> haben. Bei historischen Gärten können imWi<strong>der</strong>streit von Nutzungsansprüchen und DenkmalschutzKonflikte und damit Gefährdungen für <strong>der</strong>enErhalt entstehen.Naturformen variieren stark und reichen von SportundK<strong>in</strong><strong>der</strong>spielplätzen bis h<strong>in</strong> zu barocken Gärten.Diese Gestaltungsform wird von den meisten Menschenbevorzugt, da sie verschiedenste Möglichkeiten<strong>der</strong> Nutzung eröffnet. <strong>Für</strong> den Schutz und Erhalt <strong>der</strong>biologischen Vielfalt s<strong>in</strong>d diese Räume oftmals weniger<strong>in</strong>teressant, da sie zumeist regelmäßigen E<strong>in</strong>griffenund Störungen <strong>der</strong> dort lebenden Pflanzen undTiere im Rahmen von <strong>in</strong>tensiven Pflegemaßnahmenunterliegen. Gleichwohl dienen sie <strong>in</strong> gewissem MaßeDie Differenzierung <strong>der</strong> Ansprüche gilt auch fürPflanzen und Tiere, da die verschiedenen Arten ihre<strong>in</strong>dividuellen Standort- und Habitatansprüche aufweisen.Dies führt dazu, dass sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel nur <strong>in</strong>bestimmten Strukturen existieren können. So benötigenEidechsen beispielsweise trockene Standorte, wiesie sie auf stillgelegten Bahnbrachen f<strong>in</strong>den können,während bestimmte S<strong>in</strong>gvögel üppige Vegetationbrauchen. E<strong>in</strong>ige Pflanzenarten wachsen ausschließlichauf nährstoffreichen, an<strong>der</strong>e nur auf nährstoffarmenBöden. Die Vielfalt von Standorten bestimmtsomit auch im urbanen Bereich ganz wesentlich diebiologische Vielfalt.Qualitäten für Mensch und Natur entwickelnDie unterschiedlichen Qualitäten städtischen <strong>Grün</strong>sfür Mensch und Natur können beispielhaft gut anhandzweier typischer <strong>Stadt</strong>naturformen illustriert werden:„symbolisch-gärtnerische Natur“ im Unterschied zu„<strong>in</strong>dustriell-urbaner Natur“. Dabei bleibt zu beachten,dass urbanes <strong>Grün</strong> selbstverständlich viel differenzierterist und es auch Misch- und Übergangsformen gibt.Die als symbolisch-gärtnerisch bezeichnete Natur istbewusst angelegt. Dazu zählen beispielsweise Straßenbäume,Gärten und klassisch urbane <strong>Grün</strong>flächen,etwa Parks o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>fache <strong>Stadt</strong>wiesen. Symbolische<strong>der</strong> Vernetzung. Außerdem werden oftmals nicht alleTeilbereiche dieser Anlagen <strong>in</strong>tensiv gepflegt. So könnenalte Baumbestände <strong>in</strong> historischen Parkanlagensehr wertvoll für den Artenschutz im urbanen Umfeldse<strong>in</strong>. Dah<strong>in</strong>gehend ist e<strong>in</strong> an den jeweiligen Standortangepasstes Pflegemanagement zu beachten.Im Gegensatz dazu steht die als <strong>in</strong>dustriell-urban bezeichneteNatur. Sie be<strong>in</strong>haltet nicht geplante beziehungsweisenicht gestaltete Formen städtischen <strong>Grün</strong>s. DieseNatur entsteht spontan und ist perfekt an kle<strong>in</strong>räumigeStandortbed<strong>in</strong>gungen angepasst. Dazu zählt vor allem


28 Vielfalt von <strong>Stadt</strong>grün / <strong>Grün</strong>buchdie sogenannte <strong>Stadt</strong>wildnis <strong>der</strong> Brachflächenvegetation.Diese Flächen und Räume s<strong>in</strong>d aus <strong>der</strong> Perspektive <strong>der</strong>biologischen Vielfalt von beson<strong>der</strong>er Bedeutung, da siemeist ungestört und sich selbst überlassen s<strong>in</strong>d. Entsprechendwerden solche Flächen auch geme<strong>in</strong>h<strong>in</strong> als urbaneWildnis o<strong>der</strong> <strong>Stadt</strong>wildnis benannt. Von Menschenwerden diese Flächen oft als vernachlässigt empfundenund mit spezifischen Gefahren, etwa Altlasten, aber auchsozialen Gefahren <strong>in</strong> Zusammenhang gebracht.Um den unterschiedlichen Ansprüchen von <strong>Stadt</strong>naturund gesellschaftlicher Nutzung zu entsprechen, bedarfes e<strong>in</strong>es Mosaiks unterschiedlicher Flächen. Erst sowird es möglich, auf die Bedürfnisse <strong>der</strong> Menschen unddie Anfor<strong>der</strong>ungen von Naturschutz und Landschaftspflegeim besiedelten Raum angemessen e<strong>in</strong>zugehenund unsere Städte lebenswert zu entwickeln.Vernetzung und ErreichbarkeitE<strong>in</strong> weiterer wichtiger Aspekt, <strong>der</strong> den vielfältigenAnsprüchen an städtisches <strong>Grün</strong> Rechnung trägt, istdie Zugänglichkeit beziehungsweise die Art und Weise,wie die e<strong>in</strong>zelnen <strong>Grün</strong>flächen mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> verbundens<strong>in</strong>d. Gesellschaftliche Nutzung ist erst bei fußläufigerErreichbarkeit gewährleistet. Neben Fragen <strong>der</strong> Distanzspielen auch Flächengrößen und Wegeführung e<strong>in</strong>ewichtige Rolle. Kle<strong>in</strong>ere <strong>Grün</strong>flächen o<strong>der</strong> Innenhofbegrünungens<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel vorhanden, bieten aber nure<strong>in</strong>geschränkte Aufenthaltsqualitäten. H<strong>in</strong>zu kommt,dass möglichst verschiedene Formen urbanen <strong>Grün</strong>sunmittelbar erreichbar se<strong>in</strong> sollten. Insbeson<strong>der</strong>e für diek<strong>in</strong>dliche Entwicklung ist <strong>der</strong> Zugang zu allen Formenstädtischen <strong>Grün</strong>s von großer Bedeutung. Städtische<strong>Grün</strong>räume können nur adäquat genutzt werden, wenn<strong>der</strong> Zugang legal, nicht risikobehaftet o<strong>der</strong> durch Barrierenwie etwa Straßen o<strong>der</strong> Bahntrassen e<strong>in</strong>geschränkt ist.E<strong>in</strong> zweiter wichtiger Aspekt betrifft den Verbundbeziehungsweise die Vernetzung städtischen <strong>Grün</strong>s,<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e vor dem H<strong>in</strong>tergrund des stattf<strong>in</strong>dendenKlimawandels. So können grüne Verb<strong>in</strong>dungen o<strong>der</strong>vernetzte Park- und Waldgebiete beispielsweise dazubeitragen, <strong>in</strong>nerstädtische Wege an e<strong>in</strong>em heißen Sommertagleichter zu bewältigen. Dies kann effektiv zue<strong>in</strong>er Verm<strong>in</strong><strong>der</strong>ung des Hitzestresses führen. Vernetzte<strong>Grün</strong>strukturen s<strong>in</strong>d aber nicht nur für uns Menschenvon Bedeutung. Auch Pflanzen und Tiere benötigenweiträumige Aufenthalts- und Nahrungsreviere. Darüberh<strong>in</strong>aus ist die Fortpflanzung bestimmter Arten ane<strong>in</strong>en regelmäßigen Wechsel zwischen unterschiedlichenHabitaten gebunden. <strong>Für</strong> verschiedene Tier- undPflanzenarten können <strong>in</strong> stark versiegelten <strong>Stadt</strong>bereichenzum Beispiel auch grüne Dächer als Vernetzungund Trittste<strong>in</strong>e dienen. Ohne funktionalen Biotopverbundist <strong>der</strong> Erhalt und Schutz <strong>der</strong> Biodiversität nichtmöglich, da vernetzte <strong>Grün</strong>strukturen wesentlich dazu


<strong>Grün</strong>buch / Vielfalt von <strong>Stadt</strong>grün 29beitragen, lokale Populationen gegenüber Störungen zustabilisieren. Solche Störungen können auftreten, wenn<strong>in</strong>vasive Arten lokale Arten verdrängen o<strong>der</strong> sich <strong>in</strong>folgedes Klimawandels die Lebensbed<strong>in</strong>gungen än<strong>der</strong>n.Pflege als QualitätsgrundlageNeben den Gestaltungsaspekten hat auch die Bewirtschaftung,das heißt die Pflege <strong>der</strong> <strong>Grün</strong>flächen,entscheidenden E<strong>in</strong>fluss auf die Qualität. Bereits diePlanung und Implementierung neuer <strong>Grün</strong>flächenbeziehungsweise die Umgestaltung bestehen<strong>der</strong>Anlagen hat - langfristig gesehen - Auswirkungen auf<strong>der</strong>en Vitalität, Verkehrssicherheit und damit ihreFunktion. Insbeson<strong>der</strong>e die Anlage <strong>in</strong>tensiv gestalteterFreiflächen, etwa von <strong>Stadt</strong>teilparks o<strong>der</strong> temporärenFreiflächengestaltungen (grüne Zwischennutzungen),ist aufgrund hoher Pflegekosten nur schwer <strong>in</strong> Eigenregiezu realisieren. Wenn sie denn stattf<strong>in</strong>det, wird sie<strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel über Transferzahlungen, etwa im Rahmenverschiedener För<strong>der</strong>programme, durchgeführt. Allerd<strong>in</strong>gsbesteht hier die Gefahr, dass die Wirkung schnellverpufft, da die Erhaltungszustände aufgrund auslaufen<strong>der</strong>För<strong>der</strong>gel<strong>der</strong> und ausbleiben<strong>der</strong> Pflegemaßnahmennach wenigen Jahren zu wünschen übrig lassen.Gleiches gilt für die Entwicklung extensiver <strong>Grün</strong>strukturen.Auch hier s<strong>in</strong>d regelmäßige Pflegegänge und kon-t<strong>in</strong>uierliches Monitor<strong>in</strong>g nicht zu vernachlässigen, denn<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>in</strong> urbanen Räumen kommt es aufgrundnatürlicher Sukzession schnell zur Ausbreitung e<strong>in</strong>zelnerPflanzenarten, die ökologische und naturschutzfachlicheZielstellungen ad absurdum führen können.➜ProjektbeispielNeues Wohnen – Beratung und Kooperation fürmehr Lebensqualität im AlterZiel des Modellprogamms mit sieben Projektenwar es, niedrigschwellige Beratung undHilfe im <strong>Stadt</strong>teil zu stärken und die Qualitätdes Wohnens im Alter beispielsweise durchPartnerschaften mit dem Handwerk zu verbessern.Im Modellprojekt Hamburg wurde dieFreiraumgestaltung Schleemer Bach geför<strong>der</strong>t.Die Aufenthaltsqualität wurde speziell unterBeachtung <strong>der</strong> Bedürfnisse älterer Menschenverbessert: Barrierefreiheit, Sicherheit, Optimierungwichtiger <strong>Grün</strong>wegeverb<strong>in</strong>dungenund Begegnung. Dabei wurden öffentliche<strong>Grün</strong>flächen erschlossen, Zugänge um- undWegeverb<strong>in</strong>dungen neugebaut.Fertigstellung: 2010; geför<strong>der</strong>t vom Bundesm<strong>in</strong>isteriumfür Familie, Senioren, Frauen undJugend (BMFSFJ)


Vom Wert von <strong>Grün</strong>: <strong>Stadt</strong>grün wertschätzenIn den Zeiten <strong>der</strong> Globalisierung stehen Städte nationalund <strong>in</strong>ternational im Wettbewerb um kreativeKöpfe und Unternehmen. Dabei spielt auch die urbaneLebensqualität am Standort e<strong>in</strong>e entscheidende Rolle:„<strong>Grün</strong>e Städte“ erreichen <strong>in</strong> Städterank<strong>in</strong>gs regelmäßigvor<strong>der</strong>e Plätze. Die Idee <strong>der</strong> „Gartenstadt“, zunächstgegen die negativen Auswirkungen <strong>der</strong> schnellenUrbanisierung und Industrialisierung gerichtet, erfährtim Zeitalter <strong>der</strong> Dienstleistungsgesellschaft weltweite<strong>in</strong>e neue Bedeutung, wenn es um Wettbewerbsvorteilegeht.Hohe Wertschätzung öffentlicher <strong>Grün</strong>anlagenStädtisches <strong>Grün</strong> gehört zu den wichtigsten öffentlichenRäumen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er <strong>Stadt</strong>: Hier kann man entspannen,Freunde treffen, e<strong>in</strong>e Verb<strong>in</strong>dung zur Naturherstellen. Die jüngste Befragung <strong>der</strong> Gartenamtsleiterkonferenz2013 zur Zufriedenheit <strong>der</strong> Bürger<strong>in</strong>nenund Bürger mit städtischen <strong>Grün</strong>flächen zeigt: <strong>Grün</strong>ist für sie e<strong>in</strong> hohes Gut und steht für Lebensqualität;attraktives <strong>Grün</strong> b<strong>in</strong>det Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger undist e<strong>in</strong> entscheidendes Kriterium bei <strong>der</strong> Wohnortwahl.Die Naturbewusstse<strong>in</strong>sstudien des BfN (2009, 2011und 2013) unterstreichen ebenfalls die Bedeutung vonGärten und Parkanlagen <strong>in</strong> Städten als beliebte Aufenthaltsräumeim Freien. <strong>Grün</strong>e Erholungsflächen werdenso für Kommunen zur Erfüllung von Bürgerwünschenimmer wichtiger. Dabei ist auch die konkrete Ausstattungmit <strong>Grün</strong> für unterschiedliche Zielgruppenentscheidend: Haushalte mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n bevorzugen ehernicht reglementierte Parkbereiche, wie offene Rasenflächen,ältere Menschen geben eher geordneten, aufwändiggestalteten Bereichen den Vorzug.<strong>Grün</strong> ist e<strong>in</strong> hohes Gut und steht für Lebensqualität;attraktives <strong>Grün</strong> b<strong>in</strong>det Bürger<strong>in</strong>nenund Bürger und ist e<strong>in</strong> entscheidendes Kriteriumbei <strong>der</strong> Wohnortwahl.Allen geme<strong>in</strong> ist die Erwartung, dass die öffentlichen<strong>Grün</strong>anlagen attraktiv gestaltet, optisch ansprechendund professionell gepflegt se<strong>in</strong> sollen. Umfragen zeigen,dass fehlende Sicherheit, e<strong>in</strong> schlechter Gesamtzustand


<strong>Grün</strong>buch / Vielfalt von <strong>Stadt</strong>grün 31<strong>der</strong> <strong>Grün</strong>flächen und Vandalismus Hauptgründe s<strong>in</strong>d,die dem Besuch von <strong>Grün</strong>anlagen entgegenstehen. Nurzielgruppenadäquate <strong>Grün</strong>flächen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage, diean sie gestellten Erwartungen zu erfüllen.Nicht zuletzt haben öffentliche <strong>Grün</strong>flächene<strong>in</strong>en hohen Freizeitwert: Menschen verbr<strong>in</strong>genpro Jahr 80 Stunden <strong>in</strong> öffentlichen Parkanlagenund <strong>Stadt</strong>wäl<strong>der</strong>n – etwa gleich viel Zeit wie <strong>in</strong>privaten Gärten und auf Balkonen.Wertschöpfung durch <strong>Stadt</strong>grün<strong>Grün</strong>e Infrastruktur <strong>in</strong> Städten ist e<strong>in</strong> physischer,psychologischer, emotionaler und sozioökonomischerFaktor für das Wohlbef<strong>in</strong>den des E<strong>in</strong>zelnen wie auch<strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>schaft. Bäume, Pflanzen und <strong>Grün</strong>flächenerbr<strong>in</strong>gen vielfältige Ökosystemdienstleistungen,etwa für Nährstoffkreislauf, für die Bereitstellung vonNahrung und Wasser, zur Regulierung des <strong>Stadt</strong>klimas,für Erholung und Nahtourismus. Städte mit hohem<strong>Grün</strong>anteil und begrünte Standorte s<strong>in</strong>d als Wohn- undArbeitsumfel<strong>der</strong> attraktiv.Parkanlagen o<strong>der</strong> botanische Gärten können durchE<strong>in</strong>trittsgel<strong>der</strong> o<strong>der</strong> touristische Wertschöpfung direkteE<strong>in</strong>nahmen generieren. Die Natur erbr<strong>in</strong>gt gegenüber<strong>der</strong> Gesellschaft ökologische Dienstleistungen, etwaSauerstoffproduktion, Schadstofffilterung, Stabilisierungdes Klimas, die Entlastung <strong>der</strong> Kanalisation durchdas <strong>in</strong> <strong>Grün</strong>flächen versickernde Regenwasser. Siekönnen aufgrund des positiven Beitrags zum <strong>Stadt</strong>klimasogar volkswirtschaftliche Kosten im Gesundheitswesenreduzieren.<strong>Grün</strong>flächen haben auch e<strong>in</strong>en direkten wirtschaftlichenWert: Sie wirken sich als weicher Standortfaktorpositiv auf Wohnstandort- und Investitionsentscheidungensowie auf Boden- und Immobilienpreise ausund tragen damit direkt und <strong>in</strong>direkt zur wirtschaftlichenEntwicklung bei. Von <strong>Grün</strong>räumen profitieren dieUnternehmen und ihre Fachkräfte generell, darunterauch das lokale Gewerbe, etwa die Gastronomie, Gärtnero<strong>der</strong> Landschaftsarchitekten sowie <strong>der</strong> Sportsektor.Verschiedenste Veranstaltungen f<strong>in</strong>den im Freien stattund erwirtschaften durch E<strong>in</strong>trittsgel<strong>der</strong> o<strong>der</strong> Flächenvermietungdirekte E<strong>in</strong>nahmen und tragen damit zuWertschöpfung und Beschäftigung bei.


32 Vielfalt von <strong>Stadt</strong>grün / <strong>Grün</strong>buchIn <strong>der</strong> Regel s<strong>in</strong>d diese Flächen aber sehr pflege<strong>in</strong>tensivund belasten den kommunalen Haushalt langfristig.Von <strong>der</strong> räumlichen Gestaltung des zukünftigenLebensraums <strong>der</strong> Pflanzen, <strong>der</strong> Pflanzenauswahlüber die fachgerechte Vorbereitung <strong>der</strong> Pflanzstelle,<strong>der</strong> Pflanzung und Fertigstellungspflege bis zu denlangfristigen Pflegekosten, etwa für Baumkontrolleund Baumschnitt, Straßenre<strong>in</strong>igung sowie Kosten fürNachpflanzungen erstreckt sich <strong>der</strong> zu betrachtendeZyklus. Dabei spielt die Kommunikation aller beteiligtenAkteure (zum Beispiel Städteplaner, Landschaftsarchitekten,Baumschulen, Gartenbaubetriebe, <strong>Grün</strong>flächenämter)e<strong>in</strong>e wichtige Rolle. E<strong>in</strong>e fachlich undsachlich fundierte Arbeit ist die Voraussetzung für dieFunktionsfähigkeit je<strong>der</strong> <strong>Grün</strong>anlage, seien es Straßenbegleitpflanzungen,Dach- und Fassadenbegrünungeno<strong>der</strong> Parkanlagen. Die fachgerechte Anlage und Pflegem<strong>in</strong>imiert auch die Anfälligkeit gegenüber möglichenSchadorganismen und trägt somit langfristig zu gesundem<strong>Stadt</strong>grün bei.Nicht zuletzt haben öffentliche <strong>Grün</strong>flächen e<strong>in</strong>enhohen Freizeitwert: <strong>Stadt</strong>bewohner verbr<strong>in</strong>gen proJahr 80 Stunden <strong>in</strong> öffentlichen Parkanlagen und<strong>Stadt</strong>wäl<strong>der</strong>n – etwa gleich viel Zeit wie <strong>in</strong> privatenGärten und auf Balkonen.Qualitätsmanagement beim <strong>Stadt</strong>grünDer bei <strong>der</strong> Planung von Gebäuden bereits etablierteAnsatz des Facility Managements, das heißt <strong>der</strong> Berücksichtigungdes gesamten Lebenszyklus (Planung– Bau – Unterhalt – Rückbau), lässt sich auch bei <strong>der</strong>Entwicklung urbaner <strong>Grün</strong>flächen anwenden. Studienzeigen, dass die Investitionskosten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel nure<strong>in</strong>en Bruchteil <strong>der</strong> gesamten Lebenszykluskostenausmachen. Von beson<strong>der</strong>er Bedeutung s<strong>in</strong>d daher vorausschauendePlanung und Berücksichtigung etwaigerFolgekosten, die durch Pflege und Unterhalt <strong>der</strong> <strong>Grün</strong>flächenentstehen. Deutlich wird dies anhand klassischerGartenformen, wie sie etwa <strong>in</strong> <strong>Stadt</strong>parks mitihren regelmäßig gemähten Rasenflächen auftreten.Solche <strong>Grün</strong>räume werden als attraktiv wahrgenommenund von <strong>der</strong> Bevölkerung entsprechend genutzt.E<strong>in</strong> kosteneffizientes Qualitätsmanagement urbaner<strong>Grün</strong>flächen setzt weitreichende Kontrolle über dielaufenden Informations- und Geschäftsprozesse voraus,denn nur dadurch ist die Sicherung <strong>der</strong> sozialen, ökologischenund ökonomischen Funktionsfähigkeit von<strong>Grün</strong>flächen im urbanen Raum möglich. E<strong>in</strong> wichtigesInstrument zur Gewährleistung nachhaltiger und funktionsfähiger<strong>Grün</strong>flächen stellen die sogenannten <strong>Grün</strong>flächen<strong>in</strong>formationssysteme(GRIS) dar. Diese Systemes<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage, ökologische und soziale Daten so mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong>zu komb<strong>in</strong>ieren, dass strategische <strong>Grün</strong>flächenplanungenmöglich werden. Von beson<strong>der</strong>er Bedeutungist dabei die Möglichkeit, auf <strong>Stadt</strong>entwicklungsprozessezu reagieren und Lösungsansätze zu simulieren.<strong>Stadt</strong>grün steigert Bodenricht- undImmobilienwerte<strong>Grün</strong>räume bee<strong>in</strong>flussen die Preise von Grundstücken,<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e im direkten Umfeld. 2010 wurdee<strong>in</strong>e im Auftrag <strong>der</strong> GALK durchgeführte umfangreicheUntersuchung über den Zusammenhang von<strong>Stadt</strong>grün und Wohn- beziehungsweise Immobilienwertveröffentlicht. Demnach steigen je nach Ausstattung,Gestaltung, Struktur und Vernetzung die Preise<strong>der</strong> umliegenden Immobilien um bis zu zehn Prozent,unter beson<strong>der</strong>en Konstellationen auch um 20 Prozentund mehr. Wichtige E<strong>in</strong>flussfaktoren s<strong>in</strong>d dabeidie Zugänglichkeit, die Gestaltungs<strong>in</strong>tensität und <strong>der</strong>Pflegezustand. Dies bedeutet, dass sich die Unterhal-


<strong>Grün</strong>buch / Vielfalt von <strong>Stadt</strong>grün 33tungs- und Pflegemaßnahmen <strong>der</strong> <strong>Grün</strong>flächenämternicht nur positiv auf das <strong>Stadt</strong>bild, son<strong>der</strong>n auch aufden Bodenrichtwert, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>in</strong> <strong>der</strong> Nähe <strong>der</strong><strong>Grün</strong>flächen, auswirken.Die Aufwertung des öffentlichen Raums und die Entwicklungvon städtischen <strong>Grün</strong>flächen führen <strong>in</strong> <strong>der</strong>Regel zu e<strong>in</strong>er Steigerung des Wohnwerts und damitauch zu e<strong>in</strong>er besseren Vermarktbarkeit von Immobiliensowie e<strong>in</strong>er höheren Mietzahlungsbereitschaft zahlungskräftigerHaushalte. Um Verdrängung zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>nund Segregation zu vermeiden, ist daher die Entwicklungdes öffentlichen Raums und <strong>der</strong> städtischen <strong>Grün</strong>flächenbehutsam und sozialverträglich zu gestalten.Der Unterhaltungsbedarf für <strong>Grün</strong>anlagen und Spielplätzekann nur noch zum Teil f<strong>in</strong>anziert werden, wassich im mangelnden Pflegezustand vieler <strong>Grün</strong>anlagenspiegelt. Sobald öffentliches <strong>Grün</strong> aber vernachlässigtwird, besteht die Gefahr, dass es <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Spiraledes Verfalls gerät. Die Pflege des Bestands an <strong>Grün</strong>nimmt den größten Teil des kommunalen <strong>Grün</strong>etats<strong>in</strong> Anspruch; bei ger<strong>in</strong>ger werdenden f<strong>in</strong>anziellenund personellen Ressourcen ist deshalb vor allem e<strong>in</strong>effizientes <strong>Grün</strong>raummanagement geboten. Kommunen,<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e Nothaushaltkommunen, müssenaus f<strong>in</strong>anziellen <strong>Grün</strong>den häufig den Pflegestandardherabsetzen, Pflegemaßnahmen priorisieren undPflegekostenpläne erstellen.QualitätsanspruchDem steigenden Qualitätsanspruche<strong>in</strong>erseits stehen schw<strong>in</strong>dende PersonalundF<strong>in</strong>anzressourcen <strong>der</strong> Kommunenan<strong>der</strong>erseits gegenüber. Wurden früherdie öffentlichen <strong>Grün</strong>flächen als geme<strong>in</strong>samerReichtum e<strong>in</strong>er <strong>Stadt</strong> angesehen,so s<strong>in</strong>d sie <strong>in</strong> manchen Kommunen heuteeher e<strong>in</strong>e Last. Der Unterhaltungsbedarffür <strong>Grün</strong>anlagen und Spielplätze kannnur noch zum Teil f<strong>in</strong>anziert werden, wassich im mangelnden Pflegezustand vieler<strong>Grün</strong>anlagen spiegelt.Zentral für den Wert von <strong>Grün</strong>: Die <strong>Grün</strong>pflege<strong>Stadt</strong>grün muss <strong>in</strong>tensiv gepflegt werden, um <strong>der</strong>Geme<strong>in</strong>schaft nützlich zu se<strong>in</strong>. Interessante Parks und<strong>Grün</strong>flächen verhelfen Städten zu Attraktivität, kommunikativemAustausch und Zusammengehörigkeitsgefühl.<strong>Grün</strong> lebt, es verän<strong>der</strong>t sich und muss deshalbkont<strong>in</strong>uierlich beobachtet und gepflegt werden.Dem steigenden Qualitätsanspruch e<strong>in</strong>erseits stehenschw<strong>in</strong>dende Personal- und F<strong>in</strong>anzressourcen <strong>der</strong>Kommunen an<strong>der</strong>erseits gegenüber. Wurden früher dieöffentlichen <strong>Grün</strong>flächen als geme<strong>in</strong>samer Reichtume<strong>in</strong>er <strong>Stadt</strong> angesehen, so s<strong>in</strong>d sie <strong>in</strong> manchen Kommunenheute eher e<strong>in</strong>e Last.Auch e<strong>in</strong>e struktur- und artenreiche spontane Vegetationreduziert Pflegekosten, wie zum Beispiel <strong>der</strong>seit den 90er Jahren bestehende Industriewald aufBrachflächen des Ruhrgebiets, urbane Wäl<strong>der</strong>, extensiveStaudenanlagen o<strong>der</strong> durch Initialpflanzungbegründete Straßenbegleitvegetation zeigen. Danebenbestehen schon heute E<strong>in</strong>sparpotenziale etwadurch die Nutzung verbesserter digitaler Planungswerkzeuge.Die Beschäftigung ger<strong>in</strong>ger qualifizierterArbeitskräfte <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Grün</strong>pflege hat <strong>in</strong> aller Regelnachteilige Effekte. Neuere Studien zeigen, dass <strong>der</strong>Verbleib <strong>der</strong> <strong>Grün</strong>flächenunterhaltung im Eigenbetriebkostengünstiger se<strong>in</strong> kann als das Outsourc<strong>in</strong>g,also die Übertragung kommunaler Aufgaben anprivate Träger.


34 Vielfalt von <strong>Stadt</strong>grün / <strong>Grün</strong>buchNaturkapitalattraktive <strong>Stadt</strong><strong>Grün</strong>pflegeLebensqualität ImmobilienwertWertschöpfung durch <strong>Grün</strong>grünes Sachvermögen<strong>Grün</strong>qualitätQualität alternative PflegeBodenwertKooperative Ansätze bei <strong>der</strong> <strong>Grün</strong>pflegeE<strong>in</strong>ige Kommunen setzen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Anlage und Pflege des<strong>Stadt</strong>grüns zunehmend auf kooperative Ansätze mit zivilgesellschaftlichenund privatwirtschaftlichen Akteuren.Das Spektrum geht von Initiativen privater Sponsorenund Bürger<strong>in</strong>nen und Bürgern über die Beteiligungvon Kle<strong>in</strong>gartenverbänden, lokalen Stiftungen und Vere<strong>in</strong>enbis zu Verträgen mit <strong>der</strong> lokalen Wirtschaft. Schonheute übernehmen diese vielerorts Aufgaben bei Erhaltund Pflege des städtischen <strong>Grün</strong>s, oft auch <strong>in</strong> Form vonPartnerschaften. Bürgerstiftungen leisten Beiträge etwaals Spendenakquisiteure, Initiatoren, Mittler o<strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>atorenzur Realisierung von Projektideen.Beispiele s<strong>in</strong>d Waldgärten o<strong>der</strong> Kommunen im Umbruch(Transition Towns) mit Projekten zur geme<strong>in</strong>-samen Gartengestaltung und -nutzung. E<strong>in</strong> weiteresBeispiel s<strong>in</strong>d Permakultursysteme, die auf die Schaffungselbstregulieren<strong>der</strong> Wachstumssysteme zielenund nur m<strong>in</strong>imale E<strong>in</strong>griffe und damit wenig Pflegeaufwandund -kosten benötigen. Auch Privatgärtenbilden aufgrund ihrer Gestaltungsvielfalt e<strong>in</strong> hohesEntwicklungspotenzial für das <strong>Stadt</strong>grün.<strong>Grün</strong> als kommunaler Vermögensstock –<strong>Grün</strong>e Doppik<strong>Für</strong> Kommunen ist es wichtig, das grüne Sachvermögenund damit den Wert von <strong>Grün</strong>flächen sichtbar zumachen. Dabei wird die klassische, „kameralistische“Buchführung von E<strong>in</strong>nahmen und Ausgaben mit <strong>der</strong>„doppischen“ Buchführung ergänzt. Beim Doppik-


<strong>Grün</strong>buch / Vielfalt von <strong>Stadt</strong>grün 35Verfahren werden die <strong>Grün</strong>- und Freiräume zunächstals Vermögenswerte bewertet und entsprechend <strong>in</strong> diekommunale Bilanz e<strong>in</strong>gestellt und dann fortlaufendauch mit den Ausgaben, zum Beispiel für Kontroll- undPflegemaßnahmen, bilanziert. Ob e<strong>in</strong>e Kommune also<strong>in</strong>folge mangeln<strong>der</strong> <strong>Grün</strong>pflege e<strong>in</strong>en Werteverzehrbetreibt o<strong>der</strong> <strong>in</strong> grüne <strong>Stadt</strong>entwicklung <strong>in</strong>vestiert –<strong>der</strong> Wert <strong>der</strong> grünen Infrastruktur kann mit <strong>der</strong> <strong>Grün</strong>enDoppik je<strong>der</strong>zeit für die Kommunalpolitik sichtbargemacht werden.Perspektiven e<strong>in</strong>er strategischen <strong>Grün</strong>entwicklungFragen <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzierung, des langfristigen Erhalts und<strong>der</strong> Pflege urbanen <strong>Grün</strong>s s<strong>in</strong>d zentrale Herausfor<strong>der</strong>ungenfür die Kommunen, für die es bisher nur partielleLösungsansätze gibt. Fast jede Kommune for<strong>der</strong>te<strong>in</strong>e Verbesserung <strong>der</strong> Handlungsmöglichkeiten, dieSicherung und Erhöhung des <strong>Grün</strong>etats im kommunalenHaushalt und e<strong>in</strong>e entsprechende Ausstattung <strong>der</strong><strong>Grün</strong>flächenämter mit f<strong>in</strong>anziellen und personellenRessourcen. Faktisch s<strong>in</strong>d jedoch die <strong>Grün</strong>etats <strong>der</strong>meisten Kommunen rückläufig. Fachleute for<strong>der</strong>n<strong>in</strong>zwischen e<strong>in</strong> grünes Ertragsbild <strong>Stadt</strong>, dessen Konturensich aber erst abzeichnen. Die Weichen für e<strong>in</strong>ehocheffiziente <strong>Grün</strong>pflege müssen neu gestellt werden.Planung, Pflanzung und Pflege sollten dabei ganzheitlichals Prozess betrachtet werden.Die <strong>Grün</strong>etats <strong>der</strong> meisten Kommunen s<strong>in</strong>dheute rückläufig. Fachleute for<strong>der</strong>n deshalb e<strong>in</strong>grünes Ertragsbild <strong>Stadt</strong>, dessen Konturensich aber erst abzeichnen. Die Weichen für e<strong>in</strong>ehocheffiziente <strong>Grün</strong>pflege müssen neu gestelltwerden.Bisherige Strategien, Pflegekosten weiter zu senkenund <strong>Grün</strong>ausstattungen noch stärker zu standardisieren,s<strong>in</strong>d bereits weitgehend ausgeschöpft. Insbeson<strong>der</strong>edas sogenannte mittlere Segment – viele tausendHektar eher kle<strong>in</strong>er und undef<strong>in</strong>ierter <strong>Grün</strong>flächen –ist schon heute von vielen Kommunen kaum mehrangemessen zu pflegen. Diese Rasen-, Strauch- undBaumgrünanlagen werden kostengünstig als kommunalwirtschaftlicheFlächenvorhaltung und Flächenverwertungunterhalten und s<strong>in</strong>d zumeist nicht eben e<strong>in</strong>Imageträger für den <strong>Grün</strong>zustand. Deshalb konzentrierensich e<strong>in</strong>ige Kommunen bereits auf die qualitativhervorragenden <strong>Grün</strong>flächen. Diese Parks, Spielplätze,Friedhöfe, <strong>Stadt</strong>plätze, Schulgärten, Kle<strong>in</strong>gärtenund ähnliche Strukturen drücken die Gartenkultur<strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> aus. Sie stellen den wesentlichen weichen,ökonomisch relevanten Standortfaktor dar und s<strong>in</strong>ddas kommunale Aushängeschild im <strong>in</strong>terkommunalenWettbewerb um Lebensqualität und <strong>Stadt</strong>kultur.Bei <strong>der</strong> Pflege und Bewirtschaftung städtischen <strong>Grün</strong>ss<strong>in</strong>d gesamtstädtisch auch funktional differenzierte,vernetzte <strong>Grün</strong>räume und Strukturen zu entwickeln.Dabei können extensiv gestaltete, weniger aufwändiggepflegte Räume, etwa <strong>in</strong> Form städtischer Wildnis,urbaner Wäl<strong>der</strong> o<strong>der</strong> (naturbelassener) Naturerfahrungsräume,wertvolle Ergänzungen zu den <strong>in</strong>tensivgestalteten Räumen darstellen. Wichtig ist hierbeiAufklärung und Kommunikation, da städtischeNaturräume mit m<strong>in</strong>imalen Pflegestandards von <strong>der</strong>Bevölkerung oft nicht als „wertvoll“ wahrgenommenwerden, dies aber häufig se<strong>in</strong> können, etwa h<strong>in</strong>sichtlichihres Beitrags zur Klimaanpassung o<strong>der</strong> zumSchutz und Erhalt biologischer Vielfalt. Nötig ist e<strong>in</strong>egesamtstädtische Strategie, die <strong>in</strong>tensiv und extensivgepflegte <strong>Grün</strong>strukturen ganzheitlich betrachtet und<strong>in</strong> Beziehung zue<strong>in</strong>an<strong>der</strong> setzt.Projektbeispiel➜ Beispiel für Bundesaktivitäten„Naturkapital Deutschland - TEEB DE“: Derdritte thematische Bericht im Rahmen diesesnationalen Folgeprojekts zur globalen Studie„The Economics of Ecosystems and Biodiversity“(TEEB) widmet sich dem städtischen Raumund veranschaulicht die gesellschaftliche undökonomische Bedeutung von Ökosystemleistungen<strong>in</strong> urbanen Räumen. Außerdem werdenVorschläge entwickelt, wie urbane Ökosystemleistungenbesser <strong>in</strong> private und öffentlicheEntscheidungsprozesse e<strong>in</strong>bezogen werdenkönnen. Der Bericht beleuchtet die Themen<strong>Stadt</strong>klima, Klimaschutz und Anpassung anden Klimawandel, Luft- und Bodenqualität,Wasserhaushalt, Lärmschutz, Versorgung,physische und psychische Gesundheit, Naturerfahrung/Naturerleben,Umweltbildungund <strong>Stadt</strong>natur als Aktivitätsraum und sozialerRaum sowie als Standortfaktor (Veröffentlichung<strong>in</strong> 2016 geplant).Mehr unter www.naturkapital-teeb.de


<strong>Grün</strong>buch / Vielfalt von <strong>Stadt</strong>grün 37Bürgeraktivitäten: Engagiert <strong>Grün</strong> gestaltenMitmachen erwünscht –Freiräume als MöglichkeitsräumeE<strong>in</strong> Ziel <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong>entwicklung war und ist es, Ortezu schaffen, an denen die verschiedenen sozialenGruppen und Generationen sich gerne aufhalten.Über lange Zeit hat die <strong>Stadt</strong>- und Freiraumplanungdie Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger vor allem <strong>in</strong> ihrer Rolleals Konsumenten von Freiräumen wahrgenommenund versucht, durch gezielte Planung und Umsetzungdie Bedürfnisse <strong>der</strong> Bevölkerung nach Erholung undBewegung zu befriedigen. Im Rahmen von Bürgerbeteiligungsverfahrenkönnen sich Bürger<strong>in</strong>nen undBürger an <strong>der</strong> kommunalen Planung von <strong>Grün</strong>flächenbei <strong>der</strong> Aufstellung von Landschafts-, <strong>Grün</strong>ordnungso<strong>der</strong>Bauleitplänen beteiligen und ihre Ideen e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen.Im Baugesetzbuch (BauGB) ist die Beteiligungvon Bürger<strong>in</strong>nen und Bürgern schon lange e<strong>in</strong> wichtigerBestandteil demokratischen Planens. Die rechtlichvorgeschriebene Strategische Umweltprüfung (SUP)setzt seit Kurzem auch die formalen Anfor<strong>der</strong>ungene<strong>in</strong>er Öffentlichkeitsbeteiligung bei Landschaftsplänen.Die Bereitstellung größerer städtischer Freiräumeerfolgte bislang vor allem durch öffentliche Träger.Immer ist die Nutzbarkeit <strong>der</strong> Freiräume formelleno<strong>der</strong> <strong>in</strong>formellen Ordnungen unterworfen, die e<strong>in</strong>enRahmen für den Gebrauch formulieren, um Pflegeund Unterhaltung zu vere<strong>in</strong>fachen und nutzungsbezogeneKonflikte zu vermeiden.Aus dem Willen <strong>der</strong> Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger,sich die <strong>Stadt</strong> nach ihren Vorstellungen anzueignenund sie aktiv mitzugestalten, entstehenimmer mehr öffentlich wahrgenommene Projekte,die städtische Freiflächen e<strong>in</strong>nehmen undalternativ nutzen.<strong>Grün</strong>flächen s<strong>in</strong>d Orte <strong>der</strong> Begegnung und Kommunikation.Ihre Nutzung ist immer e<strong>in</strong>e aktiveAneignung von <strong>Stadt</strong>, also e<strong>in</strong>e praktische Auswahlaus alternativen Nutzungsmöglichkeiten. Seit e<strong>in</strong>igenJahren wird nun an vielen Punkten deutlich, dass dievon den Kommunen geplanten Freiräume nur e<strong>in</strong>enTeil <strong>der</strong> von <strong>der</strong> Bevölkerung gewünschten Nutzungsmöglichkeitenberücksichtigen. Aus dem Willen <strong>der</strong>Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger, sich die <strong>Stadt</strong> nach ihrenVorstellungen anzueignen und sie aktiv mitzugestalten,entstehen immer mehr öffentlich wahrgenommeneProjekte, die städtische Freiflächen e<strong>in</strong>nehmenund alternativ nutzen. Ihnen ist geme<strong>in</strong>sam, dass sieöffentlichen Raum nicht o<strong>der</strong> nur zum Teil im S<strong>in</strong>ne<strong>der</strong> „von oben“ vorgegebenen Nutzung gebrauchen.Stattdessen eignen sie sich Flächen auf e<strong>in</strong>e Weise an,die darüber h<strong>in</strong>ausgeht und nutzen sie gärtnerischo<strong>der</strong> für Sport- und Freizeitzwecke. Sie weisen sogleichzeitig auf e<strong>in</strong> bestehendes Defizit h<strong>in</strong>, das nicht<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er mangelnden, son<strong>der</strong>n im Gegenteil <strong>in</strong> e<strong>in</strong>erzu stark e<strong>in</strong>engenden Regulierung liegt.In großen und kle<strong>in</strong>en Städten entstehen so geme<strong>in</strong>schaftlichgenutzte Freiräume, die zu Begegnungs-


38 Vielfalt von <strong>Stadt</strong>grün / <strong>Grün</strong>buchorten <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong>gesellschaft werden, sie dienen <strong>der</strong>Erholung, dem Sport o<strong>der</strong> – immer mehr – dem UrbanGarden<strong>in</strong>g. Die zum Teil von <strong>der</strong> Bürgerschaft aus<strong>Stadt</strong>brachen selbst entwickelten Flächen erzeugennicht nur e<strong>in</strong>e hohe Akzeptanz <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bevölkerung, siezeigen auch den Wunsch nach Verantwortungsübernahme<strong>in</strong> <strong>der</strong> Zivilgesellschaft. <strong>Für</strong> bürgerschaftlich<strong>in</strong>itiierte Projekte eignen sich ganz unterschiedlicheTypen urbaner Freiräume: Das Spektrum reicht vonPlätzen und Parks <strong>in</strong> grün<strong>der</strong>zeitlichen <strong>Stadt</strong>quartierenüber Freiräume, die auf Rückbauflächen desStrukturwandels und des <strong>Stadt</strong>umbaus neu entstehen,bis zur Umgestaltung von Straßenräumen für Mehrfachnutzungen.Die Ansprüche <strong>der</strong> Menschen abers<strong>in</strong>d vergleichbar: Möglichkeiten <strong>der</strong> Aneignung undSelbstverwirklichung, qualitative Aufwertung, Raumfür Begegnung und Identifikation, Nutzung durchFreizeit und Kultur. Das Spektrum <strong>der</strong> Motive für dieMitwirkung an e<strong>in</strong>em urbanen Garten ist breit undumfasst sowohl soziale, ökologische, ökonomische alsauch gesellschaftspolitische Aspekte. Zu nennen s<strong>in</strong>dneben <strong>der</strong> gärtnerischen Tätigkeit an sich etwa <strong>der</strong>Aufenthalt im Freien, die Erholung, die körperlicheBetätigung, gesundheitsbezogene <strong>Grün</strong>de, umweltpädagogische,soziale o<strong>der</strong> politische Ziele, <strong>der</strong> Beitragzur Quartiergestaltung, die Möglichkeit, Nachbarnkennenzulernen, aber auch die städtische Nahrungsmittelproduktion.Darüber h<strong>in</strong>aus ermöglicht dieEntwicklung grüner <strong>Stadt</strong>räume durch die Bürger<strong>in</strong>nenund Bürger selbst e<strong>in</strong>e stärkere Identifikation mitstädtischer Natur und letztendlich auch mit <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong>.Das aktive Gestalten städtischer (<strong>Grün</strong>-)Räume ermöglichte<strong>in</strong>en Wahrnehmungswandel, weg vom Kulissencharakterstädtischen <strong>Grün</strong>s h<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>em identifikationsstiftendenGefühl des <strong>Stadt</strong>(er)lebens. Gleichzeitigwerden dadurch Möglichkeiten eröffnet, städtischeNatur sprichwörtlich „aus erster Hand“ zu erfahren.Auf zwei Typen e<strong>in</strong>er solchen Freiraumgestaltungsoll im Folgenden kurz e<strong>in</strong>gegangen werden: das


<strong>Grün</strong>buch / Vielfalt von <strong>Stadt</strong>grün 39Urban Garden<strong>in</strong>g und urbane Trendsportarten, wieSkaten, BMX o<strong>der</strong> Parcours:■■Die unter dem Begriff „Urban Garden<strong>in</strong>g“ zusammengefasstenGärten s<strong>in</strong>d so unterschiedlichwie die Gärtner selbst. Vielerorts lässt sich die<strong>Grün</strong>dung von Nachbarschafts- beziehungsweiseGeme<strong>in</strong>schaftsgärten beobachten. Selbst organisierteurbane Gärten zeichnen sich durch e<strong>in</strong>egewisse Offenheit und Flexibilität aus. Oft dientdas Gärtnern als Plattform, um viele verschiedeneMenschen zusammenzubr<strong>in</strong>gen. Meist geht es auchum die natürliche Herstellung von Nahrungsmitteln,die Wissenschaft spricht von „produktiven<strong>Stadt</strong>landschaften“.Dies zeigt sich auch beim Trendsport auf öffentlichenund privaten Flächen. Die jungen Sportler <strong>in</strong>terpretierendie vorgesehene Nutzung öffentlicherOrte um und eignen sich die Orte unmittelbar an.Meist wird das von Behörden und Eigentümern alsStörung <strong>in</strong>terpretiert und verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t. Doch es gehtauch an<strong>der</strong>s: In Hannover reagierte die <strong>Stadt</strong> aufdas von <strong>der</strong> Parcour-Szene illegal genutzte <strong>Stadt</strong>mobiliarmit <strong>der</strong> Freigabe e<strong>in</strong>es öffentlichen Platzesfür die Parcouristen. Auch <strong>in</strong> Köln hat die <strong>Stadt</strong> aufdie Bedürfnisse von Trendsportlern reagiert. SeitKurzem verfügt die <strong>Stadt</strong> über sechs Slackl<strong>in</strong>eparks,die <strong>in</strong> bestehende Parkflächen <strong>in</strong>tegriert wurden.Viele Trendsportler greifen trotzdem auf grüneRestflächen zurück, auf die ke<strong>in</strong> an<strong>der</strong>er Ansprucherhebt und richten sich dort auf Zeit e<strong>in</strong>. In Gewerbe-und Industriegebieten entstehen temporäreSportparks, die entwe<strong>der</strong> durch die Städte geduldetwerden o<strong>der</strong> bei denen mit den Eigentümern Zwischennutzungsverträgeausgehandelt wurden.Projektbeispiele➜Pr<strong>in</strong>zess<strong>in</strong>nengärten Berl<strong>in</strong>-KreuzbergMitten <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>-Kreuzberg, auf e<strong>in</strong>er 6.000 Quadratmeter großen Brachfläche am Moritzplatz, bef<strong>in</strong>densich seit Juni 2009 die Pr<strong>in</strong>zess<strong>in</strong>nengärten. Sie s<strong>in</strong>d seither Keimzelle und Präzedenzfall <strong>der</strong> deutschenUrban-Garden<strong>in</strong>g-Bewegung.Mehr unter www.pr<strong>in</strong>zess<strong>in</strong>nengarten.net➜Interkultureller Generationenpark Dessau-RoßlauE<strong>in</strong> differenziertes Sicherheitskonzept und e<strong>in</strong> aktivieren<strong>der</strong> Planungsprozess bilden die Grundlagedafür, dass <strong>der</strong> Dessauer <strong>Stadt</strong>park zum <strong>in</strong>terkulturellen Generationenpark werden konnte.Mehr unter www.bauhaus-dessau.de/Interkultureller-Generationenpark.html➜Mellowpark Berl<strong>in</strong>-KöpenickDer Jugendvere<strong>in</strong> „all e<strong>in</strong>s e. V.“ startete mit e<strong>in</strong>er kle<strong>in</strong>en Gruppe Skater und entwickelte sich <strong>in</strong>zwischenzu Europas größtem Skaterpark. Der Park ist zu e<strong>in</strong>em wichtigen Treffpunkt für junge Berl<strong>in</strong>er gewordenund bietet auch kulturelle Angebote sowie Programme für Ferienfreizeiten an.Mehr unter www.mellowpark.de➜ Soko Klima – <strong>Stadt</strong> gestalten mit PlanK<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendliche können sich an kommunalen Planungsverfahren beteiligen. Hierzu wurdeim Projekt Soko Klima (geför<strong>der</strong>t durch BMUB im Rahmen <strong>der</strong> Nationalen Klimaschutz<strong>in</strong>itiative) e<strong>in</strong>Methodenkoffer entwickelt, <strong>der</strong> Schulen, Planungsbüros und öffentlichen Verwaltungen zur Verfügunggestellt wird.Mehr unter www.soko-klima.de


40 Vielfalt von <strong>Stadt</strong>grün / <strong>Grün</strong>buchSoziale Funktionen: Begegnung und Teilhabe ermöglichen<strong>Stadt</strong>grün für alleÖffentliche <strong>Grün</strong>anlagen <strong>in</strong> Städten, vor allem Parks,haben <strong>in</strong> den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen.Bei e<strong>in</strong>er Internetbefragung zu <strong>Grün</strong>flächen imAuftrag <strong>der</strong> GALK 2013 gaben rund 98 Prozent <strong>der</strong>Befragten an, dass ihnen <strong>Grün</strong>- und Parkanlagensehr wichtig beziehungsweise wichtig s<strong>in</strong>d. Etwa e<strong>in</strong>Drittel <strong>der</strong> Befragten besuchen täglich e<strong>in</strong>e <strong>Grün</strong>- undParkanlage; rund die Hälfte suchen sie e<strong>in</strong>- bis dreimal<strong>in</strong> <strong>der</strong> Woche auf. Die <strong>Grün</strong>anlagen werden vonverschiedenen Alters- und Nutzergruppen besucht,die unterschiedliche Ansprüche haben. Währendältere Menschen vor allem gerne an <strong>der</strong> frischen Lufts<strong>in</strong>d, spazieren gehen und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Natur se<strong>in</strong> wollen,sehen Jugendliche <strong>in</strong> <strong>Grün</strong>anlagen vor allem Räume<strong>der</strong> Begegnung und des Sports. In deutschen Städtengibt es viele Beispiele dafür, wie die Gestaltung vonParkanlagen den Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> verschiedenenGenerationen gerecht wird. Bisher zu wenig Beachtunggefunden haben Anfor<strong>der</strong>ungen von Menschenmit Bee<strong>in</strong>trächtigungen. Das betrifft nicht nur dieBarrierefreiheit, son<strong>der</strong>n auch therapeutische Aspektewie visuelle, olfaktorische o<strong>der</strong> taktile Reize (Sehen –Riechen – Tasten: zum Beispiel Bl<strong>in</strong>dengarten). DiesenAspekten kommt mit Blick auf die demographischeEntwicklung zunehmende Bedeutung zu.Bei <strong>der</strong> Gestaltung von öffentlichen <strong>Grün</strong>anlagenspielen auch Sicherheitsaspekte e<strong>in</strong>e wichtige Rolle.Parkbesucher sollen sich gut und sicher fühlen. <strong>Für</strong>mehr Sicherheit und zur Krim<strong>in</strong>alitätsvorbeugunggelten unter an<strong>der</strong>em folgende Anfor<strong>der</strong>ungen:■ Klar erkennbare Nutzungen führen zu mehrSauberkeit.■ Funktionsmischungen führen zu mehr Nutzergruppenund Belebung.■ Gute Beleuchtung und lichte Vegetation führenzu mehr Übersichtlichkeit.


<strong>Grün</strong>buch / Vielfalt von <strong>Stadt</strong>grün 41Umweltgerechtigkeit und WohnumfeldDeutsche Städte s<strong>in</strong>d im <strong>in</strong>ternationalen Vergleich relativgut mit <strong>Grün</strong>flächen ausgestattet. Auf <strong>Stadt</strong>teilebenezeigen sich jedoch deutliche Unterschiede, denn nichtjedes Quartier verfügt über ausreichend <strong>Grün</strong>flächen.Bei e<strong>in</strong>er Internetbefragung zu <strong>Grün</strong>flächengaben rund 98 Prozent <strong>der</strong> Befragten an, dassihnen <strong>Grün</strong>- und Parkanlagen sehr wichtig beziehungsweisewichtig s<strong>in</strong>d.Dies betrifft sowohl die Anzahl und Größe <strong>der</strong> <strong>Grün</strong>flächenals auch <strong>der</strong>en Qualität und Zugänglichkeit.Insbeson<strong>der</strong>e sozial benachteiligte <strong>Stadt</strong>teile s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>puncto <strong>Grün</strong>flächen tendenziell schlechter ausgestattet.Dabei ist dort <strong>der</strong> Bedarf grundsätzlich höher, denn<strong>der</strong> ger<strong>in</strong>gere Anteil an privaten <strong>Grün</strong>flächen (Gärten,Balkone, Terrassen) verlangt e<strong>in</strong>en Ausgleich durchöffentliches <strong>Grün</strong>. Außerdem ist zu berücksichtigen,dass die Menschen <strong>in</strong> sozial benachteiligten Quartierenweniger mobil s<strong>in</strong>d und sich häufiger <strong>in</strong> ihrem direktenWohnumfeld aufhalten. E<strong>in</strong>er guten <strong>Grün</strong>ausstattungmit Aufenthaltsqualität kommt hier e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e Bedeutungzu, denn sie kann sich sowohl positiv auf diegesundheitliche Entwicklung als auch auf die Nachbarschaftund den sozialen Frieden auswirken.Begegnung und Integration<strong>Stadt</strong>grün bietet Räume <strong>der</strong> Begegnung. Familien undFreunde verabreden sich zum Spazieren, zum Picknickenund Grillen, um Zeit mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> zu verbr<strong>in</strong>gen.Junge und ältere Menschen sitzen auf Bänken undbeobachten das Parkgeschehen. Hundebesitzer begegnensich auf ihren täglichen Runden und kommen <strong>in</strong>sGespräch. Menschen joggen, fahren Fahrrad o<strong>der</strong> treffensich <strong>in</strong> Sportgruppen zur Gymnastik im <strong>Grün</strong>en.Öffentliche Parkanlagen eröffnen all diese Möglichkeiten.Ihre Gestaltung und Ausstattung nimmt dabeidirekten E<strong>in</strong>fluss auf das Verhalten <strong>der</strong> Nutzer. Sie kannKommunikation und Begegnung för<strong>der</strong>n, <strong>in</strong>dem zumBeispiel das Wegesystem <strong>in</strong> Runden angelegt wird o<strong>der</strong>verschattete Bereiche mit zue<strong>in</strong>an<strong>der</strong> ausgerichtetenSitzgelegenheiten zur Verfügung stehen.


42 Vielfalt von <strong>Stadt</strong>grün / <strong>Grün</strong>buchWichtige Orte <strong>der</strong> Begegnung und Integration s<strong>in</strong>dauch Geme<strong>in</strong>schaftsgärten. Hier wird geme<strong>in</strong>sam gesät,gepflanzt, gegärtnert und geerntet. Menschen unterschiedlichenAlters und Herkunft kommen über dieseAktivitäten mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> <strong>in</strong>s Gespräch. Die Zahl <strong>der</strong>Geme<strong>in</strong>schaftsgärten ist <strong>in</strong> den letzten Jahren enormgestiegen. Bei <strong>der</strong> Stiftung „anstiftung & ertomis“, dieGarten<strong>in</strong>itiativen deutschlandweit unterstützt, s<strong>in</strong>d<strong>der</strong>zeit rund 400 Gärten registriert 4 . In diesen halböffentlichenRäumen wird Integration erleichtert, was<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e auch für Menschen mit Migrationsh<strong>in</strong>tergrundo<strong>der</strong> für Flüchtl<strong>in</strong>ge wichtig ist. Erfahrungenhaben gezeigt, dass Zuwan<strong>der</strong>ern aus agrarisch geprägtenKulturen hier <strong>in</strong> Deutschland ihre Gärten aus<strong>der</strong> Heimat fehlen. Interkulturelle Gärten können hieranknüpfen, den Erfahrungsaustausch und Wissenstransferunterstützen und damit die gesellschaftlicheIntegration und Teilhabe för<strong>der</strong>n.Bildung und NaturerfahrungÖffentliche <strong>Grün</strong>anlagen s<strong>in</strong>d Bildungs- und Lernräume,von denen alle, beson<strong>der</strong>s junge Menschen,profitieren können. K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendliche s<strong>in</strong>d oftwenig vertraut mit <strong>der</strong> heimischen Flora und Fauna.Vor allem für Schulen und K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen,die über ke<strong>in</strong>en eigenen (Schul-)Garten verfügen, s<strong>in</strong>dmultifunktional gestaltete <strong>Grün</strong>flächen notwendig. Inmanchen Kommunen bestehen zentrale Schulgärten,an<strong>der</strong>norts gibt es Kooperationen zwischen Bildungse<strong>in</strong>richtungenund Geme<strong>in</strong>schaftsgärten o<strong>der</strong> auchKle<strong>in</strong>gärten. Dort können K<strong>in</strong><strong>der</strong> zum Beispielerfahren, wie Obst und Gemüse wächst, was Bienenmit Honig zu tun haben o<strong>der</strong> welche Bäume undSträucher <strong>in</strong> Parks und Wäl<strong>der</strong>n stehen. E<strong>in</strong>e relativneue Entwicklung s<strong>in</strong>d speziell angelegte Naturerfahrungsräume<strong>in</strong> Städten. Sie kommen zumeist ohneklassische Spielgeräte aus und setzen auf das konkreteErleben von Natur. Durch freies und selbstbestimmtesSpielen, Gestalten und Bauen wird e<strong>in</strong>e gesundephysische und psychische Entwicklung von K<strong>in</strong><strong>der</strong>ngeför<strong>der</strong>t.Auch für Erwachsene bietet das <strong>Stadt</strong>grün Bildungsangebote.Kommunen organisieren Führungen durchParks und Botanische Gärten, Bildungse<strong>in</strong>richtungenwie Volkshochschulen bieten Kurse und Sem<strong>in</strong>are zugrünen Themen an, lokale Vere<strong>in</strong>e laden zu Mitmachaktionene<strong>in</strong>. Auch Geme<strong>in</strong>schaftsgärten, zum Beispiel<strong>in</strong>terkulturelle Gärten, <strong>in</strong>itiieren Projekte zum gegenseitigenWissens- und Erfahrungsaustausch.


<strong>Grün</strong>buch / Vielfalt von <strong>Stadt</strong>grün 43Projektbeispiele➜ Leitfaden für Kommunen – Geme<strong>in</strong>schaftsgärtenIm Auftrag des BMUB ist e<strong>in</strong> Leitfaden entstanden, <strong>der</strong> ausgehend vom Potenzial von Geme<strong>in</strong>schaftsgärtenfür benachteiligte <strong>Stadt</strong>teile Maßnahmen vorstellt, wie bürgerschaftliche Garten<strong>in</strong>itiativen <strong>in</strong> ihrenVorhaben seitens <strong>der</strong> Kommune unterstützt werden können (<strong>der</strong>zeit im Entstehungsprozess).➜Geme<strong>in</strong>schaftsgärten und grüne Freiflächen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sozialen <strong>Stadt</strong>Im Rahmen des Städtebauför<strong>der</strong>programms „Soziale <strong>Stadt</strong>“ s<strong>in</strong>d bundesweit erfolgreiche Projekte verwirklichtworden, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e unter Beteiligung <strong>der</strong> Bewohner<strong>in</strong>nen und Bewohner. Im Vor<strong>der</strong>grundstehen häufig die Integration von Zuwan<strong>der</strong>ern o<strong>der</strong> unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen o<strong>der</strong>die altersgerechte Ausgestaltung.Mehr unter www.staedtebaufoer<strong>der</strong>ung.<strong>in</strong>fo/StBauF/DE➜<strong>Grün</strong> und BildungIn Gladbeck im <strong>Stadt</strong>teil Brauck wurde e<strong>in</strong> Wassererlebnispfad „Unser Hahnenbach“ im Zuge <strong>der</strong>Renaturierung <strong>der</strong> Emscher beziehungsweise des Hahnenbachs angelegt. Auf acht Stationen werdenAspekte rund um das Lebenselement Wasser beleuchtet. Zudem können Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler mitdem „Blauen Klassenzimmer“ den Bach und se<strong>in</strong>e Aue aktiv kennenlernen. Wassererlebnispfad und„Blaues Klassenzimmer“ wurden unter an<strong>der</strong>em mit Mitteln <strong>der</strong> „Sozialen <strong>Stadt</strong>“ f<strong>in</strong>anziert.Mehr unter www.sozialestadt.nrw.de/stadtteile_projekte/profil.php?st=gladbeck-brauck➜Umweltgerechtigkeit durch Partizipation auf AugenhöheDer Handlungsleitfaden zielt auf e<strong>in</strong>e Verbesserung attraktiver, naturnaher und <strong>lebenswerte</strong>r <strong>Grün</strong>flächen<strong>in</strong> <strong>Stadt</strong>quartieren mit bislang defizitärer <strong>Grün</strong>ausstattung und ermuntert Kommunen, neue Wegebei <strong>der</strong> Bürgerbeteiligung zu gehen.Mehr unter www.duh.de/uploads/tx_duhdownloads/Partizipation-auf-Augenhoehe_web.pdf➜Mehrgenerationengärten-Projekt „Gärten für jeden“In Städten und Geme<strong>in</strong>den Ostfrieslands wurden Mehrgenerationengärten errichtet, die jedem offenstehen. Menschen verschiedener Altersgruppen beziehungsweise sozialer Schichten sollen <strong>in</strong> den Gärtenzusammenf<strong>in</strong>den. Außerdem wird <strong>in</strong> den Gärten das Wissen um den traditionellen Gartenbau und e<strong>in</strong>egesunde Ernährung vermittelt (2009-2011 durch Bundesm<strong>in</strong>isterium für Gesundheit geför<strong>der</strong>t).Mehr unter www.garten-fuer-jeden.de➜NaturerfahrungsräumeZiel des Erprobungs- und Entwicklungsvorhabens „Naturerfahrungsräume <strong>in</strong> Großstädten am BeispielBerl<strong>in</strong>“ ist es, K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen die Möglichkeit zu geben, an ihrem Wohnort eigenständig Naturerfahrungensammeln zu können.Mehr unter www.stiftung-naturschutz.de/unsere-projekte/neraeume


<strong>Grün</strong>buch / Vielfalt von <strong>Stadt</strong>grün 45Gesundheit: Schaffung gesundheitsför<strong>der</strong>n<strong>der</strong> UmweltenDie gesundheitliche Bedeutung städtischer <strong>Grün</strong>räumespielt bei <strong>der</strong> planerischen und politischenEntscheidung über künftige Flächennutzungen meiste<strong>in</strong>e untergeordnete Rolle. Gleichwohl formuliert dasBundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) e<strong>in</strong>en breitengesellschaftlichen Auftrag, <strong>der</strong> den Schutz von Naturund Landschaft auch <strong>in</strong> H<strong>in</strong>blick auf ihre Bedeutungals Grundlage für Leben und Gesundheit des Menschenbegründet. Auch die Nationale Strategie zur biologischenVielfalt (NBS) for<strong>der</strong>t e<strong>in</strong>e verstärkte Nutzung<strong>der</strong> Synergien von Naturschutz und Gesundheit. Sosei „<strong>der</strong> Gesundheitssektor dafür zu sensibilisieren,dass <strong>der</strong> Naturschutz e<strong>in</strong>en Beitrag zum Gesundheitsschutzleisten kann und deutlich zu machen, dassviele positive Effekte <strong>der</strong> Natur auf die Gesundheit desMenschen auf permanenten Gratisleistungen <strong>der</strong> Naturberuhen“ 5 . Die im Rahmen des BNatSchG def<strong>in</strong>iertenZiele 6 können sich häufig positiv auf die menschlicheGesundheit auswirken. Synergien von Gesundheit undNaturschutz ergeben sich etwa im H<strong>in</strong>blick auf die Bereitstellungaktiver Spiel- und Lebenswelten, entspannen<strong>der</strong>Erholungsräume sowie von Räumen, welchedie soziale Interaktion för<strong>der</strong>n.Um Gesundheit und damit Lebensqualität zu sichernbeziehungsweise zu verbessern, s<strong>in</strong>d neben dem Gesundheitsschutz,also <strong>der</strong> Vermeidung von möglichenGesundheitsgefahren, auch präventive Maßnahmen imS<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> Gesundheitsför<strong>der</strong>ung von Bedeutung. Hierzuzählen Angebote, die <strong>der</strong> Erhaltung <strong>der</strong> Gesundheitdienen, sowie die Stärkung von Gesundheitsressourcenund die Schaffung gesundheitsför<strong>der</strong>licher Umwelten.In diesem Zusammenhang bietet <strong>Stadt</strong>grün wertvollePotenziale, die nutzbar gemacht werden können. Dabeikann zwischen aktiven und passiven Potenzialen unterschiedenwerden.<strong>Stadt</strong>grün als passive GesundheitsressourceUrbane <strong>Grün</strong>flächen wirken sich positiv auf diephysische und psychische Gesundheit aus. Als passiveGesundheitspotenziale bezeichnet man solche, die unabhängigdavon wirken, ob Menschen e<strong>in</strong>en <strong>Grün</strong>raumaufsuchen o<strong>der</strong> nicht:■ <strong>Grün</strong>räume verbessern das <strong>Stadt</strong>klimaIm Gegensatz zu unbebauten Gebieten zeichnetsich das Klima <strong>in</strong> Städten durch verän<strong>der</strong>te W<strong>in</strong>dverhältnisseund erhöhte Temperaturen aus, vorallem während <strong>der</strong> Nacht. Dieses als „urbanerWärme<strong>in</strong>seleffekt“ bezeichnete Phänomen kannzu gesundheitlichen Belastungen hitzesensitiverBevölkerungsgruppen führen. Die Vegetation städtischer<strong>Grün</strong>räume m<strong>in</strong><strong>der</strong>t diesen Effekt, da sie sichgegenüber <strong>der</strong> bebauten Umgebung weniger starkaufheizen beziehungsweise <strong>in</strong> <strong>der</strong> Nacht deutlichstärker abkühlen.


46 Vielfalt von <strong>Stadt</strong>grün / <strong>Grün</strong>buch■■<strong>Grün</strong>räume verbessern die Luftqualität <strong>in</strong> StädtenStädtische <strong>Grün</strong>räume tragen zur Verbesserung<strong>der</strong> lufthygienischen Situation bei, da Vegetation<strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage ist, Luftschadstoffe zu filtern und dieAufwirbelung von Partikeln zu reduzieren. Beson<strong>der</strong>eBedeutung kommt dabei <strong>Stadt</strong>bäumen undbegrünten Fassaden zu, da sie zu e<strong>in</strong>er Verr<strong>in</strong>gerung<strong>der</strong> Konzentration giftiger Stickstoffdioxide und vonFe<strong>in</strong>stäuben beitragen.<strong>Grün</strong>räume können zur verm<strong>in</strong><strong>der</strong>ten Wahrnehmungvon Lärm beitragenLärm ist <strong>in</strong> Städten e<strong>in</strong>es <strong>der</strong> bedeutendstenGesundheitsrisiken und kann unter an<strong>der</strong>em zupsychischen Belastungen, Stress, kardiovaskulärenErkrankungen, Schlafstörungen und kognitivenBee<strong>in</strong>trächtigungen führen. Der faktisch lärmm<strong>in</strong><strong>der</strong>ndeEffekt von Vegetation ist zunächst als ger<strong>in</strong>ge<strong>in</strong>zuschätzen. E<strong>in</strong>e tatsächlich messbare Verr<strong>in</strong>gerungdes Schallpegels ist nur durch dichte undsehr breite Gehölzbestände möglich. Strauch- o<strong>der</strong>Baumpflanzungen ger<strong>in</strong>ger Breite führen zwar nichtzu e<strong>in</strong>em messbaren Schallschutz, wirken sich aberpositiv auf das subjektive Lärmempf<strong>in</strong>den aus, dadie Lärmquelle nicht gesehen und entsprechend alsweniger stark und belästigend empfunden wird. Diemessbare M<strong>in</strong><strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Lärmbelastung im urbanenRaum ist e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> größten Herausfor<strong>der</strong>ungenfür die <strong>Stadt</strong>planung <strong>der</strong> <strong>Zukunft</strong>.<strong>Stadt</strong>grün als aktive Gesundheitsressource<strong>Grün</strong>räume, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e im Wohnumfeld, bee<strong>in</strong>flussenden Gesundheitszustand <strong>der</strong> Menschenpositiv. Dies hängt im Wesentlichen von <strong>der</strong> räumlichenLage, <strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> <strong>Grün</strong>räume, den Verb<strong>in</strong>dungenzwischen ihnen, <strong>der</strong> Qualität des e<strong>in</strong>zelnen<strong>Grün</strong>raums und vor allem <strong>der</strong> tatsächlichen Nutzungab. Von beson<strong>der</strong>er Bedeutung für die Aktivierung<strong>der</strong> gesundheitsför<strong>der</strong>nden Potenziale ist dabei dieQualität <strong>der</strong> urbanen <strong>Grün</strong>räume. So werden diepositiven Effekte vor allem dann wirksam, wenn<strong>Stadt</strong>grün nutzbar, das heißt gut erreichbar, ansprechendgestaltet und funktional ist und als sicherempfunden wird. Als aktive Gesundheitspotenzialebezeichnet man solche, die erst durch die Nutzung<strong>der</strong> <strong>Grün</strong>räume wirksam werden:


<strong>Grün</strong>buch / Vielfalt von <strong>Stadt</strong>grün 47■ n<strong>Grün</strong>räume wirken positiv auf die physische GesundheitDie direkten Wirkungen urbanen <strong>Grün</strong>s auf diemenschliche Gesundheit s<strong>in</strong>d vielfältig. VerschiedeneStudien belegen die positiven Wirkungen,die von Natur und <strong>Grün</strong> für e<strong>in</strong>e schnellereErholung nach Krankheiten ausgehen, wie dieReduktion des Herzschlags und des Blutdrucks.Naturkontakte tragen dazu bei, die Immunabwehrzu steigern; e<strong>in</strong>e artenreiche Umwelt senkt dasRisiko, an Allergien zu erkranken. Sie schaffenMöglichkeiten für körperliche Bewegung undsportliche Aktivität.■ Vielfältige <strong>Grün</strong>räume wirken positiv auf die psychischeGesundheit<strong>Grün</strong>flächen leisten e<strong>in</strong>en aktiven Beitrag zurStressreduktion und zur Erholung und steigern daspsychische Wohlbef<strong>in</strong>den. Dabei spielt die Qualitätdes <strong>Grün</strong>s (sicher, attraktiv und gepflegt) e<strong>in</strong>e entscheidendeRolle. Vor allem K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendlicheprofitieren vom Vorhandense<strong>in</strong> urbanen <strong>Grün</strong>s. Soför<strong>der</strong>t <strong>der</strong> Aufenthalt <strong>in</strong> <strong>Grün</strong>räumen die kognitiveund emotionale Entwicklung von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n. Beson<strong>der</strong>sstark angeregt werden Kreativität, Fantasie,Selbstbestimmung und Entwicklung von K<strong>in</strong><strong>der</strong>nund Jugendlichen <strong>in</strong> Naturerfahrungsräumen, dienaturnahes Spielen und Erleben ermöglichen. Aberauch ältere Menschen profitieren von entsprechenden<strong>Grün</strong>räumen <strong>in</strong> ihrem Wohnumfeld. Auch dieFunktion von <strong>Grün</strong>räumen als Sport- und Bewegungsraumkann positive Auswirkungen auf daspsychische Wohlbef<strong>in</strong>den haben.Konzentrationsfähigkeit gestärkt werden. Urbanes<strong>Grün</strong> wirkt sich positiv auf das Wohlbef<strong>in</strong>den und dieLebensqualität <strong>der</strong> Bevölkerung aus.Viele <strong>Stadt</strong>bewohner verbr<strong>in</strong>gen vor allem bei schönemWetter ihre Zeit <strong>in</strong> Parks, unter an<strong>der</strong>em, um dort Sportzu treiben. <strong>Für</strong> sportliche Aktivitäten s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>egroßräumige <strong>Grün</strong>anlagen attraktiv. Ob Joggen, Skateno<strong>der</strong> Klettern – viele Outdoor-Sportler kommen hierauf ihre Kosten. Aber auch ruhigere Sportarten wieBoule, Schach o<strong>der</strong> seit neuestem Slackl<strong>in</strong><strong>in</strong>g habenihren Platz im <strong>Grün</strong>en.Gesundheitsbee<strong>in</strong>trächtigende Wirkung durchbiologische NoxenNeben negativen chemischen und physikalischen E<strong>in</strong>wirkungendurch Schadstoffe, Lärm und klimatischeExtreme sowie psychosoziale Belastungen durch Stresso<strong>der</strong> Gewalt können <strong>in</strong> Städten auch gesundheitlicheBee<strong>in</strong>trächtigungen durch Pflanzen und Tiere auftreten.Diese als „biologische Noxen“ bezeichneten schädlichenE<strong>in</strong>wirkungen können den gesundheitsför<strong>der</strong>ndenAspekten städtischer <strong>Grün</strong>räume entgegenwirken.Dazu gehören <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie allergieauslösende Pflanzenwie verschiedene Baumarten und Gräser. Beson<strong>der</strong>sproblematisch ersche<strong>in</strong>en <strong>in</strong> diesem Zusammenhang■ <strong>Grün</strong>räume wirken positiv auf die soziale GesundheitDer Aufenthalt <strong>in</strong> <strong>Grün</strong>räumen för<strong>der</strong>t die sozialeInteraktion und Kommunikation. So können grüne,begehbare Nachbarschaften dazu beitragen, denGeme<strong>in</strong>schaftss<strong>in</strong>n zu steigern, die soziale Interaktionunterschiedlicher Gruppen zu för<strong>der</strong>n sowieIsolation und Vere<strong>in</strong>samung entgegenzuwirken.Dies gilt auch für e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e Aufenthaltsqualität,die <strong>Grün</strong>- und Freiflächen im Zusammenhangmit Wohnprojekten, dem häuslichen Wohnen undim Wohnumfeld gerade auch für ältere Menschenentfalten können. 7Erholung und SportE<strong>in</strong>e gesunde physische und psychische Entwicklungist für alle <strong>Stadt</strong>bewohner wichtig. Öffentliche Parkanlagenund Gärten dienen als Ruhezonen <strong>der</strong> Erholungund Entspannung. Dort kann Stress reduziert und die


auch e<strong>in</strong>zelne Neophyten, also Pflanzen, die im Zuge<strong>der</strong> Globalisierung und verstärkt durch den voranschreitendenKlimawandel aus an<strong>der</strong>en Weltregionene<strong>in</strong>geschleppt wurden o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>gewan<strong>der</strong>t s<strong>in</strong>d.Beispielhaft zeigt sich die gesundheitsbee<strong>in</strong>trächtigendeWirkung an <strong>der</strong> Beifuß-Ambrosie. Die Pollendieser ursprünglich aus Nordamerika stammendenPflanze zählen zu den stärksten Allergieauslösernim Pflanzenreich. So können kle<strong>in</strong>ste Pollenmengenzu Heuschnupfen, B<strong>in</strong>dehautentzündungen, Asthmasowie Kontaktallergien führen. E<strong>in</strong>e Studie desUmweltbundesamtes geht davon aus, dass das deutscheGesundheitssystem durch Ambrosia-Arten mitKosten zwischen 17 und 47 Millionen Euro jährlichbelastet wird. Ähnlich problematisch ist <strong>der</strong> Kontaktmit Riesenbärenklau, e<strong>in</strong>er Pflanze, die im 19. Jahrhun<strong>der</strong>tnach Europa e<strong>in</strong>geführt wurde und häufig aufnährstoffreichen alt<strong>in</strong>dustriellen Standorten zu f<strong>in</strong>denist. Der Riesenbärenklau enthält e<strong>in</strong>en Giftstoff, <strong>der</strong>bei Kontakt und gleichzeitiger Sonnene<strong>in</strong>strahlungentzündlich auf die Haut wirkt. Auch Baumkrankheitenwie die Rußr<strong>in</strong>den-Krankheit, die auf e<strong>in</strong>en Pilzzurückzuführen ist, können die menschliche Gesundheitbee<strong>in</strong>trächtigen.Problematisch ersche<strong>in</strong>en nicht nur Pflanzen und Pilze,son<strong>der</strong>n auch <strong>in</strong> unseren Städten vorkommende Tiere,zum Beispiel können Insekten und Zecken gesundheitsbee<strong>in</strong>trächtigendeWirkung haben. Hier s<strong>in</strong>d esvor allem Stachelgifte sowie Speichel- und Abwehrallergene,die sich negativ auf die menschliche Gesundheitauswirken können. Wenngleich die gesundheitsbee<strong>in</strong>trächtigendeWirkung biologischer Noxen nicht zuvernachlässigen ist, s<strong>in</strong>d Krankheitsverläufe angesichtse<strong>in</strong>er umfassenden mediz<strong>in</strong>ischen Versorgung nichttödlich und zumeist ohne Langzeitfolgen für die Betroffenen.➜➜➜ProjektbeispieleDie Bewegung – Kampagne für Rhe<strong>in</strong>land-Pfalzund SaarlandZiel <strong>der</strong> Initiative ist es, wie<strong>der</strong> mehr Bewegung<strong>in</strong> den Alltag <strong>der</strong> Menschen zu br<strong>in</strong>gen. Angesprochenwerden sollen vor allem auch ältereMenschen mit Spaziergangsgruppen und Bewegungsparcours(geför<strong>der</strong>t durch Bundesm<strong>in</strong>isteriumfür Gesundheit).Mehr unter www.diebewegung.deStudie: <strong>Grün</strong>, natürlich, gesund. Die Potenzialemultifunktionaler städtischer RäumeDie Städte Eckernförde, Leipzig, München undNor<strong>der</strong>stedt s<strong>in</strong>d als Praxispartner <strong>in</strong> das vomBundesamt für Naturschutz geför<strong>der</strong>te F+E-Vorhaben8 „<strong>Grün</strong>, natürlich, gesund. Die Potenzialemultifunktionaler städtischer Räume“ e<strong>in</strong>gebunden.Mehr unter www.bfn.de/12834.htmlProjekt: Biologische Vielfalt auf Sportplätzenund SportanlagenDas Projekt <strong>der</strong> <strong>Grün</strong>en Liga Berl<strong>in</strong> hat vor allemK<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendliche angesprochen, unteran<strong>der</strong>em über e<strong>in</strong>en bundesweiten Wettbewerbfür Sportvere<strong>in</strong>e, Schulen und Kommunen. KreativeIdeen wurden entwickelt, wie die heimischeNatur im Umfeld des eigenen Sportvere<strong>in</strong>so<strong>der</strong> Sportplatzes geschützt werden kann.Mehrunter www.grueneliga-berl<strong>in</strong>.de/aufdem-sportplatz-lockt-<strong>der</strong>-dschungel


<strong>Grün</strong>buch / Vielfalt von <strong>Stadt</strong>grün 49Biologische Vielfalt: Natur entwickeln und erlebenBeson<strong>der</strong>heiten <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> als LebensraumStädte s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> vielen Bereichen sprichwörtlich „vonan<strong>der</strong>er Natur“ als ihr Umland, weil das Ökosystem<strong>Stadt</strong> e<strong>in</strong>e Reihe spezifischer Eigenschaften aufweist.Offensichtlich typisch städtisch s<strong>in</strong>d die unterschiedlichenNutzungen durch Menschen, wie Wohnen, Industrie,Verkehr, die auf engstem Raum auftreten. DieseNutzungen führen zu typisch städtischen Standortfaktoren,die durch e<strong>in</strong>e zwar sehr kle<strong>in</strong>räumige, aber auchdementsprechend vielfältige Habitatstruktur charakterisierts<strong>in</strong>d. In direkter Nachbarschaft liegen Trockenstandortewie Bahnanlagen neben Gewässerstrukturen,weitgehend unberührte Brachflächen neben <strong>in</strong>tensivgenutzten Parkanlagen, Bereiche mit hoher Verkehrsdichteneben Kle<strong>in</strong>gartenanlagen. All diese Flächen <strong>in</strong>Siedlungsbereichen stellen spezielle Biotope dar, diezahlreichen Tieren und Pflanzen e<strong>in</strong>en Lebens- undRückzugsraum bieten.Die Böden s<strong>in</strong>d durch die Anreicherung von Kalk, zumBeispiel durch Ablagerungen von Bauschutt, zum Teilstark alkalisch. Der größte Teil <strong>der</strong> Städte unterliegt starkemmenschlichen E<strong>in</strong>fluss – die <strong>in</strong> Städten lebendenTier- und Pflanzenarten müssen <strong>in</strong> beson<strong>der</strong>em Maßean diese E<strong>in</strong>flüsse angepasst se<strong>in</strong>. Damit s<strong>in</strong>d Städtehochkomplexe, dynamische Lebensräume.Bedeutung <strong>der</strong> Städte für die biologische VielfaltUrbane Räume bieten vielen heimischen, vor allem Wärmeliebenden Arten, e<strong>in</strong>en wichtigen Ersatzlebensraumund s<strong>in</strong>d daher auch von Bedeutung für den Erhalt <strong>der</strong>biologischen Vielfalt. Darum muss dem Schutz undErhalt <strong>der</strong> biologischen Vielfalt <strong>in</strong> urbanen Räumen entsprechendeBedeutung beigemessen werden. Der hoheStellenwert, den <strong>der</strong> Schutz und Erhalt <strong>der</strong> biologischenVielfalt genießt, wird durch <strong>in</strong>ternationale Abkommenwie das Biodiversitätsabkommen (Convention onBiological Diversity 1992) o<strong>der</strong> die deutsche NationaleStrategie zur biologischen Vielfalt unterstrichen. Auchim H<strong>in</strong>blick auf die Gesun<strong>der</strong>haltung urbanen <strong>Grün</strong>sspielt die Biodiversität e<strong>in</strong>e große Rolle. So kann durchgeeignete und vielfältige Pflanzenwahl und gezielteFör<strong>der</strong>ung von Nützl<strong>in</strong>gen <strong>der</strong> Anfälligkeit gegenüberSchädl<strong>in</strong>gen entgegengewirkt werden.Beson<strong>der</strong>s artenreich s<strong>in</strong>d neben <strong>Stadt</strong>wäl<strong>der</strong>n auchgroße, reich strukturierte Parkanlagen mit altemBaumbestand sowie die Übergangsbereiche zwischen<strong>Stadt</strong> und Kulturlandschaft am <strong>Stadt</strong>rand. BotanischeGärten s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> bedeuten<strong>der</strong> Bestandteil öffentlichen<strong>Grün</strong>s und leisten e<strong>in</strong>en wichtigen Beitrag zur Erforschungund Bewahrung <strong>der</strong> biologischen Vielfalt.Öffentliche <strong>Grün</strong>flächen mit Pflanzensammlungen


50 Vielfalt von <strong>Stadt</strong>grün / <strong>Grün</strong>buchArtenreichtumÖkosystemleistungen<strong>Stadt</strong>natur urbane Wildnisbiologische Vielfalt Pflanzen und TiereLebensraum <strong>Stadt</strong>Wärme<strong>in</strong>selSukzession dynamische EntwicklungNeobiotaNaturerfahrungArtenschutzkönnen Bestandteil <strong>der</strong> Deutschen Genbank Zierpflanzense<strong>in</strong> und damit zum Erhalt <strong>der</strong> Kulturpflanzenvielfalt<strong>in</strong> unseren Städten beitragen. E<strong>in</strong>e Ressource füralte regionaltypische Obstgehölze, auch <strong>in</strong> Städten, istdie Deutsche Genbank Obst.Auch ehemalige Bahn- und Industrieanlagen könnenwertvolle Lebens- und Rückzugsräume für Tiere undPflanzen darstellen, die <strong>in</strong> <strong>der</strong> freien Landschaft kaummehr geeignete Lebensräume f<strong>in</strong>den. So s<strong>in</strong>d beispielsweisefür Berl<strong>in</strong> mehr als 10.000 Arten nachgewiesen,davon etwa 150 von <strong>in</strong>sgesamt 234 <strong>in</strong> Deutschlandgelisteten Brutvogelarten. Insbeson<strong>der</strong>e Vogelarteneignen sich gut als Indikator, um die Artenvielfalt <strong>in</strong>unseren Städten und Geme<strong>in</strong>den abzubilden, da dieVogelwelt an e<strong>in</strong>e reichhaltig geglie<strong>der</strong>te Landschaftmit <strong>in</strong>takten, nachhaltig genutzten Lebensräumengebunden ist und somit auch auf die Entwicklungzahlreicher weiterer Arten schließen lässt.Städte als Lebensraum für Neobiota 9Im Gegensatz zu den e<strong>in</strong>heimischen, von Natur ausbei uns vorkommenden Tier- und Pflanzenarten s<strong>in</strong>ddurch den E<strong>in</strong>fluss des Menschen auch gebietsfremdeArten zu uns gekommen. Dies war größtenteilsbeabsichtigt, zum Beispiel durch E<strong>in</strong>fuhr von Gartenpflanzeno<strong>der</strong> stadtklimaangepasste Baumarten,geschah aber zum Teil auch unbeabsichtigt, etwa durchdie Verschleppung von Pflanzensamen mit Handelsgütern.Im Vergleich zum Umland s<strong>in</strong>d Städte vor allemfür Wärme liebende Arten attraktiv. Nur wenige <strong>der</strong>e<strong>in</strong>gebrachten Arten können sich bei uns dauerhaft <strong>in</strong><strong>der</strong> Natur etablieren. Die meisten neuen Pflanzenarten(Neophyta) breiten sich aus Gärten und Parks <strong>in</strong>nerhalbbesiedelter Bereiche zunächst <strong>in</strong> Offenlandstandortenaus, etwa entlang von Verkehrswegen wie Bahngleiseno<strong>der</strong> Wegböschungen. Von dort aus besiedeln sie dannaber auch weitere Bereiche <strong>in</strong> <strong>der</strong> freien Natur, sofernsich Habitate bieten, <strong>in</strong> denen sich die Arten etablierenkönnen.Die meisten gebietsfremden Arten stellen bisher ke<strong>in</strong>Naturschutzproblem dar und werden teilweise sogarals Bereicherung empfunden. Nur wenige gebietsfremdeArten gefährden die biologische Vielfalt und werdendaher als „<strong>in</strong>vasiv“ bezeichnet. Invasive Arten können<strong>in</strong> Konkurrenz um Lebensraum von e<strong>in</strong>heimischenArten treten und diese verdrängen, Krankheiten übertrageno<strong>der</strong> durch Kreuzung mit e<strong>in</strong>heimischen Artenden Genpool verän<strong>der</strong>n. Neben Naturschutzproblemenkönnen gebietsfremde Arten aber auch ökonomischeo<strong>der</strong> gesundheitliche Probleme verursachen, etwaKrankheiten übertragen o<strong>der</strong> Allergien auslösen.Schätzungen gehen davon aus, dass <strong>in</strong>sgesamt etwa12.000 gebietsfremde Gefäßpflanzenarten nach Deutschlande<strong>in</strong>geführt wurden, von denen sich bis heute rund430 Arten <strong>in</strong> <strong>der</strong> freien Natur etablieren konnten. Diesentspricht e<strong>in</strong>em Anteil von knapp über zehn Prozentan <strong>der</strong> hiesigen Gesamtflora. Lediglich 38 gebietsfremdeGefäßpflanzenarten haben unerwünschte Auswirkungenauf die heimische Pflanzengesellschaft.


<strong>Grün</strong>buch / Vielfalt von <strong>Stadt</strong>grün 51Ähnlich wie bei den Pflanzen ist auch bei den gebietsfremdenTieren nur e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er Teil, bislang etwa fünfProzent <strong>der</strong> neu etablierten Arten (Neozoen), <strong>in</strong>vasiv.Zu den aus Naturschutzsicht problematischen Wirbeltier-Neozoen,die auch <strong>in</strong> städtischen Räumen leben,gehört zum Beispiel <strong>der</strong> Nordamerikanische Waschbär(Procyon lotor). Diese Art gefährdet heimische Artendurch Nahrungskonkurrenz. Insektenarten könnenzunehmend zu Pflanzenschutzproblemen führen, vorallem, wenn natürliche Gegenspieler fehlen. In jüngsterZeit sorgen beispielsweise <strong>der</strong> Asiatische Laufholzbockkäfer/Citrusbockkäfero<strong>der</strong> <strong>der</strong> Buchsbaumzünsler fürerhebliche Probleme im öffentlichen <strong>Grün</strong> <strong>der</strong> Städte.Schätzungen gehen davon aus, dass <strong>in</strong>sgesamtetwa 12.000 gebietsfremde Gefäßpflanzenartennach Deutschland e<strong>in</strong>geführt wurden, von denensich bis heute rund 430 Arten <strong>in</strong> <strong>der</strong> freien Naturetablieren konnten.<strong>Stadt</strong>wildnisDie Wahrnehmung urbaner Wildnis, etwa <strong>in</strong> Formstädtischer Brachen, ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bevölkerung jedoch sehrambivalent. Die Bandbreite <strong>der</strong> Beschreibungen reichtdabei von stark positiven bis h<strong>in</strong> zu stark negativenBewertungen. Die Kenntnis und das Wissen um diebiologische Vielfalt ist e<strong>in</strong> wichtiger Schlüssel für dieErhöhung <strong>der</strong> Akzeptanz und <strong>der</strong> Bereitschaft für denSchutz urbaner Wildnis. Dies gilt nicht nur für dieÖffentlichkeit, son<strong>der</strong>n genauso für die <strong>Stadt</strong>verwaltung,die örtliche Politik und all diejenigen, die Projekteumsetzen und für die Erhaltung <strong>der</strong> Flächen zuständigs<strong>in</strong>d. Diesbezüglich gibt es bisher noch e<strong>in</strong>en Mangelan langfristigen und konsequenten Kommunikationsstrategien.Urbane Wildnisflächen bieten e<strong>in</strong>e Fülle anMöglichkeiten für Erholung und Naturerleben, da siezu je<strong>der</strong> Zeit im Jahr den Wert und bestimmte Charakteristikeno<strong>der</strong> jahreszeitliche Ausprägungen von<strong>Stadt</strong>natur demonstrieren. Das praktische und persönlicheErleben spricht alle S<strong>in</strong>ne an und br<strong>in</strong>gt auchnaturfern lebende <strong>Stadt</strong>menschen <strong>in</strong> Kontakt mit <strong>der</strong>Natur. K<strong>in</strong><strong>der</strong> s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e sehr wichtige Zielgruppe fürUmweltbildungsmaßnahmen, zumal sie vornehmlichüber Schulen und K<strong>in</strong><strong>der</strong>betreuungse<strong>in</strong>richtungen gutzu erreichen s<strong>in</strong>d.Wenngleich <strong>der</strong> Begriff „<strong>Stadt</strong>wildnis“ o<strong>der</strong> auch„urbane Wildnis“ bislang nicht fest etabliert undallgeme<strong>in</strong> anerkannt ist, werden vor allem sogenannteSukzessionsstadien auf brachliegenden Flächenals solche verstanden. Diese auch als vierte Art <strong>der</strong>Natur o<strong>der</strong> urban-<strong>in</strong>dustrielle Natur charakterisierteWildnis wird <strong>in</strong> Abgrenzung zu existierenden Wildnisbegriffendef<strong>in</strong>iert. Sie beschreibt <strong>Stadt</strong>räume, diefrei von menschlicher Nutzung s<strong>in</strong>d und Pflanzenund Tieren die Möglichkeit e<strong>in</strong>er freien Entwicklunggeben. Selbstverständlich s<strong>in</strong>d urbane Räume perse nicht frei von menschlichen E<strong>in</strong>flüssen, so dassSpuren <strong>der</strong> vormaligen Nutzung, aber auch gegenwärtiger(oft illegaler) Nutzungen, durchaus sichtbarse<strong>in</strong> können. Städtische Brachen haben als spezifischeForm urbaner Wildnis hohe Bedeutung und s<strong>in</strong>d fürdie biologische Vielfalt <strong>in</strong> Städten wichtig. Entsprechendfor<strong>der</strong>t die NBS die „stärkere Berücksichtigungvon Brachen und Baulücken bei <strong>der</strong> Nachverdichtungo<strong>der</strong> ökologischen Aufwertung von Wohnquartieren“.Nachweise über hohe Artenzahl stammen vor allemaus den umfangreichen <strong>Stadt</strong>biotopkartierungen <strong>der</strong>1990er Jahre <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> und im Ruhrgebiet. Brachenstellen Lebensräume für Neobiota, aber auch verschiedeneRote-Liste-Arten, etwa die Kreuzkröte, denFlussregenpfeifer, das Rebhuhn, den Wiesenpiepero<strong>der</strong> den Kiebitz dar.


52 Vielfalt von <strong>Stadt</strong>grün / <strong>Grün</strong>buchStädte als Partner für mehr biologische Vielfalt– Das Bündnis „Kommunen für biologischeVielfalt“Bei <strong>der</strong> Umsetzung <strong>der</strong> Ziele <strong>der</strong> NBS s<strong>in</strong>d Städteund Geme<strong>in</strong>den wichtige Partner. Angesichts ihrerumfassenden Aufgaben <strong>in</strong> Planung, Verwaltung undPolitik und <strong>der</strong> damit verbundenen Entscheidungenüber den Umgang mit Natur und Landschaft vor Ortspielen sie e<strong>in</strong>e entscheidende Rolle beim Erhalt <strong>der</strong>biologischen Vielfalt. Ausgehend von <strong>der</strong> NBS <strong>in</strong>itiiertedas Bundesamt für Naturschutz im Jahre 2010 dasDialogforum „Biologische Vielfalt <strong>in</strong> Kommunen“. ImErgebnis des Auftakttreffens wurde im Mai 2010 dieDeklaration „Biologische Vielfalt <strong>in</strong> Kommunen“ veröffentlicht.Bisher haben sich 253 Kommunen dafürausgesprochen, sich <strong>in</strong> <strong>in</strong>terkommunaler Zusammenarbeitfür den Erhalt <strong>der</strong> biologischen Vielfalt zu engagieren.Mit dem 2012 gegründeten Bündnis „Kommunenfür biologische Vielfalt“ vernetzen sich <strong>der</strong>zeitetwa 100 Vorreiter auf dem Gebiet des kommunalenNaturschutzes <strong>in</strong> Deutschland. Sie wollen Erfahrungenund Strategien austauschen und geme<strong>in</strong>sameProjekte zur Umsetzung <strong>der</strong> nationalen Strategie<strong>in</strong>itiieren. Mit e<strong>in</strong>em abgestimmten Auftreten <strong>der</strong>Mitglie<strong>der</strong> will <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> dem kommunalen Naturschutze<strong>in</strong> stärkeres Gewicht geben und geme<strong>in</strong>sameWege <strong>in</strong> <strong>der</strong> Öffentlichkeitsarbeit gehen. In diesemS<strong>in</strong>ne soll das Bündnis e<strong>in</strong>e Plattform für die <strong>in</strong>terkommunaleZusammenarbeit bilden, die <strong>in</strong>haltlicheArbeit <strong>in</strong> den Kommunen unterstützen und kommunaleInteressen und Bedürfnisse <strong>in</strong> politische Prozesseh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> vermitteln.


<strong>Grün</strong>buch / Vielfalt von <strong>Stadt</strong>grün 53Projektbeispiele➜Bundesprogramm Biologische VielfaltDas Bundesprogramm Biologische Vielfalt unterstützt die Umsetzung <strong>der</strong> Nationalen Strategie zur biologischenVielfalt. Seit 2011 wird <strong>in</strong> diesem Rahmen e<strong>in</strong>e Bandbreite an Projekten durchgeführt, die unteran<strong>der</strong>em starke soziale Aspekte aufweisen und damit für die <strong>Stadt</strong>bevölkerung und <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e für<strong>Stadt</strong>k<strong>in</strong><strong>der</strong> von Bedeutung s<strong>in</strong>d.Mehr unter www.biologischevielfalt.de/bp_projekte_laufend.html➜Deutsche Genbank ZierpflanzenUm die Sortenvielfalt <strong>der</strong> Zierpflanzen für die <strong>Zukunft</strong> zu sichern, wurde die Deutsche Genbank Zierpflanzengegründet. Es handelt sich dabei um e<strong>in</strong> Netzwerk aus Sammlungen, das seit 2009 besteht. MitHilfe <strong>der</strong> Deutschen Genbank Zierpflanzen soll die Vielfalt <strong>der</strong> Zierpflanzen gesammelt und erhaltensowie Material für die Nutzung <strong>in</strong> Züchtung und Forschung bereitgestellt werden.Mehr unter www.genres.de/kultur-und-wildpflanzen➜Deutsche Genbank ObstUm die Nutzung obstgenetischer Ressourcen <strong>in</strong> Deutschland langfristig und effizient zu sichern und<strong>der</strong>en Verfügbarkeit gewährleisten zu können, wurde 2007 die Deutsche Genbank Obst als e<strong>in</strong> Genbanknetzwerkgegründet. Die Deutsche Genbank Obst besteht aus obstartenspezifischen Erhaltungsnetzwerkenund ist damit e<strong>in</strong> wesentliches Instrumentarium zur Erhaltung obstgenetischer Ressourcen <strong>in</strong>Deutschland. Daneben gibt es e<strong>in</strong>e Reihe an<strong>der</strong>er Maßnahmen <strong>der</strong> In-situ- und Ex-situ-Erhaltung vonObstsorten im Rahmen des Naturschutzes und <strong>der</strong> Landschaftspflege.Mehr unter www.deutsche-genbank-obst.jki.bund.de➜UN-Dekade Biologische Vielfalt 2011-2020➜Um die Dr<strong>in</strong>glichkeit <strong>der</strong> Trendwende beim globalen Verlust <strong>der</strong> biologischen Vielfalt zu unterstreichen,haben die Vere<strong>in</strong>ten Nationen das Jahrzehnt 2011-2020 zur UN-Dekade Biologische Vielfalt erklärt. InDeutschland s<strong>in</strong>d die vielfältigen Aktivitäten zur UN-Dekade eng mit <strong>der</strong> Nationalen Strategie zur biologischenVielfalt verknüpft.Mehr unter www.un-dekade-biologische-vielfalt.de„Natur <strong>in</strong> graue Zonen“ – Kampagne zur Entsiegelung und naturnahen Begrünung <strong>in</strong>nerstädtischer Firmengelände<strong>in</strong> drei Modellstädten (Duisburg, Erfurt und Wiesloch)Wirtschaft und Gesellschaft können nachhaltig E<strong>in</strong>fluss auf die biologische Vielfalt nehmen. Die Kampagnewill <strong>in</strong>formieren und sensibilisieren und zielt gleichzeitig auf den ökologischen Nutzen von Entsiegelungund Begrünung ab.Mehr unter www.natur-<strong>in</strong>-graue-zonen.de➜Konzepte für gesunde PflanzenDas Julius Kühn-Institut (JKI) ist das Bundesforschungs<strong>in</strong>stitut für Kulturpflanzen <strong>in</strong> Deutschland unde<strong>in</strong>e selbständige Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesm<strong>in</strong>isteriums für Ernährungund Landwirtschaft. Das JKI ist für das Schutzziel „Kulturpflanze“ <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Gesamtheit zuständig. DieseZuständigkeit umfasst die Bereiche Pflanzengenetik, Pflanzenbau, Pflanzenernährung und Bodenkundesowie Pflanzenschutz und Pflanzengesundheit. Damit kann das JKI ganzheitliche Konzepte für dengesamten Pflanzenbau, für die Pflanzenproduktion bis h<strong>in</strong> zur Pflanzenpflege entwickeln.Mehr unter www.jki.bund.de


54 Vielfalt von <strong>Stadt</strong>grün / <strong>Grün</strong>buchUrbaner Klimawandel:<strong>Stadt</strong>grün für Klimaanpassung und RisikovorsorgeKlimarelevante Wirkungen von <strong>Stadt</strong>grünStädtisches <strong>Grün</strong> verbessert das <strong>Stadt</strong>klima undübernimmt zahlreiche klimarelevante Funktionen.Es wirkt gesundheitlichen Belastungen entgegen,<strong>in</strong>dem es als grüne Lunge Sauerstoff produziert undStäube und Luftschadstoffe filtert. Offene, nicht versiegelteFlächen schützen Bebauung vor den Folgenvon Klimarisiken, <strong>in</strong>dem sie Regenwasser versickernund durch kontrollierte Verdunstung wie<strong>der</strong> abgeben.Insbeson<strong>der</strong>e bei Starkregenereignissen s<strong>in</strong>d <strong>Grün</strong>flächen,auch <strong>Grün</strong>dächer, wichtige Wasserspeicher, diedie Kanalisation entlasten und Überschwemmungenverh<strong>in</strong><strong>der</strong>n helfen. <strong>Stadt</strong>grün wirkt wie e<strong>in</strong>e grüneOase, <strong>in</strong>dem langwellige Wärmestrahlung reflektiertund absorbiert wird, Hitzeextreme gemil<strong>der</strong>t werdenund e<strong>in</strong> angenehmes Mikro- und Wohnumfeldklimageschaffen wird. Es sorgt auch für e<strong>in</strong> gesundesLichtklima, da grüne Kronendächer harte Strahlungfiltern.


<strong>Grün</strong>buch / Vielfalt von <strong>Stadt</strong>grün 55Klimarelevante Funktionen von städtischem <strong>Grün</strong>Städtisches <strong>Grün</strong> verbessert das <strong>Stadt</strong>klima durch:Städtisches <strong>Grün</strong> m<strong>in</strong><strong>der</strong>t Klimarisiken durch:■ Sauerstoffproduktion und Verdunstung, Erhöhung<strong>der</strong> Luftfeuchtigkeit■ Frisch- und Kaltluftentstehung zur Kühlungangrenzen<strong>der</strong> Bebauung und Freiräume■ Absorption langwelliger Wärmestrahlung■ Verr<strong>in</strong>gerung <strong>der</strong> W<strong>in</strong>dböigkeit und erhöhtenW<strong>in</strong>dschutz für e<strong>in</strong> angenehmes Mikroklima■ partielle o<strong>der</strong> volle Verschattung unter Bäumenfür e<strong>in</strong> besseres Lichtklima■ Bauwerksbegrünung für e<strong>in</strong> verbessertes Innenraum-und Wohnumfeldklima■■■■■temperaturausgleichendes Blattgrün, Abschattungzur M<strong>in</strong><strong>der</strong>ung von TemperaturextremenAbsorption und Filterung von Luftschadstoffenund (Fe<strong>in</strong>-)StaubAbflussrückhaltung von (Spitzen-)Nie<strong>der</strong>schlägenaufgrund von Flächenentsiegelung,ortsnaher Versickerung des Nie<strong>der</strong>schlags undRegenrückhalt auf BlattflächenFassaden- und Dachbegrünung, die die Abflussrückhaltungverbessertgroßflächige Verdunstung, die e<strong>in</strong>e verm<strong>in</strong><strong>der</strong>teWärmebelastung städtischer Quartiere för<strong>der</strong>tAusreichend <strong>Grün</strong>flächen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Städten beson<strong>der</strong>swichtig, weil sie gegenüber dem Umland e<strong>in</strong> beson<strong>der</strong>esKlima entwickeln: <strong>Stadt</strong>klima ist unter an<strong>der</strong>em charakterisiertdurch hohe Lufttemperatur, niedrige Luftfeuchtigkeit,wenig ausgeglichenen Wasserhaushalt (Trockenheitvs. Überschwemmungen) und verm<strong>in</strong><strong>der</strong>tenLuftaustausch. H<strong>in</strong>zu kommt e<strong>in</strong>e erhöhte Konzentrationan Luftschadstoffen und Fe<strong>in</strong>staub aus Produktion,Verkehr und Haushalten. Hochverdichtete, versiegelteInnenstädte und <strong>Stadt</strong>teilzentren weisen tagsüber e<strong>in</strong>ebeson<strong>der</strong>e Wärmebelastung und Wärmespeicherung aufund s<strong>in</strong>d noch am Morgen nach e<strong>in</strong>er hochsommerlichenStrahlungsnacht um bis zu elf Grad Celsius wärmerals das Umland, wie für Köln nachgewiesen.Diesen städtischen Wärme<strong>in</strong>seln wirkt urbanes <strong>Grün</strong>auf verschiedene Weise entgegen. Mittlere und hoheVegetationsschichten wie Bäume bilden Sauerstoff,verbrauchen Kohlendioxid, b<strong>in</strong>den Luftverunre<strong>in</strong>igungen,sorgen für Schatten und Verdunstung und mil<strong>der</strong>nso die negativen Effekte des <strong>Stadt</strong>klimas. Durch dieWärmeaufnahme verdunsten Bäume und Sträuchere<strong>in</strong>en Großteil des Wassers und sorgen damit für e<strong>in</strong>emerkliche Abkühlung <strong>der</strong> Umgebungstemperatur. Diesgilt auch für Straßenbäume und Straßenbegleitgrün.Beson<strong>der</strong>s für die extremen Standorte am Straßenrandist e<strong>in</strong>e ausreichende Wasserversorgung <strong>der</strong> Bäumeund Sträucher notwendig, um am Standort überlebenzu können und die gewünschten Kühleffekte hervorzubr<strong>in</strong>gen.Der Luftaustausch wird geför<strong>der</strong>t, wennStraßenbäume e<strong>in</strong> offenes Kronendach haben. NiedrigeVegetationsschichten wie Rasen und Wiesen s<strong>in</strong>d beson<strong>der</strong>swichtig für die Kaltluftbildung und den Kalt- undFrischluftaustausch.Die klimatische Wirkung von <strong>Grün</strong>flächen ergibt sichaus <strong>der</strong>en Größe, Volumen und Verteilung <strong>in</strong> Städten.Dabei gilt grundsätzlich: Je größer e<strong>in</strong>e zusammenhängende<strong>Grün</strong>fläche ist, desto größer ist auch ihreklimatische Wirkung. Allerd<strong>in</strong>gs m<strong>in</strong><strong>der</strong>t auch je<strong>der</strong> abschattendeBaum, jede Dach- und vor allem Fassadenbegrünungdie Aufheizung betroffener Baukörper. Kle<strong>in</strong>egrüne Freiräume haben e<strong>in</strong>en zwar lokal begrenzten,aber unmittelbaren Abkühlungseffekt. Transpirationsleistungenund die damit e<strong>in</strong>hergehenden Abkühlungseffektes<strong>in</strong>d umso höher, je größer das <strong>Grün</strong>volumen ist.Die Wirkung auch größerer Parkanlagen für Kalt- undFrischluftproduktion reicht allerd<strong>in</strong>gs nicht weit <strong>in</strong>angrenzende bebaute Quartiere h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>. Der DeutscheWetterdienst empfiehlt deshalb aus stadtklimatologischerSicht eher e<strong>in</strong> Netz aus vielen kle<strong>in</strong>en <strong>Grün</strong>flächenals e<strong>in</strong>ige wenige große <strong>Grün</strong>flächen <strong>in</strong> Städten.Die bioklimatische Wirkung <strong>der</strong> <strong>Grün</strong>flächen unterscheidetsich je nach Tages- und Jahreszeit. Wichtig fürdie Abkühlung am Tage s<strong>in</strong>d vor allem helle Oberflächenmaterialien,die Wärmestrahlung reflektieren, wassergebundeneBöden und Wasserläufe sowie verschattendeBäume. Baumbestandene Bereiche bieten kühleund schattige Rückzugsmöglichkeiten für die Anwohner.Laubbäume spenden im Sommer Schatten und lassenim W<strong>in</strong>ter wärmende Sonnenstrahlen h<strong>in</strong>durch. Nachts


kühlen Rasen und Wiesen durch Abgabe langwelligerStrahlung rascher ab als Bäume. E<strong>in</strong>e hohe Kühlleistungfür anliegende Häuser geht von <strong>Grün</strong>flächen mite<strong>in</strong>er Mischung von Baumgruppen und verstreut mitSträuchern bepflanzten Wiesen- beziehungsweise Rasenflächenaus. Auch die Modellierung des Geländes istbedeutsam, so kann die Kaltluft, die auf höher liegenden<strong>Grün</strong>flächen entsteht, am besten über aufgelockerteRän<strong>der</strong> <strong>in</strong> die benachbarte Bebauung fließen. Städtebrauchen aber auch e<strong>in</strong>e Versorgung mit Frisch- undKaltluft aus dem Umland, gerade bei austauscharmenWetterlagen. Hier können offengehaltene, oft l<strong>in</strong>earausgeprägte Verkehrsachsen wie breite Straßenzüge undBahnl<strong>in</strong>ien nützliche Raumstrukturen für die Anpassungan den Klimawandel darstellen.Nicht nur grüne, auch blaue Strukturen verbessern das<strong>Stadt</strong>klima. Als blaue Strukturen bezeichnet man Seen,Flüsse und Bäche sowie feuchte <strong>Grün</strong>flächen im <strong>Stadt</strong>gebiet.Sie erhöhen die Luftfeuchtigkeit und sorgen fürKühlung. Der Abkühlungseffekt und die Luftre<strong>in</strong>igungs<strong>in</strong>d am wirksamsten, wenn Wasser bewegt o<strong>der</strong> zerstäubtwird – auf natürliche Art o<strong>der</strong> durch technischeSysteme wie Spr<strong>in</strong>gbrunnen, Kaskaden o<strong>der</strong> Sprühnebel.Viele Städte setzen auf „urbane Wasserlandschaften“durch Umgestaltung von Hafenbereichen, Anlage vonTeichen, Wasserbecken und Regenwasserrückhaltebecken<strong>in</strong> größeren <strong>Grün</strong>anlagen o<strong>der</strong> im Wohnumfeld,Renaturierung verrohrter o<strong>der</strong> versiegelter Vorfluter,Öffnung und naturnahe Begrünung von Uferrandzonen.Der Klimawandel heute und <strong>in</strong> <strong>Zukunft</strong> …Schon heute macht sich <strong>der</strong> Klimawandel bemerkbar:mit wärmeren Durchschnittstemperaturen, deutlichmehr heißen Tagen über 30 Grad Celsius und mehr Starkregenereignissen.Das <strong>Stadt</strong>klima wird durch den Klimawandelverschärft: Urbane Hitze<strong>in</strong>seln dehnen sichaus, Trockenperioden mit höherer Fe<strong>in</strong>staubbelastungnehmen zu, Extremnie<strong>der</strong>schläge mit Hochwasserfolgenund Hitzeperioden werden häufiger auftreten undlänger anhalten. Bis 2100 rechnet man beispielsweise <strong>in</strong>Karlsruhe mit rund 70 und mehr heißen Tagen pro Jahr.Es wird viel häufiger sogenannte Tropennächte geben,<strong>in</strong> denen die Temperatur nicht unter 20 Grad Celsiuss<strong>in</strong>kt. Diese Klimasignale treten <strong>in</strong> Ballungsräumenauf, <strong>in</strong> denen sich absehbar Bevölkerung und Wirtschaftskraftweiter konzentrieren. Berücksichtigt manzudem die demographische Entwicklung e<strong>in</strong>es höherenDurchschnittsalters <strong>der</strong> Bevölkerung, wird deutlich, dassMaßnahmen notwendig s<strong>in</strong>d, um die negativen Folgendes Klimawandels zu m<strong>in</strong>imieren. Mit den steigenden Klimarisikenfür Infrastruktur und Menschen wachsen dieAnfor<strong>der</strong>ungen und Erwartungen an die <strong>Grün</strong>planung.... bee<strong>in</strong>trächtigt Funktionen von <strong>Stadt</strong>grünHöhere Temperaturen, stärkere Verdunstung, wenigerNie<strong>der</strong>schläge im Sommer und e<strong>in</strong> mögliches Abs<strong>in</strong>kendes Grundwasserspiegels belasten das ohneh<strong>in</strong> gestresste<strong>Stadt</strong>grün im Klimawandel zusätzlich. Wäl<strong>der</strong>,<strong>Grün</strong>- und Parkflächen, Straßenbäume und begrünteInnenhöfe erhalten weniger Wasser. Als Folge kann das<strong>Stadt</strong>grün se<strong>in</strong>e klimaregulierende Wirkung nicht mehrausreichend erfüllen. Parks und <strong>Grün</strong>anlagen könntenan Attraktivität verlieren und <strong>in</strong>tensive Nutzungenschlechter bewältigen: verdorrte Rasenflächen und Hitzestressbei Gehölzen im Sommer, ausgerechnet dann,wenn viele Menschen <strong>in</strong>s <strong>Grün</strong>e drängen.Trockenschäden <strong>in</strong> Form von Blattrandnekrosen, vorzeitigemLaub- o<strong>der</strong> Nadelabwurf an <strong>Stadt</strong>- und Straßenbäumen,Sträuchern und Stauden nehmen schonheute zu. Von Trockenheit auffällig bee<strong>in</strong>trächtigteBaumarten s<strong>in</strong>d zum Beispiel L<strong>in</strong>de, Bergahorn undEsche. Bed<strong>in</strong>gt durch die Stresssituation <strong>der</strong> Bäumeentsteht e<strong>in</strong>e erhöhte Anfälligkeit gegenüber sekundärenSchadorganismen wie zum Beispiel Borken- o<strong>der</strong>Spl<strong>in</strong>tkäfern. Bestimmte Baumarten wie <strong>der</strong> Bergahornund manche Eichenarten werden deshalb heute kaummehr gepflanzt. Das Artenspektrum von Flora undFauna verschiebt sich.


<strong>Grün</strong>buch / Vielfalt von <strong>Stadt</strong>grün 57Das muss nicht so kommen. <strong>Stadt</strong>grün kann den Folgendes Klimawandels entgegenwirken. Bestehende <strong>Grün</strong>flächenkönnen mit Bewässerungsanlagen ausgerüstetwerden, die mit zuverlässiger und bewährter Technikaus dem Gartenbau arbeiten und mit aufgefangenemNie<strong>der</strong>schlagswasser betrieben werden können. DieseTechnik bietet sich natürlich auch für Neuanlagen an.Dennoch wird für Bäume im urbanen Bereich durchdie Auswirkungen des Klimawandels die Trockenresistenz,also ihre Fähigkeit, längere Zeit ohne Wasserauszukommen, entscheidend. Von <strong>der</strong> Baumschulwirtschaftwerden schon seit Jahren Sichtungen organisiert,um die <strong>Stadt</strong>baumarten für die <strong>Zukunft</strong> zu f<strong>in</strong>den. BeiNeupflanzungen <strong>in</strong> Städten werden neue Baumartenangepflanzt, die dem „Klimastress“ besser angepassts<strong>in</strong>d. Kommunen setzen auf e<strong>in</strong>e klimawandelgerechte<strong>Stadt</strong>entwicklung: Konkrete Projekte beziehen sich zumBeispiel auf die Sicherung, den Ausbau und die Vernetzungvon <strong>Grün</strong>flächen, die Flächengestaltung und diePflanzenwahl, die Verzahnung von <strong>Grün</strong>flächen undgebauter Infrastruktur sowie den Ausbau <strong>der</strong> Dach- undFassadenbegrünung.➜Projektbeispiele➜ Klimawandelgerechte <strong>Grün</strong>planung und Freiraumentwicklung <strong>in</strong> Modellvorhaben➜ Umweltbundesamt - Tatenbank➜Symposium „<strong>Stadt</strong>grün“ des JKI im Auftrag des Bundesm<strong>in</strong>isterium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL):Klima und BiodiversitätIn dem Symposium am 11./12.12.2013 wurden Entwicklungstrends und damit verbundene erfor<strong>der</strong>licheAnpassungen zu den Themen Klima und Biodiversität vorgestellt.Mehr unter www.jki.bund.deZwischen 2010 und 2013 wurden <strong>in</strong> kommunalen Modellvorhaben des Experimentellen Wohnungs- undStädtebaus (<strong>Stadt</strong>KlimaExWoSt) exemplarisch Prozesse, Strategien und Maßnahmen e<strong>in</strong>er klimawandelgerechten<strong>Stadt</strong> entwickelt und erprobt.Mehr unter unter www.klimastadtraum.deDie Erkenntnisse s<strong>in</strong>d im Entscheidungsunterstützungswerkzeug <strong>Stadt</strong>klimalotse umgesetzt, e<strong>in</strong> praxiserprobtesWerkzeug zur Erstentwicklung von Anpassungskonzepten.Mehr unter www.stadtklimalotse.netDie KomPass-Tatenbank dokumentiert Projekte und Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel.Alle Interessierten können eigene Anpassungsprojekte eigenständig e<strong>in</strong>tragen und vorstellen o<strong>der</strong> auchAnregungen aus den Maßnahmen an<strong>der</strong>er gew<strong>in</strong>nen.Mehr unter www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/klimafolgen-anpassung/werkzeuge-<strong>der</strong>anpassung/tatenbankF+E-Vorhaben „Raum- und fachplanerische Handlungsoptionen zur Anpassung <strong>der</strong> Siedlungs- und Infrastrukturenan den Klimawandel“Ziel des F+E-Vorhabens war die Erarbeitung und Darstellung von Möglichkeiten zur Anpassung <strong>der</strong> Siedlungs-und Infrastrukturen an den Klimawandel durch die Raum- und Umweltplanung. Zur Erarbeitung<strong>der</strong> Praxishilfe wurden bundesweit Fallstudien für die Ebenen <strong>der</strong> Raumordnung und <strong>der</strong> Bauleitplanunge<strong>in</strong>schließlich <strong>in</strong>formeller vorbereiten<strong>der</strong> Planungen und Strategien recherchiert.Mehr unter www.umweltbundesamt.de➜ F+E-Vorhaben „Noch wärmer, noch trockener? <strong>Stadt</strong>natur und Freiraumstrukturen im Klimawandel“ (NABIV 111)Die positiven bioklimatischen Wirkungen städtischer <strong>Grün</strong>- und Freiräume, verbunden mit ihren gesundheitlichenWohlfahrtswirkungen, bilden wichtige Ansatzpunkte für die Anpassung von Städten an dieHerausfor<strong>der</strong>ungen des Klimawandels und für die Erhaltung städtischer Umwelt- und Lebensqualität.Mehrunter www.bfn.de


<strong>Grün</strong>buch / Vielfalt von <strong>Stadt</strong>grün 59<strong>Grün</strong>e Architektur: <strong>Grün</strong>e Gebäude schaffenArchitektur wird üblicherweise als kulturelle Fähigkeitdef<strong>in</strong>iert, die Räume schafft, <strong>in</strong> denen e<strong>in</strong>e GesellschaftLebensprozesse und soziale Prozesse entfalten kann.Vor diesem H<strong>in</strong>tergrund kann <strong>der</strong> Begriff „<strong>Grün</strong>e Architektur“als e<strong>in</strong> Qualitätsmerkmal dieser kulturellenFähigkeit verstanden werden, welches das Mensch-Natur-Verhältnis stärker <strong>in</strong> Richtung Natur lenkt undsomit auch für den Menschen zu e<strong>in</strong>er nachhaltigenSicherung se<strong>in</strong>es Lebensraums führt.<strong>Grün</strong>e Gebäude - Erschließung neuer <strong>Grün</strong>flächen<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong>Die Begrünung <strong>der</strong> Städte gew<strong>in</strong>nt auch durch dieDiskussion zur „<strong>Grün</strong>en Infrastruktur“ immer mehr anBedeutung. Die Schaffung neuer <strong>Grün</strong>flächen beziehtbereits seit längerem auch die Gestaltung <strong>der</strong> Gebäudeselbst <strong>in</strong> die Umsetzung mit e<strong>in</strong>. Die Anwendungskriterienim <strong>Stadt</strong>raum sowie die GestaltungskriterienBauwerksbegrünungDer Erfolg e<strong>in</strong>er gelungenenFassaden- o<strong>der</strong> Dachbegrünungist bis heute entscheidendvon <strong>der</strong> regelmäßigenund professionellen Pflegeabhängig. Dies stellt nichtselten neue Anfor<strong>der</strong>ungen andie beteiligten Gewerke. Jedochnimmt die Bedeutung grünerGebäude immer weiter zu.<strong>Grün</strong>e Architektur ist auf den unterschiedlichstenMaßstabsebenen mit entsprechenden Anfor<strong>der</strong>ungenan die adm<strong>in</strong>istrative und gestalterische Entwicklungdes Raums und <strong>der</strong> Gebäude verbunden.Die Schaffung neuer <strong>Grün</strong>flächen bezieht bereitsseit längerem auch die Gestaltung <strong>der</strong> Gebäudeselbst <strong>in</strong> die Umsetzung mit e<strong>in</strong>.Von e<strong>in</strong>er europaweiten und überregionalen Betrachtungsebenebis h<strong>in</strong> zur Detailgestaltung am Gebäudeentfaltet <strong>Grün</strong>e Architektur <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e im städtischenKontext e<strong>in</strong> breites Aufgaben- und Handlungsspektrumfür die Planung und Gestaltung von <strong>Grün</strong>strukturen.am Gebäude selbst s<strong>in</strong>d dabei genauso vielfältig wiewirkungsreich. Sie bieten e<strong>in</strong> breites Spektrum vonE<strong>in</strong>flussmöglichkeiten auf die haptische, räumlichesowie olfaktorische Wahrnehmung <strong>der</strong> gebauten Umwelt.Jedoch bestehen hier aufgrund <strong>der</strong> konstruktiven,pflegetechnischen, ästhetischen und materialverträglichenAnfor<strong>der</strong>ungen auch starke Ressentiments.Der Erfolg e<strong>in</strong>er gelungenen Fassaden- o<strong>der</strong> Dachbegrünungist bis heute entscheidend von <strong>der</strong> regelmäßigenund professionellen Pflege abhängig. Dies stelltnicht selten neue Anfor<strong>der</strong>ungen an die beteiligtenGewerke. Jedoch nimmt die Bedeutung grüner Gebäudeimmer weiter zu. Man will ihre klimaregulierenden,schadstoff- und schallabsorbierenden sowie stadtbildprägendenWirkungen nutzen. Diese s<strong>in</strong>d heute


60 Vielfalt von <strong>Stadt</strong>grün / <strong>Grün</strong>buchwichtiger als früher, da e<strong>in</strong>e flächenschonende Siedlungsentwicklungangestrebt wird und e<strong>in</strong>e stärkereSensibilität <strong>der</strong> Gesellschaft für die Auswirkungen desKlimawandels besteht. Künstlerische Ansätze <strong>der</strong> Fassadenbegrünungwie die Vertikale Botanik des FranzosenPatrick Blanc, <strong>der</strong> als Botaniker die Gestaltung <strong>der</strong>Fassadenbegrünung von den Ansprüchen <strong>der</strong> Pflanzenheraus entwickelt, verän<strong>der</strong>n die Wahrnehmung<strong>der</strong> gebauten Umwelt und verb<strong>in</strong>den e<strong>in</strong>e neue grüneÄsthetik des <strong>Stadt</strong>bildes mit funktionalen Aspekten.Gleichzeitig zeigen Projekte wie das Solon SE CorporateHeadquarter <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>-Adlershof o<strong>der</strong> die Zentrale<strong>der</strong> Magistratsabteilung 48 <strong>in</strong> Wien, wie mit Hilfeentsprechen<strong>der</strong> Technik sowohl im Bestand wie auchim Neubau Gebäude begrünt und somit e<strong>in</strong> positiverenergetischer, stadtraumgestalterischer und stadtklimatischerEffekt erzeugt werden kann.E<strong>in</strong>ige Bundeslän<strong>der</strong> s<strong>in</strong>d sehr aktiv bei <strong>der</strong> Erhöhungdes Anteils begrünter Gebäude und Fassaden. Beispielsweisehat Hamburg am 8. April 2014 e<strong>in</strong>e <strong>Grün</strong>dachstrategiebeschlossen und möchte damit Anstoß fürden Bau von mehr begrünten Dächern auf Neubautenund für geeignete Flachdachsanierungen geben. Baden-Württemberg postuliert <strong>in</strong> <strong>der</strong> am 5. November 2014verabschiedeten Landesbauordnung zur „Begrünungbaulicher Anlagen“: „Ist e<strong>in</strong>e Begrünung von Grundstückennicht o<strong>der</strong> nur sehr e<strong>in</strong>geschränkt möglich, werdenbauliche Anlagen künftig zu begrünen se<strong>in</strong> (zumBeispiel durch Dach- o<strong>der</strong> Fassadenbegrünung), soweitihre Beschaffenheit, Konstruktion und Gestaltung dieszulassen und die Maßnahme für die Bauherr<strong>in</strong> o<strong>der</strong>den Bauherrn wirtschaftlich zumutbar ist.“ 10Entscheidend für die weitere Entwicklung wirdse<strong>in</strong>, wie e<strong>in</strong>e bauliche und planerische Verstetigung<strong>der</strong> meist als experimentelle Bauvorhabenkonzipierten grünen Gebäude umgesetztwerden kann.Das <strong>Grün</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> gew<strong>in</strong>nt sowohl auf adm<strong>in</strong>istrativer,planerischer, architektonischer und gesellschaftlicherEbene immer mehr Bedeutung. Neben demwachsenden Bewusstse<strong>in</strong> für die Bedeutung grünerStrukturen und die damit verbundenen Wirkmöglichkeitenim urbanen Kontext wird „<strong>Grün</strong>e Architektur“vor dem H<strong>in</strong>tergrund städtebaulicher und klimatischerVerän<strong>der</strong>ungsprozesse immer mehr zu e<strong>in</strong>em wich-


<strong>Grün</strong>buch / Vielfalt von <strong>Stadt</strong>grün 61tigen Standortfaktor. Das Hochhausprojekt „BoscoVerticale“ <strong>in</strong> Mailand beispielsweise soll als Leuchtturmprojektden Imagewandel <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> h<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>ergrünen <strong>Stadt</strong> unterstützen. Im Herbst 2014 wurde <strong>der</strong>Bosco Verticale mit dem Internationalen Hochhauspreisausgezeichnet.Entscheidend für die weitere Entwicklung wird se<strong>in</strong>,wie e<strong>in</strong>e bauliche und planerische Verstetigung <strong>der</strong>meist als experimentelle Bauvorhaben konzipiertengrünen Gebäude sowie die Schaffung entsprechen<strong>der</strong>Datengrundlagen zur Erfassung, Analyse und Bewertungbestehen<strong>der</strong> <strong>Grün</strong>strukturen umgesetzt werdenkann. Beispiele wie das Dachbegrünungsprogramm <strong>der</strong><strong>Stadt</strong> Düsseldorf, das mit Hilfe planungsrechtlicher Instrumenteund f<strong>in</strong>anzieller För<strong>der</strong>ung seit circa 20 Jahrendie Zunahmen von Dachbegrünung als strategischeZielvorgabe im Rahmen <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong>entwicklung forciert,können als Orientierung dienen und zur Nachahmunganimieren.Projektbeispiel➜ Forschungs<strong>in</strong>itiative <strong>Zukunft</strong>BauIm Rahmen <strong>der</strong> Forschungs<strong>in</strong>itiative <strong>Zukunft</strong>-Bau för<strong>der</strong>t das BMUB die Forschung und denWissenstransfer von Begrünungsmöglichkeitenan Gebäuden. Die im Rahmen dieser Forschungsarbeitentstandene Publikation „GebäudeBegrünung Energie“ ist e<strong>in</strong>e umfassendeDokumentation aktueller gestalterischer wieauch technischer Möglichkeiten <strong>der</strong> Gebäudebegrünung.Mehrunter www.fll.de/shop/bauwerksbegruenung.html


<strong>Grün</strong>buch / Vielfalt von <strong>Stadt</strong>grün 63Urbane Agrikultur:Lebensmittel <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> produzierenIm H<strong>in</strong>blick auf die Versorgung <strong>der</strong> Bürger<strong>in</strong>nen undBürger mit Lebensmitteln stehen Städte vor zunehmenden,vor allem logistischen Herausfor<strong>der</strong>ungen.Die Produktion und Verarbeitung von Lebensmittelnf<strong>in</strong>det überwiegend im ländlichen Raum statt. E<strong>in</strong>eVielzahl <strong>der</strong> Nahrungsmittel <strong>in</strong> unseren Supermärktenkommt nicht nur von Flächen außerhalb <strong>der</strong> Städte,son<strong>der</strong>n aus dem Ausland. Lange Transportwege,energieaufwändige Lagerung und damit verbunden e<strong>in</strong>hoher CO 2-Ausstoß s<strong>in</strong>d die Folgen. E<strong>in</strong>e Nachverfolgbarkeitist für den Verbraucher oft nicht mehr gegeben,das Wissen über die Herkunft und die Zusammenhänge<strong>der</strong> Lebensmittelproduktion nimmt offensichtlichab. Nicht zuletzt aufgrund e<strong>in</strong>iger Lebensmittelskandale<strong>der</strong> letzten Jahre s<strong>in</strong>d den Verbrauchern Fragen <strong>der</strong>Nachverfolgbarkeit, <strong>der</strong> Nachhaltigkeit und <strong>der</strong> Transportbilanzihrer Lebensmittel zunehmend wichtiger.Chancen und Beson<strong>der</strong>heiten <strong>der</strong> urbanenAgrikulturDer Gartenbau beziehungsweise die Landwirtschaftkehren zunehmend auch <strong>in</strong> wirtschaftlich rentablenFormen <strong>in</strong> die Städte zurück. Urbane Agrikultur istmultifunktional und erfüllt e<strong>in</strong>e Vielzahl wichtigerAufgaben. Neben <strong>der</strong> Produktion von Lebensmittelns<strong>in</strong>d hier auf wirtschaftlicher Ebene unter an<strong>der</strong>emdie Schaffung von Arbeitsplätzen und neuen lokalenMärkten zu nennen. Ökologisch betrachtet könntenurbane Landwirtschaftsflächen Biotopverbündeherstellen und dadurch die Biodiversität erhöhen. Sieerfüllen weiterh<strong>in</strong>, wie an<strong>der</strong>e städtische <strong>Grün</strong>flächen,Funktionen zur Grundwasserneubildung und Frischluftproduktionund verbessern das Mikroklima. Städtischeund stadtnahe landwirtschaftliche Flächen s<strong>in</strong>dÖkologisch betrachtet könnten urbane LandwirtschaftsflächenBiotopverbünde herstellenund dadurch die Biodiversität erhöhen.Produkte aus <strong>der</strong> Region signalisieren den VerbrauchernVertrautheit, Authentizität und Qualität. DerKauf regionaler Produkte, wenn möglich direkt beimErzeuger, gibt den Konsumenten e<strong>in</strong> gutes Gefühl.Weiterh<strong>in</strong> möchten viele Menschen wie<strong>der</strong> selbstGemüse und Obst anbauen und ernten. Der Wunschnach Eigenversorgung spiegelt sich unter an<strong>der</strong>em imwie<strong>der</strong> zunehmenden Interesse am Kle<strong>in</strong>gartenwesenund <strong>der</strong> Urban Garden<strong>in</strong>g-Bewegung wi<strong>der</strong>.Modelle <strong>der</strong> Pachtung und Bewirtschaftung kle<strong>in</strong>ererlandwirtschaftlicher Flächen boomen <strong>in</strong> den letztenJahren und bieten Chancen für Landwirte und Städter.Auch Städte wie An<strong>der</strong>nach entwickeln Modellprojekte,die gleichzeitig Alternativen <strong>der</strong> <strong>Grün</strong>flächengestaltungdarstellen, den Selbstversorgungsanteil <strong>der</strong>Städte steigern und vielfältige positive Auswirkungenauf das Mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> haben. Durch die Umgestaltungvon <strong>Grün</strong>flächen als Gemüsebeete und denE<strong>in</strong>satz von Obst- statt Ziergehölzen bekommen Teile<strong>der</strong> Städte e<strong>in</strong> neues Aussehen und e<strong>in</strong>e neue Funktion.Allerd<strong>in</strong>gs steht bei diesen Projekten die Eigenversorgungh<strong>in</strong>ter e<strong>in</strong>er Vielzahl weiterer positiver, vor allemsozialer, Funktionen zurück.


64 Vielfalt von <strong>Stadt</strong>grün / <strong>Grün</strong>buchwichtiger Teil <strong>der</strong> Kulturlandschaft und dienen Freizeit,Erholung und Umweltbildung sowie an<strong>der</strong>en sozialenFunktionen. Sie bieten Erfahrungs- und Bildungschancenund s<strong>in</strong>d Begegnungsraum für die <strong>Stadt</strong>bewohner.Die Möglichkeiten <strong>der</strong> Direktvermarktung und damitkurzer Transportwege stellen für die urbane Landwirtschafte<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e Chance dar. Durch die lokaleHandlungsebene ist <strong>der</strong> Markt für die urban erzeugtenLebensmittel viel direkter und vielfältiger als außerhalb<strong>der</strong> Städte. Hofläden, Märkte und gastronomische Angebotes<strong>in</strong>d daher häufiger Bestandteil <strong>der</strong> stadt- unddamit verbrauchernahen Landwirtschaft. Auch sogenannteMietäcker bieten e<strong>in</strong>e W<strong>in</strong>-w<strong>in</strong>-Situation undBereicherung für <strong>Stadt</strong>bewohner und Landwirte zugleich.Dabei werden kle<strong>in</strong>e Parzellen von Landwirtenim Frühjahr mit verschiedenen Kulturen bestückt undzur Pflege an Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger verpachtet. DerLandwirt stellt die Flächen, die Kulturen, Geräte undse<strong>in</strong> Fachwissen zur Verfügung. Die Pächter bekommenihr selbst erzeugtes Gemüse und wertvolles Wissen zudessen Anbau und Pflege.Aus den USA kommt e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e Form <strong>der</strong> UrbanAgriculture: Als Community Supported Agriculture(kurz: CSA), <strong>in</strong> Deutsch auch solidarische Landwirtschafto<strong>der</strong> Verbraucher-Erzeuger-Geme<strong>in</strong>schaft, wird<strong>der</strong> Zusammenschluss von e<strong>in</strong>em (selten mehreren)landwirtschaftlichen Betrieb o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er Gärtnerei mite<strong>in</strong>er Gruppe privater Haushalte bezeichnet.Die Gestalt landwirtschaftlicher Flächen kanndurch Anbau verschiedener Kulturen städtischeBereiche deutlich aufwerten.Dabei hat das CSA dann Flächenrelevanz für die <strong>Stadt</strong>,wenn die Produktionsfläche unmittelbarer Teil <strong>der</strong><strong>Stadt</strong> ist. Die Idee <strong>der</strong> geme<strong>in</strong>schaftlichen Landwirtschaftist e<strong>in</strong>e feste Verb<strong>in</strong>dung von Bauer/Erzeuger


<strong>Grün</strong>buch / Vielfalt von <strong>Stadt</strong>grün 65und Kunde im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er Verabredung zur Abnahme.Auf Grundlage <strong>der</strong> geschätzten Jahreskosten <strong>der</strong>landwirtschaftlichen (Bio-)Produktion verpflichtetsich e<strong>in</strong>e bestimmte Gruppe, regelmäßig im Vorause<strong>in</strong>en festgesetzten Betrag an den Hof zu zahlen. DieAbnehmer erhalten im Gegenzug die gesamte Erntesowie weiterverarbeitete Erzeugnisse wie zum BeispielBrot o<strong>der</strong> Käse, sofern <strong>der</strong> Hof diese herstellt. Dadurchf<strong>in</strong>det e<strong>in</strong>e verb<strong>in</strong>dliche Kunden-Geschäftspartner-Beziehung statt. Konsument und Produzent gehen e<strong>in</strong>esaisonale Vertragsbeziehung e<strong>in</strong>.Die Gestalt landwirtschaftlicher Flächen kann durchAnbau verschiedener Kulturen städtische Bereichedeutlich aufwerten. E<strong>in</strong>e Vielzahl an e<strong>in</strong>gesetzten Kulturpflanzeno<strong>der</strong> Nutztieren ist denkbar. Im Gegensatzzu den großflächigen Fel<strong>der</strong>n im ländlichen Raums<strong>in</strong>d dabei neben kle<strong>in</strong>eren Gemüse- o<strong>der</strong> Weideflächenunter an<strong>der</strong>em <strong>der</strong> Anbau von Energiepflanzeno<strong>der</strong> die Anlage von Kurzumtriebsplantagen o<strong>der</strong>Schnittblumenfel<strong>der</strong>n im städtischen Raum denkbar.Auch die Komb<strong>in</strong>ation verschiedener Kulturen kanne<strong>in</strong>en Zugew<strong>in</strong>n darstellen. Neben dem Pflanzenbauist auch die Nutztierhaltung Bestandteil <strong>der</strong> urbanenLandwirtschaft. Dabei können neben <strong>der</strong> traditionellenViehzucht auch Pensionspferdehaltung o<strong>der</strong> Bauernhöfefür K<strong>in</strong><strong>der</strong> e<strong>in</strong>e große Bereicherung se<strong>in</strong>. Auchden Honigbienen kommt im Rahmen <strong>der</strong> Lebensmittelproduktione<strong>in</strong>e wichtige Rolle zu. „Deutschlandsummt!“ und ähnliche Projekte br<strong>in</strong>gen die Imkerei <strong>in</strong>die <strong>Stadt</strong>. Dabei wird nicht nur Honig produziert, dieBienen s<strong>in</strong>d wichtiger Bestandteil des Ökosystems undleisten auch e<strong>in</strong>en entscheidenden Beitrag zur Bestäubung.Zugleich wird die Biene zur Botschafter<strong>in</strong> fürmehr <strong>Stadt</strong>natur. Bildungsaspekte und die Möglichkeitdes Erkennens wichtiger Zusammenhänge <strong>der</strong> Naturstellen auch hier e<strong>in</strong> Plus dar.Das Potenzial Urbaner Landwirtschaft wird <strong>der</strong>zeit aufvielen Ebenen diskutiert. Das durch das Bundesm<strong>in</strong>is-


terium für Bildung und Forschung (BMBF) geför<strong>der</strong>teProjekt „<strong>Zukunft</strong>sforschung Urbane Landwirtschaft –Metropolregion Ruhr“ untersucht die Bed<strong>in</strong>gungen <strong>der</strong>Landwirtschaft im Ruhrgebiet. Ziel ist die Erarbeitunge<strong>in</strong>er <strong>Zukunft</strong>sstrategie für e<strong>in</strong>e professionelle urbaneLandwirtschaft. In den wachsenden Städten herrschte<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tensive Flächenkonkurrenz. LandwirtschaftlicheAreale sollten nicht mehr als potenziell bebaubareFlächen zur <strong>Stadt</strong>erweiterung, son<strong>der</strong>n als wichtigerBestandteil <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> <strong>der</strong> <strong>Zukunft</strong> gesehen werden.Bei <strong>der</strong> Lebensmittelproduktion im urbanen Bereichmüssen Fragen <strong>der</strong> Schadstoffbelastung (zum BeispielSchwermetalle) unbed<strong>in</strong>gt berücksichtigt werden.Durch Belastungen <strong>der</strong> Böden, des Wassers o<strong>der</strong> <strong>der</strong>Luft kann e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>trag von Schadstoffen <strong>in</strong> die Kulturenerfolgen. E<strong>in</strong>zelne Studien zeigen, dass die Belastungendie EU-Grenzwerte teilweise überschreiten. <strong>Für</strong>die sichere Produktion von Lebensmitteln <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong>besteht noch Forschungsbedarf.Um die zunehmende Flächenversiegelung beziehungsweiseFlächenkonkurrenz <strong>in</strong> den wachsenden Städtenaufzulockern, können gebäudegebundene Produktionsweisene<strong>in</strong>e Alternative darstellen. Die Ideen undVisionen <strong>der</strong> gebäudegebundenen beziehungsweisebodenunabhängigen Lebensmittelproduktion <strong>in</strong> Städtenreichen von geschlossenen Innenraumsystemenüber Gewächshäuser an und auf Gebäuden bis h<strong>in</strong> zugroßflächigen landwirtschaftlichen Dachflächengestaltungen.Dachgärten beziehungsweise Rooftop-Farmsnehmen gerade <strong>in</strong> New York seit e<strong>in</strong>igen Jahren stetigzu. Dabei steht auch dort oft <strong>der</strong> soziale und nicht <strong>der</strong>wirtschaftliche Aspekt im Vor<strong>der</strong>grund. Allerd<strong>in</strong>gs zeigendie bestehenden Projekte, dass Dachflächen durchausfür den Anbau von Lebensmitteln genutzt werdenkönnen, wenn sie gewisse Voraussetzungen erfüllen.Um die zunehmende Flächenversiegelung beziehungsweiseFlächenkonkurrenz <strong>in</strong> den wachsendenStädten aufzulockern, können gebäudegebundeneProduktionsweisen e<strong>in</strong>e Alternative darstellen.Gebäudegebundene ProduktionsweisenBei den gebäudegebundenen Produktionsweisen giltes, e<strong>in</strong>e Vielzahl von Faktoren zu beachten und anhandumfassen<strong>der</strong> Forschung zu optimieren. Diese gehen oftmit e<strong>in</strong>em hohen technischen Aufwand e<strong>in</strong>her. Fragen<strong>der</strong> Lastenverteilung, Wassermanagement, Substratwahl,Beleuchtung unter an<strong>der</strong>em spielen dabei e<strong>in</strong>e wich-


<strong>Grün</strong>buch / Vielfalt von <strong>Stadt</strong>grün 67tige Rolle. Durch möglichst geschlossene Wasser- undEnergiekreisläufe können unter optimalen Bed<strong>in</strong>gungenknappe natürliche Ressourcen deutlich geschont werden.In geschlossenen Systemen kann oft auch auf denE<strong>in</strong>satz von Pflanzenschutzmitteln verzichtet werden.Die Möglichkeiten und Visionen <strong>der</strong> Lebensmittelproduktionund damit Rückkehr <strong>der</strong> Landwirtschaft <strong>in</strong>die <strong>Stadt</strong>, sei es konventionell o<strong>der</strong> gebäudegebunden,sche<strong>in</strong>en noch lange nicht ausgeschöpft. Es bestehtweiterh<strong>in</strong> Forschungsbedarf und es braucht Mut zurUmsetzung neuer Ideen. <strong>Stadt</strong>planer sollten das vielfältigePotenzial urbaner landwirtschaftlicher Flächen <strong>in</strong>die Planung <strong>in</strong>tegrieren. Bei <strong>der</strong> Ausgestaltung landwirtschaftlicherAnlagen <strong>in</strong> und an den Städten müssenjedoch die Belange <strong>der</strong> Bürgerschaft (zum BeispielInfrastruktur) berücksichtigt werden. Ziel sollte es se<strong>in</strong>,e<strong>in</strong>e gegenüber den Herausfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> <strong>Zukunft</strong>und <strong>der</strong> zunehmenden Urbanisierung im H<strong>in</strong>blickauf Versorgungs- und Ernährungssicherheit resiliente<strong>Stadt</strong> zu schaffen und die vielfältigen positiven Wirkungen<strong>der</strong> urbanen Agrikultur zu nutzen.Projektbeispiele➜Symposium des JKI im Auftrag des BMEL: „Urbaner Gartenbau – die Produktion kehrt <strong>in</strong> die <strong>Stadt</strong> zurück“am 9./10. Dezember 2014Im Rahmen des Symposiums wurden <strong>der</strong> Trend zur Rückkehr <strong>der</strong> gartenbaulichen Produktion <strong>in</strong> Städtediskutiert und konkrete Projekte vorgestellt.Mehr unter www.jki.bund.de➜Urban/Vertical Farm<strong>in</strong>gIm Rahmen e<strong>in</strong>es BMBF-Workshops vom März 2013 zum Thema Urban/Vertical Farm<strong>in</strong>g wurde <strong>der</strong>aktuelle Stand des Wissens und <strong>der</strong> Technik dargestellt, Forschungsbedarf aufgezeigt und e<strong>in</strong> weitererDiskussionsprozess angestoßen. Durch das BMBF geför<strong>der</strong>te Projekte „Zfarm – Städtische Landwirtschaft<strong>der</strong> <strong>Zukunft</strong>“ konnte unter an<strong>der</strong>em e<strong>in</strong> Praxisleitfaden zu Dachgewächshäusern entwickelt werden.Mehr unter www.zfarm.de➜Hydroponik-ProjekteProjekt Tomatenfisch am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und B<strong>in</strong>nenfischerei (IGB) (unter an<strong>der</strong>emgeför<strong>der</strong>t durch das BMBF) zeigt, wie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em nahezu geschlossenen Kreislauf die Produktion vonGemüse und Fischen mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> komb<strong>in</strong>iert werden kann.Mehr unter www.tomatenfisch.igb-berl<strong>in</strong>.deBeim Londoner Projekt „Grow<strong>in</strong>g Un<strong>der</strong>ground“ werden Gemüse und Kräuter unter Hydroponik-Bed<strong>in</strong>gungen <strong>in</strong> Bunkern unter <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> ganzjährig und nach eigenen Angaben nahezu CO 2-neutralangebaut. Auch wenn <strong>in</strong> sich geschlossene Produktionsweisen nicht die gleichen Funktionen erfüllenwie herkömmliche <strong>Grün</strong>- o<strong>der</strong> Landwirtschaftsflächen, können sie doch e<strong>in</strong> Zugew<strong>in</strong>n für die Städte <strong>der</strong><strong>Zukunft</strong> se<strong>in</strong>.Mehr unter grow<strong>in</strong>g-un<strong>der</strong>ground.com➜ Deutschland summtDie Initiative „Deutschland summt!“ ist e<strong>in</strong> Kommunikations- und Maßnahmenprojekt, das über dieIdentifikation von Multiplikatoren und Bürger<strong>in</strong>nen und Bürgern mit ihrer <strong>Stadt</strong> als Lebensraum funktioniert.Sie verfolgt das Ziel, das Bewusstse<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bevölkerung, bei Multiplikatoren und Entschei<strong>der</strong>nfür die Gefährdung <strong>der</strong> Wild- und Honigbienen und für die Bedeutung biologischer Vielfalt zu schärfenund neue Lebensräume für Bienen <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> zu schaffen.Mehr unter www.un-dekade-biologische-vielfalt.de/, www.deutschland-summt.de


3Herausfor<strong>der</strong>ungen undPerspektiven beim <strong>Stadt</strong>grünDas Thema <strong>Stadt</strong>grün ist immer auch mit Konfliktthemen verbunden: Die Nachverdichtungführt zum Verlust von <strong>Grün</strong>flächen <strong>in</strong> Metropolregionen, Kommunen mit Nothaushaltenkönnen die Kosten für <strong>Grün</strong>pflege und -planung nicht mehr tragen, urbane <strong>Grün</strong>flächen s<strong>in</strong>dungleich verteilt, soziale Konflikte vorprogrammiert. Innovative Ansätze s<strong>in</strong>d gefragt.


<strong>Grün</strong>buch / Herausfor<strong>der</strong>ungen und Perspektiven beim <strong>Stadt</strong>grün 69Spannungsfel<strong>der</strong> und InteressenkonflikteDeutschlands Städte s<strong>in</strong>d im Vergleich zu <strong>in</strong>ternationalenGroßstadtregionen vergleichsweise gut mit <strong>Grün</strong>ausgestattet. Im Zuge des Siedlungswachstums habenauch die <strong>Grün</strong>flächen zugenommen. Sie werden außerdemimmer vielfältiger genutzt, für Erholung, Sport,Begegnung, Produktion von Nahrungsmitteln, für dieBiodiversität o<strong>der</strong> auch als Imageträger. Das <strong>Stadt</strong>grünmit se<strong>in</strong>en vielfältigen Funktionen erfährt e<strong>in</strong>enenormen Zuspruch von <strong>der</strong> Bevölkerung, mehr noch,<strong>Stadt</strong>bewohner beteiligen sich zunehmend an <strong>der</strong> <strong>Grün</strong>entwicklung.Trotz <strong>der</strong> großen Aufmerksamkeit und<strong>der</strong> hohen Erwartungshaltung von Bürger<strong>in</strong>nen undBürgern gibt es auch konkrete Probleme und Konflikteund Köln-Bonn-Düsseldorf werden die E<strong>in</strong>wohnerzahlenum mehr als zwei Millionen steigen. Der verstärkteZuzug <strong>in</strong> Städte führt zu e<strong>in</strong>em hohen Bedarf anzusätzlichem Wohnraum, <strong>der</strong> überwiegend nur durchNeubau gedeckt werden kann. Prognosen des Bundes<strong>in</strong>stitutsfür Bau-, <strong>Stadt</strong>- und Raumforschung (BBSR)gehen von e<strong>in</strong>em Bedarf von jährlich 250.000 Wohnungendeutschlandweit <strong>in</strong> den nächsten Jahren aus,vorwiegend <strong>in</strong> den Großstädten.Die auch <strong>in</strong> den Innenstadtbereichen notwendigeNachverdichtung führt <strong>in</strong> Wachstumsregionen zue<strong>in</strong>em lokal deutlichen Rückgang an Brachen undZurück <strong>in</strong> die <strong>Stadt</strong>E<strong>in</strong> grundlegen<strong>der</strong> Interessenkonflikt ergibtsich aus <strong>der</strong> demographischen Entwicklung<strong>in</strong> Deutschland. Bis 2030 dürften <strong>in</strong> den 14deutschen Großstädten mit m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>erhalben Million E<strong>in</strong>wohnern etwa 19 Prozentaller Bundesbürger leben. Die damit verbundeneNachverdichtung führt <strong>in</strong> Wachstumsregionenzu e<strong>in</strong>em Rückgang an <strong>Grün</strong>flächen.um <strong>Stadt</strong>grün. Selbstverständlich stellen sich die Fragenzur grünen <strong>Stadt</strong>entwicklung <strong>in</strong> wachsenden undschrumpfenden Kommunen unterschiedlich.E<strong>in</strong> grundlegen<strong>der</strong> Interessenkonflikt ergibt sich aus<strong>der</strong> demographischen Entwicklung <strong>in</strong> Deutschlandund dabei <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e dem deutlichen Trend „zurück<strong>in</strong> die <strong>Stadt</strong>“. Bis 2030 dürften <strong>in</strong> den 14 deutschenGroßstädten mit m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>er halben MillionE<strong>in</strong>wohnern etwa 19 Prozent aller Bundesbürger leben,bisher s<strong>in</strong>d es 16 Prozent. Alle<strong>in</strong> <strong>in</strong> den MetropolregionenBerl<strong>in</strong>, München, Hamburg, Stuttgart, Frankfurt<strong>Grün</strong>flächen und damit auch zu e<strong>in</strong>er ger<strong>in</strong>gerenVernetzung von <strong>Grün</strong>flächen. Auch im Übergang<strong>Stadt</strong>/Land werden Freiflächen <strong>in</strong> Wachstumsregionenzunehmend bebaut, wodurch bestehende <strong>Grün</strong>systemeunterbrochen werden. Mit <strong>der</strong> Nachverdichtungwachsen somit auch Interessenkonflikte <strong>in</strong> Bezug aufdas Ziel <strong>der</strong> Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie, denFlächenverbrauch <strong>in</strong> Deutschland bis zum Jahr 2020auf 30 Hektar pro Tag zu verr<strong>in</strong>gern, sowie auf das Ziel<strong>der</strong> Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt, diedie Durchgrünung <strong>der</strong> Siedlungen för<strong>der</strong>n will.


70 Herausfor<strong>der</strong>ungen und Perspektiven beim <strong>Stadt</strong>grün / <strong>Grün</strong>buchFreiraumplanung und Naturschutz <strong>in</strong> Konzepte zurInnenentwicklung zu <strong>in</strong>tegrieren stellt e<strong>in</strong>e großeHerausfor<strong>der</strong>ung für Kommunen dar. Denn zwischenbaulicher Nachverdichtung und <strong>in</strong>nerstädtischerFreiraumentwicklung gibt es viele Ziel- undNutzungskonflikte. Mit <strong>der</strong> so genannten doppeltenInnenentwicklung muss das Ziel verfolgt werden,den Flächenverbrauch e<strong>in</strong>zudämmen und damit denLandschaftsraum zu schützen. Gleichzeitig müssenStädte und Geme<strong>in</strong>den aber auch die Entwicklung undGestaltung von <strong>Grün</strong>- o<strong>der</strong> Freiflächen im Blickfeldbehalten. Der Siedlungsbestand muss also nicht nurbaulich, son<strong>der</strong>n auch durch anspruchsvolle <strong>Grün</strong>räumequalifiziert werden.Soziale Fragen und UmweltgerechtigkeitUrbane <strong>Grün</strong>flächen s<strong>in</strong>d ungleich verteilt<strong>Grün</strong>- und Erholungsflächen bedecken <strong>in</strong> Deutschland<strong>in</strong>sgesamt etwa 4.200 Quadratkilometer; diesentspricht knapp neun Prozent <strong>der</strong> Siedlungs- undVerkehrsfläche. Während <strong>in</strong> Großstädten je E<strong>in</strong>wohner46 Quadratmeter <strong>Grün</strong>fläche zur Verfügung stehen,s<strong>in</strong>d es <strong>in</strong> größeren Kle<strong>in</strong>städten 56 und <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>enKle<strong>in</strong>städten sogar 71 Quadratmeter. Je kle<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>eKommune, umso mehr <strong>Grün</strong>fläche steht Bürger<strong>in</strong>nenund Bürgern zur Verfügung. Auch <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Städtegibt es Unterschiede: Vor allem Innenstadtbereicheund Quartiere mit Block- und Blockrandbebauungweisen <strong>Grün</strong>defizite auf. Beson<strong>der</strong>s gravierend ist dieLage <strong>in</strong> sozial benachteiligten Quartieren 11 : Der Anteil<strong>der</strong> <strong>Grün</strong>flächen ist nach Berechnungen des BBSR dortmit durchschnittlich 38 Quadratmetern pro E<strong>in</strong>wohnerdeutlich niedriger als <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>e Durchschnitt mit50 Quadratmetern pro E<strong>in</strong>wohner. Auch geme<strong>in</strong>sameAnalysen von Sozial-, Umwelt- und Gesundheitsdatenbelegen <strong>Grün</strong>defizite <strong>in</strong> Quartieren, <strong>in</strong> denen ärmereBevölkerungsschichten leben. Die Bedeutung des Wohnumfeldesist jedoch gerade für Menschen beson<strong>der</strong>shoch, die aufgrund e<strong>in</strong>er ger<strong>in</strong>geren Mobilität und demdamit verbundenen ger<strong>in</strong>geren Aktionsradius beson<strong>der</strong>sauf die Ressourcen im Wohnumfeld angewiesen s<strong>in</strong>d.Das betrifft neben den Bewohner<strong>in</strong>nen und Bewohnernsozial benachteiligter Quartiere auch ältere Menschen.Die Verschärfung <strong>der</strong> sozio-ökonomischen Unterschiedeund des demographischen Wandels spiegelt sich somitauch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Verteilung des <strong>Stadt</strong>grüns wi<strong>der</strong>.Klare Ziele„Bis zum Jahre 2020 ist die Durchgrünung <strong>der</strong> Siedlungen e<strong>in</strong>schließlich des wohnumfeldnahen <strong>Grün</strong>s (zumBeispiel Hofgrün, kle<strong>in</strong>e <strong>Grün</strong>flächen, Dach- und Fassadengrün) deutlich erhöht. Öffentlich zugängliches <strong>Grün</strong>mit vielfältigen Qualitäten und Funktionen steht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel fußläufig zur Verfügung.“ 12


<strong>Grün</strong>buch / Herausfor<strong>der</strong>ungen und Perspektiven beim <strong>Stadt</strong>grün 71Verstärkt wird das Problem dadurch, dass oftmalsdie Umweltbelastung mit Fe<strong>in</strong>staub, NO x, CO 2, Lärmund an<strong>der</strong>en schädlichen Umweltwirkungen <strong>in</strong> sozialbenachteiligten Lagen höher liegt als gesamtstädtisch.Solche Gebiete mit höheren Luftschadstoffimmissionens<strong>in</strong>d meist gekennzeichnet durch überdurchschnittlichhohe Verkehrszahlen und relativ wenig<strong>Grün</strong>flächen. Dies führt zu e<strong>in</strong>er doppelten Benachteiligung<strong>der</strong> Wohnbevölkerung.<strong>Stadt</strong>grün ist nicht für jeden Bürger gut erreichbarNach Empfehlung <strong>der</strong> Europäischen Umweltagentursollte jede <strong>Grün</strong>anlage von jedem Punkt e<strong>in</strong>er <strong>Stadt</strong> ausnicht weiter als 300 Meter entfernt se<strong>in</strong>. In Großstädtenab 500.000 E<strong>in</strong>wohnern ist das für jeden fünften Bürgernicht gegeben. In kle<strong>in</strong>eren Großstädten und <strong>in</strong> Städtenab 20.000 E<strong>in</strong>wohnern ist die Entfernung zu öffentlichen<strong>Grün</strong>flächen für viele Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger sogarnoch größer, wobei dort e<strong>in</strong> höherer Anteil an Hausgärtenden Bedarf an <strong>Grün</strong> abdeckt. In diesem Kontext hatdie Bundesregierung klare Ziele: „Bis zum Jahre 2020 istdie Durchgrünung <strong>der</strong> Siedlungen e<strong>in</strong>schließlich deswohnumfeldnahen <strong>Grün</strong>s (zum Beispiel Hofgrün, kle<strong>in</strong>e<strong>Grün</strong>flächen, Dach- und Fassadengrün) deutlich erhöht.Öffentlich zugängliches <strong>Grün</strong> mit vielfältigen Qualitätenund Funktionen steht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel fußläufig zurVerfügung.“ 13Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger wollen bei <strong>der</strong> <strong>Grün</strong>entwicklunge<strong>in</strong>gebunden werdenEntscheidungen im Bereich urbaner <strong>Grün</strong>entwicklungbetreffen die Bürgerschaft unmittelbar undwerden von ihr sensibel wahrgenommen. In prosperierendenStädten mit hohem Druck auf die lokalenWohnungs- und Gewerbeflächenmärkte spielenNachverdichtungen e<strong>in</strong>e große Rolle, um mehrWohnraum für die wachsende <strong>Stadt</strong>bevölkerungzur Verfügung zu stellen. Es liegt im Interesse <strong>der</strong>Kommunen, diesen Anfor<strong>der</strong>ungen nachzukommen.Baumaßnahmen im <strong>in</strong>nerstädtischen Bereich gehenjedoch zu Lasten von <strong>Grün</strong>flächen, die e<strong>in</strong>en sehrhohen Stellenwert für die ansässigen, aber auch fürdie zuziehenden <strong>Stadt</strong>bewohner haben. Dies erklärt,wieso bei Baumfällungen und angekündigter Rodungvon <strong>Grün</strong>flächen für Baumaßnahmen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel vehementerWi<strong>der</strong>stand <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bevölkerung aufkommt.Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger wollen jedoch nicht nur mitentscheiden, son<strong>der</strong>n stellen immer häufiger auch dieFor<strong>der</strong>ung, <strong>Grün</strong>flächen geme<strong>in</strong>schaftlich zu gestaltenund zu nutzen, zum Teil auch mangels eigener


72 Herausfor<strong>der</strong>ungen und Perspektiven beim <strong>Stadt</strong>grün / <strong>Grün</strong>buchprivater <strong>Grün</strong>flächen. Dies zeigt sich zum Beispiel <strong>in</strong>den zahlreichen Geme<strong>in</strong>schaftsgärten.Unterschiedliche Nutzergruppen haben unterschiedlicheAnfor<strong>der</strong>ungen an <strong>Grün</strong>Die Mehrzahl <strong>der</strong> öffentlichen <strong>Grün</strong>anlagen ist für diebreite Öffentlichkeit bestimmt, jedoch nicht immerfür <strong>der</strong>en tatsächliche Bedürfnisse geplant und wirddaher zum Teil von bestimmten Gruppen dom<strong>in</strong>iert.Planung für die breite Öffentlichkeit ist jedoch sehranspruchsvoll und gel<strong>in</strong>gt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel nur bei größeren<strong>Grün</strong>anlagen mit e<strong>in</strong>em breiten Spektrum anAngeboten und Orten. Verschiedene Nutzergruppenhaben unterschiedliche und teilweise wi<strong>der</strong>sprüchlicheAnfor<strong>der</strong>ungen an <strong>Grün</strong>flächen, wie zum Beispielbei den beiden klassischen Parknutzungen „Ruhe undErholung“ sowie „Sport und Spiel“ erkennbar. Damits<strong>in</strong>d unter Umständen auch Nutzungskonfliktezwischen jüngeren und älteren Generationen programmiert,die nur durch e<strong>in</strong>e entsprechende Planung mitdifferenzierten Angeboten und e<strong>in</strong>er guten Beteiligungreduziert werden können.Gesundheit und Klimawandel<strong>Stadt</strong>teile s<strong>in</strong>d unterschiedlich stark von UmweltbelastungenbetroffenIm Durchschnitt ist die Umweltbelastung mit Fe<strong>in</strong>staub,Luftschadstoffen, Lärm und an<strong>der</strong>en schädlichenUmweltwirkungen <strong>in</strong> zentralen Lagen höher alsgesamtstädtisch. Gerade <strong>in</strong> diesen <strong>in</strong>nerstädtischen,verkehrsbelasteten, hochfrequentierten Quartierenmangelt es oft an <strong>Grün</strong>flächen, die Luftschadstoffe undFe<strong>in</strong>staub filtern könnten. Mit Dach- und Fassadenbegrünungkann die Konzentration des giftigen Stickstoffdioxidsund von Fe<strong>in</strong>staub (PM10) sowie auch dieLärmbelastung deutlich verr<strong>in</strong>gert werden. Dies ist alsMaßnahme zum vorsorgenden Gesundheitsschutz vongroßer Bedeutung.Fehlendes <strong>Grün</strong> bee<strong>in</strong>trächtigt die Gesundheit<strong>der</strong> <strong>Stadt</strong>bewohnerAus verschiedenen Untersuchungen und Fallbeispielenist e<strong>in</strong> Zusammenhang zwischen <strong>Grün</strong>versorgungund körperlicher und psychischer Gesundheit belegt.Beispielsweise gibt es e<strong>in</strong>e direkte Korrelation zwischen<strong>der</strong> Häufigkeit von Herz-Kreislauferkrankungen <strong>in</strong>Abhängigkeit von <strong>der</strong> Nähe des Wohnortes zu vielbefahrenenStraßen. Auch <strong>der</strong> Zusammenhang zwischenmangeln<strong>der</strong> Bewegung und Adipositas, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>eÜbergewicht bei K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen, ist nachgewiesen.<strong>Grün</strong>flächen s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e wichtige Gesundheitsressourcefür Bewegung, Erlebnis und Begegnung.Wo <strong>Stadt</strong>grün fehlt o<strong>der</strong> nicht gut erreichbar undzugänglich ist, gibt es e<strong>in</strong> Versorgungsdefizit, das sichnachteilig auf die psychische, physische und sozialeGesundheit <strong>der</strong> Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger auswirkt. Nebennutzungsoffenen Parks s<strong>in</strong>d vor allem ausreichendSpiel- und Sportplätze wichtig, die Menschen jedenAlters zu sportlicher Aktivität e<strong>in</strong>laden.Effekte, welche die Gesundheit bee<strong>in</strong>trächtigenkönnenNeben den bekannten positiven Wirkungen alsSauerstofflieferant und Staub- und Schadstofffilterkann <strong>Stadt</strong>grün auch negative Auswirkungen haben:Allergien, ausgelöst durch Pflanzenpollen, gehörenzu den häufigsten Erkrankungen, Tendenz steigend.Prom<strong>in</strong>entes Beispiel ist die <strong>in</strong>vasive Ambrosia-Staudemit ihren beson<strong>der</strong>s aggressiven Pollen. Aber auch e<strong>in</strong>eReihe e<strong>in</strong>heimischer Pflanzen haben allergene Wirkungen(zum Beispiel Birke). Dies sollte bei <strong>der</strong> Planungvon Parkanlagen o<strong>der</strong> Spielplätzen beachtet werden.Gezielte Pflanzenverwendung und Standortplanungkönnen bei Allergien m<strong>in</strong><strong>der</strong>nd wirken.Wo <strong>Stadt</strong>grün fehlt o<strong>der</strong> nicht gut erreichbarund zugänglich ist, gibt es e<strong>in</strong> Versorgungsdefizit,das sich nachteilig auf die psychische,physische und soziale Gesundheit <strong>der</strong> Bürger<strong>in</strong>nenund Bürger auswirkt.Mehr Hitze durch weniger <strong>Grün</strong>flächenHochverdichtete, versiegelte Innenstadtbereicheweisen tagsüber e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e Wärmebelastung aufund speichern die Wärme auch nachts, woh<strong>in</strong>gegen<strong>Grün</strong>anlagen und Freiflächen rasch auskühlen un<strong>der</strong>frischende Kaltluft produzieren. Messungen und Simulationen,zum Beispiel für Karlsruhe, Nürnberg o<strong>der</strong>Berl<strong>in</strong>, belegen e<strong>in</strong>e Abkühlung des direkten Wohnumfeldesdurch <strong>Grün</strong>flächen um drei bis zwölf GradCelsius. Fassadengrün wirkt unmittelbar kühlend aufWohn- und Arbeitsräume. Am Ende e<strong>in</strong>er Strahlungs-


nacht kann die Innenstadt dagegen um elf Grad Celsiuswärmer se<strong>in</strong> als das Umland, wie zuletzt für Kölnnachgewiesen. Solche Wärme<strong>in</strong>seln treten <strong>in</strong> Citylagen,aber auch <strong>in</strong> hochverdichteten <strong>Stadt</strong>teilzentren auf. Eswird erwartet, dass im Zuge des Klimawandels <strong>in</strong> denStädten die Sommertage mit Temperaturen über 25Grad Celsius um 30 bis 70 Prozent, über 30 Grad Celsiussogar um bis zu 100 Prozent zunehmen. Insbeson<strong>der</strong>efür ältere Menschen wird die Gesundheit und Lebensqualitätdurch die starke Wärmebelastung zunehmendbee<strong>in</strong>trächtigt. Zukünftig wird das <strong>Grün</strong> zur M<strong>in</strong><strong>der</strong>ungklimawandelbed<strong>in</strong>gter Extreme immer wichtiger.Weniger <strong>Grün</strong>flächen verstärken Klimarisikendurch StarkregenKlimaprojektionen gehen davon aus, dass mittel- bislangfristig von e<strong>in</strong>er erheblichen Zunahme punktuellerextremer Nie<strong>der</strong>schlagsereignisse auszugehen ist,wobei hier nicht nur mit e<strong>in</strong>er erhöhten Intensität,son<strong>der</strong>n auch mit e<strong>in</strong>er erhöhten Dauer <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>schlägegerechnet werden muss. Diese treffen <strong>in</strong>Städten auf e<strong>in</strong>en durch Siedlungsexpansion, Nachverdichtungund Bebauung steigenden Anteil versiegelterBöden. Schon heute nehmen Schäden durch Stark- undExtremregen zu, weil große Wassermengen <strong>in</strong> kurzerZeit <strong>in</strong> die dafür nicht dimensionierte Kanalisationabgeführt werden. <strong>Grün</strong>- und Freiflächen habendeshalb e<strong>in</strong>e hohe Bedeutung als Überstauflächen undzur zeitlichen Abflussverzögerung. <strong>Stadt</strong>grün erhöhtdie Klimaresilienz, das heißt die Wi<strong>der</strong>standsfähigkeitgegenüber klimawandelbed<strong>in</strong>gten Risiken und isterheblich preiswerter als technische Lösungen zumRückhalt großer Wassermengen.Je<strong>der</strong> gefällte Baum fehlt beim Klimaschutz<strong>Stadt</strong>bäume tragen zum Klimaschutz bei, weil sie dasklimaschädliche Kohlendioxid b<strong>in</strong>den: In Deutschlandliegt <strong>der</strong> Kohlenstoffvorrat <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong>bäume bei circa 62Millionen Tonnen. Das bedeutet, dass vom gesamtenbundesweit <strong>in</strong> Bäumen gespeicherten Kohlenstoffvorratrund sechs Prozent <strong>in</strong> <strong>Stadt</strong>grün und 94 Prozent<strong>in</strong> Wäl<strong>der</strong>n gespeichert ist. Betrachtet man Städte wieKarlsruhe, dann werden im <strong>Stadt</strong>gebiet etwa 70 Prozentdes Kohlenstoffs <strong>in</strong> <strong>Stadt</strong>wäl<strong>der</strong>n und 30 Prozent <strong>in</strong><strong>Stadt</strong>bäumen gespeichert. Alle<strong>in</strong> auf den <strong>Grün</strong>flächen<strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> Karlsruhe stehen rund 146.000 Straßen- undParkbäume, jährlich kommen bis zu 1.000 Bäume h<strong>in</strong>zu.Im Umkehrschluss bedeutet das: <strong>Stadt</strong>bäume, dieim Zuge von Baumaßnahmen gefällt werden, könnenke<strong>in</strong> CO 2mehr aufnehmen, wodurch die klimaschädlicheCO 2-Belastung steigt. Viele Städte und Geme<strong>in</strong>denhaben spezielle Programme aufgelegt, um die Pflanzungund Pflege von Bäumen auf öffentlichen undprivaten Flächen zu för<strong>der</strong>n.


74 Herausfor<strong>der</strong>ungen und Perspektiven beim <strong>Stadt</strong>grün / <strong>Grün</strong>buchPflege<strong>in</strong>tensität und QualitätStädte brauchen mehr und bessere <strong>Grün</strong>strukturenVerstärkt zieht es die Menschen – junge wie auch ältere,S<strong>in</strong>gles und Familien – zurück <strong>in</strong> <strong>Stadt</strong>regionen. DerZugang zu e<strong>in</strong>em grünen Wohnumfeld ist für vieleMenschen e<strong>in</strong> wichtiger Faktor bei <strong>der</strong> Wohnungssuche.Damit stellen sich neue Herausfor<strong>der</strong>ungen für die<strong>Stadt</strong>planung, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e h<strong>in</strong>sichtlich Qualität undGestaltung von <strong>Grün</strong>- und Freiflächen. Entwicklungsbedarfbesteht vielfach bei beson<strong>der</strong>en stadtgestalterischenwie ökologischen Qualitäten. Vor allem alte,oft das <strong>Stadt</strong>bild prägende Bäume, s<strong>in</strong>d von hervorragen<strong>der</strong>Bedeutung für die ökologische Qualität. Dafürbedarf es e<strong>in</strong>es langfristigen Entwicklungsplans, <strong>der</strong>Bereitstellung ausgedehnter Freiflächen (<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<strong>in</strong> Parks, größeren <strong>Grün</strong>anlagen und ehemaligen Kle<strong>in</strong>gartengebieten)sowie e<strong>in</strong>er neuen Sicht auf Verkehrssicherungspflichten.<strong>Stadt</strong>gestalterische Qualitätensollen zugleich soziale Funktionen wie Aufenthaltsqualität(Plätze) und nicht motorisierte Mobilität (Radwegeverb<strong>in</strong>dungen,Fußwege) för<strong>der</strong>n.<strong>Grün</strong>flächen werden nicht ausreichend gepflegtIn deutschen Städten s<strong>in</strong>d zwischen 1992 und 2012 dieErholungsflächen um mehr als e<strong>in</strong> Drittel gestiegen.<strong>Grün</strong>de hierfür s<strong>in</strong>d zunächst die Ausdehnung <strong>der</strong>Siedlungsflächen, aber auch die erfolgreiche E<strong>in</strong>griffs-Ausgleichs-Regelung. Baumaßnahmen s<strong>in</strong>d durchAusgleichsmaßnahmen, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel Pflanzungenund/o<strong>der</strong> Dachbegrünung, zu kompensieren. DemMehr an <strong>Grün</strong>- und Erholungsflächen gegenüber stehtjedoch e<strong>in</strong> deutlicher und anhalten<strong>der</strong> f<strong>in</strong>anzieller undpersoneller Abbau <strong>in</strong> den <strong>Grün</strong>flächenämtern, so dasshäufig nur noch e<strong>in</strong>e M<strong>in</strong>imalpflege städtischer <strong>Grün</strong>flächenmöglich ist. Gleichzeitig s<strong>in</strong>d die allgeme<strong>in</strong>enErwartungen und Anfor<strong>der</strong>ungen an die Qualität <strong>der</strong><strong>Grün</strong>flächen gestiegen.


<strong>Grün</strong>buch / Herausfor<strong>der</strong>ungen und Perspektiven beim <strong>Stadt</strong>grün 75Planung und Anlage von <strong>Grün</strong>flächenMit <strong>der</strong> personellen Ausdünnung <strong>der</strong> <strong>Grün</strong>flächenämterkann auch e<strong>in</strong> Verlust an Fachkompetenz und Erfahrungverbunden se<strong>in</strong>. Fachliche Fehler, die bereitsim Planungsprozess o<strong>der</strong> bei <strong>der</strong> Anlage von <strong>Grün</strong>flächengemacht werden, wirken sich oft nachteiligauf <strong>der</strong>en Funktionalität aus. Dazu gehören nebenunzureichen<strong>der</strong> Vorbereitung <strong>der</strong> Pflanzflächen undnicht standortgerechter Pflanzenwahl vor allem dienicht fachgerechte Pflanzung sowie Lagerung undTransport des Pflanzenmaterials. Die Anfälligkeit<strong>der</strong> Pflanzen gegenüber abiotischen und biotischenSchadfaktoren wird dadurch erhöht. Die Qualität <strong>der</strong><strong>Grün</strong>planung und -pflege hat direkten E<strong>in</strong>fluss auf dieQualität des <strong>Stadt</strong>grüns – hier sollte konsequent aufhohe Sach- und Fachkompetenz <strong>der</strong> Akteure geachtetwerden.Verkehrssicherungspflichten gefährden BaumbestandDie Anfor<strong>der</strong>ungen zur Gewährleistung <strong>der</strong> Verkehrssicherungspflichts<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den letzten Jahren erheblichgewachsen und b<strong>in</strong>den hierdurch große f<strong>in</strong>anzielle undpersonelle Ressourcen. Dies gefährdet den Altbaumbestand,vor allem diese Bäume s<strong>in</strong>d jedoch von großerBedeutung für die ökologische Qualität. Um e<strong>in</strong>en weiterenVerlust von verme<strong>in</strong>tlich nicht mehr verkehrssicherenAltbäumen zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n, s<strong>in</strong>d begrenzen<strong>der</strong>echtliche Vorgaben zu diskutieren.<strong>Grün</strong>flächen können Bodenrichtwerte und ImmobilienpreiseerhöhenHochwertige und attraktive <strong>Grün</strong>flächen wie beispielsweiseParkanlagen können zu e<strong>in</strong>er Aufwertung vonQuartieren führen – <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e solchen, die bishermit <strong>Stadt</strong>grün unterdurchschnittlich ausgestattet s<strong>in</strong>d.Mit höherer Lebens- und Wohnqualität <strong>der</strong> Bewohner<strong>in</strong>nenund Bewohner durch <strong>Stadt</strong>grün steigen auchBodenrichtwerte und Immobilienpreise. Freiräumekönnen Immobilienpreise um bis zu zehn Prozenterhöhen, <strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelfällen sogar noch mehr. RealistischeAnfor<strong>der</strong>ungen an Gestaltung, Aufenthaltsqualität,Zugänglichkeit lassen sich durch e<strong>in</strong>e frühzeitige Beteiligung<strong>der</strong> Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger erreichen. Die Verbesserung<strong>der</strong> Freiraumsituation muss sozial ausgewogense<strong>in</strong>, da sie lokal, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>in</strong> <strong>in</strong>nerstädtischenBereichen, durch den Anstieg von Mieten umgekehrtauch zu Problemen auf den Wohnungsmärkten bis h<strong>in</strong>zu Verdrängung führen. Segregationsprozesse, die dengesellschaftlichen Zusammenhalt gefährden, könnenso verstärkt werden.Die Potenziale vieler Brachflächen bleiben ungenutztAn <strong>der</strong> <strong>Grün</strong>entwicklung <strong>in</strong> Städten ist e<strong>in</strong>e Vielzahlvon Akteuren beteiligt. Eigentümer großer Flächen <strong>in</strong>Städten s<strong>in</strong>d neben Bund, Län<strong>der</strong>n und Kommunenauch private Akteure. Häufig werden Bauflächen nichtgenutzt, viele liegen brach. Vor allem <strong>in</strong> schrumpfendenStädten s<strong>in</strong>d seit den 1990er Jahren deshalbZwischennutzungen stark gefragt. Bürger<strong>in</strong>nen undBürger haben Interesse, diese Flächen zu gestalten.Urban-Garden<strong>in</strong>g-Projekte, Geme<strong>in</strong>schaftsgärten o<strong>der</strong>Skaterparks s<strong>in</strong>d beliebte temporäre Nutzungen. <strong>Für</strong>die Initiatoren solcher Zwischennutzungsprojekte istes jedoch nicht immer leicht, öffentliche o<strong>der</strong> privateAkteure davon zu überzeugen, ihre Flächen für e<strong>in</strong>ebegrenzte Zeit zur Nutzung freizugeben. Skepsis, wirt-


76 Herausfor<strong>der</strong>ungen und Perspektiven beim <strong>Stadt</strong>grün / <strong>Grün</strong>buchschaftliche Interessen, Bürokratie, rechtliche Aspekte:Es gibt viele <strong>Grün</strong>de, wieso Brachflächen nicht für e<strong>in</strong>eZwischennutzung zur Verfügung gestellt werden. E<strong>in</strong>weiteres Problem besteht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sorge, dass Zwischennutzero<strong>der</strong> Zwischenmieter nach längerer Flächennutzungnicht mehr weichen wollen. Auch möglicheAnwohnerproteste sollten im Vorfeld bedacht werden.Die Bedenken <strong>der</strong> Flächeneigentümer s<strong>in</strong>d optimalerweiseüber Zwischennutzungsverträge mit e<strong>in</strong>erRegelung des Rückbaus e<strong>in</strong>zudämmen.Gestaltung o<strong>der</strong> <strong>Stadt</strong>wildnisDie Mehrzahl <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong>bevölkerung präferiert vor allemgestaltete Park- und <strong>Grün</strong>anlagen, die regelmäßig gepflegtwerden. Was den Ansprüchen des <strong>Stadt</strong>menschenentspricht, trägt jedoch nicht unbed<strong>in</strong>gt zur biologischenVielfalt bei, denn <strong>der</strong> regelmäßige E<strong>in</strong>griff imRahmen des Pflegemanagements kann die im <strong>Stadt</strong>grünlebenden Pflanzen und Tiere stören. Solche Nutzungskonfliktes<strong>in</strong>d nur durch gesamtstädtische Planung undTrennung von <strong>in</strong>tensiven und weniger <strong>in</strong>tensiv bis garnicht gepflegten Bereichen zu vermeiden. Pfiffige Kompromisses<strong>in</strong>d extensive Staudenanlagen (zum Beispiel„Silbersommer“), bei denen nach e<strong>in</strong>er entsprechendenVorbereitung <strong>der</strong> Pflanzfläche e<strong>in</strong> speziell ausgewähltesStaudensortiment als Initialpflanzung e<strong>in</strong>gebracht wird.<strong>Für</strong> praktisch jede Pflanzsituation stehen entsprechendeSortimente zur Auswahl. Die Flächen s<strong>in</strong>d erheblichattraktiver als Spontanvegetationen, unterliegen aberdennoch e<strong>in</strong>er Sukzession und verän<strong>der</strong>n sich im Lauf<strong>der</strong> Jahre <strong>in</strong> ihrer Zusammensetzung. Der Pflegeaufwandbeschränkt sich auf e<strong>in</strong> jährliches Abmähen.F<strong>in</strong>anzierung, Organisation, Trägerschaftund InnovationspotenzialE<strong>in</strong>e nachhaltige <strong>Stadt</strong>entwicklungspolitik umfasste<strong>in</strong>e <strong>in</strong>telligente <strong>Grün</strong>flächenentwicklung und-bewirtschaftung. Die <strong>Grün</strong>flächenversorgung hatjedoch vielerorts nicht den erfor<strong>der</strong>lichen Stellenwertim kommunalen Aufgabenkatalog: Sie gehört zu denfreiwilligen kommunalen Aufgaben und steht somith<strong>in</strong>ter den Pflichtaufgaben zurück. Dadurch hängtdas Angebot von öffentlichen <strong>Grün</strong>flächen sowohl <strong>in</strong>quantitativer als auch <strong>in</strong> qualitativer H<strong>in</strong>sicht von denF<strong>in</strong>anzierungsmöglichkeiten <strong>der</strong> Kommune ab. Tendenziellist <strong>der</strong> f<strong>in</strong>anzielle Spielraum für das <strong>Stadt</strong>grün<strong>in</strong> vielen Städten deutlich e<strong>in</strong>geschränkt, vielerorts istPersonalabbau bis h<strong>in</strong> zur Schließung von Gartenbauämternan <strong>der</strong> Tagesordnung. Die Beschäftigtenzahlen<strong>in</strong> gartenbaunahen Berufsfel<strong>der</strong>n haben <strong>in</strong> nur 15 Jahrenbundesweit um bis zu 20 Prozent abgenommen. Problematischist darüber h<strong>in</strong>aus, dass Kostenberechnungund Vergaben oftmals nicht unter Langzeitaspekten erfolgen,die Pflegekosten, Nachhaltigkeit und Wertigkeitberücksichtigen. Vielmehr werden oft kostengünstigeSchnelllösungen favorisiert, die mittel- und langfristigzu e<strong>in</strong>em Qualitätsverlust im <strong>Stadt</strong>grün führen.Die Pflegekosten von Bestandsgrün s<strong>in</strong>d fürNothaushaltskommunen nicht tragbarInsbeson<strong>der</strong>e für Kommunen <strong>in</strong> Haushaltsnotlage ist esschwierig, allen Anfor<strong>der</strong>ungen an öffentliche <strong>Grün</strong>flächennachzukommen. Die Pflegekosten von Bestandsgrüns<strong>in</strong>d dort nicht zu f<strong>in</strong>anzieren beziehungsweisestehen nicht an erster Stelle <strong>der</strong> Prioritätenliste. <strong>Für</strong>Neupflanzungen und Umgestaltungen im <strong>Stadt</strong>grünist daher e<strong>in</strong>e gewisse Zurückhaltung zu beobachten –weniger aufgrund <strong>der</strong> Entwicklungskosten als vielmehrwegen <strong>der</strong> regelmäßigen Folgekosten, die für Pflege


<strong>Grün</strong>buch / Herausfor<strong>der</strong>ungen und Perspektiven beim <strong>Stadt</strong>grün 77anfallen. Zudem haben Kommunen <strong>in</strong> den letztenJahren aus Kostengründen vermehrt Personal ohne entsprechendeQualifikation für die <strong>Grün</strong>pflege e<strong>in</strong>gesetzt.Es hat sich gezeigt, dass dies für die <strong>Grün</strong>qualität nichtför<strong>der</strong>lich ist und somit im Gegensatz zu den Ansprüchen<strong>der</strong> Bevölkerung steht.Bürgerbeteiligung stärkt Identifikation undsichert spätere NutzungBürger<strong>in</strong>nen und Bürger wollen bei Vorhaben <strong>der</strong>urbanen <strong>Grün</strong>entwicklung beteiligt werden. Das istzum Teil ohneh<strong>in</strong> rechtlich vorgesehen, es ist aber vorallem mit Blick auf die Identifikation und spätere Nutzungdurch die Bürgerschaft höchst s<strong>in</strong>nvoll. <strong>Für</strong> vieleKommunen, vor allem solche mit Nothaushalt, s<strong>in</strong>d<strong>in</strong>tensive Beteiligungsverfahren jedoch aufgrund vonmangelnden f<strong>in</strong>anziellen und personellen Ressourcennicht immer umsetzbar, mit <strong>der</strong> Gefahr, dass grüneVorhaben an ihren Zielgruppen vorbeigeplant werden.Die Kompetenzen für das öffentliche <strong>Grün</strong> s<strong>in</strong>dzu bündeln und zu stärkenVielerorts s<strong>in</strong>d Verantwortung und Kompetenzen fürdas <strong>Stadt</strong>grün auf mehrere städtische Institutionen undE<strong>in</strong>richtungen verteilt. Sie sollten im Interesse effektiverPlanung, Entwicklung und Pflege wie<strong>der</strong> zusammengeführtwerden. E<strong>in</strong>e hohe Qualität bei Planung,Umsetzung, Pflege und Management des öffentlichen<strong>Grün</strong>s braucht engagierte Menschen und fachkundigeKöpfe, die verantwortlich die besten Lösungen für diezukunftsfähige Neuausrichtung erarbeiten. <strong>Grün</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong><strong>Stadt</strong> erfor<strong>der</strong>t e<strong>in</strong>e f<strong>in</strong>anzielle wie personelle M<strong>in</strong>destausstattung<strong>der</strong> beteiligten städtischen Institutionen.Gleichzeitig sollten Kommunen offen dafür se<strong>in</strong>, denzivilgesellschaftlichen Initiativen von Bürger<strong>in</strong>nen undBürgern, <strong>der</strong> lokalen Wirtschaft sowie von Institutionenund Stiftungen „Raum zu geben“. Erfolgversprechendist dabei, dass die öffentliche Hand undprivate Initiativen auf Augenhöhe agieren und klareAbsprachen treffen. <strong>Grün</strong>flächenämter s<strong>in</strong>d hierfür dieoptimale Organisationsform.<strong>Grün</strong>planung – e<strong>in</strong>e Kann- o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Pflichtaufgabe?Die Kommunen haben die Aufgaben <strong>der</strong> <strong>Grün</strong>planung,-anlage und -pflege unterschiedlich organisiert.Neben <strong>der</strong> traditionellen Form e<strong>in</strong>es ausdrücklichen<strong>Grün</strong>flächen- o<strong>der</strong> Gartenamtes gibt es verschiedeneneue Modelle. E<strong>in</strong>ige Städte haben Teilfunktionen des<strong>Grün</strong>flächenamtes bereits ausgeglie<strong>der</strong>t und Eigen-


78 Herausfor<strong>der</strong>ungen und Perspektiven beim <strong>Stadt</strong>grün / <strong>Grün</strong>bucho<strong>der</strong> Regiebetriebe, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e für die <strong>Grün</strong>pflege,gegründet o<strong>der</strong> schreiben bestimmte Leistungen anprivate Anbieter aus. In an<strong>der</strong>en Kommunen, teilweiseauch unterschiedlich <strong>in</strong> verschiedenen <strong>Stadt</strong>bezirken,s<strong>in</strong>d Aufgaben des <strong>Stadt</strong>grüns mit an<strong>der</strong>en kommunalenArbeitsbereichen zusammengelegt worden, zumBeispiel als Abteilungen des Tiefbaus o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Ver- undEntsorgung. Dar<strong>in</strong> stecken Konfliktpotenziale für diePlanung und den E<strong>in</strong>satz <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzmittel und desPersonals: Straßenbau o<strong>der</strong> <strong>Grün</strong>flächenpflege?Knappe Haushaltsmittel erfor<strong>der</strong>n neue F<strong>in</strong>anzierungswegeund BeteiligungsmöglichkeitenBei knappen Haushaltsmitteln kommt es umso mehrdarauf an, projektbezogen geeignete überregionaleFör<strong>der</strong>töpfe zu erschließen und kreativ neue F<strong>in</strong>anzierungswegezu eröffnen. Dies kann zum Beispiel überKostenbeteiligung von Bauherren (Pflege von <strong>Grün</strong>flächen/Dachbegrünung),die E<strong>in</strong>führung von zweckgebundenenAbgaben o<strong>der</strong> durch die Wie<strong>der</strong>e<strong>in</strong>führunge<strong>in</strong>es <strong>Grün</strong>fonds geschehen. Auch die Aktivierung vonbürgerschaftlichem Engagement kann unterstützendwirken. Solches Engagement aktiv zu unterstützen und<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e strategische, langfristig wirksame <strong>Grün</strong>-, NaturundFreiraumentwicklung e<strong>in</strong>zub<strong>in</strong>den, bietet nebene<strong>in</strong>er Entlastung des öffentlichen Haushalts vor allemviele Vorteile, was Akzeptanz und Identifizierung <strong>der</strong>Bürgerschaft mit ihrer Kommune betrifft.Potenziale zur Erhaltung, Verbesserung und Pflege <strong>der</strong>öffentlichen <strong>Grün</strong>flächen liegen auch <strong>in</strong> <strong>in</strong>novativen,marktorientierten o<strong>der</strong> auch kooperativen F<strong>in</strong>anzierungs<strong>in</strong>strumenten.Beispiele für marktorientierteKonzepte s<strong>in</strong>d (regionale) <strong>Grün</strong>fonds, Kompensationsmaßnahmen<strong>in</strong> Anlehnung an die E<strong>in</strong>griffs-Ausgleichs-Regelung o<strong>der</strong> sogenannte Payments for EcosystemsServices (PES) 14 . Im Gegensatz dazu setzen die kooperativenF<strong>in</strong>anzierungsmöglichkeiten auf e<strong>in</strong>e stärkereE<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>der</strong> bürgerlichen und unternehmerischenEngagements <strong>in</strong> Form von Public-Private-Partnerships.Darunter fallen gesellschaftliche Partizipationsformenwie das Öko- und Kultursponsor<strong>in</strong>g, aber auch dasE<strong>in</strong>richten von so genannten Bus<strong>in</strong>ess-Improvement-Districts o<strong>der</strong> die E<strong>in</strong>beziehung privaten Kapitals zurF<strong>in</strong>anzierung von öffentlichem <strong>Grün</strong> <strong>in</strong> Form vonFondsmodellen. Allen Modellen geme<strong>in</strong> ist die Grundidee,durch f<strong>in</strong>anzielle und organisatorische Beteiligunglokaler Interessen e<strong>in</strong>e Entlastung <strong>der</strong> kommunalenHaushalte und gleichzeitig e<strong>in</strong>e stärker nutzer- undgeme<strong>in</strong>wohlorientierte Entwicklung des <strong>Stadt</strong>grüns zuerreichen.Wert von <strong>Stadt</strong>grün erfor<strong>der</strong>t Inventarisierungim Kommunalhaushalt<strong>Für</strong> den ökonomischen Wert von <strong>Grün</strong> war bisherke<strong>in</strong>e Bilanzierung im S<strong>in</strong>ne des volkswirtschaftlichenNutzens üblich. Durch die doppische Haushaltsführung<strong>der</strong> Kommunen ist es nun möglich, e<strong>in</strong>e vollständigeInventarisierung <strong>der</strong> grünen Vermögenswertezu erreichen. So erhalten die Verantwortlichen <strong>in</strong> <strong>der</strong>Kommunalpolitik und -verwaltung e<strong>in</strong>e verbesserteTransparenz und belastbare Argumente für Aufbau undSteuerung e<strong>in</strong>es effizienten <strong>Grün</strong>flächenmanagements.Die sogenannte <strong>Grün</strong>e Doppik ist <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>nee<strong>in</strong> F<strong>in</strong>anzierungs<strong>in</strong>strument zur Sicherstellung desAngebots von öffentlichen <strong>Grün</strong>flächen sowie <strong>der</strong>enPflege und Erhaltung. Sie eröffnet neue Chancen undMöglichkeiten, den Erhalt und Ausbau von Funktionenöffentlicher <strong>Grün</strong>flächen zu optimieren. Soziale Fragens<strong>in</strong>d dabei zu berücksichtigen.Marktorientierte und kooperative F<strong>in</strong>anzierungsmodellenutzen


<strong>Grün</strong>buch / Herausfor<strong>der</strong>ungen und Perspektiven beim <strong>Stadt</strong>grün 79Perspektiven und Handlungsfel<strong>der</strong>Aus den Potenzialen und Konflikten von <strong>Grün</strong> ergebensich folgende Handlungsfel<strong>der</strong>, die <strong>in</strong> den Kommunen jenach <strong>in</strong>dividueller, regionaler und teilräumlicher Situationund Möglichkeit e<strong>in</strong>en unterschiedlichen Handlungsbedarfableiten. Wesentlichen E<strong>in</strong>fluss nehmenauch die Verän<strong>der</strong>ungen im Zuge des demographischenWandels – je nachdem, wie die Alters- und Sozialstruktursowie die perspektivische Entwicklung e<strong>in</strong>er <strong>Stadt</strong> o<strong>der</strong>e<strong>in</strong>es <strong>Stadt</strong>teils s<strong>in</strong>d, müssen verschiedene Entscheidungengetroffen werden. Die folgende Tabelle enthältÜberschneidungen von Handlungsfel<strong>der</strong>n <strong>in</strong>nerhalb<strong>der</strong> aufgezeigten Herausfor<strong>der</strong>ungen. Sie versteht sichals Materialsammlung und Anregung für die jeweils aufkommunaler Ebene zu entwickelnden Planungen.


80 Herausfor<strong>der</strong>ungen und Perspektiven beim <strong>Stadt</strong>grün / <strong>Grün</strong>buchHerausfor<strong>der</strong>ungenSoziale Aspekte undUmweltgerechtigkeitKlima und GesundheitHandlungsfel<strong>der</strong>Gesellschaftliche TeilhabeGenerationengerechtigkeitUmweltgerechtigkeitIntegration / BegegnungBildung / NaturerfahrungGestaltung und Aneignung durch BürgerschaftZivilgesellschaftliches EngagementZugänglichkeit / Erreichbarkeit / AufenthaltsqualitätenSicherheit / Krim<strong>in</strong>alprävention / VandalismusBarrierefreiheitSelbstversorgung (auch „mobile Flexibilität“)WohnumfeldWohnraumbedarf und NeubauInformation / Erhöhung des öffentlichen Bewusstse<strong>in</strong>s bezüglich <strong>der</strong> Bedeutungdes <strong>Stadt</strong>grüns h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> gesundheitlichen RelevanzVorsorgen<strong>der</strong> Gesundheitsschutz / Gesundheitsressource / Gesundheitsför<strong>der</strong>ungBewegung / SportAllergiem<strong>in</strong><strong>der</strong>nde <strong>Grün</strong>planung / Noxen / AllergienDurchgrünungsgrad von SiedlungenHitzestressBildung im Bereich Umwelt und Ernährung<strong>Grün</strong>standardsM<strong>in</strong><strong>der</strong>ung von Klimarisiken / Resilienz<strong>Stadt</strong>naturschutz / Biodiversität<strong>Stadt</strong>klima / Mikro- und WohnumfeldklimaLuftqualitätBlaue, wassergebundene StrukturenBauwerksbegrünungWitterungsextremeLärm<strong>Grün</strong>e Infrastruktur / <strong>Grün</strong>vernetzungGestaltungspr<strong>in</strong>zipien für Kaltluftentstehung und Frischluftaustausch<strong>Grün</strong>qualität<strong>Grün</strong>standards (Ausstattung, Erreichbarkeit, Zusammensetzung und an<strong>der</strong>es mehr)Funktionale Vielfalt / Zielgruppenspezifische <strong>Grün</strong>qualitätenQualitätskriterienWahrung des gartenkulturellen Erbes


<strong>Grün</strong>buch / Herausfor<strong>der</strong>ungen und Perspektiven beim <strong>Stadt</strong>grün 81Herausfor<strong>der</strong>ungenHandlungsfel<strong>der</strong>Biodiversität / Ökosystemleistungen / <strong>Stadt</strong>biotopkartierungenTechnisch versierte AusführungÄsthetik, AkzeptanzMultifunktionalitätDiversität von <strong>Stadt</strong>grün (symbolisch, gärtnerische Natur versus <strong>in</strong>dustriell urbaneNatur)<strong>Grün</strong>e InfrastrukturBauwerksbegrünungVernetzung von <strong>Grün</strong>flächenZugänglichkeit / Erreichbarkeit / AufenthaltsqualitätQualitätsmanagementPflegekonzepte<strong>Stadt</strong>naturschutz, WildnisBrachenflächenmanagementNutzungsvielfaltIntegrierte PflanzenschutzkonzepteF<strong>in</strong>anzierung, Organisationund TrägerschaftZusammenwirken von Architektur und <strong>Grün</strong>planungRechtliche VorgabenInvestitionskosten und Folgekosten – LebenszyklusmodelleMarktorientierte und kooperative F<strong>in</strong>anzierungsmodelleWertschätzungDoppische HaushaltsführungE<strong>in</strong>sparpotenzialeBürgerbeteiligung / Kommunikation bei PlanungsprozessenKooperation mit zivilgesellschaftlichen und privatwirtschaftlichenAkteurenKompetenzbündelungPflegemanagementDigitale PlanungswerkzeugeZwischennutzung / Informelle NutzungRevitalisierung / Umnutzung (zum Beispiel Friedhöfe) / UmgestaltungPlanung und Implementierung neuer <strong>Grün</strong>flächen<strong>Grün</strong>flächen<strong>in</strong>formationssystemeIntegrierte städtebauliche EntwicklungskonzepteVerkehrssicherheitTrägerschaft (privat / öffentlich / gemischt)


4<strong>Zukunft</strong>sideen für <strong>Grün</strong>e StädteDas Thema <strong>Stadt</strong>grün spielt bisher <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Zukunft</strong>sforschung e<strong>in</strong>e untergeordnete Rolle. Dabeis<strong>in</strong>d Szenarien wichtig, um frühzeitig Weichen für die grünen Städte <strong>der</strong> <strong>Zukunft</strong> zu stellen.Welche Rolle wird das <strong>Stadt</strong>grün im Jahr 2050 spielen? Wie stellt sich die junge Generation dieStädte von morgen vor? Wichtige Fragen, mögliche Antworten.


<strong>Grün</strong>buch / <strong>Zukunft</strong>sideen für <strong>Grün</strong>e Städte 83Visionen und <strong>Zukunft</strong>sbil<strong>der</strong> zur <strong>Grün</strong>en <strong>Stadt</strong>„Mehr <strong>Grün</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong>!“ - so mehrheitsfähig diese For<strong>der</strong>ungauch ist, die Me<strong>in</strong>ungen gehen im Detail dochause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>: Ob Naturschützer, Hobbygärtner, Klimaforscher,Anwohner, Kommunalpolitiker, Immobilien<strong>in</strong>vestoren,S<strong>in</strong>gles, Großfamilien o<strong>der</strong> Senioren, je<strong>der</strong>und jede hat ganz eigene Erwartungen an <strong>Grün</strong>räume.Aber es gibt auch geme<strong>in</strong>same Interessen und Vorstellungendavon, wie <strong>Grün</strong>e Städte se<strong>in</strong> sollten. In <strong>der</strong>Debatte um die <strong>Stadt</strong> <strong>der</strong> <strong>Zukunft</strong> stellen sich unter an<strong>der</strong>emFragen wie: Wofür genau brauchen wir das <strong>Grün</strong><strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong>? Wie soll es aussehen? Ist e<strong>in</strong>e grüne <strong>Stadt</strong>im digitalen Zeitalter nicht irgendwie „von gestern“?Um sich den Antworten zu diesen Fragen anzunähern,hatte das BBSR unter dem Motto „<strong>Grün</strong>er wird’s nicht– o<strong>der</strong> doch?“ im Dezember 2014 e<strong>in</strong>en Studierendenwettbewerbausgelobt. Gesucht wurden Beiträge, diekreative und experimentelle Ideen formulieren, wiee<strong>in</strong>e <strong>Grün</strong>e <strong>Stadt</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Zukunft</strong> aussehen kann. Studierendeund junge Absolvent<strong>in</strong>nen und Absolventenwurden dazu aufgerufen, <strong>Zukunft</strong>sbil<strong>der</strong> zu ihrenVorstellungen <strong>der</strong> <strong>Grün</strong>en <strong>Stadt</strong> von morgen zu entwickeln.Neben dem Blick <strong>in</strong> die <strong>Zukunft</strong> sollten auchdie aktuellen Themenfel<strong>der</strong> und Herausfor<strong>der</strong>ungenvon „<strong>Grün</strong>“ aufgegriffen werden.Der Wettbewerb glie<strong>der</strong>te sich, um e<strong>in</strong>e möglichst großeBandbreite an Lösungsansätzen und <strong>Zukunft</strong>svorstellungenzu erhalten, <strong>in</strong> <strong>in</strong>sgesamt acht Themenfel<strong>der</strong>:1. <strong>Grün</strong>planung und <strong>Grün</strong> am Bau: Wie kann <strong>Grün</strong>besser <strong>in</strong> die städtebauliche und architektonischeGestaltung <strong>in</strong>tegriert werden?2. Biodiversität, <strong>Stadt</strong>natur und Klima: Was ist das„richtige“ <strong>Grün</strong> am „richtigen“ Ort?3. Gesundheit und Sport: Welche Bewegungsräumeund neuen Trends entstehen <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Grün</strong>en <strong>Stadt</strong>?Wie verän<strong>der</strong>n diese Trends unsere Städte?4. Umweltgerechtigkeit, Teilhabe und Integration: Wiekann e<strong>in</strong> gleicher Zugang zu <strong>Grün</strong> für alle gewährleistetund verhandelt werden?5. „<strong>Grün</strong> selber machen“ und „Urban Garden<strong>in</strong>g“: Wermacht mit <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Grün</strong>en <strong>Stadt</strong> <strong>der</strong> <strong>Zukunft</strong>?6. F<strong>in</strong>anzierung und Pflege: Welche tragfähigen ökonomischenLösungen bestehen?7. Wachstumsbed<strong>in</strong>gungen: Wie lassen sich Nachverdichtungund <strong>der</strong> Erhalt von <strong>Grün</strong> zusammenbr<strong>in</strong>gen?8. Schrumpfungsbed<strong>in</strong>gungen: Welche Qualitätenschafft e<strong>in</strong>e geplante Rückeroberung von Siedlungsraumdurch die Natur?Die 28 e<strong>in</strong>gegangenen Arbeiten enthalten viele guteIdeen, wie Kommunen, Unternehmen und die Zivilgesellschaftmit <strong>Grün</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> umgehen sollte.Herauskristallisiert hat sich dar<strong>in</strong> die Rolle <strong>der</strong> Bürgerschaft,die zukünftig e<strong>in</strong>e immer wichtigere Positionbei <strong>der</strong> Gestaltung und Pflege von Flächen haben wird.Die dargestellten Szenarien <strong>der</strong> Studierenden bewegensich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em großen Spektrum: vom <strong>in</strong>nerstädtischen„Schrumpfstadtdschungel“, über die „<strong>Stadt</strong> <strong>der</strong> grünenWege“ bis h<strong>in</strong> zum Bild „Wir Farmer vom Bahnhof Zoo“generierten die Wettbewerbsteilnehmer Visionen, die<strong>in</strong> direktem <strong>in</strong>haltlichen Zusammenhang mit den im<strong>Grün</strong>buch aufgeführten Herausfor<strong>der</strong>ungen stehen.Am 25. März 2015 kürte e<strong>in</strong>e siebenköpfige Jury dreierste Preise und würdigte zudem e<strong>in</strong>e weitere Arbeit.Die prämierten Arbeiten werden auf den nun folgendenSeiten dargestellt.


84 <strong>Zukunft</strong>sideen für <strong>Grün</strong>e Städte / <strong>Grün</strong>buch<strong>Grün</strong> <strong>Stadt</strong> StraßeDieses Projekt wurde e<strong>in</strong>gereicht durch:Sebastian SowaHafencity Universität HamburgDie urbane Mobilität <strong>der</strong> <strong>Zukunft</strong> setzt nicht auf dasAuto. Der Preisträgerentwurf spürt den Potenzialennach, die e<strong>in</strong>e multimodale urbane Mobilität für die<strong>Stadt</strong>landschaft eröffnet und entwickelt e<strong>in</strong> Szenario,<strong>in</strong> dem neu über Verkehrsflächen nachgedacht wird.Anhand verschiedener Visionen werden die Möglichkeitenund Potenziale e<strong>in</strong>er postfossilen Mobilitätaufgezeigt, die neue Freiräume und Möglichkeiten <strong>der</strong>Begrünung mit sich br<strong>in</strong>gen.Die Nutzung dieser neu gewonnenen Freiräume mussjedoch unter den Anwohnern, <strong>der</strong> Kommune, <strong>der</strong> Wirtschaftund Fachplanern immer wie<strong>der</strong> verhandelt werden.Der Gew<strong>in</strong>n des Rückbaus überdimensionierterPreisträgerentwurfStraßenräume zeigt sich durch die vielfältigen neuenRäume, die sich entwickeln können: Agrarflächen undWäl<strong>der</strong>, die die Städte zurückerobern, Gärten, die neueRäume für Pflanzen, Tiere und Menschen schaffenund neue Flächen für Sport, Freizeit und Erholung. DieArbeit prognostiziert, dass, bed<strong>in</strong>gt durch den Klimawandel,sich auch die Sortimente an Pflanzen, die <strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> gut gedeihen können, verän<strong>der</strong>n werden:Purpurerle, Silberl<strong>in</strong>den und Eichen des Mittelmeerraumssollen <strong>in</strong> <strong>Zukunft</strong> E<strong>in</strong>zug <strong>in</strong> die Städte erhaltenund Kiefern werden zu den <strong>Stadt</strong>bäumen <strong>der</strong> <strong>Zukunft</strong>.


<strong>Grün</strong>buch / <strong>Zukunft</strong>sideen für <strong>Grün</strong>e Städte 85Freiraum als Stoffwechsel / ReallaborDieses Projekt wurde e<strong>in</strong>gereicht durch:Lena FlammTU Berl<strong>in</strong>PreisträgerentwurfDie Vision e<strong>in</strong>er grünen <strong>Stadt</strong> <strong>der</strong> <strong>Zukunft</strong> wird <strong>in</strong>dieser Arbeit als e<strong>in</strong> Organismus mit <strong>in</strong>ternen Stoffkreisläufen,ähnlich <strong>der</strong> Funktionsweise e<strong>in</strong>er verlustfreienZirkulation von Nährstoffen <strong>in</strong> Ökosystemen,dargestellt. In <strong>der</strong> Peripherie <strong>der</strong> Städte soll e<strong>in</strong> neuerproduktiver Freiraumtypus geschaffen werden, welcherdie Stoffkreisläufe <strong>der</strong> urbanen Ver- und Entsorgungals Teil des öffentlichen Raums sichtbar und nutzbarmacht. Der l<strong>in</strong>eare Raum entlang von Stromtrassen,Fernwärmerohren und Vorflutern <strong>in</strong> <strong>der</strong> äußeren <strong>Stadt</strong>entwickelt sich zu e<strong>in</strong>em Reallabor. Unterschiedliche„Transformatorenprojekte“ reagieren auf die Flächen-und Stoffwechselpotenziale <strong>der</strong> vorhandenenInfrastruktur: Öffentliche Gewächshäuser komb<strong>in</strong>ierenurbane Gemüseproduktion im öffentlichen Raum mitzukunftsweisenden Technologien <strong>der</strong> Abwasserre<strong>in</strong>igung<strong>in</strong> „Algenphotobioreaktoren“. Als Symbiontendocken diese an lokale Industrieunternehmen anund nutzen <strong>der</strong>en Abwärme und Abwasser zur Gemüseproduktion.Mit Algen gefüllte semipermeablePlastikbän<strong>der</strong> re<strong>in</strong>igen das <strong>in</strong> die Vorfluter e<strong>in</strong>geleiteteStraßenregenwasser von Schwermetallen und an<strong>der</strong>enschädlichen Stoffen. E<strong>in</strong>e ganze Reihe neuer <strong>Grün</strong>-Funktionen, wie Nahrungs- und Energieproduktion,die Aneignung von Brachflächen für sportliche Aktivitäteno<strong>der</strong> zur Wasserre<strong>in</strong>igung werden somit an bisherisolierte Systeme gekoppelt.


86 <strong>Zukunft</strong>sideen für <strong>Grün</strong>e Städte / <strong>Grün</strong>buchPop-Up Sports GroundDieses Projekt wurde e<strong>in</strong>gereicht durch:Markus We<strong>in</strong>igTU MünchenDie dichte und wachsende <strong>Stadt</strong> ist „grün“, wenn siegenug Räume für Experimente, Sport und Bewegungaufweist. Die Arbeit skizziert sogenannte „Pop-UpSports Grounds“, die sich als temporäre Sporträumeauf ungenutzten Flächen, wie Brachen o<strong>der</strong> Nischen,ansiedeln. Die sich so ergebende mobile „Fitnessarchitektur“besteht aus offenen Flächen und e<strong>in</strong>emSystem aus modularen, mobilen Sportelementen.Neben <strong>der</strong> Funktion als Freizeitort übernehmen dieneu geschaffenen Orte auch e<strong>in</strong>e soziale Funktion alsTreffpunkte und Austauschplattformen <strong>der</strong> Nachbarschaft.Betrieben werden die „Sports Grounds“ durchGesellschaften o<strong>der</strong> geme<strong>in</strong>nützige Vere<strong>in</strong>e, die dieAnlagen für bestimmte Zeitfenster an zum BeispielPreisträgerentwurffreiberufliche Kursleiter vermieten. Der Verfasser <strong>der</strong>Arbeit betrachtet Sport als Katalysator und urbaneTriebkraft, damit Freiräume von Bürger<strong>in</strong>nen undBürgern spontan und flexibel angeeignet werdenkönnen. Die „Sports Grounds“ bilden e<strong>in</strong>e Alternativezu kommerziellen Fitnessstudios o<strong>der</strong> etabliertenRäumen, da sie je<strong>der</strong>mann zur Verfügung stehen. Siekönnen wichtige Impulse für die Neuentwicklung vonQuartieren geben, das Wohnumfeld verbessern undfungieren als städtische Versuchsfel<strong>der</strong>.


<strong>Grün</strong>buch / <strong>Zukunft</strong>sideen für <strong>Grün</strong>e Städte 87Gartenstadt <strong>der</strong> <strong>Zukunft</strong>Dieses Projekt wurde e<strong>in</strong>gereicht durch:Maria VenusTU Berl<strong>in</strong>Die Gartenstadt <strong>der</strong> <strong>Zukunft</strong> ist e<strong>in</strong>e <strong>Stadt</strong>, <strong>in</strong> <strong>der</strong> sichstädtische Akteure aktiv <strong>in</strong> die Gestaltung ihres „grünen“Umfeldes e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen. Dadurch kann e<strong>in</strong>e <strong>Grün</strong>e<strong>Stadt</strong> entstehen, <strong>in</strong> <strong>der</strong> die Verwaltung von <strong>Grün</strong>flächennicht nur <strong>in</strong> den Behörden verankert ist, son<strong>der</strong>nVerantwortung an städtische Akteure übergibt. DieBeteiligung dieser Akteure soll durch e<strong>in</strong>en niedrigschwelligenProzess geför<strong>der</strong>t werden. Die städtischenBehörden erarbeiten „<strong>in</strong>teraktive <strong>Grün</strong>ordnungspläne“und stellen über e<strong>in</strong>e Internetplattform <strong>in</strong>teressiertenBürger<strong>in</strong>nen und Bürgern H<strong>in</strong>tergrund<strong>in</strong>formationenüber bestehende <strong>Grün</strong>flächen zur Verfügung. Informationenzu <strong>Grün</strong>flächen können direkt über QR-Codesvor Ort abgefragt werden.WürdigungE<strong>in</strong>e städtische Koord<strong>in</strong>ierungsstelle steuert dieseneue Form <strong>der</strong> Flächennutzung. Bei <strong>der</strong> Nutzung vonFlächen über zehn Quadratmeter entscheiden dieangemeldeten „User“ <strong>der</strong> Plattform über die Nutzungsidee.Bei diesem Ansatz werden klassische Formen undWerkzeuge <strong>der</strong> <strong>Grün</strong>raumplanung und Bürgerbeteiligungmit aktuellen medialen Möglichkeiten verknüpft.Sie ist damit e<strong>in</strong>e Reaktion auf die immer stärkerwerdende Bedeutung e<strong>in</strong>er digitalen Gesellschaft undverb<strong>in</strong>det diese mit dem bestehenden Bedürfnis nachqualifizierten Freiräumen.


88 <strong>Zukunft</strong>sideen für <strong>Grün</strong>e Städte / <strong>Grün</strong>buchUtopie und Pragmatismus –Was kennzeichnet die <strong>Grün</strong>e <strong>Stadt</strong> 2030?von Robert Kaltenbrunner (BBSR)Utopien, schreibt Robert Musil <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em epochalenRoman ‚Mann ohne Eigenschaften‘, „Utopien bedeutenungefähr soviel wie Möglichkeiten; dar<strong>in</strong>, dass dieMöglichkeit nicht Wirklichkeit ist, drückt sich nichtsan<strong>der</strong>es aus, als dass die Umstände, mit denen siegegenwärtig verflochten ist, sie daran h<strong>in</strong><strong>der</strong>n, dennan<strong>der</strong>nfalls wäre sie ja nur e<strong>in</strong>e Unmöglichkeit; löstman sie nun aus ihrer B<strong>in</strong>dung und gewährt ihr Entwicklung,so entsteht die Utopie.“ Sie wäre demnach,wie sich ergänzen lässt, Ausdruck <strong>der</strong> Hoffnung aufVerän<strong>der</strong>ung.Städte waren immer Orte <strong>der</strong> Innovationund treibende Kraft von Entwicklungen,quer durch alle Epochen und Kulturen.Da die beschleunigt voranschreitende Verstädterungunserer Welt tiefgreifende Überformungen mit sichbr<strong>in</strong>gt, die bisher we<strong>der</strong> <strong>in</strong> ihren Auswirkungen vollerfasst werden können noch als endlicher Prozess absehbars<strong>in</strong>d, braucht es – gesellschaftlich getragene –Visionen. Städte waren immer Orte <strong>der</strong> Innovationund treibende Kraft von Entwicklungen, quer durchalle Epochen und Kulturen. Hoffnung auf Verän<strong>der</strong>ungheißt demnach, über den utilitaristischen undallenfalls angehübschten ‚Standort‘ für den globalplayer h<strong>in</strong>ausgehen. Urban ist ja nicht bloß e<strong>in</strong>ökonomisches Wirkungsgefüge, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Lebensraumfür den Alltag Vieler. Indes, e<strong>in</strong>e gewisse Skepsissche<strong>in</strong>t angebracht. Denn bislang waren Utopien immere<strong>in</strong> durchkonstruierter Idealzustand, nie als Prozessgedacht. Ihr Gebrauchswert war immer dadurchbeschränkt, dass mit ihr die Zeit ausgeschaltet, <strong>der</strong>Wandel nicht verstanden wurde. Die technokratischeUtopie <strong>der</strong> Spezialisten, ihre Hilfsmittel, mit denensie hofften, die Krise <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> zu überw<strong>in</strong>den, zeigenzumeist bloß ihre Begrenztheit. Von den utopischenSozialisten Robert Owen, Charles Fourier und EtienneCabet über spätere Visionäre wie Frank Lloyd Wrightbis h<strong>in</strong> zu den Entwerfern <strong>der</strong> CO 2-neutralen ‚MasdarCity‘: Sie setzten <strong>der</strong> wirklichen <strong>Stadt</strong> e<strong>in</strong>e ideale <strong>Stadt</strong>entgegen. Daraus ist, historisch gesehen, nicht vielgeworden. Der gesellschaftliche Impetus, <strong>der</strong> all dieseUtopien speist, verschmäht zumeist die banale Wirklichkeit.Woraus man freilich nicht folgern sollte, dasshochfliegende Konzepte und Ansätze per se uns<strong>in</strong>nigseien. Die ungebrochene Aktualität von ‚utopischen‘Vorschlägen illustriert vielmehr e<strong>in</strong>e grundsätzlicheProblemannäherung, bei <strong>der</strong> ‚<strong>Grün</strong>‘ stets e<strong>in</strong>e entscheidendeRolle spielt.Aktuelle BeispieleHierzu e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es Streiflicht: Der InternationaleHochhauspreis wurde im November 2014 an den‚Bosco Verticale‘ <strong>in</strong> Mailand verliehen. Der ArchitektStefano Boeri hat e<strong>in</strong> Gebäudetandem kreiert, bei demdas <strong>Grün</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Jahren e<strong>in</strong>en dichten Pelz bildet:An den beiden Häusern, 78 und 122 Meter hoch,wachsen 900 Bäume und 500 Sträucher – tatsächliche<strong>in</strong>e Art vertikaler Wald, unterbrochen lediglich durchdie Fenster. Dabei verän<strong>der</strong>n sich die Fassaden mitden Jahreszeiten: Im Sommer sorgen die Blätter fürSchatten, so dass sich die Bauten nicht so stark aufheizenund für e<strong>in</strong> angenehmes Mikroklima gesorgtist. Wenn dann im Herbst die Blätter fallen, treffendie wärmenden Sonnenstrahlen ungeh<strong>in</strong><strong>der</strong>t auf diedah<strong>in</strong>terliegenden Wände. E<strong>in</strong>e ‚grüne‘ Architektur,die auf ihre Umwelt reagiert – das ist die Vision, diehier, exemplarisch an e<strong>in</strong>em <strong>Stadt</strong>-Bauste<strong>in</strong>, umgesetztwird.Zugleich werden ganze Idealstadt-Visionen lanciert –fundamental im Anspruch, mitunter betörend <strong>in</strong> dendazu gehörigen Bil<strong>der</strong>n. Auch sie suchen Antwortenauf reale Probleme, wenngleich ihr utopischer Gehaltsie zunächst e<strong>in</strong>mal ungewiss ersche<strong>in</strong>en lässt.Ganze Idealstadt-Visionen werden lanciert -fundamental im Anspruch, mitunter betörend <strong>in</strong>den dazu gehörigen Bil<strong>der</strong>n.Der ostasiatische Küstenstreifen etwa gehört zu denam dichtest besiedelten Regionen <strong>der</strong> Erde; Baulandist ebenso knapp wie e<strong>in</strong>e klare Entwicklungsperspektive.Vor diesem H<strong>in</strong>tergrund haben ch<strong>in</strong>esische


<strong>Grün</strong>buch / <strong>Zukunft</strong>sideen für <strong>Grün</strong>e Städte 89Ingenieure und britische Architekten ‚Float<strong>in</strong>g City‘entwickelt, e<strong>in</strong>e riesige schwimmende Insel imMeer. Und die japanische Firma Shimizu plant mit‚Ocean Spiral‘ e<strong>in</strong>e veritable Unterwasserstadt: e<strong>in</strong>emit Acrylglas ummantelte Kapsel, die Platz für 4.000Bewohner<strong>in</strong>nen und Bewohner bieten, autark wirtschaftenund bis 2030 verwirklicht werden soll.Daneben gibt es Ansätze, die sich dezidiert als Reaktionauf den Klimawandel verstehen. ‚A StrongerMore Resilient New York‘, von <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong>verwaltungim Sommer 2013 verabschiedet, gilt <strong>in</strong> <strong>der</strong> US-amerikanischenMetropole als Maßstab künftiger Planungen:Das viel zu knappe Überflutungsgebiet, <strong>in</strong> dembereits heute 400.000 New Yorker leben, müsse massivausgedehnt werden. Das erfor<strong>der</strong>t flexible Antwortenangesichts des Gebäudebestands und <strong>der</strong> Bedürfnissevon communities.Idealstadt-Visionen suchen Antwortenauf reale Probleme, wenngleich ihr utopischerGehalt sie zunächst e<strong>in</strong>mal ungewissersche<strong>in</strong>en lässt.Nun hat die Kopenhagener Bjarke Ingels Group (BIG)e<strong>in</strong>en Entwurf auf <strong>der</strong> Basis von Computeranimationenvorgelegt. Mag dies zunächst nicht mehr als e<strong>in</strong>Wunschbild se<strong>in</strong> – das ‚BIG U‘, das sie für Manhattansspektakuläre Landzunge entworfen hat, ist trotzdemverführerisch. <strong>Für</strong> die Halb<strong>in</strong>sel ist nunmehr e<strong>in</strong>e grüne,terrassenförmige Böschung vorgesehen, die vornehmlichals Naherholungsgebiet dient: mit Fußgänger-und Radwegen, mit Spiel- und Sportplätzen, mitRestaurants und Kulture<strong>in</strong>richtungen, mit Angebotenfür Bootstouren und Urban Garden<strong>in</strong>g.Woh<strong>in</strong> <strong>Stadt</strong> entwickeln?Vor e<strong>in</strong>iger Zeit ist das Buch ‚Utopia Forever. Visionsof Architecture and Urbanism‘ erschienen. Über hun<strong>der</strong>tEntwürfe s<strong>in</strong>d dar<strong>in</strong> zu f<strong>in</strong>den, hoffnungsvoll blickendie meisten <strong>in</strong> die <strong>Zukunft</strong>. Da wachsen elegantorganisch geformte Türme <strong>in</strong> den blauen Himmel,werden Natur und Technik mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> versöhnt, ausPr<strong>in</strong>zipien <strong>der</strong> Nutzung regenerativer Energie werden<strong>Stadt</strong>formen entwickelt. Sternenförmige Städte s<strong>in</strong>dmobil wie <strong>in</strong> den 1960ern die Walk<strong>in</strong>g Cities, aus Flugzeugträgernwerden mobile Vergnügungsparks, aufkünstlichen und schwimmenden Inseln wird Ackerbaubetrieben. Der Himmel wird bevölkert, kaume<strong>in</strong>mal ist Müll o<strong>der</strong> menschliches Elend zu sehen.Der vom Bundes<strong>in</strong>stitut für Bau-, <strong>Stadt</strong>- und Raumforschungausgelobte Studentenwettbewerb evoziertzwar etwas an<strong>der</strong>e Bil<strong>der</strong>, wirft letztlich aber die gleichenFragen auf: Benötigen wir solche Visionen, umD<strong>in</strong>ge voranzutreiben? S<strong>in</strong>d sie eher Reflexionen <strong>der</strong>Gegenwart, ihrer Ängste und Bedrohung, e<strong>in</strong>e Kritikan herrschenden Zuständen? O<strong>der</strong> def<strong>in</strong>ieren sie dieGrenzen, die wir nie werden überschreiten können?Es gibt ke<strong>in</strong>erlei Anzeichen dafür, dass <strong>der</strong>menschliche Bezug zum realen Raum durch diefortschreitende Digitalisierung ger<strong>in</strong>ger wird.Nun ist nicht auszuschließen, dass die LandschaftsundRaumbil<strong>der</strong> <strong>der</strong> mobilen und – verme<strong>in</strong>tlich –ortlosen Informationsgesellschaft völlig an<strong>der</strong>saussehen als die gewohnten. Doch es gibt ke<strong>in</strong>erleiAnzeichen dafür, dass <strong>der</strong> menschliche Bezug zumrealen Raum durch die fortschreitende Digitalisierungger<strong>in</strong>ger wird. Im Gegenteil: Wenngleich die Dialektikvon <strong>Stadt</strong> und Landschaft neu gedacht werden muss,so darf man doch das urbane <strong>Grün</strong> getrost als ‚gesetzt‘betrachten. Freilich ist es unabd<strong>in</strong>gbar, über dessenMachbarkeit Rechenschaft abzulegen. Und dabei spielenauch Aspekte wie etwa die Frage von Pflege undUnterhalt o<strong>der</strong> die nach <strong>der</strong> Resilienz e<strong>in</strong>e Rolle.Auffällig jedenfalls ist, dass <strong>in</strong> vielen zeitgenössischenEntwürfen e<strong>in</strong>er <strong>Zukunft</strong>sstadt das ‚Wesen‘ des <strong>Grün</strong>smit dem ‚Wesen‘ des Urbanen korreliert. Die <strong>Stadt</strong>verkörpert demnach die offene Dynamik, die <strong>der</strong>ländlichen Ordnung entgegengesetzt ist, denn sie isttraditionell <strong>der</strong> Ort <strong>der</strong> Begegnungen mit dem Fremdenund vielfältiger kultureller Entwicklungsmöglichkeiten.Mit urbanem <strong>Grün</strong> verb<strong>in</strong>det man ebenfallsDenkfiguren wie Freiheit, Pluralität, Flexibilität undIntegration. Und deshalb ist, umgekehrt, die <strong>Stadt</strong>auch <strong>der</strong> symbolische Ort e<strong>in</strong>er mo<strong>der</strong>nen Natur.Allerd<strong>in</strong>gs geht es dann weniger um ‚Naturschutz‘ <strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>Stadt</strong>, vielmehr um e<strong>in</strong>e Freiraumplanung, die dieöffentlichen Räume für die <strong>Stadt</strong>bewohner nutzbarmacht.Anregungen aus ProjektenZwei aktuelle Tendenzen werden, <strong>in</strong> <strong>der</strong> e<strong>in</strong>en o<strong>der</strong>an<strong>der</strong>en Form, dabei künftig e<strong>in</strong>e Rolle spielen. Zume<strong>in</strong>en das neue Zusammendenken von Mobilität


90 <strong>Zukunft</strong>sideen für <strong>Grün</strong>e Städte / <strong>Grün</strong>buchund <strong>Stadt</strong>raum – trotz o<strong>der</strong> gerade weil ‚smart city‘ alsSchlagwort <strong>der</strong>zeit en vogue ist. Nicht mit dem Autoo<strong>der</strong> <strong>der</strong> Schnellbahn, son<strong>der</strong>n zu Fuß und mit demFahrrad werden sich die Menschen <strong>in</strong> <strong>Zukunft</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong><strong>Stadt</strong> bewegen. Das mag heute noch Wunschdenkense<strong>in</strong>, doch könnte das Konzept <strong>der</strong> sogenannten SharedSpaces dieser Hypothese Vorschub leisten. Verkürztist dies <strong>der</strong> sich selbst erklärende Raum. In ihm weißje<strong>der</strong>, ob Fußgänger, Auto- o<strong>der</strong> Radfahrer, wie er sichverhalten muss, um an<strong>der</strong>en nicht zu schaden o<strong>der</strong> sichnicht selbst zu gefährden. Drei Paradigmen liegen dabeizugrunde: Da ist zum e<strong>in</strong>en die Umgebung, die durchihre bauliche und landschaftliche Gestaltung erkennenlässt, dass man sich unter Menschen bef<strong>in</strong>det; da ist<strong>der</strong> psychologische Aspekt, wonach weniger RegelnUnsicherheit erzeugen, was wie<strong>der</strong>um mehr Eigenverantwortungverlangt, die zu mehr Sicherheit führt; undda ist schließlich die Partizipation <strong>der</strong> Planer, Politikerund Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger bei <strong>der</strong> Entstehungsolcher Projekte. Zum<strong>in</strong>dest ist es e<strong>in</strong>e so legitime wieerstrebenswerte Vision, Straßen und Straßenräumewie<strong>der</strong> stärker zu Lebensräumen selbstbestimmterMenschen werden zu lassen. Zum an<strong>der</strong>en die Bewegungdes Urban Garden<strong>in</strong>g – eben weil sie zu e<strong>in</strong>erneuen Lesart von <strong>Stadt</strong> auffor<strong>der</strong>t. Die <strong>in</strong> den letztenJahren <strong>in</strong> vielen großen Städten entstandenen Geme<strong>in</strong>schaftsgärten,Kiezgärten, Interkulturellen Gärten undNachbarschaftsgärten zielen mit dem <strong>Grün</strong> als Mediumzugleich auch direkt auf die <strong>Stadt</strong> als Lebensraum undsenden visuelle Vorstellungen von Urbanität, die dasAuge zunächst irritieren. Der Gemüseanbau <strong>in</strong> ausgedientenBäckerkisten und umgebauten Europalettenh<strong>in</strong>terfragt – mehr o<strong>der</strong> weniger subtil – unser Bild von<strong>der</strong> Res publica.Zwei aktuelle Tendenzen werden künftig e<strong>in</strong>eRolle spielen: das neue Zusammendenken vonMobilität und <strong>Stadt</strong>raum und die Bewegungdes Urban Garden<strong>in</strong>g.Zu den wesentlichen Adressaten gehören dabei diePlaner, aber auch die <strong>Stadt</strong>verwaltung, die man bei<strong>der</strong> Gestaltung des öffentlichen Raums darauf aufmerksammachen will, dass die <strong>Stadt</strong> ke<strong>in</strong> Conta<strong>in</strong>erfür noch mehr Autobahnen und Shopp<strong>in</strong>g-Malls ist,son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong> Lebensraum für alle, <strong>in</strong> dem auch überdie Grundlagen <strong>der</strong> Existenz debattiert werden sollte.Die politischen Formen <strong>der</strong> „Generation Garten“zeichnen sich weniger durch For<strong>der</strong>ungskataloge alsdurch Performanz, durch punktuelle und symbolischeInterventionen aus.E<strong>in</strong> pragmatischer VorschlagBraucht es dafür utopische Konzepte? Reicht nichtwomöglich e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>fache Faustregel, die nach demLandschaftsgeographen Gerhard Hard dar<strong>in</strong> besteht,„die öffentlichen Freiräume so zu organisieren, dasssie für die <strong>Stadt</strong>bewohner und an<strong>der</strong>e <strong>Stadt</strong>nutzerbenutzbar, zum<strong>in</strong>dest begehbar s<strong>in</strong>d. Das sozial undökologisch s<strong>in</strong>nlose Kle<strong>in</strong>grün <strong>der</strong> amtlichen Gartenkunstsollte aus den öffentlichen Freiräumen verschw<strong>in</strong>den;Bäume und Baumpflege, das genügt –und zwar <strong>Stadt</strong>bäume mit hochgestellten Kronen undWer e<strong>in</strong>e Antwort sucht auf die Frage, wie die<strong>Grün</strong>e <strong>Stadt</strong> 2030 aussehen soll, <strong>der</strong> ist gut beraten,sich <strong>der</strong> Vergangenheit zu vergewissern.auf wassergebundenen Decken aus e<strong>in</strong>fachem, meistlokal verfügbarem Material. Das ergibt durchlässige,verdichtungsresistente, begehbare und zugleichvegetationsfähige Substrate, auf denen sich spontanesKle<strong>in</strong>grün je nach <strong>der</strong> Freiraumnutzung von selberherstellt und nicht selten durch die Nutzung stabilisiertwerden könnte. Wo dann ohne Gärtner nichtswächst, wächst auch mit Gärtner nichts“.Mit Rückblick nach vornWer e<strong>in</strong>e Antwort sucht auf die Frage, wie die <strong>Grün</strong>e<strong>Stadt</strong> 2030 aussehen soll, <strong>der</strong> ist zudem gut beraten,sich <strong>der</strong> Vergangenheit zu vergewissern – und etwabei <strong>Für</strong>st Pückler nachzuschlagen. Denn was <strong>der</strong>renommierte Gestalter im Jahr 1834, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Frühzeiturbaner Bauspekulation, über die Bedeutung des<strong>Grün</strong>raums sagte, das gilt <strong>in</strong> erweitertem S<strong>in</strong>n auchheute: „Gestattet uns, auch das Schöne hier <strong>in</strong> Anschlagzu br<strong>in</strong>gen; denn ich sehe nicht e<strong>in</strong>, weshalbman das Schöne vom Nützlichen ausschließen sollte.Was ist denn eigentlich nützlich? Bloß was uns ernährt,erwärmt, gegen die Witterung beschützt? Undweshalb denn heißen solche D<strong>in</strong>ge nützlich? Dochnur, weil sie das Wohlse<strong>in</strong> des Menschengeschlechtsleidlich beför<strong>der</strong>n? Das Schöne aber beför<strong>der</strong>t es<strong>in</strong> noch höherem und größerem Maße; also ist dasSchöne eigentlich unter den nützlichen D<strong>in</strong>gen dasNützlichste.“ Zu Pücklers Zeiten hat man sich solcherE<strong>in</strong>sicht nicht verschlossen.Doch neben <strong>der</strong> Anmutungsqualität – zumeist <strong>in</strong>Landschaftsparks, öffentlichen Plätzen und <strong>Stadt</strong>gärtenwahrgenommen und verbildlicht – verb<strong>in</strong>det man


<strong>Grün</strong>buch / <strong>Zukunft</strong>sideen für <strong>Grün</strong>e Städte 91mit dem Begriff des ‚Urbanen <strong>Grün</strong>s‘ auch den Aspekt<strong>der</strong> Selbstversorgung. Anfang des 19. Jahrhun<strong>der</strong>tskonnte die sprunghaft angestiegene <strong>Stadt</strong>bevölkerungfür wenig Geld e<strong>in</strong>en von Landesherr, Kirche, Fabrikbesitzero<strong>der</strong> <strong>Stadt</strong>verwaltung angelegten ‚Armengarten‘pachten und hier Obst und Gemüse anbauen. Umdie Jahrhun<strong>der</strong>tmitte entstand die Schrebergartenbewegungauf Eigen<strong>in</strong>itiative von Bürger<strong>in</strong>nen undBürgern, die sich <strong>in</strong> schnell wachsenden Industriemetropolenwie Berl<strong>in</strong> mit überfüllten Mietskasernenund dunklen, engen H<strong>in</strong>terhöfen nach e<strong>in</strong> bisschen<strong>Grün</strong> sehnten. Der Name geht auf den LeipzigerOrthopäden Daniel Gottlob Moritz Schreber zurück,<strong>der</strong> dafür warb, Spielwiesen für kranke K<strong>in</strong><strong>der</strong> vonFabrikarbeitern anzulegen. Drumherum wurden nachund nach Gemüse- und Blumenbeete angelegt, späterdann auch Lauben gebaut. Nach Kriegsende 1945 wurdendie Kle<strong>in</strong>gärten als vorübergehende Bleibe für dievielen Wohnungslosen und als Anbaufläche für Obstund Gemüse überlebenswichtig. Seit e<strong>in</strong>igen Jahrenspielt das Guerilla Garden<strong>in</strong>g e<strong>in</strong>e immer größere Rolle:Initiativen verwandeln trostlose Plätze, Parkdeckso<strong>der</strong> Brachflächen zu Nutzgärten und setzen damitauch e<strong>in</strong> Zeichen gegen die zunehmende Kommerzialisierungdes öffentlichen Raums.Es ist, nicht bloß mit Blick auf das Jahr 2030, e<strong>in</strong>eentscheidende Frage, <strong>in</strong>wieweit solche Ansätze undTendenzen für das Geme<strong>in</strong>wesen ‚<strong>Stadt</strong>‘ fruchtbargemacht werden können. Denn e<strong>in</strong> Protest im S<strong>in</strong>nevon „So nicht!“ und e<strong>in</strong> Planungsalltag im S<strong>in</strong>ne von„Weiter so“ f<strong>in</strong>den bislang nicht recht zusammen.Um unsere Lebensverhältnisse – auch und geradeim urbanen Raum – zu verän<strong>der</strong>n, ist womöglich <strong>der</strong>Begriff <strong>der</strong> Allmende hilfreich. Im Mittelalter stand<strong>in</strong> vielen Geme<strong>in</strong>den die Dorfwiese, die Allmende,den Bauern des Dorfes zur freien Nutzung offen. Derunbeschränkte Zutritt führte allerd<strong>in</strong>gs dazu, dass dieBauern mehr Vieh auf die Weide trieben, als es mitdem Ziel e<strong>in</strong>er dauerhaften Nutzung <strong>der</strong> Wiese verträglichgewesen wäre. Unter <strong>der</strong> Bezeichnung „Tragik<strong>der</strong> Allmende“ ist diese Übernutzung <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>dewiesefester Bestandteil <strong>der</strong> ökonomischen Lehregeworden. E<strong>in</strong> zeitgemäßer Lösungsansatz müsstealso lauten: Die Nutzer müssen <strong>in</strong> <strong>der</strong> e<strong>in</strong>en o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>enForm dazu gebracht werden, die Auswirkungenauf an<strong>der</strong>e bei ihrer Entscheidung zur Nutzung <strong>der</strong>Allmende e<strong>in</strong>zubeziehen. In diesem S<strong>in</strong>ne kann man‚<strong>Grün</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong>‘ durchaus als common ground e<strong>in</strong>erkünftigen urbanen Entwicklung verstehen – undentsprechend beför<strong>der</strong>n.


5 FazitDurchgrünte Städte zeichnen sich durch e<strong>in</strong>e hohe Lebensqualität und Wettbewerbsfähigkeitaus, <strong>Stadt</strong>grün trägt entscheidend zur Wertschöpfung bei. Durch die unterschiedlichen Interessen<strong>der</strong> Nutzergruppen ist die Entwicklung von <strong>Stadt</strong>grün aber auch mit vielfältigen Herausfor<strong>der</strong>ungenverbunden. Das <strong>Grün</strong>buch beleuchtet das vielschichtige Thema aus Sicht desBundes und m<strong>in</strong>isteriumsübergreifen<strong>der</strong> Kooperationen. Neben den Potenzialen nimmt esauch die Spannungsfel<strong>der</strong> <strong>in</strong> den Blick und bildet e<strong>in</strong>e breite Bestandsaufnahme <strong>der</strong> Thematik.


<strong>Grün</strong>buch / Fazit 93Urbanes <strong>Grün</strong> ist <strong>Grün</strong>e InfrastrukturIn dem vorliegenden <strong>Grün</strong>buch „<strong>Grün</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> –<strong>Für</strong> e<strong>in</strong>e <strong>lebenswerte</strong> <strong>Zukunft</strong>“ werden die unterschiedlichenFunktionen von urbanem <strong>Grün</strong> für die <strong>Stadt</strong>gesellschaft<strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Bandbreite erläutert. Urbanes<strong>Grün</strong> ist <strong>in</strong> sozialer, ökologischer und ökonomischerH<strong>in</strong>sicht e<strong>in</strong> essentieller Bestandteil unserer Städte, <strong>der</strong>sie lebenswert macht. <strong>Grün</strong>e Freiräume glie<strong>der</strong>n undgestalten Groß-, Mittel- und Kle<strong>in</strong>städte <strong>in</strong> wachsendenund schrumpfenden Regionen; sie geben urbanenRäumen e<strong>in</strong>e Struktur. Gerade durch die Vernetzung<strong>der</strong> verschiedenen grünen Elemente wie zum Beispiel<strong>Stadt</strong>parks, Siedlungsgrün und Wildnis- und Brachflächenkönnen sich die Potenziale im H<strong>in</strong>blick aufGesundheit, Klima o<strong>der</strong> Biodiversität voll entfalten.Urbane <strong>Grün</strong>e Infrastruktur umfasst die Gesamtheitstädtischen <strong>Grün</strong>s und be<strong>in</strong>haltet somit ganz unterschiedliche<strong>Grün</strong>strukturen mit vielfältigen Leistungenund Funktionen. Sie ist neben <strong>der</strong> sozialen, kulturellenund technischen Infrastruktur (unter an<strong>der</strong>emVerkehrs-, Ver- und Entsorgungs<strong>in</strong>frastruktur) fürdie <strong>Stadt</strong>bewohner Teil kommunaler Grundvorsorge.Städte und Städter brauchen <strong>Grün</strong>e Infrastruktur, dennsie ist e<strong>in</strong> physischer, psychologischer, emotionaler undsozialer Faktor für das Wohlbef<strong>in</strong>den des Individuumsund <strong>der</strong> Gesellschaft. <strong>Grün</strong> ist aber auch von hohemsozioökonomischem Wert, sei es als Standortfaktor, fürdie <strong>Stadt</strong>gesellschaft, für Sport und Erholung, für dieImmobilienwirtschaft. Die Sicherung und Entwicklung<strong>Grün</strong>er Infrastruktur ist e<strong>in</strong>e gestalterische, stadt- undlandschaftsplanerische, (garten)bauliche und architektonischeAufgabe mit vielen Facetten – angefangen bei<strong>der</strong> funktionalen und technischen Anlage <strong>Grün</strong>er Infrastrukturüber die Strukturierung des Raumes bis h<strong>in</strong>zur Bauwerksbegrünung. Diese Aufgabe kann jedochnicht alle<strong>in</strong> durch die verschiedenen Fachdiszipl<strong>in</strong>enbewältigt werden. Vielmehr stellt sie e<strong>in</strong>e gesamtgesellschaftlicheHerausfor<strong>der</strong>ung dar, welche von Politik,Zivilgesellschaft und privaten Akteuren geme<strong>in</strong>samangegangen werden muss.Funktionen von <strong>Grün</strong>er Infrastruktur


Soziale, ökologische und ökonomischeAspekte von <strong>Grün</strong>er Infrastrukturgestalteten auch offene Räume für kreative Projekteangeboten werden.<strong>Stadt</strong>grün wirkt gesundheitsför<strong>der</strong>nd und <strong>in</strong>tegrativ<strong>Grün</strong>räume s<strong>in</strong>d wichtige Orte <strong>der</strong> Erholung, <strong>der</strong> Begegnungsowie <strong>der</strong> Naturerfahrung. <strong>Grün</strong>flächen s<strong>in</strong>dbevorzugte Orte zum Spazierengehen, Fahrradfahreno<strong>der</strong> für an<strong>der</strong>e sportliche Aktivitäten. <strong>Grün</strong>e Infrastrukturwirkt sich positiv auf die Gesundheit aus, seies aktiv durch Stressabbau mittels Sport und Bewegung<strong>in</strong> <strong>Grün</strong>anlagen o<strong>der</strong> passiv durch die schadstoffm<strong>in</strong><strong>der</strong>ndeWirkung von Vegetation für e<strong>in</strong>e sauberere Luftsowie durch die kühlende Wirkung an zunehmendheißen Sommertagen.Urbanes <strong>Grün</strong> kann sozial <strong>in</strong>tegrierend wirken: Dieverschiedenen Gärten <strong>in</strong> den <strong>Stadt</strong>teilen wie Kle<strong>in</strong>gärteno<strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>schaftsgärten br<strong>in</strong>gen Menschenunterschiedlichen Alters und unterschiedlicherKulturen zusammen und steigern die Lebensqualität<strong>in</strong> den Quartieren. Urban Garden<strong>in</strong>g und an<strong>der</strong>eBürgeraktivitäten s<strong>in</strong>d Teil e<strong>in</strong>er sich wandelnden<strong>Stadt</strong>gesellschaft. Sie h<strong>in</strong>terfragen <strong>Stadt</strong>entwicklungsprozesseund marktwirtschaftliche Verwertungslogiken.Flächen werden temporären Nutzungenzugeführt und gleichzeitig <strong>in</strong> Experimentierfel<strong>der</strong>nkreativ verwandelt. Als alternative Flächennutzungenbieten sie Raum für geme<strong>in</strong>schaftliche Aktivitäten,sozialen Austausch, <strong>in</strong>formelles Lernen, (Trend-)Sportim Freiraum und die Möglichkeit, <strong>Stadt</strong> und <strong>Stadt</strong>naturbewußt zu machen und zu erfahren. Die Potenzialebürgerschaftlichen Engagements können <strong>in</strong> die<strong>Grün</strong>planung e<strong>in</strong>fließen, <strong>in</strong>dem neben bestehenden<strong>Stadt</strong>grün verbessert das <strong>Stadt</strong>klima und trägtzur Biodiversität bei<strong>Grün</strong>räume verbessern sowohl das <strong>Stadt</strong>klima als auchdie Luftqualität <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> und können die negativenAuswirkungen des Klimawandels dämpfen. Sie produzierenSauerstoff und sorgen für frische, kühle Luft,was beson<strong>der</strong>s <strong>in</strong> dichtbebauten Städten von großerBedeutung ist. Hierbei s<strong>in</strong>d mehrere kle<strong>in</strong>ere über das<strong>Stadt</strong>gebiet verteilte <strong>Grün</strong>flächen wirksamer als wenigegroße Parks. Klimatisch positiv wirken auch begrünteDächer und Fassaden. E<strong>in</strong>e grüne Architektur undBaukultur, verbunden mit e<strong>in</strong>em durchgrünten WohnundArbeitsumfeld hat positive Auswirkungen auf dieÄsthetik, die Lebensqualität und den ökonomischen,ökologischen wie auch gesellschaftlichen Wert e<strong>in</strong>es<strong>Stadt</strong>quartiers. Dies gilt ganz beson<strong>der</strong>s für Wachstumsregionenund dicht besiedelte Gebiete.Naturerleben ist dabei beson<strong>der</strong>s wichtig, denn nur,was man kennt, das schätzt und schützt man. Städteund Siedlungsbereiche weisen e<strong>in</strong>e Vielfalt an Biotopenund Habitaten auf, die zahlreichen Tieren und Pflanzene<strong>in</strong>en Lebens- und Rückzugsraum bieten. Beson<strong>der</strong>sartenreich s<strong>in</strong>d <strong>Stadt</strong>wäl<strong>der</strong>, große, reich strukturierteParkanlagen mit altem Baumbestand, urbane Brachflächensowie die Übergangsbereiche zwischen <strong>Stadt</strong> undKulturlandschaft am <strong>Stadt</strong>rand. Urbane Wildnisflächenbieten e<strong>in</strong>e Fülle an Naturerfahrungsmöglichkeiten.<strong>Für</strong> mehr Biodiversität ist die weitere Vernetzung dieser<strong>Grün</strong>strukturen anzustreben.


<strong>Grün</strong>buch / Fazit 95<strong>Stadt</strong>grün macht das Lebens-, Wohn- und Arbeitsumfeldattraktiv und trägt zur WertschöpfungbeiDurchgrünte Städte zeichnen sich durch e<strong>in</strong>e hohe Lebensqualitätund Wettbewerbsfähigkeit aus. Dies bestätigenunter an<strong>der</strong>em umfragebasierte Städterank<strong>in</strong>gs.Und Städte stehen zue<strong>in</strong>an<strong>der</strong> im <strong>in</strong>ternationalen undnationalen Wettbewerb um E<strong>in</strong>wohner und Arbeitskräftesowie als Standort für Unternehmen, wobeidas <strong>Stadt</strong>bild und se<strong>in</strong>e <strong>Grün</strong>qualität e<strong>in</strong> wichtigerStandortfaktor ist. Städte mit hohem <strong>Grün</strong>anteil undbegrünte Standorte wirken als Lebens-, Wohn- undArbeitsumfeld attraktiv. <strong>Stadt</strong>grün trägt zur Wertschöpfungbei, sei es für die Immobilienwirtschaft,den Freizeit- und Tourismussektor, das lokale Gewerbeo<strong>der</strong> <strong>in</strong>direkt etwa durch verm<strong>in</strong><strong>der</strong>te Sozialausgabeno<strong>der</strong> Gesundheitsprävention.Dem wi<strong>der</strong>spricht jedoch <strong>der</strong> deutliche und anhaltendef<strong>in</strong>anzielle und personelle Abbau <strong>in</strong> den <strong>Grün</strong>flächenämtern,so dass häufig nur noch e<strong>in</strong>e M<strong>in</strong>imalpflegestädtischer <strong>Grün</strong>flächen möglich ist – beigleichzeitigem Anstieg <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>en Erwartungenund Anfor<strong>der</strong>ungen an die Qualität von <strong>Grün</strong>flächen.Dies zeigt, dass die ökonomischen Potenziale von<strong>Stadt</strong>grün e<strong>in</strong>er Neubewertung und gegebenenfallsauch e<strong>in</strong>er Neuorganisation bedürfen. Wo dies nicht<strong>der</strong> Fall ist, könnten die Kompetenzen für das öffentliche<strong>Grün</strong> gebündelt und gestärkt werden. DerWert von <strong>Grün</strong> für die <strong>Stadt</strong>gesellschaft und für jedenE<strong>in</strong>zelnen ist zu verdeutlichen.Herausfor<strong>der</strong>ungen und PerspektivenAufgrund <strong>der</strong> unterschiedlichen Interessen <strong>der</strong> Nutzergruppenzeigen sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Entwicklung des <strong>Stadt</strong>grünsvielfältige Herausfor<strong>der</strong>ungen, treffen dochhäufig sehr unterschiedliche Ansprüche auf kle<strong>in</strong>stemRaum aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong>. Urbanes <strong>Grün</strong> muss die lokal starkdivergierenden Ansprüche bedienen. So muss baulicheEntwicklung e<strong>in</strong>hergehen mit <strong>Grün</strong>ausstattungund <strong>Grün</strong>qualität. <strong>Stadt</strong>grün wertet Quartiere auf undsteigert Boden- und Immobilienpreise. Dies kann lokalzu Problemen auf den Wohnungsmärkten und zue<strong>in</strong>er Verdrängung <strong>in</strong> Quartieren führen. Die Nutzungvon <strong>Grün</strong>räumen steigt mit <strong>der</strong> Zahl organisierter Aktivitäten,Sportangeboten und Veranstaltungen, waszu e<strong>in</strong>er erhöhten Lärmbelastung führt. Wohnortnahe<strong>Grün</strong>räume werden lebendig, wenn die Bevölkerungdiese akzeptiert und auch nutzen darf und kann.Industrielle Brachen o<strong>der</strong> <strong>Stadt</strong>wildnis s<strong>in</strong>d meistim Worts<strong>in</strong>n ungepflegt und werden entsprechendnegativ bewertet, gleichwohl verfügen diese oft übere<strong>in</strong>en hohen Biotopwert und s<strong>in</strong>d vielfach nutzbar.Als unsicher empfundene <strong>Grün</strong>räume werden ehergemieden. Auf die verschiedenen Nutzungsansprüchezugeschnittenes <strong>Grün</strong> ist nur dann realisierbar,wenn die planerischen, gestalterischen und pflegerischenMaßnahmen sich möglichst passgenau daranorientieren. Ist die Gesellschaft bereit, <strong>in</strong> <strong>Stadt</strong>grünals „sche<strong>in</strong>baren Luxus“ im Wettstreit mit an<strong>der</strong>enAufgaben <strong>in</strong> mehr öffentliches und privates <strong>Grün</strong> zu<strong>in</strong>vestieren?E<strong>in</strong> kreativer Umgang mit städtischem <strong>Grün</strong> durch dieAktivierung zivilgesellschaftlicher Ressourcen kanndie <strong>Stadt</strong>entwicklung <strong>in</strong>spirieren, etwa dadurch, dassurbane <strong>Grün</strong>flächen ganz an<strong>der</strong>s wahrgenommen, geplantund genutzt werden. <strong>Für</strong> <strong>Stadt</strong>verwaltungen s<strong>in</strong>ddie neuen Mentalitäten und Handlungsformen dieserAkteure vorläufig noch e<strong>in</strong>e Herausfor<strong>der</strong>ung.Parallel dazu ist jedoch nicht zu übersehen, dass <strong>in</strong>vielen Kommunen aufgrund knapper Haushalte erheblicheKürzungen auch <strong>in</strong> den <strong>Grün</strong>etats stattgefundenhaben. Diese begrenzen schon heute empf<strong>in</strong>dlich dieMöglichkeiten und Gestaltungsspielräume für dieVerantwortlichen vor Ort. In e<strong>in</strong>igen Kommunen ist es<strong>in</strong>folge stark e<strong>in</strong>geschränkter f<strong>in</strong>anzieller und personellerRessourcen kaum mehr möglich, das vorhandene<strong>Stadt</strong>grün ausreichend zu pflegen.Hier s<strong>in</strong>d neue Pflegekonzepte erfor<strong>der</strong>lich, sowohldurch die öffentliche <strong>Grün</strong>verwaltung als auch durchdie Zivilgesellschaft, die langfristig e<strong>in</strong>e bezahlbareund qualitativ ansprechende <strong>Grün</strong>pflege sicherstellen.Vor diesem H<strong>in</strong>tergrund etablieren sich vielfältigeneue Formen des Mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong>s von Bürger<strong>in</strong>nenund Bürgern, lokaler Wirtschaft sowie Verwaltungund Kommunalpolitik. Insbeson<strong>der</strong>e die Aktivierungvon Brachflächen und die Schaffung qualitätsvoller<strong>Grün</strong>räume, die Verbesserung des <strong>Stadt</strong>klimas, <strong>der</strong>Schutz und die Entwicklung biologischer Vielfalt sowiedie För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Nachbarschaftsentwicklung unde<strong>in</strong>er partizipativen <strong>Stadt</strong>entwicklung spielen auf allenSeiten e<strong>in</strong>e große Rolle.Vorteile auf Seiten <strong>der</strong> Kommunen s<strong>in</strong>d die kreativeReaktivierung von Brachflächen, die För<strong>der</strong>ungvon Eigenverantwortung und zivilgesellschaftlichenEngagements und e<strong>in</strong>e Imageaufwertung des Quartierso<strong>der</strong> auch <strong>der</strong> gesamten <strong>Stadt</strong>. Bürger<strong>in</strong>nen und Bürgerprofitieren vor allem von <strong>der</strong> Möglichkeit, die <strong>Stadt</strong> zu„ihrer <strong>Stadt</strong>“ zu machen.


96 Fazit / <strong>Grün</strong>buchInformelle Nutzungen werden bislang noch nicht überallausreichend strategisch unterstützt. Defizite bestehenzum Beispiel bei <strong>der</strong> systematischen Erhebung geeigneterFlächenpotenziale, bei <strong>der</strong> Erstellung von Freiraumkatasternsowie bei <strong>der</strong> Nutzung zivilgesellschaftlicherInstrumente wie Leerstandsmel<strong>der</strong>n. Bei historischenGärten fehlt bis heute e<strong>in</strong>e flächendeckende Inventarisierung,die die Existenz und die Bedeutung <strong>der</strong> Gartendenkmälere<strong>in</strong>er breiteren Öffentlichkeit darlegt. Gefragtist e<strong>in</strong> flexibles städtisches Flächenmanagement, dasfür engagierte Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger solche Flächenleicht zugänglich macht. Dies ist die Grundlage e<strong>in</strong>erneuen Flächenpolitik, die temporäre bürgerschaftlicheNutzungen wertschätzt und zu ihrer Ermöglichungdurch Fonds und Flächenpools beiträgt.Die Aufgaben von Kommunen s<strong>in</strong>d komplex: Sie müssendie unterschiedlichen Interessen und Nutzungsansprüchevon Bürger<strong>in</strong>nen und Bürgern erkennenund auf vorhandene Interessenkonflikte e<strong>in</strong>gehen.Sie haben zukünftig auch e<strong>in</strong>e eher vermittelnde undmo<strong>der</strong>ierende Aufgabe. Neben <strong>der</strong> Herstellung qualitätsvollergeplanter <strong>Grün</strong>räume können Kommunenauch zurückhaltend planen, um damit und durchdie zielgerichtete Öffnung von Ordnungsregeln auchunkonventionelle Nutzungen zu ermöglichen. Auf Verwaltungenkommen hierdurch neue Aufgaben zu: Siewerden zu Ansprechpartnern für zivilgesellschaftlicheNutzer, für Sportgruppen, Gartenvere<strong>in</strong>e etc.Die <strong>Stadt</strong> <strong>der</strong> <strong>Zukunft</strong> ist durchgrüntDie aufgezeigten Themen für e<strong>in</strong>e durchgrünte <strong>Stadt</strong>zeigen nur e<strong>in</strong>en Ausschnitt aus e<strong>in</strong>er Vielzahl ähnlicherAktivitäten <strong>in</strong> Deutschland. Mitunter s<strong>in</strong>d siesehr kapital<strong>in</strong>tensiv o<strong>der</strong> auch beson<strong>der</strong>s engagiertund beför<strong>der</strong>n das Thema <strong>Stadt</strong>grün mit visionärenProjekten <strong>in</strong> die öffentliche Diskussion.Diese <strong>Zukunft</strong>sbil<strong>der</strong> stehen vor dem H<strong>in</strong>tergrund,dass auch <strong>in</strong> Deutschland Städte schon heute vorgrößeren Verän<strong>der</strong>ungen stehen, die sich auf diestädtische <strong>Grün</strong>- und Flächennutzung auswirken:Städtische Lebensräume s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e globalisierteWeltwirtschaft e<strong>in</strong>gebettet. Mit dem Klimawandel, <strong>der</strong>Energiewende, den demografischen Verän<strong>der</strong>ungenund Migrationsströmen, den gleichzeitigen Tendenzenzunehmen<strong>der</strong> Urbanisierung und Entleerungvon Räumen, <strong>der</strong> sozialen Polarisierung, den engerwerdenden f<strong>in</strong>anziellen Handlungsspielräumen undan<strong>der</strong>en Verän<strong>der</strong>ungsprozessen bestehen vielfältigeHerausfor<strong>der</strong>ungen, für die auf globaler, nationaler,regionaler und lokaler Ebene Lösungen gefunden undumgesetzt werden müssen.<strong>Für</strong> diese vielfältigen Herausfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong>entwicklungkann e<strong>in</strong>e strategische Gestaltung undNutzung des <strong>Stadt</strong>grüns e<strong>in</strong> Teil <strong>der</strong> Lösung se<strong>in</strong>. <strong>Grün</strong>schafft positive Assoziationen <strong>in</strong> den Köpfen und somite<strong>in</strong>en mentalen Rahmen für die <strong>Stadt</strong>gesellschaft.So gesehen ist <strong>Stadt</strong>grün e<strong>in</strong>e zentrale Ressource fürzukünftige <strong>Stadt</strong>entwicklung. Es erfüllt, komplementärzu allem Gebauten, e<strong>in</strong>e zentrale Funktion fürdas, was <strong>Stadt</strong> ausmacht: als Begegnungsraum, fürVitalität und Lebensqualität. Mit e<strong>in</strong>em vielfältigenund qualitativ hochwertigen <strong>Stadt</strong>grün steht <strong>der</strong><strong>Stadt</strong>gesellschaft e<strong>in</strong> reales, lebendiges Gegenstückzur vermehrten Büroarbeit und zur digitalen Welt,die das Alltags- und Berufsleben zunehmend durchdr<strong>in</strong>gt,zur Verfügung. <strong>Stadt</strong>grün ist für das physischeund psychische Wohlbef<strong>in</strong>den aller Bürger<strong>in</strong>nen undBürger essentiell.E<strong>in</strong>e bessere Wertschätzung von <strong>Stadt</strong>grün ist e<strong>in</strong>wesentlicher Schritt, um die <strong>Stadt</strong>entwicklung sozialundumweltverträglich zu gestalten. Zur Erhöhung<strong>der</strong> Wertschätzung von <strong>Stadt</strong>grün ist e<strong>in</strong> strategischesVorgehen erfor<strong>der</strong>lich. Hier muss auch die <strong>Stadt</strong>planungund <strong>Stadt</strong>entwicklung <strong>Grün</strong>potenziale erfassenund Konzepte <strong>der</strong> (planerischen) <strong>Grün</strong>- und Freiraumentwicklungwie auch Organisationsformen zum<strong>Grün</strong>management weiterentwickeln. Zur Gestaltungund Vernetzung des städtischen <strong>Grün</strong>s s<strong>in</strong>d die bestehendenInstrumente <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Landschafts-,<strong>Grün</strong>ordnungs- und Bauleitplanung besser zu nutzen.Nur so lässt sich das Ziel <strong>der</strong> Nationalen Strategie zurbiologischen Vielfalt, bis zum Jahr 2020 die Durchgrünung<strong>der</strong> Städte deutlich zu erhöhen und damit denStädtern fußläufig zugängliches <strong>Grün</strong> mit vielfältigenQualitäten und Funktionen anzubieten, erreichen.Vom <strong>Grün</strong>buch zum WeißbuchDas <strong>Grün</strong>buch beleuchtet das Thema <strong>Stadt</strong>grün ausSicht des Bundes durch m<strong>in</strong>isteriumsübergreifendeKooperationen <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Vielfalt und Bedeutung. Nebenden Potenzialen nimmt es auch die Spannungsfel<strong>der</strong><strong>in</strong> den Blick. Das <strong>Grün</strong>buch bildet e<strong>in</strong>e breite Bestandsaufnahme<strong>der</strong> Thematik. Hierauf aufbauend will dasBMUB e<strong>in</strong>en breiten Dialog über urbanes <strong>Grün</strong> <strong>in</strong>itiierenund e<strong>in</strong>en Weißbuchprozess anstoßen, bei dem es umHandlungsempfehlungen und um Möglichkeiten <strong>der</strong>Umsetzung gehen wird.


Anmerkungen1Siehe auch www.elca.<strong>in</strong>fo/de und www.galk.de2Vgl. Mitteilung <strong>der</strong> Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss<strong>der</strong> Regionen, COM 2013/249 vom 6.5.2013.e-paper: http://ec.europa.eu/environment/nature/ecosystems/docs/green_<strong>in</strong>frastructures/1_EN_ACT_part1_v5.pdf3Vgl. Hansen et al. (2014): Green Surge, Analytic Framework, Milestone 34, p. 6. e-paper: http://greensurge.eu/filer/MS34_Analytical_framework.pdf4Im Herbst 2014 hat die Stiftung e<strong>in</strong> „Urban-Garden<strong>in</strong>g-Manifest“ veröffentlicht. Mehr unter www.urban-garden<strong>in</strong>g-manifest.de5Nationale Strategie zur Biologischen Vielfalt 2007: 1156Zum Beispiel: Ästhetisch ansprechende Erholungsräume, Sicherung <strong>der</strong> biologischen Vielfalt, Tr<strong>in</strong>kwasservorsorge, Sicherung und Erhaltungfunktionsfähiger Böden.7Beispiele, etwa die Schaffung e<strong>in</strong>es Mehrgenerationenparks, f<strong>in</strong>den sich im Programm „Anlaufstellen für ältere Menschen“ und <strong>in</strong> weiteren vomBMFSFJ geför<strong>der</strong>ten Projekten (nähere Informationen: www.anlaufstellen.deutscher-verband.org und www.serviceportal-zuhause-im-alter.de).8Forschungs- und Entwicklungsvorhaben, Forschungsprogramm des Bundesamtes für Naturschutz9Neobiota s<strong>in</strong>d Tier- o<strong>der</strong> Pflanzenarten, die von Natur aus nicht <strong>in</strong> Deutschland vorkommen, son<strong>der</strong>n erst durch den E<strong>in</strong>fluss des Menschen zuuns gekommen s<strong>in</strong>d. Sie gehören daher zu den gebietsfremden o<strong>der</strong> nichtheimischen Arten. Unterschieden wird <strong>in</strong> neue Pflanzenarten (Neophyten)und neue Tierarten (Neozoen). Neobiota können unerwünschte Auswirkungen auf an<strong>der</strong>e Arten haben, müssen sie aber nicht.10§ 9 LBO (Artikel 1 Nr. 6 des Gesetzesbeschlusses)11Hier: Gebiete des Städtebauför<strong>der</strong>programms „Soziale <strong>Stadt</strong>“12Siehe Nationale Strategie zur Biologischen Vielfalt 2007: 4213Nationale Strategie zur Biologischen Vielfalt 2007: 4214PES s<strong>in</strong>d auf freiwilliger Basis vorgenommene Transaktionen zwischen m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>em „Verkäufer“ und m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>em „Käufer“ für diedauerhafte Bereitstellung genau festgelegter Ökosystemdienstleistungen. Staatliche För<strong>der</strong>programme können <strong>in</strong> diesem Zusammenhange<strong>in</strong>en marktbasierten PES-Mechanismus zum Erhalt von Ökosystemen und ihren Dienstleistungen unterstützen. Bisher wurden zum BeispielLeistungen <strong>in</strong> folgenden Bereichen honoriert: CO2-Abscheidung und -speicherung, Feuchtgebietsschutz, Wasser- und Bodenschutz, Arten-,Habitat- und Biodiversitätsschutz. www.bfn.de/fileadm<strong>in</strong>/MDB/documents/themen/<strong>in</strong>ternationalernaturschutz/PES_Policy_Brief_Vilm_Workshop.pdf Vgl.auch: Carius, Florian (Ed.)(2012): Payments for Ecosystem Services Towards an Implementation Strategy Report of the InternationalExpert Workshop 13th - 16th December 2010 International Academy for Nature Conservation Isle of Vilm, Germany, BfN-Skripten326. Bonn-Bad-Godesberg.Weiterführende Informationenwww.gruen-<strong>in</strong>-<strong>der</strong>-stadt.deINSTADT DER<strong>Für</strong> e<strong>in</strong>e <strong>lebenswerte</strong> <strong>Zukunft</strong>


BildnachweiseSeite 5: BMUB/H. FranzenSeite 6: Gartenlokal Café Eden, temporäres Café zum Themenjahr "Paradiesapfel"-Ausstellung Charlottenhof-Abschnitt des Parks vonSanssouci h<strong>in</strong>ter dem Kuhtor/Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berl<strong>in</strong>-Brandenburg/G.GnaudschunSeite 19: T. Arndt/BfNSeite 23: Blick von Schloss Sanssouci auf die Große Fonta<strong>in</strong>e/Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berl<strong>in</strong>-Brandenburg/G.GnaudschunSeite 47: F.-A. Emde/BfNSeite 61: OptigrünSeite 82: von l<strong>in</strong>ks nach rechts und oben nach unten: L. Flamm, P. Vetter, K. Szeifert, B. Müller, S. Sowa, B. MüllerSeite 83: P. PutzigSeite 84: S. SowaSeite 85: L. FlammSeite 86: M. We<strong>in</strong>igSeite 87: M. VenusLuftaufnahmen (S. 20, 30, 54, 73, 94): R. Wulfalle an<strong>der</strong>en Bil<strong>der</strong>: lux fotografen, Berl<strong>in</strong>


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