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Die ganz normale Masslosigkeit - VCS Verkehrs-Club der Schweiz

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DOSSIERReiseverkehrDer Osten ist die zweite Himmelsrichtungmit einem unverändert guten Angebot.Das waren noch Zeiten, als die CompagnieInternationale des Wagons-Lits (CIWL) Europa mit einem Netz vonNachtzügen überzog – als man noch vonZürich nach Paris mit dem Schlafwagenreisen konnte, oder gar von der französischenin die englische Metropole mit derEisenbahnfähre über den Kanal. Hochgeschwindigkeitszügeund Billigfliegerverdrängten das Nachtreisen mehr undmehr. Die letzten beiden grossen Abstricheerfolgten Ende 2009 und 2012, als dieSchweizer Verbindungen nach Italien undSpanien gekappt wurden. Diejenige nachRom war symbolträchtig, war es dochdie letzte, welche die SBB noch in eigenerRegie (zusammen mit Trenitalia) undmit eigenem Wagenmaterial betrieb. Entsprechendbitterlich beklagte eine treueStammkundschaft die Einstellung diesertraditionsreichen Verbindung. Sie waraber für die SBB nicht mehr tragbar geworden,nachdem der Servicestandard inItalien gesunken und die Handlingkostengleichzeitig gestiegen waren. Nicht imEinflussbereich der SBB war die Sistierungdes einst legendären «Pablo Casals» nachBarcelona, der von Elipsos, einem JointVenture der französischen SNCF und derspanischen RENFE, betrieben wurde. Dieeinst geniale Talgo-Komposition, die fürdie spanische Breitspur umgespurt werdenkonnte, war zwar auch schon in dieJahre gekommen. Doch das Genick gebrochenhaben dem komfortablen Zug,der sogar über eigene Duschen verfügte,die vermehrten Zugausfälle durch anhaltendeBauarbeiten in Frankreich (manchmalwurde die düpierte Kundschaft kurzfristigmit Bussen befördert, manchmalauch gar nicht) und die – mindestens angekündigte– Aufnahme einer direktenTGV-Verbindung Genf–Barcelona auf dernun durchgängig normalspurigen undgrösstenteils für Hochgeschwindigkeitausgebauten Strecke.Erfolgsgeschichte der DBDass es aber nach wie vor ein genügendesPotenzial an Nachtreisekundinnenund -kunden gibt, wenn das Produktund der Service stimmen, beweist der Erfolgder City-Night-Line. 1995 von dendrei Staatsbahnen DB, ÖBB und SBB als«D.A.CH Hotelzug» gegründet, setzte siemit einer ganzen Flotte modernster Doppelstock-Schlafwagenmit kompaktenEco- und geräumigen Deluxe-Abteilen zueinem Komfortsprung an. Schade, dasssich aufgrund des vorerst ausbleibendenErfolgs bald die ÖBB und 1999 auch dieSBB wieder ausklinkten. Nachdem auchdie herkömmliche «Pritschenklasse»(Liegewagen) mitgeführt wurde, liess derErfolg der in City-Night-Line (CNL) umbenanntenFirma – nun ganz unter demDach der DB – nicht auf sich warten.Die CNL zeigte mit Nachtspartarifen,dass sie nebst den früheren Ankunftszeitenals per Flugzeug auch preislich mithaltenkann. Und machte sogar kreativeAngebote: Mit «Night & Flight» botsie erstmals ein Kombiticket für Schlafwagenund Flugzeug an. Schade allerdings,dass es mit einem geschmacklosen«Frühstück» aus der Kartonbox auchinnovative Flops gibt. Mit der Schaffungvon Veloabteilen erschloss sich die CLNeine ganz neue Kundschaft. Dazu kameine dynamische Expansion: Die vier Ursprungsverbindungennach Amsterdam,Hamburg, Berlin und Dresden wurdennach Kopenhagen, Prag sowie saisonalan die Nord- und Ostsee (Norddeich/Rügen)verlängert. Die CNL hat denn auchseit Jahren das Luxusproblem, dass dieBetten auf den Paradestrecken an Wochenendenund Feiertagen oft monatelangim Voraus ausgebucht sind. MangelsRollmaterial lässt sich aber die Kapazitätnicht beliebig erhöhen.Kurs Richtung OstNeueren Datums und nur Kennerinnenund Kennern bekannt ist auch der exotischsteWagon-Lits-Kurs ab der Schweiz:der russische Schlafwagen Basel–Moskau,mit 37 Stunden der längste Wagenlauf.Der Osten ist aber überhaupt die zweiteHimmelsrichtung mit einem unverändertguten Angebot: Neben dem Klassiker«Wiener Walzer» Zürich–Wien, der eineVerlängerung nach Budapest mitführt,gibt es noch den «Zürichsee» mit Flügelnnach Graz und Zagreb. Dieser Euro-Night-Zug ist vom Wagenmaterial her besonderserwähnenswert: Zum einen, weilnach Graz immer noch ein Inox-Wagender einstigen CIWL verkehrt, der punktoGeräumigkeit unübertroffen ist, zumandern, weil man mit dem kroatischenWagen nach Zagreb überraschenderweiseden modernsten Schlafwagen ab derSchweiz vorfindet (der als Exklusivitätsogar mit einer grossen italienischen Espressomaschinebestückt ist!).Nachtzug hat ZukunftDie Aussichten des Nachtzugverkehrssind nicht ganz so schlecht, wie einendie letzten beiden prominenten Einstellungennach Süden glauben liessen. Aberauch nicht allzu rosig. Ein Hauptproblemist die mangelnde Rentabilität: ImGegensatz zu Hochgeschwindigkeitszügenstehen Nachtzüge die Hälfte des Tagesunproduktiv herum. Das erschwertdringend nötige Investitionen. So wartenetwa die bald 20-jährigen CNL-Doppelstöckerimmer noch auf eine vom Interieurdringend fällige Hauptrevision.Ein Handicap in der Schweiz ist, dasssich die SBB ganz aus dem Nachtverkehrzurückgezogen hat und nur Traktionsleistungenerbringt, aber keine Angebotsverantwortungmehr trägt. Deswegen mussdie heimische Schlafwagen-Klientel auchzusehen, wie die von der neuen GesellschaftThello (einem Joint Venture vonTrenitalia und Veolia Transdev) wiederaufgenommenen beiden Nachtzüge Paris–Rom und Paris–Venedig in der Schweizeinfach durchfahren, statt in Lausanneeinen mitternächtlichen Halt einzulegen.Eine Aufgabe für die Bahnlobby der Romandie?Im modernsten Schlafwagen der kroatischen Bahnen HZverwöhnt einen der Schaffner gar mit einem frisch gebrühtenEspresso.VCS MAGAZIN / JUNI 2013 15

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