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Beschaffung aktuell 12.2022

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» MANAGEMENT Dr. Erk Thorsten Heyen, Senior VP Procurement & Logistics (CPO), Wacker Chemie AG Transformation geschafft! Das Silicium von Wacker steckt in Kosmetikprodukten genauso wie in Halbleitern und Solarzellen. Seit fünf Jahren arbeitet Erk Thorsten Heyen mit seinem Team an der Transformation der Beschaffung des Spezialchemieunternehmens. Inzwischen laufen 99,5 Prozent des Beschaffungsvolumens über den globalen Einkauf. Auch digital ist der Einkauf her - vorragend aufgestellt. Was auf dem Weg wichtig war, erzählt der CPO im Interview. Beschaffung aktuell: Herr Dr. Heyen, bevor Sie 2009 zu Wacker kamen, waren Sie für Infineon tätig . Was haben die beiden Branchen (Chemie, Halbleiter) gemeinsam? Was konnten Sie mitnehmen? Dr. Erk Thorsten Heyen: Den größten Teil des Umsatzes erzielt Wacker mit Silicium-Chemie. Wir sind ein weltweit führender Hersteller von silikonbasierten Produkten und auch von ultra-reinem Silicium, dem Hauptrohstoff für Halbleiter und Solarzellen. Insofern habe ich beim Wechsel von Infineon zu Wacker einen Schritt in Richtung Anfang der Wertschöpfungskette gemacht. Den Wechsel von der stark kundenorientierten Business-Unit-Leiter-Rolle in den Einkauf habe ich als ungemein bereichernd erlebt. Denn tatsächlich ist man ein erfolgreicherer Einkäufer, wenn man vorher im Vertrieb gearbeitet hat – und umgekehrt. Erk Thorsten Heyen Dr. Erk Thorsten Heyen startet nach Physik- Studium an der LMU München und Promotion am Max-Planck-Institut seine berufliche Karriere bei McKinsey und dem Bertelsmann-Konzern, dort in verschiedenen Managementfunktionen im Bereich Finance und der strategischen Geschäftsentwicklung. 2003 wechselte er zum Halbleiterhersteller Infineon, zunächst als Business-Unit-Leiter für Mobilfunkchips, ab 2005 als Corporate VP Strategy und M&A. Seit 2009 ist Heyen für Wacker Chemie tätig. Bis 2017 verantwortet er zunächst das Marketing und den Vertrieb des Geschäftsbereichs Wacker Polysilicon, dann als Senior VP den Einkauf von Rohstoffen und Energie. Seit fünf Jahren ist er global für Einkauf und Logistik des Chemieunternehmens verantwortlich. Wie ist der Einkauf bei Wacker organisiert? Heyen: Wir sind als Matrix aus Kategorien und Regionen organisiert. An mich berichten vier sogenannte „Clusterleiter“, die jeweils die globale Einkaufsverantwortung für Rohstoffe, Energie, Technischen Einkauf und Allgemeinen Einkauf haben. Außerdem berichtet an mich der Leiter Procurement Excellence und der Logistikleiter, die ebenfalls global verantwortlich sind. In den Regionen gibt es jeweils Einkaufsteams, die ähnlich strukturiert sind. Aber es gibt ein paar Besonderheiten, die ich herausheben möchte: Erstens. Wir haben in allen Clustern keinen Standort-Einkauf mehr, sondern nur noch regionale Teams. Die regionalen Einkaufsteams kaufen jeweils für alle Standorte der Region ein. Zweitens. Die Top-Rohstoffe der Geschäftsbereiche sind als separate Teams organisiert, die an den Leiter des Rohstoffeinkaufs berichten. Diese Organisationsform hat sich sehr bewährt, denn sie ermöglicht eine sehr enge Einbindung dieser Top-Rohstoff-Teams an die jeweiligen Geschäftsbereiche; und gleichzeitig können wir die global zentralisierte Einkaufsstruktur beibehalten. Drittens. Wir haben einen perfekten Datenwürfel: Alle Standorte verwenden die gleiche Warenklassenhierarchie und das gleiche SAP-System. 99.5 Prozent des globalen Einkaufsvolumens laufen über den Einkauf. Der Einkauf bei Wacker hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert. Was haben Sie verändert und mit welchen Zielen? Heyen: Es gab drei Schwerpunkte für Veränderungen in den letzten zehn Jahren: Erstens die Entwicklung eines starken Strategischen Einkaufs, der die jeweiligen Beschaffungsmärkte gut versteht und smarte Beschaffungsstrategien entwickelt. Zweitens die immer weiter fortschreitende Digitalisierung und Effizienzsteigerung. Und drittens den Aufbau eines professionellen Lieferantenmanagements, mit einem zunehmenden Schwerpunkt auf Nachhaltigkeitsthemen. 14 Beschaffung aktuell » 11-12 | 2022

»Tatsächlich ist man ein erfolgreicherer Einkäufer, wenn man vorher im Vertrieb gearbeitet hat – und umgekehrt.« Bild: Wacker Chemie AG Dann lassen Sie mich gleich beim ersten Schwerpunkt nachfragen: Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Voraussetzungen für einen erfolgreichen Strategischen Einkauf? Heyen: Das Allerwichtigste sind die Strategischen Einkäufer selbst: Wir brauchen sehr unternehmerische Personen, die sowohl analytisch stark sind als auch geschickte Kommunikatoren und Verhandler – und außerdem noch interkulturell einsetzbar. Das ist eine seltene Kombination von Begabungen. Solche Mitarbeiter suchen und entwickeln wir ganz gezielt. Ebenso wichtig ist die systematische Organisation der strategischen Zusammenarbeit mit den Bedarfsträgern. Dafür haben wir je nach Kategorie unterschiedliche Organisationsformen. Aber überall finden mehrstufige Abstimmungs-Meetings statt: Die Bottom-up-Strategieentwicklung zwischen dem Einkauf und den Bedarfsträgern findet in sog. „Category Teams“ statt, die je nach Marktspezifika global oder regional zusammengesetzt sind. Und es gibt Management Alignment Meetings, oftmals auf mehreren Ebenen bis hinauf zum Vorstand. Dadurch hat der Einkauf ein gutes Verständnis für die strategischen Anforderungen der Geschäftsbereiche und ist frühzeitig in alle wichtigen Projekte eingebunden. Andererseits hat der Einkauf dadurch die Möglichkeit, die gesamte Organisation von sinnvollen Veränderungen zu überzeugen und diese durchzusetzen. Wie sieht die Digitalisierungsstrategie des Einkaufs aus? Wo stehen Sie, wo wollen Sie hin? Heyen: Schon seit vielen Jahren hat Wacker einen hohen Automatisierungsgrad von weltweit mehr als 70 Prozent mit einer automatischen Auslösung von Bestellungen aus Rahmenverträgen oder Katalogen. Das haben wir dadurch erreicht, dass wir die Möglichkeiten des klassischen SAP ausgereizt haben. Vor drei Jahren haben wir dann das Projekt Next Generation Procurement begonnen. Dabei haben wir eine Sourcing-Plattform und eine Guided-Buying-Plattform angebaut – übrigens von unterschiedlichen Anbietern. Inzwischen erreichen wir globale eRFQ-Quoten, das heißt Anteile größerer Ausschreibungen über die Plattform, von über 60 Prozent. Wir führen jedes Jahr eine dreistellige Zahl von Auktionen durch – teilweise mit erstaunlichen Ergebnissen. Bis zum Jahresende 2022 werden wir die klassische SAP-Bestellanforderung komplett abgeschafft haben und alle Bestellanforderungen über das Guided Buying routen. Das wird uns helfen, den User schnell auf den richtigen Einkaufskanal – Katalog, Rahmenvertrag, Ausschreibung – zu führen und den Anteil der Be- Dr. Erk Thorsten Heyen, Senior VP Procurement & Logistics (CPO), Wacker Chemie AG. Beschaffung aktuell » 11-12 | 2022 15

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