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Motocross Enduro - 03/2015

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Ruck, zuck geht’s im neuen Jahr voran! Hier haltet ihr bereits die dritte Ausgabe des Jahres 2015 in den Händen. Diese ist natürlich wieder vollgestopft mit News zu Technik und Racing. Unsere drei Testbikes kommen diesen Monat aus dem Hause GasGas, KTM und Husqvarna. Ein Trio, das verschiedener kaum sein könnt...

KLASSIK Seitenwagensport

KLASSIK Seitenwagensport Historisches SW-Foto aus 1970, Wasserdurchfahrt Lothar Klein auf BMW • Foto: Archiv Klein SALZ SUPPE DAS IN DER Juli 1970, Rangau-Geländefahrt im fränkischen Uehlfeld. Ein Raunen geht durch die vielen Zuschauerreihen entlang einer der zahlreichen Steilauffahrten. Die solofahrende Zweitaktmeute ist längst durch, als plötzlich im Wald, zusammen mit Windgeräuschen das dumpfe Viertaktgrollen eines Zweizylindermotors zu hören ist. „Das erste Gespann!“, ruft aufgeregt ein Zuschauer und alle recken die Hälse nach vorne. Schon jagt eine silberfarbene BMW mit Seitenwagen atemberaubend und wild durch die enge, mit Bäumen dichtgesäumte Waldschneise der Auffahrt. Der Beifahrer im Boot hängt tollkühn rechts über dem Seitenwagenrad. Die vielen Zuschauer johlen lautstark und applaudieren kopfnickend für die gekonnte staubhaltige Showeinlage. Zehn weitere Seitenwagenteams folgen und das kaum weniger spektakulär. Der Veranstalter hatte im Vorfeld massiv Werbung für den Gelände-Seitenwagensport gemacht und die Zuschauer waren in Scharen gekommen. Natürlich war man auch auf die Auftritte der Werksfahrer von Maico, Zündapp und Hercules bei diesem DM-Lauf gespannt. Dennoch waren es damals stets ausschließlich die tollkühnen Männer in ihren „fliegenden Kisten“ – den Gespannen – die die Zuschauermassen elektrisierten. Die Brüder Hartmann aus Ingelheim oder die bärtigen Hartmänner aus Schnaitheim kannte jeder Interessierte genauso wie Noss/Noss aus Wiehl und viele andere Seitenwagen-Teams aus ganz Deutschland. Schließlich hatte der Seitenwagensport bei uns eine riesige und lange Tradition. In den 1950er Jahren gab es allein drei unterschiedliche Seitenwagenklassen in der deutschen Geländemeisterschaft. Die beiden leichteren Klassen wurden von den NSU-Max-Gespannen dominiert und die schwere Klasse war die Domäne der „Grüne Elefanten“ von Zündapp. Der legendäre Josef Kelle aus Weinsberg errang mit unterschiedlichen Beifahrern, darunter auch die spätere Tuner-Legende Roland Eckert, zehn Meistertitel für NSU. Ab 1967 gab es schließlich nur noch eine Gespannklasse, NSU Max-Gespann von Josef Kelle im Dt. Zweiradmuseum Neckarsulm die sich in den 1970er Jahren zur Domäne der Zweizylinder-BMWs entwickelte. Waren ursprünglich die Geländesportgespanne noch sehr seriennahe Fahrzeuge, erkannte man in der BMW-Ära schon erste Ansätze von Rennsporttechnik im Gespannsport. Aus dem „Beiwagen-Boot“ von einst wurden plötzlich schlichte Plattformen mit Sitzund Werkzeugtruhe sowie vorne einer leichten und aerodynamischen Aluhaube. Fortan waren es Männer wie Günther Steenbock, Peter Römer, Willi Heitmann (Heos), Friedhelm Zabel, um nur einige zu nennen, die als geniale Techniker und Tüftler der deutschen Seitenwagenszene nachhaltig ihren Stempel aufdrückten. Auch Einflüsse von EML in den Niederlanden oder Wasp aus Großbritannien machten sich nun im Rahmenbau bemerkbar. Das schlichte und biedere Design der angeflanschten Seitenwagen änderte sich relativ schnell. Die Sitztruhe verschwand und moderner Leichtbau griff zügig um sich. Der Schmiermaxe konnte von da an nur noch stehen. Fahrwerke und Antriebsstränge wurden nun laufend verbessert. Der Gespannsport boomte. In den späten 1970er Jahren wurden bei guten Veranstaltungen teilweise sogar über 40 Gespanne an den Start gebracht, unterteilt in B-/Aund I-Lizenz. 1981 entwickelte der geniale Tüftler Günther Steenbock aus Rosbach in Hessen erstmals einen Kettenantrieb für den BMW-Zweizylinder-Boxer in seinem Geländegespann, mit dem er nach 1965 im gleichen Jahr auch zum zweiten Mal den deutschen Geländetitel einfahren konnte. Die Steenbock-BMW wurde fortan zu einem feststehenden Begriff im Seitenwagensport. Mit seinem Kettenantrieb für den BMW-Motor erreichte er viele Vorteile gleichzeitig. Er konnte eine leichtere und längere Hinterradschwinge verwenden und die Federwege wurden ebenfalls größer. Das Fahrzeuggewicht verringerte sich ebenso wie die ungefederte Masse am Hinterrad. Mit dem erzielten längeren Radstand konnten zudem noch bessere Fahreigenschaften erreicht werden und der Kettenantrieb ermöglichte zusätzlich, einen schnellen Übersetzungswechsel vorzunehmen. Auf Grundlage dieser technischen Weiterentwicklung wurden 66 MCE März '15

anschließend noch viele Meistertitel mit dem BMW-Antriebsaggregat gewonnen, ehe andere Motorenkonzepte konkurrenzfähig oder aus Leichtbaugründen gar überlegen wurden. Die deutsche Geländemeisterschaft wurde 1983 in die Enduro-Meisterschaft umbenannt und von 2001 bis 2012 als Deutscher Seitenwagen-Cup weitergeführt. Mangels Beteiligung wurde das Meisterschaftsprädikat anschließend vom DMSB eingestellt. Schade eigentlich, denn die dicken Brummer sind auch heute oftmals erst die richtige Prise „Salz in der Suppe“ einer tollen Geländesportveranstaltung. Nicht nur wegen der artistischen Fahrtechnik, sondern auch wegen der mitunter sehr edlen Rennsporttechnik. In der deutschen Enduro-Klassik-Szene haben die Gespanne leider nur bei einigen wenigen Veranstaltungen im Jahreskalender ihren festen Platz. Trotzdem darf man es ruhig glauben, das Zuschauerinteresse an den Dickschiffen mit tollkühnen Piloten und Seitenwagenartisten ist ungebrochen. Wenn sie atemberaubend Auffahrten hochdonnern, Schlammlöcher durchqueren oder artistisch durch Sonderprüfungen und über Sprunghügel jagen, geht wie eh und je ein Raunen und Staunen durch die Zuschauerränge. Dass der Seitenwagensport keine reine Männerdomäne mehr ist, sondern auch immer öfter ein weiblicher Beistand im Boot turnt, erhöht dabei durchaus den Reiz an der Sache. Die Seitenwagenszene hat sich in den vergangenen Jahren gut erholt und wieder sehr erfreulich und positiv entwickelt. Etwa zehn bis zwölf eingefleischte Sidecar-Teams lassen es sich nicht nehmen, ihre historischen Dreirad-Schätze aus der Garage zu holen, wenn denn mal wieder die Klassik-Gespann-Klasse bei einer Veranstaltung mit ausgeschrieben wird. Doch das ist leider viel zu selten der Fall. Viele Veranstalter haben unverständlicherweise noch immer eine nicht nachvollziehbare Scheu davor, das Seitenwagenthema anzupacken. Warum eigentlich Wer als Veranstalter in der Lage ist, Umfahrungen für lebensältere Senioren über 60 auszuschildern, der sollte erfahrungsgemäß auch kein Problem damit haben, seitenwagengerechte Geländestrecken oder Umfahrungen anbieten zu können. Jeder Veranstalter, der meint, über zurückgehendes oder mangelndes Zuschauerinteresse im Endurosport klagen zu müssen, dem sei dringend ein Griff in die eingangs geschilderte Trickkiste aus dem Jahr 1970 geraten. Das gilt natürlich auch für den DMSB und alle seine veranstaltenden Clubs. Schließlich hat der Gespannsport bis heute nichts, aber auch gar nichts, von seiner Zuschauerattraktivität verloren. Da ruht ein Potenzial, das von vielen Veranstaltern nicht erkannt und nicht genutzt wird. Der Enduro-Seitenwagensport hätte längst wieder ein eigenes Prädikat für eine offene Seitenwagen- Klasse verdient. Etwa acht bis zehn Teams in Deutschland, ausgestattet mit attraktiver moderner Seitenwagentechnik, warten regelrecht darauf, ihr sportliches Können im Rahmen einer bundesweiten Meisterschaft wieder unter Beweis stellen zu dürfen, wenn man in der DMSB-Zentrale in Frankfurt endlich auf ihre Anfragen reagieren würde. Veranstaltende Vereine und auch die Motorsportverbände sollten überlegen, sich hier verstärkt zu engagieren und dem mehr als sehenswerten Enduro-Seitenwagensport, sei es in der Klassik-Szene oder auch mit Fahrzeugen der aktuellen modernen Technik, wieder zu mehr Popularität zu verhelfen. Nur so lässt sich das Erbe von Pionieren wie Günther Steenbock einer war – er verstarb am 24. Dezember 2014 nach langer schwerer Krankheit im Alter von 82 Jahren – fortführen. Und eine tolle Bereicherung für die Attraktivität des Endurosports wäre es allemal. • B.D. Thoma Technik: Steenbock-BMW • Fotos: Bachert Steenbock-BMW mit Kettenantrieb Hauptrahmen von Wasp. Rahmenheck und SW-Rahmen sind Eigenkonstruktionen von Günther Steenbock, ebenso wie der aus Schwerpunktgründen nach unten verlegte 8-Liter-Tank. Dazu musste das obere Anlassergehäuse des Motors abgesägt werden. Die Vorderradgabel stammt von Heos und das Vorderrad samt Bremsanlage aus der KTM LC8. Hinterradfederung Öhlins. Antrieb: BMW-Zweizylinder mit 998 ccm und zirka 75 PS, ausgestattet mit vier Ventilköpfen von Tuner Krauser. Dazu Lockheed-Kupplung für besseres Fahren im Schlamm und am Berg, Mikuni-Vergaser mit Beschleunigerpumpe und Kröber-Zündung. Je nach technischer Ausstattung kann so ein Gespann schnell mal einen Wert von 20.000 bis 25.000 Euro erreichen. Seitenwagen-Einzelanfertigungen jeglicher Art werden noch immer beim Team von Peter Römer in Hagenbach gebaut, wo Sohn Michael längst in die Fußstapfen des erfolgreichen Vaters getreten ist und auf die Erfahrung im Bau von bislang etwa 200 Gespannen, egal ob für Enduro, Motocross, Rallyesport oder Abenteuerreise, verweisen kann. Edle Rennsporttechnik: Bsp. Yamaha-EML von 1982 und eine Vierzylinder-EML-Suzuki • Fotos: Loi. 67 MCE März '15

Motocross Enduro / Ausgaben 2014-2022

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