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DRINNEN CHARLY HÜBNER

DRINNEN CHARLY HÜBNER Wann schläft dieser Mann? Er dreht Filme wie am Fließband – mit Figuren, die „anderst“ leuchten. Preisgekrönt. Gestik und Mimik des Schauspielers sind eher sparsam, dafür kann er mit einem Satz Mauern einreißen. Von Gerlinde Bauszus „Du, ich hab heut Nacht die Grenze uffgemacht“, sagte Oberstleutnant Harald Schäfer am Frühstückstisch scheinbar beiläufig zu seiner Frau, nach einem alles andere als gewöhnlichen Nachtdienst. – „Da mach mal keene Witze mit“, lautete daraufhin die lakonische Antwort seiner „holden Gattin“, an der die Ereignisse jener historischen Nacht offenbar vorbeigerauscht waren. Es ist die Schlüsselszene in der Tragikkomödie „Bornholmer Straße“ (2014) von Drehbuchautor Rainer Schwochow. Charly Hübners Rolle als Grenzer, der sich mit einem einzigen Satz „Mach den Schlagbaum auf“ ins emotionale Gedächtnis einer Zuschauer-Generation schlich, steht dabei symptomatisch für manch andere Hübnersche Filmfigur – Typen, ausgestattet mit feiner Melancholie, manchmal ein bisschen neben der Spur. Scheinbar aus der Zeit gefallen und doch mittendrin. Charaktere, die sie in ihrer leicht schrägen, authentischen, liebenswerten Art wohl gerade deshalb für das Publikum so anziehend machen. Es sind die Vergessenen, die Hübner am Herzen liegen, als Schauspieler, als Mensch. „Leute, die in diesen Zeiten nicht zum Zuge kommen und sich trotz aller Misere immer wieder aufraffen“, erklärt der gebürtige Mecklenburger seine Zuneigung zu diesen Sonderlingen, die irgendwie „anderst schön“ sind – so wie er selbst im gleichnamigen preisgekrönten Fernsehfilm (2015). Allesamt Figuren nach seiner Fasson. Dazu gehört auch Karl Schmidt aus einem seiner aktuellen Kinostreiche – „Magical Mystery oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt“ –, der in diesem Sommer das Publikum begeisterte. „Dieser Film ist ein Blick in die Welt, nachdem die Mauer fiel“, erzählt Hübner. „Das war ja nicht nur für uns im Osten eine Wende, auch in Westberlin ist über die Jahrzehnte ein eigener Kosmos entstanden.“ Mittendrin Karl Schmidt, ein alter Rocker, für den alles hätte so weitergehen können wie bisher. Doch 1989 löst sich diese Szene sehr schnell auf. Schmidt landet mit Ex-Junkies in der „Klapse“ – ohne Pillen, ohne Plan. Und dann tritt ein, was keiner erwartet hätte: Karl kommt zurück, betritt wie ein Dinosaurier erneut die Bildfläche. Es sei der Versuch, zu erzählen, dass „so einer“ trotzdem noch mal anfangen kann, erklärt Charly Hübner. „Auch wenn die bürgerliche Welt meint: Der ist verrückt, den müssen wir unter Kontrolle behalten.“ Dass gerade so einer sich querstellt, aufmüpfig ist, findet er großartig. Es ist dieser stille, hintergründige, eigene Humor, der ihm selbst so liege. Auch daran erkenne man den Norddeutschen, der Humor ohne viel Aufwand betreibe. „Witz ohne lärmende Pointe, weil es um mehr geht“, merkt Hübner an – und erklärt es mit seiner Sehnsucht nach Typen aus Ecken, die er nicht kenne. Nichtsdestotrotz glaubt der Künstler, eher einen Zugang zu dunkleren Stoffen zu haben. Doch gerade die anderen, jene, auf welche er selbst wohl nie kommen würde, trage man immer wieder an ihn heran. Manch- 22 | 23 zuhause

© Bernd Wüstneck mal wird er dann von sich selbst überrascht. „Ladykracher“ sei so ein Beispiel. Die Comedyserie mit Anke Engelke hatte er für sich selbst überhaupt nicht auf dem Zettel. Umso erstaunter sei er gewesen, als der Anruf mit der Anfrage kam: „An mich, den ,lütten‘ Charly Hübner aus Feldberg“, plaudert der 1,92 Meter große Hüne und schüttelt ungläubig den Kopf. „Da denkst du doch nicht, dass du irgendwann mal Filme mit Anke Engelke drehst.“ Das sei absurd. Und doch kam es genauso. Klar habe auch er als Kind Sketche gemocht und heimlich die Flimmerkiste angestellt, wenn die Comedy- Show „Sketchup“ lief. „Diether Krebs und Iris Berben fand ich herrlich.“ Die Dreharbeiten mit Anke Engelke seien dann eine „wirklich schöne Zeit“ gewesen. „Die Frau ist einfach toll“, meint Charly Hübner bewundernd – und schob wohl auch deshalb gleich noch einen TV-Film mit ihr hinterher: In „Einmal Hallig und zurück“ (2015) besticht sie als aufgedrehte Klatschreporterin, er als bedächtig-skeptischer Inselkauz. Und ja, es gibt ein Happy End. Hübner spielt mit einer Leichtigkeit auf der Genre-Klaviatur, wie nur wenige es glaubhaft vermögen. Dabei bedient er die komplette Bandbreite dessen, was Theater, Film, Fernsehen zu bieten haben, ob als Schauspieler oder Regisseur – und wird dafür mit Preisen überhäuft: Oscar, Grimme-Preis, Bayerischer Filmpreis, Goldene Kamera, Bambi, um nur einige zu nennen. Ganz aktuell: Für die „beste komödiantische Leistung im laufenden deutschen Kinojahr“, die er als Karl Schmidt in „Magical Mystery“ ablieferte, erhält er den Ernst-Lubitsch-Preis. Eine beeindruckende Karriere des Mecklenburgers, der am 4. Dezember seinen 45. Geburtstag feierte. Seine übergroße Spielfreude sei „pure Neugier“, versucht Hübner abzuschwächen. Manchmal jedoch schaue auch er sich um und denke, „wie krass ist das denn“, räumt der Schauspieler ein. Nichts an ihm ist übertrieben und doch baut der Zuschauer sofort eine Verbindung zu dem Typen auf, der so völlig uneitel, unaufgeregt daherkommt. Eine Affinität, die Nähe schafft – zu ihm, seinen Figuren. Dass er, der in Hunderten Theaterund Filmrollen brillierte, sich

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