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MIXOLOGY ISSUE #107 – Einfach mal mit Grappa mixen

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1/ 2022 — 20. Jahrgang<br />

Einzelverkaufspreis: [D] 9,50 € — [A, LUX] 10,50 € — [CH] 11 CHF<br />

ZWISCHEN<br />

ABFALL & UPCYCLING<br />

GRAPPA.<br />

EINFACH MAL<br />

MIXEN.<br />

DAS NEUE BILD VOM<br />

TRESTERBRAND<br />

BARS IN GRAZ<br />

EINMAL ALLES, BITTE<br />

DER BESTE MEZCAL<br />

ESPADÍN IM TASTE FORUM


STADTGESCHICHTEN<br />

MACHT MUR<br />

WEITER SO!<br />

G<br />

R<br />

Dass eine Stadt, die anno 2022 eine kommunistische<br />

Bürgermeisterin regiert, experimentierfreudig ist,<br />

liegt nahe. Graz stand bisher für Design, Musik und<br />

literarische Avantgarde. Mixologisch tritt Österreichs<br />

zweitgrößte Stadt jetzt erst aus dem Schatten<br />

<strong>–</strong> <strong>mit</strong> Routiniers ebenso wie <strong>mit</strong> Neuzugängen.<br />

Text Roland Graf<br />

24


A<br />

Z<br />

Foto: Daniel J. Schwarz via unsplash<br />

25


COCKTAIL<br />

Text Roland Graf<br />

Fotos Jule Frommelt<br />

Set Design Kora Sinn<br />

Drink Design Rose-Manon Baux<br />

TRESTER<br />

VERWERTUNG<br />

SEIT RESTEVERWERTUNG ALS<br />

NACHHALTIGKEIT DURCHGEHT,<br />

SOLLTE GRAPPA, MARC UND CO.<br />

EIN GOLDENES ZEITALTER BLÜHEN.<br />

DOCH DIE WELT IST UNGERECHT.<br />

SELBST ALS STADTFEINES<br />

DESTILLAT VERKLEIDET DARF DER<br />

RUSTIKALE TRESTER BRAND NICHT<br />

OFT IN DIE BAR. WARUM DAS SO<br />

IST UND WER DAGEGEN KÄMPFT,<br />

SCHILDERT DIESE SPURENSUCHE.<br />

Geht es um die Mixability von Tresterbränden,<br />

denkt man vor allem an <strong>Grappa</strong>. Und wo<strong>mit</strong>?<br />

Mit Recht! Tatsächlich stellt Deutschland nicht<br />

nur den stärksten Exportmarkt für das italienische<br />

Destillat dar, sondern es dominiert den<br />

Absatz <strong>mit</strong> 62 % (!) aller ausgeführten <strong>Grappa</strong>s<br />

förmlich. Nimmt man dann noch die nächstwichtigen<br />

Märkte Schweiz (10 %) und Österreich<br />

(5 %) dazu, gehen nahezu vier Fünftel des<br />

Trester-Exports Italiens ins deutschsprachige<br />

Ausland. Mit einem Wertzuwachs von 13 %<br />

blieb die Ausfuhr selbst im Pandemiejahr 2020<br />

eine Bank für die Brennereien. <strong>Grappa</strong> <strong>–</strong> eine<br />

transalpine Liebesgeschichte zwischen Italien<br />

und dem Deutsch sprechenden Teil der Welt.<br />

Diese Zahlen sind aus Sicht des Branchenverbands<br />

»AssoDistil« umso erfreulicher, als<br />

dass 83 % aller italienischen Destillerien auch<br />

<strong>Grappa</strong> erzeugen, der Inlandsmarkt allerdings<br />

massiv einbrach: Die <strong>Grappa</strong>-Produktion lag<br />

2020 auf dem Tiefpunkt, ein Minus von 4 % gegenüber<br />

2019 bescherte dem Segment »ein Jahr<br />

zum Vergessen«, so der Verband wörtlich.<br />

38


TSIPOURINI<br />

Kostas Karvounis, Dunlin,<br />

Innsbruck, 2020<br />

6 cl Tsipouro<br />

1,5 cl Wermut-Fenchel-Infusion *<br />

4 <strong>–</strong> 5 Dashes Lemon Bitters<br />

Glas: Coupette<br />

Garnitur: keine<br />

Zutaten ins Rührglas geben,<br />

<strong>mit</strong> Eiswürfeln auffüllen und<br />

gründlich kaltrühren. Ins<br />

vorgekühlte Glas abseihen.<br />

* 10 g Fenchelsamen anrösten<br />

und für 24 Stunden in 1000 ml<br />

trockenen Wermut einlegen.<br />

Filtern und abfüllen.<br />

39


ALCHEMIST<br />

D I E<br />

V I E L E N<br />

E B E N E N<br />

Text Reinhard Pohorec<br />

Fotos Julia Bellack<br />

E I N E R<br />

»<strong>Einfach</strong>heit ist das Resultat der Reife«, so Friedrich Schiller. Dem<br />

geneigten Getränkeenthusiasten gilt das Gegenteil als hehrer<br />

Glaubenssatz. Flüssige Preziosen sollen durch Lagerung erst zu<br />

wahrer Größe finden. Mit Zeit und unter Berücksichtigung der<br />

entsprechenden Parameter wandeln sich Weine oder Spirituosen<br />

von gut zu außergewöhnlich. Ein Blick in die Reife-Glaskugel.<br />

F L A S C H E<br />

44


BOTTLE AGING: DIE SUCHE<br />

NACH DER VERLORENEN ZEIT


SPIRITUOSE<br />

ALKOHOLFREIE SPIRITUOSEN<br />

LUSTVOLLE<br />

Zwei Jahre, nachdem wir unter dem mehrdeutigen Titel<br />

»Besoffene Askese« erst<strong>mal</strong>ig ausführlich über das Phänomen<br />

der »alkoholfreien Spirituosen« berichtet haben, wagen<br />

wir erneut einen Blick. Was hat sich trotz Corona am Markt<br />

getan, wie beurteilen die Produzenten die Lage, was sind die<br />

Erwartungen von Bartendern? Raus aus der Nische oder<br />

Stubenhocker <strong>mit</strong> medialem Aufmerksamkeitssyndrom?<br />

Schließlich, wird Alkohol ganz verschwinden?<br />

ASKESE<br />

Text Markus Orschiedt<br />

50


Illustration: Editienne<br />

51


<strong>MIXOLOGY</strong> TASTE FORUM<br />

DAS CHAMÄLEON.<br />

IMMER NOCH!<br />

Mezcal hat ein Problem: Einerseits von immer mehr<br />

Genießern geschätzt, wird er viel zu sehr auf wenige<br />

Kerneigenschaften reduziert. Ein klassischer<br />

Wachstumsschmerz, wenn eine Kategorie sich<br />

etabliert und sich Assoziationen festsetzen. Dabei<br />

ist er so vielfältig, dass er untereinander schwer<br />

vergleichbar bleibt. Das Taste Forum hat sich<br />

dennoch zusammengefunden, um das Angebot<br />

der Agavensorte »Espadín« zu untersuchen.<br />

Text & Leitung des Tastings<br />

Maria Gorbatschova<br />

Mezcal war immer politisch. Die spanischen<br />

Besatzer wollten ihren eigenen Wein und Brandy<br />

vertreiben, das Brennen von Mezcal wurde<br />

sanktioniert oder verboten. Doch immer fanden<br />

sich Wege, man brannte in der Wildnis <strong>mit</strong><br />

portablen Destillen und einfachsten Techniken.<br />

Mit der Zeit wurde der stärker domestizierte Tequila<br />

zum Nationalgetränk, Mezcal geriet selbst<br />

für Mexikaner in den Hintergrund. Das ändert<br />

sich seit einigen Jahren, global wie national.<br />

Mezcal bleibt politisch<br />

Auch heute ist Mezcal <strong>mit</strong> politischem Kräfteringen<br />

verbunden. 1994 erhielt Mezcal eine Geschützte<br />

Herkunftsbezeichnung (DO). Er darf<br />

also nur in bestimmten Gebieten Mexikos nach<br />

festgelegten Regeln gebrannt werden. Das Problem<br />

dabei: 24 von 31 mexikanischen Bundesstaaten<br />

können eine Mezcaltradition nachweisen,<br />

aber nur neun dürfen heute den Begriff »Mezcal«<br />

verwenden. Die restlichen müssen sich <strong>mit</strong><br />

der ungeschützten Bezeichnung Aguardiente<br />

de Agave zufriedengeben, obwohl sie exakt dasselbe<br />

Verfahren anwenden wie ein traditioneller<br />

Brenner im benachbarten Bundesstaat. Im<br />

Jahr 2012 konnte eine internationale Petition<br />

von Bartendern und Mezcal-Liebhabern verhindern,<br />

dass selbst die Benutzung des Begriffs<br />

»Agave« für Spirituosen außerhalb der DO<br />

strafbar wird. Hinzu kommen teils unnötige Regularien,<br />

etwa beim erlaubten Säuregehalt. Viele<br />

Brenner mussten ihre Rezepte anpassen, um<br />

ihr Produkt in den vorgeschriebenen Rahmen<br />

zu pressen. Ein großer Kritikpunkt der Regularien<br />

ist, dass es ihnen nicht gelingt, traditionelle<br />

Verfahren und Hersteller zu schützen. Bei vielen<br />

Entscheidungen darf die Frage gestellt werden:<br />

In wessen Sinne werden sie gefällt?<br />

Die meisten Mezcals auf dem Markt basieren auf<br />

der Espadίn-Agaven, ein sehr naher Verwandter<br />

der für Tequila verwendeten Blauen Weber.<br />

Beide Arten reifen verhältnismäßig kurz (grob<br />

sieben bis zehn Jahre), lassen sich leicht auf<br />

verschiedenen Böden kultivieren und erzeugen<br />

Setzlinge, auch Klone genannt. Beide produzieren<br />

große Mengen Zucker, die zu besonders<br />

großen Erträgen führen. Doch während Tequila<br />

<strong>mit</strong>tlerweile als hochindustrielle Spirituose gilt,<br />

scheint Mezcal authentisch und ursprünglich.<br />

Dabei ist diese scharfe Trennung nicht ganz korrekt,<br />

denn letztlich ist Tequila eine Mezcal-Unterart.<br />

Und auch Mezcal im Allgemeinen verändert<br />

sich bereits, um der gesteigerten Nachfrage<br />

hinterherzukommen.<br />

Die Vergangenheit prägt den<br />

Blick des Heute<br />

Schauen wir uns zuerst Mezcal in seiner traditionellen<br />

Form an. Geerntet werden ausschließlich<br />

reife Agaven, die bereits einen Blütenstamm,<br />

den Quiote, ausbilden. Im Regelfall wird unabhängig<br />

von der Agavenart alles zusammen verarbeitet,<br />

was gerade reif ist. Die Agaven werden in<br />

Erdlöchern geröstet und in einer Tahona oder<br />

<strong>mit</strong> einem Schlagstock zerkleinert. Darauf folgt<br />

eine lange Fermentation <strong>mit</strong> wilden Hefen in<br />

Gefäßen aus Leder, Lehm, Holz oder Stein. Traditionell<br />

wird Mezcal meist in kleinen Lehm-,<br />

Kupfer- oder sogar hölzernen Filipino Stills<br />

gebrannt. Er wird ohne Wasserzugabe aus dem<br />

Herzen des Destillats und Teilen des Nachlaufs<br />

verschnitten, was zu einer öligen, aromatisch<br />

intensiven Spirituose führt. Authentisch hergestellter<br />

Mezcal hat deswegen meist einen Alkoholgehalt<br />

zwischen 45 und 55 % Vol. Auch heute<br />

wird Mezcal teilweise so hergestellt.<br />

Schwenk zur modernen Mezcalproduktion.<br />

Aufgrund des in den USA und Europa dominanten<br />

Trends zu sortenreinen Abfüllungen<br />

wird Mezcal häufig aus einzelnen Arten wie<br />

Espadín, Madrecuixe oder Tobala angeboten,<br />

statt in traditionellen Ensambles, also Cuvées.<br />

Manche Arten brauchen bis zu 30 Jahre, um<br />

zu reifen, und können sich erst <strong>mit</strong> der Blüte<br />

56


Illustration: Editienne


188<br />

MEILENSTEINE<br />

DER BARLITERATUR<br />

BACK TO BASICS<br />

uniVerSitÄres trinken<br />

Eine gesellschaftliche Pflichtübung<br />

OxforD night caps<br />

A COLLECTION OF VARIOUS BEVERAGES<br />

TEIL 1/6<br />

70<br />

Ersterscheinung im Jahr<br />

1827


NIGHTCAP<br />

AN DER UNI!<br />

Text Gabriel Daun<br />

2<br />

MockUps der Buchausgaben: Editienne<br />

Neues Jahr, neue Serie: In diesem Jahrgang<br />

macht unser Autor in seiner Rubrik<br />

»Back to Basics« die historische Bücherkiste<br />

auf. Warum? Weil sich der Blick in<br />

die Drink-Literatur des 19. Jahrhunderts<br />

immer lohnt und eigentlich viel zu selten<br />

erfolgt. Und um gleich für einen kleinen<br />

Skandal zu sorgen: Jerry Thomas wird<br />

nicht dabei sein.<br />

Beginnen wollen<br />

wir aber im akademischen<br />

England<br />

des Jahres 1827.<br />

Der eine oder andere, der bereits gegen Ende<br />

des vergangenen Jahrtausends als mündiges<br />

Wesen auf Gottes grüner Erde wandeln durfte,<br />

mag sich noch des Umstands gewahr sein, dass<br />

es eine Zeit gab, in der man auf der Suche nach<br />

Informationen eher ein Buch als das Internet<br />

konsultierte. Eine Recherche konnte dabei allerdings<br />

schnell aufwendig werden, denn nicht<br />

immer war das Druckerzeugnis, das die gewünschte<br />

Information in sich barg, auch sofort<br />

zu beschaffen. So manches Buch war vergriffen<br />

und oft<strong>mal</strong>s hatte es eine Bibliothek bereits an<br />

jemand anderen verliehen.<br />

Ich weiß: Das klingt so ein bisschen Opa-erzählt-vom-Krieg-mäßig,<br />

aber in Wahrheit sind<br />

kaum mehr als zwei Jahrzehnte verstrichen,<br />

seitdem das eben geschilderte Szenario noch<br />

eher die Regel als die Ausnahme war. Neben<br />

den vielen durchaus diskutablen Auswirkun-<br />

gen auf die Gesellschaft und den Einzelmenschen,<br />

die das Internet seitdem gezeitigt hat,<br />

vermochte es glücklicherweise auch einiges<br />

Segensreiches beizusteuern. Dazu zählt, darin<br />

sind wir uns vermutlich einig, in erster Linie<br />

das schier unendliche und barrierefreie Angebot<br />

an Wissen <strong>–</strong> auch in Gestalt digitalisierter<br />

Bücher, in die <strong>mit</strong>tlerweile zu jedem beliebigen<br />

Zeitpunkt Einsicht genommen werden kann.<br />

Eine für Bartender in diesem Zusammenhang<br />

besonders relevante Quelle ist die Seite der Exposition<br />

Universelle des Vins et Spiritueux, kurz<br />

EUVS, die eine große Anzahl an Scans alter<br />

Originale der Cocktail-Literatur zur Verfügung<br />

stellt. Auch ohne Sparschweinplünderung lassen<br />

sich dort alte und älteste Bücher, die sich<br />

<strong>mit</strong> mixed drinks befassen, einsehen und studieren.<br />

Ungekürzt und für jeden zugänglich,<br />

ohne sie gleich kaufen zu müssen. Wunderbar!<br />

71

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