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Beschaffung aktuell 01-02.2024

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» MANAGEMENT Liegt die

» MANAGEMENT Liegt die Besonderheit von Sigreen gerade in den gelösten Fragen zur Verifizierbarkeit? Das ist es, was Sigreen an sich so einzigartig macht. Also um vertrauenswürdige CO 2 -Emissionswerte entlang der gesamten Lieferkette zu verfolgen, brauche ich bestimmte Mechanismen. Dabei geht es um Folgendes: Lieferanten wollen die Datenfreiheit nicht aufgeben und aus Wettbewerbsgründen keine vertraulichen Informationen austauschen. Gleichzeitig muss man diesen Informationen aber vertrauen können, also müssen sie verifiziert sein. Zusätzlich bedarf es der Möglichkeit, anzugeben, nach welchen Methoden diese Informationen zur Verfügung gestellt werden sollen, da Unternehmen beispielsweise nicht allein die Chemieindustrie, sondern auch die Automobilindustrie beliefern. Noch gibt es hier keine universellen Standards, weswegen Informationen entsprechend industriespezifisch weitergeben werden, um aggregierbar zu sein. Welche Rolle spielen Zertifikate und Zertifizierungen bei all dem? Zertifikate sind für uns so wichtig, weil sie zum einen ermöglichen, dass Informationen weitergegeben werden, die vertrauenswürdig sind, ohne dass Details bekannt werden, ohne dass vertrauliche Informationen weitergegeben werden. Zum anderen können die verifizierbaren Zertifikate, die Verifiable Credentials, wieder zurückgezogen werden, sollte sich im Prozess etwas geändert haben. Die verifizierbaren Zertifikate werden von einer unabhängigen dritten Partei, von Akkreditierern, ausgestellt. Und das passiert über ein sogenanntes dezentrales Netzwerk. Hat ein Zertifikat seine Gültigkeit verloren, kann es mit neuem und verlässlichem Wert ausgestellt und versendet werden. Dem kann man wieder vertrauen – und hat eben die Sicherheit, seinen CO 2 -Fußabdruck immer aktuell halten zu können. Die Information des CO 2 -Wertes wird entlang bereits bestehender Geschäftsbeziehungen ausgetauscht, das Zertifikat aber über eine dezentrale Infrastruktur, wo man die Informationen mit Private Keys verschlüsselt und mit Public Keys verifizieren kann, die eben in dieser dezentralen Infrastruktur liegen. Wir nutzen das IDunion-Netzwerk beziehungsweise nennen wir es auch das Estainium-Netzwerk, weil wir dort einen sogenannten TSX, also einen Connector, eine Anbindung entwickelt und zum Patent gebracht haben. Dieser ermöglicht die Verbindung zwischen Sigreen und dem dezentralen Netzwerk, damit die Verifizierungszertifikate ausgestellt werden können. Der TSX – wir nennen ihn Trustworthy Supply Chain Exchange Connector – bildet ein wesentliches Differenzierungsmerkmal zu Lösungen, die wir bisher gesehen haben. Was ist daten- und workflowmäßig erforderlich, um den CO 2 -Produktfußabdruck beeinflussen zu können? Eingangs nutzen Sie eine Materialliste, in der die entsprechenden Detailinformationen zu Gewicht, Dimensionen und weiteren Details vermerkt sind. Die Siemens-Software Sigreen bietet Mechanismen , um vertrauenswürdige CO 2 -Emissionswerte entlang der gesamten Lieferkette zu managen. Bild: Siemens 40 Beschaffung aktuell » 1-2 | 2024

Auch die Lieferanten sind hinterlegt. Diese Materialliste, die aus unserer Teamcenteranwendung – unserem Backbone für das Engineering – bereitgestellt wird, wird über Sigreen abgegriffen. Anschließend kann man seine Anfrage direkt an die Lieferanten rausschicken, mit der Bitte, den CO 2 -Fußabdruck zu einem bestimmten Produkt, zu einer gelieferten Komponente zu bekommen. Was man im Vorfeld tun kann, sind erste Lebenszyklus-, kurz: LCA-Berechnungen des CO 2 -Fußabdrucks, um eine Vorabschätzung und klare Indikation zu haben, auf welche Baugruppen man sich fokussieren sollte, weil sie „CO 2 -auffällig“ sind. So kann die Reise gezielt beginnen, um ein Produkt umweltfreundlicher zu bekommen. Deswegen sagen wir, es handelt sich um ein Product-Carbon-Footprint-Management-Tool, weil es eben Transparenz sowie Fokussierung und letztlich die Beeinflussung des CO 2 -Fußabdrucks ermöglicht. Bild: Siemens Es wird nicht gang und gäbe sein, dass Lieferanten diese Daten bereithalten. So ist es. Was wir allerdings sehen, ist ein wachsender Druck seitens Regulierungsbehörden, Interessensgruppen und unserer Gesellschaft allgemein, sodass die Awareness, die Bereitschaft bei den Industrieunternehmen da ist und viele vorbereitet sind. Es hängt aber auch von der Größe eines Unternehmens und davon ab, welche Produkte mit welchen Materialien ausgeliefert werden. Und zusammenfassend: Die Emissionen, die unter der direkten Kontrolle der Unternehmen stehen, also die Scope-1-Emissionen sowie die Emissionen aus der außerhalb des Unternehmens erzeugten gekauften Energie, also Scope 2, sind bekannt. Sie sind erfasst und können offengelegt werden. Damit werden die gesamten Fehler über die Kette bereits geringer und der Anteil an Real - daten erhöht sich. Das ist schon ein Mehrwert, wenn man in die Reise einsteigt. Darüber hinaus werden zunehmend die sogenannten Scope-3-Emissionen erfasst – die Emissionen entlang der Wertschöpfungskette. Vielleicht hat ein Unternehmen auch schon ein Umweltziel kommuniziert. Falls ja, findet man in den Unternehmen bereits Strukturen vor, die eine systematische Ermittlung und Bereitstellung der Daten eben ermöglichen. Und wenn dem nicht so ist? Dann sollten die Unternehmen Tools wie Sigreen zur Unterstützung in Erwägung ziehen, da die Erfassung und Analysen dieser Daten und des Energieverbrauchs einschließlich der Endanwendung den Rahmen der manuellen Techniken immer sprengen. Durch den Einsatz geeigneter Softwarewerkzeuge kann sich ein Unternehmen viel Wiederholungsarbeit ersparen, weil Daten systematisch erfasst werden. Welche Unternehmen können Sigreen einsetzen? Die industriellen Lieferketten kreuzen sich, teilen sich, drehen Schleifen. Daher ist Sigreen an sich erstmal industrieagnostisch. Auf der anderen Seite können wir als Start-up innerhalb von Siemens, das seit etwa zwei Jahren auf dem Markt ist, nicht alle Industrien gleichzeitig und gleich intensiv bedienen sowie deren spezifische Anforderungen sofort im Detail erfüllen. Aktuell fokussieren wir uns sehr stark auf die Prozessindustrie, die Chemieindustrie, die Automobilindustrie und die Lebensmittelindustrie. Vor allem deren Regelwerke bilden wir heute bereits in Sigreen ab. Wer sind die Anwender der Sigreen-Software in den Unternehmen? Einkäufer, Produktmanager, Werkleiter, das General Management sowie das Sustainability Management. Wir stellen diesen Anwendern mit ihren unterschiedlichen Anforderungen bei der Informationsaufbereitung und Darstellung spezifische Bedienermasken zur Verfügung. Das Interview führte Nico Schröder, Korrespondent Beschaffung aktuell, Augsburg. Dr. Gunter Beitinger ist seit 2015 für die Werke der Geschäftseinheit Factory Automation bei Siemens Digital Industries verantwortlich – unter anderem auch für das Siemens-Werk in Amberg. Beschaffung aktuell » 1-2 | 2024 41

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