Harry Dresden 09: Weiße Nächte - mrr computer
Harry Dresden 09: Weiße Nächte - mrr computer
Harry Dresden 09: Weiße Nächte - mrr computer
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
wie Abby meist Epilepsie, Alzheimer oder eine ganze Reihe anderer Persönlichkeitsstörungen.<br />
Ich wette fünf Kröten, dass das medizinische Armband an ihrem Handgelenk bestätigt, dass sie<br />
Epileptikerin ist – und dass der Hund es fühlt, wenn ein Anfall bevorsteht und sie dann warnt.“<br />
„Ich habe das Armband nicht gesehen“, gestand Murphy. „Keine Wette.“<br />
Während wir da standen und uns fünf Minuten ruhig unterhielten, fand in der Wohnung eine<br />
lebhafte Diskussion statt. Angespannte Stimmen drangen gedämpft durch die Tür, ehe eine<br />
Stimme, die lauter war als die anderen, sie zum Schweigen brachte. Einen Augenblick später<br />
öffnete sich die Tür erneut.<br />
Die erste Frau, die wir dabei beobachtet hatten, wie sie das Haus betrat, stand mir<br />
gegenüber. Sie hatte dunkle Haut, dunkle Augen und kurzes, glattes, dunkles Haar, das mich in<br />
der Vermutung bestärkte, dass sie in ihrer Familie wohl vor einigen Generationen indianische<br />
Vorfahren gehabt haben musste. Sie war vielleicht eins sechzig und Ende dreißig. Sie hatte ein<br />
ernstes Gesicht mit leichten Denkerfalten zwischen den Brauen, und so, wie sie da mit festem<br />
Stand die Tür blockierte, beschlich mich das Gefühl, dass sie eine wahre Bulldogge sein<br />
konnte, wenn es notwendig war.<br />
„Niemand hier hat eines der Gesetze gebrochen, Wächter“, sagte sie mit fester, leiser<br />
Stimme.<br />
„Mensch, da bin ich erleichtert“, sagte ich. „Anna Ash?“<br />
Ihre Augen verengten sich, und sie nickte.<br />
„<strong>Harry</strong> <strong>Dresden</strong>“, sagte ich.<br />
Sie schürzte die Lippen und warf mir einen abschätzenden Blick zu. „Machen Sie Witze? Ich<br />
weiß, wer Sie sind.“<br />
„Ich pflege nicht anzunehmen, dass jeder, der mir begegnet, weiß, wer ich bin“, sagte ich und<br />
ließ eine Andeutung von Abbitte in meinen Tonfall mit einfließen. „Das ist Karrin Murphy.<br />
Chicago PD.“<br />
Anna nickte Murphy zu und bat mit sachlicher, höflicher Stimme: „Dürfte ich Ihre Polizeimarke<br />
sehen, Miss Murphy?“<br />
Murphy hatte die Marke in ihrer Lederhülle bereits in der Hand und reichte sie Anna. Ihr<br />
Passfoto war auf der anderen Seite unter einer durchsichtigen Plastikfolie zu sehen.<br />
Anna musterte Marke und Foto, das sie mit Murphy verglich. Dann gab sie beides zaudernd<br />
zurück und wandte sich wieder an mich. „Was wollen Sie?“<br />
„Reden“, entgegnete ich.<br />
„Worüber?“<br />
„Den Ordo Lebes“, sagte ich, „und das, was in letzter Zeit mehreren Magiebegabten<br />
zugestoßen ist.“<br />
Ihre Stimme blieb oberflächlich höflich, doch ich konnte den bitteren Unterton nur zu gut<br />
heraushören. „Ich bin sicher, da wissen Sie viel mehr als wir.“<br />
„Nicht wirklich“, gestand ich, „und genau das versuche ich, ins Lot zu rücken.“<br />
Sie schüttelte den Kopf, und ihr Gesicht spiegelte ihre Zweifel klar wider. „Ich bin keine<br />
Vollidiotin. Die Wächter haben doch auf alles ein Auge. Das weiß doch jeder.“<br />
Ich seufzte. „Ja, aber ich habe heute Morgen vergessen, meine George-Orwell-förmigen<br />
Vitamintabletten mit meiner Schüssel Großer-Bruder-Frühstücksflocken einzunehmen. Ich hatte<br />
eigentlich gehofft, dass Sie sich mit mir eine Weile wie mit einem normalen menschlichen<br />
Wesen unterhalten würden.“<br />
Sie betrachtete mich ein wenig misstrauisch. Viele Leute reagierten so auf meine Witze.