Lifestyle. Business. Allgäu. Alpenraum.
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wd | Sommer 2021

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BUSINESS tiell sind.

BUSINESS tiell sind. Kurz darauf haben wir Barcamps veranstaltet, einen Gründerpreis ins Leben gerufen, immer neue Ideen in den Raum geworfen und einfach wahnsinnig viel ausprobiert. In dem Zuge haben Tom und ich uns übrigens auch kennengelernt und so haben wir letztlich die Idee des Coworkings aufgegriffen und gemeinsam umgesetzt. Tom: Ich kam gerade aus München, hatte lange als Ingenieur bei BMW gearbeitet und wollte zurück in die Heimat, um gemeinsam mit meinem Bruder und einer Freundin eine Agentur zu gründen. Das war 2012. Die Entscheidung, ins Allgäu zurückzukehren, war schon sehr bewusst gewählt, auch wenn die Voraussetzungen hier noch denkbar andere waren als sie es heute sind. Und dann seid ihr auf das leerstehende Haus in der Ostbahnhofstraße aufmerksam geworden? Tom: Eigentlich sollte es als Studentenwohnheim vermietet werden, was sich dann aber kurzerhand zerschlagen hat. Mit unserer Vermieterin hatten wir wahnsinniges Glück. Sie hat uns quasi eine Schonfrist gewährt, in der wir Zeit hatten, das Haus voll zu kriegen. Wir wussten, in drei Monaten müssen wir die volle Miete zahlen. Also haben wir Klinken geputzt. Simon: Man hat uns damals schon kritisch beäugt. Was machen die zwei da? Was haben die vor? Aber es hat funktioniert und es funktioniert bis heute. Das Haus trägt sich, lebt von seiner Atmosphäre und den völlig unterschiedlichen Menschen, die hier arbeiten und sich austauschen. Habt ihr Beispiele? Wer ist momentan alles in der Gründervilla anzutreffen? Simon: Ganz unterschiedliche Typen und Berufszweige. Wir bieten zum Beispiel Platz für ein Tonstudio für die Allgäuer HipHop- Szene, ein Programmierer arbeitet bei uns, eine Designerin, die Gründerin von Allgäu Salze, … Sind das alles fest angestammte Mieter*innen oder gibt es immer mal wieder Wechsel in der Besetzung? Tom: Wir haben immer mal Fluktuation und das ist gut so. Viele Gründer starten bei uns, entwickeln sich weiter, werden größer und müssen sich notgedrungen etwas Neues suchen. Das ist schön zu sehen, denn es sind letztlich Erfolgsgeschichten, die hier ihren Anfang finden. Außerdem rückt immer sofort jemand Neues nach. Schaut ihr euch die Leute ganz genau an, die in die Gründervilla ziehen wollen? Tom: Ja, denn es muss einfach untereinander funktionieren. Wir führen Gespräche mit den Bewerbern, wollen wissen, wer die Menschen sind, was sie vorhaben, was sie brauchen. Das macht die Gründervilla letztlich aus – dass wir kein anonymer Ort mit Tisch, Stuhl und WLAN sind, sondern eine Gemeinschaft. Simon: Es kommen immer mal wieder Makler auf uns zu, die uns leerstehende Büros in und um Kempten schmackhaft machen wollen. Aber mit einem Raum, in dem ein Schreibtisch steht, ist es beim Coworking eben nicht getan. Es kommt sehr stark auf die Community an. Ansonsten ist ein solches Büro lediglich eine leere Hülle. 90

BUSINESS Dieses Miteinander, der Austausch, die gegenseitige Hilfestellung unterschiedlichster Professionen – wie genau kann man sich das als Außenstehender vorstellen? Simon: Wir haben uns damals bewusst gegen Angebote entschieden, wie man sie aus der klassischen Gründerberatung kennt. Was die Gründervilla ausmacht, ist vielmehr der unkomplizierte Erfahrungsaustausch auf Augenhöhe. Egal, ob es um die Wahl des Steuerberaters oder die Akquise geht. Die Menschen hier tauschen sich darüber aus, was man beachten sollte, wenn man den ersten Mitarbeiter einstellt oder sind einfach tolle Gesprächspartner, wenn man sich in der Küche einen Kaffee holt, um mal den Kopf frei zu kriegen. Tom: Einmal im Monat findet bei uns außerdem ein Meet-up statt, bei dem Simon und ich für alle Anwesenden Kässpatzen kochen. Da haben die Mieter*innen, aber auch Interessierte von außen, die Möglichkeit, sich in lockerer Runde vorzustellen, zu erzählen, was sie gerade vorhaben oder wo sie Unterstützung benötigen. Bei diesen Treffen kommen jedesmal viele tolle Verbindungen zustande. Jeder kennt letztlich jemanden, der für genau das Problem der richtige Ansprechpartner ist. Es ist ein ständiges Geben und Nehmen. Simon: Networking ist heute viel digitaler und zwischen digital vernetzten Menschen entstehen in der Regel weniger enge Beziehungen. Das Motiv, dass ein Netzwerk die eigene Karriere vorantreibt, finde ich allerdings völlig legitim. Uns kam es vor allem darauf an, das Networking auf ein Level zu heben, bei dem auch die sonst eher schüchternen Typen aufeinander zugehen und sich aus der Deckung trauen. Tom: Ich war nie ein Freund davon, sich beim Netzwerken darauf zu verlassen, dass man der Sohn von diesem oder jenen ist. Unser Netzwerk spielt sich auch untereinander Bälle zu, aber aus einem anderen Antrieb heraus. Ellbogen-Mentalität und Vetternwirtschaft gibt es bei uns nicht. Wir glauben daran, dass man für seine Leistung honoriert werden sollte und nicht, weil man der Ziehsohn von jemandem ist. Dafür steht nicht zuletzt unser monatliches Kässpatzenessen. >>> Das klingt anders als beim typischen steifen Unternehmerstammtisch. Tom: Ist es auch. Bei uns ist es ein Treffen unter Gleichgesinnten. Keiner will dem anderen die Butter vom Brot nehmen oder sich präsentieren. Alle sind auf Augenhöhe, unterstützen sich, bringen sich gegenseitig weiter, vernetzen sich. Vernetzen – gutes Stichwort. Hat sich Networking in den letzten Jahren eurer Erfahrung nach gewandelt? Dahingehend, dass nicht mehr bloß das eigene Vorankommen im Vordergrund steht, sondern vielmehr das Miteinander und das gemeinsame Entwickeln von Ideen? 91