2012 - Verein zur Förderung der Musik an der Rellinger Kirche
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Wien, die Metropole im 18. und 19. Jahrhun<strong>der</strong>t – Werkbetrachtung<br />
Als am 1. Mai 1784 im kaiserlichen Wiener Nationaltheater erstmals<br />
Wolfg<strong>an</strong>g Amadeus Mozarts Commedia per musica „Le nozze di Figaro“<br />
erkl<strong>an</strong>g, war die Zeit reif für eine <strong>Musik</strong>komödie, in <strong>der</strong> die Probleme <strong>der</strong><br />
Zeit mit scharfem Witz auf die Bühne gebracht wurden. Das Stück des Beaumarchais<br />
war am Vorabend <strong>der</strong> fr<strong>an</strong>zösischen Revolution mit seiner beißenden<br />
Kritik <strong>an</strong> den Privilegien des Adels ein Sk<strong>an</strong>dal. Immerhin konnte die<br />
Uraufführung 1784 in Paris stattfinden, noch dazu wahrscheinlich über Vermittlung<br />
<strong>der</strong> Königin Marie Antoinette. Ungereimt erscheint, dass Kaiser<br />
Josef II. eine Wiener Aufführung des Sprechstücks verboten hatte, d<strong>an</strong>n aber<br />
<strong>der</strong> Oper zustimmte. Ob dies nur <strong>der</strong> geschickten, Wesentliches doch nicht<br />
verleugnenden textlichen Entschärfung durch den Librettisten und Hofdichter<br />
Lorenzo da Ponte zu verd<strong>an</strong>ken war? O<strong>der</strong> auch <strong>der</strong> Einsicht des despotischen<br />
Aufklärers am Thron, dass die Grundaussage <strong>der</strong> Komödie ohnehin<br />
seiner eigenen Utopie von <strong>der</strong> Gleichheit <strong>der</strong> Menschen entsprach – allerdings<br />
nicht von oben herab, son<strong>der</strong>n von unten formuliert, was die Sache<br />
gefährlich machte. Wie weit Mozart in seiner <strong>Musik</strong> die Sozialkritik <strong>der</strong> Vorlage<br />
nachvollzogen hat, darüber wird bis heute diskutiert. Die Ouvertüre<br />
macht in ihren ersten sieben Takten klar, dass es hier auch darum geht, die<br />
„Ungeduld <strong>der</strong> Lust“ zu unwi<strong>der</strong>stehlich sich ständig fortbewegendem Kl<strong>an</strong>g<br />
werden zu lassen. Dies ist keine traditionelle Potpourri-Ouvertüre, son<strong>der</strong>n<br />
das ras<strong>an</strong>te sinnliche Vorspiel zu einem wahren tollen Tag, <strong>an</strong> dem Eros und<br />
Macht ein Vexierspiel spielen werden und auch Figaros Hochzeit nur ein Ende<br />
<strong>der</strong> Erzählung, aber nicht das Ende <strong>der</strong> Entwicklung sein k<strong>an</strong>n.<br />
Fr<strong>an</strong>z Schubert, <strong>der</strong> einzige gebürtige Wiener in diesem Programm, schrieb<br />
seine „Moments Musicaux“ für Klavier zwischen 1823 und 1828. Diese kostbaren<br />
„musikalischen Momente“, kurze, freie Ph<strong>an</strong>tasien, waren zum Großteil<br />
Studien und verworfene Teile <strong>der</strong> in diesem Zeitraum entst<strong>an</strong>denen<br />
Klaviersonaten, die Schubert – zu unserem Glück – zu schade zum Wegwerfen<br />
waren. Das dritte Stück, Allegro mo<strong>der</strong>ato, auch „Air Russe“ gen<strong>an</strong>nt,<br />
ist eher ein slawischer T<strong>an</strong>z als ein russisches Lied. Das vierte Moment Musical,<br />
Mo<strong>der</strong>ato, ist eine Huldigung <strong>an</strong> Joh<strong>an</strong>n Sebasti<strong>an</strong> Bach, vor allem <strong>an</strong><br />
10 I 27. MAI-FESTIVAL<br />
dessen „Wohltemperiertes Klavier“. Marschrhythmen beherrschen die Nummer<br />
5, Allegro vivace. „Plaintes d’un Troubadour“ (Die Klagen eines Minnesängers)<br />
war <strong>der</strong> ursprüngliche Titel des sechsten Stücks, welches vom Motiv<br />
des sich in auswegloser Einsamkeit verlierenden W<strong>an</strong><strong>der</strong>ers getragen wird,<br />
vom Lebensmotiv Schuberts.<br />
Das Waldhorn gut zu spielen war im 18. Jahrhun<strong>der</strong>t eine große Kunst, da<br />
das Instrument noch keine Ventile hatte. Der Tonumf<strong>an</strong>g des Instruments<br />
umfasste lediglich die Naturtöne. Virtuose Spieler konnten jedoch durch das<br />
Stopfen mit <strong>der</strong> H<strong>an</strong>d im Schalltrichter mehr erreichen und waren gut bezahlte<br />
<strong>Musik</strong>er. Der österreichische Hornist Joseph Leitgeb, für den Mozart<br />
später alle seine Hornkonzerte schreiben sollte, wurde für ein schönes Gehalt<br />
von 400 Gulden pro Jahr im Februar 1763 von Fürst Esterhazy eingestellt -<br />
und einen Monat später wie<strong>der</strong> entlassen. Die Gründe sind unbek<strong>an</strong>nt. –<br />
möglicherweise, war ein Grund, dass Leitgeb genau so viel verdiente wie <strong>der</strong><br />
Kapellmeister, Joseph Haydn. Der war allerdings mit Leitgeb befreundet<br />
und hatte sein erstes Hornkonzert für dessen Ankunft geschrieben - offenbar<br />
unter Zeitdruck, denn auf <strong>der</strong> letzten Seite <strong>der</strong> Partitur passierte Haydn die<br />
Verwechslung von Violinen und Oboen. Dazu notierte er: „…im Schlaf geschrieben“.<br />
Hellwach muss freilich <strong>der</strong> Hornist sein, <strong>der</strong> das abwechslungsreiche<br />
Konzert spielt. Speziell im letzten Satz werden die Möglichkeiten des<br />
Instruments voll ausgereizt.<br />
Ludwig v<strong>an</strong> Beethoven zeigt sich in seiner Serenade in D-Dur op. 25 von<br />
einer g<strong>an</strong>z und gar untit<strong>an</strong>ischen und unpathetischen Seite, nämlich von <strong>der</strong><br />
des Unterhaltungsmusikers auf höchstem Niveau, was für alle Komponisten<br />
seiner Zeit noch selbstverständlich war. Das um 1800 in Wien komponierte<br />
Stück ist die fröhliche Abendmusik eines erfolgreichen jungen Virtuosen,<br />
noch wenig belastet vom Gehörleiden, ausgelassen und ideenreich, in sechs<br />
Sätzen sich in liebenswerter Musizierlust austobend. Die „Entrata“ beginnt<br />
mit einer Art Flöten-F<strong>an</strong>fare und zitiert festliches Barock. Das Menuett eilt<br />
im T<strong>an</strong>zschritt hurtig vorbei, während im folgenden Allegro molto ein wenig