Ein Leben neben dem Ehrenamt - VCP-Bayern
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<strong>Bayern</strong> intern<br />
Christian Schmidt's Buchtipp<br />
R<br />
I<br />
Ich bin nur mal kurz mein Glück suchen...– Neues vom Taugenichts.<br />
Robert, ein scheinbarer Taugenichts,<br />
hat mit 17 Jahren die<br />
Schnauze voll vom Rasenmäher-<br />
und Staubsaugergedröhn, das<br />
sein Elternhaus bzw. den Garten<br />
erfüllt. Die Welt beginnt jenseits<br />
der frisch verputzten Fertiggaragen<br />
hinter <strong>dem</strong> Wald und hinter<br />
den Feldern. So ist er dann mal<br />
kurz weg, sein Glück zu suchen.<br />
Wobei er so kurz gar nicht weg<br />
ist, denn auf der Suche nach<br />
seiner großen Liebe kommt er,<br />
mit einem 70-Euro-Ticket, sogar<br />
Pfadfinden 100<br />
Letztes Jahr England, nächstes Jahr Deutschland<br />
Im Mai nächsten Jahres ist es 100<br />
Jahre her, als das deutsche Äquivalent<br />
des „Scouting for Boys“<br />
von Baden Powell in Deutschland<br />
erschien: „Das Pfadfinderbuch“.<br />
Nach<strong>dem</strong> es 1909 weder Internet<br />
noch Fernsehen gab, war eine<br />
Buchveröffentlichung der einzige<br />
Weg möglichst viele Menschen<br />
zu erreichen um ihnen<br />
etwas mitzuteilen. Und der Inhalt<br />
hatte es in sich. Das Pfadfinderbuch<br />
von Dr. Alexander Lion (Ali)<br />
erschien innerhalb weniger Jahre<br />
in 5 Auflagen, die jeweils <strong>dem</strong><br />
Zeitgeist und anderen direkten<br />
Zwängen angepasst wurden.<br />
Ali traf B.P. persönlich in England,<br />
bekam eine Ausgabe von „Scouting<br />
for Boys“ überreicht und<br />
machte sich unter anderem mit<br />
Hilfe von Maximilian Bayer an<br />
die deutsche Version. Zu dieser<br />
Zeit zählte England als Erzfeind<br />
Deutschlands und es gab genug<br />
Kritiker in Deutschland die ein<br />
Erscheinen gern verhindert hätten.<br />
Trotz<strong>dem</strong> wurde das Buch<br />
ein Erfolg und nicht nur bei Pä-<br />
8<br />
+++ Herr Otto Gmelin,<br />
Jahr der Aufnahme unbekannt<br />
bis Chicago. <strong>Ein</strong> Buch mit herrlichen<br />
<strong>Ein</strong>fällen, was einem jungen<br />
Mann so alles in der weiten<br />
Welt widerfahren kann. <strong>Ein</strong> Buch<br />
mit Wortwitz und rühren<strong>dem</strong><br />
Charme und Spannung. Denn wer<br />
weiß, ob aus <strong>dem</strong> Taugenichts ein<br />
„Taugewas“ werden wird?<br />
Christian Schmidt<br />
dagogen, sondern hauptsächlich<br />
bei den Jugendlichen selbst. Dabei<br />
war es wie bei B.P. eigentlich<br />
nicht die Absicht eine neue Jugendbewegung<br />
zu initiieren, sondern<br />
vielmehr den vorhandenen<br />
Jugendgruppen Anregungen und<br />
Hilfen mit auf den Weg zu geben.<br />
Der Verkaufserfolg des Pfadfinderbuches<br />
ist wohl vergleichbar<br />
mit <strong>dem</strong> der Harry Potter Bände,<br />
wohl nicht inhaltlich aber doch<br />
zahlenmäßig.<br />
+++ Familienaufnahme<br />
von 1931<br />
Schüler im Alten Realgymnasium<br />
in München waren es auch die<br />
ihren Lehrer Franz Paul Wimmer<br />
baten mit ihnen „pfadfinderische<br />
Unternehmungen“ anhand<br />
des Buches durchzuführen. Am<br />
25.9.1909 gründete Wimmer<br />
den 1. Münchner Pfadfinderzug,<br />
die momentan nachweislich erste<br />
Gruppe in Deutschland die<br />
sich den umstrittenen Namen<br />
„Pfadfinder“ gab. In kürzester<br />
Zeit folgten zahlreiche Neugründungen<br />
von Pfadfinderzügen in<br />
München und auch in anderen<br />
Teilen Deutschlands.<br />
Nun ist über die Anfänge der<br />
Pfadfindergeschichte in Deutschland<br />
schon viel in Archiven ge-<br />
forscht und geschrieben worden.<br />
Nur um den Otto Gmelin Verlag<br />
in München, in <strong>dem</strong> das Pfadfinderbuch<br />
erschien, hat sich bisher<br />
scheinbar niemand gekümmert.<br />
Warum auch, es gab kaum Spuren<br />
die man verfolgen konnte, dabei<br />
hat Gmelin nicht nur gute Kontakte<br />
zu Ali gehabt, sondern auch<br />
die Pfadfinderbewegung gut geheißen<br />
und intensiv unterstützt.<br />
1912 veröffentlichte Gmelin in<br />
seinem Verlag das Pfadfinderinnenbuch<br />
von Elise von Hopffgarten,<br />
dass durch seine freiheitlichen<br />
und emanzipierten Inhalte<br />
provozieren musste. Auch dies ist<br />
ein Beweis für seine nachhaltige<br />
Unterstützung der deutschen<br />
Pfadfinderbewegung.<br />
Nach 1933 verlor Otto Gmelin<br />
die Verlagslizenz und bekam damit<br />
kein Papier mehr zugeteilt,<br />
was das wirtschaftliche Ende des<br />
Verlages bedeutete. Er starb, verbittert<br />
darüber, 1936 an Krebs.<br />
Er war nie NSDAP-Mitglied und<br />
lehnte die NS-Bewegung von<br />
Anfang an ab. Sicherlich begründet<br />
durch seine Aktivität in einer<br />
Freimaurerloge. Seine älteste<br />
Tochter, die Verlagskauffrau gelernt<br />
hatte und deren Mann, versuchten<br />
danach vergeblich, den<br />
Verlag am <strong>Leben</strong> zu erhalten.<br />
Die Verlagsrechte, auch von <strong>dem</strong><br />
Pfadfinderbuch, gingen treuhändisch<br />
an diverse Inhaber die aber<br />
nicht mehr nachvollzogen werden<br />
können. In den 90er Jahren<br />
erwarb der Spurbuchverlag die<br />
Rechte und verkauft bis heute<br />
das Faksimile der ersten Ausga-<br />
Alexander Rösler<br />
Ich bin nur mal kurz mein Glück suchen...<br />
Neues vom Taugenichts.<br />
Arena Verlag<br />
ISBN: 3401063022<br />
Preis 9,95 Euro<br />
be des Pfadfinderbuches und des<br />
Pfadfinderinnenbuches.<br />
+++ Zu Besuch bei<br />
Frau Gmelin<br />
Im Zuge unserer Recherchen<br />
und Aktionen zu Pfadfinden100<br />
machte Oli Leffler die jüngste<br />
Tochter Otto Gmelins in München<br />
aus. Die mittlerweile 91 jährige<br />
Dorothea Gmelin ist noch ziemlich<br />
fit für ihr Alter, auch wenn das<br />
Gehör nicht mehr so will. Sie leitete<br />
bis vor kurzen eine staatliche<br />
Schauspielschule in München. Am<br />
22.10.08 empfing uns Frau Gmelin<br />
zu einem Interview und wir überreichten<br />
Ihr ein vom Spurbuchverlag<br />
gestiftetes Faksimile des<br />
Pfadfinderbuches, dass vor fast<br />
100 Jahren von <strong>dem</strong> Verlag ihres<br />
Vaters veröffentlicht wurde. Gewidmet<br />
wurde ihr das Buch von<br />
den derzeitigen Vorständen der<br />
bayrischen Pfadfinderringe, der<br />
VDAPG und <strong>dem</strong> Spurbuchverlag.<br />
Wir vom derzeitigen Pfadfinden100<br />
Team nahmen dieses Treffen<br />
als offiziellen Start unserer<br />
Aktionen zum 100 jährigen Pfadfinderjubiläum<br />
in Deutschland.<br />
Weitere Infos dazu gibt es unter<br />
www.bdp-bayern-archiv.de<br />
Devo