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Compendium Volume 9 German

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TAGE DER OFFENEN TÜR

TAGE DER OFFENEN TÜR Immer mehr Uhrenmessen gewähren dem breiten Publikum Zutritt. So werden die exklusiven, einst Insidern, Journalisten und Händlern vorbehaltenen Veranstaltungen zu Pflichtterminen für Uhrenbegeisterte. Von Ming Liu Es gibt Uhrenliebhaber, die finden, dass die Kunst der Horlogerie einer elitären Gruppe aus Experten und Sammlern vorbehalten sein sollte. Jene sollten hier wahrscheinlich aufhören zu lesen. Von der jährlichen Schweizer Branchenveranstaltung Watches and Wonders bis hin zu lokalen Zusammenkünften rund um den Globus öffnen Uhrenmessen ihre Pforten für jedermann – und die Enthusiasten bekommen nicht genug davon. Uhrenmessen sind seit jeher branchenspezifische B2B-Veranstaltungen, bei denen Hunderte von Marken den Medien und Händlern ihre Neuheiten präsentieren und Letztere ihre Bestellungen für das kommende Jahr aufgeben. Die Baselworld war bis zu ihrer letzten Auflage über ein Jahrhundert lang der wichtigste Branchentreff, ein Status, den nun die Watches and Wonders in Genf übernommen hat. Zwar war die Baselworld für die Öffentlichkeit zugänglich, aber da es sich um eine Fachmesse handelte, tauchten dort nur die eingefleischtesten Aficionados auf. „Die Messen waren Events für Großhändler, Einzelhändler und die Medien – und für ein paar glückliche Sammler, die sich einschlichen und versuchten, nicht im Weg zu stehen“, erinnert sich der Sammler Gary Getz, der seit über 15 Jahren Uhrenmessen besucht. All das ändert sich nun. Nachdem 2019 ein öffentlicher halber Tag eingeführt wurde, war die Watches and Wonders diesen April vier Tage lang für die Öffentlichkeit zugänglich. Letztes Jahr, als dies bereits an zwei Tagen der Fall war, wurden alle 12.000 Eintrittskarten verkauft. Andere, stärker auf Verbraucher ausgerichtete Messen rund um den Globus verzeichnen Rekordbesucherzahlen, darunter die Dubai Watch Week (DWW), die Watch Week in Singapur, der Salón Internacional Alta Relojería (SIAR) in Mexiko, die WatchTime in New York oder die Watch Days in Genf. Patrick Pruniaux, Generaldirektor und Mitbegründer der Sowind Group, zu der die Uhrenhersteller Ulysse Nardin und Girard-Perregaux gehören, ist Mitbegründer der Geneva Watch Days und Mitglied des Organisationskomitees von Watches and Wonders. „Ich bin ein großer Befürworter davon, die Leidenschaft zu teilen, sowohl mit Kunden als auch mit Nicht-Kunden und mit Menschen, die jetzt oder auch erst später Luxusuhren kaufen“, erklärt er. Wie Pruniaux würden es viele andere Führungskräfte aus der Uhrenbranche begrüßen, wenn sich Uhrenmessen ähnlich wie die Art Basel oder die Art Basel Miami Beach zu einem kulturellen Reiseziel und festen Bestandteil des Terminkalenders entwickelten. Viele Uhrensammler, die der WatchTime oder der DWW beiwohnen, machen daraus einen Urlaub, besuchen neben der Messe zusammen mit Gleichgesinnten Beachclubs und Restaurants und bringen oft auch ihre Partner und Kinder mit zur Messe. „Ich habe schon Großväter um die 80 mit ihren Enkelkindern in den 30ern gesehen“, berichtet Sara Orlando, die Herausgeberin des Watch Time Magazine, das die gleichnamige Messe organi- 80

siert. „Selbst wenn die Messen zu gesellschaftlichen Terminen werden, sind sie lehrreich“, so Pruniaux. „Es gibt nichts Besseres als persönliche Gespräche.“ Der nach der Pandemie verstärkte Wunsch nach Live-Events und die zunehmende Präsenz in den sozialen Medien haben aus dem Nischenhobby des Uhrensammelns eine Mainstream-Leidenschaft werden lassen, wie Orlando ausführt. Die WatchTime ist von 700 Besucher und 20 Marken im Jahr 2015 auf über 2.000 Besucher und 36 Marken im Jahr 2023 angewachsen. Die alljährlich im Oktober in der Gotham Hall in Manhattan stattfindende Veranstaltung wurde im vergangenen Jahr an einem Freitag mit einem intimen Galaabend mit 460 Gästen eröffnet. Am Wochenende wurden die Besucher dank des preisgekrönten Schauspielers Aldis Hodge und des Geschäftsmanns, TV-Stars und Sammlers Kevin O’Leary mit kostenlosen Wein- und Whiskyverkostungen, lehrreichen Diskussionsrunden und sogar mit etwas Promi-Spotting verwöhnt. Die WatchTime zieht seit Langem Uhrenliebhaber an, von denen viele wegen unabhängiger Marken wie MB&F, Greubel Forsey und Armin Strom kommen, deren Uhren selten in freier Wildbahn zu sehen sind. Aber auch Einsteigermarken wie G-Shock und Norqain sind auf der Messe willkommen. „Das Konzept funktioniert, wenn es darum geht, hochkarätige Sammler anzuziehen – zum Beispiel solche mit mehr als 25 Uhren und Sammlungen im Wert von mehreren Millionen Dollar“, weiß Orlando. „Die Messe ist aber auch etwas für neue Sammler, die sich vielleicht nicht trauen, auf der Fifth Avenue in eine Uhrenboutique zu gehen, und sich Wissen aneignen möchten.“ Die Uhrmacherei weniger einschüchternd zu machen, ist genau das, worum es bei der Dubai Watch Week geht. Viele Führungskräfte aus der Uhrenbranche bezeichnen die alle zwei Jahre stattfindende Veranstaltung inzwischen sogar als ihr Lieblingsevent. Die Mischung aus nicht kommerziellem Charakter (vor Ort werden keine Uhren verkauft), fantastischem Novemberwetter und einer Vielzahl von Podiumsdiskussionen, Masterclasses und speziellen Markteinführungen verleiht der Messe ein aufregendes, aber entspanntes Flair, ein Ambiente, in dem man François-Henry Bennahmias, den legendären ehemaligen CEO von Audemars Piguet, mit einem Eis auf der Treppe sitzen sieht. „Es geht einfach darum, mit Leuten zu reden, ihnen die Hand zu schütteln, ein Lächeln mit ihnen auszutauschen und etwas Zeit mit ihnen zu verbringen“, schwärmt der in Florida ansässige Uhrenhändler Eric Wind über die DWW. „Es ist eine relaxte Urlaubsatmosphäre. Alle sind sehr entspannt. Weg von zu Hause zu sein, hilft da natürlich auch sehr.“ Laut Hind Seddiqi, der Generaldirektorin der Messe, können Marken auf der DWW vor allem direkt mit Verbrauchern in Kontakt treten. „Sie hören ihren Kunden hier zu und erfahren, was diese wollen, mögen und nicht mögen. Das hilft den Marken, bessere Produkte und Dinge zu entwickeln, an die sie nie gedacht hätten“, führt Seddiqi aus. Die DWW konnte ein beeindruckendes Wachstum verzeichnen. Aus 14 teilnehmenden Marken und 2.500 Besuchern im Jahr 2015 wurden bei der letzten Auflage fast 70 Marken und über 23.000 Besucher. „Am Anfang war es jedoch extrem schwierig, Marken und Journalisten zu überzeugen“, denkt Seddiqi zurück. „Sie fragten: ‚Warum soll ich in die Wüste, um über Uhren zu reden? Wer sind Sie?‘ Es war eine Herausforderung.“ Doch das Unternehmen Ahmed Seddiqi & Sons, das in mehr als 60 Boutiquen in den VAE über 80 Uhren- und Schmuckmarken vertritt, wusste, dass es ein Erfolgsrezept zur Hand hatte. „Früher brachten wir unsere Kunden nach Genf und besuchten mit ihnen Manufakturen. Sie kamen immer wie verwandelt zurück“, erzählt Seddiqi. „Die Uhrmacherei gilt als eine abgeschottete Branche, in der du nur dazugehören kannst, wenn du dich auskennst. Wir wollten sie menschlicher machen.“ Die Begeisterung unter der nächsten Generation an Uhrenfans ist größer denn je. „Meine 14-jährige Nichte verfolgt das Geschehen im Livestream der Messe“, verkündet ein DWW-Besucher. „Sie meinte, in zwei Jahren soll ich sie unbedingt mitnehmen.“ Ebenfalls ein jüngeres Publikum zieht der Salón Internacional Alta Relojería (SIAR) an, der mittlerweile zum 18. Mal abgehalten wird und als Mexikos größtes Luxusevent des Jahres bezeichnet wird. Laut Carlos Alonso, dem Gründer des SIAR, war der Großteil der Besucher vor der Pandemie älter als 39. Heute sind sie Ende 20 bis Anfang 30. „Sie kommen mit ihren Freunden und sehen Uhren als etwas Trendiges und Cooles“, sagt er. Abgehalten wird der SIAR jedes Jahr im Oktober. Auf vielfachen Wunsch hin hat 81

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