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WOHNTREND - Kristina Raderschad

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ITALIAN STYLE<br />

Zu Gast bei<br />

vielen Kreativen<br />

MEMPHIS<br />

Design-Mythos<br />

wird 30<br />

KULTBAU<br />

Pier Luigi Nervis<br />

grandioser Stil<br />

BERLIN<br />

Freizeit-Farmer<br />

in der Stadt<br />

<strong>WOHNTREND</strong><br />

Stilmix<br />

&Farbe<br />

KÖLN-NEWS<br />

Messeschau: neue<br />

Möbel und Stoffe<br />

Nominiert für den Designpreis der BRD 2011 • with English summaries • con riassunti in italiano


ITALIENISCHE<br />

FARBENLEHRE<br />

KOSTBAR UND KURIOS, ANTIK UND MODERN: CARLO DAL BIANCOS<br />

KUNSTSAMMLUNG IST SO VIELFÄLTIG WIE ÜBERBORDEND. IN SEINEM HAUS<br />

IN VICENZA ZEIGT DER DESIGNER SIE IN FARBENFROHEN RÄUMEN.<br />

DAS VERLEIHT DEN BILDERN GRANDEZZA – UND VERBREITET GUTE LAUNE.<br />

Blau trifft Braun trifft Bunt: An den<br />

Wänden um den Essplatz hängen<br />

vor allem Gemälde der venezianischen<br />

Sezessionisten um 1900. Dank der<br />

farbigen Wände fügen sie sich mit dem<br />

Tisch von Saarinen und Fritz Hansens<br />

Stühlen zu einem lebendigen Ganzen.<br />

PRODUKTION UND TEXT <strong>Kristina</strong> <strong>Raderschad</strong><br />

FOTOS Bärbel Miebach<br />

2/11 A & W 109


Porträt mit Hund: Foxterrier Masai muss<br />

fürs Familienfoto im Wohnraum die<br />

Kinder von Carlo Dal Bianco und seiner<br />

Frau Alessandra Rebellato vertreten –<br />

alle vier waren in der Schule oder im<br />

Kindergarten. Die Mosaik-Tischleuchte<br />

entwarf der Designer für Bisazza.<br />

Die schwere, weiß lackierte Holztüre öffnet sich – und<br />

ein korallenrot gestrichenes Entree empfängt den Besucher.<br />

Ein Biedermeiersofa unter einem Ölbild aus<br />

den 30er-Jahren füllt den kleinen Raum; ein Foxterrier hat<br />

sich darauf ausgestreckt und lässt sich durch nichts aus der<br />

Ruhe bringen. So bildet er zusammen mit dem Gipsabguss<br />

einer klassizistischen Venusbüste, zwei Wedgwood-Vasen<br />

aus den 50ern, einem hölzernen Porträtkopf vom Flohmarkt<br />

und einer Vintage-Tischleuchte mit schwarz-weißem Schirm<br />

ein Stillleben, das eine Menge über den Hausherrn erzählt.<br />

Hier wohnt jemand, der ein geschultes Auge für Kunst<br />

und Design hat, der seine Klassiker kennt und Zeitgenössisches<br />

schätzt. Der gekonnt Objekte unterschiedlichster Herkunft<br />

kombiniert, ohne Wertvolles museal zu inszenieren.<br />

Die Dinge, die er liebt, sind Teil seines Alltags. Und Alltag<br />

bedeutet für Carlo Dal Bianco, 46, Architekt und Designer,<br />

seit 18 Jahren verheiratet und Vater von vier Kindern: Familie<br />

und Arbeit – beides unter einem Dach. Sein Haus in Vicenza,<br />

ein unaufgeregter viergeschossiger Bau aus den 50er-Jahren,<br />

den er 2004 kaufte und umbaute, beherbergt im Erdgeschoss<br />

sein Design-Atelier. Hier entwickelt er Produkte und<br />

architektonische Konzepte für den Mosaikhersteller Bisazza<br />

oder die Porzellanmanufaktur Fürstenberg. Darüber wohnt<br />

die Familie auf drei Etagen und 400 Quadratmetern. Das<br />

zweite Geschoss haben die Kinder für sich, in der dritten liegen<br />

der Eingang und die Zimmer der Eltern, und ganz oben<br />

wird gekocht, gegessen, gewohnt. Leben und Arbeiten bilden<br />

eine Einheit, die bunter kaum sein könnte: Ob Sonnengelb<br />

oder Taubenblau, Pistaziengrün oder Schokoladenbraun, Tief -<br />

schwarz oder Korallenrot – jeder Raum hat eine andere Farbe, und jede wirkt selbstverständlich und sophisticated, nicht eine<br />

kommt grell oder unpassend daher.<br />

„Für den Eingang habe ich ganz bewusst einen starken,<br />

heiteren Ton gewählt, der den Besucher freundlich stimmt“,<br />

erklärt Carlo Dal Bianco. „Ein Kniff, der ursprünglich aus<br />

dem Barock stammt.“ Die Farben, die er für einenRaum auswählt,<br />

beziehen sich stets auf ein konkretes Objekt. Im Flur<br />

war es das Bild des italienischen Malers Otello De Maria über<br />

dem Sofa, das sich der Designer und seine Gattin Alessandra<br />

Rebellato, eine Restauratorin, zur Hochzeit schenkten. „Für<br />

das Biedermeiermöbel suchten wir dann einen Bezugsstoff,<br />

der farblich zum Gemälde passt – und auch die Wahl der<br />

roten Wandfarbe kam so zustande“, sagt Carlo Dal Bianco.<br />

Dass Foxterrier Masai dem Sofastoff reichlich Gebrauchsspuren<br />

beigebracht hat, quittiert der Designer mit mildem<br />

Lächeln. Das gehört zum Alltag – und tut der Suggestionskraft<br />

des Interieurs keinen Abbruch.<br />

Vom Entree aus wandelt man durch eine Raumfolge, die<br />

mit ihrer klaren Symmetrie dem Barock entlehnt ist, und<br />

man staunt, wie sich Stimmungen ändern, das Gefühl von<br />

Distanz und Weite sich mit Konzentration und Nähe abwechselt.<br />

Wie sich Raumecken und von der Architektur vorgegebene<br />

Grenzen zwischen Vertikalen und Horizontalen aufzulösen<br />

scheinen, wenn Carlo Dal Bianco satte, dunkle Töne<br />

von den Wänden nahtlos auf die Decken übergehen lässt.<br />

Ruhe im Moos: Vor den grünen Wänden im Schlafzimmer<br />

scheinen der spätbarocke Engel und der antike Holzrahmen<br />

zu schweben. Im Obergeschoss blickt man vom Esstisch<br />

auf die Dachterrasse. Das Rosé von Poul Henningsens Leuchte<br />

„Artischocke“ nimmt die Deckenfläche im Salon auf.<br />

2/11 A & W 111


Design-Stillleben: Auf Archivschränken<br />

im Studio steht eine Handschuhform<br />

von Richard Ginori neben der Miniatur<br />

eines Tischchens von Marcel Wanders;<br />

Skulpturen von Jaime Hayon neben<br />

Vasen aus den 30ern und 40ern und<br />

ein Objekt von Alessandro Mendini.<br />

112 A & W 2/11<br />

Glanz in Weiß: Den Glaslüster im Salon<br />

entwarf Carlo Dal Bianco für Bisazza<br />

Home. Die rosa Decke lässt das Weiß<br />

der Möbelklassiker strahlen. Die Bilder<br />

auf den beiden Pfeilern sind Werke<br />

der Italiener Umberto Boccioni und Ugo<br />

Valeri, Anfang des 20. Jahrhunderts.


Korallenraum: Das Sofa im sattroten<br />

Entree der Wohnung ist der bevorzugte<br />

Platz von Foxterrier Masai. Das Bild<br />

des Malers Otello De Maria aus Vicenza<br />

(1933) schenkten sich der Hausherr<br />

und seine Frau zur Hochzeit, der Holzkopf<br />

stammt vom Trödel aus New York.<br />

114 A & W 2/11<br />

Spiegelstücke: Carlo Dal Bianco entwarf<br />

die Kommode im Besprechungsraum<br />

des Studios. Die mokkabraunen Wände<br />

verstärken das Funkeln und das Pink<br />

auf dem Wollteppich aus Moldawien. Die<br />

stilisierte Blüte auf dem Türblatt<br />

spiegelt das Firmenlogo Dal Biancos.


Quadratische weiße Flächen rahmen in der Mitte der Decken<br />

große Leuchter – antike venezianische Modelle, Flohmarktfunde,<br />

eigene Entwürfe – und räumen nebenbei mit dem<br />

Vorurteil auf, dass dunkle Farben Räume kleiner wirken lassen.<br />

„Ganz im Gegenteil! Durch die weißen Flächen an der<br />

Decke scheinen sich die Zimmer zum Licht zu öffnen und<br />

erscheinen so größer, als sie tatsächlich sind“, erklärt der<br />

Architekt den Kunstgriff, den er nicht nur in den meisten<br />

Räumen im Haus angewendet hat, sondern auf den er auch<br />

bei der Gestaltung der Showrooms seines Kunden Bisazza in<br />

Miami, Tokio und New York zurückgegriffen hat.<br />

Carlo Dal Bianco hat in Venedig Architektur studiert, bevor<br />

er 1993 sein Büro in Vicenza eröffnete. Aus dieser Zeit<br />

stammt seine Liebe zur Renaissance, zum Klassizismus und<br />

zur Malerei des italienischen Novecento. Es machte ihn zum<br />

Sammler und prägt seine Arbeit. Als Designer lässt er sich<br />

von historischen Vorlagen inspirieren. Sein Service für die<br />

deutsche Porzellanmanufaktur Fürstenberg etwa ist mit<br />

sanft geschwungenen Formen und Henkeln und dem grafischen<br />

Muster eine moderne Reminiszenz an die Klassik; und<br />

auch sein Logo, eine stilisierte Blüte, zitiert eine alte Vorlage.<br />

Seit dem Studium tragen er und seine Frau Kunstbände,<br />

Gipsabgüsse, Zeichnungen, antike Bilderrahmen, Gemälde<br />

und zeitgenössische Objekte von Designern wie Jaime Hayon, Marcel Wanders oder Alessandro Mendini zu einer Kollektion<br />

zusammen, die durch An- und Verkäufe, Flohmarktfunde<br />

und Souvenirs in ständiger Veränderung begriffen ist. „Vor<br />

allem die Bilder der venezianischen Sezessionisten-Gruppe<br />

Ca’ Pesaro, die sich um 1900 zusammenfand, faszinieren<br />

uns“, sagt der Hausherr. Die Sammlung ist über das ganze<br />

Haus verteilt, in Szene gesetzt und zugleich gebändigt durch<br />

die Farben: in der schwarz gestrichenen Bibliothek, im taubenblauen<br />

Lese- und dem moosgrünen Elternschlafzimmer.<br />

Das Mobiliar ist zurückhaltend, ausgesuchte Antiquitäten<br />

und skandinavische Möbelklassiker, meist ganz in Weiß.<br />

In der obersten Etage, in der Carlo Dal Bianco Zwischenwände<br />

herausreißen, die Fenster zur Nordseite zumauern<br />

und auf der Südseite zur Dachterrasse eine Glasfront einbauen<br />

ließ, entstand ein lichter, loftartiger Raum zum Wohnen<br />

und Essen: das Zentrum des Familienlebens – und für die<br />

Kunst. Hier hängen die meisten der 104 Gemälde und Zeichnungen,<br />

dicht an dicht auf zwei Wänden beim Essplatz. Die<br />

eine, sie bildet das Rückgrat des Raumes, ist dunkelbraun,<br />

für die andere wählte Carlo Dal Bianco ein gregorianisches<br />

Graublau – „einen Farbton, den man im England des 18. Jahrhunderts<br />

häufig benutzte, weil er den perfekten Fond für einen<br />

goldenen Rahmen bildet“. Und natürlich auch für den Gipsabguss<br />

einer Büste, ein Selbstporträt Antonio Canovas, die<br />

der Designer hier auf einer weißen Säule platzierte. Der<br />

große venezianische Bildhauer und Vertreter des Klassizismus<br />

überblickt den ovalen Esstisch mit den Arne-Jacobsen-<br />

Stühlen in verschiedenen Farben – und ist bei jeder Mahlzeit<br />

dabei. Kann man seine Verehrung für einen Künstler charmanter,<br />

aufrichtiger und souveräner zeigen, als ihm diesen<br />

Familienanschluss zu gewähren?<br />

p<br />

Mehr im Register ab Seite 200<br />

116 A & W 2/11<br />

Rahmenhandlung: In seiner Bibliothek ließ Dal Bianco<br />

die schwarze Wandfarbe bis weit unter die Raumdecken<br />

hochziehen – „das lässt die Grenzen der Architektur<br />

verschwimmen, den Raum größer erscheinen“. Der hellgrüne<br />

Flur führt zum mokkabraunen Konferenzraum.

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