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2017-1 REISE und PREISE

CHINA GANSU DIE

CHINA GANSU DIE REPORTAGE Zwischen Tibet und Seidenstraße Im Norden locken rotgestreifte Berglandschaften, altbuddhistische Felshöhlen an der Seidenstraße und der größte schlafende Indoor-Buddha Chinas. Im Süden tibetisches Leben und das größte Gelbmützenkloster außerhalb Tibets. Gansu überrascht als eine der abwechslungsreichsten Provinzen der Volksrepublik. TEXT & FOTOS MARTINA KATZ 74 REISE & PREISE 1-2017

Das Labrang-Kloster in Xiahe ist das wichtigste Gelbmützen-Kloster des tibetischen Buddhismus außerhalb Tibets Tibeterinnen bieten Touristen am Straßenrand selbstgemachten Schmuck an Festliche Tracht der Tibeter (links). Yaks sind in der Ganjia-Steppe weit verbreitet (rechts) Punkt sieben Uhr morgens öffnen sich die Türen der bunten Läden in der Renmin- Xi-Straße in Xiahe. Aus ihrem Inneren dringen leise buddhistische Musik und Räucherstäbchenduft. In den Schaufenstern hängen Wolldecken neben Gebetsfahnen und Blechtöpfen. Tibeter in Anzügen und ihre Frauen in dunklen, bodenlangen Röcken hocken auf den Eingangsstufen. Auf dem schwarzen Haar tragen sie einen Hut, in den Händen halten sie eine Gebetskette. Sie lauschen dem Mönchsgesang, der aus dem Labrang- Kloster herüberschallt, und dem alten Chinesen, der neben ihnen die traditionelle Erhu, eine Spießgeige, spielt. Mönche im Schamtab, der weinroten Robe, huschen an ihnen vorbei. Ab und zu kreuzt ein Moped oder ein Taxi, während die Sonne ihre ersten Strahlen auf die gelb- und rotfarbenen Fassaden wirft. Xiahe, gelegen am Fluss Daxia im äußersten Südwesten der chinesischen Provinz Gansu, ist ein entspannter Ort tibetischer Kultur rund um das berühmte Labrang-Kloster. Dicke, rot getünchte Mauern mit Schlangen und Tigern bemalt, geschwungene goldene Dächer und meisterhaft verzierte Portale rahmen die schneeweißen Klostergassen in dem Tal auf 2.800 Metern Höhe. Auf dem Tempelplatz herrscht bereits reges Treiben. Novizen in Turnschuhen, eine Flasche Cola in der Hand, sprinten ausgelassen umher. Pilger in den schönsten Trachten drehen eine metallene Gebetsmühle, ein Geistlicher balanciert eine meterlange Holzlatte mit Butterkerzen. »Im Winter schnitzen wir Blumen und Figuren aus gefrorener Yakbutter. Damit die nicht schmilzt, müssen wir die Hände in Eiswasser baden«, erzählt der Mönch, der eine Gruppe Touristen durchs Kloster führt. Seit 400 Jahren gibt es diese Kunst in Tibet und in der alt-tibetischen Region Amdo, die bis in den Westen Gansus reicht. »Unsere Butterblumenhalle wird 24 Stunden durchgehend von einer Klimaanlage gekühlt. Als die im Sommer aber einmal ausfiel, schmolz mancher Figur die Nase ab«, ergänzt der junge Mönch und blickt stolz auf die kostbaren Drachen mit grüner Mähne und feuerroten Mäulern, die neben pinkfarbenen Lotosblüten, goldenen Tempeln und bunten Priestern die Wände schmücken. Die Tibeter stehen unter Beobachtung Schon früh war Gansu Anziehungspunkt für Künstler und Denker. Dafür sorgte die Seidenstraße. Die alte Handelsroute, die das Mittelmeer mit Ostasien verband und die chinesische Provinz durchkreuzte, lockte in der Sui-Dynastie die ersten Händler in die langsam florierende Region. Hundert Jahre später, während der Tang-Dynastie um 700 nach Christus, blühte der internationale Handel richtig auf und mit ihm das Leben. »Überall sieht man Zeichen menschlicher Besiedlung. An den Pavillons flattern Flaggen. Die Menschen vergnügen sich bei Wein und Musik«, beschrieb ein chinesischer Dichter die glanzvolle Zeit. Auch wenn die Menschen heute eher Schnaps oder Tee trinken und die Provinz, die zu drei Vierteln aus trockener, unbewohnter Bergregion besteht, als eine der fünf ärmsten Chinas gilt, wartet sie noch immer mit mancher Kostbarkeit auf: grandiosen Tempeln jeglicher Couleur, atemberaubenden Landschaften, einer Tierwelt mit 500 Vogelarten, Riesenpandas und Sikahirschen. Das Labrang-Kloster ist so ein Schatz. Es wurde im frühen 18. Jh. gegründet, während der Kul- ➔ REISE & PREISE 1-2017 75

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