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Leseprobe: Joseph Andras, Kanaky

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TOLEDO<br />

Journale<br />

<strong>Joseph</strong> <strong>Andras</strong>: <strong>Kanaky</strong>.<br />

Übersetzt aus dem Französischen<br />

von Claudia Hamm.<br />

Zweisprachige <strong>Leseprobe</strong><br />

Dire l’homme dont on dit qu’il n’en est plus<br />

un. Cerner le point de bascule, l’instant<br />

où l’espèce tombe le masque et décanille, la<br />

bave aux lèvres et le poil dru. S’en aller à<br />

la frontière, pister la borne, sonder l’âme<br />

des nôtres en disgrâce, destitués, révoqués.<br />

“La barbarie de ces hommes, si l’on peut<br />

les appeler ainsi”, lança un jour quelque<br />

président de la République française, alors<br />

Premier ministre, à l’endroit de ceux-là<br />

qui prirent les armes pour l’indépendance de<br />

leur archipel. Du sang coula, assurément,<br />

et il n’est que faillite, fût-ce pour la victoire,<br />

lorsque la chair s’arrache pour trancher la<br />

question; du sang coula, oui, après qu’il en<br />

eut coulé tant et tant depuis plus d’un siècle,<br />

quand d’aucuns crurent bon de planter<br />

leur drapeau comme on pisse dans un coin,<br />

nouveaux maîtres des lieux et gardiens<br />

des bonnes mœurs.<br />

L’un de ces “barbares” retint un jour mon<br />

attention. Pourquoi lui plus qu’un autre ?<br />

Un visage aide à tracer l’Idée, une histoire<br />

épaule l’Histoire. Arbitraire, sans doute ;<br />

injuste, probablement – notre homme ne<br />

s’entend qu’à la condition d’écouter tous les<br />

siens, plus encore en ces terres où le moi<br />

a l’allure d’un gros mot.<br />

Vom Menschen erzählen, von dem erzählt wird,<br />

er sei keiner mehr. Den Kipppunkt erfassen, den<br />

Moment, an dem die Spezies ihre Maske fallen<br />

lässt und sich mit sabberndem Maul und sprießendem<br />

Fell davonstiehlt. An die Grenze gehen, die<br />

Markierung ausmachen, die Seele derjenigen von<br />

uns ausloten, die in Ungnade gefallen sind, die<br />

degradiert und deklassiert wurden. „Die Barbarei<br />

dieser Menschen, falls man sie überhaupt als<br />

solche bezeichnen kann“, sagte irgendwann irgendein<br />

französischer Staatspräsident, damals noch<br />

Premierminister, über die, die für die Unabhängigkeit<br />

ihres Archipels zur Waffe griffen. Ja, sicher,<br />

es ist Blut geflossen, und der Kampf ist verloren,<br />

wenn Fleisch zerfetzt wird, um sich durchzusetzen,<br />

und sei es, um ihn zu gewinnen; ja, es ist Blut geflossen,<br />

nachdem über ein Jahrhundert lang schon<br />

so viel geflossen war, weil einige es als neue Hausherren<br />

und Sittenwächter für angebracht hielten,<br />

ihre Fahne zu hissen, als pisse man in eine Ecke.<br />

Einer dieser „Barbaren“ hat irgendwann mein Interesse<br />

geweckt. Warum gerade er? Ein Gesicht<br />

hilft, eine Vision zu umreißen, eine Geschichte trägt<br />

Die Geschichte. Das mag willkürlich sein, sicher,<br />

ungerecht, ja wahrscheinlich, doch unser Mensch<br />

wird nur verständlich, wenn man seine Angehörigen<br />

anhört, zumal in Gegenden, wo das Wort ich wie<br />

ein Schimpfwort klingt.<br />

Le journaliste examine, l’historien élucide,<br />

le militant élabore, le poète empoigne ;<br />

reste à l’écrivain de cheminer entre ces<br />

quatre frères : il n’a pas la réserve du premier,<br />

Der Journalist erforscht, der Historiker erklärt,<br />

der Aktivist erwirkt, der Dichter ergreift; bleibt dem<br />

Schriftsteller, seinen Weg zwischen diesen vier<br />

Brüdern zu suchen: Er hat weder die Vorbehalte des<br />

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TOLEDO<br />

Journale<br />

le recul du second, la force de persuasion du<br />

troisième ni l’élan du dernier. Il a seulement<br />

les coudées franches et parle à même la<br />

peau, allant et venant, quitte à boiter, entre<br />

les certitudes et les cancans, les cris du<br />

ventre et les verdicts, les larmes aux yeux et<br />

l’ombre des arbres.<br />

ersten, noch den Abstand des zweiten, weder die<br />

Überzeugungskraft des dritten, noch das Feuer<br />

des vierten. Er hat nur seine Ellenbogenfreiheit und<br />

seine unverhüllte Sprache, sein Hin und Her<br />

und manchmal Stolpern zwischen Gewissheiten<br />

und Gerüchten, innerem Aufschrei und Urteil,<br />

Tränen in den Augen und dem Schatten der Bäume.<br />

<strong>Joseph</strong> <strong>Andras</strong>: <strong>Kanaky</strong>. Sur les traces<br />

d’Alphonse Dianou, Actes Sud, 2018.<br />

S. 11–12<br />

<strong>Joseph</strong> <strong>Andras</strong>: <strong>Kanaky</strong>. Auf den Spuren von<br />

Alphonse Dianou. Aus dem Französischen von<br />

Claudia Hamm. Hanser Verlag, München, 2021.<br />

S. 9–10<br />

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