E-Paper

Aufrufe
vor 2 Jahren

2018-3 REISE und PREISE

  • Text
  • City trip
  • Palmenstrand
  • Venedig
  • Südsee
  • Karibik
  • Arizona
  • Usa
  • Myanmar
  • Allein reisen als frau
  • Wwwreisepreisede
  • Hotels
  • Reise

MEXIKO DIE REPORTAGE

MEXIKO DIE REPORTAGE und Maya-Kulte Faszinierende Stufenpyramiden im Dschungel, atemberaubende Schluchten, moderne Kolonialstädte und beeindruckende Urvölker. Wer von der Hauptstadt durch die Provinzen Puebla, Oaxaca und Chiapas reist, wird Beeindruckendes erleben. VON MARA GLIND Mädchen in hübscher Tracht in San Juan Chamula Hunderte Kerzen leuchten in der Dorfkirche von San Juan Chamula. Sie brennen auf dem mit Gras und Piniennadeln bedeckten Fliesenboden und auf den Holztischen vor den Heiligenfiguren, die rechts und links an den Kirchenwänden in Glasvitrinen stehen. Zeremonienmeister im traditionellen Chujes, einem weißen Schafsfellponcho, in weißer Hose und Ledersandalen, ein weißes Tuch um den Kopf gewickelt, verbeugen sich vor den Heiligen und schicken Weihrauchschwaden durch den schummrigen Kirchensaal. Dort, wo in anderen Gotteshäusern die Gebetsbänke stehen, knien zwei Dutzend Familien auf dem Boden. Die Frauen mit schwarzen geflochtenen Zöpfen und in schwarz gefärbten Schafsfellröcken, neben sich die Kinderschar, die Männer in Jeans und Lederjacke. Sie murmeln Gebete vor sich hin, stecken weitere Kerzen an und opfern Posh, einen hochprozentigen Zuckerrohrschnaps, den sie zwischen die funkelnden Lichter kippen. Einer schenkt Bier in einen Plastikbecher und trinkt es in einem Zug aus. Er zerrt ein gackerndes Huhn aus seiner Jacke, rülpst 40 REISE & PREISE 3-2018

Der 46-jährige Lorenzo Martínez Gutiérrez stellt im Hochland von Oaxaca Mezcal her Allee aus Säulenkakteen im Biosphärenreservat Tehuacán-Cuicatlán dem Tier ins Gesicht, damit die eigenen Dämonen auf es übergehen, und dreht ihm kurzerhand den Hals um. San Juan Chamula liegt auf 2.200 Metern im Hochland des südmexikanischen Bundesstaates Chiapas. Hier leben die Nachfahren der Maya, die Tzotzil. Sie sind Bauern, pflanzen auf ihren Feldern Mais, Bohnen und Kartoffeln an. Produkte, die sie jeden Sonntag auf ihrem gigantischen Straßenmarkt verkaufen – Treffpunkt aller Bewohner aus dem Umland. Die Chamula-Bauern haben einen einzigartigen autonomen Status in Mexiko. Als die Spanier vor rund 500 Jahren den Süden des Landes eroberten und den Ureinwohnern den Katholizismus aufzwangen, flüchteten diese in immer höhere Regionen der Bergwelt in Chiapas und leben seitdem nach ihren eigenen Regeln. Dazu gehören eine Mischung aus Schamanismus, traditionellen Mayaritualen und christlicher Religion sowie die Tzotzil-Sprache. Noch bis vor sieben Jahren konnte sich lediglich jeder dritte Tzotzil auf Spanisch verständigen. Nur zehn Kilometer weiter, in San Cristóbal de Maya-Dörfer und Kolonial- Städtchen las Casas, hat längst die Moderne Einzug gehalten. In dem Kolonialstädtchen sprießen überall Cafés und Restaurants aus dem Boden. In den Fußgängerzonen treffen sich die Einwohner zum Bummeln, trinken eine Maya-Schokolade im angesagten »Cacao Nativa« oder beklatschen einen jungen Mann, der durch Pusten in ein Mikrofon Rapmusik macht. Es sind hauptsächlich Mestizen, die Nachfahren von Weißen und der eingeborenen Bevölkerung, die sich hier tummeln. Daneben versuchen Indigenas mit dicken Webstoffen auf dem Arm, ihre Ware zu verkaufen – das Kleinkind in einem Tuch auf den Rücken geschnallt. Täglich bieten sie gewebte Decken, bestickte Textilien, Bernsteinschmuck und allerlei Schnickschnack an ihren Kunst hand - wer kerständen vor der Iglesia Santo Domingo an, einem ehemaligen Dominikanerkloster, dessen grazile Fassade gedrehte Säulen und Heiligenfiguren zieren. San Cristóbal ist ein kosmopolitischer Ort. Trotzdem werden viele Traditionen erhalten, vor allem die der indigenen Kulturen. »Man kann alles zu Fuß erreichen und die Leute sind sehr entspannt. Außerdem mag ich, dass wir im Zentrum mehrerer Naturschönheiten liegen«, erzählt uns Fuensanta Kim Chiw Escobar, eine 41-jährige Yogaausbilderin, mit der wir im schicksten Foodcourt der Stadt, dem Esquina San Augustín, ins Plaudern ge - kommen sind. Eine dieser Schönheiten ist der Indigene Kultur im Regenwald Cañón del Sumidero. Über 25 Kilometer erstreckt er sich im gleichnamigen Nationalpark. Am Wochenende kommen die Mexikaner in Scharen zum Wandern, Mountainbiken oder sie lassen sich mit dem Boot über den Río Grijalva schippern. Dann bestaunen sie die bis zu tausend Meter hohen Schluchtenwände, den Arbol de Navidad, einen mit Moos besetzten Felsen im Look eines gigantischen Weihnachtsbaums, und den Chicoasén-Damm, der hier einen der größten Stauseen schuf und Mexiko mehr als 30 Prozent seiner Hydroenergie liefert. Spitzkrokodile treiben auf dem Wasser, Klammeraffen hangeln sich durch Brotnussbäume, Königsgeier flattern zwischen Zedern – der Park gilt als Refugium zahlreicher bedrohter Tiere. Die Regierung unternimmt große An strengungen, um das Gebiet sauber zu halten, denn Plastikmüll gibt es hier genug, aus den Schluchteingangsstädten Chiapa de Corzo und Tuxtla Gutiérrez und aus einigen illegalen Siedlungen am Rande des Canyons – Um - weltbewusstsein ist in Mexiko noch längst nicht überall vorhanden. Im Selva Lacandona versucht man, es besser zu machen. Der Regenwald an der Grenze zu Guatemala ist Heimat des einzigen Maya-Volks, das sich dem Einfluss der spanischen Eroberer entziehen konnte. Bis ins 20. Jh. lebten die Lacandonen abgeschieden von der Außenwelt. Heute zeigen die Waldindianer, die im Schnitt nur 1,50 Meter groß sind und sich untereinander in einer Flüstersprache verständigen, Touristen ihre Dschungel-Schätze. Sie bringen sie dorthin, wo sie noch vor ein paar Jahren Brüllaffen ‘ Die Kirche in San Juan Chamula wurde einst Johannes dem Täufer gewidmet REISE & PREISE 3-2018 41 Fotos: Mara Glind, shutterstock/IJordan Askins

© 2023 by REISE & PREISE