Yorcker Nr. 14 (April/Mai 2000) - Yorck Kino GmbH
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Start: 20.04.00<br />
Regie Oskar Roehler<br />
Filmographie<br />
1997 Silvester Countdown<br />
1998 Gierig<br />
Buch Oskar Roehler<br />
Jahr 1999<br />
land BRD<br />
Ich bin selten verstörter, berührter und faszinierter<br />
aus einem Film gekommen, als aus Die<br />
Unberührbare. Der biografische Film ist ein<br />
erschütterndes Portrait einer Frau, einer<br />
Schriftstellerin, einer Intellektuellen, einer<br />
Depression, einer Generation, einer Zeit, einer<br />
Lüge.<br />
Gisela Elsner alias Hanna Flanders war einst,<br />
Ende der 70er und in den 80er Jahren eine<br />
berühmte, verwöhnte linke Schriftstellerin: zynisch,<br />
analytisch, bissig und einsam. Eine Salonlinke,<br />
die die DDR als gelobtes Land pries, bei<br />
Dior shoppte, ihr Kind nie wirklich annahm und<br />
nur vor einem ihre Sphinxperücke-Maske abnehmen<br />
wollte: Lenin. Das Leben einer Frau, die<br />
immer radikal war und niemals konsequent. Als<br />
im Westen ihr Ruhm verblaßte, ihre Romane und<br />
Erzählungen schlecht und nicht mehr verlegt wurden,<br />
war die DDR ihre einziges Land. Hier wurde<br />
sie verlegt, dort glaubte sie sich geschätzt. Sie<br />
meinte wirklich, daß sie dem Westen zu gefährlich,<br />
zu subversiv sei. Dabei war sie nur out… eine<br />
Kategorie, die in ihrem Wertesystem nicht existierte.<br />
Als in Berlin die Mauer fällt, bricht auch ihre Illusions-Welt<br />
zusammen. Bei einer Reise lernt sie<br />
Ostmenschen kennen und ist irritiert. Die DDR,<br />
die sie kennenlernt, feiert die Freiheit und trauert<br />
nicht dem Sozialismus nach. Hanna trauert ihren<br />
Lebenslügen nach. Doch: ihr Liebhaber hinter der<br />
Die Unberührbare<br />
Darsteller xx<br />
Hannelore Elsner<br />
Michael Gwisdek<br />
Nina Petri<br />
Jasmin Tabatabai<br />
Vadim Glowna<br />
Kamera Hagen Bogdanski<br />
LÄNGE 100 min<br />
einstigen Mauer hat andere Interessen als eine<br />
abgehalfterte Schriftstellerin mit Finanznöten.<br />
Ihrem Sohn ist sie fremd und fern. Wie sie allen<br />
fern und fremd ist, wie sie keinem nah sein kann.<br />
„Versuch bloß nicht zu fliehen“ heißt es in Gisela<br />
Elsner großem Erfolgsroman „Fliegeralarm“. Sie<br />
unternahm nie den Versuch einer Flucht. Nur einmal.<br />
Sie floh, weil sie die Unerträglichkeit Leben<br />
nicht mehr ertragen konnte, in den Tod.<br />
In wenigen eindringlichen Schlüsselszenen erzählt<br />
der Regisseur Oskar Roehler vom Lebensdilemma<br />
seiner Mutter Gisela Elsner. Die Szene mit<br />
ihrer „Mutter“ lässt das Blut gefrieren. Die Szene<br />
mit ihrem „Ex“ (Vadim Glowna, großartig!) birgt<br />
alle unerfüllten Sehnsüchte beider Leben. Die<br />
Unberührbare (Arbeitstitel: DIE UMNACHTUNG)<br />
ist in Schwarz-Weiß gedreht, den Lieblingsfarben<br />
der Elsner. Hannelore Elsner als Gisela Elsner<br />
alias Hanna Flanders zeigt einen erschütternden,<br />
nackten, verzweifelten Seelenstrip, der mutig ist<br />
und großartig und zu den herausragendsten<br />
Schauspiel-Leistungen gehört, die ich kenne.<br />
Hannelore Elsners betörendes Spiel verleiht dem<br />
Film Wahrhaftigkeit, Ehrlichkeit, Schonungslosigkeit.<br />
Und Zuneigung.<br />
Die Unberührbare ist ein Film, der die Luft nimmt,<br />
den Hals zuschnürt, weinen lassen will und alle<br />
Tränen nimmt. Ein subtiler, sensibler Film. Ein<br />
gnadenloser Film und der außergewöhnlichste<br />
deutsche Film seit vielen Jahren!<br />
RVE<br />
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