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LERNEN MIT ZUKUNFT März 2019

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information & schule Individualismus erhalten: Die Ökologie des Lernens NACHHALTIGE ENTWICKLUNG DER GESELLSCHAFT UND IHRER AKTEURE Gerald Ehegartner Lehrer, Autor, Naturpädagoge und Visionssucheleiter „Akademie für Potentialentfaltung“, „Lernwelt“; www.geraldehegartner.com Kopfsprung ins Herz – Als Old Man Coyote das Schulsystem sprengte Autor: Gerald Ehegartner Verlag: tao.de – Kamphausen Als ich vor ein paar Jahren noch zur Schule ging, interessierte es kaum jemanden, wie erfolgreich das Schulsystem in Finnland oder in Südkorea war. Erst mit der Globalisierung und dem immer stärker werdenden Wettbewerb begann man, Bildungssysteme zu vergleichen. Nun sind wir an einem Punkt angelangt, wo gerade die Bildung als Garant für die internationale Wettbewerbsfähigkeit gilt. Vergleichstests, Rankings, Messungen und Kompetenz-Checks sollen die Antworten auf viele Fragen geben. Das organisierte Lernen soll ständig effizienter werden. Schüler laufen deswegen seit Jahren Gefahr, immer stärker in die Denke der neoliberalen Verwertbarkeit eingespeist zu werden – um letztendlich als nützliche Produkte auf einem umkämpften Markt zu landen. Die freie Entfaltung, kritisches Denken, Kreativität usw. geraten ins Hintertreffen – sie gelten auch als kaum messbar. Die Folge ist Stress, immer mehr Schüler und Lehrer schlittern in Burn-outs, Schüler verweigern sich dem Schulsystem usw. Die Intensivierung, „Industriealisierung“ und Internationalisierung der „Schul-Wirtschaft“ hat ihren Preis. Ich muss dabei unweigerlich an die Intensivierung der Landwirtschaft denken. Jahrzehntelang galt sie als Beleg dafür, wie sehr der Mensch die Leistungen der Natur verbessern konnte. Monokulturen, Düngemittel, Unkraut- und Schädlingsvernichtungsmittel, neue Züchtungen und nicht zuletzt die Gentechnik garantierten eine Steigerung des Ernteertrags um ein Vielfaches. Die Industrialisierung schien Wunder zu wirken, die Geldkassen einiger weniger Konzerne klingelten kräftig. Nun stehen wir vor einem Desaster. Der ehemalige Traum von der Leistungsund Profitmaximierung im Ernährungssektor weicht immer mehr einem Alptraum. Viele Böden gelten als unfruchtbar, Nutztiere, die wie Waren behandelt werden, leiden immens, Insekten und viele Vogelarten steuern einem Kollaps zu. Besonders das Sterben der Insekten lässt Biologen erschauern, stehen sie doch am Anfang der Nahrungskette und sind für die Fortpflanzung unzähliger Pflanzenarten maßgeblich. WIRD DIE SCHULE NICHT VON DER- SELBEN DENKE IMMER STÄRKER ERFASST? Sind unsere Schulen nicht auch Monokulturen, in denen wir denselben Typ Schüler – benötigt von einer oftmals auch lebensfeindlichen Wirtschaft – produzieren wollen? Setzen wir nicht auf unnatürliche Lernräume? Verlieren wir nicht auch die „Biodiversität“ an Schülerpersönlichkeiten bei dem Versuch, Schule mess- und handelbar zu machen? Füttern wir unsere Schüler nicht auch mit „pädagogischen Fertigprodukten“? Und gehen nicht auch Lebensräume der Seelen-Landschaft verloren, die Wildheit des ursprünglichen Lebens, die Artenvielfalt an Potentialen? „Diese Menge an eingesperrten Tieren, von deren Ressourcen wir zehren – ist das nicht ein Sinnbild für 4 | MÄRZ 2019

information & schule unsere Art zu leben?“, findet sich als Hinweis in meinem Buch „Kopfsprung ins Herz – Als Old Man Coyote das Schulsystem sprengte“. Dieses Bild darf auch auf die Schule umgelegt werden. „Wir haben die Wahl: Entweder wir produzieren gleichgeschaltete Massenware in unseren staatlichen Bildungsfabriken oder wir gewähren Autonomie an den Schulen vor Ort. In den Bildungsfabriken können Schüler, Eltern und Lehrer wenig bestimmen. Didaktische und pädagogische Freiheit ist dort nur ein inhaltsleeres Schlagwort. Und nun will man auch die Lehrer-Schüler-Beziehung kappen. Lehrer werden zu Gehilfen eines Prüfungssystems, bei dem alles vorgegeben ist, wie bei den Tieren in den Mastställen….“, ist weiter zu lesen. So laufen wir Gefahr, dass viele bunte Vögel aus unserer Gesellschaft verschwinden, wenn wir auf diese Art und Weise vorgehen. Ressourcenausbeutung statt Potentialentfaltung steht im Raum. Doch Kinder und Jugendliche wehren sich, wie die Klimastreiks zeigen. Es geht um das Leben selbst, um eine neue „Erd-Demokratie“ und nicht um die Nutzbarmachung des Lebens. Wir brauchen keine Kinder als Nutztiere, wir brauchen freie Kinder, die sich in einem förderlichen Umfeld individuell entfalten dürfen. In diesem Sinne ist eine menschliche Revolution viel eher gefragt als eine weitere technische, um in Wahrheit ein lebensfeindliches System zu retten. Also, wagen wir den Kopfsprung ins Herz – und tanzen wir verrückt von den Schienen eines begradigten Lebens. Auf das Leben! Foto: © Archiv Gerald Ehegartner 5 | MÄRZ 2019