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knw Journal: Unsere Herbstausgabe

Die fünfte Ausgabe unseres knw journal ist erschienen. Diese ist etwas länger geworden, sie ist nämlich unsere Ausgabe zum 30.jährigen Jubiläum des Kindernetzwerk e.V. Teilen Sie uns gerne weiter Ihre Meinung mit. Schön, dass so viele Mitglieder die Möglichkeit wahrnehmen, uns ihre Informationen zu senden.

Die fünfte Ausgabe unseres knw journal ist erschienen. Diese ist etwas länger geworden, sie ist nämlich unsere Ausgabe zum 30.jährigen Jubiläum des Kindernetzwerk e.V. Teilen Sie uns gerne weiter Ihre Meinung mit. Schön, dass so viele Mitglieder die Möglichkeit wahrnehmen, uns ihre Informationen zu senden.

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<strong>knw</strong> journal<br />

des Kindernetzwerk e.V.<br />

Dachverband der Selbsthilfe von Familien mit Kindern<br />

und jungen Erwachsenen mit chronischen Erkrankungen<br />

und Behinderungen<br />

Ausgabe 02 2023


Unser <strong>knw</strong>-journal<br />

Liebe Leser:innen,<br />

Sie öffnen hiermit die fünfte Ausgabe und Jubiläumsausgabe unseres digitalen<br />

<strong>Journal</strong>s. Diese ist etwas länger als sonst, zur Feier unseres 30. Jahrestages.<br />

Hinter uns liegen eine gut besuchte Pressekonferenz anlässlich der Verabschiedung<br />

unseres aktualisierten Berliner Appells, unser vielseitiges Symposium zum Thema<br />

Resilienz in Erkner sowie natürlich unsere Jubiläumsveranstaltung und die Mitgliederversammlung.<br />

Zu allem folgt weiter unten ein ausführlicher Bericht mit<br />

Eindrücken vom Tag.<br />

Wir freuen uns, dass aus den Reihen unserer Mitglieder viel Beteiligung beim<br />

Berliner Appell und auch bei der Erstellung des <strong>knw</strong> journal kam - danke, dass wir<br />

Sie und Euch an unserer Seite haben! Teilen Sie dieses <strong>Journal</strong> auch bitte weiter<br />

unter Ihren Mitgliedern und Freunden und senden Sie uns bitte auch weiter Ihre<br />

Themenvorschläge direkt an jackel@kindernetzwerk.de – lieben Dank!<br />

In diesem <strong>Journal</strong> finden Sie eine Reihe von Interviews mit Wegbegleiter:innen des<br />

Kindernetzwerk e.V. Natürlich waren es aber viel mehr Menschen, die das Kindernetzwerk<br />

e.V., kurz <strong>knw</strong>, auf seinem Weg geprägt und begleitet haben. Wir sind<br />

unseren Mitgliedern dankbar für die gemeinsame Zeit und alles, was nun noch<br />

folgt. Wir geben unser Bestes, um gut aufgestellt zu sein und mit unseren Angeboten<br />

möglichst vielen Betroffenen und ihren Angehörigen und Lieben bestmöglich<br />

Unterstützung zu leisten.<br />

Nun hoffen wir, dass Sie wieder eine Reihe von Artikeln finden, die Sie und Euch<br />

interessieren!<br />

Alles Liebe für Sie und Ihre Familien!<br />

Ihr <strong>knw</strong> journal-Redaktionsteam


Inhaltsverzeichnis<br />

3 Aus dem Kindernetzwerk<br />

44 Aus Politik & Gesellschaft<br />

66 Buchtipps<br />

68 Für unsere „Very Special Children“: <strong>Unsere</strong> Kinderseiten<br />

79 <strong>Unsere</strong> Glosse „zu guter Letzt“<br />

81 Impressum


Aus dem Kindernetzwerk


4<br />

Aus dem Kindernetzwerk<br />

Wir sind 30 Jahre alt!<br />

Rückblick unserer Jubiläumsveranstaltung<br />

mit Symposium zum Thema Resilienz<br />

vom 15.-17.09.2023<br />

Das Kindernetzwerk ist als Dachverband der Selbsthilfe<br />

von und für Familien mit Kindern und Jugendlichen<br />

mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen<br />

schon lange bekannt: Seit drei Jahrzehnten<br />

hilft und verbindet das <strong>knw</strong> betroffene Familien mit<br />

krankheitsübergreifenden Unterstützungsangeboten.<br />

Auf der Jahrestagung wurde darüber hinaus<br />

deutlich, dass es auch ein Netzwerk der aktiven<br />

Selbsthilfe ist, das Austausch und Stärkung ermöglichen<br />

möchte.<br />

Beginn der Tagung mit der Pressekonferenz zum „Berliner Appell“<br />

Die Liste der Versorgungsprobleme für betroffene<br />

Familien ist lang. Dazu kommt, dass die Inklusion<br />

in Schule, Ausbildung, Universität und auf dem<br />

Arbeitsmarkt bisher nicht ausreichend gelingt.<br />

Deswegen hat das Kindernetzwerk zusammen mit<br />

seinen betroffenen Mitgliedern die dringendsten<br />

Forderungen für die aktuelle Gesundheits-, Sozialund<br />

Familienpolitik formuliert. Diesen „Berliner<br />

Appell“ haben wir auf einer Pressekonferenz am<br />

15.09.2023 in Berlin (Haus der Bundespressekonferenz)<br />

im Rahmen unserer 30jährigen Jubiläumstagung<br />

vorgestellt.


Aus dem Kindernetzwerk<br />

5<br />

Berliner Appell: Der politische Forderungskatalog des Kindernetzwerks<br />

Die medizinische Versorgung gerade bei Kindern<br />

mit chronischen, seltenen Erkrankungen und Behinderungen<br />

ist immer mehr der Ökonomisierung<br />

unterworfen. Neben fehlendem Geld und Personal<br />

sind auch strukturelle Probleme dafür verantwortlich,<br />

dass die medizinische Versorgungslage in den<br />

verschiedenen Bereichen immer schlechter wird.<br />

Mittlerweile ist es keine Seltenheit, dass Kinder und<br />

Jugendliche zum Abklären ihrer Symptome lange<br />

Wartezeiten in Kauf nehmen müssen. Insbesondere<br />

die fachmedizinische Diagnostik und Begleitung<br />

verzögert sich durch den Mangel an qualifiziertem<br />

Personal. In der Folge kann es zu irreversiblen Gesundheitsstörungen<br />

kommen.<br />

Auch im Bereich der Kinderarzneimittel gibt es Probleme<br />

und Versorgungsengpässe. Häufig werden<br />

Medikamente verabreicht, die für Kinder offiziell<br />

nicht zugelassen und/oder schwer zu beziehen<br />

sind.<br />

Die medizinische Versorgung junger Erwachsener,<br />

für die deren Pädiater:innen nicht mehr zuständig<br />

sein können, weil ihre Patient:innen zu alt geworden<br />

sind, stellt eine weitere spezielle Herausforderung<br />

dar (Transition als Herausforderung).<br />

Kinder und Jugendliche mit chronischen Erkrankungen<br />

und Behinderungen sehen sich zudem auf allen<br />

Ebenen des gesellschaftlichen Lebens vor Herausforderungen<br />

gestellt, für die mehr Unterstützung<br />

wichtig wäre: Schule, Freundschaft, Sexualität, Berufswahl,<br />

Wohnen. Hier warten besondere Herausforderungen,<br />

bei denen mehr Unterstützung wichtig<br />

wäre.<br />

Deshalb hat das Kindernetzwerk die wichtigsten<br />

Forderungen an Politik und Öffentlichkeit zusammengetragen:<br />

Konstruktive Lösungsvorschläge, mit<br />

denen die politischen Entscheidungsträger:innen die<br />

rechtliche und soziale Situation verbessern sollen.<br />

<strong>Unsere</strong> aktuellen politischen Forderungen wurden<br />

auf der Pressekonferenz von betroffenen Eltern,<br />

selbst betroffenen jungen Erwachsenen und von<br />

den Vorsitzenden des Kindernetzwerks erläutert.<br />

Sie finden den Appell in ganzer Länge weiter unten<br />

im Politikteil abgedruckt.<br />

Die politische Seite beleuchtete Nina Stahr, bildungspolitische<br />

Sprecherin der Grünen im Bundestag<br />

und Mitglied im Familien-Ausschuss und<br />

(stellv.) in der Kinderkommission.<br />

Hier finden Sie die Personenvorstellungen als pdf...<br />

Alle Fotos und Informationen rund um die Pressekonferenz<br />

finden Sie hier:<br />

https://www.kindernetzwerk.de/de/agenda/Poli<br />

tikportal/2023/Unser-politischer-Forderungskata<br />

log.php<br />

Die Pressekonferenz war gut besucht und u.a. das<br />

Deutsche Ärzteblatt hat über die Veranstaltung<br />

berichtet, siehe hier:<br />

https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/146003/<br />

Selbsthilfe-chronisch-kranker-Kinder-beklagt-lan<br />

ge-Wartezeiten-und-fehlende-Arzneimittel<br />

Hier finden Sie den Berliner Appell...<br />

Hier finden Sie den Berliner Appell in leichter<br />

Sprache...


6<br />

Aus dem Kindernetzwerk<br />

Unser Jubiläum<br />

Das Kindernetzwerk<br />

– seit 30 Jahren ein Netzwerk der Selbsthilfe<br />

Wir konnten 30 Jahre Kindernetzwerk e.V. mit Ihnen<br />

und Euch gebührend in Berlin und Erkner feiern.<br />

Seit nunmehr drei Jahrzehnten setzt sich das<br />

Kindernetzwerk als Dachverband der Selbsthilfe<br />

von Familien mit betroffenen Kindern oder jungen<br />

Erwachsenen für Ihre und Eure Belange ein.<br />

Vom 15.-17.09.2023 hatten wir in Berlin und Erkner<br />

mit Hilfe unseres Vorstandes und unseres tollen<br />

Teams sowie natürlich mit Unterstützung unserer<br />

Mitglieder und Förderung durch den AOK Bundesverband<br />

ein interessantes, interaktives Angebot<br />

rund um das Thema Resilienzstärkung vorbereitet.<br />

Geboten waren ein wissenschaftliches Symposium<br />

und Workshops für die Teilnehmenden selbst sowie<br />

schöne Angebote für die begleitenden Kinder und<br />

Jugendlichen. Zwei Abende konnten wir im geselligen<br />

Austausch zu 30 Jahre <strong>knw</strong> verbringen.<br />

Hier können Sie unser gesamtes Programm noch<br />

einmal im Überblick sehen:<br />

https://www.kindernetzwerk.de/de/aktiv/<br />

Termine/2022/30.-Jubilaeum:-Jahrestagung-Kindernetzwerk-Save-the-date.php<br />

https://www.kindernetzwerk.de/de/agenda/<br />

News/2023/30-Jahre-Kindernetzwerk.php<br />

Symposium zum Thema Resilienz und Festabend am 16.09.2023<br />

Am Samstag, den 16. September 2023, führten wir<br />

das Symposium zum Thema „Resilienz stärken“<br />

durch. In seinem Festvortrag ging Prof. Dr. med.<br />

Dr. h.c. Hubertus von Voß, Ehrenvorsitzender des<br />

Kindernetzwerks und nun Träger der <strong>knw</strong>-Ehrenmedaille,<br />

auf die Aufgabe der Pädiater:innen ein,<br />

beweglich und kreativ in den Diagnosen zu sein,<br />

weiterzuforschen, auch unkonventionelle Wege zu<br />

gehen, um zu einer Diagnose einer seltenen Erkrankung<br />

bei Kindern zu kommen.<br />

Dr. Isabella Helmreich erläuterte das Thema des<br />

Symposiums „Gemeinsam Krisen bewältigen – Resilienz-Stärkung<br />

im Familiensetting“ wissenschaftlich.<br />

Dabei ging sie vor allem auf das noch junge<br />

Feld „Familien-Resilienz“ ein.


Aus dem Kindernetzwerk<br />

7<br />

Danach gab es ein Panel mit sehr emotionalen und<br />

Mutmachenden Berichten aus erster Hand von<br />

Betroffenen:<br />

Die Inkluencerin Natalie Dedreux lebt mit Down-<br />

Syndrom und hat ein Buch geschrieben, dass wir in<br />

dieser Ausgabe unter unserer Rubrik „Buchtipps“<br />

vorstellen. Sie setzt sich für mehr Sichtbarkeit von<br />

Menschen mit Behinderung und deren Rechte<br />

ein. Das Down-Syndrom dürfe nicht ausradiert<br />

werden.<br />

Die Speakerin Sabrina Lorenz beeindruckte durch<br />

ihre sehr emotionalen Einblicke in ihren Alltag als<br />

Schwerkranke. Mit ihrer mutigen Offenheit zeigte<br />

sie Resilienz in vielen Bereichen ihres schwierigen<br />

Alltags und machte so den Anwesenden viel Mut.<br />

Auf ihrem Blog Fragments of Living leistet sie Aufklärungsarbeit,<br />

schreibt über Disability-Empowerment<br />

und erreicht so tagtäglich über 23.000<br />

Personen.<br />

Viele Eltern von kranken bzw. nichterkrankten Geschwisterkindern<br />

im Plenum konnten sich in dem<br />

Bericht von Naomi Miller wiederfinden: Sie ist erwachsene<br />

Schwester eines behinderten Bruders<br />

und erzählte von ihren Problemen, diese Situation<br />

gut zu meistern, dankte aber auch den Eltern für<br />

ihre unermüdliche Kraft. Naomi Miller hat BLICK |<br />

PUNKT | GESCHWISTER mitbegründet, eine Initiative<br />

von vier Frauen, die sich für erwachsene Geschwister<br />

von Menschen mit Behinderung engagieren.


8<br />

Aus dem Kindernetzwerk<br />

Als Mutter eines behinderten Jungen und eines<br />

nicht-beeinträchtigten Mädchens sprach Nicole<br />

Wrede vor allem die Schwierigkeiten und Belastungen<br />

an, die die Partnerschaft betreffen, und forderte<br />

eine gleichberechtigte Aufteilung in der Pflegearbeit,<br />

auch wenn dies immer wieder zu sehr viel<br />

Streit führe. Mit ihrem Instagram-Profil @hibbel<br />

mors_inklusive gibt sie Einblicke in das Leben als<br />

pflegende Mutter und engagiert sich auf diesem<br />

Wege für mehr Inklusion.<br />

Dem konnte Heiner Fischer nur beipflichten. Sichtlich<br />

gerührt teilte er die Ansicht, dass der geteilte<br />

Versorgungsalltag zu viel Streit und Krisen führen<br />

könne, aber enorm wichtig für eine gesunde Familienaufstellung<br />

sei. Um anderen Vätern zu helfen,<br />

hat er die „Plattform für Aktive Vaterschaft und<br />

Neue Vereinbarkeit“ entwickelt.<br />

Das Kindernetzwerk wurde dadurch zu einem Ort,<br />

an dem alle unter Gleichgesinnten sind, an dem<br />

man loslassen kann, sich verstanden fühlt.<br />

Ein besseres Geburtstagsgeschenk zum 30. Jubiläum<br />

hätte sich das Kindernetzwerk kaum wünschen<br />

können: Das <strong>knw</strong> als Plattform, auf der nicht nur<br />

der Selbsthilfe geholfen wird, sondern auf der auch<br />

Selbsthilfe stattfindet.<br />

Angebote zur Selbstwahrnehmung, aktivierenden<br />

Entlastung - Erkennen von Belastungssituationen<br />

und Resilienzschwächen<br />

Mit einem breiten Programm versuchten wir jeweils<br />

morgens und nachmittags, Resilienz stärkende<br />

Techniken zu vermitteln und Angebote zur aktivierenden<br />

Entlastung zu machen.<br />

Hier können Sie sich zu den einzelnen Angeboten<br />

informieren, auf unserer Homepage werden wir<br />

dazu außerdem noch ein „Infopaket“ zusammenstellen<br />

und hierzu auch bald in den sozialen Medien<br />

und Kanälen des <strong>knw</strong> berichten – wie natürlich<br />

im nächsten <strong>knw</strong> journal.<br />

Zum Sketchnoting gab die stellv. <strong>knw</strong>-Vorsitzende<br />

Susann Schrödel Workshops. Hier können Sie sich<br />

über Ihre Techniken informieren:<br />

Link zu social media<br />

Viele nickende Köpfe, weinende Augen, tiefe Berührtheit<br />

und Verbundenheit machten sich breit,<br />

als die Podiumsteilnehmer:innen aus ihrem Alltag<br />

berichteten. Für die „Zuschauer:innen“ war<br />

es ergreifend dabei zu sein, wie die Betroffenen<br />

krankheitsübergreifend eine ganz eigene gemeinsame<br />

Dynamik entwickelten und ihr Herz ausschütteten.<br />

Und auch wenn viele der Anwesenden<br />

selbst betroffen waren und die Probleme kannten:<br />

Man spürte, wie Jeder die Bestätigung brauchte:<br />

„Du bist nicht allein.“<br />

Einen Impro Theater-Workshop gab Deniz Döhler:<br />

Link zu social media<br />

Zu „Positiver Kommunikation“ gab Klaus Vogelsänger<br />

einen Input: Link zu social media<br />

Als Morgenangebote gab es Lachyoga mit Heidi<br />

Janetzky, TaiChi und Qigong mit Mirko Lorenz<br />

(Keep Moving) und Gehmeditation mit Isabell<br />

Braun (WILD AND SILENT).


Aus dem Kindernetzwerk<br />

9<br />

Zu unserem Festabend schließlich konnten wir die<br />

wundervolle Musik von Manou-Musik genießen.<br />

Hier wurden von der Kindernetzwerk-Vorsitzenden<br />

und Moderatorin des Abends Dr. Annette Mund die<br />

Ehrungen mit der Ehrennadel des Kindernetzwerks<br />

durchgeführt.<br />

Wir danken den Trägern der <strong>knw</strong>-Ehrennadel:<br />

dem Ehrenvorsitzenden und Gründer des Kindernetzwerk<br />

e.V. Prof. Dr.med. Dr. h.c. Hubertus von<br />

Voß, auch für seinen ergreifenden Festvortrag am<br />

Vormittag.<br />

Danke auch an Raimund Schmid, den früheren<br />

Kindernetzwerk-Geschäftsführer, der dieses über<br />

Jahrzehnte auf die Spur gebracht hat. Herr Schmid<br />

hielt einen wunderbaren Rückblick auf dem Festsymposium,<br />

welchen Sie weiter unten auch noch in<br />

dieser Ausgabe finden.<br />

Danken konnten wir auch dem langjährigen<br />

Vorsitzenden des ärztlichen Beraterkreises Herrn<br />

Dr. Jürgen Seeger (siehe Foto). Auch er erhielt die<br />

<strong>knw</strong>-Ehrennadel sowie eine Urkunde, ebenso wie<br />

die anderen Mitglieder des Beraterkreises (die wie<br />

auch Prof. von Voss abends nicht anwesend sein<br />

konnten, die Ehrennadeln aber erhalten werden).<br />

Wir konnten viele neue Impulse, wertvolle Eindrücke<br />

und berührende Momente aus diesem<br />

Wochenende mitnehmen und hoffen, dass es auch<br />

für alle anderen eine unvergessliche Veranstaltung<br />

war.<br />

Danke allen, die dabei waren, und Ihnen allen<br />

Danke für Ihre Treue!<br />

Pressekonferenz und Jubiläumssymposium wurden<br />

gefördert durch


10<br />

Aus dem Kindernetzwerk<br />

30 Jahre Kindernetzwerk<br />

– ein Rückblick auf<br />

ereignisreiche und bewegende<br />

3 Jahrzehnte<br />

Von Raimund Schmid<br />

Eltern, die Anfang der Neunziger Jahre nach einer<br />

Geburt oder durch eine Neuerkrankung ihres Kindes<br />

mit einer chronischen Erkrankung oder anderweitigen<br />

lebensbeeinträchtigten Erkrankung konfrontiert<br />

wurden, waren weitgehend auf sich allein<br />

gestellt. Es gab für sie über die ärztliche Betreuung<br />

hinaus so gut wie keine weiterführende Unterstützung<br />

oder brauchbare Informationen über die jeweiligen<br />

Erkrankungen. Ratsuchende Angehörige<br />

konnten allenfalls auf – für Eltern nicht geeignete –<br />

wissenschaftliche Nachschlagewerke (Olbricht/Laiber)<br />

oder fremdsprachige Elterninformationen aus<br />

England (contact a family) oder den USA (NORD)<br />

zurückgreifen. Es gab jedoch<br />

1992/1993-1997<br />

Höchste Zeit also, dass ein Kindernetzwerk gegründet<br />

wurde. Das war dann schließlich am 15. Dezember<br />

1992 in Frankfurt der Fall, so dass die neue<br />

Organisation direkt Anfang 1993 mit ihrer Arbeit<br />

beginnen konnte.<br />

• kein Internet<br />

• keine Datenbanken<br />

• keine Austauschforen<br />

• keine elterngerechte Informationen<br />

• keine spezialisierten Zentren für<br />

Seltene Erkrankungen<br />

• wenige spezialisierte Ärzt:innen<br />

• kaum diagnostische Zentren für Kinder<br />

und es gab vor allem<br />

• kein Kindernetzwerk!<br />

Maßgeblich initiiert wurde die Gründung von ärztlicher/wissenschaftlicher<br />

Seite von Prof. Dr. Dr. h.c.<br />

Hubertus von Voss aus München, vom gesundheitspolitischen<br />

Fachjournalisten Raimund Schmid<br />

und von Gerd Thomas, der über die Fresenius-<br />

Stiftung die Anschubfinanzierung sicherstellte. Für<br />

diese drei Köpfe standen dann zusammen mit den<br />

anderen dreißig Gründungsmitgliedern im Wesentlichen<br />

diese drei Ziele im Fokus:<br />

Ziel Nr.1: Eine Datenbank für chronische und seltene<br />

Erkrankungen, damit neu betroffene Eltern – im<br />

Vor-Internet-Zeitalter – rasch zu Infos und Adressen<br />

kommen


Aus dem Kindernetzwerk<br />

11<br />

Ziel Nr. 2: Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen<br />

Ärzt:innen und nichtärztlichen Fachkräften<br />

mit ihrem erlernten Wissen und Eltern/der Eltern-<br />

Selbsthilfe mit ihrer erlebten Kompetenz<br />

Ziel Nr.3: Neue und bisher kaum beachtete Themen<br />

aus dem Schatten herausführen und medial<br />

wie politisch publik machen<br />

Der erste Vorstand (zwei Pädiater, ein Kinder-Psychologe,<br />

ein Kinder- und Jugendpsychiater und zwei<br />

Eltern-Selbsthilfe-Vertreterinnen) musste sich aber<br />

zusammen mit weiteren Unterstützern gegen heftige<br />

Widerstände wehren. Denn von ärztlicher Seite<br />

wurde die Gefahr gesehen, dass das Kindernetzwerk<br />

als ideologisiert aufgeladener bundesweiter<br />

Eltern-Selbsthilfeverband gegen die Pädiater:innen<br />

und deren Verbände agieren könnte. Eine Befürchtung,<br />

die sich später als genauso haltlos herausstellte<br />

wie der Vorwurf von Finanzierungsträgern<br />

wie den Krankenkassen, dass das Kindernetzwerk<br />

zu stark von Medizinern und der Industrie als den<br />

ersten Förderern abhängig wäre. Doch auch aus der<br />

Selbsthilfe selbst kamen Vorbehalte, insbesondere<br />

von den bereits bestehenden Dachverbänden, die<br />

zunächst glaubten, dass eine spezielle übergeordnete<br />

Plattform für chronisch kranke und andere gesundheitlich<br />

stark beeinträchtigte Kinder gar nicht<br />

erforderlich sei. Und auch das war ein Trugschluss,<br />

wie sich schon recht bald herausstellen sollte.<br />

Es war also eine durchaus komplexe Ausgangssituation,<br />

als das Kindernetzwerk seinen langen Weg<br />

Anfang 1993 begann. Los ging alles mit dem Bezug<br />

der ersten Geschäftsstelle mit drei Räumen in der<br />

Hanauerstr. 15 in Aschaffenburg. Die Schwerpunkte<br />

in den ersten fünf Jahren waren unter anderen:<br />

• Auf- und Ausbau der Datenbank: zunächst mit<br />

450 Krankheiten mit schnell steigender Tendenz.<br />

• Beantwortung von Anfragen von Seiten betroffener<br />

Eltern. Allein bis 1995 gingen bereits 10.000<br />

Anfragen ein.<br />

• Öffentlichkeitsarbeit, Interviews, Medienberichte<br />

• Erste größere Veranstaltungen, etwa zu Seltenen<br />

Erkrankungen, bereits 8 Jahre vor Gründung der<br />

ACHSE<br />

1998-2002<br />

Bereits nach fünf Jahren konnte das Kindernetzwerk<br />

eine bemerkenswerte Bilanz vorlegen. Dabei<br />

stand zunächst der Servicecharakter im Vordergrund,<br />

was die bis 1998 eingegangen 25.000 Anfragen<br />

belegen.<br />

Doch auch politisch konnte das Kindernetzwerk ab<br />

1998 erste markante Akzente setzen. So fand die<br />

5-Jahres-Jubiläumsfeier unter dem Titel „Wer kennt<br />

schon unsere Sorgen und Nöte?“ mit dem damaligen<br />

Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer<br />

(CSU) in Bonn statt. Der Minister positionierte sich<br />

dabei klipp und klar und legte ein eindeutiges Bekenntnis<br />

zum Kindernetzwerk ab: „Das Kindernetzwerk<br />

hat seit seiner Gründung vor fünf Jahren wahre<br />

Pionierarbeit geleistet. Es bietet den betroffenen<br />

Eltern Hilfe zur Selbsthilfe. … Sie wollen selbst anpacken<br />

und das Schicksal ihrer Kinder erleichtern. Sie<br />

müssen nur wissen, wie das geht und wo sie Hilfe<br />

bekommen, die sie brauchen, um ihren Kindern zu<br />

helfen. Ich sehe hier auch eine politische Ausgabe!“<br />

Wer dieses politische Mandat am besten ausfüllen<br />

konnte, darauf hatte der Kindernetzwerk-Vorsitzende<br />

Prof. Hubertus von Voß sogleich diese prompte<br />

Antwort parat: „Unser Gesundheitssystem muss<br />

mehr denn je diejenigen unterstützen, die für


12<br />

Aus dem Kindernetzwerk<br />

Kinder mit besonderem Bedarf wie Eltern-Selbsthilfegruppen<br />

etwas tun. Ohne sie wäre der hohe<br />

Standard der Kinderversorgung nicht mehr möglich.“<br />

Dort konnte dann auch eine eindrucksvolle 10-Jahres-Bilanz<br />

vorgelegt werden: 80.000 Anfragen/Aussendungen<br />

in 10 Jahren, 2.000 Schlagworte, 130<br />

Mitgliedsorganisationen.<br />

Bis 2002 standen dann folgende Aktivitäten im<br />

Fokus:<br />

• Herausgabe von drei bundesweiten Wegweisern<br />

in Form von Büchern unter dem Titel „Wer hilft<br />

weiter?“ für Eltern und Ärzt:innen. Herausragend<br />

dabei der Band 1 „Eltern-Selbsthilfegruppen,“ der<br />

bis 2004 in drei weiteren Auflagen mit zuletzt 1.044<br />

Seiten und 5.000 Adressen erschien.<br />

• Immer neue Charity-Aktionen wie die mit der<br />

spektakulär nachgebauten <strong>knw</strong>-Spenden-Box des<br />

SAS-Radisson-Hotels in Frankfurt.<br />

• Seit November 1999 (bis Dezember 2019) 65<br />

Ausgaben von Kinder Spezial, einer Zeitschrift mit<br />

Themen über Kinder mit besonderen Bedürfnissen,<br />

die sonst in der Medienlandschaft untergehen.<br />

Hohe Auflage (20.000) und weite Verbreitung etwa<br />

auch bei den Pädiater:innen durch die feste Einbindung<br />

in die „Kinderärztliche Praxis“.<br />

• Gründung einer CP-Initiative mit dem Ergebnis<br />

einer <strong>knw</strong> Materialiensammlung (130 Seiten) über<br />

Therapieverfahren im Kindes- und Jugendalter.<br />

2002 dann das 10jährige Jubiläum in Berlin (Schirmherrin<br />

Christina Rau) mit der Verabschiedung des<br />

1. Berliner Appells und der Entscheidung, künftig in<br />

der Hauptstadt Berlin-Beauftragte für das Kindernetzwerk<br />

zu ernennen. Dabei wurde die Gründung<br />

von sechs bundesweiten Arbeitskreisen (“Seltene<br />

Erkrankungen”, “Kooperation Fachleute-Betroffene“,<br />

“Psychosoziale Nachsorge”, “Junge Erwachsene”,<br />

“Pflege und psychosoziale Versorgung” und<br />

“Bündnis für Kinder”) beschlossen.<br />

Ab 2003 (bis 2009/2010) initiierte das Kindernetzwerk<br />

große Messestände bei der Rehacare<br />

in Düsseldorf, der Rehab in Karlsruhe oder auch<br />

bei bundesweiten Kinderärzt:innen-Kongressen.<br />

Dies erfolgte durch die Planung und die Organisation<br />

von Gemeinschaftsständen für gut 20 Eltern-<br />

Selbsthilfeorganisationen. Ziel des <strong>knw</strong> dabei war,<br />

ein breites Netzwerk zu spannen und die speziellen<br />

Kinderbedürfnisse auf der großen Messebühne in<br />

den Fokus zu rücken. Enger Kooperationspartner<br />

war dabei rehakind.<br />

Ab Anfang der 2000er Jahre bot das Kindernetzwerk<br />

Krankheitsübersichten an, die über einen<br />

Zeitraum von gut 20 Jahren unter Federführung<br />

von Katharina Maidhof-Schmid weite Verbreitung<br />

fanden. Die Ziele dabei waren:<br />

• Beschreibungen von Krankheiten aktuell, kompakt<br />

sowie verständlich aufzubereiten, was über<br />

den zehn Mitglieder starken Pädiatrischen Beraterkreis<br />

vorwiegend durch Prof. Gerhard Neuhäuser<br />

aus Gießen und Dr. Hans-Joachim Landzettel aus<br />

Darmstadt erfolgte.


Aus dem Kindernetzwerk<br />

13<br />

• Beschreibungen mit einer einheitlichen Struktur<br />

zu versehen: Kurzbeschreibung, Symptome,<br />

Formen, Diagnostik, Ursachen, Häufigkeiten, Verwandte<br />

Krankheiten, Therapien, Prognose, Beratung<br />

der Familien<br />

Ab 2007 dann ein neues Angebot des Kindernetzwerks:<br />

Die Wochenend-Auszeiten „Mütter im Mittelpunkt“,<br />

von Beginn an maßgeblich von Birgit<br />

Fuchs initiiert, organsiert und umgesetzt: Erholungs-Wochenenden<br />

für erschöpfte Mütter, die jahre-<br />

oder jahrzehntelang ohne eine einzige Auszeit/<br />

Urlaub Kinder und Jugendliche mit schwerwiegenden<br />

Krankheiten betreuen, mit ganz individuellen<br />

Angeboten: von intensiven Gesprächen und Beratungen<br />

bis hin zu völliger Ruhe und Entspannung.<br />

• die individuelle medizinisch/medikamentöse<br />

Situation der Kinder<br />

• neue therapeutische Potenziale (u.a. Ergo-/<br />

Physiotherapie)<br />

• früh- und sozialpädagogische Maßnahmen<br />

• Situation/Überforderung der Eltern<br />

• Unterstützungsmöglichkeiten durch die<br />

Selbsthilfe<br />

2008-2012<br />

Ab dem Jahr 2008 (bis 2011) fanden die legendären<br />

<strong>knw</strong> Familienseminare statt. Legendär deshalb,<br />

weil sie höchst aufwändig, aber auch höchst effektiv<br />

waren. Zielgruppe dieses gänzlich neuen <strong>knw</strong><br />

Angebots waren Familien, die in jüngster Zeit (nicht<br />

länger als vor 18 Monaten) eine schwerwiegende<br />

Diagnose für ihr Kind erhalten haben. An den<br />

insgesamt fünf Seminaren konnten jeweils zwölf<br />

Familien und 60 Personen pro Familienseminar<br />

teilnehmen. Dies waren betroffene Kinder, Geschwisterkinder,<br />

Fachleute mit erlernter und erlebter<br />

Kompetenz, vereinzelt auch Großeltern und<br />

Erzieherinnen für die Kinderbetreuung. Initiator<br />

hierfür war der <strong>knw</strong> AK 2 „Pflege und psychosoziale<br />

Versorgung,“ Kooperationspartner und Förderer<br />

waren der AOK-Bundesverband sowie die AOK-Baden-Württemberg.<br />

Die Veranstaltungen bestanden aus sechs eineinhalbstündigen<br />

Blöcken verteilt über Tage mit diesen<br />

Schwerpunkten:<br />

Ab 2010 wurde auch die politische Arbeit weiter<br />

forciert. Zum einen über die Gesundheitspolitik in<br />

Berlin quer über alle Parteien und insbesondere<br />

über die Mitglieder in der Kinderkommission. Zentrale<br />

Ansprechpartnerin war acht Jahre lang Marlene<br />

Rupprecht von der SPD. Zum anderen über<br />

den AK „Junge Erwachsene,“ deren Sprecher:innen<br />

zunehmend in politische (Hintergrund)-Gespräche<br />

mit einbezogen wurden. Und schließlich auch über<br />

die anderen AK, etwa zum Thema Pflege und Pflegebegutachtung<br />

bei Kindern.<br />

Ab 2010 bezog das Kindernetzwerk dann in der Hanauer<br />

Str. 8 in Aschaffenburg seine neue Geschäftsstelle,<br />

von der in den Folgejahren vielfältige Aktivitäten<br />

ausgingen. Zum Beispiel:


14<br />

Aus dem Kindernetzwerk<br />

Neue Angebote:<br />

• Humangenetisches Glossar (Katharina<br />

Maidhof-Schmid)<br />

• Neue Internet-Präsenz mit Kindernetzwerk-<br />

Lotse (Ursula Stein, Birgit Fuchs)<br />

• Gerichtsurteile-Datenbank (Martin Wortmann)<br />

Neue Themen für Eltern-Selbsthilfegruppen:<br />

• Öffentlichkeitsarbeit ist mehr als Pressearbeit,<br />

Lobbyarbeit (Dr. Winfried Kösters)<br />

Neue Veröffentlichungen:<br />

• ADHS – Ergänzungen zur medikamentösen<br />

Therapie<br />

• Neue Morbiditäten im Kindes- und Jugendalter<br />

• <strong>Unsere</strong> Mitgliedsvereine<br />

Ein neuer Kindernetzwerk-Preis „Gute Kooperationen“,<br />

der im Folgenden jährlich an Elterninitiativen<br />

vergeben wurde, die vorbildhaft mit Kooperationspartnern<br />

zusammenarbeiteten<br />

2012 dann die Jubiläumsveranstaltung „20 Jahre<br />

Kindernetzwerk“ in der Charité in Berlin mit dem<br />

2. Berliner Appell: Themen u.a. Pflege, Transition,<br />

Teilhabe und Inklusion, Professionalisierung der<br />

Selbsthilfe, Lotsen für Familien mit hohem Versorgungsbedarf,<br />

Neue Reha-Förderkonzepte. In 10<br />

Punkten wird begründet, warum die erlebte Kompetenz<br />

von Eltern als ein integraler Bestandteil der<br />

Gesundheitspolitik gestärkt werden muss.<br />

ein reich bebildertes Buch (Chronik) zu 20 Jahren<br />

<strong>knw</strong>. Verabschiedung auch von Erika Davies-Klemm,<br />

die von 2000 bis 2012 die erste stellvertretende<br />

Bundesvorsitzende des Kindernetzwerks war. Ihr<br />

besonderes Präsent: Sammlung von 20 Fallbeispielen<br />

aus 20 Jahren <strong>knw</strong>-Arbeit.<br />

2013-2017<br />

2013 gab es eine Zäsur im Beraterkreis: Altgediente<br />

und hochverdiente Berater wie Dr. Renate Köberich,<br />

Prof. Ulrich Wemmer und Dr. Hans-Joachim<br />

Landzettel machten Platz für neue Experten - Prof.<br />

Hans-Michael Straßburg, Prof. Andreas Warnke und<br />

Prof. Klaus-Peter Zimmer. Dr. Jürgen Seeger wurde<br />

Beraterkreis-Sprecher.<br />

Bis 2015 fanden immer wieder gut besuchte Veranstaltungen,<br />

Jahrestagungen und Workshops (z.B.<br />

“Train the Trainer”) statt. Es gab neue Publikationen<br />

(“Wahrnehmungsstörungen bei Kindern und<br />

Jugendlichen”, Doku „20 Jahre <strong>knw</strong>: Eine Zukunft<br />

für vergessene Kinder“), die 50. Jubiläumsausgabe<br />

von Kinder Spezial. Dem Ehrenvorsitzenden Prof.<br />

Hubertus von Voss wurde das Bundesverdienstkreuz<br />

verliehen. Erneut stark im Fokus: “Mütter im<br />

Mittelpunkt” und – erstmals - Väter-Auszeiten mit<br />

Rene Fugger und Vätern aus der <strong>knw</strong> Familie.<br />

Und Ende 2012 dann die Verabschiedung von Prof.<br />

von Voß als Vorsitzender im Rahmen der MV 2012<br />

in Mainz und Staffelübergabe an Prof. Knut Brockmann<br />

aus Göttingen. Dabei Ernennung von von<br />

Voß zum Ehrenvorsitzenden. Geschenk hierfür:


Aus dem Kindernetzwerk<br />

15<br />

Starke Beachtung seitens der Politik und der Krankenkassen<br />

fand die große bundesweite <strong>knw</strong> Umfrage<br />

mit 1.570 Eltern zur „Lebens- und Versorgungssituation<br />

von Familien mit chronisch kranken und<br />

behinderten Kindern in Deutschland“. Kooperationspartner<br />

dabei waren der AOK-Bundesverband<br />

und Wissenschaftler:innen der Uni Hamburg.<br />

Zentrales Ergebnis beim Thema Beratung und Information<br />

(“Wer hat am meisten geholfen?”): das<br />

Kindernetzwerk und Selbsthilfegruppen an 1. Stelle<br />

vor den Klinikärzt:innen. 72 Prozent der Befragten<br />

waren mit Infos sehr oder zumindest teils zufrieden.<br />

Alle Ergebnisse sind als <strong>knw</strong>/AOK-Publikation<br />

„Familie im Fokus“ erschienen.<br />

2016-2017 wurden neue Meilensteine gesetzt<br />

– Seit April 2016 – neue <strong>knw</strong> Koordinierungsstelle<br />

in Berlin zur Intensivierung der politischen Arbeit<br />

in der Hauptstadt. Auf- und Ausbau in den folgenden<br />

Jahren unter der Leitung von Margit Golfels<br />

– Neue Publikationen: u.a. “Sind Arzneimittel<br />

kindgerecht?”- “Kinder psychisch kranker Eltern”<br />

- “Selbsthilfe 2020 – Fit für die Zukunft” - “Flüchtlingskinder<br />

und psychische Krankheiten”.<br />

– MV 2016: Mit Dr. Annette Mund wird erstmals<br />

eine Expertin aus der Selbsthilfe und eine Frau an<br />

die Spitze des <strong>knw</strong> gewählt<br />

– 2017: <strong>knw</strong> Homepage in neuem Gewand. Aufund<br />

Ausbau von Social-Media-Kanälen. Weiter<br />

volles Engagement in AK und bei den MV/Jahrestagungen.<br />

2018-2022<br />

Im Jahr 2018 bis 2019 wächst die Berliner Koordinierungsstelle<br />

– personell und inhaltlich. Die Orientierung<br />

nach Berlin und die „Politisierung“ des <strong>knw</strong><br />

setzt sich weiter fort. Die <strong>knw</strong> Akademie mit Themen<br />

von “Geschwisterkinder” über “Sozialgesetze”<br />

bis hin zu “Transitionscoach” kommt voll ins Rollen.<br />

2018 die nächste Jubiläumsveranstaltung - 25 Jahre<br />

Kindernetzwerk. Erneut in der Charité und wieder<br />

ein Berliner Appell mit 8 Handlungsfeldern – erstmals<br />

auch mit Unterstützung der neuen Schirmherrin<br />

Elke Büdenbender.<br />

2019: Raimund Schmid geht – eine neue <strong>knw</strong> Ära<br />

beginnt…<br />

Margit Golfels übernimmt die Geschäftsführung<br />

und führt ab 2019 die Dienststellen in Berlin und<br />

Aschaffenburg enger zusammen. Dabei bleibt eine<br />

klare und bis heute gültige Aufgabenteilung bestehen:<br />

Die Mitgliederbetreuung und Anfragenbearbeitung<br />

wird von der Servicestelle in Mainaschaff<br />

bei Aschaffenburg übernommen. Die Geschäftsleitung,<br />

die Akademie sowie die Öffentlichkeitsarbeit<br />

und die politische Arbeit wird von Berlin aus<br />

gesteuert.<br />

Seit 2020 haben Dr. Henriette Högl und Kathrin<br />

Jackel-Neusser als Doppelspitze die Geschäftsführung<br />

beim <strong>knw</strong> inne. Unterstützt werden beide von<br />

• Pia Rosenthal (Büroleiterin),<br />

• Benita Eisenhardt<br />

(Referentin für Projekte und Entwicklung) (2022),<br />

• Birte Struntz<br />

(Presse- und Öffentlichkeitsarbeit)<br />

• Yeliz Kidis (Projektarbeit) (2023)<br />

• Dr. Verena Popp<br />

(Koordination Netzwerke) (2023)<br />

• Birgit Fuchs<br />

(Telefonberatung und Elternauszeiten)<br />

• Ursula Stein<br />

(Mitgliederbetreuung und Datenbankpflege).<br />

• Lisa Warmo und Hannah Görg<br />

(studentische Mitarbeiterinnen) (2022)


16<br />

Aus dem Kindernetzwerk<br />

Bis heute werden dabei mit der <strong>knw</strong> agenda und<br />

dem jüngsten Berliner Appel 2023 die Kontakte zur<br />

Politik verstetigt.<br />

Zudem bietet das <strong>knw</strong> nun viele krankheitsübergreifende<br />

Weiterbildungs- und Unterstützungsangebote<br />

an. Dabei werden unter anderem Jugendliche<br />

in ihrer Selbstwirksamkeit gefördert sowie<br />

Transitionscoaches und Peers ausgebildet. Diese<br />

Peers sind Berater:innen, die Familien mit einem<br />

chronisch kranken oder behinderten Kind dabei<br />

unterstützen, ihre mitunter schwierige Lebenssituation<br />

bis hin ins junge Erwachsenenalter besser<br />

zu bewältigen. Dieses Ziel verfolgt auch die Junge<br />

Selbsthilfe im <strong>knw</strong>. Besondere Aufmerksamkeit erlangte<br />

sie, als die jungen Menschen im Jahr 2022<br />

Petitionspapiere mit politischen Forderungen an<br />

Entscheidungsträger:innen adressierten.<br />

Mit der Kampagne „MittenImLeben“ konnte insbesondere<br />

über die relevanten Social-Media-Kanäle<br />

das Bild einer starken Selbsthilfe vermittelt und geteilt<br />

werden. Dazu zählt auch Unrare.me, die App<br />

für Seltene Erkrankungen. Bei dieser App handelt<br />

es sich um einen digitalen datengeschützten Gesundheitscampus,<br />

der die unterschiedlichen Player<br />

aus der Medizin, der Pflege, von Betroffenen und<br />

aus der Selbsthilfe zusammenbringt. Wieder ein<br />

Schritt in eine neue Zukunft der (Eltern)-Selbsthilfe.<br />

Das Kindernetzwerk ist in 30 Jahren als Dachverband<br />

der Selbsthilfe von Familien mit Kindern<br />

und jungen Erwachsenen mit chronischen Erkrankungen<br />

und Behinderungen anerkannt und fest<br />

etabliert. Die Vernetzung ist weit fortgeschritten,<br />

das Verständnis füreinander ausgeprägt. Zudem ist<br />

die Einsicht gewachsen, dass medizinische Fachkompetenz<br />

allein zur Krankheitsbewältigung und<br />

für eine stabile psychosoziale Lebenssituation ohne<br />

die Erlebniskompetenz der Selbsthilfe längst nicht<br />

mehr ausreicht. Die Datenbanken - insbesondere<br />

die einmalige Eltern-Datenbank - haben auch heute<br />

noch große Bedeutung trotz der vielfachen Informationen<br />

im Internet.<br />

Alle Themen, die das Kindernetzwerk seit langem<br />

bewegen, werden ständig weiterentwickelt und<br />

zeitgemäß – insbesondere digital - angepasst.<br />

Doch der nun erneuerte Berliner Appell zeigt, dass<br />

es noch viele ungelöste Probleme gibt im Bereich<br />

der chronischen Erkrankung und Behinderung von<br />

Kindern und jungen Erwachsenen. Das Kindernetzwerk<br />

wird daher auch in den nächsten 30 Jahren<br />

gebraucht und genügend Herausforderungen zu<br />

meistern haben.<br />

Der Autor Raimund Schmid war von 1993 bis 2019<br />

Geschäftsführer von Kindernetzwerk e.V.<br />

Die Fotos stammen von Hartmut Kreutz, der von<br />

1994 bis 2019 das Kindernetzwerk aktiv unterstützt<br />

und dabei ein großes Bildarchiv angelegt hat.


Aus dem Kindernetzwerk<br />

17<br />

Interview<br />

mit Dr. Annette Mund<br />

Liebe Frau Dr. Mund, Sie sind nun seit über sieben Jahren Vorsitzende des Kindernetzwerk e.V.,<br />

kurz <strong>knw</strong>. Erst einmal herzlichen Dank dafür, dass Sie dieses wichtige Amt ehrenamtlich schon<br />

so lange ausfüllen und uns so viel Ihrer persönlichen Zeit und Ihres Herzbluts geschenkt haben!<br />

Wie sind Sie eigentlich zur Selbsthilfe und wie zum<br />

<strong>knw</strong> gekommen?<br />

Wir haben einen Sohn, der sich seit seiner etwas<br />

zu frühen Geburt mit eventuellem Sauerstoffmangel<br />

während der Geburt verzögert entwickelte. Ein<br />

anderer Sohn litt unter einer Eiweißunverträglichkeit<br />

und konnte nicht gestillt werden. In diesen<br />

Jahren – wir sprechen von den späten 80er Jahren<br />

des letzten Jahrhunderts – gab es in der ländlichen<br />

Region, in der wir damals lebten, wenig Wissen zu<br />

speziellen Kindern. Also wurde ich meine eigene<br />

Spezialistin und begann mich zu Entwicklungsverzögerungen<br />

und Ernährungsbesonderheiten fit zu<br />

machen. Bald hielt ich Vorträge in Kindergärten<br />

und an Elternabenden. Irgendwann entdeckte mich<br />

dann die örtliche Selbsthilfe und „kaschte” mich.<br />

Über mehrere bundesweit agierenden Selbsthilfeorganisationen,<br />

die ich leitete, bin ich schließlich<br />

2014 zum Kindernetzwerk gekommen.<br />

Was bedeutet Selbsthilfe heute für Sie, was hat<br />

sich im Laufe der Jahre und Jahrzehnte geändert?<br />

Selbsthilfe ist die wunderbare Möglichkeit zu erkennen,<br />

dass keine Situation in meinem Leben oder<br />

in dem eines anderen Menschen ausweglos ist.<br />

Immer ist es möglich, sich bei den Menschen, die<br />

mit ähnlichen Situationen umgehen mussten und<br />

müssen, Tipps und Hilfe zu holen. Mit dem Austausch<br />

wächst dann häufig das vielfach verschüttete<br />

Gefühl „Ich kann etwas” oder „vielleicht ist die<br />

Situation doch gar nicht so ausweglos”. Selbsthilfe<br />

ist im besten Sinn eine Melange aus Maria Montessoris<br />

Satz „Hilf mir, es selbst zu machen” und<br />

dem Niehbur’schen Gelassenheitsgebet „Gott, gib<br />

mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich<br />

nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die<br />

ich ändern kann, und die Weisheit, dass eine vom<br />

anderen zu unterscheiden.”<br />

So wie ich es wahrnehme, sind die Menschen in<br />

der Masse heute weniger bereit, für sich selbst einzustehen<br />

und „es selbst zu machen”. Der Servicegedanke<br />

festigt sich immer mehr, so dass es nicht<br />

mehr heißt, „ich ändere, was ich ändern kann”, sondern<br />

„Du - ändere mein Leben” und „Du, mache es<br />

für mich!”<br />

Sie haben viele wesentliche Projekte des <strong>knw</strong> mit<br />

angestoßen und durchgeführt. Welches waren<br />

bislang „Glanzlichter” für Sie ganz persönlich?<br />

Sehr hat mich unser Peer-Projekt gefreut und inspiriert.<br />

Ich glaube, dass wir hier ein Feld entdeckt<br />

haben, das noch sehr reichlich abgeerntet werden<br />

kann. All die Mütter und Väter, die jahrelang ein<br />

behindertes oder chronisch krankes Kind begleiten,<br />

haben eine unfassbar große Menge an erlebter


18<br />

Aus dem Kindernetzwerk<br />

Kompetenz angehäuft, ein so großes Wissen erlangt,<br />

dass sie ganz wunderbare Peers werden können.<br />

Hier sehe ich noch viele „ungeschliffene Diamanten”,<br />

die nur geschult zu werden brauchen.<br />

Ein weiteres Glanzlicht sind unsere Mütter- und Väterauszeiten.<br />

Erziehenden von behinderten/chronisch<br />

kranken Kindern und Jugendlichen einmal<br />

die Möglichkeit zu geben, ein Wochenende lang es<br />

sich gut gehen zu lassen, einmal nur für sich sein<br />

zu können, einmal wieder die oft tief verschütteten<br />

Wünsche und Möglichkeiten zu sehen und zu<br />

beleben – das halte ich für essenziell und ich hoffe<br />

sehr, dass weitere Förderer uns hier unterstützen.<br />

An alle bislang bestehenden Unterstützer:innen<br />

möchte ich an dieser Stelle meinen besonderen<br />

Dank aussprechen.<br />

Sie haben auch in Innovationsfondprojekten mitgearbeitet.<br />

Wie aufwändig ist das und was sind<br />

die Chancen?<br />

Innovationsfondprojekte dienen dazu, noch nicht<br />

fest etablierte Möglichkeiten der medizinisch-therapeutischen<br />

Versorgung zu erproben. Das finde<br />

ich ein sehr gutes Konzept. Die Antragsstellung ist<br />

allerdings ein Kapitel für sich. Wer sich nicht auskennt<br />

in bürokratischen Abläufen, Finanzplanungen<br />

oder Projektdarstellungen, ist verloren. Wer<br />

sich in diesen Dingen allerdings auskennt und die<br />

vorgegeben Richtlinien – auch die inhaltlichen,<br />

also welcher inhaltliche Förderschwerpunkt vorgegeben<br />

ist – beachtet, hat gute Chancen, sich bzw.<br />

sein Team, seine Ideengroup auszuprobieren. Die<br />

Durchführung von Innovationsfondprojekten eröffnet<br />

einen Einblick in die Schwierigkeit, komplexe<br />

Projekt erfolgreich abschließen zu können. Aus diesem<br />

Grund würde ich jeder Organisation raten, einmal<br />

ein Projekt im Innovationsfond zu etablieren.<br />

Was denken Sie, könnte das Kindernetzwerk noch<br />

besser machen, was sollten wir noch erreichen?<br />

In meinen Augen hat <strong>knw</strong> schon sehr viel erreicht,<br />

sehr viel für die bessere Sichtbarkeit betroffener<br />

Familien und für die Verkürzung bürokratisch notwendiger<br />

Wege zur Versorgung dieser Familien geschafft.<br />

In diesen sehr unsicheren Zeiten ist es mir darüber<br />

hinaus ein großes Anliegen, die Vernetzung von<br />

ähnlichen Strukturen auf internationaler Ebene<br />

fortzuschreiben. Die Kinder aller Länder sind gleich,<br />

Behinderungen und chronische Erkrankungen gibt<br />

es in allen Ländern. Kriege und Armut zerstören viele<br />

Strukturen, doch wenn wir uns zusammenschließen,<br />

können auch in schweren Zeiten betroffene<br />

Familien gehalten werden und müssen weniger<br />

befürchten, gänzlich ohne Hilfen dazustehen.<br />

Und was läuft besonders gut, worauf sind Sie<br />

persönlich stolz, bzw. womit zufrieden?<br />

Der französische Philosoph Voltaire schrieb den<br />

allseits gültigen Satz „Man muss seinen Garten<br />

bestellen” und das ist es, was <strong>knw</strong> gut macht. Wir<br />

schauen uns in der Öffentlichkeit, der Politik, der<br />

Medizin und Therapie um, wir hören betroffenen<br />

Familien, Jugendlichen und Kindern zu, die chronisch<br />

krank und/oder behindert sind, wir erkennen<br />

Diskrepanzen und zu behebende Schwachstellen<br />

und arbeiten dann an der Verbesserung der Situationen<br />

und Gegebenheiten. Das ist manchmal<br />

zeitaufwändig und mühsam, teilweise frustrierend,<br />

aber immer auch inspirierend, denn unser Garten –<br />

die Schaffung einer inklusiven Gesellschaft – treibt<br />

seit Jahren an allen Ecken und Enden die schönsten<br />

Blüten.


Aus dem Kindernetzwerk<br />

19<br />

Wenn man die Berliner Appelle der letzten Jahrzehnte<br />

vergleicht, so bleiben einige Forderungen<br />

leider nach wie vor offen, z.B. zur Barrierefreiheit<br />

und zu guter Inklusion in Kitas und Schulen. Was<br />

meinen Sie, warum dauert dies so lang, und woran<br />

liegt das?<br />

Werden Gebäude oder ganze Städte gebaut, werden<br />

lange Jahre nur Pläne erstellt und dann beginnt<br />

der Bau. Die Pläne der Gebäude und Städte, die gerade<br />

gebaut werden, sind Jahre alt – da dachte man<br />

noch nicht an Barrierefreiheit.<br />

Gut funktionierende Inklusion bedeutet die Umsetzung<br />

vollständiger, in alle Richtungen bedachter<br />

Konzepte. So wie die Geschichte es uns in Bildungsangelegenheiten<br />

eigentlich immer lehrt, werden<br />

in Deutschland Dinge angedacht, aber nicht vollständig<br />

durchdacht, und dann fängt man einfach<br />

mal an. Wir scheinen Menschen zu sein, die Dinge<br />

erforschen möchten und deshalb Ideen aufgreifen<br />

und „mal laufen lassen”. Danach weiß man dann,<br />

ob die erforschten Prozesse gut oder schlecht waren.<br />

Meiner Ansicht nach brauchten wir eine „Stunde<br />

Null”, einen „Cut”, ein Innehalten. Dann sollten wir<br />

Kinder und besonders behinderte/chronische Kinder<br />

zum Dreh- und Angelpunkt aller Überlegungen<br />

machen. Was braucht ein solches Kind in Hinsicht<br />

Gebäude-, Städtebau? Wie müssen Wege und<br />

Straßen beschaffen sein, denken wir von einem<br />

behinderten Kind aus? Was kann Inklusion bestenfalls<br />

bedeuten? Natürlich - vom Kind aus gedacht<br />

– jegliche Möglichkeit zur Teilhabe am spielerischen,<br />

kindlichen, jugendlichen, gesellschaftlichen<br />

und politischen Leben. Möglichkeiten, an allen<br />

Bildungsoptionen teilhaben zu können - wenn gewünscht<br />

und wenn sie passend sind.<br />

Kinder sind „Lebensbeginner”, sie sind Startpunkte<br />

jeglicher Entwicklung. Daher sollten wir ihre Welt<br />

zur Basis der Entwicklung unserer Gesellschaft machen.<br />

Mit unserem letzten großen Empowerment-Projekt<br />

wollten wir das Image der Selbsthilfe moderner<br />

machen, diese bekannter machen auch bei<br />

Vätern, Menschen mit Einwanderungsgeschichte<br />

und jungen Leuten.<br />

Was meinen Sie: Erreichen wir diese Gruppen nun<br />

etwas besser z.B. durch unsere sozialen Medien,<br />

mit denen wir sie gezielt ansprechen?<br />

Ein schöner Charakterzug unserer Geschäftsführung,<br />

den beiden Damen Kathrin Jackel-Neusser<br />

und Dr. Henriette Högl, ist ihre Offenheit für Modernisierung;<br />

beide haben immer mindestens „einen<br />

Finger“ am Puls der Zeit. So werden nun alle wesentlichen<br />

Fragen, Meinungen und Punkte, die zur<br />

Diskussion stehen, aber auch ganze Projekteideen<br />

mittels der sozialen Medien „in die Welt gegeben”.<br />

Damit erleichtern wir den Menschen wieder ein<br />

wenig den Weg zu „Hilf mir, es selbst zu tun”, denn<br />

so können sie sich beteiligen und mitdiskutieren.<br />

Wir erreichen auf diesem Weg zumindest diejenigen,<br />

die sich Gedanken machen wollen. Wer nicht<br />

mitdenken möchte, den werden wir sicherlich wenig<br />

dazu motivieren können.<br />

Derzeit setzt das <strong>knw</strong> ein Professionalisierungsprojekt<br />

um, mit dem unsere Mitglieder sich mit<br />

allen offenen Fragen rund um Finanzierung, Projektförderung,<br />

Satzungsfragen etc. an uns wenden<br />

können. Wo brennt es aus Ihrer Sicht besonders<br />

bei den Mitgliedern?<br />

Ein wesentlicher Punkt in der ganzen Diskussion ist<br />

die Frage, ob Selbsthilfe weiterhin dem Wohl und<br />

Wehe der politikgesteuerten Finanzierung durch<br />

die Krankenkassen ausgesetzt sein muss.<br />

Selbsthilfe übernimmt einen wesentlichen Anteil<br />

der in einer Gesellschaft aufzufangenden<br />

Sozial„last” - und dies ist nicht in finanzieller<br />

Hinsicht gemeint. In Zeiten weggebrochener


20<br />

Aus dem Kindernetzwerk<br />

Familienstrukturen, ausgedünnter Kirchenbezirke,<br />

wegrationalisierter (kirchlicher) Seelsorger:innen<br />

und minimal vorhandener therapeutischer Strukturen<br />

steht Selbsthilfe für Zuhören, für Mal-Reden-<br />

Können, sich auskotzen können, weinen können,<br />

eine starke Schulter bereitstellen können, Tipps erhalten<br />

können, in eigener Erfahrung getestete Ratschläge<br />

weitergeben können. Selbsthilfe ist ein Ort<br />

der Psychohygiene für eine große Zahl belasteter<br />

Menschen geworden. Dies sollte geschätzt werden,<br />

was meint, dauerhaft und verlässlich finanziert<br />

werden. Es kann nicht sein, dass die gleiche Arbeit<br />

und mehr davon jedes Jahr gefordert wird, die Finanzierung<br />

derselben aber mehr als wackelig und<br />

unsicher ist. Hier muss Abhilfe geschaffen werden.<br />

Liebe Frau Dr. Mund, was ist Ihnen persönlich für<br />

die Zukunft des <strong>knw</strong> besonders wichtig?<br />

Ich wünsche mir, dass es stets als offenes Ohr für<br />

die Belange betroffener Familien, das differenzierte<br />

Durchdenken der an <strong>knw</strong> herangetragenen<br />

Wünsche und Forderungen und die tatkräftige Umsetzung<br />

der als richtig erkannten Wege weiterhin<br />

bestehen bleibt. Ich wünsche mir, dass <strong>knw</strong> und<br />

“wir machen den Weg frei”, um diesen bekannten<br />

Slogan mal auszuleihen, ein Synonym für Familien<br />

mit einem chronisch kranken und/oder behinderten<br />

Kind und Jugendlichen ist und bleibt.<br />

Danke Ihnen für das Gespräch!<br />

Das Interview führte Kathrin Jackel-Neusser.<br />

Interview mit dem<br />

<strong>knw</strong>-Ehrenvorsitzenden<br />

Prof. Dr.med. Dr. h.c.<br />

Hubertus von Voß<br />

Sehr geehrter Herr Professor von Voß, Sie sind<br />

Gründer und Ehrenvorsitzender des Kindernetzwerk<br />

e.V., kurz <strong>knw</strong>. Sie selbst bringen sich noch<br />

immer mit wertvollen Ratschlägen ein, wofür wir<br />

Ihnen herzlich danken. Welche gesellschaftlichen<br />

und politischen Themen treiben Sie derzeit am<br />

meisten um?<br />

Ich kann mich nicht erinnern, dass das „Thema Kind“<br />

weltweit so große Beachtung gefunden hat wie<br />

gerade in unserer Zeit: Klimakrise, Bildungskrise,<br />

Überforderung, Konfrontation mit anderen Kulturen<br />

etc. Es fehlen Lehrer, es fallen Unterrichtstunden<br />

(Sport, Musik, Kunst) aus, immer weniger<br />

Kinder lernen kompetent Deutsch, Armut, Gewalt<br />

an Kindern, Deportation von sicherlich mehr<br />

als 25.000 Kinder der Ukraine, Gehirnwäsche bei<br />

Kindern, Zusammenleben deutscher Kinder mit<br />

Migrationskindern, erhebliche Verbesserung der<br />

Vernetzung von Zentren, die seltene Krankheiten<br />

erforschen, Finanzierungsprobleme bei Medikamenten<br />

für seltene Krankheiten, Vernetzung von


Aus dem Kindernetzwerk<br />

21<br />

KNW mit Unicef, Europaparlament, Defizite bei der<br />

Rehabilitation von Kindern mit globalen Entwicklungsstörungen,<br />

eindeutige Übergangskonzepte zu<br />

Hilfen für das Transitionsalter (18-24 Jahre) usw.<br />

Wir leben in einer Zeit, in der Kinder bedroht sind<br />

wie nie zuvor im letzten Jahrhundert und nun aktuell.<br />

Noch etwas traurig Aktuelles: Sie bringen sich<br />

auch politisch weiter intensiv ein, unter anderem<br />

haben Sie dafür plädiert, den russischen Präsidenten<br />

anzuschreiben, und machen sich für die Kinder<br />

aus der Ukraine stark. Was ist hier Ihre Botschaft?<br />

Die deutsche Kinder- und Jugendmedizin hat seit<br />

Beendigung des Zweiten Weltkrieges fachlich und<br />

menschlich überaus enge Beziehungen zu Ärzten<br />

und Ärztinnen in Russland aufgebaut und einen gegenseitigen<br />

Austausch von Wissen um Krankheiten<br />

bei Kindern und Jugendlichen als große Bereicherung<br />

empfunden. Viele schwer kranke Kinder und<br />

Jugendliche aus Russland und Staaten der ehemaligen<br />

Sowjetunion (z. B. Belarus) wurden in Deutschland<br />

in prominenten Zentren der Kinder- und Jugendmedizin<br />

zu einem großen Anteil erfolgreich<br />

untersucht und behandelt. Zusätzlich unterstützten<br />

deutsche Experten und Expertinnen russische Ärztinnen<br />

und Ärzte beim Aufbau z. B. der Onkologie<br />

bei Kindern und Jugendlichen in Perm. Diese Zusammenarbeit<br />

konnte der russische Präsident nicht<br />

zerstören. Jetzt erfolgen weiterhin Videokonferenzen<br />

zu schwer kranken Patienten. Es entwickelten<br />

sich enge Freundschaften zwischen deutschen und<br />

russischen Ärztinnen und Ärzten, die trotz des russisch–ukrainischen<br />

Krieges fortbestehen. Das nun<br />

seit 30 Jahren bestehende „Kiew- Projekt“ – initiiert<br />

von dem Bayerischen Sozialministerium – besteht<br />

auch weiterhin (Koordinator über diese Zeit v.<br />

Voß, München Anm. D. Red.). Rund 100 Sozialpädiatrische<br />

Zentren wurden in der gesamten Ukraine<br />

aufgebaut, die weiterhin arbeiten.<br />

So wie viele andere Menschen verurteile ich auf<br />

das Schärfste die Verschleppung von Kindern und<br />

Jugendlichen von der Ukraine nach Russland unter<br />

dem Vorwand, dass sie geschützt werden sollen vor<br />

den Folgen dieses Krieges und vor der Ukraine generell,<br />

die als Naziland vom russischen Präsidenten<br />

bezeichnet wird. Diese Sichtweise galt auch als Begründung<br />

für den Überfall. Eltern, Müttern, Vätern,<br />

Familien werden ihre Kinder entrissen, ein Teil von<br />

ihnen wird von russischen Personen ohne Zustimmung<br />

der leiblichen Eltern adoptiert. Die freie Welt<br />

hat erfahren, dass weit mehr als 15.000 Kinder in<br />

der Ukraine elternlos wurden. Diese Zahlen sind<br />

geschönt. Die Trennung von Kindern von ihren Eltern<br />

stellt ein strafrechtlich zu verfolgendes Verbrechen<br />

dar. Die Liste der Verbrechen durch Russen ist<br />

schon heute unüberschaubar.<br />

Bereits im Jahr 1940 hat die weltweit anerkannte<br />

Psychotherapeutin Anna Freud zusammen mit<br />

Dorothy Tiffany Burlingham mit der Grünung der<br />

„Hampstead Nurseries“ eine Kinderkolonie für<br />

hilfsbedürftige und verwaiste bzw. von ihren Eltern<br />

getrennte Kinder bei sich in London aufgebaut und<br />

sie bei sich aufgenommen. Sie konnte feststellen,<br />

welch bleibender Schaden am Seelenleben dieser<br />

verwaisten Kinder durch den II. Weltkrieg angerichtet<br />

worden war, aber auch, dass ihre körperliche<br />

und geistige Entwicklung mit einer gewaltsamen<br />

Trennung der Kinder von ihren leiblichen Eltern<br />

geschädigt wird. Russischen Kinderärztinnen und<br />

Kinderärzten ist diese Arbeit bekannt.<br />

Die UN- Kinderrechtskonvention hat mit Artikel 9<br />

„Trennung von den Eltern; persönlicher Umgang“<br />

folgende Forderungen aufgestellt:<br />

“(1) Die Vertragsstaaten stellen sicher, dass ein Kind<br />

nicht gegen den Willen seiner Eltern von diesen getrennt<br />

wird…” Diese Konvention gilt weltweit, da<br />

sie sich dem Kindeswohl und dessen Sicherung verpflichtet<br />

fühlt. Ich fordere den russischen Präsidenten<br />

nachdrücklich auf, die Deportation zu stoppen


22<br />

Aus dem Kindernetzwerk<br />

und die Kinder ihren leiblichen Eltern wieder in<br />

Obhut zu geben. Es gibt nicht eine einzige stichhaltige<br />

Begründung, Kinder und Jugendliche durch die<br />

Deportation ihren leiblichen Eltern zu entreißen,<br />

ihnen ihre Identität zu rauben durch gewaltsame<br />

Entwendung von Ausweisen, sie damit zu misshandeln<br />

und Gewalt und Willkür auszusetzen. Wir werden<br />

noch weitere Gräueltaten an diesen Kindern<br />

und auch Jugendlichen kennenlernen müssen.<br />

Danke für dieses leidenschaftliche und bewegende<br />

Plädoyer!<br />

Wo hat sich aus Ihrer Sicht der Einsatz der Pädiatrie<br />

und der Selbsthilfe gelohnt, was hat sich<br />

verbessert für die Kinder in Deutschland und was<br />

insbesondere für Kinder mit chronischen Erkrankungen<br />

und Behinderungen?<br />

Die medizinische Versorgung von kranken Kindern<br />

und Jugendlichen in Deutschland erfolgt noch auf<br />

hohem Niveau. Die Sozialgesetzbücher V und IX<br />

bestätigen, dass diese Gesetze Kinder und Jugendliche<br />

schützen und Krankheiten wie auch Behinderungen<br />

ernst nehmen. Das Bedauerliche ist, dass<br />

diese Gesetzbücher Ärzten meist in vollem Umfang<br />

nicht bewusst sind. Ärzte müssen wissen, welche<br />

Anträge zum Grad einer Behinderung gestellt werden<br />

können, welche Hilfen auch gerade Kinder und<br />

Jugendliche mit Behinderungen erhalten können.<br />

Die Elternselbsthilfe hat bewiesen, dass Eltern sehr<br />

oft mehr zu einer „seltenen Krankheit wissen“ als<br />

Ärzte. Die Elternselbsthilfe des <strong>knw</strong> hat bisher 30<br />

Jahre lang alles getan, die Kommunikation zwischen<br />

Ärzten und Eltern zu verbessern. Sie hat dabei auch<br />

Jugendliche und Berater in solche Arbeit einbezogen.<br />

Zu fordern ist, dass zu neu erkannten „Seltenen<br />

Krankheiten“ das Deutsche Ärzteblatt eine<br />

Rubrik einrichtet, in der regelmäßig neu erkannte<br />

Krankheiten in verständlicher Sprache vorgestellt<br />

werden incl. Wegen der Diagnostik, Therapie und<br />

Rehabilitation.<br />

Wenn Sie einen großen Wunsch an die Politik<br />

richten könnten, der sofort umgesetzt würde, was<br />

wäre das?<br />

Die derzeitige Regierung ist innenpolitisch und vor<br />

allem sozialpolitisch inaktiv und inkonsequent. Wir<br />

stehen vor einer Krise oder befinden uns bereits in<br />

dieser. Nur über die Grundsicherung von Kindern<br />

zu streiten, dies reicht nicht aus. Mehr als 2 Millionen<br />

Menschen sind chronisch krank, 70% von ihnen<br />

sind Kinder und Jugendliche. Die Bundesregierung<br />

muss mit den Bundesländern dafür sorgen, dass<br />

Transitionsprobleme verschwinden, also weiterhin<br />

kranke Jugendliche und dann Erwachsene nicht in<br />

ein Loch der Unterversorgung stürzen.<br />

Kindernetzwerk e. V. beunruhigt aber auch die<br />

Debatte um die Krankenhausreform. Nur einige wenige<br />

Themen seien hier genannnt:<br />

1. Der Beraterkreis zur Krankenhausreform besteht<br />

aus Funktionären. Wo sind die Experten der Kinder-<br />

und Jugendmedizin, Psychologen, Psychotherapeuten,<br />

Ärzte mit Wissen um Seniorenprobleme,<br />

Experten der Pflege von Kranken, Vertreter von<br />

Elternverbänden etc.?<br />

2. „Kleine Kliniken“ zu schließen muss als Fehlentscheidung<br />

bezeichnet werden. Der Bayerische<br />

Gesundheitsminister hat die Vorschläge der Kommission<br />

zurecht abgelehnt.<br />

3. Eltern das Recht abzusprechen, bei der Entscheidung,<br />

wann und warum sie ein nach ihrer Ansicht<br />

krankes Kind in einer Klinik vorstellen müssen,


Aus dem Kindernetzwerk<br />

23<br />

diese Idee ist verwerflich. Hinter einem „Pickel“<br />

am Po kann sich eine Krankheit verbergen, was zu<br />

einer gesundheitlichen Katastrophe führen kann.<br />

Dass Notfallambulanzen auch ausgenutzt werden,<br />

dies ist nicht neu!<br />

4. Der Sachverständigenrat muss sich im Klaren<br />

sein, dass Notfalltransporte von akut Erkrankten<br />

diese innerhalb kürzester Zeit u. U. in eine Schwerpunktklinik<br />

transportieren müssen (z. B. Schwangere<br />

mit vorzeitiger Plazentalösung, ein Kleinkind<br />

mit akuter Epiglottitis (akute Entzündung des Kehlkopfes<br />

etc.) oder ein Kind mit Epilepsie etc. Und<br />

dann muss sichergestellt sein, dass nicht ein hohes<br />

Verkehrsaufkommen solche Transporte unmöglich<br />

macht und Patienten noch zusätzlich in eine<br />

Schwerpunktklinik wegen fehlender freier Betten<br />

nicht unverzüglich aufgenommen werden können.<br />

5. Der „Numerus clausus“ für junge Menschen, die<br />

Ärzte werden wollen, war schon immer eine gravierende<br />

Fehlentscheidung, eigentlich ein Debakel.<br />

Was sagt eine Abiturnote von 1 bis 1,2 über einen<br />

Adoleszenten aus. Kultusministerien in Deutschland<br />

müssen diese Entscheidung zurücknehmen<br />

wegen des hohen Ärztebedarfs mit weit mehr als<br />

15.000 unbesetzten Arztstellen in Kliniken und<br />

Praxen.<br />

6. Das Abitur sichert jungen Menschen den Zugang<br />

zum Studium. Dieses Recht darf nicht beschnitten<br />

werden.<br />

7. Als Debakel muss bezeichnet werden, dass Notfallambulanzen<br />

in Kliniken kein eigenes Personal<br />

und die Kliniken dafür auch kein Budget haben. Im<br />

Gegenteil, Ärzte werden verantwortlich gemacht<br />

für stationäre Patienten und gleichzeitig für Notfallambulanz-Patienten.<br />

Dass hier Wartezeiten für<br />

Notfallpatienten von weit mehr als fünf Stunden<br />

entstehen können, ist nicht die Seltenheit, sondern<br />

die Regel, selbst mehrfach erlebt.<br />

8. Es stellt sich die Frage, was unter “kleinen Kinderkliniken”<br />

verstanden wird. Ohne diese könnten<br />

Kinder- und Jugendärzte gar nicht in ausreichender<br />

Zahl ausgebildet werden. In den “großen” Univ. Kliniken<br />

und kommunalen Kliniken erlernen z. B. Kinderärzte<br />

bei der hohen Spezialisierung nicht mehr<br />

die Feinheiten des Fachgebietes kennen. Man gewinnt<br />

den Eindruck, dass der Sachverständigenrat<br />

den Patienten aus dem Auge verloren hat. Und nur<br />

um ihn darf es bei jeglicher Reform gehen.<br />

9. Kindernetzwerk fordert Gesundheitspolitiker<br />

und so genannte Sachverständige auf, eine Anhörung<br />

im Parlament in Berlin vor Verabschiedung<br />

eines Gesetzes zur Krankenhausreform einzuberufen.<br />

Dass es hier auch um Kinder und Jugendliche<br />

mit seltenen Krankheiten, um schwer chronisch<br />

erkrankte Patienten aller Altersstufen gehen muss,<br />

dies muss das Ziel einer solchen Anhörung sein.<br />

Kontakt:<br />

Univ. Prof. i.R. Dr.med. Dr. h. c. Hubertus von Voß<br />

Ehrenvorsitzender von Kindernetzwerk e.V.<br />

Ehemaliger Ordinarius für Soziale Pädiatrie und<br />

Jugendmedizin- Rehabilitationswesen und Ärztlicher<br />

Direktor des Kinderzentrum München<br />

E-Mail: hubertus.vonvoss@t-online.de<br />

Hartwaldstrasse 5, 81377 München<br />

Das Interview führte Kathrin Jackel-Neusser.


24<br />

Aus dem Kindernetzwerk<br />

Workshop der Jungen Selbsthilfe<br />

zur Inklusiven Lösung und zum Berliner Appell<br />

und Ausblick zu Treffen im Bundestag<br />

Die im Kindernetzwerk zusammengeschlossenen<br />

Jugendlichen und jungen Erwachsenen haben in<br />

Workshops erneut zahlreiche Forderungen an die<br />

Politiker:innen entwickelt, die dann in den Berliner<br />

Appell aufgenommen wurden.<br />

Außerdem konnten wir zwei Workshops zur Inklusiven<br />

Lösung durchführen, bei dem die Forderungen<br />

junger Menschen zum Gesetzesreformprozess Inklusive<br />

Kinder- und Jugendhilfereform gesammelt<br />

wurden. Diese fließen auch in unserem Think Tank<br />

ein.<br />

Außerdem nahmen Sarah Brandsmeier und Leonie<br />

Welsch als Vertreterinnen der Jungen Selbsthilfe an<br />

unserer Pressekonferenz zum Berliner Appell teil –<br />

dankeschön!<br />

Zusammen mit Lilith Fendt konnte außerdem ein<br />

Gespräch mit Stefan Schwartze, dem Patientenbeauftragten<br />

der Bundesregierung, durchgeführt<br />

werden.<br />

Bald ist die Junge Selbsthilfe übrigens im Bundestag<br />

uns trifft die inklusionspolitischem Sprecher:innen<br />

– wir werden berichten!<br />

Ihr möchtet bei der Jungen Selbsthilfe mitmachen?<br />

Alle zwei Monate, in der Regel am letzten Dienstag<br />

im Monat ab 19 Uhr und digital, treffen sich die<br />

Mitglieder unserer Jungen Selbsthilfe aus unseren<br />

Mitgliedsorganisationen.<br />

Organisiert werden diese Treffen von unserer Assistentin<br />

Lisa Warmo (Studierende der sozialen Arbeit)<br />

und unserem Vorstandsmitglied Volker Koch,<br />

der die Junge Selbsthilfe im Kindernetzwerk ins Leben<br />

gerufen hatte.<br />

<strong>Unsere</strong> Junge Selbsthilfe dient dabei als gemeinsame<br />

Plattform zum Vernetzen und Austauschen,<br />

bringt aber immer auch gemeinsame Forderungspapiere<br />

hervor, wo es Schnittmengen aller gibt.<br />

Ihr wollt bzw. Sie wollen Mitglied unserer Signal-<br />

Chatgruppe werden?<br />

Bitte melden unter warmo@kindernetzwerk.de<br />

Hier mehr:<br />

https://www.kindernetzwerk.de/de/aktiv/Junge-<br />

Selbsthilfe/Junge-Selbsthilfe-im-<strong>knw</strong>.php


Aus dem Kindernetzwerk<br />

25<br />

<strong>Unsere</strong> Projekte<br />

Das Kindernetzwerk realisiert viele bewährte, aber auch neue Projekte,<br />

die wir mit Hilfe unserer Förderer:innen verwirklichen konnten.<br />

Sie finden die aktuelle Übersicht wie gehabt auf unserer Homepage:<br />

http://kindernetzwerk.de/de/aktiv/News/Projekt_Uebersicht.php<br />

Die Kindernetzwerk-Vorsitzende Dr. Annette<br />

Mund stellt unser Projekt KoCoN vor<br />

KoCoN – ITgestützte sektorenübergreifende Patientenpfade<br />

für die Versorgung von Kindern mit<br />

KOmplex-ChrOnischen Neurologischen Erkrankungen<br />

Kinder mit komplex-chronischen, neurologischen<br />

Erkrankungen sind oft angewiesen auf medizinische<br />

Hilfen bis hin zu einer Beatmung im heimischen<br />

Umfeld. Ihre Versorgung ist äußerst anspruchsvoll<br />

und aufwändig; es fehlen Strukturen<br />

für eine sektorenübergreifende, interdisziplinäre<br />

und multiprofessionelle Versorgung, die Bedarfe<br />

der jungen Menschen und ihrer Familien berücksichtigen.<br />

Hier setzt das Projekt KoCoN an. Ein ITgestützter<br />

Patientenpfad soll die Versorgung für<br />

Betroffene, deren Eltern sowie stationäre und<br />

ambulante Versorger verbessern.<br />

In prästationären Videokonferenzen mit den Familien<br />

gewinnt das KoCoN-Team einen Überblick.<br />

Ist keine Einweisung angezeigt, wird mit den niedergelassenen<br />

Hauptversorgern und der Familie<br />

ein ambulanter Diagnostik- und Behandlungsplan<br />

erstellt. Bei einer stationären Aufnahme koordiniert<br />

ein engmaschiges Case-Management den<br />

Patientenpfad. Eine vorausschauende Versorgungsplanung<br />

unterstützt die Eltern. Multiprofessionelle<br />

Fallkonferenzen mit externen Spezialisten<br />

erlauben weitreichende Diagnostik- und Therapieentscheidungen.<br />

Für den bedarfsgerechten Übergang<br />

wird frühzeitig zur Weiterversorgung ein<br />

ambulantes Versorgungsnetzwerk aktiviert und<br />

die elektronische Patientenakte genutzt. Wiedereinweisungen<br />

werden vermieden.<br />

Die Wirksamkeit der neuen Versorgungsform Ko-<br />

CoN wird im Vergleich zu einer Kontrollgruppe ermittelt.<br />

Es werden die Lebensqualität, Krankheitssymptomlast,<br />

Handlungskompetenz der Familien<br />

und Versorgungsqualität untersucht. Gesundheitskosten<br />

werden über Krankenkassendaten und<br />

Selbstauskunft der Familien erfasst. Betroffene<br />

und das KoCoN-Team werden zur Akzeptanz von<br />

KoCoN befragt. Das Projekt wird für drei Jahre mit<br />

ca. 8,1 Millionen Euro gefördert.<br />

Im Erfolgsfall wird die Versorgungsqualität komplex-chronisch,<br />

neurologisch erkrankter Kinder<br />

und Jugendlicher verbessert sowie die Lebensqualität<br />

der Familien erhöht. Die Übertragung der Erkenntnisse<br />

auf andere Bereiche der Gesundheitsversorgung<br />

ist möglich.<br />

Mehr hier:<br />

https://innovationsfonds.g-ba.de/projekte/<br />

neue-versorgungsformen/kocon-it-gestuetztesektorenuebergreifende-patientenpfade-fuerdie-versorgung-von-kindern-mit-komplex-chronischen-neurologischen-erkrankungen.505<br />

Gefördert durch:


26<br />

Aus dem Kindernetzwerk<br />

<strong>Unsere</strong> neue App<br />

für Seltene Erkrankungen<br />

unrare.me<br />

Wir sind sehr stolz auf die von uns entwickelte neuartige<br />

App unrare.me. Diese neue App versteht sich<br />

als eine neue, datensichere, gesundheitsbezogene<br />

Form der Social Media App, in der die unterschiedlichsten<br />

Player – z.B. Betroffene, Angehörige, Medizin,<br />

Pflege, Betroffene, Selbsthilfe – zusammengebracht<br />

werden. Sie wurde in einem Konsortium aus<br />

dem Zentrum für Seltene Erkrankungen Bonn, Prof.<br />

Lorenz Grigull und der Medizinischen Hochschule<br />

Hannover, Dr. Gundula Ernst unter der Leitung von<br />

Kindernetzwerk e.V. entwickelt. Sie ist für Menschen<br />

mit chronischen und seltenen Erkrankungen<br />

eine echte Chance. Es dauert im Schnitt fünf Jahre,<br />

bis eine seltene Erkrankung diagnostiziert wird<br />

– zu lange für die Entwickler:innen von unrare.me.<br />

Deswegen werden über die App von den gleichen<br />

Symptomen, Problemen oder Krankheiten Betroffene<br />

zusammengebracht, die sich nach dem Anlegen<br />

eines Profils über die App finden und austauschen<br />

können. Dabei kann man frei entscheiden,<br />

wieviel man von den Symptomen und von der<br />

Krankheit und allem, was in Bezug auf die Krankheit<br />

wichtig ist, veröffentlicht wird – man kann auch<br />

anonym bleiben. Auf Basis des Profils findet unrare.me<br />

andere User:innen mit ähnlichen Merkmalen<br />

und durch das eigene Feedback werden die Suchergebnisse<br />

immer weiter verbessert.<br />

Mehr Infos zur App unter<br />

www.unrare.me<br />

Unser neues Beratungsangebot<br />

Der Mehrsprachige Selbsthilfe-Kummerkasten<br />

Von der Herausforderung Einzelner zur Hilfe für<br />

viele<br />

Im <strong>knw</strong> Kummerkasten können sich betroffene<br />

Eltern, ältere Jugendliche und junge Erwachsene<br />

mit ihren ganz individuellen Fragestellungen ganz<br />

niedrigschwellig online an das <strong>knw</strong> wenden. Die<br />

Anfragen können mehrsprachig und online über<br />

die <strong>knw</strong> Homepage gestellt werden. Nach der Beantwortung<br />

durch die <strong>knw</strong> Beratung werden sie<br />

– vollständig anonymisiert – veröffentlicht. So profitieren<br />

nicht nur die Anfragenden selbst, sondern<br />

auch weitere Betroffene mit dem gleichen Problem<br />

anhand der veröffentlichten Antworten zu den bereits<br />

gestellten Fragen.<br />

Wie der <strong>knw</strong> Kummerkasten funktioniert<br />

Die Ratsuchenden können über ein mehrsprachiges<br />

Anfrageformular ihre Frage an das <strong>knw</strong> stellen.<br />

Sie können von diesen bereits nach Kategorien und<br />

Unterkategorien eingeteilt werden. Die Übertragung<br />

der Anfrage an das Beratungsteam des <strong>knw</strong><br />

erfolgt Datenschutz sicher über ein Webformular.


Aus dem Kindernetzwerk<br />

27<br />

Die Anfragenden erhalten eine Bestätigungsmail<br />

über den Eingang ihrer Anfrage.<br />

Im <strong>knw</strong> Beratungsteam wird anschließend geprüft,<br />

wer im Team die Anfrage am besten betreuen kann.<br />

Die recherchierten Empfehlungen werden wiederum<br />

über das Webformular erfasst und vollständig<br />

anonymisiert im Kummerkasten veröffentlicht. Die<br />

Anfragenden erhalten wiederum eine Mail, in der<br />

sie darüber informiert werden, dass die Antworten<br />

auf ihre Anfrage im Kummerkasten nachgelesen<br />

werden können. Aufgrund der Anonymisierung der<br />

Anfrage erfolgt die Zuordnung über eine Identifikationsnummer.<br />

Im Kummerkasten können dann Anfragen mit den<br />

dazugehörigen Antworten und Empfehlungen<br />

nachgelesen werden. Die Informationen können<br />

bei der Bewältigung eigener, ähnlicher Herausforderungen<br />

helfen. Eine Suche ist auch nach Beiträgen<br />

zu den Kategorien und Unterkategorien, wie<br />

z.B. Teilhabe, Nachteilsausgleich, Schwerbehindertenausweis,<br />

Kurzzeitpflege u.v.m. möglich.<br />

Zusätzlich kann man im Anfrageformular zusätzlich<br />

um eine persönliche telefonische Beratung bitten.<br />

Wer das <strong>knw</strong> Beratungsteam ist<br />

Die laufende Bearbeitung der Anfragen übernimmt<br />

Birgit Fuchs, die langjährige Beratungskraft des<br />

<strong>knw</strong>. Bei der Beantwortung der Anfragen wird sie<br />

von den <strong>knw</strong> Kompetenz-Peers und den <strong>knw</strong> Transitionscoaches<br />

unterstützt. Sie sichtet die Anfragen<br />

und entscheidet nach Rücksprache mit dem Team,<br />

wer den Fall übernehmen kann und möchte. Ggf.<br />

wird es auch ein Austausch unter den Beratenden<br />

geben, wenn es um komplexe Fragestellungen geht.<br />

Ukrainisch, Arabisch, Russisch und Französisch.<br />

Weitere Sprachen werden folgen.<br />

Dadurch ist dieses Eingabesystem besonders niedrigschwellig<br />

- ein großer Mehrwert für die Betroffenen<br />

mit Einwanderungsgeschichte!<br />

<strong>knw</strong> Beratung – eine runde Sache<br />

Um alle (online) Beratungsangebote des <strong>knw</strong> miteinander<br />

zu verzahnen, wurde der Kummerkasten in<br />

die Beratungsseite des <strong>knw</strong> eingebaut. So können<br />

Ratsuchende über die Eingabe eines Schlagwortes<br />

alle (online) Unterstützungsangebote des <strong>knw</strong><br />

finden: andere betroffene Eltern, passende Selbsthilfeorganisationen,<br />

Krankheitsbeschreibungen, Erklärungen<br />

im humangenetischen Glossar und eben<br />

auch Kummerkastenbeiträge.<br />

Ihr Weg zum Kummerkasten<br />

Unter den folgenden Links sind die jeweils übersetzten<br />

Seiten des Kummerkastens zu finden.<br />

Deutsch:<br />

https://www.kindernetzwerk.de/de/lotse/kummerkasten.php?language=deutsch<br />

Ukraine:<br />

https://www.kindernetzwerk.de/de/lotse/kummerkasten.php?language=ukrain<br />

Arabisch<br />

https://www.kindernetzwerk.de/de/lotse/kummerkasten.php?language=arabic<br />

Englisch<br />

https://www.kindernetzwerk.de/de/lotse/kummerkasten.php?language=english<br />

Französisch:<br />

https://www.kindernetzwerk.de/de/lotse/kummerkasten.php?language=french<br />

Ein Angebot mit großer Reichweite durch Mehrsprachigkeit<br />

Von Anfang an wollen wir mit dem Kummerkasten<br />

möglichst viele Betroffene erreichen. Daher übersetzen<br />

wir ihn in die Sprachen Deutsch, Englisch,<br />

Dieser Beitrag wurde verfasst von Hannah Görg<br />

und Henriette Högl.<br />

Gefördert durch mhplus


28<br />

Aus dem Kindernetzwerk<br />

„Abstand, Entspannung, Begleitung, Entlastung<br />

– die <strong>knw</strong> Auszeiten“<br />

Unser Ziel ist seit langem, eigene Entlastungsangebote<br />

für die betroffenen Familien anzubieten.<br />

Den Ausbau und die Verstetigung dieser Angebote<br />

halten wir für den Empowerment-Ansatz für außerordentlich<br />

wichtig. Wir freuen uns daher, dass<br />

wir auch dieses Jahr wieder einen Geschwisterkinder-Workshop<br />

und zwei Eltern-Auszeiten anbieten<br />

konnten. Gerade der krankheitsübergreifende Austausch<br />

stellt einen wesentlichen Mehrwert dieses<br />

<strong>knw</strong> Angebotes für die betroffenen Familien dar.<br />

Dies spiegelt sich regelmäßig in den sehr positiven<br />

Rückmeldungen von unseren Mitgliedern und Teilnehmenden<br />

wider.<br />

Auch kann das Wissen von Unterstützungsangeboten<br />

der Selbsthilfe auf institutioneller und persönlicher<br />

Ebene erweitert werden. Hierdurch wird auch<br />

die Vernetzung von Betroffenen mit Ratsuchenden<br />

und Fachleuten vorangebracht.<br />

Durch unsere Entlastungsangebote soll so insgesamt<br />

ein Beitrag zur Selbstpflege von Eltern, für die<br />

Pflege von Partnerschaften und für den Fokus auf<br />

die gesunden Geschwisterkinder geleistet werden.<br />

Somit wird das gesamte Familiensystem auf der<br />

biopsychosozialen Ebene entlastet.<br />

<strong>knw</strong> Mütterauszeit<br />

Selbstfürsorge und Unterstützung für Eltern mit<br />

chronisch erkrankten Kindern standen im Mittelpunkt<br />

des Seminars „Mütterauszeit“, das im Rahmen<br />

des Projekts „Entlastungsangebote für Eltern<br />

mit Kindern mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen“<br />

durchgeführt wurde. Das verlängerte<br />

Wochenendseminar, das vom 31. März bis 2. April<br />

2023 im Tagungszentrum des Klosters Schmerlenbach<br />

stattfand, bot eine wertvolle Gelegenheit für<br />

Mütter aufzutanken.


Aus dem Kindernetzwerk<br />

29<br />

Die erfahrene psychologische Beraterin Frau Kerstin<br />

Wilke führte als Referentin durch das Seminar.<br />

Als Mutter einer Tochter mit Behinderung konnte<br />

sie nicht nur fachliche Expertise bieten, sondern<br />

auch ihre persönlichen Erfahrungen teilen. Mit einer<br />

Mischung aus Gruppengesprächen, Einzelberatungen<br />

und Entspannungsübungen schaffte Frau<br />

Wilke einen Raum, in dem die Teilnehmerinnen<br />

sowohl praktische Ratschläge als auch emotionale<br />

Unterstützung erhielten.<br />

Birgit Fuchs vom <strong>knw</strong> begleitete die Mütter und<br />

bot Antworten auf alltägliche Fragen wie Pflege,<br />

sozialrechtliche Aspekte und die Betreuung von<br />

Geschwisterkindern.<br />

Die Veranstaltung, die aufgrund hoher Nachfrage<br />

von 12 auf 13 Teilnehmerinnen erweitert wurde,<br />

verdeutlicht das Interesse und den Bedarf solcher<br />

Unterstützungsangebote. Neben dem Wissensaustausch<br />

standen auch kreative Elemente auf dem<br />

Programm, darunter die Gestaltung eines Traumfängers<br />

als Symbol für die kostbare Auszeit.<br />

Die Auswirkungen der anhaltenden Corona-Pandemie<br />

wurden ebenfalls diskutiert, da Familien mit<br />

chronisch kranken Kindern in dieser Zeit oft besonders<br />

herausgefordert waren.<br />

Die Teilnehmerinnen betonten einstimmig die<br />

Bedeutung des Seminars für ihre Erholung, den<br />

Stressabbau und die praktische Anleitung für den<br />

Umgang mit den Herausforderungen des Alltags.<br />

Sie sprachen sich deutlich dafür aus, dass das <strong>knw</strong><br />

dieses Entlastungsangebot weiterführen sollte,<br />

und wünschten sich sogar eine begleitende Nachbetreuung.<br />

Die „Mütterauszeit“ erwies sich nicht<br />

nur als dringend benötigte Pause, sondern auch<br />

als wichtiger Schritt in Richtung langfristiger Unterstützung<br />

für Eltern, die täglich Herausforderungen<br />

bewältigen.<br />

<strong>knw</strong> Väterauszeit<br />

Der Workshop „Väterauszeit in der Natur“ fand<br />

vom 19. bis 21.Mai 2023 statt und beinhaltete Naturübungen,<br />

Reflexion der Vaterrolle und Impulse


30<br />

Aus dem Kindernetzwerk<br />

zur persönlichen Entwicklung und wurde mit dem<br />

Ziel konzipiert, Vätern von chronisch kranken Kindern<br />

und Kindern mit Behinderungen eine wertvolle<br />

Möglichkeit zu bieten, dem Alltagsstress zu<br />

entkommen und eine tiefe Verbindung zur Natur<br />

herzustellen. In Kooperation mit Gunter Beetz und<br />

Martin Noack als Väter- und Familienberater wurden<br />

Aktivitäten gestaltet wie Holzhacken, Schnitzen<br />

und Selbstreflexionen. Ziel war es zudem, Stärken<br />

zu nutzen und persönliches Wachstum zu fördern,<br />

sowohl für die Väter, als auch ihre Familien. Die<br />

Veranstaltung wurde vom <strong>knw</strong> organisiert und Herr<br />

Beetz hat gemeinsam mit Herrn Noack den Ablaufplan<br />

des Wochenendseminars entworfen.<br />

Das Projekt wurde erfolgreich abgeschlossen. Der<br />

Workshop fand am 29. und 30. April 2023 in Fulda<br />

statt und unterstützte gesunde Geschwister in einem<br />

kindgerechten Umfeld. Anhand von Aktivitäten<br />

wie dem Basteln eines „Krankheitskoffers“ und<br />

dem Austausch über persönliche Herausforderungen<br />

wurde ihre Situation thematisiert.<br />

Der zweite Tag konzentrierte sich auf Stärkung, individuelle<br />

Ressourcen und den Umgang mit Gefühlen.<br />

Eltern erhielten spezifische Unterstützung in<br />

der Bewältigung familiärer Belastungen. Der Workshop<br />

stärkte das Selbstbewusstsein der Kinder und<br />

vermittelte den Eltern hilfreiche Strategien.<br />

Der Workshop ermöglichte es sechs Vätern, sich<br />

auszutauschen, vielseitige und erholsame Naturerfahrungen<br />

zu machen und persönlich zu wachsen.<br />

Durch Naturübungen, Gruppendiskussionen, gemeinsame<br />

Mahlzeiten und individuelles Coaching<br />

wurden Selbstreflexion und neue Perspektiven gefördert.<br />

Diese Auszeit half den Vätern, ihre Stärken<br />

als Eltern von besonderen Kindern zu nutzen.<br />

Feedback der Teilnehmer:innen zeigte, dass der<br />

Workshop einen nachhaltigen Effekt erzielte und<br />

geschwisterliche Beziehungen sowie Familienbeziehungen<br />

stärkte. Zudem erhielten die Kinder Teilnahmezertifikate,<br />

um ihre Bemühungen zu würdigen<br />

und ihr Selbstvertrauen zu stärken.<br />

Dieser Artikel wurde verfasst von Birgit Fuchs.<br />

Das Projekt strebt zusätzlich an, eine Plattform für<br />

Väter zu schaffen, um Unterstützung und Gemeinschaft<br />

zu finden. Ein niederschwelliges Angebot ermöglicht<br />

den Austausch und die Entwicklung von<br />

Lösungsansätzen in ähnlichen Situationen.<br />

<strong>knw</strong> Geschwisterworkshop<br />

Der Geschwisterkinder-Workshop „Fit und Stark“<br />

bot gesunden Geschwistern von chronisch kranken<br />

oder behinderten Kindern Unterstützung. Ziel<br />

war es, sie über die Erkrankung zu informieren,<br />

Selbststärkung zu fördern und einen Austausch zu<br />

ermöglichen. Parallel erhielten Eltern gezielte Hilfestellungen.


Aus dem Kindernetzwerk<br />

31<br />

Knw-Projekte<br />

im Bereich Öffentlichkeitsarbeit – eine Auswahl<br />

Gemeinsam unschlagbar<br />

Die Special Olympics World Games 2023 in Berlin<br />

Das Vorurteil, dass Sport und eine chronische Erkrankung<br />

nicht vereinbar sind, ist auch heute noch<br />

allgegenwärtig. Da Eltern, Lehrer:innen und auch<br />

Ärzt:innen mitunter von jeglicher körperlichen Belastung<br />

abraten, verzichten viele chronisch kranke<br />

Kinder und Jugendliche von sich aus auf den Sport.<br />

Dies beeinträchtigt aber nicht nur ihre körperliche<br />

Aktivität, sondern auch ihr Selbstwertgefühl und<br />

Konzentrationsfähigkeit.<br />

„Es gibt rein rechtlich gesehen überhaupt keine<br />

Hemmnisse, dass Kinder mit chronischen Erkrankungen<br />

am Schulsport teilnehmen könnten“, sagt<br />

Kathrin Jackel-Neusser, Geschäftsführerin des <strong>knw</strong>.<br />

Dort sind viele Kinderorganisationen zusammengeschlossen,<br />

die für eine bessere Gesundheitsversorgung<br />

kämpfen.<br />

Wie viel Energie und Spaß Behindertensport macht,<br />

hat das <strong>knw</strong> im Juli 2023 auf den Special Olympics<br />

in Berlin in einem Video eingefangen.<br />

https://youtu.be/LtNaQ5rR0AM<br />

7000 Athlet:innen mit geistiger und mehrfacher<br />

Behinderung aus 190 Nationen traten eine Woche<br />

lang miteinander in 26 Sportarten an. Es war die<br />

größte inklusive Sportveranstaltung weltweit.<br />

Das internationale Event versteht sich als Botschafter<br />

für mehr Anerkennung und gesellschaftliche Teilhabe<br />

von Menschen mit geistiger und mehrfacher<br />

Behinderung. Damit möglichst viele Menschen die<br />

Weltspiele wahrnehmen konnten, die sonst keine<br />

Berührung mit inklusivem Sport haben, fanden die<br />

Spiele in Berlin über die ganze Stadt verteilt statt.<br />

Auch rund elf Medienpartner:innen haben sich zu<br />

einer einzigartigen Presseallianz zusammengefunden,<br />

um mehr Aufmerksamkeit in der Bevölkerung<br />

zu schaffen.<br />

Im Alltag muss sich etwas ändern, auch das <strong>knw</strong><br />

fordert mehr Teilhabe in den Sportvereinen, denn<br />

diese Zahl ist erschreckend: Laut Sven Albrecht,<br />

Geschäftsführer von Special Olympics Deutschland<br />

und des Organisationskomitees der Weltspiele,<br />

hatten vor Corona nur 8 Prozent der geistig und<br />

mehrfach Behinderten Zugang zum Sport. Es wird<br />

vermutet, dass sich die Zahl in der Pandemie noch<br />

weiter verschlechtert hat.<br />

Bund, Länder, Stiftungen und „Aktion Mensch“ haben<br />

deswegen rund 130 Millionen Euro bereitgestellt,<br />

um mit dieser Sportveranstaltung Barrieren<br />

abzubauen und Begegnungen zu schaffen, Inklusion<br />

in die Mitte der Gesellschaft zu bringen.<br />

Bei zahlreichen chronischen Erkrankungen im Kindes-<br />

und Jugendalter gelten Bewegung, Spiel und<br />

Sport als wichtige Säule der Therapie. Angebote für<br />

inklusiven Sport gibt es viele. <strong>Unsere</strong> Mitgliedsorganisationen<br />

bieten viele Möglichkeiten:<br />

https://www.kindernetzwerk.de/de/agenda/<br />

Themenportal/2020/0124-Sport-mit-chronischkranken-Kindern.php


32<br />

Aus dem Kindernetzwerk<br />

Europäischer Protesttag<br />

- Das <strong>knw</strong> hat mitdemonstriert<br />

Am 5. Mai, dem Europäischen Protesttag zur<br />

Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen,<br />

demonstrierte das Kindernetzwerk in Berlin. Die<br />

Demoroute verlief prominent vom Brandenburger<br />

Tor zum Roten Rathaus. Der „bunte“ Demozug setzt<br />

sich aus verschiedenen Behinderten-, Wohlfahrtsund<br />

Sozialverbänden sowie vielen Einzelpersonen<br />

zusammen. Wir kritisieren die noch immer fehlende<br />

100prozentige Umsetzung der Barrierefreiheit.<br />

Dieses Jahr gingen aber auch vermehrt Eltern mit<br />

Kindern mit Behinderungen auf die Straße, um ihren<br />

Ärger bei einem weiteren Thema kundzugeben:<br />

Die Inklusion an den Berlinern Schulen ist nach wie<br />

vor ungenügend umgesetzt.<br />

hat an diesem Tag Öffentlichkeit für die Belange<br />

von Menschen mit Behinderungen geschaffen: Eigentlich<br />

haben Menschen mit Behinderungen umfangreiche<br />

Rechte, zum Beispiel Inklusion in allen<br />

Lebensbereichen. Aber wenn man sich umguckt, ist<br />

das in keinem Lebensbereich erreicht. „Uns stinkt<br />

das langsam wirklich“, so Geschäftsführerin Kathrin<br />

Jackel-Neusser auf der Demonstration.<br />

Hier geht es zu unserem Film von der Demo:<br />

https://www.youtube.com/watch?v=vePArxBcwxM<br />

„Man stelle sich vor: Jede achte Person in Deutschland<br />

hat eine Behinderung und wird durch die<br />

vielerorts fehlende Barrierefreiheit im Alltag massiv<br />

eingeschränkt. Das betrifft nicht nur Reisen,<br />

sondern fängt gleich in der Förderung der Kinder<br />

in Schulen und Kindergärten an. 2023 haben viele<br />

Eltern mit ihren Kindern die schlechte Inklusion<br />

an den Schulen und Kindergärten beklagt. Das <strong>knw</strong><br />

„Wir werden uns weiterhin laut und stark für eine<br />

gleichberechtigte Teilhabe an Schulen einsetzen.<br />

Gerade dieses Thema war an dem Tag der Grund für<br />

viele Familien mit behinderten Kindern teilzunehmen.<br />

Ihre Wut war laut. Bei ungefähr gleichbleibender<br />

Teilnehmerzahl (rund 500 Demontrant:innen)<br />

wie im letzten Jahr, waren dieses Jahr drei Mal so<br />

viele Kameras dabei: Der Europäische Protesttag<br />

zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen<br />

sorgte für viele Stories, Filme, Interviews, also<br />

für eine breite Medienwirkung.”


Aus dem Kindernetzwerk<br />

33<br />

Mehr Videos über unsere Arbeit, krankheitsübergreifende<br />

Themen und Interviews mit Betroffenen<br />

gibt es auf unseren Youtube-Kanal<br />

Hier unsere weiteren Kanäle im Überblick:<br />

Facebook: kindernetzwerkev<br />

https://www.facebook.com/kindernetzwerkev<br />

Kindernetzwerk711<br />

https://www.youtube.com/channel/UC3IS2JT<br />

1p1ntUVJR7IvJpHg<br />

Twitter: kindernetzwerk1<br />

https://twitter.com/Kindernetzwerk1<br />

Instagram: kindernetzwerk_ev<br />

https://www.instagram.com/kindernetzwerk_ev/<br />

Wissen weitertragen<br />

- Aktive Väter in der Selbsthilfe<br />

„Ich bin ein Helfertyp“<br />

Länderübergreifend vernetzen<br />

Das Kindernetzwerk hat durch Interviews mit Vätern<br />

in der Selbsthilfe herausfinden wollen, wie<br />

sich Väter genau in der Selbsthilfe einbringen, was<br />

andere Väter davon abhält und was ihre politischen<br />

Wünsche für eine funktionierende Selbsthilfe sind.<br />

Einer von den Vätern ist Nicolas Lorente von SCN2A<br />

Germany e.V. und SCN2A Europe. Mit ihm führte<br />

Birte Struntz ein Interview.<br />

Herr Lorente, wie kamen Sie zur Selbsthilfe?<br />

Unser Sohn Erik hatte schon im ersten Lebensjahr<br />

Entwicklungsprobleme, mit zwei Jahren gab es dann<br />

Verdacht auf Autismus, auf die SCN2A-Genmutation<br />

wurde er aber erst mit fünf Jahren diagnostiziert.<br />

Oft löst die Genmutation schwer verlaufende<br />

und schwierig zu therapierende Krampfanfälle (Epilepsien)<br />

aus. Auch werden andere neurologische<br />

Störungen wie Entwicklungsverzögerungen, Autismus,<br />

Schlafstörungen, Muskelspannungsveränderungen<br />

und Magen-Darm-Störungen diagnostiziert.<br />

Bis Erik fünf Jahre alt war, hatte ich noch nicht über<br />

Selbsthilfe nachgedacht, aber dann kam bei unserem<br />

Sohn die Epilepsie hinzu. Traurig, aber wahr:<br />

Die Genetiker haben uns empfohlen, selbst bei<br />

Google zu schauen, was die Krankheit genau bedeutet<br />

und ob es noch andere Betroffene gibt.<br />

So bin ich auf eine Stiftung in Amerika und einen<br />

Verein in Australien gestoßen, während die Selbsthilfe<br />

in Europa noch ganz am Anfang stand. Es haben<br />

vielleicht je 100 bis 200 Familien aus den USA,


34<br />

Aus dem Kindernetzwerk<br />

Australien und Europa diesen diagnostizierten Gendefekt.<br />

Eine Koordination gleich auf europäischer<br />

Ebene ist also wichtig, da die Zahl der Betroffenen<br />

so klein ist. Ich bin Spanier, habe in Frankreich studiert,<br />

bin also sehr europäisch orientiert, so dass<br />

für mich dann klar war: Es braucht eine Struktur,<br />

der europaweit aufgestellt ist und alle miteinander<br />

vernetzt. Und so habe ich die anderen Familien<br />

europaweit kontaktiert und eine geschlossene<br />

FB-Gruppe erstellt mit dem Ziel, irgendwann einen<br />

‚europäischen‘ Verein zu gründen. Letztes Jahr wurde<br />

dann der Verein im deutschsprachigen Raum<br />

gegründet (SCN2A Germany e.V.). Auch weitere<br />

nationale Vereine wurden in den letzten Jahren<br />

gegründet – das zeigt, dass SCN2A auch in Europa<br />

immer relevanter wird.<br />

Was machen Sie in Ihrer Selbsthilfe-Organisation?<br />

Ich bin ein Helfertyp: Da es so wenig diagnostizierte<br />

Kinder gibt, müssen wir alle betroffenen Familien<br />

zusammenbringen, damit sie sich an Studien beteiligen,<br />

um Medikamente zu entwickeln. In den<br />

USA wurden Studien gestartet, aber leider gibt es<br />

Probleme, genügend Kinder für die Studien zu rekrutieren.<br />

Wir kennen diese Situation leider nur zu gut: Es<br />

gäbe eigentlich ausreichend betroffene Fälle, aber<br />

sie werden erstens zu spät – als junge Erwachsene<br />

– diagnostiziert, wenn überhaupt, zweitens, die<br />

betroffenen Familien wissen nichts von möglichen<br />

Studien. Ihnen muss geholfen werden! Ich will so<br />

viele Familien wie möglich vernetzen. Das dritte<br />

Problem sind die fehlenden Übersetzungen der Dokumentation<br />

über Studien. Die Folge: Viele Familien,<br />

die die Fragebögen nur auf Englisch bekommen<br />

und die Sprache nicht verstehen, nehmen dann<br />

nicht teil. Bürokratische Hürden dürfen kein Ausschlusskriterium<br />

sein. Wir brauchen mehrsprachige<br />

Ansprachen! Hier zu helfen, darin sehe ich eine<br />

meiner Hauptaufgaben.<br />

Wie wirkt sich die Beteiligung der Väter in der<br />

Selbsthilfe auf die Kinder aus?<br />

Ich bin Ingenieur und eher pragmatisch: In der<br />

Krankheitsdiagnose geht es immer wieder um das<br />

Thema Forschung, um Studien, warum wir mit den<br />

Pharmakonzernen kooperieren sollten. Das ist eher<br />

meine Schiene. Mütter sind eher in der Unterstützung<br />

der Familien, Väter eher in der medizinischen<br />

Recherche, in der Diagnostik. Das sind meiner Meinung<br />

nach die beiden Schienen und eine gute Aufteilung.<br />

Einer allein kann nicht alles abdecken. Ich<br />

frage mich auch, ob es gesund für eine Beziehung<br />

ist, wenn sich die Mutter um alles kümmert? Wenn<br />

sich die Väter komplett abschirmen?<br />

Wie bekommt man mehr Männer in die Selbsthilfe?<br />

Das ist eine gute Frage. Ich sehe, dass sich die Väter<br />

oft außerhalb der Krankheit bewegen und nicht<br />

in den Verein involviert werden wollen. Es wäre<br />

schön, wenn sich mehr Väter engagieren würden,<br />

aber jede Familie hat genug mit ihrem besonderen<br />

Alltag zu tun, es ist sehr schwierig sie zu locken, oft,<br />

weil die Väter die (alleinigen) Hauptverdiener der<br />

Familie sind. Hinzu kommt die Sprachbarriere: Da<br />

der Gendefekt so selten ist, gibt es viele Sprachen,<br />

in denen man sich austauscht.<br />

In unseren regen geschlossenen FB-Gruppen allerdings<br />

sind alle Geschlechter gut vertreten: Hier fragen<br />

alle Gleichgesinnte frei nach Medikamenten,<br />

Verhaltensauffälligkeiten. Es gibt dort viele Informationen<br />

zu Studien, Krankheit, Veranstaltungen,<br />

Konferenzen.<br />

Und auch in der WhatsApp-Gruppe unseres deutschen<br />

Vereins tauschen sich die Familien ideenreich<br />

aus. Das ist sensationell. Denn das größte Problem<br />

ist ja nicht nur die geistige Behinderung und<br />

Epilepsie der Kinder, sondern vor allem die schwere<br />

Dauerbelastung der Familien. Der Austausch genau<br />

darüber ist für die Familien wahnsinnig wichtig.


Aus dem Kindernetzwerk<br />

35<br />

Was wünschen Sie sich als Vater in der Selbsthilfe<br />

von der Politik?<br />

Mein Thema ist die Diagnostik. Es ist noch viel zu<br />

unbekannt, dass die Gen-Diagnostik seit 2021 von<br />

der gesetzlichen Krankenkasse bezahlt wird. Das ist<br />

eine wichtige Information für die Familien, die noch<br />

keine Diagnose haben. Die Patientenaufklärung<br />

muss besser laufen: Auch, dass es erlaubt ist, eine<br />

zweite Meinung zu erhalten, und dass sich betroffene<br />

Eltern an Zentren für seltene Erkrankungen<br />

wenden können.<br />

Nur so können mehr Kinder diagnostiziert werden.<br />

Es gibt rund 8000 seltene Erkrankungen, davon<br />

sind rund 50 Prozent neurologisch. Viele davon<br />

kann man mit Gentests feststellen! Das ist manchmal<br />

eine lebensrettende Information, die breiter<br />

veröffentlicht werden muss.<br />

Nehmen Sie Kontakt auf:<br />

Nicolas Lorente,<br />

SCN2A Germany e.V.<br />

https://www.scn2a.de<br />

Hochdahler Str. 100<br />

40724 Hilden<br />

E-mail: info@scn2a.de<br />

SCN2A Europe<br />

https://www.scn2a.eu<br />

Geitauer Str. 2<br />

81379 München<br />

E-mail: scn2a@web.de<br />

Dieses Interview entstand mit Förderung des GKV<br />

im Rahmen der Empowerment-Kampagne<br />

Wissen weitertragen<br />

Alexander Exner ist ein weiterer engagierter Vater,<br />

der lange im Vorstand des „Bundesverband<br />

Angeborene Gefäßfehlbildungen e.V.“ tätig war, da<br />

seine Tochter mit einer arterio-venösen Gefäßfehlbildung<br />

geboren wurde. Es ist eine seltene Erkrankung<br />

mit rund 6000 Betroffenen. Erkrankungen<br />

werden als selten bezeichnet, wenn nicht mehr als<br />

5 von 10.000 Menschen daran erkrankt sind. Durch<br />

Exners Erfahrungen und sein angereichertes Wissen<br />

hat er in dem Selbsthilfeverein bis heute vielen<br />

anderen betroffenen Eltern weiterhelfen können.<br />

In dem Interview mit dem <strong>knw</strong> verrät er, warum es<br />

wichtig ist, als Vater aktiv in der Selbsthilfe tätig zu<br />

sein …


36<br />

Aus dem Kindernetzwerk<br />

Herr Exner, was hat Sie dazu angespornt, sich aktiv<br />

in der Selbsthilfe zu engagieren?<br />

Die Erkrankung meiner Tochter wurde erst nach der<br />

Geburt festgestellt. Der Arzt in der Uniklinik kannte<br />

selbst nur zwei Fälle und hatte daher über diese Art<br />

der Gefäßfehlbildung sehr wenig Fachwissen. Und<br />

das Internet brachte zu der damaligen Zeit auch nur<br />

wenig Informationen. Klar, dass wir als Familie – das<br />

ganze familiäre Umfeld – sehr schnell resignierten.<br />

Dann hörte ich vom Kindernetzwerk, das mir eine<br />

zusammengestellte Infomappe über diese spezielle<br />

seltene Erkrankung zuschickte. Nach einiger Zeit<br />

ergab sich der Kontakt zu weiteren betroffenen Eltern<br />

mit speziell dieser Erkrankung und darüber zur<br />

Selbsthilfegruppe, die jetzt schon sehr lange der<br />

Bundesverband Angeborene Gefäßfehlbildungen<br />

e.V. ist.<br />

Damals war die Selbsthilfegruppe noch recht klein,<br />

aber schon so gut strukturiert, dass etliche Erfahrungs-<br />

und Behandlungsberichte von Ärzt:innen<br />

geteilt werden konnten. Um die Lebenssituation<br />

meiner Tochter und die von anderen Kindern mit<br />

angeborenen Gefäßfehlern weiter zu verbessern,<br />

entschloss ich mich, der Selbsthilfe beizutreten<br />

und Wissen über diese seltene Erkrankung anzureichern.<br />

Warum braucht es mehr aktive Väter in der Selbsthilfe?<br />

Um bei allen ärztlichen Entscheidungen mit dem<br />

behandelten Arzt oder der Ärztin auf Augenhöhe<br />

sprechen zu können, ist es für betroffene Eltern<br />

sehr wichtig, ausführliches Wissen über die Erkrankung<br />

ihres Kindes zu erlangen. Deswegen war es für<br />

mich wichtig, mein erlangtes Wissen mit anderen<br />

betroffenen Eltern zu teilen. Sollte die chronische<br />

oder auch seltene Erkrankung schon im Kleinkindalter<br />

auftreten, können Väter in der Selbsthilfegruppe<br />

aktiv zur Verbesserung der Lebenssituation ihrer<br />

Kinder und des Alltags in der Familie beitragen.<br />

Was gibt Ihnen die Selbsthilfe?<br />

Aktive Väter bekommen eine sehr große Selbstbestätigung,<br />

zum Beispiel wenn sie hören, wie durch<br />

ihr Wissen auch anderen Kindern weitergeholfen<br />

werden konnte. Auch Anfragen sogar von Kliniken<br />

und Therapeut:innen, die Hilfe von der jeweiligen<br />

Selbsthilfegruppe benötigen, bestätigen uns, dass<br />

deren Arbeit eine wertvolle Aufgabe in der Gesellschaft<br />

ist.<br />

Für mich als Mitglied der Selbsthilfegruppe ist es<br />

deshalb sehr bedeutsam, mich in diesem Netzwerk<br />

einzubringen, um maßgebend an der Entwicklung<br />

der Selbsthilfe mitzuwirken.<br />

Wichtig ist aber, dass man sich nicht übernimmt.<br />

Man muss die Aktivität in einer Selbsthilfegruppe<br />

sehen wie zum Beispiel in einem Sportverein. Jeder<br />

aktive Vater sollte nur so viel Zeit investieren, wie<br />

es sich noch gut anfühlt. Damit das Miteinander<br />

der betroffenen Väter nicht zu kurz kommt, pflegen<br />

wir jährliche Treffen, auf denen sich alle austauschen<br />

können.<br />

Die Selbsthilfe wird zum Großteil von betroffenen<br />

Müttern gestemmt. Wie wirkt sich die Beteiligung<br />

der Väter in der Selbsthilfe auf die Kinder aus?<br />

Das betroffene Kind respektiert seinen Vater noch<br />

mehr, wenn die Last der Behinderung nicht nur auf<br />

die Mutter verteilt ist. Auf unseren Treffen, auf denen<br />

sich Väter aktiv durch verschiedene Aktionen<br />

wie zum Beispiel gemeinsames Lagerfeuer, sportlichen<br />

Angeboten usw. einbringen, haben die Kinder<br />

sehr viel Spaß und vergessen für einige Zeit ihre<br />

Erkrankung. Sie sehen, dass der Vater, der sich engagiert<br />

und sich mit der Erkrankung seines Kindes<br />

auseinandersetzt, nicht nur die Rolle des „Brotgebers“<br />

in der Familie hat.


Aus dem Kindernetzwerk<br />

37<br />

Was wünschen Sie sich als Vater in der Selbsthilfe<br />

der Politik?<br />

Gerade für aktuelle Informationen von neuen Kliniken,<br />

neuen spezialisierten Ärzt:innen und neuen<br />

Therapien ist es erforderlich, zu bundesweiten Kongressen<br />

und ähnlichen Tagungen zu fahren. Dafür<br />

bedarf es immer einiger Tage Urlaub, die Teilnahme<br />

kann nicht in der Freizeit erfolgen. Ich weiß<br />

von weiteren aktiven Vätern aus der Selbsthilfe,<br />

die dafür gern mehr Zeit investieren würden. Deswegen<br />

ist mein Vorschlag, den betroffenen Vätern<br />

von chronisch kranken Kindern mehr Selbsthilfe-<br />

Urlaubstage zu gewähren, natürlich unter der Bedingung,<br />

dass sich die Väter auch wirklich aktiv in<br />

der Selbsthilfe einbringen.<br />

Mehr Starke Väter in der Selbsthilfe gibt es hier:<br />

https://www.kindernetzwerk.de/de/agenda/The<br />

menportal/2023/Starke-Vaeter.php


38<br />

Aus dem Kindernetzwerk<br />

Seminare und Auszeiten<br />

Betroffene Kinder und Jugendliche mit seltenen, chronischen Erkrankungen und<br />

Behinderungen, ihre Angehörigen sowie Selbsthilfevereine benötigen im besonderen Maß<br />

speziell auf ihre Belange ausgerichteter Unterstützung - sozial, strukturell, rechtlich.<br />

Deswegen bietet die Akademie des Kindernetzwerks viele verschiedene krankheitsübergreifende<br />

Weiterbildungs- und Unterstützungsseminare an - immer mit dem Bezug der Selbsthilfe.<br />

Hier geht es zum Überblick unserer Akademie...<br />

Weitere Termine:<br />

Am 27.10. findet eine Fotoausstellung des Paulinchen<br />

e.V. anlässlich des 30. Jubiläums statt. Der<br />

Verein ist eine bundesweite Anlaufstelle, an die<br />

sich Familien mit brandverletzten Kindern und Jugendlichen<br />

jederzeit wenden können, um für jedes<br />

brandverletzte Kind die bestmögliche Versorgung<br />

zu erreichen und präventiv auf Unfallursachen hinzuweisen.<br />

Die Fotoausstellung unter dem Namen: „Ein Teil<br />

von mir – Narben machen (k)einen Unterschied“<br />

findet um 14.00 Uhr in der Circle Culture Gallery,<br />

Bismarckstrasße 98, 20253 Hamburg statt.<br />

Das Kindernetzwerk und der Verband forschender<br />

Arzneimittelhersteller e.V. (vfa) laden am<br />

22.11.2023 zur Onlineveranstaltung „Passend für<br />

die jungen Patient:innen – Herausforderungen und<br />

Lösungsansätze bei Klinischen Studien“ ein.<br />

Die Junge Selbsthilfe trifft Politik am 29.11.2023.<br />

Es findet ein Austausch mit der Politik und jungen<br />

Betroffenen.<br />

Das Treffen findet auf Einladung von Corinna Rüffers<br />

statt. Sie ist die behindertenpolitische Sprecherin<br />

der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen<br />

und seit 2013 im Bundestag. Sie hat zahlreiche<br />

Vorerfahrungen in unserem Bereich: So hatte sie<br />

zum Beispiel Arbeitskontakt zu Menschen mit Beeinträchtigungen,<br />

ist im Bundestag Sprecherin für<br />

Behindertenpolitik und Bürgerangelegenheiten der<br />

Grünen-Bundestagsfraktion sowie Mitglied im Ausschuss<br />

für Arbeit und Soziales des Bundestages und<br />

im Petitionsausschuss und dort auch Obfrau ihrer<br />

Fraktion sowie stellvertretendes Mitglied im Gesundheits-<br />

und im Bildungsausschuss. Gemeinsam<br />

mit ihr organisieren wir ein Treffen der inklusionspolitischen<br />

Sprecher:innen der Parteien im Bundestag,<br />

um mit ihnen allen zu diskutieren.<br />

Weitere Seminare auch aus unserem Netzwerk<br />

finden Sie in unseren Terminen...<br />

Spenden an das Kindernetzwerk<br />

Wenn Sie unsere Arbeit für die Betroffenen unterstützen<br />

wollen, freuen wir uns sehr über Spenden,<br />

auf die wir dringend angewiesen sind. Vielleicht<br />

könnte eine Firma in Ihrem Umfeld für das Kindernetzwerk<br />

spenden oder Fördermitglied werden?


Aus dem Kindernetzwerk<br />

39<br />

Ausgleich zwischen „mir und meinen Bruder“<br />

- Leben mit einem betroffenen Geschwisterkind<br />

Chronische Krankheiten oder Behinderungen bei<br />

Kindern belasten die ganze Familie, denn die Versorgung<br />

des kranken oder behinderten Kindes ist<br />

mit einem hohen zeitlichen Aufwand verbunden.<br />

Da muss oft das gesunde Geschwisterkind zurückstecken.<br />

Wie auf den Eltern lastet der Druck, dass<br />

alles zu schaffen, auch auf den Geschwisterkindern.<br />

Wie sich das Leben mit einem kranken Geschwisterkind<br />

gestaltet, erzählt Matti Schrödel, 18 Jahre,<br />

vom Netzwerk Hypophysen- und Nebennierenerkrankungen<br />

e.V. in einem Interview mit dem <strong>knw</strong>.<br />

ist dafür da, Stress abzubauen. Seit der Diagnosestellung<br />

nimmt mein Bruder daher Hydrocortison-<br />

Tabletten und das ist für ihn lebensnotwendig. In<br />

besonderen Stress-Situationen und bei nicht ausreichender<br />

Hydrocortison-Ausschüttung kann es zu<br />

einer sogenannten Addison-Krise kommen: Dabei<br />

verschlechtert sich der Allgemeinzustand bis hin<br />

zum Schock. Ohne schnelle Hilfe ist das lebensgefährlich.<br />

Weil wir aber nach dem Unfall erst einmal herausfinden<br />

mussten, was er überhaupt hatte, ging es<br />

in den Jahren nach seinem Unfall natürlich sehr<br />

viel um ihn. Das erste Jahr nach dem Unfall konnte<br />

und wollte mein Bruder nicht in die Schule gehen.<br />

Danach ging er auf eine zweimonatige Kur. Meine<br />

Eltern haben in der Zeit versucht, mich gleich zu<br />

behandeln, trotzdem stand er im Mittelpunkt. Ich<br />

habe zu dieser Zeit mitansehen müssen, wie traurig<br />

meine Eltern waren. Ich war in der Zeit, in der mein<br />

Bruder mit meiner Mutter auf Kur war, oft allein.<br />

Dennoch habe ich mich von meinen Eltern gesehen<br />

gefühlt. Das liegt bestimmt daran, dass meine<br />

Eltern auch sehr viel Wert auf den Ausgleich zwischen<br />

mir und meinem Bruder gelegt haben.<br />

Matti, beschreibe einmal deine Familienkonstellation.<br />

Als mein Bruder 13 Jahre alt war, wurde er bei einem<br />

Fußballspiel gegen den Kopf getreten. Durch<br />

das Trauma wurde seine Hypophyse, eine Hirnanhangsdrüse,<br />

beeinträchtigt. Die sich in seinem Fall<br />

daraus ergebende Erkrankung nennt sich „Hypophyseninsuffizienz“.<br />

Mein Bruder kann nicht mehr<br />

genügend Kortisol ausschütten. Dieses Hormon<br />

Was ist für Dich als Geschwisterkind belastend?<br />

Meine Eltern engagieren sich in Organisationen und<br />

Vereinen, die sich mit der Krankheit meines Bruders<br />

befassen. Dadurch fühle ich mich manchmal<br />

etwas benachteiligt: Manchmal finde ich es schon<br />

blöd, dass mein Bruder oft im Mittelpunkt steht,<br />

dass sich viel um ihn dreht. Ich weiß aber, dass er<br />

diese Aufmerksamkeit braucht und, wie beschrieben,<br />

seine Krankheit ja nicht zu unterschätzen ist.<br />

Das zu erkennen, hat bei mir aber auch gedauert:


40<br />

Aus dem Kindernetzwerk<br />

Nach dem Unfall habe ich lange nicht verstanden,<br />

wie schwer seine Krankheit ist, weil man sie nicht<br />

sah. Ich konnte nicht glauben, dass er wirklich beeinträchtigt<br />

ist. Das führte dazu, dass ich nicht auf<br />

seine Krankheit geachtet habe und manchmal unnötigen<br />

Stress verursacht habe. Nun fühle ich mich<br />

schon verantwortlich, auf ihn achtzugeben.<br />

Wie ist Deine Geschwisterbeziehung?<br />

Streit gibt es ja zwischen allen Geschwistern. Da<br />

mein Bruder diesen Streit aber nicht immer so gut<br />

verkraftet, versuchen wir, ihn so - gut es geht - zu<br />

vermeiden. Trotz Krankheit ist die Beziehung nicht<br />

anders als die zwischen anderen Geschwistern.<br />

Du bist mit Deiner Mutter in der Selbsthilfe aktiv,<br />

warum?<br />

Es fing damit an, die Krankheit besser zu verstehen,<br />

um meinem Bruder zu helfen und ihm im Notfall<br />

zur Seite zu stehen. Dafür hat sich meine Mutter<br />

schlau gemacht. Auch ich bin in der Selbsthilfe aktiv,<br />

um meinem Bruder zu helfen. Wir setzen uns<br />

nun für Betroffene mit der gleichen Erkrankung ein.<br />

Ich als Geschwisterkind bin weniger in der Selbsthilfe<br />

aktiv, da ich mich nicht so beeinträchtigt fühle.<br />

Ich konnte meine eigenen Wege ohne die Probleme,<br />

die von der Behinderung meines Bruders ausgehen,<br />

gehen. Meine Eltern geben auch ihr Bestes,<br />

uns beide gleich zu behandeln und mich und meinen<br />

Bruder bei unseren Träumen zu unterstützen.<br />

Viele Jugendliche wollen sich nicht mit der Erkrankung<br />

auseinandersetzen. Wie ist es bei Euch?<br />

Ich probiere, meinen Bruder bei seiner Behinderung<br />

zu unterstützen. Da sich meine Mutter sehr<br />

viel mit der Krankheit auseinandergesetzt hat, bekomme<br />

ich auch schon Einiges mit und probiere<br />

auch, selbst etwas dafür zu tun, dass es meinem<br />

Bruder gut geht. Ich habe auch schon einmal eine<br />

Ersthilfeschulung mitgemacht, um meinem Bruder<br />

im Notfall besser helfen zu können. Sonst habe ich<br />

mich genau über seine Krankheit und die Folgen informiert,<br />

so dass ich im Notfall weiß, was zu tun ist<br />

und wie ich zu reagieren habe.<br />

Welche Hilfen als Geschwisterkind hast Du in Anspruch<br />

genommen und wie haben sie geholfen?<br />

Bisherige Angebote für Geschwisterkinder sind<br />

nicht so gut auf mich abgestimmt gewesen: Ein<br />

Geschwisterkinder-Workshop, den ich mal mitgemacht<br />

habe, war gar nicht für mich, sondern für<br />

jüngere Geschwister ausgelegt. Und irritiert hat<br />

mich, dass manche Geschwister, die auch dort waren,<br />

gar nichts über die Krankheit ihrer Geschwister<br />

wussten. Mich hat das sehr verwirrt, da die Krankheit<br />

bei uns ein großes Thema ist. Um sich besser<br />

zu helfen, muss man sich mit der Krankheit auskennen.<br />

Erst dann entwickelt man ein Verständnis dafür.<br />

Warum ist Selbsthilfe wichtig?<br />

Ich finde Selbsthilfe wichtig, weil sich verschiedene<br />

Gruppen über ihre Situation untereinander austauschen<br />

können. Selbsthilfe ist ein guter Weg, mit<br />

dem sich Betroffene und betroffene Angehörige<br />

untereinander finden und helfen können.<br />

Der Alltag einer betroffenen Familie ist nicht einfach,<br />

was hat es dir aber vielleicht auch an positiven<br />

Aspekten gebracht?<br />

Eines, was er mich gelehrt hat, ist, stark zu bleiben<br />

und dass es immer eine Lösung gibt. Ich habe mir<br />

auch etwas mehr Selbständigkeit angeeignet. Ich<br />

weiß nicht genau, ob es darauf zurückzuführen<br />

ist, aber durch diese Selbständigkeit habe ich auch<br />

Träume, die ich erreichen will.<br />

Die Fragen stellte Birte Struntz, Kindernetzwerk.


Aus dem Kindernetzwerk<br />

41<br />

<strong>Unsere</strong> Mitglieder im<br />

Kindernetzwerk<br />

Hier stellen wir zwei neue Mitgliedsorganisationen<br />

aus unseren Reihen vor.<br />

Netzwerk Goldenhar-Syndrom und<br />

Ohrmuscheldysplasie e.V.<br />

Wer wir sind<br />

Der Verein „Netzwerk Goldenhar-Syndrom und<br />

Ohrmuscheldysplasie e.V.“ wurde im Mai 2005<br />

als Selbsthilfegruppe gegründet. Sein Anliegen ist<br />

der Informations- und Erfahrungsaustausch im<br />

deutschsprachigen Raum zwischen Kindern und<br />

Erwachsenen mit Goldenharsyndrom und deren<br />

Familien und Angehörigen.<br />

Bei dem Goldenhar-Syndrom handelt es sich um<br />

eines der zahlreichen Kiemenbogenfehlbildungs-<br />

Syndrome: Es wird auch manchmal als Hemifaziale<br />

Mikrosomie oder Okulo-Aurikulo-Vertebrales Spektrum<br />

(OAVS) bezeichnet. Das Syndrom zeigt sich in<br />

seinem Erscheinungsbild sehr variabel, doch treten<br />

ganz charakteristische Fehlbildungskomplexe im<br />

Bereich der Augen, der Ohren, des Gesichtsschädels,<br />

des Kiefers, der Wirbelkörper und der inneren<br />

Organe auf. Meist ist jedoch nur eine Körperhälfte<br />

betroffen und die Fehlbildungen zeigen sich in stark<br />

unterschiedlichen Ausprägungen. Das Goldenhar-<br />

Syndrom tritt sehr selten auf und die Erforschung<br />

der Ursachen für die auftretenden Fehlbildungen<br />

ist längst nicht abgeschlossen.<br />

Wir wollen erreichen, dass möglichst alle Betroffenen<br />

Chancen auf bestmögliche Versorgung<br />

haben. Wie bei allen selten auftretenden Krankheitsbildern<br />

sind die Betroffenen vielfach auf Eigeninitiative<br />

angewiesen, um umfassende Informationen<br />

über das Krankheitsbild und entsprechende<br />

Behandlungsmethoden bzw. -alternativen zu erschließen.<br />

Dieses wollen wir gemeinsam ermöglichen.<br />

Was wir machen<br />

Die Familien treffen sich einmal jährlich am Himmelfahrt-Wochenende<br />

zur Informationsveranstaltung<br />

und zum praktischen Austausch zwischen<br />

den Familien. Hierzu werden Spezialist:innen<br />

(Therapeut:innen, Mediziner:innen, Psycholog:innen<br />

etc.) eingeladen. Die Referent:innen halten Vorträge<br />

und Diskussionsrunden zu aktuellen, die<br />

Krankheit betreffenden Themen. Vor allem „neue“<br />

Familien finden hier die Gelegenheit, den psychosozialen<br />

Ausnahmezustand aufzufangen, in dem<br />

man sich als betroffene Familie oft wiederfindet.<br />

Wir als Verein unterstützen wissenschaftliche Forschungsvorhaben<br />

zu Ursachen, Diagnostik und Behandlung<br />

des Goldenhar-Syndroms bzw. der Ohrmuscheldysplasie.<br />

Der Verein arbeitet zusammen mit Mediziner:innen,<br />

Therapeut:innen und Pädagog:innen, mit kommunalen<br />

und staatlichen Institutionen, Forschungseinrichtungen,<br />

Medien, Unternehmen, Stiftungen<br />

und Verbänden, um das Krankheitsbild bei<br />

Ärzt:innen,Therapeut:innen und Pädagog:innen<br />

sowie in der Öffentlichkeit bekannter zu machen.


42<br />

Aus dem Kindernetzwerk<br />

Ein weiterer und wesentlicher Fokus liegt auf den<br />

Geschwisterkindern. Vor allem in der ersten Zeit<br />

nach der Diagnosestellung nehmen diese “Schattenkinder”<br />

einen Platz im Hintergrund der Familie<br />

ein. Bei uns treffen betroffene und nicht betroffene<br />

Kinder Geschwister mit ähnlichen Konstellationen.<br />

Der Erfahrungsaustausch der Kinder untereinander<br />

bringt viele positive Effekte mit sich. Hier werden<br />

vielfach Freundschaften geschlossen, die auch außerhalb<br />

der Treffen weiter gepflegt werden.<br />

Mehr Informationen & Kontakt<br />

www.goldenhar.de<br />

verein@goldenhar.de<br />

Telefonnummern für regionale Kontakte sind zu<br />

finden unter http://goldenhar.de/pages/kontakt.php<br />

Von Eltern für Eltern von Kindern<br />

mit Lichen sclerosus<br />

Lichen sclerosus (LS) ist eine chronische, entzündliche, nicht ansteckende Hauterkrankung des<br />

äußeren Genitalbereichs (Vulvahaut und Haut um den Anus wie eine 8), die Scheide ist nie<br />

betroffen. Bei Jungs äußert sich LS in einer Phimose. Werden die Jungs schnellstmöglich total<br />

beschnitten, haben sie eine große Chance, danach geheilt zu sein.<br />

Symptome<br />

Bei Kindern mit Juckreiz und Brennen im Anal- und<br />

Genitalbereich wird oft zuerst an einen Pilz gedacht.<br />

Pilzinfektionen bei Kindern vor der Pubertät<br />

sind aber eher selten. Bei kleinen Kindern sollte in<br />

solchen Fällen auch an LS gedacht werden.<br />

Es zeigen sich oft auch Risse und blutige Stellen am<br />

äußeren Genitale sowie am Anus. Viele Kinder leiden<br />

begleitend an einer Verstopfung. Ein Hinweis<br />

ist auch eine weißliche porzellanartige Vulvahaut.<br />

Diagnostik<br />

Die Diagnosestellung erfolgt durch den fachkundigen<br />

Arzt mittels einer Blickdiagnose. Eine Gewebeentnahme<br />

sollte bei Kindern möglichst nicht gemacht<br />

werden und ist auch nicht nötig.<br />

Therapie<br />

Die Therapie erfolgt mit hochdosiertem Kortison<br />

der Wirkstoffklasse III oder IV und sehr guter Fettpflege<br />

des anogenitalen Bereichs.<br />

Bei Jungen empfiehlt es sich, nach einer Beschneidung<br />

eine feingewebliche Untersuchung der<br />

Vorhaut machen zu lassen, um die Diagnose LS<br />

aus- oder einzuschließen. Eventuell ist eine Nachbehandlung<br />

mit Kortison nötig.<br />

Hilfe zur Selbsthilfe - Angebote<br />

Wir begleiten die Eltern, die durch die chronische<br />

Erkrankung ihres Kindes stark herausgefordert werden.<br />

Der Austausch mit betroffenen Eltern ist sehr<br />

hilfreich, um mit der Erkrankung und der Diagnoseverarbeitung<br />

nicht allein zu sein.


Aus dem Kindernetzwerk<br />

43<br />

Wir führen dazu regelmäßig virtuelle Treffen mit Eltern<br />

durch, oftmals sind auch die Kinder dabei. Es<br />

hilft den Kindern zu sehen, dass auch andere Kinder<br />

die Erkrankung haben. Die virtuellen Treffen sind<br />

eine gute Gelegenheit, sich auch von zuhause aus<br />

mit anderen Eltern auszutauschen. Es ist dafür keine<br />

Reisetätigkeit nötig.<br />

Beratungstelefonate mit einer Mutter eines betroffenen<br />

Mädchens gehören als wichtiger Pfeiler zur<br />

Selbsthilfe.<br />

Virtuelle Workshops zu Themen wie Pflege,<br />

Schwimmen, Baden, Reiten, Fahrradfahren helfen<br />

dabei, die Eltern und Kinder darin zu bestärken,<br />

dass trotz LS alles möglich ist: „Was dem Lichen<br />

nicht schadet und mir guttut, werde ich weiterhin<br />

machen!“<br />

In unserem daten- und persönlichkeitsgeschützten<br />

Mitgliederbereich geben wir den Eltern viele<br />

nützliche Dokumente an die Hand. Dort stellen wir<br />

auch Foren zur Verfügung, in denen die Eltern sich<br />

austauschen und über PN (Persönliche Nachricht)<br />

vernetzen können.<br />

Es gibt auch schon viele regionale Betroffenen-<br />

Austauschgruppen in ganz Deutschland, zu denen<br />

natürlich selbstverständlich auch Mütter jederzeit<br />

willkommen sind!<br />

Mitgliedschaft<br />

Die Mitgliedschaft in unserem Verein kostet € 30,00<br />

im Kalenderjahr. Ab 1. Dezember gilt die Mitgliedschaft<br />

für das gesamte Folgejahr. Die Treffen sind<br />

alle kostenlos, auch die virtuellen Workshops, die<br />

aus unseren Reihen bestritten werden.<br />

Mehr Informationen<br />

Webseite www.lichensclerosus.de<br />

E-Mail kontakt@lichensclerosus.de


Aus dem Kindernetzwerk<br />

Aus Politik & Gesellschaft


Aus Politik & Gesellschaft<br />

45<br />

Politischer Forderungskatalog<br />

„Berliner Appell“<br />

– nun unsere Agenda für<br />

kommende Politikgespräche<br />

<strong>Unsere</strong>n „Berliner Appell“ stellten wir im September<br />

2023 zunächst der Expertin für Bildung<br />

und Inklusion MdB Nina Stahr (GRÜNE) vor.<br />

Außerdem sendeten wir diesen allen Bundestagsabgeordneten<br />

zu.<br />

Auch dem Patientenbeauftragten der Bundesregierung<br />

Stefan Schwartze konnten Mitglieder<br />

unserer Junge Selbsthilfe im Kindernetzwerk die<br />

Forderungen des Appells erläuterten.<br />

Im Oktober 2023 bewerben wir die einzelnen Forderungsteile<br />

des „Berliner Appells“ nun per social<br />

media und in einzelnen politischen Gesprächen,<br />

wobei wir uns immer auf die jeweiligen Gebiete<br />

des jeweiligen Gesprächspartners bzw. der -partnerin<br />

konzentrieren werden.<br />

Hier abgedruckt und auf der Homepage finden<br />

Sie den Appell in der gesamten Länge. Nutzen Sie<br />

diesen Forderungskatalog bitte für Ihre Politikarbeit,<br />

teilen Sie diesen, zitieren Sie aus diesem<br />

und senden sie diesen sehr gerne an Ihre Bundestagsabgeordneten<br />

– zusammen sind wir stark!<br />

<strong>knw</strong> Forderungskatalog<br />

Der Berliner Appell 2023<br />

Anlässlich unseres 30jährigen Jubiläums haben wir mit unseren Mitgliedern den „Berliner<br />

Appell“ aktualisiert. In diesem bündeln wir die wichtigsten Forderungen betroffener Kinder,<br />

Jugendlicher und junger Erwachsener mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen sowie<br />

deren Familien. Wir bitten Politik und Leistungsträger um die Umsetzung dieser Forderungen.<br />

Handlungsfeld 1:<br />

Entlastung und Unterstützung im Alltag sicherstellen<br />

Die hohen Belastungen der Familien durch die tagtäglichen<br />

Anforderungen der Versorgung des erkrankten<br />

oder behinderten Kindes ist den Verantwortlichen<br />

hinreichend bekannt. Die vorgesehenen<br />

entlastenden Leistungen insbesondere der Pflegeversicherung<br />

können jedoch nicht im notwendigen<br />

Umfang abgerufen oder in Anspruch genommen<br />

werden, denn in nahezu allen unterstützenden Bereichen<br />

führt fehlendes Personal zu strukturellen<br />

Mängeln. Darüber hinaus wird häufig die besondere


46<br />

Aus Politik & Gesellschaft<br />

Lebensphase „Kindheit“ nicht ausreichend berücksichtigt.<br />

Hier braucht es Leistungen und Angebote,<br />

die mehr auf den Personenkreis fokussieren.<br />

Arbeiten lässt. Damit einhergehend fordern wir<br />

eine angemessene Vergütung aller in der Versorgung<br />

tätigen Menschen, die der Bedeutung dieser<br />

Aufgabe und den damit verbundenen Belastungen<br />

gerecht wird. Insbesondere für Pflegefachkräfte,<br />

Inklusionspädagog:innen, spezialisierte<br />

Therapeut:innen und Assistenzkräfte sowie pädiatrische<br />

Fachärzt:innen muss das Arbeitsfeld attraktiver<br />

werden. Denn ohne Unterstützung und Anerkennung<br />

des hierfür notwendigen Fachpersonals<br />

wird sich die Versorgungsmisere in den nächsten<br />

Jahren noch erheblich verschlimmern.<br />

→ eine wirkungsvolle Imagekampagne zur<br />

Aufwertung dieser Berufe im öffentlichen Bewusstsein,<br />

die auch die Notwendigkeit einer professionellen<br />

Ausbildung und einer besonderen<br />

menschlichen Haltung gerade für eine den Alltag<br />

stärkende Versorgung deutlich macht.<br />

Deshalb fordern wir<br />

→ dass jedes Kind mit einer chronischen Erkrankung<br />

oder Behinderung sein Recht wahrnehmen<br />

kann, in seiner Familie aufzuwachsen. Dazu<br />

braucht es niederschwellige Entlastungen der betreuenden<br />

und pflegenden Angehörigen z.B. durch<br />

Kurzzeitwohnen, Tagespflege und familienunterstützende<br />

Dienste und einen leichteren Zugang zu<br />

notwendigen Therapien und Gesundheitsleistungen.<br />

Es ist eine flächendeckende bedarfsorientierte<br />

Versorgung mit diesen Leistungen notwendig.<br />

→ eine gute Personalausstattung aller unterstützenden<br />

Dienste und Einrichtungen, die genügend<br />

Zeit für ein professionelles, den Alltag<br />

von Kindern und ihren Familien entlastendes<br />

→ entlastende Angebote, die auf die Lebensphase<br />

„Kindheit und Jugend“ fokussieren und dabei<br />

immer auch die Bedürfnisse und Handlungsspielräume<br />

von Eltern, Geschwisterkindern sowie der<br />

Familie als Ganzes berücksichtigen. 1 Hier sei insbesondere<br />

auf die niederschwellige Entlastung durch<br />

Tagespflege- und Kurzzeitwohnangebote für Kinder<br />

und Jugendliche und durch ambulante und stationäre<br />

Kinder- und Jugendhospize hingewiesen, um<br />

Not- und Krisensituationen vorzubeugen und die<br />

Resilienz der Familie zu stärken.<br />

→ einen Abbau der Bürokratie durch Dauerverordnungen,<br />

um eine niedrigschwellige Inanspruchnahme<br />

der notwendigen medizinischen Produkte<br />

und gesundheitsbezogenen oder Teilhabeleistungen<br />

zu ermöglichen. Dies betrifft insbesondere das<br />

immer wieder erneut nötige Einholen von Verordnungen<br />

für Therapien, die aufgrund einer lebenslangen<br />

chronischen Erkrankung oder Behinderung<br />

eines Kindes dauerhaft benötigt werden. 2


Aus Politik & Gesellschaft<br />

47<br />

→ Wohnformen, die eine bedarfsentsprechende<br />

Versorgung sowie entwicklungsfördernde und die<br />

soziale Teilhabe sichernde Betreuung von Kindern<br />

und Jugendlichen sowie von jungen Erwachsenen<br />

mit intensivem Gesundheits- und Pflegebedarf sicherstellen.<br />

Die jungen Menschen haben einen Anspruch<br />

auf medizinische Versorgung, Pflege, Förderung<br />

und soziale Teilhabe, auch wenn sie außerhalb<br />

ihrer Familien leben und aufwachsen (müssen).<br />

Alle Bedarfe müssen gleichermaßen berücksichtigt<br />

und finanziert werden. Dies gilt auch für selbstbestimmtes<br />

Wohnen außerhalb von Heimen. Anträge<br />

der Betroffenen (z.B. auf persönliches Budget)<br />

müssen von den zuständigen Kassen im Rahmen<br />

gesetzlich vorgegebener Fristen bearbeitet und<br />

bewilligt werden, um die für das selbstbestimmte<br />

Leben in den eigenen vier Wänden benötigte Hilfestellung<br />

zu ermöglichen.<br />

→ ein bundesweit einheitliches Konzept der<br />

Nachbarschaftshilfe, das nur niederschwellige Vorgaben<br />

macht: ein erweitertes Führungszeugnis und<br />

ein Erste-Hilfe-Kurs. Bisher sind die Regelungen zur<br />

Nachbarschaftshilfe in jedem Bundesland unterschiedlich.<br />

Der Entlastungsbetrag von monatlich<br />

125,- € für Pflegebedürftige kann für pflegebedürftige<br />

Kinder oft nicht genutzt werden. Die Dienste<br />

und Kurse sind auf die Zielgruppe älterer pflegebedürftiger<br />

Menschen ausgerichtet und oft haben sie<br />

keine ausreichenden Kapazitäten. Für Familien ist<br />

hier insbesondere eine hauswirtschaftliche Unterstützung<br />

hilfreich, aber dies wird in manchen Bundesländern<br />

ausgeschlossen bzw. an teure Dienstleister<br />

geknüpft. Nachbarschaftshilfe sollte auch<br />

durch Großeltern und Geschwister geleistet werden<br />

können und auch durch Personen ab 16 Jahren. 3<br />

→ eine Verbesserung der Vereinbarkeit von Pflege<br />

und Beruf für pflegende Angehörige von Kindern<br />

mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen.<br />

Hierfür sollte §45 SGB V „Krankengeld bei<br />

Erkrankung des Kindes“ angepasst werden und für<br />

Eltern mit pflegebedürftigen Kindern die Begrenzung<br />

auf 20 Tage und die Altersstufe auf 18 Jahre<br />

erhöht werden. Auch die Dauer der Familienpflegezeit<br />

und die Möglichkeit, die Familienpflegezeit<br />

in mehreren Etappen zu nehmen, und die Reduzierung<br />

der zu leistenden Mindestanzahl von 15 Wochenarbeitsstunden<br />

sollte umgesetzt werden. 4<br />

→ eine bessere Förderung ehrenamtlicher Arbeit<br />

durch kontinuierliche finanzielle Unterstützung<br />

von Gremienarbeit und dauerhaften Ausgaben<br />

wie Raummiete etc., denn sie ist Ausdruck bürgerschaftlichen<br />

Engagements.<br />

→ einen leichteren Zugang zu Hilfsmitteln und<br />

notwendigen Verbrauchsmaterialien. Menschen<br />

mit Behinderungen müssen häufig jahrelang mit<br />

der gesetzlichen Krankenkasse um passende Hilfsmittel<br />

streiten. Trotz ärztlicher Verordnung werden<br />

Hilfsmittel von Krankenkassen oftmals abgelehnt.<br />

1<br />

Siehe Forschungsbericht 613 des Bundesministeriums für Arbeit und<br />

Soziales (November 2022) S.15<br />

2<br />

Beispiel: Verordnungen müssen vom SPZ ausgestellt werden, die<br />

Verordnung für das SPZ muss aber jedes Quartal von Kinder- und<br />

Jugendärzt:innen (bspw. Ketonstreifen aufgrund von ketogener Ernährungstherapie)<br />

ausgestellt werden, die Schulassistenz muss jedes<br />

Schuljahr neu beantragt werden trotz lebenslanger Erkrankung und<br />

Behinderung.<br />

3<br />

Denn, so ein Beispiel einer Mutter: „Es ist doch irgendwie nicht einzusehen,<br />

dass die 17jährige Schwester bei Fremden Babysitten geht,<br />

um sich das Taschengeld aufzubessern, der 23jährige Bruder in einem<br />

Pflegeheim jobbt, um das Studium zu finanzieren oder die Oma ihre<br />

Rente bei Aldi an der Kasse aufbessert, während für die behinderte<br />

Schwester/Enkelin kein Betreuungsdienst zu finden ist.“<br />

4<br />

siehe dazu das Familienpflegezeitgesetz – FPfZG: https://www.geset<br />

ze-im-internet.de/fpfzg/BJNR256410011.html


48<br />

Aus Politik & Gesellschaft<br />

Handlungsfeld 2:<br />

Deshalb fordern wir<br />

Pädiatrische Versorgung sicherstellen und die<br />

Ökonomisierung in der Kinder- und Jugendmedizin<br />

stoppen<br />

Trotz vielfacher Bemühungen seitens der Politik<br />

und enormer Entwicklungen in der medizinischen<br />

Forschung stehen aufgrund personeller, struktureller<br />

und finanzieller Engpässe nicht automatisch<br />

auch bessere Behandlungsoptionen für Kinder<br />

und Jugendliche mit chronischen und seltenen Erkrankungen<br />

oder Behinderungen zur Verfügung.<br />

So ist vielerorts der Zugang zu einer zeitnahen<br />

medizinischen Versorgung durch niedergelassene<br />

pädiatrische Ärztinnen und Ärzte sowie durch pädiatrische<br />

Zentren nicht gegeben. Termine für die<br />

Abklärung von Symptomen bei entsprechenden<br />

Spezialist:innen werden oft erst nach Monaten<br />

ermöglicht und selbst die stationäre Aufnahme intensivpflegebedürftiger<br />

Kinder zur Therapiekontrolle<br />

und -optimierung wird immer wieder verschoben.<br />

Für Kinder und Jugendliche mit chronischen<br />

Erkrankungen und Behinderungen können diese<br />

Verzögerungen jedoch eklatante Folgeschäden verursachen,<br />

die am Ende in ihrer Summe auch hohe<br />

Folgekosten für die Gesellschaft beinhalten.<br />

→ die flächendeckende Sicherstellung der pädiatrischen<br />

Versorgung, indem die Behandlungskapazitäten<br />

so auszubauen sind, dass der Versorgungsauftrag<br />

einer Region sichergestellt ist (ambulante<br />

pädiatrische Versorgung, spezialisierte pädiatrische<br />

Zentren, Fachambulanzen und stationäre pädiatrische<br />

Versorgung). Chronisch kranke und behinderte<br />

Kinder sind durch den derzeitigen strukturellen<br />

Mangel an Behandlungsmöglichkeiten besonders<br />

betroffen, da zeitkritisch kranke Kinder zuerst versorgt<br />

werden müssen und die Bedarfe chronisch<br />

kranker Kinder aufgrund knapper Ressourcen hinten<br />

anstehen. 5 Insbesondere für junge Menschen,<br />

die auf außerklinische Intensivpflege angewiesen<br />

sind, ist es zunehmend schwieriger, eine bedarfsgerechte<br />

Versorgung zu erhalten, da aufgrund geänderter<br />

gesetzlicher Regelungen höhere Anforderungen<br />

an die Qualifikation der behandelnden<br />

Fachärzt:innen gestellt wurden. Gleichzeitig konnten<br />

die notwendigen Versorgungsstrukturen nicht<br />

flächendeckend zur Verfügung gestellt werden.<br />

→ Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel sowohl<br />

im pflegerischen als auch zunehmend im ärztlichen<br />

Bereich nicht nur im Krankenhaus, sondern<br />

auch in der kinder- und jugendärztlichen ambulanten<br />

Versorgung. Es gibt Familien, die monatelang<br />

nach einer betreuenden Kinder- und Jugendarztpraxis<br />

und teilweise über Jahre nach einer adäquaten<br />

fachärztlichen Versorgung suchen. Selbst<br />

Rettungsstellen und Notfallambulanzen stehen am<br />

Rande ihrer Kapazitätsgrenzen. 6<br />

→ eine Neuordnung der Finanzierung der Krankenhäuser.<br />

Kommerzielle Interessen sind nicht mit


Aus Politik & Gesellschaft<br />

49<br />

einer sachgerechten Versorgung der Patient:innen,<br />

insbesondere von Kindern und Jugendlichen, vereinbar.<br />

Die Finanzierung über DRG ist gescheitert<br />

und hat besonders Kliniken für Kinder- und Jugendliche<br />

hart getroffen: Hier muss ein anderes System<br />

etabliert werden.<br />

→ dass sich die deutsche Gesundheitspolitik<br />

nicht die wirtschaftliche, sondern die bestmögliche<br />

Versorgung von Kindern zum Ziel nimmt, wie<br />

es in der von Deutschland unterzeichneten UN-Kinderrechtskonvention<br />

7 festgeschrieben ist.<br />

→ dass die medikamentöse Versorgung der Kinder<br />

flächendeckend sichergestellt ist. Insbesondere<br />

für Kinder mit chronischen Erkrankungen und<br />

Behinderungen können auch vorübergehende Lieferengpässe<br />

für Medikamente fatale Auswirkungen<br />

auf die Gesundheit haben. 8<br />

→ mehr ganzheitliche Ansätze in der Kinder- und<br />

Jugendmedizin. Statt bereits im Studium nur auf<br />

maximale Kostensenkung gerichtetes Arbeiten und<br />

reine Organfächer den Fokus zu richten, brauchen<br />

wir mehr finanziell abgesicherte Versorgungsstrukturen,<br />

in denen auch nicht ärztliche Berufe und<br />

das Erfahrungswissen der Eltern-Selbsthilfe stärker<br />

zum Tragen kommen. Dafür braucht es auch eine<br />

bessere und proaktive Beratung der Eltern durch<br />

Kinder- und Jugendärzt:innen, um sie zu gleichberechtigten<br />

gemeinsamen medizinischen Entscheidungen<br />

zu befähigen.<br />

→ dass die Versorgung von chronisch kranken<br />

und behinderten Kindern und Jugendlichen ethische<br />

Mindeststandards erfüllen muss und diese<br />

nicht nur die fachlichen bzw. wissenschaftlich evidenten<br />

Vorgaben von Leitlinien (der AWMF) im<br />

Blick hat. Gerade diese Patient:innen benötigen<br />

verlässliche Behandlungsstrukturen und eine ausreichende<br />

Fachexpertise, die nicht von Refinanzierungsbedingungen<br />

abhängig gemacht werden dürfen.<br />

Deshalb darf auch das Nationale Programm für<br />

Menschen mit seltenen Erkrankungen – der sog.<br />

NAMSE-Prozess – keinesfalls zur Disposition gestellt<br />

werden. Die Verknüpfung von wohnortnaher<br />

Behandlung mit spezialisierter Expertise ist ausschlaggebend<br />

für eine bedarfsgerechte Versorgung<br />

der Kinder.<br />

→ den Ausbau der Medizinischen Zentren für erwachsene<br />

Menschen mit Behinderungen (MZEB)<br />

und eine strukturierte Überleitung junger Erwachsener<br />

mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen<br />

dorthin, damit es nicht zu Versorgungsabbrüchen<br />

bei Volljährigkeit der jungen Patien:innen<br />

kommt.<br />

5<br />

DIVI-Warnung vor Engpässen in Kinderkliniken (aerztezeitung.de) sowie<br />

https://www.rnd.de/politik/warum-der-kinderaerzte-berufsverbandeine-gefaehrdung-von-kindern-sieht<br />

sowie https://www.ardmedia<br />

thek.de/video/panorama-3/dramatisch-kindermedizin-zunehmendam-limit/<br />

sowie auch der Parallelbericht der Zivilgesellschaft weist auf<br />

die Gefahren intensivpflegebedürftiger Kinder durch das GKV-IPReG hin:<br />

https://www.vdk.de/deutscher-behindertenrat/mime/00134312D<br />

1692034122.pdf<br />

6<br />

ZDF, 37° “Notfall Kinderklinik”: https://www.zdf.de/dokumentation<br />

/37-grad/37-notfall-kinderklinik-100.html<br />

7<br />

https://www.unicef.de/informieren/ueber-uns/fuer-kinderrechte/un<br />

-kinderrechtskonvention<br />

8<br />

Herbst: Kinderärzte rechnen wieder mit Arzneimittelknappheit - ZDF<br />

heute


50<br />

Aus Politik & Gesellschaft<br />

Handlungsfeld 3<br />

die sonst nur Pflegekräfte tätigen dürfen. Die pflegenden<br />

Angehörigen sollten die Wahl einer formellen<br />

Anstellung als Pflegekraft mit Recht auf<br />

Auszeiten und bezahlten Urlaub im Sinne eines<br />

Care-Gehalts haben. Bisher wird die Pflegetätigkeit<br />

von Angehörigen nur im Rahmen des Pflegegeldes<br />

(SGB XI) bezüglich der Grundpflege berücksichtigt.<br />

– Pflegende Angehörige dürfen nicht aufgrund der<br />

Pflegetätigkeit in Armut fallen.<br />

Für finanzielle Sicherheit sorgen<br />

Nach wie vor tragen Mütter die Hauptlast der familiären<br />

Betreuung und Pflege von Kindern und Jugendlichen<br />

mit besonderen Bedürfnissen. Viele von<br />

ihnen leben aufgrund der Schwierigkeit, Pflege und<br />

Berufsleben in Einklang zu bringen, über Jahrzehnte<br />

in finanzieller Unsicherheit und steuern am Ende<br />

auf die Altersarmut zu. 9 Hier bedarf es weiterer<br />

gesetzlicher Regelungen, damit die Pflege und Versorgung<br />

eines chronisch kranken oder behinderten<br />

Kindes nicht zu dauerhafter Armut führen und sich<br />

die Chancenungleichheit immer weiter vergrößert.<br />

Deshalb fordern wir<br />

→ eine ausreichende finanzielle Kompensation<br />

für Angehörige, die freiwillig eine umfassende Behandlungspflege<br />

im Sinne des SGB V übernehmen,<br />

→ eine finanziell auskömmlichere Berücksichtigung<br />

der Pflege durch Angehörige in der Rente und<br />

die Schaffung weiterer gesetzlicher Voraussetzungen,<br />

damit finanzielle Nachteile beseitigt und ausreichende<br />

Rentenbeiträge entrichtet werden, um<br />

Altersarmut zu vermeiden und sehr stark belastete<br />

Familien in besonderer Weise zu unterstützen.<br />

→ die Abschaffung der Kürzung des Pflegegeldes<br />

nach 28 Tagen bei stationärer Unterbringung des<br />

pflegebedürftigen Kindes – vor allem bei Versorgung<br />

durch die Angehörigen bei längeren Krankenhausaufenthalten<br />

und Rehamaßnahmen. Hier entstehen<br />

beispielsweise durch die Begleitung in die<br />

Klinik zusätzliche Ausgaben für die Familie.<br />

9<br />

Famber-Studie: https://www.uke.de/extern/famber/index.html<br />

Handlungsfeld 4<br />

Inklusion im Bereich Bildung voranbringen<br />

Eltern behinderter und chronisch kranker Kinder<br />

und Jugendlicher können sich nicht auf die regelmäßige<br />

Betreuung in Kindergarten und Schule verlassen,<br />

da oftmals die Versorgung und Betreuung<br />

nicht ausreichend gesichert ist. Viele Kinder mit<br />

chronischen Erkrankungen und Behinderungen<br />

können daher diese Institutionen nicht kontinuierlich<br />

besuchen. Teils fahren die Eltern in die Schule,


Aus Politik & Gesellschaft<br />

51<br />

um dort medizinisch-pflegerische Maßnahmen<br />

(z.B. Katheterisieren, Diabetesversorgung) umzusetzen,<br />

teils können die Kinder nur verkürzt oder an<br />

bestimmten Tagen am Kita- und Schulalltag teilnehmen,<br />

weil die Assistenz nur für eine geringe Anzahl<br />

an Stunden vor Ort ist. Andere wiederum sind aufgrund<br />

struktureller und personeller Begebenheiten<br />

vor Ort ganz ausgeschlossen. Auch der Parallelbericht<br />

zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention<br />

zeigt auf, dass Deutschland noch weit von<br />

einer umfassenden Teilhabe entfernt ist: „Kinder<br />

und Jugendliche werden wegen ihrer chronischen<br />

Erkrankung oder Behinderung noch immer ausgegrenzt<br />

und bekommen nicht die gleichen Chancen<br />

im Bereich der Bildung wie Kinder und Jugendliche<br />

ohne chronische Erkrankung oder Behinderung.“ 10<br />

Deshalb fordern wir<br />

→ die Schaffung von besseren Rahmenbedingungen<br />

für die Inklusion in Kindergarten und Schule<br />

durch die Bereitstellung von finanziellen und personellen<br />

Ressourcen. Inklusion muss von Anfang<br />

an in der Lehramtsausbildung integraler Bestandteil<br />

sein und es braucht ausreichend Weiterbildung<br />

zum Umgang mit Heterogenität im Klassenverband.<br />

Zu den Rahmenbedingungen gehören:<br />

→ Multiprofessionelle Teams einschließlich einer<br />

ausreichenden Anzahl an Inklusionserzieher:innen,<br />

Schulbegleiter:innen und Schulgesundheitskräften 11 ,<br />

um den erhöhten Aufwand an Betreuung und Versorgung<br />

sowie medikamentöse Therapien und Notfälle<br />

zu meistern. Die medizinische und pflegerische<br />

Versorgung und Betreuung von chronisch kranken,<br />

pflegebedürftigen und betreuungsintensiven Kindern<br />

ist auch in Kita und Schule sicherzu-stellen.<br />

→ Länderübergreifend vereinheitlichte Regularien<br />

für den Nachteilsausgleich in Schulen und<br />

Ausbildungsstätten z.B. durch das Einbinden von<br />

Theorie und Praxis des Nachteilsausgleichs in die<br />

Aus- und Fortbildung von Lehrkräften. Hierfür ist<br />

die Einrichtung einer bundesweiten Fachstelle<br />

sinnvoll, an die sich Schulen und Ausbildungsstellen<br />

sowie Eltern gleichermaßen wenden können.<br />

→ Umsetzung eines digitalen Wissensmanagements.<br />

Das Wissen rund um die Förderung bei<br />

bestimmten Herausforderungen bezüglich der Inklusion<br />

von Kindern mit gesundheitlichen oder<br />

behinderungsbedingten Bedarfen sollte frei zugänglich<br />

für pädagogisches Fachpersonal auf einer<br />

digitalen Plattform geteilt werden. Auch sollte die<br />

Möglichkeit des Austauschs geboten werden. Beispiel:<br />

„Wie fördere ich ein Kind mit Glasknochenkrankheit<br />

am besten? Welche Hilfen gibt es? Wie<br />

können Fehlzeiten flexibel und individuell angepasst<br />

werden? Worauf ist im Kindergarten- oder<br />

Schulalltag zu achten?“ Dadurch würde das pädagogische<br />

Personal entsprechend der realen Bedarfslagen<br />

geschult und handlungsfähig.<br />

→ einen festen Betreuungsplatz für jedes Kind<br />

mit Behinderung, chronischer Erkrankung und<br />

Pflegebedarf, wenn Kindergarten, Schule und Hort<br />

nicht verlässlich die Tagesbetreuung übernehmen<br />

können.<br />

→ ein gleichwertiges und alle Schulformen umfassendes<br />

Angebot an digitalen Schulen neben<br />

der Präsenzschule. Dieses digitale Angebot sollte<br />

Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen,<br />

die aufgrund einer chronischen Erkrankung oder<br />

Behinderung nicht (regelmäßig) am Präsenzunterricht<br />

teilnehmen können, gleichwertige Abschlüsse<br />

und die Vorbereitung darauf ermöglichen und im<br />

besten Fall mit den Präsenzschulen kooperieren. 12


52<br />

Aus Politik & Gesellschaft<br />

→ die Möglichkeit modularer Abschlussprüfungen.<br />

Schüler:innen mit Lernschwierigkeiten und dem<br />

Förderschwerpunkt geistige Entwicklung hätten<br />

dadurch einen Nachweis, dass die Leistungen in<br />

Teilbereichen erbracht wurden. Dies würde dann<br />

wieder Türen für Ausbildungsstätten und den ersten<br />

Arbeitsmarkt eröffnen.<br />

→ eine Fachberatungsstruktur zum Themenfeld<br />

„Unterstützte Kommunikation“. Kommunikation<br />

ist ein Grundbedürfnis des Menschen und vielfach<br />

eine Voraussetzung für gelingende Teilhabe. Daher<br />

muss es Ziel jeder Kita und Schule sein, Kindern<br />

und Jugendlichen, die nicht verbal kommunizieren<br />

können, eine entsprechende Förderung<br />

zukommen zu lassen. Unterstütze Kommunikation<br />

muss allerdings angebahnt und begleitet werden.<br />

Die Bildungs- und Betreuungseinrichtungen können<br />

mit dieser Aufgabe nicht alleingelassen werden,<br />

daher ist ihnen eine Fachstelle mit entsprechender<br />

Expertise zur Seite zu stellen.<br />

10<br />

Deutscher Behindertenrat - Parallelbericht zur Umsetzung der UN-<br />

Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) 2023 (deutscher-behindertenrat.de)<br />

11<br />

Gerade aufgrund des Fachkräftemangels in der Pflege wird es zunehmend<br />

schwieriger, Pflegedienste mit freien Kapazitäten für einzelne<br />

Maßnahmen der Behandlungspflege zu finden. Eine Schulgesundheitsfachkraft<br />

käme allen Kindern zu Gute.<br />

12<br />

Es gibt bereits digitale Schulen, aber z.B. im Abitur muss in allen (!)<br />

Fächern eine Prüfungsleistung nachgewiesen werden.<br />

Handlungsfeld 5<br />

Beratung und Begleitung familienorientiert ausrichten,<br />

mehr Lotsen bereitstellen und die Selbstvertretung<br />

stärken<br />

Eltern von Kindern und Jugendlichen mit hohem<br />

Versorgungsbedarf sind häufig durch die vielen<br />

unübersichtlichen Vorschriften und Bestimmungen<br />

überfordert und scheitern an bürokratischen<br />

Hürden, ihre Rechte und Ansprüche zu erfahren<br />

und durchzusetzen. „Man sollte keine SGB-Experte<br />

sein müssen!“ So oder ähnlich melden es Eltern aus<br />

der Selbsthilfe zurück. Meist wissen sie erst nach<br />

Jahren, dass es für alle Anliegen rund um ein Kind<br />

mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen<br />

jeweils unterschiedliche Ansprechpartner gibt.<br />

Man geht zum SPZ, wenn es um Fragen zu Therapie<br />

und medizinischer Versorgung geht. Bei Fragen<br />

zur Entwicklung geht man zur Frühförderung. Bei<br />

Fragen zu Pflegeleistungen geht man zum Pflegestützpunkt<br />

(und hat Glück, wenn sich dort jemand<br />

mit den besonderen Lebenslagen von Kindern auskennt).<br />

Hat man Fragen zur Teilhabe, geht man<br />

zur Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung<br />

(EUTB). Eigentlich muss man schon vorher wissen,<br />

wo die eigene Frage sozialrechtlich einsortiert werden<br />

muss, damit man die richtige Stelle findet. Das<br />

ist umso anstrengender, je mehr Sozialrechtsbereiche<br />

bei einem Kind eine Rolle spielen. Aber eine<br />

ganz allgemeine Beratung, die versucht alles thematisch<br />

abzudecken, hilft meist nicht weiter. Beratung<br />

muss familienorientiert und spezifisch genug<br />

sein, damit sie hilft. Ansonsten ist es nur ein frustrierender<br />

Weg mehr für die Familie.


Aus Politik & Gesellschaft<br />

53<br />

Deshalb fordern wir<br />

→ fest verankerte Lotsen, die betroffene Familien<br />

in den Jahren nach der Diagnosestellung durch<br />

den Dschungel der Systeme ganzheitlich und familienorientiert<br />

führen. Sie kennen sich mit speziellen<br />

Krankheitsbildern und Versorgungsstrukturen<br />

aus und können bei der Inanspruchnahme von<br />

Unterstützungsleistungen aller sozialrechtlichen<br />

Sektoren unterstützen. Bei Familien mit Migrationshintergrund<br />

sind hierzu zusätzlich Sprachmittler<br />

erforderlich, die auch ein besseres Verständnis<br />

für die kulturell unterschiedlichen Sichtweisen der<br />

Betroffenen ermöglichen.<br />

→ die finanzielle Absicherung von bereits bestehenden<br />

erfolgreichen Lotsenmodellen durch<br />

deren Überführung in die Regelversorgung und Bekanntmachung.<br />

→ ein überregionales und moderiertes Inklusions-<br />

und Versorgungsnetzwerk, welches (gerade<br />

auch im ländlichen Raum) die vielen unterschiedlichen<br />

Akteure einer Versorgungsregion unter Einbeziehung<br />

der Elternselbsthilfe miteinander vernetzt.<br />

Die Netzwerkstrukturen dienen zum einen der<br />

Qualitätssicherung der Versorgung und der Unterstützung<br />

der Teilhabe von Kindern, Jugendlichen<br />

und jungen Erwachsenen mit Behinderungen und<br />

chronischen Erkrankungen, zum anderen aber auch<br />

der partizipativen Beteiligung der Selbsthilfe.<br />

→ die Bereitstellung einer niedrigschwelligen,<br />

aber spezifischen Beratung für Eltern chronisch<br />

kranker und behinderter Kinder, Jugendlicher und<br />

junger Erwachsener. Neben Informationen und Beratung<br />

zu den unterschiedlichen Versorgungsstrukturen<br />

können psychosoziale Gespräche zur Entlastung<br />

der Eltern und Angehörigen führen (z.B. zur<br />

Verarbeitung einer Diagnose), damit sie ihr Kind<br />

im weiteren Verlauf der Erkrankung gut begleiten<br />

können. Die Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung<br />

(EUTB) ist ein sehr guter Ansatz: niedrigschwellig,<br />

Peer-Beratung und auf der Seite der<br />

Ratsuchenden positioniert. Hier sollte es aber auf<br />

die jeweilige Lebensphase Kindheit, Jugend und<br />

den Übergang ins Erwachsenenalter spezialiserte<br />

Stellen geben, die auch mit den entsprechenden<br />

regionalen gesundheitsbezogenen Versorgungsstrukturen<br />

vernetzt sind.<br />

→ eine spezielle Beratung für Kinder und Jugendliche<br />

und junge Erwachsene mit Behinderung, am<br />

besten mit einer angebundenen Peerberatung,<br />

also jungen Menschen mit Behinderung, die in die<br />

Beratung anderer junger Menschen einbezogen<br />

werden.<br />

Handlungsfeld 6<br />

Ausbildung und Arbeitswelt inklusiv gestalten<br />

Jungen Menschen mit chronischen Erkrankungen<br />

oder Behinderungen wird der Einstieg in den ersten<br />

Arbeitsmarkt oft verwehrt, indem beispielsweise<br />

die Arbeit in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung<br />

als einzige Option vorgeschlagen wird.<br />

Individuelle Stärken und Interessen werden dabei<br />

selten berücksichtigt. Da die Werkstätten außerhalb


54<br />

Aus Politik & Gesellschaft<br />

des regulären Arbeitsmarkts betrieben werden, gelten<br />

ihre Beschäftigten nicht als Arbeitnehmer:innen<br />

und haben somit keine Arbeitnehmer:innenrechte<br />

und auch keinen Anspruch auf den Mindestlohn.<br />

In Deutschland betrifft das 320.000 Menschen mit<br />

Behinderung 13 . Im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention<br />

fordern wir eine Öffnung des ersten Arbeitsmarktes,<br />

Hilfestellungen für junge Menschen<br />

mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen<br />

für einen guten Einstieg ins Berufsleben und eine<br />

höhere Wertschätzung der Arbeitnehmer:innen in<br />

Werkstätten für Menschen mit Behinderungen.<br />

Deshalb fordern wir<br />

→ den Ausbau einer spezifischen Berufsberatung<br />

für junge Menschen mit chronischen Erkrankungen<br />

und Behinderungen, die an ihren individuellen<br />

Stärken und Interessen ausgerichtet ist.<br />

→ die Möglichkeiten für modulare und theoriereduzierte<br />

Abschlussprüfungen für die Berufsausbildung.<br />

Dies würde es jungen Menschen mit<br />

Lernschwierigkeiten ermöglichen, ebenfalls einen<br />

Nachweis für eine Teilleistung zu erwerben, mit der<br />

sich Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt eröffnen<br />

können. 14<br />

→ die Einführung von Arbeitnehmer:innenrechten<br />

in Werkstätten für Menschen mit Behinderung<br />

sowie eine faire Bezahlung in Anlehnung an den<br />

gesetzlichen Mindestlohn. Wer in Werkstätten arbeitet,<br />

soll einen Lohn bekommen statt Grundsicherung<br />

(„Basis-Geld”- gute Leistung, gutes Geld.) 15<br />

→ eine bessere Unterstützung zur Teilhabe am<br />

ersten Arbeitsmarkt, damit das Recht von Menschen<br />

mit Behinderung auf eine selbstbestimmte<br />

Arbeit, von der sie leben können, umgesetzt werden<br />

kann. Hierfür braucht es weitere Anreize für<br />

Unternehmen, Menschen mit Behinderung einzustellen,<br />

und die entsprechende Weiterbildung der<br />

Mitarbeitenden in Arbeitsämtern, um bessere Unterstützung<br />

auch für Menschen mit Behinderungen<br />

zu gewährleisten.<br />

13<br />

https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/behinderten<br />

werkstaetten-lohndumping.<br />

14<br />

Aus dem ThinkTank „Inklusives Kinder- und Jugendhilfegesetz aus<br />

Perspektive der Selbsthilfe“ (#1)<br />

15<br />

https://www.xn--werkstattrte-deutschland-zbc.de/sites/default/files<br />

/download-dokumente/basisgeldposition-juni-2019_0.pdf<br />

Handlungsfeld 7<br />

Kinderrechte stärken<br />

„Immer noch werden Gesetze verabschiedet, die<br />

der UN-BRK widersprechen“, bemängelt Prof. Dr.<br />

Sigrid Arnade, Vorsitzende des Sprecher:innenrats<br />

des Deutschen Behindertenrats (DBR). Als Beispiel<br />

nennt sie das Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz,<br />

das mit seiner zugehörigen<br />

Richtlinie das Menschenrecht auf freie Wahl von


Aus Politik & Gesellschaft<br />

55<br />

Wohnort und Wohnform konterkariere und dazu<br />

geeignet sei, die betroffenen Menschen gegen ihren<br />

Willen in Heime zu zwingen. 16 Gerade das GKV-<br />

IPReG und dessen nachfolgende Richtlinien zeigen,<br />

dass die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen<br />

in der Politik einen besonderen Fokus brauchen,<br />

damit deren Rechte im Sinne der UN-Kinderrechtskonvention<br />

berücksichtigt werden. Dies trifft im besonderen<br />

Maße auf Kinder, Jugendliche und junge<br />

Erwachsene mit chronischen Erkrankungen und<br />

Behinderungen zu.<br />

→ dass Kinder und Jugendliche vor den Folgen<br />

der Klimakrise geschützt werden (Hitze inkl. UV-<br />

Strahlung, chron. Umweltbelastung, Ernährungsdefizite<br />

etc. Die Folgen der Klimakrise werden immer<br />

häufiger sichtbar: Unwetter mit Starkregen<br />

und Überschwemmungen, Waldbrände, Hitzetote.<br />

Kinder und Jugendliche leiden besonders unter<br />

diesen sich ändernden Lebensbedingungen. Auch<br />

der Katastrophenschutz muss daher die besondere<br />

Lage von jungen Menschen mit Behinderungen im<br />

Blick haben (siehe Überflutung im Ahrtal ). 20<br />

Deshalb fordern wir<br />

→ das Verankern der Kinderrechte im Grundgesetz<br />

und die vollständige Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention<br />

hin zu einer bestmöglichen<br />

(und nicht nur ausreichenden) gesundheitlichen<br />

Versorgung von Kindern, Jugendlichen und jungen<br />

Erwachsenen mit chronischen Erkrankungen und<br />

Behinderungen, insbesondere, wenn sie in Armut<br />

oder mit Migrationshintergrund leben. 17 Jedes Kind<br />

hat das Recht bei höchstmöglicher Gesundheit in<br />

der Familie aufzuwachsen. 18<br />

→ die Einsetzung einer/s Kinderbeauftragten in<br />

der Bundesregierung. Ein(e) Kinderbeauftragte(r)<br />

der Bundesregierung soll die vielen Gesetzesvorhaben<br />

im Interesse der Kinder in den Blick nehmen<br />

und kindlichen Bedürfnissen in der Politik mehr<br />

Gewicht zukommen lassen.<br />

→ die Implementierung von Kinder- und Jugendbeauftragten<br />

als Interessenvertretung für weitere<br />

wichtige Gremien, z.B. im Gemeinsamen Bundesausschuss<br />

(G-BA), damit dort eine stärkere Berücksichtigung<br />

kinder- und jugendspezifischer Belange<br />

bei der Nutzenbewertung erfolgt. Die Lebensphase<br />

Kindheit und Jugend muss in allen politischen Entscheidungen<br />

berücksichtigt werden, wenn diese das<br />

Leben von Kindern und Jugendlichen betreffen. 19<br />

16<br />

Deutscher Behindertenrat - Parallelbericht zur Umsetzung der UN-<br />

Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) 2023 (deutscher-behindertenrat.de)<br />

17<br />

Die UNICEF hat die ausführliche Version der 54 Artikel der Kinderrechts-Konvention<br />

mit ihren drei Zusatzprotokollen in zehn Punkten zusammengefasst.<br />

Einige davon behandeln spezielle Gesundheitsaspekte.<br />

Alle Kinder haben demnach das Recht auf Gesundheit, Freizeit, Spiel<br />

und Erholung, Bildung und Ausbildung, eine Familie, elterliche Fürsorge<br />

und ein sicheres Zuhause, Betreuung bei Behinderung, sich zu informieren,<br />

sich mitzuteilen, gehört zu warden, zu versammeln.<br />

18<br />

Gem. 3 Artikel 23, Abs. 3 UN-BRK: Die Vertragsstaaten gewährleisten,<br />

dass Kinder mit Behinderungen gleiche Rechte in Bezug auf das Familienleben<br />

haben. Zur Verwirklichung dieser Rechte und mit dem Ziel,<br />

das Verbergen, das Aussetzen, die Vernachlässigung und die Absonderung<br />

von Kindern mit Behinderungen zu verhindern, verpflichten sich<br />

die Vertragsstaaten, Kindern mit Behinderungen und ihren Familien<br />

frühzeitig umfassende Informationen, Dienste und Unterstützung zur<br />

Verfügung zu stellen.<br />

19<br />

In der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Art. 24, Abs.<br />

2) wurde bereits im Jahr 2000 von Deutschland unterzeichnet, dass<br />

„bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen öffentlicher und privater<br />

Einrichtung das Wohl des Kindes eine vorrangige Erwägung sein muss“.<br />

20<br />

https://www.focus.de/politik/deutschland/ahrtal-12-menschen-star<br />

ben-weil-das-land-keine-zweite-nachtwache-zahlte_id_167021130.<br />

html


56<br />

Aus Politik & Gesellschaft<br />

Handlungsfeld 8:<br />

gesundheits- und teilhabebezogenen Forschungsprojekten<br />

zum Personenkreis chronisch kranker<br />

und behinderter Kinder, Jugendlicher und junger<br />

Erwachsener. Auch müssen die Folgen der Klimakrise<br />

in die gesundheitsbezogene Forschung zur<br />

Entwicklung geeigneter Maßnahmen einbezogen<br />

werden. Kinderund Jugendschutzaspekte sind dabei<br />

immer zu berücksichtigen.<br />

Datenlage erweitern, Forschung stärken<br />

Die Datenlage zu Themen der Kinder- und Jugendgesundheit<br />

und Teilhabe von Kindern, Jugendlichen<br />

und jungen Erwachsenen mit chronischen<br />

Erkrankungen und Behinderungen ist dürftig und<br />

reicht oftmals nicht aus, um daraus politische und<br />

gesellschaftliche Handlungsschritte abzuleiten. So<br />

gibt es in Deutschland beispielsweise keine ausreichenden<br />

Forschungsaktivitäten zur Kinder- und<br />

Jugendgesundheit, obwohl in Kindheit und Jugend<br />

viele, auch seltene Erkrankungen auftreten. Auch<br />

zu Fragen der Teilhabe und Exklusionsgründe von<br />

Kindern und Jugendlichen mit chronischen Erkrankungen<br />

und Behinderungen gibt es nur relativ<br />

wenige Erkenntnisse. Dies muss sich ändern und<br />

dafür braucht es eine staatliche Förderung von<br />

Deshalb fordern wir<br />

→ eine staatliche Förderung von gesundheitsund<br />

teilhabebezogenen Forschungsprojekten zum<br />

Personenkreis chronisch kranker und behinderter<br />

Kinder, Jugendlicher und junger Erwachsener.<br />

→ staatlich finanzierte Forschungsstrukturen,<br />

die bestehende medizinische Zentren vernetzen,<br />

alle relevanten Erkenntnisse und Informationen<br />

bündeln und die Forschung in Hinsicht auf Qualitäts-<br />

und Ausbildungsstandards in der Medizin für<br />

Kinder und Jugendliche sicherstellen.<br />

→ eine Verbesserung der gesetzlichen Rahmenbedingungen,<br />

damit Arzneimittelhersteller Kinderarzneimittel<br />

besser mit eigenen Studien entwickeln<br />

können und diese Medikamente ausreichend lieferbar<br />

sind.<br />

Handlungsfeld 9:<br />

Deutschland muss barrierefrei werden<br />

Gerade in öffentlichen Verkehrsmitteln wird Menschen<br />

mit Beeinträchtigungen eine selbstständige<br />

Lebensführung und soziale Teilhabe erschwert. Es<br />

fehlt an inklusiven Verkehrsangeboten, wodurch<br />

Menschen mit Beeinträchtigungen - wenn überhaupt<br />

- nur mit einer langen Planung verreisen können<br />

Damit alle Menschen sich in ihrem Alltag frei


Aus Politik & Gesellschaft<br />

57<br />

bewegen und entfalten können, ist Barrierefreiheit<br />

eine Grundbedingung, die im Übrigen allen Menschen<br />

zugutekommt.<br />

Deshalb fordern wir<br />

→ einen Ausbau der Barrierefreiheit im ÖPNV.<br />

Es braucht mehr inklusive Verkehrsangebote, die<br />

es Menschen mit Beeinträchtigungen ermöglichen,<br />

auch spontan zu verreisen. Dazu zählt der<br />

Ausbau an Fernverkehr-, Regionalverkehr- und<br />

ÖPNV- Haltestellen ebenso wie mehr barrierefreie<br />

uhrzeitunabhängige Toiletten an Bahnhöfen und in<br />

Zügen. Die Angebote von Transportdienstleistern<br />

in Deutschland (z. B. Deutsche Bahn und viele andere)<br />

müssen so ausgestaltet sein, dass Menschen<br />

mit Behinderungen rund um die Uhr (24/7) reisen<br />

und ihre Tickets online buchen können, wie alle anderen<br />

Bürger auch.<br />

→ den weiteren barrierefreien Ausbau von öffentlichen<br />

Gebäuden, Diensten und Einrichtungen,<br />

insbesondere von Arztpraxen, Kindergärten<br />

und Schulen.<br />

→ die Einbeziehung von Menschen mit Behinderung<br />

in die Gestaltungsprozesse von stadtplanerischen<br />

Maßnahmen öffentlicher Flächen und<br />

Einrichtungen, insbesondere von Parkanlagen, barrierefreien<br />

Spielplätzen und bei der Umgestaltung<br />

von öffentlichen Verkehrsmitteln.<br />

→ die finanzielle Förderung von bereits bestehenden<br />

inklusiven Freizeitangeboten, um einen<br />

Anreiz zu schaffen, diese weiter auszubauen oder<br />

neue Angebote zu gestalten. Insbesondere braucht<br />

es auch hier geschultes Personal, um alle Menschen<br />

mit Behinderung miteinbeziehen zu können.<br />

Handlungsfeld 10:<br />

Die Transition strukturell und finanziell regeln<br />

Mit Erreichen der Volljährigkeit sind junge Menschen<br />

für ihr Handeln und ihr Leben selbst verantwortlich.<br />

Je nachdem, welche Versorgungserfordernisse die<br />

Krankheit oder Behinderung mit sich bringen, gibt<br />

es eine ganze Reihe von Dingen zu regeln. So erfolgt<br />

der Übergang von der Kinder- und Jugendmedizin<br />

zur Erwachsenenmedizin und meist auch die<br />

Anbindung an die Behörden, die für die Leistungen<br />

der Teilhabe zuständig sind. Da alle Veränderungen<br />

und rechtlichen Ansprüche sehr vom individuellen<br />

Fall abhängig sind und. damit gerade die ärztliche<br />

Versorgung nicht abbricht, sollte der Übergangsprozess<br />

(Transition) rechtzeitig begonnen und begleitet<br />

werden. Bisher werden junge Menschen mit<br />

einer chronischen oder seltenen Erkrankung oder<br />

Behinderung beim Übergang ins Erwachsenenleben<br />

ungenügend unterstützt.


58<br />

Aus Politik & Gesellschaft<br />

Deshalb fordern wir<br />

→ einen Rechtsanspruch für alle betroffenen Jugendlichen<br />

auf Teilnahme an einem bundesweit<br />

strukturierten Transitionsprogramm sowie dessen<br />

Finanzierung. Dieses sollte jungen Erwachsenen<br />

innerhalb einer flexiblen Altersgrenze (16 bis mindestens<br />

27 Jahre) für die Transitionsprozesse begleitend<br />

zur Seite stehen. Neben der medizinischen<br />

Transition (ärztliche Versorgung) soll auch die soziale<br />

Transition (Teilhabe und Pflege, Berufsausbildung<br />

und Einstieg ins Berufsleben) begleitet werden.<br />

→ mehr Informationen, Beratungen und Hilfen<br />

beim Erwachsenwerden, welche flächendeckend<br />

finanziert werden.<br />

Bleiben Sie informiert:<br />

Das Kindernetzwerk ist der Dachverband der Selbsthilfe<br />

von Familien mit Kindern und Jugendlichen mit<br />

chronischen Erkrankungen und Behinderungen.<br />

Wir informieren rund um den Versorgungsalltag<br />

der Selbsthilfe mit aktuellen Nachrichten. Für unsere<br />

rund 250 Mitgliedsorganisationen / Institutionen<br />

und 650 Einzelmitglieder sowie 220 Kliniken und<br />

Einrichtungen bieten wir ein starkes Netz, teilen<br />

Informationen, Nachrichten und Termine, bereiten<br />

wichtige Themen auf und stellen sie zur Diskussion.<br />

Sie finden uns unter<br />

www.kindernetzwerk.de<br />

Facebook: kindernetzwerkev<br />

https://www.facebook.com/kindernetzwerkev<br />

Twitter: kindernetzwerk1<br />

https://twitter.com/Kindernetzwerk1<br />

Instagram: kindernetzwerk_ev<br />

https://www.instagram.com/kindernetzwerk_ev<br />

YouTube: Kindernetzwerk<br />

https://www.youtube.com/channel/UC3IS2JT<br />

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60<br />

Aus Politik & Gesellschaft<br />

Unser politischer Einsatz<br />

für unsere Mitglieder<br />

Umsetzungsprobleme geben Anlass zur Sorge<br />

Außerklinische Intensivpflege<br />

Von Benita Eisenhardt<br />

Das Kindernetzwerk fordert gemeinsam mit rund<br />

20 anderen Verbänden umgehend Nachbesserungen<br />

am GKV-IPReG: Mit unserem veröffentlichten<br />

Positionspapier machen wir auf Probleme<br />

bei der Umsetzung des Intensivpflege- und<br />

Rehabilitationsstärkungsgesetzes (GKV-IPReG)<br />

aufmerksam und fordern den Gesetzgeber zu<br />

Nachbesserungen auf. Wir fordern, die vorgeschlagenen<br />

Gesetzesänderungen umgehend umzusetzen,<br />

um die Versorgung von Menschen mit<br />

Bedarf an AKI sicherzustellen.<br />

Das sehr umstrittene GKV-IPReG ist bereits 2020<br />

in Kraft getreten. Ab dem 31. Oktober 2023<br />

entfaltet es jedoch erst seine volle Wirkung:<br />

Ab diesem Zeitpunkt entfällt der Anspruch auf<br />

häusliche Krankenpflege für die betroffenen Versicherten<br />

endgültig und sie haben dann nur noch<br />

einen Anspruch auf außerklinische Intensivpflege<br />

(AKI). Bereits heute zeigt sich, dass das Gesetz zu<br />

Rechtsunklarheit sowie zu Fehlentwicklungen,<br />

Leistungsverschiebungen und Versorgungsproblemen<br />

führt. Unter anderem verkleinert sich der<br />

bislang leistungsberechtigte Personenkreis und<br />

die rechtssichere Verordnung von AKI wird durch<br />

unklare Voraussetzungen gefährdet. Auch ist die<br />

Leistungserbringung von AKI im Rahmen eines<br />

Persönlichen Budgets künftig nicht mehr gewährleistet.<br />

Die Änderungen der Außerklinischen<br />

Intensivpflege-Richtlinie, die am 15. September<br />

2023 in Kraft getreten sind, lösen diese Probleme<br />

nicht und führen teilweise zu neuer Rechtsunklarheit.<br />

Deshalb ist jetzt der Gesetzgeber gefragt.<br />

Mit ihrem gemeinsamen Positionspapier<br />

fordern die Verbände daher, die vorgeschlagenen<br />

Gesetzesänderungen umgehend umzusetzen,<br />

um die Versorgung von Menschen mit Bedarf an<br />

AKI sicherzustellen.<br />

Weiterführende Informationen:<br />

Positionspapier der Verbände<br />

vom 19. September 2023<br />

Pressemitteilung als pdf...<br />

Ansprechpartner:innen:<br />

Katja Kruse, Bundesverband für körper- und<br />

mehrfachbehinderte Menschen e.V. (bvkm);<br />

Henriette Cartolano, Intensivkinder zuhause e.V.;<br />

Thomas Koritz, Interessenvertretung Selbstbestimmt<br />

Leben in Deutschland e.V. (ISL);<br />

Markus Behrendt, IntensivLeben – Verein für beatmete<br />

und intensivpflichtige Kinder und Jugendliche<br />

e.V


Aus Politik & Gesellschaft<br />

61<br />

Neues zum ThinkTank Inklusive Lösung?<br />

Bitte hier lang…<br />

Um das wertvolle Wissen der Familien chronisch<br />

kranker und behinderter Kinder und Jugendlicher<br />

in den Gesetzesreform-Prozess einzubringen, setzt<br />

das Kindernetzwerk als Selbsthilfe-Dachverband<br />

das Projekt „ThinkTank: Inklusives Kinder- und Jugendhilfegesetz<br />

aus Perspektive der Selbsthilfe“<br />

um. Im ThinkTank, einem virtuellen Forum, können<br />

sich die Selbsthilfeorganisationen dazu austauschen,<br />

was aus ihrer Sicht bei der Gesetzesreform<br />

unbedingt beachtet werden muss, damit Kinder<br />

mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen<br />

künftig bestmöglich am gesellschaftlichen<br />

Leben teilhaben können. Die Selbsthilfestrukturen<br />

erhalten alle wesentlichen Informationen zum Thema<br />

und können eine Haltung dazu finden, was die<br />

vorgeschlagenen Änderungen an den gesetzlichen<br />

Regelungen ganz konkret für die Kinder, Jugendlichen<br />

und ihre Familien bedeuten.<br />

Hier unten (und immer auf unseren social media<br />

Kanälen) finden Sie die Ergebnisse der letzten Runden.<br />

Ein langer Bericht folgt im nächsten <strong>Journal</strong>.<br />

https://www.kindernetzwerk.de/de/agenda/Po<br />

litikportal/2023/Kinder--und-Jugendhilfegesetz-<br />

Thinktank.php<br />

Sachlage: Das GKV-IPReG<br />

Darstellung der neuen AKI-Regelungen aus Perspektive des <strong>knw</strong><br />

Von Benita Eisenhardt<br />

AKI – das bedeutet Außerklinische Intensivpflege.<br />

Diese benötigen Menschen dann, wenn der<br />

Gesundheitszustand aufgrund einer chronischen<br />

Erkrankung oder Behinderung rund um die Uhr<br />

beobachtet werden muss, damit im Falle von<br />

unvorhersehbar eintretenden lebensbedrohlichen<br />

Zwischenfällen jederzeit ein rettender Eingriff<br />

durch eine geschulte Pflegeperson möglich ist.<br />

Diese Leistung war vorher als spezielle Krankenbeobachtung<br />

Bestandteil in der „Häuslichen Krankenpflege<br />

Richtlinie“ nach § 37 SGB V. Jetzt greifen<br />

allerdings die gesetzlichen Änderungen, die durch<br />

das GKV-IPReG, also das Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz,<br />

am 23. Oktober 2020<br />

vom Bundestag beschlossen wurden.<br />

Das Gesetz ist damals trotz vieler Proteste und<br />

fachlicher Einwände verabschiedet worden und<br />

beinhaltet ein schrittweises Inkrafttreten der neuen<br />

Regelungen. Betroffen von dem Gesetz sind<br />

etwa 22.500 Menschen mit einem besonders hohen<br />

Bedarf an medizinischer Behandlungspflege. 21<br />

Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene machen<br />

nur einen kleinen Anteil der Betroffenen aus. Genaue<br />

Zahlen gibt es bisher nicht. Die Mehrheit der


62<br />

Aus Politik & Gesellschaft<br />

gesamten Patient:innengruppe ist beatmete oder<br />

trachealkanüliert. Bei Kindern, Jugendlichen und<br />

jungen Erwachsenen gibt es jedoch eine Patientengruppe<br />

mit anderen heterogenen Funktionsbeeinträchtigungen,<br />

bei denen es ebenfalls mit hoher<br />

Wahrscheinlichkeit täglich zu lebensbedrohlichen<br />

Situationen kommen kann (z.B. therapieresistente<br />

Epilepsien mit hoher Krampfanfall-Frequenz).<br />

Aus Perspektive des <strong>knw</strong> sind die Belange der Kinder,<br />

Jugendlichen und jungen Erwachsenen und der<br />

Pädiatrie nicht ausreichend berücksichtigt. So wurde<br />

keine eigene Richtlinie für Kinder und Jugendliche<br />

erstellt, obwohl deren besondere Berücksichtigung<br />

durch den Gesetzgeber vorgesehen war.<br />

Daher passen die Vorgaben nicht zu den Bedarfslagen<br />

junger intensivpflegebedürftiger Menschen.<br />

Statt zu einer Verbesserung der Versorgung, wie es<br />

das GKV-IPReG vorgesehen hatte, könnte es nun für<br />

die jungen Menschen zu einer dramatischen Verschlechterung<br />

der Versorgung kommen.<br />

21<br />

Laut Gesetzentwurf der Bundesregierung zum GKV-IPReG vom<br />

Personenkreis die Außerklinische Intensivpflege in<br />

Frage kommt (§ 4 AKI-RL), welche Ärzt:innen die<br />

Leistung verordnen dürfen (§ 9 AKI-RL) und welche<br />

Ärzt:innen zur sogenannten Potenzialerhebung befugt<br />

sind (§ 8 AKI-RL).<br />

→ Die Rahmenempfehlungen nach § 132l SGB V<br />

zur Versorgung mit außerklinischer Intensivpflege<br />

(im Folgenden: AKI-RE): 24 Die Rahmenempfehlungen<br />

sind seit 1. Juli 2023 in Kraft. Sie regeln die Qualifikation<br />

der Pflegefachkräfte und die Grundsätze<br />

für die Bemessung des Personalschlüssels.<br />

→ Die Begutachtungsanleitung des Medizinischen<br />

Dienstes zur außerklinischen Intensivpflege (BGA-<br />

AKI): 25 Sie wurde am 2.Juni 2023 vom Medizinischen<br />

Dienst (MD) verabschiedet und regelt die<br />

Umsetzung der verpflichtenden Begutachtung, die<br />

bei jeder AKI-Versorgung ansteht. Geregelt werden<br />

die Kriterien, Maßstäbe sowie Arbeits- und Bewertungsschritte<br />

für die Begutachtung, damit die Anspruchsvoraussetzungen<br />

für eine ambulante Intensivpflege<br />

geprüft werden können.<br />

20.05.2020, BT-Drs. 19/19368, S. 21, verzeichneten die GKV-Statistiken<br />

für das Jahr 2018 ca. 19.100 Leistungsfälle in der ambulanten und ca.<br />

3.400 Leistungsfälle in der stationären Intensivpflege.<br />

Untergesetzliche Vorgaben, die bestimmend für<br />

die AKI sind<br />

Für die Umsetzung der ambulanten Intensivpflege<br />

(AKI) hat der Gesetzgeber Regelungen auf untergesetzlicher<br />

Ebene vorgesehen. Dazu gehören insbesondere:<br />

→ Die Außerklinische Intensivpflege-Richtlinie<br />

(AKI-RL): 22 Auch die AKI-RL wurde trotz berechtigter<br />

Zweifel verabschiedet. Sie ist seit dem 18.<br />

März 2022 in Kraft, aufgrund einer Übergangregelung<br />

aber erst zum 31. Oktober 2023 endgültig<br />

wirksam. 23 Die AKI-RL regelt u.a. für welchen<br />

Probleme<br />

Das GKV-IPReG wird erst nach und nach wirksam<br />

und daher zeigen sich die praktischen Auswirkungen<br />

des Gesetzes ebenfalls erst nach und nach. Die<br />

volle Wirksamkeit entfaltet das GKV-IPReG erst ab<br />

dem 31. Oktober 2023. Zu diesem Zeitpunkt endet<br />

die Übergangsfrist und der Anspruch auf Häusliche<br />

Krankenpflege entfällt für AKI-Patient:innen.<br />

Verordnungen von außerklinischer Intensivpflege<br />

dürfen dann nur noch auf der Grundlage der neuen<br />

AKI-Richtlinie erfolgen. 26 Verbände der Behindertenhilfe<br />

und Selbsthilfe sehen folgende Probleme,<br />

dies sich bereits jetzt durch Rückmeldungen betroffener<br />

Patient:innen abzeichnen:


Aus Politik & Gesellschaft<br />

63<br />

Problem 1: Die Pflegefachkraftpflicht führt zur<br />

Einengung des Personenkreises<br />

Der Anspruch auf AKI hängt davon ab, dass die<br />

Versicherten auf die „ständige Anwesenheit einer<br />

geeigneten Pflegefachkraft“ angewiesen sind. 27<br />

Verordnet werden kann die Leistung danach für<br />

Versicherte, bei denen ”wegen Art, Schwere und<br />

Dauer der Erkrankung die ständige Anwesenheit<br />

einer geeigneten Pflegefachkraft zur individuellen<br />

Kontrolle und Einsatzbereitschaft notwendig ist,<br />

weil eine sofortige ärztliche oder pflegerische Intervention<br />

bei lebensbedrohlichen Situationen mit<br />

hoher Wahrscheinlichkeit täglich unvorhersehbar<br />

erforderlich ist.“<br />

Das GKV-IPReG hat vorgegeben, dass der anspruchsberechtigte<br />

Personenkreis weder ausgeweitet noch<br />

eingeengt werden soll. 28 Aber mit Ende der Übergangsregelung<br />

zur AKI-RL wird die Regelung in der<br />

HKP-RL, in der vormals die außerklinische Intensivpflege<br />

als spezielle Krankenbeobachtung geregelt<br />

war, zum 31. Oktober 2023 gestrichen. 29 Im Ergebnis<br />

bedeutet das: Wenn die AKI durch die Krankenkasse<br />

abgelehnt wird, gibt es für die Betroffenen<br />

keine Versorgungsmöglichkeit über die HKP-RL,<br />

die eine kontinuierliche Krankenbeobachtung zum<br />

Beispiel auch durch Assistenzkräfte zulässt. In der<br />

Folge werden die Qualifikationsvoraussetzungen<br />

in der AKI-RL zu einer Verengung des bislang leistungsberechtigten<br />

Personenkreises führen. 30 Da<br />

nicht alle Patient:innen eine Pflegefachkraft für die<br />

Krankenbeobachtung benötigen, ist von einer Leistungsverschiebung<br />

in die Eingliederungshilfe (SGB<br />

IX) und die Hilfe zur Pflege (SGB XII) auszugehen.<br />

Im Gegensatz zur AKI-Leistung sind diese für Eltern<br />

von minderjährigen Kindern mit Behinderung<br />

jedoch teils einkommens- und vermögensabhängig.<br />

Da krankheitsspezifische Überwachungs- und<br />

Interventionsbedarfe im Leistungsbereich der<br />

Krankenversicherung liegen und sich nicht dem<br />

Aufgabenbereich der Eingliederungshilfe oder<br />

Grundpflege zuordnen lassen, sind rechtliche Auseinandersetzungen<br />

vorprogrammiert.<br />

22<br />

Der Beschluss des G-BA zur AKI-RL vom 19.11.2021 wurde am<br />

17.03.2022 im BAnz AT veröffentlicht und ist abrufbar unter www.gba.de/beschluesse/5142/.<br />

23<br />

Zurzeit gilt immer noch Übergangsrecht: Aufgrund des G-BA-Beschlusses<br />

vom 20.10.2022 (abrufbar unter www.g-ba.de/beschluesse/<br />

5677/) sind AKI-Verordnungen in der Zeit vom 01.01.2023 bis 30.10.2023<br />

wahlweise entweder nach der AKI-RL oder nach der Richtlinie über die<br />

Verordnung von häuslicher Krankenpflege (HKP-RL) möglich.<br />

24<br />

Abrufbar sind die AKI-RE unter www.gkv-spitzenverband.de<br />

25<br />

Diese liegt zur Prüfung beim BMG und ist künftig Abrufbar unter<br />

www.md-bund.de<br />

26<br />

Am 20.07.2023 hat der G-BA den Antrag der Patientenvertretung<br />

auf eine weitere Verlängerung der Übergangsregelung abgelehnt (siehe<br />

dazu Seite 7 der Tragenden Gründe zum Beschluss des G-BA vom<br />

20.07.2023, abrufbar unter: www.g-ba.de/beschluesse/6100/).<br />

27<br />

Pflegefachkraftpflicht als Voraussetzung des Leistungsanspruchs auf<br />

AKI, siehe § 4 Absatz 1 AKI-RL<br />

28<br />

Vgl. Tragende Gründe zum Beschluss zu § 4 AKI-RL, 2.5 zu Abs. 1,<br />

abrufbar unter www.g-ba.de/beschluesse/5142.<br />

29<br />

Der diesbezügliche Beschluss des G-BA über eine Änderung der HKP-<br />

RL vom 19.11.2021 wurde am 25.03.2022 im BAnz AT veröffentlicht<br />

und ist abrufbar unter www.g-ba.de/beschluesse/5152/.<br />

30<br />

§ 37c Absatz 1 Satz 2 SGB V i.V.m. § 4 Absatz 1 AKI-RL<br />

Problem 2: Selbst beschaffte Kräfte / Persönliches<br />

Budget<br />

Durch die hohen Qualifikationsanforderungen und<br />

den gleichzeitig herrschenden Fachkräftemangel in<br />

der Pflege ist es zunehmend schwierig, eine Versorgung<br />

in der Familie oder der eigenen Häuslichkeit<br />

sicherzustellen. Bisherige Versorgungen, die über<br />

das Persönliche Budget laufen und in denen selbst<br />

geschulte Assistent:innen eingesetzt werden, sind<br />

allerdings im Rahmen der AKI-RL nicht mehr vorgesehen.<br />

Es gibt bereits die Rückmeldung, dass


64<br />

Aus Politik & Gesellschaft<br />

Krankenkassen diese Fälle per Definition nicht als<br />

AKI einstufen, da die Versorgung auch ohne eine<br />

Pflegefachkraft umgesetzt werden kann. Das Problem<br />

baden die Betroffenen aus, wenn sie keine<br />

Pflegefachkräfte finden, die langjährig pflegenden<br />

Assistenzkräfte aber nicht mehr finanziert werden.<br />

Da hilft der Kostenerstattungsanspruch in § 37c<br />

Absatz 4 Satz 1 SGB V für eine selbstbeschaffte Pflegefachkraft<br />

auch nicht weiter.<br />

Problem 3: Potenzialerhebung<br />

Das GKV-IPReG sieht bei beatmeten oder tracheotomierten<br />

Patient:innen verpflichtend die<br />

Erhebung des Potenzials für eine Beatmungsentwöhnung<br />

oder Dekanülierung mit nahezu jeder<br />

Verordnung vor (§ 37c Absatz 1 Satz 6 SGB V). Diese<br />

Potenzialerhebung darf nur von besonders qualifizierten<br />

Ärzt:innen vorgenommen werden (§ 8<br />

AKI-RL). Entsprechende Ärzt:innen sind aber in der<br />

erforderlichen Anzahl insbesondere für Kinder- und<br />

Jugendliche nicht vorhanden, wie in dem Bundesgesundheitsportal<br />

31 festzustellen ist.<br />

31<br />

Bundesgesundheitsportal: https://gesund.bund.de/suchen/aerztinnen-und-aerzte<br />

Um die vorgesehene ärztliche Versorgung der Versicherten<br />

sicherzustellen, wäre eine umfassende<br />

Beteiligung von Krankenhausärzt:innen erforderlich,<br />

die in der Regel bisher die medizinische Begleitung<br />

der jungen Patient:innen übernommen hatten.<br />

Angesichts der akuten Versorgungskrise in der<br />

Krankenhauslandschaft ist der erfolgreiche Aufbau<br />

dieser flächendeckenden Versorgungsstrukturen<br />

jedoch nicht passiert. Dies belegen die aktuellen<br />

Zahlen der im Gesundheitsportal des Bundes für<br />

die Potenzialerhebung gelisteten Fachärzt:innen<br />

für Kinder- und Jugendliche.<br />

Der G-BA hat deshalb eine Übergangsfrist für die<br />

Potenzialerhebung beschlossen. Bis zum 1.1.2024<br />

steht in der AKI-RL, also auf untergesetzlicher Ebene,<br />

ein „sollen“ statt eines „müssen“. Das heißt<br />

im rechtlichen Sinne, wenn es möglich ist, muss<br />

die Potenzialerhebung erfolgen. Eltern sollten daher<br />

ihre Bemühungen um einen Termin für eine<br />

Potenzialerhebung gut dokumentieren. Die vom<br />

G-BA vorgesehene Übergangsregelung der AKI-RL<br />

ist nicht geeignet, um die Versorgungssicherheit zu<br />

gewährleisten. Die dort beschriebenen Ausnahmen<br />

sind außerdem rechtlich im GKV-IPReG nicht abgesichert<br />

und führen demzufolge zu Problemen bei<br />

der Prüfung des Leistungsanspruchs durch den MD.<br />

Die Potenzialerhebung vor einer Verordnung ist für<br />

beatmete und trachealkanülierte Kinder daher weiterhin<br />

notwendig, da sonst keine Rechtssicherheit<br />

besteht.<br />

Problem 4: Verordnung und Versorgungssicherheit<br />

Die verordnenden Ärzt:innen tragen eine höhere<br />

Verantwortung als bisher, da sie für die Koordination<br />

der medizinischen Behandlung verantwortlich<br />

sind. Sie müssen einen umfassenden Behandlungsplan<br />

entwickeln und auch rechtzeitig das Verfahren<br />

zur Potenzialerhebung einleiten. Dafür müssen sie<br />

eng mit den hierfür zugelassenen Fachärzt:innen<br />

zusammenarbeiten. 32 Da die potenzialerhebenden<br />

erforderlichen Strukturen jedoch nicht verfügbar<br />

sind, insbesondere für Kinder, Jugendliche und junge<br />

Erwachsene, ist der Aufwand unverhältnismäßig<br />

hoch, die Leistungsanforderungen zu erfüllen.<br />

Es zeigt sich bereits jetzt eine starke Zurückhaltung<br />

bei niedergelassenen Ärzt:innen, sich an der Versorgung<br />

zu beteiligen. In der Folge fehlt es daher<br />

auch an verordnenden Ärzt:innen, wodurch die<br />

Verordnungssicherheit und damit die Versorgung<br />

der Patient:innen gefährdet sind.<br />

32<br />

Vgl. § 12 Abs. 1 AKI-RL


Aus Politik & Gesellschaft<br />

65<br />

Problem 5: Evaluation<br />

Ab Zeitpunkt des Inkrafttretens von Artikel 2 GKV-<br />

IPReG soll ein begleitendes Monitoring erfolgen.<br />

Aber aus Sicht des <strong>knw</strong> fußt das Gesetz auf einer<br />

mangelhaften Datenlage. Denn bisher hat noch keine<br />

sachgerechte Differenzierung des heterogenen<br />

Personenkreises stattgefunden. So ist beispielsweise<br />

bis heute nicht bekannt, wie viele intensivpflegebedürftige<br />

Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene<br />

es eigentlich gibt und wie viele davon beatmet<br />

oder trachealkanüliert sind. Es wird mit den Daten<br />

aus der Evaluation der Umsetzung nicht möglich<br />

sein, diese im Vergleich zur bisherigen Versorgung<br />

zu betrachten. Daher wird es auch schwierig sein<br />

zu erkennen, ob sich durch die gesetzliche Neuordnung<br />

der Versorgungsstrukturen der Personenkreis<br />

ändert. Es besteht die Sorge, dass still und unbemerkt<br />

Versorgungssysteme zusammenbrechen und<br />

gerade junge Patient:innen aus der Versorgung herausfallen.<br />

Denn bereits jetzt schon kompensieren<br />

Eltern über Jahre bis zu ihrer Überlastung fehlende<br />

Versorgungsstrukturen.<br />

Das <strong>knw</strong> fordert daher gemeinsam mit rund 20<br />

anderen Verbänden in einem Positionspapier vom<br />

19.09.2023 umgehend Nachbesserungen am GKV-<br />

IPReG. Das Forderungspapier mit weiteren Informationen<br />

zu den Hintergründen und zu Lösungsansätzen<br />

finden Sie unter folgendem Link:<br />

https://www.kindernetzwerk.de/downloads/<br />

230919_A_nderungsbedarf___37c_SGB_V_Po<br />

sitionspapier_der_Verba_nde_Final.pdf?m=<br />

1695112429&<br />

Nützliche Links<br />

> Bundesgesundheitsportal für die Arztsuche 33 :<br />

https://gesund.bund.de/suchen/aerztinnen-undaerzte<br />

> Für die Verordnung und zum Nachweis der Potenzialerhebung<br />

sind besondere Formulare zu nutzen.<br />

Diese finden Sie über die Kassenärztliche Bundesvereinigung<br />

(KBV): https://www.kbv.de/html/<br />

60812.php#content60902<br />

> Zur Abgrenzung von AKI und HKP-Leistungen<br />

hat der Forum Gehirn e.V. ein Dokument veröffentlicht:<br />

https://www.shvfg.de/2023/06/15/abgren<br />

zung-der-haeuslichen-krankenpflege-hkp-zur-aus<br />

serklinischen-intensivpflege-aki/<br />

> Die Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben<br />

in Deutschland e.V. (ISL) führt ein von der AK-<br />

TION MENSCH gefördertes Projekt: “Das Recht auf<br />

außerklinische Intensivpflege – Begleitung und<br />

Umsetzung aus Betroffenenperspektive“ durch.<br />

Mit dem Projekt sollen betroffene Menschen informiert,<br />

unterstützt und begleitet werden: https://<br />

aki-hkp.de/ Fälle, bei denen sich Schwierigkeiten<br />

zeigen oder die besonders gut verlaufen, können in<br />

anonymisierter Form als Erfahrungsbericht zurückgemeldet<br />

werden: https://aki-hkp.de/erfahrungsbericht-einreichen/<br />

> Haben Sie noch Fragen? Wenden Sie sich an<br />

unsere Mitgliedsorganisationen aus der Selbsthilfe:<br />

https://intensivkinder.de/ und https://www.inten<br />

sivleben-kassel.de/<br />

33<br />

Bei „Fachrichtung“ Kinder- und Jugendarzt eingeben, bei „Besondere<br />

Leistung“ Außerklinische Intensivpflege Potenzialerhebung eingeben<br />

Kontakt:<br />

Benita Eisenhardt, Referentin Projekte<br />

und Entwicklung im Kindernetzwerk e.V.<br />

eisenhardt@kindernetzwerk.de


66<br />

Buchtipps<br />

Buchtipps<br />

Mein Leben ist doch cool!<br />

„Mein Leben ist doch cool! <strong>Unsere</strong> Welt und was ich dazu zu sagen habe“<br />

ist eine Textsammlung von Nathalie Dedreux.<br />

Natalie Dedreux hat Trisomie 21, ist eine bekannte<br />

Inkluencerin und setzt sich als Selbstvertreterin für<br />

die Rechte und die Sichtbarkeit von Menschen mit<br />

Behinderung ein. In ihrem ersten Buch möchte sie<br />

nicht nur ihre Meinung zu wichtigen Themen dieser<br />

Zeit sagen: Sie möchte teilhaben, mitreden und<br />

gehört werden, denn nur so kann Inklusion funktionieren.<br />

Natalie Dedreux liebt Köln, den kölschen<br />

Dialekt und Kasalla. Kreativ und schön illustriert<br />

erlaubt sie uns Einblicke in ihr Leben. Das Buch behandelt<br />

aber auch verschiedene Bereiche wie Politik,<br />

Klima, Liebe oder Inklusion.<br />

Es ist ihre Sichtweise und ihr Leben, welches sie<br />

den Menschen zeigen möchte. Zeitgleich räumt sie<br />

sachlich mit Missständen und Vorurteilen gegenüber<br />

Menschen mit Behinderung auf.<br />

„Es gibt da noch eine Sache: Wegen dem Duzen.<br />

Wenn Menschen mit Down-Syndrom unterwegs<br />

sind, dann werden wir automatisch geduzt.“<br />

Trotz des sachlichen Stils und den verschiedensten<br />

Thematiken haben diese unweigerlich einen persönlichen<br />

Zug und berühren einen sehr. Die kurzen,<br />

klaren Texte lassen uns ihre ganz persönliche Motivation<br />

verstehen.<br />

Wer jetzt denkt, Auszüge aus ihrer Biographie<br />

und dem Weltgeschehen werden einfach so in<br />

den Raum geworfen, täuscht sich. Das Buch wirkt<br />

thematisch aufbauend. Auch wenn es in den Texten<br />

viel um die Autorin selbst geht, bleibt sie nicht<br />

ausschließlich bei sich, sondern bezieht alle mit<br />

ein, die von Diskriminierungen betroffen sind oder<br />

benachteiligt werden. Das macht Natalie Dedreuxs<br />

Buch so besonders.<br />

In Zusammenarbeit mit ihrem Assistenten Wenzel<br />

Rehbach, der die Texte nieder-geschrieben und illustriert<br />

hat, ist eine wundervolles kreatives Werk<br />

entstanden. Beim Durchlesen des Buches lässt sich<br />

Natalie Dedreuxs positive Art und Lebensfreude nur<br />

erahnen. Dank ihr wird der Leserschaft bewusst,<br />

dass es schließlich die kleinen Dinge im Leben sind,<br />

über die man sich freut.<br />

Infos zum Buch:<br />

Natalie Dedreux: „Mein Leben ist doch cool!<br />

<strong>Unsere</strong> Welt und was ich dazu zu sagen habe“,<br />

Knaur Verlag, München 2022. 240 S., 16,99 €.<br />

Diesen Artikel hat<br />

Yeliz Kidis verfasst.<br />

„Und wie gut, dass sie [Mutter] mit mir schwanger<br />

war. Sie hat keinen Test gemacht mit mir.<br />

Ich war einfach bei ihr.<br />

Da war ich froh drüber.“


68<br />

Buchtipps<br />

Für unsere „Very Special<br />

Children“: <strong>Unsere</strong> Kinderseiten<br />

Die Gewinner:innen<br />

unseres Malwettbewerbes im <strong>knw</strong><br />

Anlässlich unseres 30jährigen Jubiläums veranstalteten<br />

wir von Mai bis August einen Zeichenwettbewerb<br />

und luden alle Kinder über Facebook, Twitter<br />

und Instagram ein, sich daran zu beteiligen. Alles<br />

war erlaubt, ganz nach dem Motto: „Bunte Mischung<br />

-Vielfalt leben“. Je nach Möglichkeit sollten<br />

der Kreativität keine Grenzen gesetzt werde. Und<br />

das haben wir zugesendet bekommen:<br />

Michael ist 8 Jahre und schickte uns aus Österreich<br />

ein kleines Heft, in dem er seinen Alltag für uns<br />

in Bildern festgehalten hat. Seine Mutter Tamara<br />

wurde über die Hypophyseninsuffizienz - Gruppe<br />

auf unsere Aktion aufmerksam. Und als Sie ihrem<br />

Sohn Michael davon erzählte, war er sofort Feuer<br />

und Flamme. Michael ist ein sehr fröhlicher und<br />

offener Junge, kann aber aufgrund seiner Schmerzen<br />

oft die Schule nicht besuchen. An guten Tagen<br />

spielt er am liebsten Fußball mit seinen Freunden.<br />

Das Lebensmotto der Familie lautet: „Ein freudiges<br />

Herz ist eine gute Medizin.“<br />

Das wünschen wir Michael von ganzem Herzen.


<strong>Unsere</strong> Kinderseiten<br />

69


70<br />

<strong>Unsere</strong> Kinderseiten<br />

Eli, 3 Jahre<br />

Bild Nr. 2 stammt vom kleinen Eli aus Augsburg. Er<br />

ist mit seinen 3 Jahren der jüngste Teilnehmer unseres<br />

Wettbewerbs. Er lebt mit dem Kniest-Syndrom.<br />

Neben seiner tollen Zeichnung fügte er auch ein<br />

Foto von sich bei. Zuckersüß der Kleine, wie wir<br />

einstimmig finden.<br />

Golda, 5 Jahre & Yael, 7 Jahre<br />

Unser nächstes Kunstwerk stammt von Golda. Sie<br />

ist 5 Jahre alt und lebt mit dem Rett-Syndrom. Sie<br />

hat Ihr Bild mit einer Malkrake gemalt. Ihre große<br />

Schwester Yael hat Sie dabei unterstützt. Yael hat<br />

uns im Urlaub auch ein Bild gemalt. Sie ist 7 Jahre<br />

alt. Darauf zu sehen ist ihr Papa mit dem kleinen<br />

Brüderchen, der aktuell noch in Mamas Bauch<br />

wohnt. Beide Mädchen sind schon ganz gespannt<br />

auf ihr kleines Geschwisterchen.


<strong>Unsere</strong> Kinderseiten<br />

71


72<br />

<strong>Unsere</strong> Kinderseiten<br />

Eva, 9 Jahre<br />

Bild Nr. 5 stammt von Eva. Sie ist 9 Jahre alt und<br />

kommt aus Reinsfeld. Sie lebt mit dem Rett-Syndrom.<br />

Mit Hilfe eines Talkers hat Sie uns diesen tollen<br />

Brief geschrieben und sich dazu noch ein Rätsel<br />

ausgedacht. Wir denken, die Lösung gefunden zu<br />

haben, wollen aber allen anderen den Spaß nicht<br />

vorwegnehmen.<br />

Wir haben uns sehr über die Einsendungen gefreut<br />

und hoffen, allen eine kleine Freude mit unseren<br />

individuell zusammen gestellten Überraschungspaketen<br />

gemacht zu haben.<br />

Vielen herzlichen Dank an Alle!


74<br />

<strong>Unsere</strong> Kinderseiten<br />

Eine Geschichte nur für Euch<br />

Geschichte und Bilder von der Kindernetzwerk-Vorsitzenden Dr. Annette Mund<br />

Beatrice, das Einhorn-Mädchen<br />

Opa schlief auf seiner Lieblingsdecke, als Beatrice<br />

in sein Zimmer kam. Sie war sehr aufgeregt und<br />

wollte Opa sofort von ihrem ersten Schultag erzählen.<br />

Sie liebte Opa sehr; er war schon alt. Seine<br />

dichte Mähne war nicht mehr so schön wie früher.<br />

Er hatte nur noch wenige Haare, dafür wuchsen sie<br />

an allen möglichen Stellen an seinem Körper; selbst<br />

aus der Nase wuchsen sie. Er war alt und oft müde,<br />

aber Beatrice kannte niemand anderen, der auf alle<br />

ihre Fragen immer eine gute Antwort parat hatte.<br />

Und heute hatte sie so viele Fragen. Sie musste unbedingt<br />

mit ihm sprechen und, obwohl er so süß<br />

schlief, die Brille vor den Augen, musste sie ihn<br />

sofort wecken.<br />

„Opa, wach auf, wach auf. Ich muss Dir erzählen,<br />

was heute alles in der Schule war!“<br />

„Hmbrmh“ Opa brummelte vor sich hin, öffnete<br />

aber die Augen und sah Beatrice lächelnd an. „Was<br />

ist denn so Aufregendes geschehen? Natürlich, ja,<br />

es war ja Dein erster Schultag. Dann erzähle mal.“<br />

Aufmunternd sah er seine kleine Enkelin an.<br />

„Weißt Du Opa, ich habe heute ganz viele andere<br />

Einhorn-Mädchen kennen gelernt. Viele, viele,<br />

aber stell Dir vor – da waren Mädchen, die ganz<br />

anders als ich sind!“ Sie schaute Opa mit großen<br />

Augen aufgeregt an.


<strong>Unsere</strong> Kinderseiten<br />

75<br />

„So, wieso sind sie denn anders als Du?“<br />

„Da ist ein Mädchen, Barbara heißt sie. Die hat nur<br />

ein Auge und ein Ohr!“<br />

„Oh!“<br />

„Ja, und ein Mädchen, Selma, kann nicht laufen und<br />

sitzt auf einem Wagen, der gezogen werden muss.<br />

Und ein anderes Mädchen hat nur ein ganz kleines<br />

Horn im Gesicht, fast winzig. Und ihr Schwanz ist<br />

irgendwie ganz buschig. Ganz anders, als bei mir.“<br />

„Aha, nun ja“ brummelte Opa, aber Beatrice ließ<br />

ihn gar nicht zu Wort kommen. „Und da ist auch<br />

noch eine andere, die ist so schön. Sie ist groß und<br />

hat schwarz-weiße Haare. Sie ist ganz stark und sie<br />

hat gesagt, dass die anderen Mädchen doof sind,<br />

weil sie irgendwie behindert sind.“<br />

„Oh“, meinte Opa und seine Augen zogen sich eng<br />

zusammen. „Das scheint aber ein dummes Mädchen<br />

zu sein.<br />

„Wieso?“, fragte Beatrice. “Sie ist schön und bestimmt<br />

ist sie auch klug. Und die anderen Mädchen<br />

sind ja auch irgendwie …“<br />

„Was sind sie irgendwie?“ fragte Opa streng. Beatrice<br />

runzelte die Stirn. Wenn Opa so streng war, bedeutete<br />

das, dass sie dummes Zeug geredet hatte.<br />

Nur wusste sie nicht genau, was sie Falsches gesagt<br />

hatte.<br />

„Nun ja“, stammelte sie, „die Mädchen sind doch<br />

wirklich behindert, stimmt doch?“ Unsicher schaute<br />

sie Opa an.<br />

„Ja“, sagte Opa „anscheinend sind sie das. Aber was<br />

bedeutet das?“<br />

„Naja“, sagte Beatrice. “Eigentlich haben Einhörner


76<br />

<strong>Unsere</strong> Kinderseiten<br />

immer zwei Augen und zwei Ohren und sie können<br />

laufen. Und das Horn ist ein Zeichen, dass wir starke<br />

Wesen sind. Ist es so winzig wie bei diesem anderen<br />

Mädchen, bedeutet das, dass sie nicht stark<br />

ist.“<br />

„Ja, bedeutet das das wirklich? Konntest Du merken,<br />

dass sie schwach war? Oder meinst Du das<br />

nur, weil man solches Zeug erzählt? Und war das<br />

Mädchen, das nur ein Ohr und ein Auge hat, kein<br />

Einhorn-Mädchen?“<br />

„Doch, natürlich, nur …“ Sie überlegte. Natürlich<br />

war Barbara ein Einhorn-Mädchen, keine Frage,<br />

nur …<br />

„Und das Mädchen, wie hieß es nochmal, das nicht<br />

stehen kann. Ist es auch kein Einhorn-Mädchen,<br />

nur weil es liegen muss? Beatrice, denkst Du das<br />

wirklich?“<br />

„Ach Opa, das ist alles so kompliziert. Du kannst<br />

doch immer alles erklären, aber jetzt bist Du böse<br />

auf mich und das will ich nicht.“ Beatrice standen<br />

die Tränen in den Augen. Sie wollte doch nur von<br />

den aufregenden Neuigkeiten berichten und von<br />

dem schönen anderen Einhorn-Mädchen und jetzt<br />

sagte Opa, dass dieses dumm sei, und stellte alles<br />

so dar, als sei sie selbst auch eine Dumme.<br />

„Süße, pass mal auf und hör gut zu, was ich Dir jetzt<br />

sage.“<br />

Schmollend nickte Beatrice.<br />

„Der Körper ist der Körper. Du hast einen und<br />

Mama sagt manchmal, dass Du ein Pummelchen<br />

bist, aber ein schönes. Ich habe einen alten Körper,<br />

der Haare verliert und Haare an anderen Stellen<br />

wachsen lässt. Wir beide können an diesen Dingen<br />

nichts tun, denn der Körper ist, wie der Körper ist.<br />

Und jetzt hast Du Mädchen in Deiner Klasse, bei denen<br />

der Körper wieder ganz anders ist. Aber, und<br />

das ist das Wichtige, der Körper ist nur das Gerüst,<br />

das uns durch das Leben trägt. In ihm lebt ein Geist,<br />

eine Intelligenz, eine Seele. Du hast nur die Körper<br />

der Mädchen beschrieben – nur ein Auge und ein<br />

Ohr, kann nicht laufen, winziges Horn und buschiger<br />

Schwanz. Nur bei der Schönen hast Du etwas<br />

von ihrer Seele beschrieben – sie sagt, die anderen<br />

sind doof. Also scheint diese Seele wohl selbst etwas<br />

doof zu sein. Ich möchte, dass Du morgen und<br />

in den nächsten Tagen versuchst, etwas über die<br />

Seelen, den Geist und die Intelligenz der anderen<br />

Mädchen herauszufinden, und dann erzählst Du<br />

mir davon. Dann werden wir weitersehen. In Ordnung?“<br />

„Ja“ sagte Beatrice. Sie wusste zwar nicht ganz genau,<br />

was Opa eigentlich von ihr wollte, aber sie<br />

wollte versuchen, mehr über die Mädchen zu erfahren.<br />

„Na also, und jetzt lass mich weiterschlafen!“<br />

In den nächsten Wochen redete Beatrice sehr viel<br />

mit allen Mädchen und sie fand heraus, dass Barbara,<br />

obwohl mit nur einem Auge und einem Ohr<br />

beschenkt, ganz wunderbar lachen konnte und ein<br />

gutes Gespür für ein schönes Aussehen hatte. Sie<br />

ließ ihr Haar wachsen und es über die augenlose<br />

Seite fallen, so dass man eigentlich kaum noch sehen<br />

konnte, dass sie nur ein Auge hatte. Und sie<br />

setzte schönen Schmuck auf ihre Haare, so dass das<br />

fehlende Ohr gar nicht mehr auffiel.<br />

Selma fand, dass ihr Wagen ihr viele Vorteile bescherte;<br />

sie konnte sich ziehen lassen, bergrunter<br />

schneller als alle anderen runtersausen und manchmal<br />

die eine oder andere mitfahren lassen. Zudem<br />

schloss sie Freundschaft mit Samira, dem Mädchen<br />

mit dem winzigen Horn im Gesicht und dem buschigen<br />

Schwanz. Ihre Haare waren so, wie es im Süden<br />

der Erde üblich war, denn Samiras Eltern kamen aus<br />

einem ganz entfernten Land. Und obwohl sie nur<br />

so ein kleines Horn im Gesicht hatte, war sie doch<br />

ganz besonders stark und zog Selma überall hin,<br />

wohin diese wollte.<br />

Beatrice war sehr gerne mit allen zusammen; sie


<strong>Unsere</strong> Kinderseiten<br />

77<br />

alle hatten viel Spaß und langsam vergaß sie, dass<br />

Barbara nur ein Auge und ein Ohr hatte, dass Selma<br />

nicht laufen konnte und dass das Horn in Samiras<br />

Gesicht so klein war. Sie sah das alles nicht mehr,<br />

sie sah nur noch ihre Freundinnen. Nur zu Auguste,<br />

der Schönen, hatte sie immer weniger Kontakt,<br />

denn Auguste zeigte immer und überall, wie schön<br />

und groß sie war.<br />

Einmal hatte Beatrice versucht, Auguste das zu erklären,<br />

was ihr der Opa gesagt hatte, denn mittlerweile<br />

hatte sie verstanden, was er versucht hatte,<br />

ihr zu sagen. Sie hatte versucht, Auguste klarzumachen,<br />

dass sie auch nur einen Körper hatte, wie<br />

alle anderen auch. Nur eben einen, an dem man<br />

erst einmal nichts aussetzen konnte. Dass aber<br />

auch in ihrem Körper eine Seele und ein Geist säßen,<br />

die schön sein sollten. Und dass sie so redete,<br />

dass Beatrice nicht glauben konnte, dass ihre Seele<br />

schön sei. Aber Auguste hatte nicht hören wollen.<br />

Sie bildete sich weiterhin viel auf ihre Stärke und<br />

Schönheit ein. Das ging so lange, bis sich alle anderen<br />

Mädchen von ihr abgewandt hatten und nicht<br />

mehr mit ihr spielen und reden wollten. Da wurde<br />

sie traurig und sank in sich zusammen und tatsächlich<br />

hatte Beatrice das Gefühl, dass sie kleiner geworden<br />

war. Sie selbst aber war glücklich, mit Barbara,<br />

Selma und Samira lachen und sich gut fühlen<br />

zu können.


78<br />

<strong>Unsere</strong> Kinderseiten<br />

Ein Spiel für Euch<br />

von unserer stellvertretenden Kindernetzwerk-Vorsitzenden Susann Schrödel<br />

zum Ausprobieren – viel Spaß!


<strong>Unsere</strong> Glosse „zu guter Letzt“<br />

79<br />

Ansprache von Dr. Richard Haaser,<br />

als stellvertretendem Vorsitzenden am 16.September 2023 im<br />

Bildungszentrum Erkner beim Galaabend zum 30jährigen Jubiläum des <strong>knw</strong><br />

“Liebe Freunde und Aktive des Kindernetzwerks, liebe Gäste,<br />

da ich mir vorstellen kann, dass viele von Ihnen<br />

eher auf das bevorstehende Abendessen ausgerichtet<br />

sind, möchte ich die bis dahin verbleibende<br />

Zeit nutzen, Ihnen ein Anliegen ans Herz zu legen,<br />

nämlich die Frage, wie wir über die gerne von uns<br />

so genannten Kinder und Jungen Erwachsenen<br />

mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen<br />

angemessen sprechen können, da mir diese<br />

Formulierung deren evtl. vorhandene Fähigkeiten<br />

zu wenig zum Ausdruck zu bringen scheint, wobei<br />

ich meine Überlegungen in einfacher Sprache formulieren<br />

und in nur einem Satz zusammenfassen<br />

werde, dem aber erst noch kurz vorausschicken<br />

möchte, dass mir der Satz „Sprache beeinflusst das<br />

Denken“ bekannt, aber durchaus auch frag-würdig<br />

ist, denn nicht unsere eigene Sprache beeinflusst<br />

unser Denken, da wir ja – zumindest manche von<br />

uns - schon vor dem Sprechen denken, dabei aber<br />

auch oft nicht bedenken, ob, wenn wir jemanden<br />

ansprechen, sie oder er unsere Gedanken ansprechend<br />

fände, also selten – außer bei Ansprachen<br />

wie dieser - mit Bedacht sprechen, wobei wir nicht<br />

jedes Mal Bedenken haben müssten, dass wir vielleicht<br />

missverstanden würden, somit beim Gegenüber<br />

nicht wirklich das ankäme, worüber wir uns<br />

Gedanken gemacht haben, da dann jeglicher Gedankenaustausch<br />

schwierig wäre, wobei ich den<br />

Austausch meiner Gedanken gegen die eines anderen<br />

von vorneherein sehr problematisch fände,<br />

zumindest, wenn es dabei zu einem kompletten<br />

Austausch käme oder wenn man dabei nicht mit<br />

ausreichender Sorgfalt vorginge, sodass während<br />

der Übertragung durch eine Störung, die man ja<br />

bei allen Transportvorgängen nicht vollständig ausschließen<br />

kann, auch wenn man dabei noch so routiniert<br />

und professionell handelt, was man ja doch<br />

von intelligenten Gesprächspartner:innen erwarten<br />

dürfte, es zu einem Verlust einiger Gedanken<br />

käme und ich mich daraufhin, schlimmstenfalls gedanken-los<br />

und in der Folge auch wort-los, an dem<br />

Gespräch nicht mehr sinn-voll beteiligen könnte,<br />

obwohl ein solches auch dann sinn-los wäre, wenn<br />

ich gehör-los oder – Gott behüte! - möglicherweise<br />

geist- oder hirn-los wäre oder wegen einer mentalen<br />

Beeinträchtigung meist hirnrissige Sätze von mir<br />

gäbe, wie es ja schon, und das seit Jahren, einige<br />

Politiker:innen und deren Anhänger:innen, die uns<br />

rechts überholen oder - besser gesagt - überrollen<br />

wollen, durchaus nicht gedankenlos, sondern sehr<br />

durchdacht und mit Bedacht tun, was mich dann<br />

immer wieder sprachlos macht, dahinwogegen ich<br />

statt eines Gedankenaustausches mir gut vorstellen<br />

könnte, meine Gedanken mit Ihnen zu teilen,<br />

wobei ich tatsächlich Bedenken hätte, ob, da möglicherweise<br />

die Leichtigkeit, mit der die eine Seite<br />

– also überwiegend ich - ihre Gedanken äußerte,<br />

die schwerwiegenden Bedenken der anderen –<br />

also Ihrerseits - nicht aufwöge und es so zu einem


80<br />

<strong>Unsere</strong> Glosse „zu guter Letzt“<br />

kognitiven Ungleichgewicht käme, was dann mir<br />

und sicher auch Ihnen schwer im Magen läge, weswegen<br />

ich jetzt zum eigentlichen Thema kommen<br />

und gemeinsam mit Ihnen eine positive Sprachregelung<br />

über „Die Betroffenen“ finden möchte, wobei<br />

auch dieser Ausdruck nicht gänzlich zutreffend<br />

ist, da, wenn ich eine betroffene Person träfe, mich<br />

deren Schicksal ebenfalls betroffen machte, während:<br />

„Menschen mit besonderen Bedürfnissen“<br />

mir auch nicht gerade als passende Bezeichnung<br />

für deren Ressourcen und Resilienz erscheint, denn<br />

diese haben auch Marathonläufer und andere Spitzensportler<br />

oder Künstler und andere Genies, wobei<br />

mir auch der oft benutzte Begriff: „Bedarfe“ als<br />

Freund der schönen Sprache ähnlich Bauchschmerzen<br />

macht wie „Wässer“ und „Sände“, „Milche“<br />

und „Mehle“, sodass - nach etlichen durch reifliches<br />

Überlegen durchwachten Nächten - ich mich<br />

als Vor- und Nachdenker durchgerungen habe zu<br />

dem Ausdruck: „Kinder und Junge Erwachsene mit<br />

7 B“, („mit besonderem Bedarf bei Beratung, Begleitung,<br />

Betreuung und Behandlung“), mit dem<br />

ich mich hoffentlich verständlich ausgedrückt habe,<br />

den ich Ihnen nun zum Nachdenken und Erörtern<br />

- wie eingangs schon gesagt - (Sie erinnern sich sicher)<br />

ans Herz legen möchte mit der Bitte, dass Sie<br />

sich alle einmal eigene Gedanken machen, wie sich<br />

Ihre persönliche Situation positiv beschreiben ließe,<br />

und mir Ihre Lösung an haaser@kindernetzwerk.de<br />

zu schicken, womit ich meinen Satz abschließe und<br />

Ihnen noch einen anregenden Abend wünsche in<br />

der Hoffnung, dass Sie mir aus dem etwas wirren<br />

roten Faden meiner Rede nicht einen Strick drehen<br />

und mich stattdessen auch bei der 40Jahr-Feier<br />

des <strong>knw</strong> wieder zu einem Vortrag einladen mögen.<br />

Vielen Dank.<br />

(aus Platzmangel um 2/3 gekürzt)


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