29.12.2013 Aufrufe

Auto-Antikörper-Messungen: Bei welchen klinischen Symptomen?

Auto-Antikörper-Messungen: Bei welchen klinischen Symptomen?

Auto-Antikörper-Messungen: Bei welchen klinischen Symptomen?

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

PRAXIS Mini-Review Praxis 2010; 99 (23): 1429–1434 1429<br />

Universitätsklinik für Rheumatologie, Klinische Immunologie & Allergologie,<br />

Inselspital Bern<br />

M. Seitz<br />

<strong>Auto</strong>-<strong>Antikörper</strong>-<strong>Messungen</strong>:<br />

<strong>Bei</strong> <strong>welchen</strong> <strong>klinischen</strong><br />

<strong>Symptomen</strong>?<br />

Which Clinical Symptoms Suggest Distinct <strong>Auto</strong>antibody Measurements?<br />

Zusammenfassung<br />

Die Messung von <strong>Auto</strong>antikörpern<br />

stellt einen wesentlichen Eckpfeiler der<br />

Diagnostik systemischer <strong>Auto</strong>immunerkrankungen<br />

wie den autoimmunen<br />

Konnektivitiven (= Kollagenosen) und<br />

den systemischen Kleingefässvaskulitiden<br />

dar. Geeignete Screening-Untersuchungen<br />

sind der Nachweis der<br />

antinukleären <strong>Antikörper</strong> (ANA) bei<br />

den Konnektivitiden sowie der antineutrophilen<br />

zytoplasmatischen <strong>Antikörper</strong><br />

(p+c-ANCA) bei den Kleingefässvaskulitiden.<br />

Eine erweiterte<br />

<strong>Auto</strong>antikörperdiagnostik sollte aus<br />

gesundheitsökonomischen wie auch<br />

aus intellektuell/didaktischen Gründen<br />

ausschliesslich zielgerichtet erfolgen<br />

auf der Basis von Anamnese und<br />

klinischem Untersuchungsbefund und<br />

auf daraus abzuleitenden diagnostischen<br />

Verdachtsmomenten.<br />

Schlüsselwörter: <strong>Auto</strong>antikörper –<br />

Arthritis, rheumatoide – Konnektivitiden,<br />

autoimmune – Vaskulitiden<br />

Anamnestische und klinische<br />

Verdachtsmomente<br />

<strong>Bei</strong>m Vorliegen von B-<strong>Symptomen</strong> (Fieber,<br />

Nachtschweiss, Gewichtsabnahme,<br />

Malaise) und bei gleichzeitigem Vorhandensein<br />

von rheumatologischen<br />

<strong>Symptomen</strong> im engeren Sinne wie polymyalgischen<br />

Beschwerden, Polyarthralgien<br />

oder Arthritiden liegt der differentialdiagnostische<br />

Verdacht auf eine<br />

rheumatologische Systemerkrankung<br />

(Konnektivitis, Vaskulitis) nahe. In<br />

diesem Falle lohnt es sich neben dem<br />

Infekt- und Tumorausschluss ein labormässiges<br />

«<strong>Auto</strong>immun-Screening» mit<br />

der Bestimmung von ANA und ANCA<br />

durchzuführen.<br />

<strong>Auto</strong>antikörper bei autoimmunen<br />

Konnektivitiden<br />

(Kollagenosen)<br />

Das Vorliegen einer autoimmunen<br />

Konnektivitis wird umso wahrscheinlicher,<br />

je mehr der folgenden spezifischeren<br />

zusätzlichen Krankheitssymptome<br />

vorliegen:<br />

Raynaud-Symptomatik<br />

Sicca-Symptomatik<br />

Keratokonjunktivitis<br />

Entzündliche Arthralgien (Ruheschmerz<br />

und Morgensteifigkeit),<br />

Arthritiden (Gelenkschwellung, Ruheschmerz,<br />

Morgensteifigkeit)<br />

Hautexanthem nach Sonnenexposition<br />

(bei SLE, entzündlichen Myopathien)<br />

Haarausfall<br />

Hautulzerationen, Enanthem<br />

Rasch progrediente proximale Muskelschwäche<br />

(Dermato- oder Polymyositis)<br />

Skleroderme Hautveränderungen, Sklerodaktylie<br />

und Teleangiektasien (diffuse<br />

oder limitierte Systemsklerose)<br />

Trockener unproduktiver Reizhusten,<br />

Dyspnoe, Sklerosiphonie (interstitielle<br />

Lungenerkrankung)<br />

Dysphagie, verkürztes und verdicktes<br />

Zungenbändchen, Tabaksbeutelmund/<br />

Mikrostomie, Refluxbeschwerden, Flatulenz,<br />

Diarrhöe (Systemsklerose)<br />

Thoraxschmerzen, thorakales Druckgefühl<br />

(Pleuritis, Perikarditis)<br />

Arterielle Hypertonie, Proteinurie,<br />

Ödeme, Mikrohämaturie (Glomerulonephritis)<br />

Neurologische Defizite, Wesensveränderungen<br />

(ZNS-Befall)<br />

Rezidivierende Thromboembolien,<br />

Spontanaborte (Antiphosphoplipid-<br />

Syndrom)<br />

Im Artikel verwendete Abkürzungen:<br />

ANA antinukleäre <strong>Antikörper</strong><br />

ANCA antineutrophile zytoplasmatische<br />

<strong>Antikörper</strong><br />

anti-ccP <strong>Antikörper</strong> gegen zyklisches<br />

citrulliniertes Peptid<br />

aPTT partielle Thromboplastinzeit<br />

MCTD mixed connective tissue disease<br />

MPO Myeloperoxidase<br />

PR3 Proteinase 3<br />

RA rheumatoide Arthritis<br />

RF Rheumafaktoren<br />

SLE systemischer Lupus erythematodes<br />

SRP signal recognition particle<br />

© 2010 by Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern DOI 10.1024/1661-8157/a000311


PRAXIS Mini-Review Praxis 2010; 99 (23): 1429–1434 1430<br />

<strong>Bei</strong> persistierenden symmetrischen Gelenkschwellungen<br />

während mehr als<br />

sechs Wochen muss die differentialdiagnostische<br />

Möglichkeit einer beginnenden<br />

rheumatoiden Arthritis (RA)<br />

erwogen werden und neben der allgemeinen<br />

Entzündungsdiagnostik, dem<br />

Gelenkultraschall und dem Gelenkröntgen<br />

eine <strong>Auto</strong>antikörper-Diagnostik mit<br />

Bestimmung der Rheumafaktoren (RF;<br />

routinemässig IgM-Subtyp ausreichend),<br />

der <strong>Antikörper</strong> gegen zyklisches citrulliniertes<br />

Peptid (anti-ccP) und der ANA<br />

erfolgen. Mit der kombinierten Bestimmung<br />

von RF und anti-ccP-<strong>Antikörper</strong>n<br />

kann heute mit einer hohen Sensitivität<br />

(ca. 75%) und Spezifität (ca. 96%) die<br />

Diagnose einer RA untermauert werden.<br />

In über 60% der Fälle von initial RFnegativer<br />

RA können anti-ccP <strong>Antikörper</strong><br />

nachgewiesen werden. Neben ihrem<br />

Nutzen in der Frühdiagnostik der RA hat<br />

der positive Nachweis von anti-ccP-<br />

<strong>Antikörper</strong>n auch eine prognostische<br />

Bedeutung im Hinblick auf eine zu erwartende<br />

erosive Erkrankung und eine<br />

daraus abzuleitende aggressive initiale<br />

Behandlung.<br />

Tab. 1: <strong>Auto</strong>antikörper beim SLE.<br />

<strong>Auto</strong>antikörper Sensitivität (%) Spezifität (%) Kommentare<br />

ANA 100 Screening<br />

ds-DNS 70 95 niedrige Affinität<br />

Crithitien 40 100 hohe Affinität<br />

SS-A 25–35 87–94 kongenitaler AV-Block<br />

Sm 30 95<br />

anti-C1q<br />

100% NPV für renalen Befall<br />

Histon 30–80 50<br />

U1-RNP 60 50 hochtitrig bei MCTD<br />

Histon 95 85 medikamentös induzierter Lupus<br />

NPV = negative predictive value; MCTD = mixed connective tissue disease<br />

An eine autoimmune Konnektivitis<br />

(Kollagenose) im engeren Sinne, z.B. an<br />

einen systemischen Lupus erythematodes<br />

(SLE), muss man denken, wenn<br />

ein(e) Patient(in) sich mit B-<strong>Symptomen</strong>,<br />

entzündlichen Arhralgien, einem<br />

typischen Schmetterlingserythem im<br />

Gesicht (oft nach Sonnenexposition),<br />

einer Sicca-Symptomatik von Augen<br />

(Xerophthalmie, Keratokonjuktivitis),<br />

Mund (Xerostomie) und mit weiteren<br />

organspezifischen <strong>Symptomen</strong> präsentiert<br />

(z.B. Pleuritis/Perikarditis, Ödeme,<br />

arterielle Hypertonie, neurologische und/<br />

oder psychische Auffälligkeiten, thromboembolische<br />

Ereignisse und rezidivierende<br />

Spontanaborte). In diesem Falle<br />

ist zusätzlich zur Bestimmung der ANA<br />

eine erweiterte <strong>Auto</strong>antikörper-Diagnostik<br />

gerechtfertigt mit der Bestimmung<br />

von: anti-ds-DNS-<strong>Antikörper</strong>n<br />

mittels ELISA (niedrigaffine, pathogenetisch<br />

weniger bedeutende <strong>Auto</strong>antikörper)<br />

und Crithitien-Assay (hochaffine,<br />

pathogenetisch relevante <strong>Auto</strong>antikörper),<br />

<strong>Antikörper</strong> gegen Sm, SS-A (anti-<br />

Rho), SS-B (anti-La), anti-C1q (100%<br />

negativer prädiktiver Wert für Nierenbefall;<br />

Titerhöhe korreliert mit Aktivität<br />

der Nephritis) sowie die Komplementfaktoren<br />

C3, C4 bzw. die gesamthämolytische<br />

C-Aktivität (CH50). Anti-Histon-<br />

<strong>Antikörper</strong> sind falls in hohen Titern<br />

auftretend eher beim medikamentös<br />

induzierten SLE anzutreffen, können<br />

niedrigtitrig aber auch bei der idiopathischen<br />

Form der Erkrankung gefunden<br />

werden. Aus prognostischen und therapeutischen<br />

Gründen ist es sehr wichtig,<br />

bei thromboembolischen Ereignissen,<br />

unklarer Thrombopenie, bei rezidivierenden<br />

Aborten und bei klinischer<br />

Livedo der Haut an eine sekundäres Antiphospholipid-<strong>Antikörper</strong>syndrom<br />

zu<br />

denken. In diesem Falle ist die Bestimmung<br />

der folgenden <strong>Antikörper</strong> vor<br />

einer oralen Antikoagulation oder präventiven<br />

Heparinisierung sinnvoll: Anti-<br />

Cardiolipin-<strong>Antikörper</strong>, <strong>Antikörper</strong> gegen<br />

2 Glycoprotein I sowie als Suchtest<br />

für das Lupus-Antikoagulans die Bestimmung<br />

der partiellen Thromboplastinzeit<br />

(aPTT). Die Sensitivität und Spezifität<br />

der einzelnen <strong>Auto</strong>antikörper bei<br />

SLE sind in einer Übersicht in Tabelle 1<br />

dargestellt.<br />

Eine dem SLE verwandte Konnektivitis<br />

ist die Mischkonnektivitis (MCTD =<br />

mixed connective tissue disease), welche<br />

serologisch zusätzlich neben hochtitrigen<br />

ANA auch durch hohe Titer von<br />

<strong>Auto</strong>antikörpern gegen U1RNP charakterisiert<br />

ist. Differenzierungsmerkmale<br />

gegenüber einem SLE sind der fehlende<br />

Nierenbefall, diffuse Hand-und Fingerödeme<br />

sowie häufiger als beim SLE eine<br />

Begleitmyositis mit Muskelschwäche<br />

und auch das Vorhandensein von Halsschmerzen,<br />

Heiserkeit und Dysphagie<br />

(vor allem im Entzündungsschub).<br />

An ein primäres Sjögren-Syndrom muss<br />

man denken, wenn eine ausgeprägte<br />

Sicca-Symptomatik von Augen und<br />

Mund und allenfalls auch des oberen<br />

Respirationstrakts besteht (durch pathologischen<br />

Schirmer-Test und Saxon-Test<br />

zu objektivieren) und gleichzeitig eine<br />

rezidivierende Schwellung von Ohrund/oder<br />

Mundspeicheldrüsen vorliegt.<br />

Die Diagnose wird durch den histologischen<br />

Nachweis einer autoimmunen<br />

Sialadenitis gestellt (z.B. mittels Lippenschleimhaut-Biopsie),<br />

kann aber auch<br />

zusätzlich durch die typische <strong>Auto</strong>antikörper-Konstellation<br />

mit Nachweis von<br />

<strong>Antikörper</strong>n gegen SS-A und SS-B wie<br />

sie in Tabelle 2 dargestellt ist, untermauert<br />

werden.<br />

Präsentiert sich ein Patient mehr mit diffusen<br />

Ödemen, einer lokalisierten oder<br />

diffusen Hautinduration, mit einer<br />

progressiven Sklerodaktylie und Finger-


PRAXIS Mini-Review Praxis 2010; 99 (23): 1429–1434 1431<br />

beugekontrakturen, einer Raynaud-<br />

Symptomatik mit oder ohne akrale<br />

Ulzerationen an Fingern oder Zehen,<br />

einer fibrosierenden Tendovaginitis oder<br />

weist Zeichen einer viszeralen Organbeteiligung<br />

auf (GIT: Dysphagie, Reflux,<br />

Flatulenz, Obstipation/Ileussymptomatik,<br />

Diarrhöe, Analinkontinenz; Lunge:<br />

unproduktiver trockener Reizhusten,<br />

zunehmende Dyspnoe bei Belastung;<br />

Niere: Hypertonie, Ödeme, rasches Nierenversagen),<br />

dann liegt mit allergrösster<br />

Wahrscheinlichkeit eine Systemsklerose<br />

vor. Aus prognostischen Gründen und<br />

wegen des unterschiedlichen Organbefallmusters<br />

ist die Unterscheidung von<br />

limitierter und diffuser Systemsklerose<br />

wichtig. Neben der Klinik helfen hierbei<br />

auch bestimmte <strong>Auto</strong>antikörper. So<br />

ist die limitierte Form der Erkrankung<br />

charakterisiert durch das Vorhandensein<br />

von anti-Centromeren-<strong>Antikörper</strong>n mit<br />

einer hohen Spezifität, aber einer nur<br />

maximal 30%igen Sensitivität und einer<br />

Assoziation mit pulmonal-arterieller<br />

Hypertonie, Teleangiektasien und einer<br />

Calcinosis cutis. <strong>Bei</strong> ca. 20% der Patienten<br />

mit einer diffusen Systemsklerose<br />

lassen sich <strong>Auto</strong>antikörper gegen Scl-70<br />

(Topoisomerase 1) nachweisen, die<br />

prädiktiv sind für die Entwicklung einer<br />

interstitiellen Pneumopathie und als<br />

protektiv gelten gegen die Entwicklung<br />

einer isolierten pulmonal-arteriellen<br />

Hypertonie. <strong>Bei</strong> der diffusen Form können<br />

auch in 20% der Fälle <strong>Antikörper</strong><br />

gegen die RNA-Polymerase III nachgewiesen<br />

werden, die wiederum in 25% der<br />

Fälle mit einer renalen Krise einhergehen<br />

können und deswegen bereits prophylaktisch<br />

mit einem ACE-Hemmer behandelt<br />

werden sollten. Diese Untergruppe<br />

weist zusätzlich einen starken<br />

Hautbefall auf, entwickelt aber nur sehr<br />

selten eine interstitielle Pneumopathie.<br />

Tabelle 3 zeigt die systemsklerose-assoziierten<br />

<strong>Auto</strong>antikörper im Überblick.<br />

<strong>Bei</strong> Verdacht auf eine autoimmune<br />

Myositis, d.h. eine Dermatomyositis<br />

oder Polymyositis (rasch progrediente<br />

proximal betonte Muskelschwäche von<br />

Tab. 2: <strong>Auto</strong>antikörper beim primären Sjögren-Syndrom.<br />

<strong>Auto</strong>antikörper Sensitivität (%) Spezifität (%) Kommentare<br />

ANA 100 Screening<br />

SS-A (Ro) 70 87<br />

SS-B (La) 60 94<br />

RF 30<br />

Thyreoglobulin, 80–100 Hashimoto Hypothyreose<br />

Mikrosomen<br />

Tab. 3: <strong>Auto</strong>antikörper bei Systemsklerose.<br />

<strong>Auto</strong>antikörper Sensitivität (%) Spezifität (%) Kommentare<br />

ANA 60–80 Screening<br />

Centromeren 25–30 100 Limit. Form, PAH<br />

Scl70 15–20 100 Diffuse Form, ISLD<br />

RNA Polymerase III 20 Renaler Befall/Krise, starker<br />

Hautbefall<br />

PAH = pulmonal arterielle Hypertonie; ISLD = interstitial lung disease<br />

Armen und <strong>Bei</strong>nen, Dysphagie, typisches<br />

Exanthem mit Heliotropismus,<br />

periorbitales Ödem mit livider Verfärbung,<br />

Gottron-Papeln, schmerzhaftes<br />

Nagelhäutchen, trockener Reizhusten,<br />

Dyspnoe, Raynaud- und Sicca-Symptomatik)<br />

kann in der Minderheit der Fälle<br />

eine prognostische Subgruppen-Zuordnung<br />

mittels <strong>Auto</strong>antikörpern erfolgen.<br />

Anti-Jo1-<strong>Antikörper</strong> sind bei dieser<br />

Krankheitsgruppe die häufigsten <strong>Auto</strong>antikörper,<br />

die gegen die Histidyl-tRNA-<br />

Synthetase gerichtet sind und assoziiert<br />

auftreten mit dem anti-Synthetase-<br />

Syndrom (30% bei Polymyositis, 5% bei<br />

Dermatomyositis, 15% bei Overlap-<br />

Syndromen mit einer 70%igen 5-Jahres-<br />

Überlebensrate). Dieses Syndrom umfasst<br />

als klinische Einzelsymptome<br />

interstitielle Pneumopathie, Raynaud,<br />

Arthritis, Fieber und «mechanic hands».<br />

Die myositische Komponente ist häufig<br />

nur zu Krankheitsbeginn klinisch evident<br />

und tritt im weiteren Krankheitsverlauf<br />

gegenüber der interstitiellen<br />

Pneumopathie meistens in den Hintergrund.<br />

Anti-M2-<strong>Auto</strong>antikörper sind<br />

gegen nukleäre Helicase gerichtet und<br />

treten ausschliesslich auf in Assoziation<br />

mit einer klassischen Dermatomyositis<br />

mit akuter Erythrodermie, Schal- oder<br />

V-Zeichen (5 Jahres-Überleben bei<br />

100%). <strong>Bei</strong> weniger als 5% der Polymyositis-Patienten<br />

findet man <strong>Auto</strong>antikörper<br />

gegen SRP (signal recognition<br />

particle). Diese Patienten leiden an einer<br />

schweren rasch progredienten Myopathie<br />

mit myokardialer Beteiligung und<br />

sind ausgesprochen therapieresistent.<br />

Die Prognose ist mit einem 5-Jahresüberleben<br />

von 25% ausgesprochen<br />

schlecht.<br />

In Tabelle 4 sind <strong>Auto</strong>antikörper aufgelistet,<br />

welche zur Differenzierung der<br />

autoimmunen Lebererkrankung beitragen.<br />

Diese <strong>Auto</strong>antikörper lohnt es<br />

sich zu bestimmen, wenn anamnestische<br />

und klinische Verdachtsmomente bestehen<br />

wie die folgenden: uncharakteristische<br />

Müdigkeit, Leistungsintoleranz<br />

gepaart mit Abdominalbeschwerden,<br />

Juckreiz, Übelkeit, Hyperpigmentation<br />

der Haut, polymylagische Beschwerden<br />

und/oder Polyarthralgien, Hepatosplenomegalie,<br />

Teleangiektasien, Spider<br />

naevi oder Aszites. Im Rahmen eines<br />

Overlap-Syndromes kann eine autoimmune<br />

Lebererkrankung jederzeit auch<br />

mit einer anderen definierten <strong>Auto</strong>im-


PRAXIS Mini-Review Praxis 2010; 99 (23): 1429–1434 1432<br />

munerkrankung assoziiert auftreten (z.B.<br />

primäres Sjögren-Syndrom, SLE etc.)<br />

Mit Ausnahme der <strong>Antikörper</strong> gegen<br />

ds-DNS und C1q (renaler Befall bei SLE)<br />

sind alle aufgeführten <strong>Auto</strong>antikörper<br />

rein diagnostisch, d.h. eine wiederholte<br />

Bestimmung ist i. d. R. sinnlos und unökonomisch,<br />

da für die Beurteilung des<br />

Krankheitsverlaufes irrelevant.<br />

<strong>Auto</strong>antikörper bei systemischen<br />

Kleingefässvaskulitiden<br />

Eine systemische Kleingefässvaskulitis ist<br />

dann evident, wenn die folgenden organspezifischen<br />

Krankheitssymptome<br />

zusätzlich zu B-<strong>Symptomen</strong> vorhanden<br />

sind:<br />

Episkleritis, Skleritis, Keratitis, Uveitis,<br />

Vitritis, Retinitis<br />

Chronische antibiotikaresistente Otitis<br />

media, Mastoiditis, purulente und/<br />

oder hämaorrhagische Rhinitis und<br />

Sinusitis, Hörverlust, Schwindel<br />

Hämoptysen, Dyspnoe<br />

Palpable Hautpurpura (nicht wegdrückbar<br />

mit dem Glasspatel), Hautulzera<br />

an atypischer Stelle und nach<br />

banalen Traumen auftretenden,<br />

schlecht heilend<br />

Ödeme, arterieller Hypertonus, Proteinurie,<br />

Mikrohämaturie, rasch progrediente<br />

Niereninsuffizienz (Glomerulonephritis)<br />

Progressive senso-motorische Ausfälle<br />

(Mononeuritis multiplex, sensomotorische<br />

Polyneuropathie)<br />

Perimyokarditis<br />

Tab. 4: <strong>Auto</strong>antikörper bei autoimmunen Lebererkrankungen.<br />

<strong>Auto</strong>antikörper Sensitivität (%) Spezifität (%) Kommentare<br />

ANA 30–50% <strong>Auto</strong>immunhepatitis I<br />

SMA, Actin, SLA/LP<br />

ANA 20 <strong>Auto</strong>immunhepatitis II<br />

LKM<br />

ANA<br />

AMA, SMA,<br />

atypische p-ANCA<br />

Primär bil. Zirrhose/<br />

autoimmune Cholangiopathie<br />

SMA = smooth muscle cell antibody; SLA = soluble liver antigen; LP = liver pancreas; LKM = liverkidney<br />

microsomal antibody; AMA = Anti-mitochondriale <strong>Antikörper</strong>; ANCA = Antineutrophilen<br />

cytoplasmatische <strong>Antikörper</strong><br />

Tab. 5: ANCA-assoziierte Kleingefässvaskulitiden.<br />

Wegener MPA CSS<br />

Sensi- Spezi- PPV Sensi- Spezi- PPV Sensi- Spezi- PPV<br />

tivität fität tivität fität tivität fität<br />

c-ANCA 81.3 99.5 93.7 2.5 92.8 0.3 6.5 92.8 0.9<br />

p-ANCA 3.6 94.0 4.8 65.0 94.2 8.9 6.5 92.8 0.9<br />

+MPO-ANCA 1.8 99.3 17.5 47.5 99.5 47.5 4.3 99.2 5.0<br />

MPA = mikroskopische Polyangiitis; CSS = Churg-Strauss; PPV = positive predictive value; MPO =<br />

Myeloperoxidase; ANCA = Antineutrophilen cytoplasmatische <strong>Antikörper</strong>; c = cytoplasmatisch;<br />

p = perinukleär<br />

Abb. 1: Indirekter Immunfluoreszenznachweis von c-ANCA (links) und p-ANCA (rechts).<br />

Mit der Entwicklung des serologischen<br />

Nachweises von p- (perinukleären) und<br />

c- (cytoplasmatischen) Neutrophilen-<br />

<strong>Antikörper</strong>n (p + c-ANCAs) wurden<br />

ganz wesentliche Fortschritte in der<br />

Diagnostik der Kleingefässvaskulitiden<br />

bei Morbus Wegener, mikroskopischer<br />

Polyangiitis und bei dem Churg-Strauss-<br />

Syndrom erzielt.<br />

<strong>Bei</strong>de <strong>Antikörper</strong> werden mit mässiger<br />

bis hoher Sensitivität (67–81%) durch<br />

den indirekten Immunfluoreszenz-Test<br />

(IIF) nachgewiesen. Eine hohe diagnostische<br />

Spezifität von 94–99% weisen die<br />

ELISA-Testmethoden auf, die als spezifisches<br />

Zielantigen der c-ANCA die<br />

zytoplasmatische lokalisierte Proteinase<br />

3 (PR3) detektieren und als Zielantigen<br />

der p-ANCA die perinukleär lokalisierte<br />

Myeloperoxidase (MPO). Im <strong>klinischen</strong><br />

Alltag werden in der Regel bei den obengenannten<br />

<strong>Symptomen</strong> einer Kleingefässvaskulitis<br />

beide <strong>Antikörper</strong> mittels<br />

IIF (Abb. 1) und ELISA gleichzeitig bestimmt.<br />

Die p-ANCA sind diagnostisch<br />

für die mikroskopische Polyangiitis<br />

(Leitsymptome von alveolärer Hämorrhagie<br />

und Glomerulonephritis) und die<br />

c-ANCA für den Morbus Wegener, vor


PRAXIS Mini-Review Praxis 2010; 99 (23): 1429–1434 1433<br />

allem in der generalisierten Form. Die<br />

rein lokoregionären Formen der Erkrankung<br />

können in bis zu 50% der<br />

Fälle ANCA-negativ verlaufen. <strong>Bei</strong>m<br />

Churg-Strauss-Sydrom können p- und<br />

c-ANCA in einem geringen Prozentsatz<br />

ebenfalls vorkommen. Eine ganze Reihe<br />

nicht MPO-spezifischer p-ANCA kann<br />

bei chronischen Darmerkrankungen<br />

oder bei der rheumatoiden Arthritis<br />

vorkommen, welche aber bei diesen<br />

Erkrankungen weder diagnostische<br />

noch prognostische Bedeutung haben.<br />

Die verschiedenen Sensitivitäten und<br />

Spezifitäten der ANCA sind auf Tabelle 5<br />

im Überblick dargestellt.<br />

Eine Persistenz oder ein Anstieg der AN-<br />

CA-Titer im Krankheitsverlauf weist auf<br />

ein erhöhtes Rezidivrisiko hin, kann aber<br />

auf Einzelpatientenebene nicht immer<br />

gleichgesetzt werden mit einem unmittelbar<br />

drohenden Rezidiv der Erkrankung.<br />

Anders verhält es sich allerdings,<br />

wenn nach eingetretener Seronegativierung<br />

unter Therapie ein erneuter AN-<br />

CA-Anstieg zu beobachten ist. In diesem<br />

Fall sind engmaschigere klinische Kontrollen<br />

erforderlich, um ein Rezidiv<br />

frühzeitig zu erfassen und die Immunosuppression<br />

anzupassen. Somit sind<br />

periodische Bestimmungen der ANCA<br />

zur Beurteilung des Krankheitsverlaufes<br />

grundsätzlich sinnvoll.<br />

Wenn irgend möglich, sollte die Diagnose<br />

einer Kleingefässvaskulitis jedoch<br />

immer histologisch untermauert werden<br />

und nicht alleine auf der Klinik und der<br />

ANCA-Positivität basieren.<br />

Key messages<br />

● Die gleichzeitige Bestimmung von Rheumafaktoren und anti-ccP-<strong>Antikörper</strong>n<br />

weist die höchste Sensitivität und Spezifität in der Frühdiagnostik der<br />

rheumatoiden Arthritis auf.<br />

● In der <strong>Auto</strong>antikörper-Diagnostik des systemischen Lupus erythematodes<br />

ist die Bestimmung der ANA sowie der spezifischen <strong>Auto</strong>antikörper gegen<br />

ds-DNS, Crithidien, C1q und die Bestimmung der Komplementfaktoren C3<br />

und C4 am wichtigsten.<br />

● Die limitierte und die diffuse Form der Systemsklerose lassen sich serologisch<br />

durch den Nachweis von <strong>Auto</strong>antikörpern gegen Centromeren bzw. gegen<br />

Scl70 (Topoisomerase I) unterscheiden.<br />

● c- und p-ANCA sind geeignet als diagnostische «screening marker» beim<br />

<strong>klinischen</strong> Verdacht auf eine Kleingefässvaskulitis.<br />

Lernfragen<br />

1. Welche Aussage zu den folgenden <strong>Auto</strong>antikörpern ist FALSCH?<br />

a) C-ANCA sind beim M. Wegener immer positiv.<br />

b) Das spezifische Zielantigen der c-ANCA ist die lysosomale Proteinase 3.<br />

c) MPO-spezifische p-ANCA sind diagnostisch für die mikroskopische<br />

Polyangitis.<br />

d) Unspezifische p-ANCA sind diagnostisch irrelevant.<br />

e) Die wiederholte Bestimmung der c-ANCA ist sinnvoll, da die <strong>Auto</strong>antikörperspiegel<br />

mit der Krankheitsaktivität korrelieren können.<br />

2. Welcher der folgenden <strong>Auto</strong>antikörper ist geeignet für die Beurteilung der<br />

Krankheitsaktivität?<br />

a) Anti-Scl70<br />

b) Anti-SS-A<br />

c) Anti-C1q<br />

d) Anti-Cardiolipin<br />

e) Anti-Histon<br />

3. Welche Assoziation spezifischer <strong>Auto</strong>antikörper mit bestimmten Krankheitsmanifestationen<br />

trifft NICHT zu?<br />

a) Anti-Scl70 und interstitielle Pneumopathie<br />

b) Anti-C1q und Nephritis<br />

c) Anti-Centromeren und pulmonal arterielle Hypertonie<br />

d) Anti-RNA Polymerase III und renale Krise<br />

e) Anti-SS-A und pulmonal arterielle Hypertonie<br />

Abstract<br />

The detection of autoantibodies is an<br />

important cornerstone in the diagnosis<br />

of systemic autoimmune disorders<br />

such as autoimmune connectivitides<br />

and small vessel vasculitides. Antinuclear<br />

antibodies (ANAs ) and antineutrophil<br />

cytoplasmic antibodies (c+<br />

p-ANCAs) are appropriate diagnostic<br />

screening tools for autoimmune connectivites<br />

and small vessel vasculitides.<br />

For economic and intellectual/didactic<br />

reasons more extensive autoantibody<br />

diagnostics should be performed only<br />

in particular situations when patients<br />

history and clinical exam lead to<br />

strong diagnostic suspicion.<br />

Key words: autoantibodies – rheumatoid<br />

arthritis – connectivitides – vasculitides


PRAXIS Mini-Review Praxis 2010; 99 (23): 1429–1434 1434<br />

Résumé<br />

La recherche d’auto-anticorps est une<br />

étape centrale dans le diagnostic de<br />

maladies systémiques auto-immunes<br />

comme les collagénoses auto-immunes<br />

et les vasculites des petits vaisseaux.<br />

Les anticorps anti-nucléaires (ANA) et<br />

les anticorps antineutrophiles cytoplasmatiques<br />

(c + p ANCA) sont des<br />

tests de dépistage et de diagnostic pour<br />

des collagénoses auto-immunes et les<br />

vasculites des petits vaisseaux. Pour<br />

des raisons économiques et intellectuelles/didactiques,<br />

d’autres auto-anticorps<br />

ne devraient être recherchés<br />

pour l’obtention d’un diagnostic que<br />

dans des situations particulières, où<br />

l’anamnèse et l’examen clinique des<br />

patients permettent de soupçonner<br />

fortement un certain diagnostic.<br />

Mots-clés: auto-anticorps – arthrite<br />

rhumatoide – connectivitides autoimmune<br />

– vasculitides<br />

Bibliographie<br />

1. Nielen MMJ, et al. Specific autoantibodies precede the symptoms of rheumatoid arthritis:<br />

A study of serial measurements in blood donors. Artthritis Rheum 2004;50:380.<br />

2. Avouac J, et al. Diagnostic and predictive value of anti-cyclic citrullinated protein antibodies in<br />

rheumatoid arthritis: a systematic literature review. Ann Rheum Dis 2006;65:84.<br />

3. Meyer OC, et al. Anti-C1q antibodies antedate patent active glomerulonephritis in patients<br />

with systemic lupus erythematosus. Arthritis Res Ther 2009;11:R8.<br />

4. Harley JB. <strong>Auto</strong>antibodies are central to the diagnosis and clinical manifestations of lupus.<br />

J Rheumatol 1994;21:118.<br />

5. Schönermarck U, et al. Prevalence and spectrum of rheumatic diseases associated with<br />

proteinase 3 – antineutrophil antibodies (ANCA) and myeloperoxidase-ANCA. Rheumatology<br />

2001;40:178.<br />

Korrespondenzadresse<br />

Prof. Dr. med. Michael Seitz<br />

Chefarzt-Stv.<br />

Universitätsklinik für Rheumatologie,<br />

Klinische Immunologie & Allergologie<br />

Inselspital<br />

3010 Bern<br />

michael.seitz@insel.ch<br />

Antworten zu den Lernfragen<br />

1. Aussage a) ist falsch.<br />

2. Antwort c) ist richtig.<br />

3. Aussage e) trifft nicht zu.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!