Lifestyle. Business. Allgäu. Alpenraum.
Aufrufe
vor 2 Jahren

wd | Sommer 2021

  • Text
  • Natur
  • Klostersteige
  • Engel
  • Zeit
  • Grund
  • Bauen
  • Telefon
  • Unternehmen
  • Region
  • Kempten
Ihr Magazin für Lifestyle und Business im Allgäu und dem angrenzenden Alpenraum.

BUSINESS Was sind die

BUSINESS Was sind die größten Hemmschuhe für Gründer? Anders gefragt: Was braucht’s oder woran fehlt’s den meisten, wenn es darum geht, eine neue Idee auf die Beine zu stellen? Tom: Vielen fehlt es an Mut. Wer es sich einmal in einer Festanstellung bequem gemacht hat und jeden Monat sein festes Gehalt bezieht, der wägt schon sehr genau ab, ob er das Risiko eingehen möchte oder nicht. Simon: Ich glaube, es fehlt außerdem an guten Vorbildern und Perspektiven. Dabei haben wir tolle Gründungsgeschichten hier im Allgäu, die heute allerdings kaum mehr sichtbar sind. Ein gutes Beispiel ist da sicherlich Dachser. Die wenigsten wissen, dass das Unternehmen mal in Kempten gestartet ist. Ein anderer Punkt ist, dass heute viele gründen, um ihr Hobby zum Beruf zu machen. Das bedeutet viel Arbeit und wenig Return. Oftmals reiben sich die Leute dann enorm auf und kapitulieren wenig später. Ist in diesen Fällen oftmals das stille Kämmerlein schuld, in dem die Menschen ihre Ideen für sich ausbrüten und dann scheitern? Simon: Mitunter ja. Im stillen Kämmerlein fehlt die kritische Reflexion von außen. Für manche Entwicklungsschritte ist die aber extrem hilfreich und zum Teil unerlässlich. Ich sage immer, um PS auf die Straße zu bringen, musst du rausgehen. Denn je früher man versteht, welche Hürden und Chancen ein Business mit sich bringt, desto besser kann man seine Strategie dahingehend ausrichten. Das spart am Ende unnötige Ausgaben, Risiken und Fehlannahmen. Tom: Der Austausch mit anderen ist meiner Meinung nach auch auf mentaler und kreativer Ebene enorm wichtig. Ich habe im letzten Jahr für mehrere Wochen aus dem Homeoffice heraus gearbeitet aufgrund von Corona. Da habe ich erstmal gemerkt, wie sehr mir das Miteinander fehlt. Natürlich habe ich es genossen, mal nicht im Tagesrauschen des Alltagsgeschäft zu sein, mal ganz fokussiert arbeiten zu können. Aber der Austausch ist einfach essentiell. Sonst geht das Zwischenmenschliche irgendwann flöten. Das Gespräch an der Kaffeemaschine, sich in der Stadt auf ein Mittagessen treffen, hier im Garten unserer Gründervilla zu sitzen und einfach mal sagen zu können „Du, ich hab da gerade ein Thema, bei dem ich nicht weiterkomme“ – das fehlt. Das klingt nach exakt der Erfahrung, die momentan viele machen, die zum ersten Mal gezwungenermaßen über längere Zeit im Homeoffice arbeiten. Ist das nicht auch ein schöner Beweis für euch, dass ihr mit dem Coworking einen Nerv getroffen habt? Simon: Ist es. Absolut. Und ich bin sicher, dass der Trend zum Coworking Space in den kommenden Jahren noch zunehmen wird. Immer mehr junge Familien zieht es aus den Großstädten 92

BUSINESS wie München, Stuttgart oder Frankfurt in ländlichere Gebiete oder eben zurück in die Heimat. Tom: Bei Simon und mir war es nicht anders. Wir sind inzwischen beide Familienväter und wollten auch zurück ins Allgäu. Von wo aus arbeitet ihr eigentlich am liebsten? Simon: Bei mir gibt es da keinen speziellen Ort, sondern vielmehr Rahmenbedingungen, die passen müssen. Das ist für mich die heiße Tasse Tee am Morgen, um ungestört nachzudenken und neue Konzepte zu entwerfen. Tom: Bei mir kommt es ganz auf die Aufgabe drauf an. Am liebsten bin ich natürlich bei meinen Kolleg*innen in der Agentur. Wenn ich ungestört arbeiten will, dann ziehe ich mich aber auch gerne mit Kaffee und Wasser in den Besprechungsraum der Gründervilla zurück. Da habe ich ein großes Whiteboard und schalte gerne auch mal jegliche Kommunikationskanäle aus. Heißt: Ich brauche beides – Menschen um mich herum, aber auch das Dasein als Eigenbrötler, wenn ich Ruhe brauche. Eigenbrötler ist ein gutes Stichwort. Ist die nachfolgende digitalisierte Generation, die gerade ins Berufsleben startet, nicht verschrieen als ein Haufen Eigenbrötler, die den zwischenmenschlichen Kontakt scheut? Simon: Als Jugendforscher kann ich bestätigen, dass junge Menschen sich heute schwerer tun, andere anzusprechen. Einfach, weil sie es nicht so sehr gewohnt sind. Auf der anderen Seite haben sie oftmals den großen Vorteil, dass sie digitalen Geschäftsmodellen gegenüber aufgeschlossen sind. Sie finden sie cool, statt sie von vornherein zu verteufeln. Die Influencerbewegung ist übrigens das komplette Gegenteil vom kontaktscheuen Eigenbrötler. Junge Menschen bauen sich eine Brand und eine Community auf, um die sie sich kümmern. Ja, sie machen dabei zwar ihr eigenes Ding, aber nicht losgelöst von sozialen Beziehungen; auch, wenn sich diese mehr im digitalen als im analogen Raum abspielen. Die schönste Frage zum Schluss. Was ist das absolut Beste, Großartigste, Berührendste, das euch seit Entstehung der Gründervilla widerfahren ist? Simon: Gründung und Selbständigkeit haben immer viel mit persönlicher Veränderung zu tun. Wir begegnen Menschen, die sich verändern wollen und erleben, dass die Gründervilla der Raum ist, der ihnen diese Veränderung ermöglicht. Das zu begleiten und diese Entwicklung live mitzuerleben ist großartig. Um ein Beispiel zu nennen: Luca Mercedes Stemer ist eine Fotografin aus Wien. Sie war eine der ersten Mieterinnen und hatte ihre erste Vernissage hier bei uns in der Gründervilla. Inzwischen ist sie eine ziemlich berühmte Fotografin, lebt in New York und ist ein wunderbarer Beweis dafür, dass Mut belohnt wird. Tom: Ich werde emotional, wenn ich an den Werdegang unserer Agentur Isenhoffs Büro denke, die 2014 ihr erstes richtiges Zuhause hier in der Gründervilla gefunden hat. Bis dato haben wir vom Schreibtisch im eigenen Wohnzimmer aus gearbeitet. Wenn ich daran zurückdenke, was wir allein in den letzten sieben Jahren alles gewuppt haben – auch und vor allem dank der Gründervilla – dann macht mich das stolz. Für mich ist es einfach das Gesamtding; wie sich die Gründervilla entwickelt hat und wie gerne die Leute hierher kommen, um zu arbeiten, sich zu entfalten, Freundschaften und sogar Ehen zu schließen. Wenn ich mir vor Augen halte, dass Simon und ich dafür den Grundstein gelegt haben – das ist ein wahnsinnig gutes Gefühl. written by LINDA HILD NOCH MEHR IDEEN FÜR „ANDERES ARBEITEN“ IM ALLGÄU Allgäu Digital Allgäu Digital ist ein Projekt der Allgäu GmbH und der Stadt Kempten in Kooperation mit der Hochschule Kempten und der IT-Gründerzentrum GmbH, Augsburg. Hinter dem Begriff steckt ein regionales Kooperationsnetzwerk für Startups und etablierte Unternehmen, deren Schwerpunkt die Digitalisierung ist. Seit 2017 werden hier Start-ups in ihren Anfängen unterstützt und von regionalen Experten in ihrer Entwicklung gecoacht. Auf rund 400 Quadratmetern in der 120 Jahre alten denkmalgeschützten Schlichterei in Kempten wurden hier rund 16 Arbeitsplätze geschaffen. www.allgaeu.de/allgaeudigital #WORKATION Dort arbeiten, wo andere Urlaub machen. In Zeiten, in denen es völlig egal ist, wo wir unseren Laptop aufklappen, werden die Ideen für Arbeitsplätze immer ausgefallener. Workation ist die Verschmelzung von „Work“ (Arbeit) und „Vacation“ (Urlaub) und soll verdeutlichen, dass man für Inspiration und frische Ideen manchmal die eigenen vier Wände verlassen sollte. Vom komfortablen Wellness-Hotel mit Bio-Vitalküche bis hin zur urigen Berghütte – die Möglichkeiten zum Arbeiten, für Teammeetings oder Workshops sind im Allgäu weit gefächert. Auf der Website der Allgäu GmbH findet sich eine Auflistung aller Angebote. www.allgaeu.de/workation 93