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ausgabeseptember2004.. - Die Kriminalpolizei

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Folge ungebremster, aggressiver Impulse (Schorsch und Pfäfflin 1994, 323 ff.; Nedopil 1996, 171;<br />

Schorsch und Becker 2000, 233 ff.). <strong>Die</strong>ser Umstand bedingt, dass die Täter keinem inneren<br />

Handlungsmuster folgen und regelmäßig nur vereinzelt Tatmerkmale erkennen lassen, die ein<br />

persönliches, hochsignifikantes Bedürfnis abbilden. Eine weitere Kasuistik soll diese Hypothese<br />

stützen: Der ungelernte Maschinenschlosser Gerhard Börner tötete 1971 binnen fünf Wochen in<br />

Frankfurt am Main und Umgebung vier Frauen, verletzte darüber hinaus während eines Hafturlaubs im<br />

Jahr 1988 eine Frau durch multiple Stichverletzungen lebensgefährlich (Pollähne 1990, 81 ff.;<br />

Schorsch und Becker 2000, 154 ff.; Harbort 2001, 11 ff.). Sein Motiv: „Hass auf Frauen.“ Lediglich in<br />

einem Fall tat er mehr, als zur Tötung des Opfers notwendig gewesen wäre: Er biss einer jungen Frau<br />

in die Brust und fügte ihr mit einer Zigarette Brandwunden zu.<br />

Es wird demnach davon auszugehen sein, dass das Signatur-Konzept lediglich auf bestimmte<br />

Tätertypen anwendbar ist – insbesondere sadistische Serienmörder. Und: <strong>Die</strong> Hypothese, die<br />

Handschrift des Serienmörders sei konstant und veränderungsresistent, wird sich mit der so<br />

formulierten Stringenz und Ausschließlichkeit nicht aufrechterhalten lassen. Denn: Auch über Jahre<br />

hinweg gepflegte pathologisch-perverse Handlungsmuster können sich verändern, wenn<br />

beispielsweise entsprechende Phantasien elaborierter werden (Brückner 1961, 200 ff.; Wittmann<br />

1985, 108 ff.; Schorsch und Becker 2000, 128 ff.) oder der Täter im Zuge seines delinquenten<br />

Handelns abnorme Sexualpräferenzen entwickelt, die andere Deviationen überlagern oder<br />

verdrängen. Während bei dem progredienten Verlauf einer sexuellen Perversion sich lediglich das die<br />

Signatur abbildende Verhalten verändert (z. B. extremere Formen der Gewalt), hat die deviante<br />

Neuorientierung zwangsläufig eine nicht nur partiell, sondern auch thematisch divergierende<br />

Personifizierung oder Handschrift zur Folge.<br />

<strong>Die</strong>se These lässt sich belegen. So berichtet Bauer (1972, 16): „Der Hilfsweichenwärter Paul Ogorzow<br />

sprach zunächst in den Berliner Laubenkolonien von der Arbeit zurückkehrende Frauen an, schließlich<br />

erschreckte er sie durch Anblenden mit einer Taschenlampe. Bald genügte ihm diese Freude am<br />

Erschrecken seiner Opfer nicht mehr, es kam zu grobsexuellen verbalen Beleidigungen, schließlich zu<br />

Handgreiflichkeiten. Es folgten eine Reihe von Notzuchtsverbrechen. Dann nahm er auf seinen<br />

Gängen ein Messer mit, um seinen Opfern Messerstiche zu versetzen oder sie auch durch Schläge zu<br />

betäuben. Bei dieser Gelegenheit tötete er in einer Wohnlaube eines seiner Opfer, um sodann sein<br />

Tätigkeitsfeld in die S-Bahnzüge zu verlegen – er war bei einem seiner Streifzüge von einem ihm<br />

folgenden Mann kräftig verprügelt worden. Als sich hier das erste Notzuchtsopfer heftig wehrte, so<br />

dass es nicht zum beabsichtigten Geschlechtsverkehr kam, und er in heftiger Gegenwehr im<br />

brausenden Fahrtwind mit einem Kabelstück auf sein Opfer einschlug, um den dann erschlaffenden<br />

Frauenkörper in die Dunkelheit zu werfen, erlebte er einen Rauschzustand, der ihn so befriedigte,<br />

dass er von nun an nicht mehr vergewaltigte, sondern nur noch töten will. Auf diese Art mordet er aus<br />

Lust an der Tötungshandlung fünf Frauen und versucht es auf gleiche Weise bei zwei weiteren<br />

Opfern.“<br />

Beachtlich erscheinen zwei Aspekte: Ogorzow stieß zufällig auf seine ihn „tief befriedigende“ Passion,<br />

nachdem er bereits gemordet hatte. Und er wich von diesem höchstpersönlichen und in der deutschen<br />

Kriminalgeschichte einzigartigen Tatmuster ab, als er vor seiner Festnahme eine Frau erschlug –<br />

wieder in einer Gartenkolonie. Als Grund nannte das Landgericht Berlin: „Der Angeklagte, der<br />

inzwischen Kenntnis erhalten hatte, dass die Polizei umfangreiche Maßnahmen getroffen hatte, um<br />

den Täter, der die Frauen aus den fahrenden S-Bahnzügen hinauswarf, zu ermitteln, beschloss<br />

nunmehr, von weiteren Taten in der S-Bahn abzulassen. Er wollte weitere Taten nur noch in der<br />

Siedlung oder auf der Straße ausführen.“ Dem Signatur-Konzept nach hätte es zwei Täter geben<br />

müssen: den „S-Bahn-Mörder“ und denjenigen, der seine Opfer in der Gartenkolonie umbrachte.<br />

Irrtum.<br />

Auch der Kinder- und Frauenmörder Joachim Kroll ließ erst nach einer Reihe von Morden eine<br />

Handschrift erkennen (Harbort 2004, 223 ff.). Das Landgericht Duisburg stellte – bezugnehmend auf<br />

das erste Tötungsdelikt im Februar 1955 – hierzu fest: „(...) Er hatte bis dahin noch keinen Menschen<br />

zu Tode gebracht und wusste infolgedessen noch nicht, daß ihm die Tötung durch Erwürgen in<br />

Verbindung mit der bewussten Beobachtung des Todeskampfes seines Opfers zur äußersten<br />

Steigerung seiner Geschlechtslust und zur höchsten Befriedigung führen werde, eine Erfahrung, die er<br />

erst in späteren Fällen machte. Demgemäß erwürgte der Angeklagte Irmgard Schneider nicht,<br />

sondern...“ Gleichwohl ließ Kroll schon bei dieser Tat Personifizierungsaspekte erkennen, die wohl als<br />

Probierverhalten zu deuten sind. Im Urteil heißt es hierzu weiter: „(...) Mit dem Tatmesser brachte der<br />

Angeklagte sodann seinem toten Opfer mindestens weitere vier Schnitt-/Stichverletzungen bei. (...)

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