WOHNTREND - Kristina Raderschad
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Quadratische weiße Flächen rahmen in der Mitte der Decken<br />
große Leuchter – antike venezianische Modelle, Flohmarktfunde,<br />
eigene Entwürfe – und räumen nebenbei mit dem<br />
Vorurteil auf, dass dunkle Farben Räume kleiner wirken lassen.<br />
„Ganz im Gegenteil! Durch die weißen Flächen an der<br />
Decke scheinen sich die Zimmer zum Licht zu öffnen und<br />
erscheinen so größer, als sie tatsächlich sind“, erklärt der<br />
Architekt den Kunstgriff, den er nicht nur in den meisten<br />
Räumen im Haus angewendet hat, sondern auf den er auch<br />
bei der Gestaltung der Showrooms seines Kunden Bisazza in<br />
Miami, Tokio und New York zurückgegriffen hat.<br />
Carlo Dal Bianco hat in Venedig Architektur studiert, bevor<br />
er 1993 sein Büro in Vicenza eröffnete. Aus dieser Zeit<br />
stammt seine Liebe zur Renaissance, zum Klassizismus und<br />
zur Malerei des italienischen Novecento. Es machte ihn zum<br />
Sammler und prägt seine Arbeit. Als Designer lässt er sich<br />
von historischen Vorlagen inspirieren. Sein Service für die<br />
deutsche Porzellanmanufaktur Fürstenberg etwa ist mit<br />
sanft geschwungenen Formen und Henkeln und dem grafischen<br />
Muster eine moderne Reminiszenz an die Klassik; und<br />
auch sein Logo, eine stilisierte Blüte, zitiert eine alte Vorlage.<br />
Seit dem Studium tragen er und seine Frau Kunstbände,<br />
Gipsabgüsse, Zeichnungen, antike Bilderrahmen, Gemälde<br />
und zeitgenössische Objekte von Designern wie Jaime Hayon, Marcel Wanders oder Alessandro Mendini zu einer Kollektion<br />
zusammen, die durch An- und Verkäufe, Flohmarktfunde<br />
und Souvenirs in ständiger Veränderung begriffen ist. „Vor<br />
allem die Bilder der venezianischen Sezessionisten-Gruppe<br />
Ca’ Pesaro, die sich um 1900 zusammenfand, faszinieren<br />
uns“, sagt der Hausherr. Die Sammlung ist über das ganze<br />
Haus verteilt, in Szene gesetzt und zugleich gebändigt durch<br />
die Farben: in der schwarz gestrichenen Bibliothek, im taubenblauen<br />
Lese- und dem moosgrünen Elternschlafzimmer.<br />
Das Mobiliar ist zurückhaltend, ausgesuchte Antiquitäten<br />
und skandinavische Möbelklassiker, meist ganz in Weiß.<br />
In der obersten Etage, in der Carlo Dal Bianco Zwischenwände<br />
herausreißen, die Fenster zur Nordseite zumauern<br />
und auf der Südseite zur Dachterrasse eine Glasfront einbauen<br />
ließ, entstand ein lichter, loftartiger Raum zum Wohnen<br />
und Essen: das Zentrum des Familienlebens – und für die<br />
Kunst. Hier hängen die meisten der 104 Gemälde und Zeichnungen,<br />
dicht an dicht auf zwei Wänden beim Essplatz. Die<br />
eine, sie bildet das Rückgrat des Raumes, ist dunkelbraun,<br />
für die andere wählte Carlo Dal Bianco ein gregorianisches<br />
Graublau – „einen Farbton, den man im England des 18. Jahrhunderts<br />
häufig benutzte, weil er den perfekten Fond für einen<br />
goldenen Rahmen bildet“. Und natürlich auch für den Gipsabguss<br />
einer Büste, ein Selbstporträt Antonio Canovas, die<br />
der Designer hier auf einer weißen Säule platzierte. Der<br />
große venezianische Bildhauer und Vertreter des Klassizismus<br />
überblickt den ovalen Esstisch mit den Arne-Jacobsen-<br />
Stühlen in verschiedenen Farben – und ist bei jeder Mahlzeit<br />
dabei. Kann man seine Verehrung für einen Künstler charmanter,<br />
aufrichtiger und souveräner zeigen, als ihm diesen<br />
Familienanschluss zu gewähren?<br />
p<br />
Mehr im Register ab Seite 200<br />
116 A & W 2/11<br />
Rahmenhandlung: In seiner Bibliothek ließ Dal Bianco<br />
die schwarze Wandfarbe bis weit unter die Raumdecken<br />
hochziehen – „das lässt die Grenzen der Architektur<br />
verschwimmen, den Raum größer erscheinen“. Der hellgrüne<br />
Flur führt zum mokkabraunen Konferenzraum.