CHINA YUNNAN Yunnan ist eine vielfältige Mischung aus Tropen, Bergwelten, tibetischem Hochland, uralten Städten und abgelegenen Dörfern. Umso erstaunlicher, dass hier bisher kaum westliche Touristen unterwegs sind. VON ANDREA BONDER & GASTON ROTH Chinas tiefer Süden Gerade bin ich dabei, die Gabel zum Mund zu führen. Da bringt sich wortlos bereits die vierte Chinesin dicht neben unserem Tisch in Pose.Und schon macht es wieder »klick« – in Chinas Hinterland sind Besucher aus dem Westen ein ausgesprochen beliebtes Fotomotiv. Privatsphäre scheint für viele Chinesen ein Fremdwort zu sein, auch mit der sprichwörtlichen asiatischen Freundlichkeit ist nicht unbedingt zu rechnen. Neue Flugverbindungen und bessere Straßen haben den lokalen Tourismus in Yunnan dermaßen angekurbelt, dass die Highlights der Region – die Weltkulturerbestätte Lijiang,Dali und der Steinwald Shilin – zu bestimmten Tageszeiten regelrecht überlaufen sind. Wer den Massen ausweicht, wird entlohnt mit einzigartigen Landschaften und kultureller Vielfalt. Das tief im Südwesten gelegene,ursprüngliche Yunnan hat sich eine starke lokale Identität bewahrt,die von den Nachbarn Myanmar,Laos und Tibet beeinflusst ist.Die »eigentlichen Einheimischen«,die über zwei Dutzend ethnischen Minderheiten, sind sehr umgänglich und freundlich.Im Süden ist jeder zweite ein Dai, Hani, Akha, Yi, Lahu, Awa oder Yao, im Zentrum leben Naxi und Bai, ganz im Norden Tibeter. Ihr Dorfalltag ist die Feldarbeit mit Spitzhacke und Ochsenpflug, Treffpunkt zum Einkaufen und Plauschen ist der Wochenmarkt. Jobs in den Städten haben sie kaum, auch der Handel ist fest in den Händen der zugezogenen Chinesen. Yunnans Landschaft ist abwechslungsreich. Das südliche Xishuangbanna ist eine tropische Bergregion mit Maisfeldern und Teeplantagen. Im gebirgigen Zentrum liegen auf rund 1.800 Metern mit frühlingshaftem Klima Seen,Reisfelder und die Oberläufe von Jangtse, Perl- und Rotem Fluss,Mekong und Irrawaddy.Das nördliche Hochplateau auf über 3.300 Metern ist ein Ausläufer Tibets. So bereisen Sie Yunnan Eine Reise durch Yunnan lässt sich vor Ort mit Hilfe von Englisch sprechenden Gasthausbesitzern oder Reisebüros problemlos individuell organisieren. Unser Vorschlag: Zuerst verbringen Sie einige Tage in Jinghong und Umgebung und fliegen dann nach Kunming (€ 80). Dort steigen Sie in die Bahn nach Dali-Xiaguan (6 Std., ab € 4) und fahren dann weiter mit dem Local-Bus Nr. 8 nach Dali (€ 0,10). Wer von Lijiang die Rück- oder Weiterreise antreten will (viele Flüge!), sollte mit dem Local-Bus zuerst direkt nach Zhongdian durchfahren (8 Std., € 7,50). Auf dem Rückweg bis nach Lijiang lässt sich die Busfahrt dann in Qiaotou für einige Tage in der Tigersprungschlucht unterbrechen (Zhongdian–Qiaotou, 2 Std., € 1,60, Qiaotou-Lijiang 2,5 Std., € 1,50). Züge und Busse sollte man über Unterkünfte oder Reisebüros am Vortag buchen, Flugtickets lieber einige Tage eher organisieren. 40 REISE & PREISE 3/2007
JINGHONG Die Welt der Minoritäten-Dörfer Awa-Frau in Sonntagsstaat Jinghong, die Hauptstadt der Region Xishuangbanna, ist ein äußerst angenehmer Ausgangsort, in dem man sich wie in Thailand oder Laos fühlt. Mit breiten, ruhigen Straßen, die Gehwege gesäumt von Palmen und Bäumen. Teure Jeeps und Boutiquen,zahllose Baustellen und die beeindruckende Hängebrücke über den Mekong zeugen von Prosperität.Am kleinen Peacock Lake Park warten Tretboote,Wahrsager und Ärzte auf Kundschaft. Eine entspannende Oase ist der botanische Garten (4 4). Auf dem Jademarkt in der Zhuanghong Lu reihen sich Shops mit burmesischem Jadeschmuck, Kleidung, Schuhen, Tee und Souvenirs aneinander. Empfehlenswert ist die Blindenmassageschule (4 4/Std., Mengle Dadao/Jingde Lu). Highlights sind Ausflüge zu den vielen Dörfern der Minderheiten. Mehrtägige Trekkingtouren mit Guide und Machete führen von Mit seiner ruhigen, gepflegten Atmosphäre ist Jinghong der ideale Einstieg für die Rundreise in der Provinz Yunnan Dorf zu Dorf, wo zu Kerzenschein an der Feuerstelle gegessen, selbstgebrannter Maisschnaps getrunken und dann auf einer Strohmatte genächtigt wird. Interessant der Sonntagsmarkt in Meng Hun: Junge Frauen stolzieren in Abendkleidern und Stöckelschuhen herum, Männer spielen mit Mönchen Billard. Sehenswert ist der Oktagon- Tempel von 1701,der nach der Kulturrevolution renoviert wurde. Im Dai Minority Park (4 5) in Ganlanba (Bus 40 Min., 4 0,75) sieht man ein hübsches Dorf mit prächtigem Tempel, touristischen Tänzen und dem berühmten, mittlerweile täglichen Water-Splashing- Festival. Als Unterkunft in Jinghong empfiehlt sich das saubere »Banna Hotel« (Galan Nanlu, Tel. 0086- 691-2144788, DZ 4 8). Es liegt 100 Meter vom »Mei Mei Café« entfernt,dem schönsten Westler-Treffpunkt mit Internet und Guidevermittlung (Reis- und Nudelgerichte ab 4 0,60, Pancakes 4 0,70). KUNMING Millionenstadt mit Charme Der Steinwald von Shilin ist eine der Top-Sehenwürdigkeiten Chinas Die moderne, gepflegte und sichere Vier-Millionen-Stadt demonstriert Lebensqualität und Fortschritt made in China: Die Innenstadt hat glitzernde Hochhäuser, einen Ufo-artigen Riesenbahnhof und Shoppingcenter mit greller Neonreklame, aber auch nette Fußgängerzonen mit Blumenarrangements, liebevoll restaurierte Sehenswürdigkeiten und eine kleine Altstadt.Bei einem Spaziergang durch die Straßen um die Zhengyi Lu entdeckt man prächtige alte Stadttore,die Westpagode, überfüllte Lokale und den Bird & Flower Market, wo u. a. auch Schildkröten, Schreckschussgewehre und PC-Spiele zu haben sind. Imbisse verkaufen Snacks (gefüllte Fladen für 4 0,15, Spieße 4 0,25), fliegende Händler Felle und gefälschte Turnschuhe. Die schönsten Tempel Kunmings sind der über 1.000 Jahre alte Tempel Yuantong an einem Teich (4 0,80) und der Bamboo Temple von 639, der aus mehreren Hallen mit bunt geschnitzten Dächern besteht. In dem Wandergebiet der Western Hills unweit vom malerischen Lake Dian kann man im ebenso prächtigen Huating Temple bei den Nonnen ein vegetarisches Mahl bekommen (40,30–1,30/Teller;Tagestour 4 16). Hauptattraktion der Region – und entsprechend beliebt bei chinesischen Reisegruppen – ist der Steinwald von Shilin, 120 km östlich von Kunming, ein Labyrinth von bis zu 30 Meter hohen, grauen Kalksandsteinfelsen in einem lichten Wald (Tour inkl.Eintritt und Transfer 4 16). Als Standort in Kunming empfiehlt sich das beliebte »Camellia Hotel« mit seiner hilfsbereiten,englischsprachigen Rezeption und dem zuverlässigen Reisebüro von Mr. Chen (96 Dongfeng Donglu, Tel. 0086-871-3163000,Fax -314-7033, www.kmcamelliahotel.com; EZ/ DZ ab 4 12 inkl. Frühstück). Alternative ist das 4-Sterne-Pool-Hotel »Kunming« (52 Dongfeng Donglu, Tel. 0086-871-3162063, Fax -313- 8220, www.kmhotel.com.cn, EZ/ DZ US$ 108; online ab 4 52 inkl. Frühstück, www.asiarooms.com). Zwischen beiden Hotels – das ist die Gegend, in der die Ausländer absteigen – liegen einige nette Lokale,z.B.das kleine »City Café« (Reisgerichte ab 4 0,60,Steaks ab 4 1,60) und das gemütliche, holzvertäfelte »Aoma Restaurant« (Chinesisches ab 4 0,80,Westliches ab 4 1,50,ausländischer Wein ab 4 12,50).Schön ist der Ausblick vom Restaurant im 29.Stock des »Horizon Hotel« (432 Qingnian Lu). Geschäftiges Treiben auf dem Bird & Flower Market in Kunming (links). In der Millionenstadt findet man moderne und traditionelle Architektur direkt nebeneinander (oben) REISE & PREISE 3/2007 41
