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elaphe05/23_online

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Titelthema: Höckerschildkröten

TitelthemaBlick von

TitelthemaBlick von einem privaten Grundstück bei Hochheim auf den Guadalupe RiverPeter Praschag mit einem Weibchen von Graptemys(pseudogeographica) kohnii („black eye“) aus dem oberenCalcasieu River (27 cm Carapaxlänge). Man beachte dengroßen Kopf der Schildkröte.Mein nächster Besuch galt R. Shealy in West-Florida. Ichfand ihn in seinem Arbeitszimmer an der Junior HighSchool in Pensacola. Auch er bedauerte, dass er diesesWochenende bereits mit seinen Söhnen verplant hatte.Aber auch er fand Ersatz: Einige Telefonate und eine halbeStunde später standen zwei junge Damen in der Tür seinesBüros. Eine von ihnen, Maxim C., wollte mich am nächstenTag zum Conecuh River fahren, sie hatte in den letztenJahren Shealy im Rahmen seiner Dissertation oft dorthinbegleitet.Während einer Stunde Fahrt konnte ich es genießen, endlicheinmal nicht mit Hilfe der Karte auf dem Lenkradden Weg suchen zu müssen; Maxim ließ mich als Beifahrerin meine Vorfreude versinken und führte mich direktzu Shealys Studienstrecke am Conecuh River. Wir stopptenan einem herrlichen Rastplatz, der vom Fluss in eineretwa 3–4 km langen Schlaufe umflossen wurde. Schon beimeinen ersten Erkundigungen, von Buschwerk gedeckt,erkannte ich kaum 50 m von mir entfernt im Uferbereichangeschwemmte Baumstämme und grünes Astwerk. Icherschrak fast vor Begeisterung: Auf einem horizontal ander Wasseroberfläche liegenden Baumstamm sonnten sichhintereinander vier sehr große Weibchen von G. pulchra(heute G. ernsti).Ich bat Maxim, mich 1–2 km flussaufwärts zu fahren,damit ich dort ins Wasser steigen konnte. Aufgeregtnäherte ich mich dann, in Ufernähe schwimmend, derStelle mit den vier Weibchen, die ich zuvor noch fotografischfestgehalten hatte. Diesmal war ich mit einervöllig anderen Situation konfrontiert: Die Baumstämmestauten sich in der Nähe des rechten Flussufers. Wennich dort links vorbeischwamm, war ich durch belaubtesStrauchwerk gegenüber den Schildkröten gedeckt. DieseDeckung hörte genau auf der Höhe des Baumstammsmit den Schildkröten auf. In diesem Augenblick war ich,Augen zu Augen, mit der ersten G. ernsti im Abstandvon nur einem Meter konfrontiert. Erschrocken flüchtetenalle vier Tiere sofort ins nahe Wasser. Ich hatte vorsorglichschon 10 m davor mein Netz knapp unter derWasseroberfläche vorgestreckt positioniert, führte es imentscheidenden Moment neben den Baumstamm, undtatsächlich sprang die erste G. ernsti genau hinein. DiesesWeibchen hatte 27,5 cm Carapaxlänge (CL). Wenn ich ihrMaß zu den anderen drei G. ernsti auf demselben Baumstammin Relation setze, dann sollte das größte Tier etwa30 cm CL gemessen haben.30

TitelthemaDas typische, auf den ersten Blick erkennbare Merkmal vonG. ernsti ist u. a. ihr rhombusförmiger Fleck am Schädeldach.Den zeigen beide Geschlechter in olivgrüner Färbung.Nur sehr vereinzelt beobachtete ich Männchen mitorangefarbener Kopfzeichnung.Graptemys (pseudogeographica) kohnii mit gezackter Sichelzeichnungaus dem Brazos River in Ost-TexasMeine zweite Reise in die USA 1980Im Frühjahr 1980 machte ich meiner Frau eine Reise in dieNordstaaten der USA schmackhaft. Mein Lockmittel: NewYork, Boston, Montreal, Detroit, Chicago, Milwaukee, Cincinnati,Washington wären um diese Zeit wärmer als Österreich,und nach unserem kalten Winter sehnte sie sichsehr nach Frühlingswärme.In New York angekommen, war es jedoch überraschendfrostig, wir mussten erfahren, dass es heuer ungewöhnlichkalt für die Jahreszeit war. Die Niagara-Fälle warengegen Ende April noch leicht vereist, die Vegetation an denGroßen Seen befand sich noch im Winterschlaf.Im Winter kann es in den nördlichen Bundesstaaten derUSA empfindlich kalt werden. Bodie & Semlitsch (2000)untersuchten beispielsweise die Kälteselektion von Wasserschildkrötenam Missouri River in Missouri. Dabeifanden sie am 7.1.1996 nach einer Kälteperiode mit Temperaturenzwischen -11,2 und -19,9 °C zahlreiche Graptemyspseudogeographica und Trachemys scripta tot vor. Besondersim Alter von 2–3 Jahren waren die Schildkröten nach Absinkendes Wasserspiegels der Kälte zum Opfer gefallen.Sie schlossen daraus, dass größere Individuen eine höhereToleranz gegenüber Austrocknung und Einfrieren habenund ein anderes Überwinterungsverhalten zeigen als kleinere.Wir mussten unser Programm ändern. In 14 Tagen besuchtenwir 16 Zoos und Aquarienhäuser. In einem Hotel beiMilwaukee wachten wir um Mitternacht auf; nicht so frostgeschütztwie die Schildkröten zuvor, suchten wir in unserenKoffern und zogen drei Leibchen und mehrere Sockenübereinander an, da wir vor Kälte nicht schlafen konnten.Graptemys sahen wir weder in der Natur noch in den Zoos,einzig im Zoo in Columbus in Ohio beobachteten wir ineiner größeren Schildkrötensammlung Graptemys nigrinodanigrinoda beim Eierlegen.An der Universität in Pittsburg besuchten wir McCoy undR. Vogt. Besonders Bull & Vogt (1979) arbeiteten mehrereJahre gemeinsam in Studien zur temperaturabhängigenGeschlechtsdetermination („temperature dependent sexdetermination, TSD) und veröffentlichten in mehreren Arbeitenihre bahnbrechenden Ergebnisse. Vogt erzählte uns,dass er zahlreiche Sammelreisen unternommen habe, dasMuseum habe daher die weltweit größte Sammlung an(toten) Graptemys. Anfangs fing er vornehmlich Graptemysmit Stell-, Kiemen- und Trammelnetzen in den nördlichenStaaten. Später, mit Unterstützung des Netting Fund undder National Science Foundation, fuhr er zur Eiablagezeitin den Süden, fing in wenigen Nächten in riesigen Netzenhunderte Schildkröten, spritzte den trächtigen WeibchenOxytocin und erhielt auf diese Weise in wenigen Tagentausende Eier. Diese zeitigte er in Pittsburg bei unterschiedlichenTemperaturen. In einer Reihe sahen wir dieInkubatoren, die jeweils um wenige Zehntelgrade höher alsder vorherige eingestellt waren. Die von der Bruttemperaturabhängigen Geschlechter der Schlüpflinge führten ihndann zu seinen Erkenntnissen über die TSD.1982 veröffentlichten Vogt & Bull ihre Ergebnisse fürmehrere Schildkrötengattungen und fünf -familien. Beiden meisten Arten führen Temperaturen von 25 °C fastausschließlich zu Männchen und von 31 °C oder höher zuWeibchen. Den Zeitpunkt der Geschlechtsdeterminationermittelten sie im mittleren Drittel der Inkubation. DieSchwellentemperatur (threshold temperature), unter dersich Männchen und über der sich Weibchen entwickeln,liegt bei den Schildkröten der Südstaaten etwas höher alsim Norden. Auch erreichen deren Embryos im Ei früherjenes Stadium, in dem das Geschlecht bestimmt wird.Erst 37 Jahre später, 2017, habe ich Vogt wieder besucht,diesmal in Manaus in Brasilien, wo er über lange Zeit anderebahnbrechende Studien besonders an Schienenschildkröten(Podocnemis) durchgeführt hat.31

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