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DAS ARSCHLOCH-PRINZIP

HOHE LUFT 5/2013 - Arschloch-Prinzip

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ArschlochVerhalten zutage treten. Eine recht neue Form des Arschlochswurde im Zuge der »Augmented Reality«-Technik geboren undträgt den Namen »Glassholes«. Gemeint sind damit flegelhafteTräger der Datenbrille Google Glass, mit deren Hilfe man seineunmittelbare Umgebung gänzlich unbemerkt ausspähen kann.Unter anderem kann der Träger mit der Google Glass heimlichFotos schießen – beispielsweise von seinem Gegenüber imBus auf dem Weg zur Arbeit. Ohne Zweifel ist dieses Verhaltenrücksichtslos und verdient somit den »Arschloch«-Stempel.DEM <strong>ARSCHLOCH</strong> FEHLEN EMPATHISCHE Fähigkeitengänzlich, weshalb es sich auch nicht dazu veranlasst sieht,Rücksicht zu nehmen. Wie das Beispiel der »Glassholes« zeigt, hatdas Arschloch schlicht keinerlei Feingefühl. Es gibt keine Milchmehr? Was soll’s?! Dem Arschloch ist es schlichtweg völlig einerlei.Man könnte nun meinen, dass es wirklich Schlimmeres gibtals ausgetrunkene Milch. Dabei ist genau das der Punkt, derein Arschloch erst zum Arschloch macht: Es begeht keinekolossalen Ungerechtigkeiten und ist nicht herausragend böse.Es dehnt Grenzen maximal, überschreitet sie jedoch nur in denseltensten Fällen. Deshalb können wir das Arschloch auch nichteinfach wie einen Verbrecher wegsperren. Wir müssen mit ihmleben und uns damit abfinden, dass es sich gewohnheitsmäßigwie ein Arschloch benimmt. Das will heißen, dass dasArschloch-Sein gewissermaßen seine Regel ist und nicht nureine vorübergehende Laune. In den Worten von James Aaron:Das Arschloch-Sein ist eine Lebenseinstellung – »a way of life«.Die Milch wird also nicht nur einmal leer getrunken, sondernregelmäßig. Was das Arschloch zum wahrhaftigen Arschlochmacht, ist deshalb weniger ein bestimmtes Verhaltensmusterals die Systematik, die dahintersteht. Das Arschloch begehtregelmäßig Bagatelldelikte – und genau diese Regelmäßigkeitmacht daraus etwas moralisch Verwerfliches.Was moralisch verwerflich ist, muss böse sein, würdeImmanuel Kant (1724–1804) jetzt vermutlich einwerfen. Ist dasArschloch also wirklich böse? Jein. Wir würden jemanden, derwirklich böse ist, kaum als Arschloch bezeichnen. Der Begriffist schlichtweg nicht stark genug, um die abgrundtief böseNatur eines Menschen hinreichend abzubilden. Kaum einerwürde einen Mörder nur »Arschloch« nennen. Gut möglich,dass er zwar auch ein Arschloch ist, aber er ist es bestimmt nichtausschließlich. Das Arschloch bewegt sich vielmehr auf einerVorstufe des Bösen. Das Böse schwingt in seinen Handlungenmit, ohne wirklich explizit zu werden. Gemäß Kants Typologiedes Bösen, die er in seinem Werk »Die Religion innerhalb derGrenzen der bloßen Vernunft« entwirft, würde das Arschloch amehesten in die Kategorie der vergleichenden Selbstliebe fallen.BEGRIFF<strong>DAS</strong> BÖSE <strong>PRINZIP</strong>Kant versteht unter dem bösen Prinzipeinen Hang zum moralisch Bösen.Dieser Hang, von Kant auch »Neigung«oder »Prädisposition« genannt, äußertsich durch eine »Verderbtheit« und»Verkehrtheit« des menschlichenHerzens. Das nennt Kant »Bösartigkeit«,denn kein Mensch kann seiner Meinungnach von Natur aus durch und durchböse sein. Wirklich böse sei nur ein»teuflisches Wesen«. Insofern sei esalso auch falsch, einem Menschen eineangeborene Schuld zuzuschreiben. Denn»der Zustand des Menschen, vor allemHange zum Bösen, heißt der Stand derUnschuld«. Nichts kann uns demzufolgevon unserer Verantwortung entbinden.Gemäß Kant sind wir immer frei undhaben zu jeder Zeit die Möglichkeit, unszu ändern. Mehr noch: Wir haben nichtnur die Möglichkeit, sondern die Pflicht,uns zu bessern. Denn alles Gute, was zutun in unserer Macht steht, ist Pflicht –und nicht nur eine Möglichkeit.37HOHE LUFT

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