Lotperlenfreie Zone? – Eine Betrachtung - EPM Handels AG
Lotperlenfreie Zone? – Eine Betrachtung - EPM Handels AG
Lotperlenfreie Zone? – Eine Betrachtung - EPM Handels AG
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FERTIGUNG<br />
Hitzige Reaktionen<br />
Wenn Lotperlenverursacher Nr. 1, der<br />
Lötstopplack, mit ca. 50% zu Buche<br />
schlägt, und Grund Nr. 2, das Flussmittel,<br />
noch gut 20% zu den Lotperlen beiträgt,<br />
bleiben noch knapp 30% für andere<br />
Gründe übrig - und die liegen in den Lötmaschinen<br />
und in den schier unendlichen<br />
Lötparametern. Es herrscht weitestgehend<br />
Einigkeit darüber, dass<br />
durch Einführung des bleifreien Lötens<br />
per se mehr Lotperlen entstehen. Zwar<br />
ist die Oberflächenspannung der bleifreien<br />
Lote größer als die der bleihaltigen,<br />
auf der anderen Seite kann man<br />
dem aber, wie beschrieben, durch das<br />
geeignete Flussmittel entgegenwirken.<br />
In jedem Fall spielt die Temperatur eine<br />
große Rolle, und so muss dann auch den<br />
bei bleifreien Legierungen deutlich erhöhten<br />
Löttemperaturen Rechnung getragen<br />
werden. Das fängt mit der Vorheizung<br />
an: <strong>EPM</strong>-Lötmaschinen verfügen<br />
deshalb über eine Konvektionsheizung,<br />
die dafür sorgt, dass das Flussmittel genau<br />
zum richtigen Zeitpunkt aktiviert<br />
wird und dass das Lösungsmittel rechtzeitig<br />
vor Eintritt der Leiterplatte in das<br />
Lötbad verdampft. Und auch die<br />
Schmelz- und Löttemperaturen sind<br />
deutlich höher: der Schmelzpunkt von<br />
bleihaltigem, eutektischem Lot liegt bei<br />
183 Grad, die Löttemperatur beträgt 250<br />
Grad. Bei bleifreien Loten kommt man<br />
deutlich mehr ins Schwitzen: hier liegt<br />
die Schmelztemperatur zwischen 220<br />
und 230 Grad, die Löttemperatur bei ca.<br />
260 Grad (z.B. SAC). Ein gewaltiger Unterschied,<br />
der allerdings durch die Vollstickstoffmaschinen<br />
und auch durch die<br />
teilbegasten <strong>EPM</strong>-Anlagen wieder aufgefangen<br />
wird. Dass eine Schutzgasatmosphäre<br />
das bleifreie Löten unterstützt,<br />
ist unumstrittten, denn unter Schutzgas<br />
können die Löttemperaturen wieder<br />
niedriger sein, das Prozessfenster ist damit<br />
fast genauso gross wie vorher auch.<br />
Das liegt nicht zuletzt daran, dass die<br />
Stickstoffatmosphäre die Benetzung unterstützt.<br />
Ausserdem wird unter Schutzgas<br />
weniger Flussmittel benötigt, wodurch<br />
die Flussmittelrückstände, die<br />
Feuchtebelastung und - last but not least<br />
- auch wieder die Bildung von Lotperlen<br />
deutlich reduziert werden. Nicht zu vergessen,<br />
dass sich unter Stickstoff deutlich<br />
weniger Krätze bildet, der Wartungsaufwand<br />
der Maschine geringer ist<br />
und die Zuverlässigkeit der Baugruppen<br />
erhöht wird.<br />
Ein anderer Lotperlen beeinflussender<br />
Faktor ist die Welle selbst. Wenn die<br />
Welle läuft, beginnt ein Oxidationsprozess;<br />
dabei ist es erwiesen, dass die Oxi-<br />
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dationsrate unter Normalatmosphäre bei<br />
bleifreien Loten 10 - 12 mal höher liegt<br />
als bei bleihaltigen. Und auch hier<br />
schafft die Stickstoffmaschine Abhilfe,<br />
denn das Schutzgas hält die Oxidationsrate<br />
auf einem sehr erträglichen Maß.<br />
Auch die Kontaktzeit, die die Welle mit<br />
dem Lot hat, spielt eine Rolle: betrug sie<br />
beim bleihaltigen Löten 2 - 2,5 Sekunden,<br />
so erhöht sich diese Zeit beim bleifreien<br />
Löten auf 3,5 - 4 Sekunden.<br />
Auf in eine lotperlenfreie Zukunft?<br />
Kann die lotperlenfreie <strong>Zone</strong> jemals Realität<br />
werden? Wir meinen, ganz realistisch<br />
gesehen: Nein. Dazu sind viel zu<br />
viele Faktoren ausschlaggebend, zu viele<br />
Parameter, die im jeweiligen Zusammenspiel<br />
und unter veränderten äußeren<br />
wie inneren Gegebenheiten immer<br />
anders wirken werden. Ganz zu schweigen<br />
von den Faktoren, die die großen Unbekannten<br />
sind und die allein deshalb<br />
schon nicht plan- oder kalkulierbar sind.<br />
Das fängt bei der Zusammensetzung von<br />
Lötstopplack und Flussmitteln an, geht<br />
über Produktionsumgebungen und -<br />
bedingungen wie Temperatur oder Luftfeuchtigkeit,<br />
über Einflussparameter<br />
beispielsweise für Brückenbildung und<br />
Durchsteigeverhalten (Flussmittelmenge,<br />
Vorheiztemperatur, Löttemperatur,<br />
Kontaktzeit) und hört bei den Maschinenvoraussetzungen<br />
noch lange nicht<br />
auf. Nicht zuletzt die Anzahl der möglichen<br />
zu verwendenden Materialien<br />
macht dies noch mal mehr deutlich: ein<br />
Produktionsleiter einer Leiterplattenfabrik<br />
arbeitet heute mit mindestens 50<br />
verschiedenen Sorten Lötstopplack,<br />
mindestens genau so viele verschiedene<br />
Flussmittel sind im Einsatz. Wenn man<br />
alle diese Faktoren in Betracht zieht,<br />
auch in ihrer jeweiligen Wechselwirkung,<br />
dann kann wohl niemand ernsthaft<br />
die lotperlenfreie Zeit vorhersagen.<br />
Wertschöpfungskette gemeinsam<br />
steigern<br />
Noch lange kein Grund, zu resignieren,<br />
sondern vielmehr, sich der Realität zu<br />
stellen und das Beste daraus zu machen.<br />
<strong>EPM</strong>-Chef Isler: »Wo gehobelt wird, fallen<br />
Späne, und wo gelötet wird, entstehen<br />
Lotperlen - das wird sich nie ändern.<br />
Und trotzdem können wir als Hersteller<br />
eine Menge zum problemfreien Lötprozess<br />
beitragen: durch unsere Maschinen-Technologie<br />
trocknet das Flussmittel<br />
zuverlässig, und in dem wir die Geometrie<br />
der Welle ändern, sprich: sie verstellbar<br />
machen, können wir den Abriss<br />
des Lotes weiter optimieren. Hinzu<br />
kommt, dass wir unseren Kunden je nach<br />
zu fertigendem Produkt Hinweise und<br />
Empfehlungen über die einzusetzenden<br />
Materialien geben, und dies dann auch<br />
bei Probelötungen immer wieder etlichen<br />
Praxistests unterziehen«. Aber auch<br />
die anderen Marktteilnehmer könnten<br />
ihren Beitrag zur Lotperlenreduzierung<br />
leisten: »Lackhersteller können für noch<br />
weniger Lotperlenanhaftung sorgen,<br />
und Flussmittel können weiter optimiert<br />
werden. Wenn jedes Glied in der Kette<br />
bereit ist, mehr Verantwortung zu übernehmen<br />
und die Karten ein wenig offener<br />
auf den Tisch zu legen, dann erreichen<br />
wir für den Kunden gemeinsam eine<br />
deutliche Steigerung seiner Wertschöpfungskette«,<br />
macht Isler deutlich.<br />
Und schnippt eine winzige Lotperle von<br />
der gerade abgekühlten Leiterplatte.<br />
Oliver Kägi ist Vertriebsleiter bei der <strong>EPM</strong><br />
<strong>Handels</strong> <strong>AG</strong> aus Geroldswil bei Zürich,<br />
Ute Zimmermann ist freie Journalistin in<br />
Wiesbaden-Auringen.<br />
o.kaegi@epm.ch<br />
ute@europresence.de<br />
SMT 8-9/2006