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Leseprobe - Verlag JHW Dietz Nachf.

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Mein besonderer Respekt galt und gilt jenen Personen und jenen<br />

Gruppen, die den Mut zum friedlichen, gleichwohl gefahrvollen Widerstand<br />

aufbrachten. Dies mindert nicht das Verständnis für die vielen, die<br />

aus ihren Nischen das Bestmögliche für sich und ihre Familien zu machen<br />

versuchten. Ich hüte mich auch, den Stab über Landsleute zu brechen,<br />

die in die Maschen des Unrechtsregimes verstrickt wurden und es<br />

nun nicht leicht haben, Vergangenes auf anständige Weise hinter sich zu<br />

bringen.<br />

Für ganz und gar unmöglich halte ich es, jetzt über jene Personen<br />

aus dem kirchlichen Bereich – wie Manfred Stolpe, den Ministerpräsidenten<br />

von Brandenburg – herzufallen, die viel Mühe darauf verwandten,<br />

mitmenschliche Hilfe zu leisten und einen wesentlichen Beitrag dazu<br />

beisteuerten, dass die voneinander getrennten Teile unseres Volkes<br />

nicht noch weiter auseinanderdrifteten. 17 Bis hin zu den Tagen, in denen<br />

sich die Opposition unter schützenden Kirchendächern massenhaft<br />

zusammenfand.<br />

Ich weiß etwas von der Gratwanderung verantwortungsbewusster<br />

Menschen in Diktaturen. Und es würde mich sehr wundern, wenn so<br />

rasch in Vergessenheit geriete, was es bedeutete, sich in unsäglicher<br />

Kleinarbeit darum zu bemühen, dass in Bedrängnis Geratene Rat und<br />

Hilfe erfahren konnten. Nur Weltfremdheit kann vermuten lassen, dass<br />

dies ohne Kontakte mit Repräsentanten des Unrechtsregimes möglich<br />

gewesen wäre.<br />

Erinnern wir uns: Sie, wie wir im Westen, hatten mit einer nicht<br />

kurzen, sondern langen Perspektive der Zweistaatlichkeit zu rechnen.<br />

Deshalb bemühten wir uns – das war meine Politik in Berlin und Bonn<br />

und die meiner <strong>Nachf</strong>olger im Amt des Bundeskanzlers –, mindestens<br />

menschliche Erleichterungen zu bewirken und durch, wenn auch noch<br />

so begrenzte, Reisemöglichkeiten dafür zu sorgen, dass der Graben zwischen<br />

Deutschland und Deutschland nicht noch immer tiefer würde.<br />

Das steckte hinter dem Berliner Passierscheinabkommen vom Dezember<br />

1963, dem Grundlagenvertrag des Jahres 1972, zahlreichen anderen<br />

17 Während seiner Tätigkeit in der Leitung der Evangelischen Kirche in der DDR unterhielt<br />

Manfred Stolpe bis zum Herbst 1989 regelmäßige Kontakte zum Ministerium<br />

für Staatssicherheit. Nach seinen eigenen Aussagen dienten diese Beziehungen<br />

zur Staatssicherheit dazu, um die Interessen der Kirche zu wahren und für verfolgte<br />

Gläubige einzutreten. Dies haben seine Kritiker in ihren Stellungnahmen zu Stolpes<br />

DDR-Vergangenheit immer wieder infrage gestellt und behauptet, er habe mit dem<br />

Ministerium zusammengearbeitet. Vgl. dazu Clemens Vollnhals (Hrsg.), Die Kirchenpolitik<br />

von SED und Staatssicherheit. Eine Zwischenbilanz. 2. Aufl., Berlin 1997.<br />

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