1939_Der Widerstand als kostenlose Antriebskraft
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<strong>Der</strong> Fürst: Keine Regel ohne Aus-nahme. Und alles kann der einzelne nicht wissen. Aber<br />
spreche weiter.<br />
<strong>Der</strong> Hofnarr: Alles kann der Mensch allein nicht wissen, aber es wäre im Interesse der<br />
gesamten Menschheit gelegen, wenn selbstherrliche Herren ab und zu auch auf den Rat der<br />
untertänigsten Hofnarren hörten, um selbst weniger Verantwortung tragen zu müssen, denn<br />
Herr stelle dir vor, wenn es wahr ist, daß der <strong>Widerstand</strong> der beste Betriebsstoff ist und<br />
dasjenige das heute raffiniert überwunden werden muß die ide<strong>als</strong>te Kraft-quelle ist, die nie<br />
versiegt, im Gegenteil immer kräftiger wird, je mehr man sie benützt, so sind die Folgen nicht<br />
auszudenken.<br />
<strong>Der</strong> Fürst: Wenn es wahr ist, was du da sagst, dann sind allerdings die Folgen nicht<br />
auszudenken. Aber wo sind die Beweise?<br />
<strong>Der</strong> Hofnarr: Diese Beweise stehen seit langem zur Verfügung. Gestatte aber, o Herr, daß ich<br />
dir vor dieser Beweisführung nun meinerseits vorher <strong>als</strong> dein vielleicht bester Ratgeber ein<br />
Orakel verkünde, das ich dir dann sinnrichtig auslegen werde, damit du den tiefen Sinn<br />
verstehst, den Darin vielleicht sowenig selbst verstand, <strong>als</strong> Goethe seine Dichtung Faust in<br />
ihren letzten Auswirkungen kannte.<br />
<strong>Der</strong> Fürst: Was hat die Abstammungslehre und Goethe mit der Klärung der Frage zu tun, daß<br />
es eine Bewegungsart gibt, bei der, wenn ich dich richtig verstanden habe, der <strong>Widerstand</strong> im<br />
Quadrat zur Bewegungsgeschwindigkeit fällt, so daß sich automatisch die widerstandslose<br />
Bewegungskraft ergibt?<br />
<strong>Der</strong> Hofnarr: Lese Goethe genau, und du wirst meine Worte bestätigt finden, aber höre zu,<br />
was Darwin sagt, der mit wenigen Worten das gewaltige und geheimnislose Geheimnis<br />
verkündigt, das den Kern der allmächtigen Schöpfungskraft birgt:<br />
Darwin sagt: Alles Ding hängt im Gesetz der Natur; wo ihre Kraft <strong>als</strong> Bewegung im Stoff<br />
wirkte, kam Leben in Zeit und Raum, der sichtbaren Welt zugehörig.<br />
<strong>Der</strong> Fürst: Dunkel ist seiner Rede Sinn; - erkläre.<br />
<strong>Der</strong> Hofnarr: Gestatte, o Herr, daß ich dir dieses Gesetz der ewigen Regel erkläre und dazu<br />
einige Beispiele benütze, die du dein ganzes Leben lang nie wieder vergessen wirst. Ein alter<br />
General heiratete eine sehr junge Frau. Nachdem die erste und letzte Erzeugungsschlacht<br />
geschlagen war, erklärte der alte Herr seiner sehr jungen Frau, sie möge in Zukunft auf derlei<br />
Dinge nicht mehr neugierig sein, weil es sich immer und ewig um ein und dasselbe handelt.<br />
Die junge Frau nahm sich aber schon nach wenigen Stunden diese Lehre nicht, sondern den<br />
alten Herrn zum Herzen, der ihr mit langen und breiten Worten frei nach Prof. Dacque zeigte<br />
und erklärte, daß die menschliche Hand so ur-sprünglich ist, daß sie dem ewigen Gesetz der<br />
Natur, das Darwin meinte, auch <strong>als</strong> Ersatz für <strong>Widerstand</strong>sstoffe dient, die dem alten General<br />
verloren gegangen sind. Aber wenn zwei dasselbe tun, ist es nicht dasselbe. Die junge Frau<br />
war ratlos und suchte, durch ihre Trieb- und Treibkräfte gegeißelt, dem natürlichen<br />
Wechselgesetz auf natürliche Art und Weise näher zu kommen. Und schon nach kurzer Zeit<br />
flüsterte sie dem alten geleerten Herrn errötend nur ein Wort ins welke Ohr. Dieses Wort<br />
hieß: ausgeblieben. Und der alte Herr nahm sein erglühendes Weib in den Arm und erklärte,<br />
das sei eine schöne Geschichte, die so schön ist, daß er sie selbst nicht einmal glaubte - und<br />
ließ sich schleunigst von seiner ach so jungen Frau scheiden.