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FESTIVALZEITUNG

F ST VALZ OU A IV AL - Deutsch-französisches forum junger kunst

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PHILIPPE<br />

MÉNARD<br />

BOUSCULEUSE<br />

DE CADRES<br />

Text: | Texte: LOUISE BURKART<br />

Fotos: | Photos: Jean-Luc Beaujault<br />

1. Ausgabe | 1er numéro 24.05.2010<br />

Philippe Ménard ist eine Frau in einem männlichen Körper. In ihrer „P.P.P.“-Aufführung<br />

inszeniert sie alle Etappen ihres schwierigen Lebens als Transsexuelle und wirkt auf<br />

der Bühne sehr depressiv im Gegensatz zur Wirklichkeit, wo sie viel offener ist. Als<br />

Künstlerin beobachtet sie alles ganz genau, um es danach aus ihrer eigenen Sicht<br />

auf der Bühne vorzustellen. Da sich ihrer Meinung nach das Jonglieren zu einer<br />

Banalität entwickelt hat, wollte sie bei „P.P.P.“ noch mehr Überraschung und Gefahr<br />

mit einbringen.<br />

Philippe Ménard. C’est son nom d’artiste et son état civil. Pourtant elle se présente, souriante et<br />

ouverte, comme Phia. Autrement dit, celle-ci est « transgenre, sans papier non expulsable, avec un<br />

ministère de la Honte ». La thématique jalonne ses spectacles, où elle revient sans complexes ni<br />

réserves sur des expériences douloureuses. « On fait des choses comme ça à Non Nova », dit-elle<br />

à tous les visages éberlués, en quête d’une explication à la fin de son spectacle P.P.P.. Au cours de<br />

celui-ci, elle se transforme pour revivre et incarner un personnage renfermé, dépressif et suicidaire.<br />

REGIE PHILIPPE MÉNARD<br />

VON UND MIT |DE ET AVEC PHILIPPE MÉNARD, ASSISTENZ ASSISTÉ JEAN-LUC BEAUJAULT<br />

P.P.P.<br />

KREATION LICHT CRÉATION LUMIÈRE<br />

ROBIN DECAUX<br />

MUSIK MUSIQUE IVAN ROUSSEL<br />

ROBOTER ROBOTS PHILIPPE RAGOT<br />

SZENOGRAFIE SCÉNOGRAPHIE<br />

PHILIPPE MÉNARD, JEAUN-LUC BEAUJAULT<br />

COMPAGNIE NON NOVA (F)<br />

Text: | Texte: ANNA BOHAUMILITZKY<br />

<strong>FESTIVALZEITUNG</strong>JOURNAL DU FESTIVAL<br />

EIS-JONGLAGE<br />

AUF DEM TROCKENEN<br />

Kühle Luft weht durch den stockdunklen Raum in der Buswerkstatt am Hauptbahnhof. Philippe Ménard<br />

wirbelt in einem schlichten, sehr kurzen Kleid auf der Bühne herum. Von Eis ist beim Probendurchlauf<br />

für „P.P.P.“, der Eis-Jonglage-Inszenierung der Compagnie Non Nova, keine Spur zu sehen. Stattdessen<br />

wird mit einem Hocker auf Rollen, einer Schaufel und diversen Bällen gespielt, getanzt und jongliert.<br />

400 Kilo Eis hat die Truppe in riesigen Gefriertruhen aus Frankreich mitgebracht. Darunter vor allem Kugeln unterschiedlicher<br />

Größe, aber auch speziell für die Show hergestellte Eissplitter und riesige Eisblöcke. Später sollen rund 120 Eiskugeln an<br />

langen Metallstäben an der Decke angebracht werden. Eine verantwortungsvolle Aufgabe für den Eistechniker Rodolphe<br />

Thibaud, denn die Kugeln werden schmelzen und je nachdem, wie tief die Stäbe im Eis verankert sind, fallen sie früher oder<br />

später von der Decke. Einige verfehlen die Artistin während der Aufführung nur um Zentimeter; sie selbst weiß nicht, wann<br />

sich welche Kugel löst.<br />

Thibaud ist gelernter Konditor und noch nicht lange bei der Compagnie, dennoch hat er Phia, wie Philippe sich selbst gerne<br />

nennt, schon auf diverse Kontinente begleitet. Wenn das Eis nicht aus Frankreich mitgebracht werden kann, muss die Truppe<br />

mindestens fünf Tage vor der Aufführung vor Ort sein, um das Eis zu produzieren. Etwa ein Viertel des Eises schmilzt bei jeder<br />

Aufführung, der Rest wird wiederverwertet. Die Kugeln sind deshalb auch unterschiedlich alt und schwer.<br />

Nach Ende des Durchlaufs sitzt Phia erschöpft auf der Bühne. Es wird deutlich, warum<br />

die Artistin mit dem schmalen Körper ohne Eis proben muss: Zweimal am Tag würde sie<br />

diese Strapaze wohl nicht aushalten. Beim Einstellen der Mikros wird dann doch Eis<br />

benötigt: Immer wieder werden Kugeln fallen gelassen, um den Klang anzupassen. Phia<br />

sucht sich einige Kugeln aus, mit denen sie später jonglieren wird. Mit der Sorgfalt eines<br />

Tennisprofis, der sich um seine Ausrüstung kümmert, wird jede Kugel geduldig getestet.<br />

Zweieinhalb Stunden vor Beginn der Aufführung müssen die großen Eisblöcke aus den<br />

Gefriertruhen geholt werden, denn erst wenn sie angetaut sind, gleiten sie gut über den<br />

Bühnenboden. Die Kugeln dagegen können erst direkt vor der Aufführung an der Decke<br />

befestigt werden. Sobald sie hängen, ist der Ablauf minutiös geplant: Sieben Minuten<br />

hat das Publikum, um im Saal Platz zu nehmen, und Phia muss ihre Choreographie exakt<br />

einhalten. Sonst riskiert sie, von einer der Kugeln – die sie selbst als Damoklesschwerter<br />

bezeichnet – getroffen zu werden.<br />

6<br />

Sur scène, l’artiste nous montre à travers ses propres yeux un pan d’une réalité, celle<br />

de la transsexualité, que personne n’ignore mais que chacun renie quotidiennement.<br />

L’impressionnante mise à nu de Phia nous projette au plus près de ses sentiments, et<br />

nous oblige à nous arrêter sur ce qu’il est plus confortable de rejeter. Attachée à une<br />

position de « regardeuse », elle évoque volontiers le rôle de l’artiste, chargé de dévoiler<br />

puis mettre en scène ce que l’humain lambda ne prend pas le temps d’observer.<br />

« Non nova, sed nove » (nous n’inventons rien, nous le voyons différemment), ainsi fût<br />

baptisée la compagnie de Philippe Ménard, qui s’est formé auprès de Jérôme Thomas,<br />

tête de file du renouveau du jonglage en Europe. « Je ne sais rien faire d’autre » soutient<br />

Phia, à qui on ne demande aucune compétence supplémentaire tant elle fait corps avec<br />

son art. Lorsque l’artiste jongle avec de la glace, matière très peu maîtrisable qui pourtant<br />

lui « obéit » avec un naturel surprenant, les lois de la physique semblent lui appartenir.<br />

« Le jonglage est devenu une banalité », explique l’artiste, qui cherche à<br />

ramener du danger et de l’inattendu dans sa discipline. Quatre cent kilos de<br />

glace, des boules qui fondent au-dessus de sa tête, l’empathie devient l’enjeu<br />

principal de P.P.P., dont la pré et post-organisation demande soin et efficacité.<br />

L’effrayante abondance de préparation semble presque une recherche<br />

volontaire vers la difficulté, allégorie d’une vie semée d’obstacles que Phia/<br />

Philippe Ménard aime transposer sur la scène. « Plus l’espace se remplit de<br />

glace, plus je suis dans une situation où je dois préserver mon équilibre.<br />

C’est un peu comme dans la société. Chaque jour on prend des coups, on<br />

essaye de ne pas vaciller. »<br />

Glissades, brûlures et coups : ces risques entrent dans les quotas de chaque<br />

représentation de P.P.P.. Phia n’a pas froid aux yeux, elle rejette le côté<br />

contemplatif des spectacles pour nous « faire vivre » une situation déplaisante<br />

à l’extrême. Elle n’est satisfaite que lorsque l’identification du public est<br />

complète ; lorsque les spectateurs poussent un cri d’effroi, tandis qu’elle se<br />

couche, presque nue, sur un tapis de glace.<br />

FROSTIGE<br />

TRANSFORMATION<br />

Text: | Texte: KIRSTEN SANDERS<br />

Junge – Mädchen? Mädchen – Junge? Frau – Mann? Mann – Frau? Ein Mensch im Bindestrich, im Dazwischen,<br />

im Zweifel. Das eine nicht vollständig annehmen können, weil das andere stärker zieht. Ein diffuses Gefühl<br />

zwischen Männlichkeit und Weiblichkeit schreit nach Identität. Laute Zweifel rufen nach Erfüllung einer<br />

wehmütigen Sehnsucht, nach Akzeptanz - letztlich sogar nach Halt? Philippe Ménard – Phia - sucht vielleicht<br />

nach einem Punkt hinter vielen Bindestrichen.<br />

In ihrer Inszenierung „P.P.P.” (Position Parallèle au Plancher) ist sie einzige Darstellerin, die sich auf<br />

einem Bühnenbild mit bewegenden Tiefkühlschränken bewegt. Darin befinden sich Kugeln aus Eis, die<br />

sie wirft, fängt und balanciert. Mit diesem Material verdeutlicht sie ihre eigene Transformation. Die von<br />

vielen Menschen selbstverständlich angenommene Identität „Mann” oder „Frau” wird hier angezweifelt,<br />

da sich das gefrorene Wasser wieder verflüssigt.<br />

Eiskugeln, die wie Lampen von der Decke herabhängen, schmelzen. Die Tropfen plätschern wie<br />

feiner Regen, der an leise geweinte Tränen erinnert. Groß fallende Eissplitter bilden ein wachsendes<br />

Kältemeer, in dem sich Phia graziös bewegt. In Fellmantel und Unterwäsche jongliert sie mit Eiskugeln<br />

- leckt sie, frisst sie, speiht sie aus. In diversen Kleidern zeigt sie sich als gebärende Frau oder wandelt<br />

als verwundertes Kind mit Klimperaugen über die Bühne.<br />

Geräusche eines fahrenden Zuges, der weder von A abfährt noch in B ankommt, deuten ihre Verwandlung<br />

an: Behutsam streift sie ihre künstlichen Brüste ab. Mit einem Hackbeil aus der Küchenschublade streift<br />

sie sich über Puls- und Hauptschlagader. Jene zärtliche Andeutung eines Selbstmords trifft ins Herz.<br />

Nach der Performance verweist sie auf die distanzierte Sichtweise der Menschen auf Transsexualität.<br />

Ihr dezent erhobener Zeigefinger hüllt das kräftig applaudierende Publikum in abrupte Stille. Mit zarter<br />

Stimme sagt sie, dass sie ungefährlich sei. Ihre kurze Ansprache zeigt deutlich, wie fragwürdig andere<br />

Menschen sie betrachten mögen. Wie tolerant sind wir wirklich im Jahre 2010?<br />

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