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2017-3 REISE und PREISE

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ARGENTINIEN DIE

ARGENTINIEN DIE REPORTAGE Aber bitte mit Mate! Atemberaubende Landschaft in der Muschelschlucht. Auf Lamas trifft man allerorten (links). Der traditionelle Mate- Tee ist das argentinische Nationalgetränk (rechts) Bunte Andendörfer, spektakuläre Schluchten, liebliche Weinregionen und bedeutende Kolonialstädte – der Norden Argentiniens bietet große Abwechslung. Wer einmal einen Tango auf offener Straße tanzen, einen traditionellen Mate-Tee trinken oder ein Lama als Haustier sehen möchte, ist zwischen Buenos Aires und Humahuaca genau richtig. TEXT & FOTOS MARTINA KATZ 16 REISE & PREISE 3-2017

Die prachtvolle Iglesia San Francisco im typisch kolonialen Baustil in Salta La Niña del Rayo ist ein schönes Mädchen. 500 Jahre lang lag das sechsjährige Inka-Kind in einer Felsnische auf dem Gipfel des Vulkans Llullaillaco im Norden Argentiniens begraben. Jetzt sitzt es im archäologischen Museum von Salta in einer durchsichtigen Kapsel, bei reduziertem Sauerstoffgehalt, gefiltertem UV-Licht und einer Temperatur von -20 Grad Celsius. Es sitzt im Schneidersitz, die Augen geschlossen, den Mund leicht geöffnet. Den zu einem Kegel deformierten Kopf, ein Zeichen für höheren Status, streckt das Mädchen stolz empor. Um die Schultern hat es ein braunes Webtuch geschlagen, darunter blickt ein edles Stofftuch mit leuchtend rotem Saum hervor. »Die Inka haben besonders hübsche Kinder als rituelle Opfer ausgewählt«, sagt Museumswärter Miguel und überprüft das Thermometer der Kapsel. Schon Wochen vor dem Opfertag sollen Menschen aus der gesamten Region gekommen sein, um an der Götterverehrungszeremonie teilzunehmen. Den Kindern zog man die schönsten Kleider an und flößte ihnen Chicha ein, einen Maisschnaps, der sie einschlafen ließ. Dann begrub man sie zusammen mit kostbaren Keramikschalen, Lamawolle-Hüftbändern, Kämmen aus Kaktusstacheln und Statuetten aus Gold oder Stachelaustern. Koloniale Perle: Salta, »die Hübsche« Salta, mit gut 500.000 Einwohnern eine der größten Städte Argentiniens, liegt im Valle de Lerma an den Ausläufern der Anden. In dem fruchtbaren Tal im Norden des Landes blühen Korallenbäume und Jacaranda. Schwarz-weiße Milchkühe grasen auf den abgeernteten Maisfeldern, die Salteños bauen Tabak an. Schon die Inka wussten um die günstige Lage der Region, als sie hier bis ins 16. Jh Handelsstraßen anlegten. Bis sich die spanischen Kolonialisten breitmachten und unter Hernando de Lerma den Ort Salta gründeten. La Linda, die Hübsche, wird sie von den Einheimischen liebevoll genannt. Und wirklich ist sie die schönste Kolonialstadt Argentiniens. Dass das so ist, dafür sorgte Ende des 19. Jh. ein Gesetz, das eine Steuerbegünstigung für Bauten im Kolonialstil vorsah. Weiß und pastellfarben getünchte Fassaden reihen sich in den schmalen Straßen aneinander. Am zentralen Plaza 9 de Julio thront die rosafarbene Kathedrale mit den Überresten des Stadtgründers. An der Calle Córdoba streckt sich der 57 Meter hohe Glockenturm der Iglesia San Francisco in den Himmel – ein Prachtbau. Da es in Argentinien zwar an jeder Ecke eine Kirche, aber keine Kirchensteuer gibt, sind die Gotteshäuser auf andere Einnahmequellen angewiesen: Schulunterricht, Museen, auch der Verkauf von Kunsthandwerk und Alfajores, dem traditionellen Süßgebäck, soll Geld in die Kassen spülen. Am Nachmittag ist es still in den Straßen der Altstadt. Es ist Siesta. Hunde dösen auf den Fußwegen, Männer schwatzen auf den Plätzen, während sie sich Cocablätter in die Backen stopfen – das soll aufmuntern. Auf dem Teich im Parque San Martín schippern Familien im Paddelboot, am Hausberg San Bernardo erklimmen ein paar Jogger die 1.070 Stufen. Erst am Abend erwacht »die Hübsche« zu wirklichem Leben. Dann zieht es jeden, der etwas auf sich hält, in die Calle Balcarce, wo Cafés und Restaurants Tische und Stühle nach draußen stellen und Musikgruppen Folklore auf Gitarre, Bongo und Flöte zum Besten geben. Raue Schluchten, sanfte Weinberge Schöner klingt traditionelle Musik nur in der Quebrada de las Conchas. In der »Muschelschlucht«, hundert Kilometer weiter südlich, steht ein Mann auf einem Vorsprung in einem 50 Meter breiten, kreisrunden Felskessel und singt für ein paar Pesos lauthals zu seiner Gitarre. Die Gruppe argentinischer Urlauber auf dem Boden inmitten des Kessels lauscht andächtig. Wind, Wasser und Eisenoxid haben diese roséfarbene Buntsandsteinwand, die auch in der Höhe mindestens 50 Meter misst, im Laufe von Millionen von Jahren geschaffen. Die heimische indigene Kommune nennt sie stolz Amphitheater – ein Highlight, das nur durch einen schmalen Felsschlitz zugänglich ist, gelegen an der Ruta 68. Die Nationalstraße schlängelt sich mitten durch die 80 Kilometer lange Schlucht. Immer dem Río de las Conchas nach. Muschelfunde, ein paar versteckte Lehmhäuser und eine weite, atemberaubende Berglandschaft in sämtlichen Gold- und Brauntönen führen hier gen Süden in eine komplett andere Welt. In der grünen Weinregion von Cafayate sind aus den Bergen liebliche Hügel geworden. Ein Wein- ➔ REISE & PREISE 3-2017 17

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