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elaphe05/23_online

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Titelthema: Höckerschildkröten

TitelthemaNachzuchten

TitelthemaNachzuchten von Graptemys pulchra und Graptemys caglei mit ihren typischenKopfmaskenzeichnungenkonnte ich Grabversuche beobachten.Zufrieden, ein so großes Weibchenvon G. barbouri über 15 Jahre gesunderhalten zu haben, erwartete ichkeine Nachkommen mehr von ihm.Umso überraschter war ich am18.6.2020, als ich in meinem Büro saßund zufällig gerade in das Beckenblickte. Die alte Dame schwamm ingeringem Abstand hinter der Sichtscheibean der Wasseroberfläche, dafiel mir auf, dass etwas Weißes 90 cmNach wenigen Minuten schied sieknapp neben meinem Fuß zweiweitere Eier aus. Am Ende hatte sieim Wasser etwa 11 Eier gelegt, vondenen ich sechs intakt bergen konnte.Davon erwiesen sich vier währendmeiner Inkubation als befruchtet,aber nur ein Tier schlüpfte. DiesesJungtier entwickelt sich bis heuteganz normal. Sein Vater muss das2018 importierte Männchen sein. DasWeibchen wiegt etwas über 3.000 g,die Männchen 166 g bei 10,7 cm CLund 152 g bei 10,1 cm. Das Weibchenist demnach etwa 18 bzw. 20 Mal soschwer wie die Männchen. MeineErkenntnisse: 1) Die alte Dame hattein den 15 Jahren meiner Pflege dasAquarium inklusive Eiablageplätzewohl bis in die letzten Ecken bestenskennengelernt, dennoch legte sie ihreEier im Wasser ab; 2) selbst mehrereJahrzehnte alte Weibchen vonG. barbouri können mit einer Größevon knapp 30 cm nach einer weitgehendenNahrungsumstellung nochNachkommen bekommen.Snider & Bowler (1992) geben alslängste Haltungsdauer im NationalZoo 31 Jahre, 8 Monate und 9 Tagean; die habe ich bis heute schon umgut 10 Jahre übertroffen. Bei G. barbouriwerden die Männchen mit etwa8 cm im Alter von 3–4 Jahren, dieWeibchen mit knapp 20 cm im Altervon 15–20 Jahren geschlechtsreif undlegen bis zu vier Gelege im Jahr, jeweilsmit 4–14, im Schnitt 8–10 Eiern.In meinem 18.000-Liter-Aquariumleben seit einigen Jahren 2,4 G. barbouri:2,0 mit 10 cm CL (seit fünfJahren, siehe US-Reise 2018), 0,1 mit28 cm (seit 15 Jahren), 0,1 mit 22 cm(seit 10 Jahren, besonders deutlicheKopfzeichnung und dicke Ringe anden Rippenschilden), 0,2 mit je 22,3 cm(seit über 40 bzw. 25 Jahren, Mutterund Tochter, beide mit gewöhnlicherKopfzeichnung und kaum Ringen amRückenpanzer). Den beiden Männchenstehen demnach eine große alteDame, eine besonders schöne jungeDame, eine ältere, aber klein gebliebeneMutter und eine ebenfalls wenigerattraktiv aussehende Tochter zurAuswahl. Wiederholt beobachtete ich,wie beide Männchen das größte Weibvonihr entfernt im Wasser zu Bodensank – ein Ei! Jetzt hatte ich es eilig,ins Glashaus zu laufen, um mit Badehoseund Netz in das Becken zusteigen. Leider musste ich feststellen,dass bereits etwa drei Eier vonden Schildkröten zerbissen waren,nur ein intaktes Ei konnte ich retten.Während ich im 90 cm hohen Wasserbehutsam die zerbissenen Eischalensammelte, schwamm das Weibchenscheinbar ungestört um mich herum.Schlüpflinge von Graptemys pearlensis (links) und Graptemys pulchra (rechts)aus dem Pearl (Louisiana) bzw. dem Cahaba River (Alabama)50

Titelthemachen umwarben, sich dabei immer wieder mit offenemMaul gegenseitig androhten, aber kaum eines der drei anderenWeibchen beim Vorbeischwimmen beachteten.Zu dieser offensichtlichen Bevorzugung desgrößten Weibchens werden sie demnach sicherlichnicht optisch, sondern wohl geruchlichveranlasst. Die ungewöhnlich schöneund deutliche Zeichnung des mittelgroßen, jugendlichenWeibchens findet bei den Männchenkeine besondere Beachtung.Ich habe schon zuvor auf Zweifel an den Erstbeschreibungenvon G. gibbonsi und G. pearlensishingewiesen. Ennen et al. (2010) behaupten, dass ihremtDNA-Sequenzen größere genetische Unterschiede zwischenden beiden zeigen als zwischen G. flavimaculata undG. oculifera, die ebenfalls im Pascagoula und Pearl Riverleben. Sie meinen, dass die geologische und hydrologischeGeschichte, die zur Isolation und Differenzierungvon G. oculifera und G. flavimaculata führten, auch dieEvolution von G. gibbonsi befördert hat, auch wenn dasAusmaß noch nicht verstanden ist.In unserer Sammlung haben wir bei den großköpfigenGraptemys neben G. barbouri auch Nachzuchterfolge beiG. ernsti und G. pulchra. Bei Letzteren fiel uns auf, dassJungtiere aus Eiern, die bei etwa 26 °C auf Männchen gezeitigtworden waren, deutlich stärker, farbiger und widerstandsfähigerin ihren ersten Lebensmonaten warenals jene, die bei 30 °C auf Weibchen gezeitigt wurdenund nach kürzerer Inkubationszeit schlüpften. Die Artender G.-pulchra-Gruppe (G. ernsti, G. gibbonsi, G. pearlensisund G. pulchra) erreichen bei beiden Geschlechtern ähnlicheGrößen (siehe Tabelle 2). Ihre Männchen werden inihrem dritten bis vierten Lebensjahr bei etwa 8 cm CL geschlechtsreif,die Weibchen hingegen benötigen dazu über15 Jahre und etwa 20 cm CL. Laut Shealy (1976) lebten inseinem Studienabschnitt im Conecuh River 5–7 Mal mehrMännchen als Weibchen; beides nicht gerade ideal für dieArterhaltung, oder vielleicht eine „überzogene” Absicherungfür die Reproduktion jedes Weibchens?In der Natur setzen diese Arten pro Jahr 4–6 Gelege ab. Dashaben wir mit unseren drei G.-ernsti-Weibchen noch nicht annäherndgeschafft. In der Natur besteht jedes Gelege angeblichaus 3–12 Eiern, im Mittel 7,2 – in der Summe sind es 29 Eierim Jahr bei G. ernsti bzw. 7,5 pro Gelege (G. gibbonsi), 6,4 proGelege (G. pearlensis) und 4–7 Eier pro Gelege (G. pulchra). DieEianzahl je Gelege ist bei unseren G. pulchra mit 6–7 Eiern, imMittel 6,4, etwas höher. Graptemys pulchra ist die wohl unbekanntesteArt der Gattung (Lindeman 2013). Mir ist auch keinanderer Nachzuchterfolg in Europa und weltweit bekannt.Shealy (1976) beobachtete eine Mortalität der Eier von über90 % in jeder der drei Fortpflanzungsperioden währendseiner Studie. Nester in der Nähe menschlicher Siedlungenschienen weniger häufig geplündert zu werden als in abgelegenenRegionen. Der wichtigste tagaktive Eiräuber wardie Fischkrähe, der wichtigste nachtaktive der Waschbär.Shealy entdeckte auch Nester von G. ernsti, die teilweiseoder zu 100 % unbefruchtete Eier enthielten. Bei EiablagenKopfporträt eines adulten schwarzäugigen Weibchensvon Graptemys (pseudogeographica) kohnii („black eye“)unserer Graptemys scheint der Anteil an unbefruchtetenEiern dennoch unnatürlich hoch. Zu viele zeigen baldSchimmelbefall oder Eindellungen wie durch Dehydrierung.Verantwortlich dafür könnte die oft erforderlicheNahrungsumstellung, aber meiner Vermutung nach eherder Mangel an ungefiltertem UV-Licht sein, besonders fürdie Muttertiere. Gelege, die ich erst nach Tagen finde, ausgrabeund dann im Brutschrank zeitige, ergeben schlechtereSchlupferfolge, ebenso durch Oxytocinspritzen imWasser abgelegte Eier. Wesentlich bessere Resultate habeich erzielt, wenn ich die Eier in ihrer Nistgrube beließ;dabei schlüpften aber vornehmlich Männchen. MeineVermutung: Das vom Weibchen mit der Eiablage ausgeschiedeneschleimartige Gleitmittel könnte das Gelege inder Eigrube vor Schimmelbefall bewahren. Es bleibt alsonoch viel zu erforschen in der Gattung Graptemys.Schlupf von Graptemys versa. Schon von Geburt an zeigendie Tiere den arttypisch diademartigen gelben Streifenhinter den Augen.51

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