22.02.2013 Aufrufe

lebensforum 80 - Aktion Lebensrecht für Alle eV

lebensforum 80 - Aktion Lebensrecht für Alle eV

lebensforum 80 - Aktion Lebensrecht für Alle eV

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Nr. <strong>80</strong> | 4. Quartal 2006 | ISSN 0945-4586 | Einzelpreis 3,– €<br />

Interview<br />

Bernward Büchner<br />

zum Stapf-Urteil<br />

Ausland<br />

China: Mord auf<br />

Bestellung<br />

B 42890<br />

LEBENSFORUM<br />

Zeitschrift der <strong>Aktion</strong> <strong>Lebensrecht</strong> <strong>für</strong> <strong>Alle</strong> e.V. (ALfA)<br />

Gehsteigberatung<br />

Wichtiger Sieg<br />

In Kooperation mit Ärzte <strong>für</strong> das Leben e.V. und Treffen Christlicher <strong>Lebensrecht</strong>-Gruppen e.V. (TCLG)<br />

Gesellschaft<br />

Tabubruch: Das PAS<br />

in den Medien


EDITORIAL<br />

Erfolge <strong>für</strong> den Lebensschutz 3<br />

Dr. med. Claudia Kaminski<br />

TITEL<br />

Ein wichtiger Sieg 4<br />

Dr. Sebastian Sigler<br />

Babys retten – in letzter Minute 8<br />

Markus Mockler<br />

»Es braucht Leute, die vorangehen« 9<br />

Interview mit Wolfgang Hering<br />

»Rechtsbewusstsein schärfen« 12<br />

Interview mit Bernward Büchner<br />

»Vom Handwerk fasziniert« 15<br />

Stefan Rehder, M.A.<br />

IN EIGENER SACHE<br />

Wovon wir uns Bilder machen 17<br />

Dr. Maria Overdick-Gulden<br />

AUSLAND<br />

Bei Bestellung Mord 18<br />

Stefan Rehder, M.A.<br />

GESELLSCHAFT<br />

Das Schweigen gebrochen 20<br />

Matthias Lochner<br />

»Ein Kind ist etwas Wunderbares« 23<br />

Interview mit Aynur Erden und Elke Mannel<br />

Bei Anruf Hilfe 25<br />

Alexandra Maria Linder, M.A.<br />

»Kritische Masse erreicht« 26<br />

Stefan Rehder, M.A.<br />

BÜCHERFORUM 30<br />

KURZ VOR SCHLUSS 32<br />

LESERFORUM 34<br />

IMPRESSUM 35<br />

2<br />

INHALT<br />

LEBENSFORUM <strong>80</strong><br />

JAN-PHILIPP GÖRTZ<br />

GESELLSCHAFT<br />

»Kritische Masse erreicht«<br />

Mit einem Schweigemarsch durch die Bundeshauptstadt brachten weit mehr als 1.000 Teilnehmer ihre<br />

Trauer über die hunderttausendfache Tötung ungeborener Kinder im Mutterleib zum Ausdruck.<br />

<strong>Lebensrecht</strong>ler werteten die diesjährige 1.000-Kreuze-<strong>Aktion</strong> in Berlin als Erfolg.<br />

26<br />

Von Stefan Rehder, M.A.<br />

LebensForum <strong>80</strong><br />

Weit mehr als 1.000 Teilnehmer brachten mit einem Schweigemarsch durch Berlin ihrer<br />

Trauer über die hunderttausendfache Tötung ungeborener Kinder zum Ausdruck.<br />

Im Kampf um den Schutz<br />

ungeborender Kinder haben<br />

<strong>Lebensrecht</strong>ler einen wichtigen<br />

Erfolg errungen. Die<br />

Gehsteigberatung vor der<br />

Abtreibungsklinik des Friedrich<br />

Stapf bleibt legal.<br />

4 - 7<br />

REHDER MEDIENAGENTUR<br />

D<br />

Waren zahlreich: Junge <strong>Lebensrecht</strong>lerinnen<br />

»Die Leute merken, dass<br />

wir nicht aggressiv sind.«<br />

FRITZ POPPENBERG<br />

Der Trauermarsch erreicht die Hedwigskathedrale<br />

LebensForum <strong>80</strong> 27<br />

FRITZ POPPENBERG<br />

36 Über das neue Elterngeld<br />

können sich nur Familien mit<br />

hohem Einkommen freuen.<br />

Schwangere Frauen ohne<br />

Einkünfte stehen ab<br />

kommendem Jahr schlechter<br />

da als zuvor.<br />

PIXELQUELLE.DE<br />

26 - 29<br />

LebensForum <strong>80</strong>


ARCHIV<br />

18 - 19<br />

AUSLAND<br />

Nicht erst seit gestern werden in der Volksrepublik China Geschäfte mit den Organen von Hingerichteten<br />

gemacht. Doch nun drängt sich der Verdacht auf, die Vollstreckung der Todesurteile könnte sich gar<br />

an der Nachfrage aus dem Ausland orientieren.<br />

Von Stefan Rehder, M.A.<br />

E<br />

18<br />

12 - 15<br />

12<br />

TITEL<br />

Bei Bestellung Mord<br />

VOLKSREPUBLIK<br />

CHINA<br />

LebensForum <strong>80</strong><br />

Die Volksrepublik China macht Geschäfte mit den<br />

Organen Hingerichteter. Todesurteile werden nach<br />

neusten Erkenntnissen nun sogar auf Nachfrage<br />

aus dem Ausland vollzogen.<br />

Bernward Büchner<br />

Geboren 1937 in Freiburg, studierte Rechtswissenschaften<br />

in München, Wien und Freiburg.<br />

Nach der Zweiten Juristischen Staatsprüfung<br />

arbeitete Büchner zunächst in der<br />

Verwaltung des Landes Baden-Württemberg,<br />

danach als Richter am Verwaltungsgericht<br />

Freiburg. Von 19<strong>80</strong> bis 1986 war er Vorsitzender<br />

Richter am Verwaltungsgericht Karlsruhe,<br />

bis 2002 dann am Verwaltungsgericht<br />

Freiburg. Seit 1985 ist er Vorsitzender der<br />

Juristen-Vereinigung <strong>Lebensrecht</strong>; seit 2002<br />

auch Stellv. Vorsitzender des Bundesverbands<br />

<strong>Lebensrecht</strong> (BVL). Bernward Büchner ist<br />

verheiratet und Vater von drei Kindern.<br />

LebensForum <strong>80</strong><br />

LebensForum sprach mit Bernward Büchner über<br />

das Urteil des Landgerichts München I zur Gehsteigberatung<br />

und Konsequenzen.<br />

EDITORIAL<br />

Erfolge <strong>für</strong> den<br />

Lebensschutz<br />

Liebe Leserin, lieber Leser,<br />

in dieser Ausgabe des LebensForums<br />

gibt es fast nur gute Nachrichten <strong>für</strong> das<br />

Recht auf Leben eines jeden Menschen<br />

zu vermelden. Nachdem der Abtreibungsarzt<br />

Friedrich Stapf Mitte Oktober überraschend<br />

seine Berufung gegen das Urteil<br />

des Landgerichts München I zur so genannten<br />

Gehsteigberatung zurückgezogen<br />

hat, besitzt dieses nun Rechtskraft.<br />

Grund genug <strong>für</strong> LebensForum ausführlich<br />

über Verlauf und Ausgang des<br />

Prozesses, die Beteiligten und die Gehsteigberatung<br />

selbst<br />

zu berichten. Diese<br />

Ausgabe lädt Sie ein,<br />

mit Sebastian Sigler<br />

im Gerichtssaal und<br />

vor der Stapf-Klinik<br />

dabei zu sein. Lesen<br />

Sie das Interview, das<br />

Marcus Mockler mit<br />

Wolfgang Hering vom »Lebenszentrum<br />

– Helfer <strong>für</strong> Gottes kostbare Kinder«<br />

geführt hat, der den Einsatz der Gehsteigberatung<br />

vor Deutschlands bekanntester<br />

Abtreibungsklinik koordiniert. Machen<br />

Sie sich ein Bild, wie die Gehsteigberatung<br />

der von der ALfA unterstützten Hebamme<br />

Maria Grundberger, der viele Kinder<br />

ihr Leben verdanken, funktioniert. Erfahren<br />

Sie, was Bernward Büchner, Vorsitzender<br />

der Juristen-Vereinigung <strong>Lebensrecht</strong><br />

und stellvertretender BVL-Vorsitzender,<br />

von dem Urteil hält und worauf<br />

<strong>Lebensrecht</strong>ler bei solchen und anderen<br />

Einsätzen achten sollten.<br />

Dass die Gehsteigberatung vor der<br />

Stapf-Klinik nachweislich mehr als 300<br />

Kinder vor dem Tod gerettet und so<br />

Müttern und Vätern ein Leben mit Kind<br />

statt mit dem Post-Abortion-Syndrom<br />

ermöglicht hat, fortgesetzt werden kann,<br />

ist aber nur einer der Erfolge, den die<br />

Lebensschutzbewegung in Deutschland<br />

in den vergangenen Wochen verzeichnen<br />

konnte. Nachdem die ALfA in den vergangenen<br />

Ausgaben des LebensForums<br />

mehrfach das Post-Abortion-Syndrom<br />

(PAS) thematisiert und auf die seelischen<br />

»Nachweislich mehr als 300<br />

Kinder vor dem Tod gerettet.«<br />

Folgeschäden hingewiesen<br />

hat, die viele Frauen<br />

nach einer Abtreibung<br />

davontragen, haben nun<br />

andere Medien nachgezogen.<br />

So hat nicht<br />

nur das von Günter<br />

Jauch moderierte Magazin<br />

Stern TV kürzlich<br />

einen Beitrag über die<br />

Leiden von Frauen nach<br />

Abtreibung ausgestrahlt.<br />

Auch der umstrittene<br />

Bestseller von Ex-Tagesschau-<br />

Sprecherin Eva Herman (»Das Eva-<br />

Prinzip«) räumt der Abtreibung und ihren<br />

Folgen <strong>für</strong> Frauen und Männer breiten<br />

Raum ein. Matthias Lochner stellt den<br />

TV-Beitrag und die entsprechenden<br />

Buchpassagen vor.<br />

Auch die diesjährige 1.000-Kreuze-<br />

<strong>Aktion</strong> in Berlin, zu<br />

der der BVL aufgerufen<br />

hat, und an der<br />

auch sehr viele Mitglieder<br />

der ALfA teilgenommen<br />

haben,<br />

darf als Erfolg bezeichnet<br />

werden. Wer<br />

verhindert war, dem<br />

sei die Reportage von Stefan Rehder<br />

empfohlen.<br />

Last but not least kann die ALfA Köln<br />

mit ihrer Regionalvorsitzenden Elke Mannel<br />

an der Spitze auf nunmehr 20 Jahre<br />

erfolgreiche Lebensschutz-Arbeit zurückblicken.<br />

Aus diesem Anlass hat Alexandra<br />

Linder ein Interview geführt – mit<br />

Elke Mannel und einem Überraschungsgast.<br />

Auch die ALfA München blickt in<br />

diesen Tagen auf eine 20-jährige Tätigkeit<br />

mit zahlreichen <strong>Aktion</strong>en zurück.<br />

Angesichts so vieler guter Nachrichten<br />

sowie neuer Entwicklungen – ich komme<br />

gerade aus Rom, wo ich einen Kongress<br />

beobachtet habe, zu dem sich Abtreibungsärzte<br />

und -be<strong>für</strong>worter aus 36 Nationen<br />

getroffen haben – ist es mir eine<br />

Freude, Ihnen diesmal eine überwiegend<br />

erfreuliche Lektüre wünschen zu können.<br />

Mehr zum FIAPAC Kongress dann in<br />

der nächsten Ausgabe.<br />

Ihre<br />

Claudia Kaminski<br />

Bundesvorsitzende der ALfA und<br />

des Bundesverbandes <strong>Lebensrecht</strong><br />

LebensForum <strong>80</strong> 3


REHDER MEDIENAGENTUR<br />

Im Kampf um den Schutz ungeborenen Lebens haben <strong>Lebensrecht</strong>ler einen wichtigen Erfolg<br />

errungen. Die »Gehsteigberatung« vor der Abtreibungsklinik des Münchner Abtreibungsarztes Friedrich<br />

Stapf bleibt legal.<br />

Juli 2006. Wie seit über sechs Jahren<br />

stehen Lebensschützer vom Verein<br />

»Lebenszentrum – Helfer <strong>für</strong><br />

Gottes kostbare Kinder Deutschland<br />

e.V.« zu zweit vor der Abtreibungsklinik<br />

Stapf in der Fäustlestraße im<br />

Münchner Westend. Jeden Tag, an dem<br />

hier Menschen sterben. Jeden Tag, an<br />

dem Stapf abtreibt. Sprechen junge Frauen<br />

an, sehen sie in der tiefen, dunklen<br />

Toreinfahrt verschwinden, hinter der im<br />

4<br />

TITEL<br />

Ein wichtiger Sieg<br />

Von Dr. Sebastian Sigler<br />

Rückgebäude routinemäßig menschliches<br />

Leben beendet wird. Gelegentlich ein<br />

Gespräch, Tränen, Betroffenheit, aber<br />

auch Wut und abschätzige Bemerkungen<br />

von Männern, die die Abtreibungswilligen<br />

begleiteten – ganz wie in den Jahren<br />

zuvor. Und doch kein normaler Juli.<br />

Die Berater, die als Mahner und Warner<br />

auftraten und Lösungen in Lebenskonflikten<br />

suchen – sie sind Beklagte. Die<br />

Gehsteigberatung steht zur Disposition.<br />

Friedrich Stapf, der Abtreibungsarzt, hat<br />

einen Prozess vor dem Landgericht<br />

München I angestrengt, weil er sich in<br />

seiner Berufausübung beeinträchtigt sieht:<br />

»Ich bin der Meinung, dass Frauen eine<br />

Praxis <strong>für</strong> Schwangerschaftsabbrüche nach<br />

gesetzlicher Beratung ohne das Hinzutreten<br />

Dritter erreichen können müssen.<br />

Die dürfen nicht auf der Straße vor meiner<br />

Praxis belästigt werden.« Für den 25. Juli<br />

ist der Prozess terminiert, und der Aus-<br />

LebensForum <strong>80</strong>


gang scheint offen – um es vorsichtig zu<br />

formulieren.<br />

Die »Belästigung« besteht aus einem<br />

freundlichen Gruß und der Frage, ob<br />

man helfen könne, eine Abtreibung zu<br />

vermeiden. Diese Belästigung empfinden<br />

dabei häufig genug gar nicht die Frauen,<br />

die zu einem Beratungsgespräch oder<br />

zum Abtreibungstermin gehen, sondern<br />

die Begleiter – bei Frauen mit Migrationshintergrund<br />

häufig genug männliche<br />

Familienangehörige. »Dann ist es so, dass<br />

die Frauen mit den Augen Kontakt zu<br />

mir aufnehmen, ja, fast stumm um Hilfe<br />

rufen«, weiß Maria Grundberger, eine<br />

der Gehsteigberaterinnen. Doch außer<br />

einer nochmaligen Frage, vielleicht, kann<br />

sie auch dann nichts tun: »Häufig genug<br />

ist man völlig hilflos.« Und jede bissige<br />

Bemerkung, jede Beleidigung wirkt in<br />

diesen Wochen ein wenig wie ein Menetekel<br />

– vielleicht ein Vorgeschmack auf<br />

den Prozess? Menschliche Dramen spielen<br />

sich ab, täglich aufs Neue, vor den<br />

Augen der Mitarbeiter des Lebenszentrums.<br />

Und dabei sind diese Dramen gar<br />

nicht die einzige Sorge: Durch den Prozess<br />

steht auch die finanzielle Existenz<br />

des Vereins und des Lebenszentrums auf<br />

dem Spiel, denn sie sind auf Spenden<br />

angewiesen.<br />

Der 25. Juli ist ein besonders heißer<br />

Tag – so heiß, dass es das Gericht den<br />

streitenden Anwälten freistellt, ihre Roben<br />

abzulegen. Doch die Stimmung im Gerichtssaal<br />

137 des Münchner Justizpalasts<br />

ist so gespannt, dass die Hochsommersonne<br />

vor den hohen Fenstern quasi in<br />

Vergessenheit gerät – geht es doch um<br />

eine Entscheidung in Sachen Lebensschutz,<br />

die <strong>für</strong> ganz Deutschland Bedeutung<br />

hat. Weit mehr als 300 Kinder konnten<br />

seit dem Jahr 2000 vor der Abtreibungspraxis<br />

Stapf durch Beratungs- und<br />

Hilfsangebote gerettet und ihren Müttern<br />

die Abtreibung erspart werden. Der Verein<br />

ist vertreten durch seinen Präsidenten<br />

Wolfgang Hering. Mit ihm auf der Beklagtenbank<br />

sitzt die Leiterin des Münchner<br />

Lebenszentrums, Ursula Metsch.<br />

Sie wurde vom Abtreibungsarzt Stapf<br />

auch persönlich verklagt.<br />

DRAMA UM NATHALIE<br />

Den Beklagten geht es um Kinder wie<br />

Nathalie (Name geändert). Auch sie wurde<br />

beinahe Opfer eines der Dramen in<br />

der Stapf-Klinik. Am 23. März hatte Nathalies<br />

Mutter frühmorgens einen Beratungstermin<br />

mit anschließend geplanter<br />

Abtreibung. Sie hatte sich zuvor von »pro<br />

familia« beraten lassen. Zwar wünschte<br />

sie sich eigentlich das Kind, doch sie hatte<br />

große Sorgen, ob sie die Schwangerschaft<br />

durchstehen würde: Sie leidet an Diabetes,<br />

hat bereits einen geistig behinderten Sohn<br />

von sieben Jahren und eine sechsjährige<br />

Tochter. Bei beiden Schwangerschaften<br />

hatte sie jeweils eine ernste Schwangerschaftserkrankung<br />

mit Bluthochdruck,<br />

beide Kinder kamen per Kaiserschnitt<br />

»Wie in einer Metzgerei –<br />

so empfand sie es damals.«<br />

auf die Welt. Die »pro-familia«-Beraterin<br />

hatte keinen Versuch unternommen, nach<br />

Alternativen zur Abtreibung zu suchen<br />

oder auch nur einen medizinischen Rat<br />

wegen der Risikoschwangerschaft einzuholen.<br />

Nathalies Mutter hatte bis dahin<br />

noch nicht einmal einen Frauenarzt aufgesucht.<br />

Die »pro-familia«-Beraterin<br />

stellte<br />

ihr den gesetzlich gefordertenBeratungsschein<br />

aus und nannte<br />

mehrere Adressen <strong>für</strong><br />

eine Abtreibung. Dass<br />

Nathalie eigentlich erwünscht<br />

war, von ihrer<br />

Mutter geliebt wurde<br />

– das fand die »pro familia«-Beraterin<br />

nicht<br />

heraus. »Würde die<br />

gesetzlich vorgeschriebene<br />

Beratung sorgfältig<br />

durchgeführt,<br />

müsste es uns vielleicht<br />

gar nicht geben«, kommentiert<br />

bitter Wolfgang<br />

Hering – es geht<br />

ihm nicht um einen<br />

Kampf gegen den Arzt,<br />

sondern <strong>für</strong> das Leben.<br />

Nach den vorgeschriebenenAufklärungsgesprächen<br />

soll<br />

bei Nathalies Mutter<br />

die Abtreibung beginnen,<br />

und zwar ohne<br />

Vollnarkose, denn sie<br />

hat aufgrund ihrer Diabetes<br />

deutlich Übergewicht,<br />

zudem leidet sie an einer Erkältung.<br />

Auf dem gynäkologischen Stuhl<br />

versucht der Abtreibungsarzt die Instrumente<br />

zur Abtreibung in die Gebärmutter<br />

einzuführen. Dies ist offenkundig äußerst<br />

schmerzhaft. Erst jetzt stellte sich –<br />

während des Versuchs der Abtreibung –<br />

heraus, dass die Frau zwei Kaiserschnitt-<br />

entbindungen gehabt hatte, also <strong>für</strong> eine<br />

Abtreibung die Gabe einer »Mifegyne«-<br />

Tablette zur Aufweichung des Muttermundes<br />

oder eine Vollnarkose notwendig<br />

gewesen wäre. In der Abtreibungsklinik<br />

war man automatisch davon ausgegangen,<br />

dass Nathalies Mutter zuvor auf natürlichem<br />

Wege entbunden hatte. Ein sozusagen<br />

lebensrettender Fehler.<br />

Am 27. März, einem Montag, soll nun<br />

abgetrieben werden, soll Nathalie sterben.<br />

Stapf gibt ihrer Mutter eine Abtreibungspille<br />

»Mifegyne« mit, die sie am<br />

25. März abends einnehmen soll. Nach<br />

Einnahme dieser Pille müsse auf jeden<br />

Fall die Abtreibung durchgeführt werden,<br />

dann gebe es kein Zurück mehr. Doch<br />

Nathalies Mutter ist zunächst froh, als<br />

sie wieder nach draußen, aus der Abtreibungsklinik<br />

heraus kann. Die fließbandartige<br />

Abtreibung in der Praxis kommt<br />

ihr vor »wie in einer Metzgerei« – so<br />

empfand sie es damals, und so denkt sie<br />

noch heute.<br />

Maria Grundberger vor der Abtreibungsklinik von Friedrich Stapf<br />

Kaum vor der Tür, begegnet sie zwei<br />

Frauen vom Lebenszentrum. Eine von<br />

ihnen, die Altenpflegerin Helene Grimm,<br />

spricht sie an. Ob sie es schon hinter sich<br />

habe? Nathalies Mutter verneint. Die<br />

Gehsteigberaterin bietet ihr Beratung und<br />

Hilfe im Lebenszentrum an. Dort könne<br />

sie auch etwas trinken und sich erholen.<br />

LebensForum <strong>80</strong> 5<br />

MARKUS MOCKLER


Im Lebenszentrum wird sie von Maria<br />

Grundberger empfangen und umfassend<br />

beraten. Dabei geht es nicht nur um die<br />

Abtreibung des Kindes, sondern zunächst<br />

einmal vor allem um die gesundheitlichen,<br />

finanziellen und persönlichen Probleme<br />

von Nathalies Mutter. Dann gingen die<br />

beiden Frauen zu einer Ultraschalluntersuchung<br />

bei einem Münchner Frauenarzt.<br />

Auf dem Weg erfährt Maria Grundberger:<br />

Nathalies Mutter hatte lediglich mit ihrem<br />

Mann über die Abtreibung gesprochen,<br />

nicht aber mit ihrer Schwester. Die<br />

wünscht sich zur selben Zeit auch ein<br />

Kind und lässt gerade, als Nathalies Mutter<br />

Nathalie abtreiben lassen möchte,<br />

eine künstliche Befruchtung bei sich<br />

durchführen.<br />

Zum Abtreibungstermin am 27. März<br />

geht Nathalies Mutter nicht. Sie hat sich<br />

<strong>für</strong> das Leben ihres Kindes entschieden.<br />

Am selben Tag wird sie von der Praxis<br />

des Klägers angerufen. Auf die Mitteilung,<br />

sie wolle nicht mehr abtreiben, wird sie<br />

gefragt, ob sie die Tablette »Mifegyne«<br />

eingenommen habe, und antwortet mit<br />

»Nein«. Nachfrage: »Ganz sicher?«<br />

Darauf Nathalies Mutter: »Ja, ganz si-<br />

cher«. Doch die Frau am Telefon hat<br />

immer noch Zweifel, ob Nathalies Mutter<br />

die Tablette nicht doch genommen habe<br />

und sagt: »Wenn sie die Tablette genommen<br />

haben, müssen sie in jedem Fall<br />

abtreiben. Denn dann ist das Kind schon<br />

halb tot. Nach Einnahme der Tablette<br />

gibt es kein Zurück mehr.«<br />

Und obwohl Nathalies Mutter die<br />

Tablette genommen hatte, obwohl der<br />

Abtreibungsarzt schon mit seinen Metallzangen<br />

nach ihrer Tochter gefischt hatte<br />

– Nathalie hat überlebt. Die ALfA zahlt<br />

ihr eine Soforthilfe von 500 Euro und<br />

übernimmt dann eine Patenschaft in Höhe<br />

von monatlich 250 Euro bis zum er-<br />

6<br />

TITEL<br />

Maria Grundberger mit einem geretteten Kind<br />

rechneten Geburtstermin. – Bei diesem<br />

Drama hat das Leben gesiegt.<br />

PROZESS VOR DEM<br />

MÜNCHNER LANDGERICHT<br />

Komplexe Zusammenhänge wie der<br />

in Nathalies Familie können kaum einzeln<br />

durchdacht werden, wenn mehr als 15<br />

Abtreibungen pro Tag anstehen. Das sind<br />

zwischen 3.000 und 4.000 jedes Jahr. Und<br />

am 25. Juli geht es dann auch ums Ganze.<br />

Friedrich Stapf, auf dessen Konto seit<br />

rund 30 Jahren über 100.000 Schwangerschaftsabbrüche<br />

gehen, hat den Verein<br />

und Metsch persönlich verklagt. Er will<br />

vor dem Münchner Landgericht I durchsetzen,<br />

dass vor seiner Praxis nicht mehr<br />

gebetet werden darf und dass vor allem<br />

keine Gehsteigberatung zulässig sein soll.<br />

Er fordert eine Bannmeile, um seinem<br />

Geschäft ungestört nachgehen zu können.<br />

Zwei seiner Arzthelferinnen, als Zeuginnen<br />

benannt, führen aus, dass die Patientinnen<br />

<strong>für</strong> eine Beratung durch die Mitarbeiter<br />

der Abtreibungsklinik »nicht<br />

mehr aufgeschlossen« seien, wenn sie<br />

Kontakt mit den Lebensschützern gehabt<br />

hätten. Ein Modell eines Em-<br />

ARCHIV<br />

bryos, das ihnen von den Beratern<br />

gezeigt werde, verursache bei<br />

manch abtreibungswilliger »Patientin«<br />

Albträume. Der Mediziner<br />

über die Lebensschützer:<br />

»Die belästigen die Frauen, die<br />

Frauen kommen wütend und<br />

traurig hoch« – also in seine<br />

Praxis.<br />

Doch der Abtreibungsarzt wird<br />

von den Lebensschützern gar<br />

nicht als Gegner angesehen, das<br />

wird im Verlauf des Prozesses in<br />

München deutlich. Der Vorsitzende<br />

der »Helfer Deutschland«,<br />

Wolfgang Hering, macht deutlich:<br />

»Unser höchstes Gut ist die<br />

betroffene Frau – parallel zum<br />

Kind.« Richter Nikolaus Stack-<br />

mann sagte dann auch streng zum Kläger:<br />

»Das Selbstbestimmungsrecht der Frau<br />

werte ich hoch. Die kann allein entscheiden,<br />

ob sie ein Gespräch will oder nicht.«<br />

Wie derartige Gespräche, also die<br />

Gehsteigberatungen, in der Praxis aussehen<br />

– das ist dann das Hauptthema der<br />

Beweisaufnahme. Dabei ergibt sich ein<br />

eindeutiges Bild: Das Auftreten der<br />

Lebensschützer ist unspektakulär, ja,<br />

beinahe unauffällig. Sie stehen auf dem<br />

Gehsteig, ganz wie im Fall von Nathalies<br />

Mutter. Einen Rosenkranz betet einer<br />

aus dem Team, die oder der zweite hält<br />

werdenden Müttern, die auf dem Weg<br />

zur Abtreibung sind, einen Handzettel<br />

ARCHIV<br />

Rechtsanwalt Stefan Brandmaier<br />

entgegen: »Wir haben Hilfe <strong>für</strong> Sie, wenn<br />

Sie im Schwangerschaftskonflikt sind.«<br />

Viele gehen dann weiter, andere hören<br />

zu, wieder andere reagieren aggressiv.<br />

»Die jungen Frauen stehen bereits unter<br />

erheblichem Druck, wenn sie ankommen«,<br />

so Wolfgang Hering, »auch wenn<br />

es der Frau in diesem Moment nicht oder<br />

nur teilweise bewusst ist, spürt sie doch:<br />

In den nächsten Stunden oder Minuten<br />

stirbt mein Kind.«<br />

Auf ihre ganz ruhige Art findet Maria<br />

Grundberger, selbst gelernte Hebamme,<br />

dann doch immer wieder Gesprächspartnerinnen:<br />

Welche Hilfe sie anbieten müsse,<br />

damit es sich die Schwangere doch<br />

»Die ALfA zahlt Soforthilfe<br />

und übernimmt Patenschaft.«<br />

noch einmal überlege mit der Abtreibung<br />

– das fragt sie dann, oder sie sagt schlicht:<br />

»Mama, bitte behalt’ Dein Kind.« Immer<br />

wieder bleiben Betroffene dann doch<br />

stehen, so berichten die Lebensschützer<br />

dem Richter übereinstimmend. Häufig<br />

sei dies der Anfang eines Dialogs, an<br />

dessen Ende eine glückliche Mutter und<br />

ein gesundes Kind stehen.<br />

AGGRESSIVER KLÄGER<br />

Ganz nebenbei verdichtet sich der<br />

Eindruck, dass die Lebensschützer manche<br />

Aggression – sogar seitens des Klägers<br />

selbst – ertragen mussten. So sei der Arzt<br />

mit seinem Auto bewusst aggressiv nahe<br />

an den Gehsteigberaterinnen vorbeige-<br />

LebensForum <strong>80</strong>


aust – er bestreitet dies nicht. Die »Helfer<br />

Deutschland« haben sich jedoch nie<br />

auf Handgreiflichkeiten eingelassen, nie<br />

fiel ein böses Wort. Das bestätigt auch<br />

ein Polizist. Denn Polizeibeamte in zivil<br />

hatten die Gehsteigberater zwei Wochen<br />

lang verdeckt observiert. Grund da<strong>für</strong><br />

waren wiederholte Beschwerden aus der<br />

Klinik Stapf. In unregelmäßigen Abständen<br />

seien die Polizisten <strong>für</strong> eine halbe<br />

Stunde in der Nähe der Stapf-Klinik aufund<br />

abgegangen; als Ermittler seien sie<br />

nicht zu erkennen gewesen. Die Opfer<br />

angeblicher Übergriffe kann der Arzt<br />

ebenfalls nicht präsentieren, er macht<br />

Daten- und Personenschutz geltend. So<br />

bleiben seine Vorwürfe unbewiesen im<br />

Raum stehen.<br />

Nach einem langen, heißen Tag lässt<br />

die Hitze im Gerichtssaal erst in den<br />

frühen Abendstunden nach. Stackmann<br />

weist die Klage des Mediziners ab, da er<br />

weder eine substantielle Beeinträchtigung<br />

des Geschäftsbetriebs der Abtreibungsklinik<br />

noch einen vorsätzlichen Eingriff<br />

in das Arzt-Patienten-Verhältnis sieht.<br />

Der Kläger ist allerdings nicht zufrieden.<br />

Er sagt »Wir sehen uns wieder« – und<br />

Seit dem 9. Oktober daheim: Nathalie<br />

legt Berufung gegen das Urteil ein. Und<br />

dennoch: Seine Niederlage vor Gericht<br />

bedeutet Hoffnung <strong>für</strong> Kinder wie Nathalie.<br />

Vorläufig kann die Gehsteigberatung<br />

vor der Praxis des Mannes, der über<br />

100.000 Abtreibungen zu verantworten<br />

hat, weitergehen – bis zur Entscheidung<br />

über die Berufung. Doch Rechtsanwalt<br />

Stefan Brandmaier, der den Lebensschützer-Verein<br />

vertritt, sieht in dem Urteil<br />

nur einen Teilerfolg: »Es ist damit zu<br />

rechnen, dass der Prozess bis zum Bundesgerichtshof<br />

und Bundesverfassungsgericht<br />

gehen wird.«<br />

DAS URTEIL WIRD RECHTSKRÄFTIG<br />

Doch so berechtigt die Be<strong>für</strong>chtungen<br />

des Anwalts auch waren – sie sind seit<br />

dem 12. Oktober obsolet. Das Berufungsverfahren<br />

ist beendet. Der Kläger Friedrich<br />

Stapf zieht überraschend seine Berufung<br />

gegen das Urteil des Landgerichts<br />

München I zurück. Kinder wie Nathalie<br />

werden auch in Zukunft eine Chance<br />

haben, weil ihre Mamas vor der Klinik<br />

in der Fäustlestraße auch in Zukunft die<br />

leise Frage hören: »Können wir Ihnen<br />

helfen?« Die Gehsteigberatung<br />

– sie wird bleiben.<br />

Das Urteil, das den Lebensschützern<br />

Recht gibt,<br />

ist rechtskräftig. »Dies ist<br />

besonders wichtig«, freut<br />

sich Rechtsanwalt Brandmaier,<br />

»weil der Bundesgerichtshof<br />

in einem zumindest<br />

<strong>für</strong> die Lebensschützer<br />

höchst fragwürdigen<br />

Urteil vom 7.<br />

Dezember 2004 eine Ein-<br />

Mann-Demonstration von<br />

Klaus-Günter Annen vor<br />

einer Abtreibungspraxis<br />

letztinstanzlich als rechtswidrig<br />

verboten hat.« Bei<br />

der Gehsteigberatung<br />

gehe es aber nicht um Demonstration<br />

gegen den<br />

Abtreibungsarzt, sondern<br />

um das <strong>Lebensrecht</strong> der<br />

ungeborenen Kinder und<br />

das Selbstbestimmungsrecht<br />

der Frauen, sich auch<br />

noch in letzter Minute <strong>für</strong><br />

ihr Kind zu entscheiden:<br />

»Daran ist Stapf letztlich<br />

gescheitert, weil in der<br />

neunstündigen Verhandlung<br />

und Beweisaufnahme<br />

am 25. Juli 2006 dieser<br />

unaufdringliche und<br />

freundliche Charakter der<br />

Gehsteigberatung deutlich<br />

SEBASTIAN SIGLER<br />

wurde.« Auch die finanziellen Sorgen<br />

sind nun schlagartig geringer geworden,<br />

denn die Prozesskosten trägt der erfolglose<br />

Kläger, trägt der Abtreibungsarzt<br />

Friedrich Stapf.<br />

Am 22. August ist Nathalie, die schon<br />

im Bauch ihrer Mama so viel erlebt hat,<br />

zur Welt gekommen – per Kaiserschnitt,<br />

wie ihre beiden älteren Geschwister. Sie<br />

kam etwas zu früh, ihr errechneter Geburtstermin<br />

war der 31. Oktober. Immerhin,<br />

1.240 Gramm brachte sie bei der<br />

Geburt auf die Waage, <strong>für</strong> ein »Frühchen«<br />

war sie damit nicht einmal klein.<br />

Und bereits Anfang August 2006 haben<br />

die Helfer von der ALfA in Miesbach ihr<br />

»Nathalie –Der Stolz der<br />

ganzen Famile«<br />

Baby-Sachen besorgt, die meisten haben<br />

sie im Second-Hand-Laden des Roten<br />

Kreuz in Hausham gekauft. Nathalie<br />

bekam einen Kinderwagen und <strong>für</strong> ihre<br />

Geschwister gab es neue Kindersitze <strong>für</strong><br />

Mamas Auto. Da freuten sich auch die<br />

beiden! Am meisten aber freut sich die<br />

Mutter – sie ist stolz auf ihre Kinder –<br />

auf alle drei. Und sie dankt den Lebensschützern,<br />

dass sie sie vor einem großen<br />

Fehler bewahrt haben.<br />

Seit dem 9. Oktober ist Natatlie nun<br />

zu Hause bei Mama, Papa und ihren beiden<br />

Geschwistern. Schon im Krankenhaus<br />

hat sie kräftig zugelegt: Sie wiegt jetzt<br />

3.000 Gramm und ist schon 44 Zentimeter<br />

groß. Und sie ist der Stolz der ganzen<br />

Familie.<br />

IM PORTRAIT<br />

Dr. phil. Sebastian Sigler<br />

Der Autor ist freier Journalist und Buchautor<br />

und lebt in München. Von dort aus<br />

berichtet er unter<br />

anderem <strong>für</strong> CICE-<br />

RO, den Rheinschen<br />

Merkur und Focus.<br />

Regelmäßig bereist<br />

er den Mittleren<br />

Osten, insbesondere<br />

Pakistan und Israel. Zu den Themengebieten<br />

des promovierten Historikers<br />

zählen auch die mittelalterliche Kirchengeschichte<br />

und der Widerstand im Dritten<br />

Reich.<br />

LebensForum <strong>80</strong> 7


Viele Kinder verdanken dieser Frau ihr Überleben. Seit Jahren fängt<br />

die 25jährige Hebamme Maria Grundberger schwangere Frauen<br />

erfolgreich vor einer Abtreibungsklinik ab.<br />

Über Leben oder Tod eines ungeborenen<br />

Kindes können<br />

wenige Sekunden entscheiden.<br />

So wenig Zeit hat Maria Grundberger,<br />

wenn sie vor der Abtreibungsklinik<br />

Schwangere abfängt und sie in letzter<br />

Minute da<strong>für</strong> gewinnen will, ihr Kind<br />

doch zu behalten. Die 25-jährige Hebamme<br />

ist dabei sehr erfolgreich – zum<br />

Ärger der Abtreibungsärzte, denen sie<br />

die »Kundschaft« abspenstig macht.<br />

Von den 1.000 Kindern, die pro Werktag<br />

in Deutschland abgetrieben werden,<br />

gehen im Durchschnitt 15 auf das Konto<br />

des Mediziners Friedrich Stapf. In seiner<br />

Münchner Klinik nahe der Donnersberger<br />

Brücke sterben pro Jahr rund 3.000<br />

Kinder. Seit einem Vierteljahrhundert<br />

lebt er vom Abtreiben. »Für mich ist der<br />

Job eine Herausforderung. Die Frauen<br />

sollen hier gesund und mit erhobenem<br />

Kopf rausgehen«, wurde Stapf in der<br />

Zeitschrift »Woman« zitiert. Tatsächlich<br />

lässt sich vor der Klinik beobachten: Die<br />

Frauen treten nach der Abtreibung gebeugt<br />

und mit gesenktem Blick aus der<br />

Hofeinfahrt.<br />

»WELCHE HILFE BRAUCHEN SIE?«<br />

Maria Grundberger würde ihnen diese<br />

Erfahrung gerne ersparen. Ihnen und<br />

ihrem Kind. Also versucht sie den Frauen<br />

auf dem Weg in die Münchner Abtreibungspraxis<br />

deutlich zu machen, dass es<br />

eine Alternative gibt. »Was brauchen Sie,<br />

damit Sie Ihr Kind behalten können?«<br />

fragt Maria häufig. Wenn es um Geld<br />

geht, um Babyausstattung, um Unterstützung<br />

bei Behörden, ist Hilfe fast<br />

immer möglich. Im Hintergrund <strong>für</strong> die<br />

materielle Hilfe steht in erster Linie die<br />

<strong>Aktion</strong> <strong>Lebensrecht</strong> <strong>für</strong> <strong>Alle</strong> (ALfA). Diese<br />

Organisation bestreitet auch einen Teil<br />

des Lebensunterhalts von Maria, die in<br />

8<br />

TITEL<br />

Babys retten –<br />

in letzter Minute<br />

Von Marcus Mockler<br />

FRITZ POPPENBERG<br />

die Arbeit sehr viel Zeit investiert. Ihre<br />

Hebammenpraxis in Wiesbaden hat sie<br />

inzwischen aufgegeben, künftig will sie<br />

ganz in München leben.<br />

Die katholische Christin Maria hat<br />

schon mit 17 Jahren begonnen, Abtreibungswillige<br />

vor dem letzten Schritt<br />

zurückzuhalten. Damals hörte sie den<br />

Priester Philip J. Reilly aus New York,<br />

wie er über die von ihm 1989 gegründete<br />

Organisation »Helfer <strong>für</strong> Gottes kostbare<br />

Kinder« berichtete. Er war zu der Einsicht<br />

gekommen, dass sich mit Demonstratio-<br />

Maria Grundberger bei der Gehsteigberatung<br />

nen und politischen <strong>Aktion</strong>en alleine zu<br />

wenig ausrichten lässt, und setzt seitdem<br />

auf die direkte Ansprache von Frauen vor<br />

der Abtreibung. »Sidewalk Counseling«<br />

heißt das in Amerika – »Gehsteig-<br />

Beratung«. Maria folgte schon als Jugendliche<br />

seinem Beispiel.<br />

EMANZEN SIND KAUM UMZUSTIMMEN<br />

»Afrikanerinnen sind am leichtesten<br />

von einer geplanten Abtreibung abzubringen«,<br />

sagt sie. An einer Wand im Lebenszentrum<br />

hängen Fotos von geretteten<br />

Babys, davon mehrere dunkelhäutige.<br />

Kaum eine Chance hat die Aktivistin vor<br />

der Klinik beim Typ Emanze, die häufig<br />

im Ledermantel auftaucht und schon<br />

etwas verbraucht aussieht. Besonders<br />

herausgefordert fühlt sie sich, wenn Pärchen<br />

kommen. Vom Gang in die Klinik<br />

kann sie die beiden selten abhalten, aber<br />

manchmal gelingt es ihr, mit dem wartenden<br />

Mann ins Gespräch zu kommen.<br />

Dann malt sie ihm aus, was bei einer<br />

Abtreibung passiert, und sagt, dass Männer,<br />

die ihr Kind abtreiben lassen, <strong>für</strong> sie<br />

»Memmen« sind. Sie erklärt den Paaren<br />

die Entwicklung des ungeborenen Kindes,<br />

zeigt ihnen Bilder. Marias Charme, ihre<br />

überzeugenden Argumente und ihre herausfordernde<br />

Gesprächsführung haben<br />

mehr als einmal dazu geführt, dass ein<br />

Mann noch einmal ins Wartezimmer<br />

gegangen ist und seine Freundin vor dem<br />

Eingriff aus der Klinik rausgeholt hat.<br />

Sie steht nicht nur vor den Kliniken,<br />

sondern verteilt auch Info-Blätter etwa<br />

in Diskotheken und tauscht im Internet<br />

in den entsprechenden Diskussionsforen<br />

Nachrichten mit Frauen aus, die sich<br />

offenbar im Schwangerschaftskonflikt<br />

befinden.<br />

VIERMONATIGES BABY AUSGELIEHEN<br />

Viele Schwangere verdrängen, dass<br />

das ungeborene Kind in ihnen bereits ein<br />

Mensch ist. Maria Grundberger weckt<br />

deshalb bei den Frauen auf dem Gehsteig<br />

Muttergefühle und malt ihnen aus, wie<br />

es sein wird, in wenigen Monaten dieses<br />

Kind im Arm zu haben. Noch dramatischer<br />

agierte sie bei einer Frau, deren<br />

Freund ebenfalls gegen die Abtreibung<br />

war und die sie – erfolglos – beraten hatte.<br />

Maria lieh sich von ihrer Nachbarin ein<br />

vier Monate altes Baby aus, fing die<br />

Schwangere vor einer Abtreibungsklinik<br />

ab und drückte ihr das Baby auf den Arm.<br />

Als diese das Kind zurückgeben wollte,<br />

verschränkte Maria die Arme und sagte:<br />

»Du musst es behalten oder fallen lassen.«<br />

Der Vater des Kindes handelte genauso.<br />

Da die Frau das Baby nicht loswurde, ließ<br />

sie den Abtreibungstermin sausen – und<br />

brachte später ihr eigenes Kind zur Welt.<br />

Maria hat allerdings nicht nur Erfolge.<br />

LebensForum <strong>80</strong>


ARCHIV<br />

Manchmal gelingt es mehrere Tage nicht,<br />

eine Schwangere umzustimmen. Ermutigt<br />

ist sie immer wieder, wenn sie gerettete<br />

Babys besucht. »Es gibt nichts Schöneres<br />

als ein Kind im Arm zu haben, das Du<br />

von der Abtreibung weggeholt hast.«<br />

RECHTSSTREIT MIT DEM ABTREIBER<br />

Aber auch die Frauen, die abgetrieben<br />

haben, werden von Maria vor der Klinik<br />

angesprochen. Sie weist auf Hilfsangebote<br />

hin, weil sie die Erfahrung gemacht hat,<br />

dass viele nach der Abtreibung psychisch<br />

krank werden und unter dem Post-Abortion-Syndrom<br />

leiden. Die Betreuung solcher<br />

Frauen kostet sie allerdings sehr viel<br />

Kraft. Manche beginnen, sich selbst zu<br />

verletzen und beispielsweise die Arme<br />

aufzuritzen. Andere kehren immer wieder<br />

zur Abtreibungsklinik zurück, als wollten<br />

sie ihr dort getötetes Kind zurückholen.<br />

Es gibt Tage, an denen Maria gleich vier<br />

Kinder retten kann. Für Friedrich Stapf,<br />

der vom Abtreiben lebt, sind solche <strong>Aktion</strong>en<br />

ein Ärgernis, das er sich mit juristischen<br />

Mitteln vom Halse schaffen will<br />

– in erster Instanz hat er vor dem Landgericht<br />

München allerdings erst einmal<br />

verloren.<br />

IN ROLLENSPIELEN BERATUNG LERNEN<br />

Bei 1.000 Abtreibungen pro Werktag<br />

in Deutschland erscheinen Maria ihre<br />

Einsätze vor den Kliniken wie ein Tropfen<br />

auf den heißen Stein. Es bräuchte viel<br />

mehr solcher Tropfen. Ihre Vision: In<br />

jeder Stadt gibt es einen Kreis von Menschen,<br />

die Gehsteig-Beratung betreiben.<br />

Dazu bietet Maria auch Schulungen an<br />

(Kontakt: schwangerschaftskonfliktberatung@yahoo.de).<br />

Dort wird unter anderem<br />

in Rollenspielen gelernt, worauf es<br />

in den wenigen Sekunden ankommt, die<br />

man vor einer Abtreibungsklinik <strong>für</strong> das<br />

über Leben und Tod entscheidende Gespräch<br />

mit einer Schwangeren hat.<br />

IM PORTRAIT<br />

Marcus Mockler<br />

Marcus Mockler (St. Johann bei Reutlingen)<br />

ist Reporter der Evangelischen<br />

Nachrichtenagentur idea (Wetzlar). Zu<br />

seinen Themenschwerpunkten<br />

gehören Familie<br />

und Lebensschutz.<br />

Der Autor ist verheiratet<br />

und Vater<br />

von acht Kindern.<br />

TITEL<br />

»Es braucht Leute,<br />

die vorangehen«<br />

Gehsteigberatung ist in Deutschland noch wenig verbreitet. In<br />

München hat Wolfgang Hering diese Arbeit aufgebaut. Der 50jährige<br />

Bauingenieur hat nur 100 Meter von der Abtreibungsklinik<br />

des Mediziners Friedrich Stapf ein »Lebenszentrum« eingerichtet,<br />

von dem aus die Einsätze vor der Klinik koordiniert und<br />

Abtreibungswillige beraten werden. Für LebensForum sprach Marcus<br />

Mockler mit Wolfgang Hering über Arbeitsmethoden der<br />

Gehsteigberatung, das Gerichtsurteil und die Kritik an seiner Arbeit.<br />

Hering, verheiratet und Vater von drei Kindern, ist Vorsitzender<br />

des Vereins »Helfer <strong>für</strong> Gottes kostbare Kinder Deutschland e.V.«,<br />

der das Lebenszentrum betreibt.<br />

LebensForum: Herr Hering, wieviele ungeborene<br />

Kinder sind aufgrund des Einsatzes Ihres Teams<br />

trotz geplanter Abtreibung geboren worden?<br />

Wolfgang Hering: Wir können 300<br />

Fälle belegen, schätzen aber, dass es<br />

insgesamt über 500 waren. Nicht alle<br />

Frauen, die sich doch noch <strong>für</strong> ihr Kind<br />

entschieden haben, haben belegbare Angaben<br />

gemacht, bzw. sich später oder nach<br />

der Geburt noch mal bei uns gemeldet.<br />

Warum überlegen es sich die Frauen überhaupt<br />

anders?<br />

Viele Frauen spüren angesichts des kurz<br />

bevorstehenden Todes ihres ungeborenen<br />

Kindes die Dramatik ihrer Entscheidung.<br />

Viele sind einfach in großer Not, alleingelassen,<br />

verzweifelt. Sie wollen eigentlich<br />

gar keine Abtreibung. Wenn dann jemand<br />

da ist, der ihnen den Rücken stärkt, der<br />

ihnen Mut zuspricht und sagt: »Wir gehen<br />

mit Dir durch dick und dünn; wir schaffen<br />

das gemeinsam« – dann lässt das manche<br />

doch noch ein Ja zum Leben finden.<br />

Die von Ihnen genannte Zahl legt nahe, dass<br />

sehr viele Frauen im Schwangerschaftskonflikt<br />

nicht richtig beraten worden sind – sonst ließe<br />

sich ihr Wankelmut kaum erklären. Was läuft da<br />

in der Beratung falsch?<br />

Unsere Beobachtung ist, dass die meisten<br />

Frauen, die von einer Pro-Familia-<br />

Beratungsstelle kommen, nicht darüber<br />

aufgeklärt wurden, dass es sich beim Un-<br />

geborenen um einen Menschen handelt.<br />

Über den Entwicklungsstand des Kindes<br />

wissen sie so gut wie nichts, obwohl bis<br />

zum Abtreibungstermin ja längst alle<br />

Organe da sind, schon längst Hirnwellen<br />

messbar sind und dieser Mensch eigentlich<br />

nur wachsen muss. In Pro-Familia-<br />

Broschüren wird nur vom »Absaugen von<br />

Schwangerschaftsgewebe« gesprochen.<br />

Das ist natürlich irreführend.<br />

Machen die Beratungsstellen von Diakonie<br />

oder »Donum Vitae« einen besseren Job?<br />

Im Vergleich zu Pro Familia oder den<br />

Gesundheitsämtern auf jeden Fall. Vor<br />

»Wir gehen mit Dir durch dick und<br />

dünn; wir schaffen das gemeinsam.«<br />

kurzem berichtete uns jedoch eine Frau,<br />

dass sie in einer katholischen Beratungsstelle<br />

schon nach wenigen Minuten den<br />

Beratungsschein ausgehändigt bekommen<br />

hatte, ohne wirklich beraten worden zu<br />

sein. Das kann eine Ausnahme sein, aber<br />

so etwas kommt offenbar auch in konfessionellen<br />

Beratungsstellen vor.<br />

Werden die Schwangeren in den Beratungsstellen<br />

wenigstens anständig über finanzielle<br />

Hilfen informiert?<br />

LebensForum <strong>80</strong> 9


Nach dem Beratungsgesetz müssen<br />

der Schwangeren alle Möglichkeiten angeboten<br />

werden, die sie dazu ermutigen,<br />

die Schwangerschaft auszutragen.<br />

Tatsächlich geschieht das nur völlig unzureichend.<br />

Nach meiner Beobachtung<br />

erfahren etwa die Hälfte der Schwangeren<br />

so gut wie nichts über die Hilfsangebote<br />

– manche haben schon nach zehn Minuten<br />

den Beratungsschein in der Hand.<br />

Wir müssen in diesem Punkt davon ausgehen,<br />

dass das geltende Gesetz in der<br />

Beratungspraxis häufig nicht beachtet<br />

wird.<br />

Wie sieht Gehsteigberatung in der Praxis aus?<br />

Im Normalfall sind während der Öffnungszeiten<br />

der Abtreibungsklinik zwei<br />

Personen von uns draußen auf dem Gehsteig.<br />

Eine Person spricht die Mütter und<br />

Begleitpersonen an, die andere steht als<br />

Beter neben der Hofeinfahrt zur Abtreibungsklinik.<br />

Wie groß ist der Pool von Mitarbeitern, auf den<br />

Sie zurückgreifen können?<br />

Es sind über 20 Ehrenamtliche, die –<br />

manchmal zweimal die Woche – ein bis<br />

zwei Stunden zur Gehsteigberatung oder<br />

zum Beten kommen.<br />

Was <strong>für</strong> eine Ausbildung muss man absolvieren,<br />

um mitmachen zu können?<br />

Bislang haben wir Interessierte im<br />

Normalfall <strong>für</strong> eine Woche nach Wien<br />

geschickt. Die Mitarbeiter dort waren die<br />

ersten in Europa, die Gehsteigberatung<br />

professionell angefangen haben. Die<br />

verfügen auch über größere finanzielle<br />

Mittel und haben bezahlte Leute, die sehr<br />

gut ausbilden können. Künftig wollen<br />

wir die Berater aber selbst ausbilden, weil<br />

sie dann besser auf die spezielle Situation<br />

vor der Münchener Stapf-Klinik vorbereitet<br />

werden können und unsere Richtlinien<br />

von Anfang an mitbekommen.<br />

Was muss einer tun, um bei Ihnen Gehsteigberater<br />

zu werden?<br />

Wer interessiert ist, sollte einfach bei<br />

uns anrufen. Wir machen ein Gespräch<br />

10<br />

TITEL<br />

»Wenn es nur wirtschaftliche<br />

Probleme sind, dann atme ich auf.«<br />

mit den Leuten aus, und<br />

sie können dann auch<br />

zuschauen, wie wir<br />

vorgehen. Die Interessierten<br />

merken vor Ort,<br />

ob sie diese Arbeit wirklich<br />

selbst tun wollen.<br />

Sie gehen dann als Beter<br />

mit raus und kriegen<br />

mit, wie erfahrene Berater<br />

arbeiten. Dazu gibt<br />

es Wochenendschulungen.<br />

Insgesamt ist es viel<br />

»learning by doing«. Da<br />

aber immer auch eine<br />

erfahrene Kraft dabei<br />

ist, kann hier niemand<br />

unkontrolliert in unserem<br />

Namen auf<br />

Schwangere zugehen.<br />

Was muss jemand können,<br />

wenn er oder sie bei<br />

der Gehsteigberatung mitmacht?<br />

ARCHIV<br />

Man sollte Bescheid<br />

wissen über den Entwicklungszustand<br />

des<br />

ungeborenen Kindes<br />

nach acht, zehn, zwölf<br />

Schwangerschaftswochen – und natürlich<br />

über die Abtreibungsfolgen, insbesondere<br />

das Post-Abortion-Syndrom. Dann<br />

müssen sie die Hilfsmöglichkeiten kennen,<br />

die man anbieten kann. Dieses Wissen ist<br />

leicht zu erwerben, und <strong>für</strong> spezielle Fragen<br />

steht in der Regel unsere Leiterin<br />

Ursula Metsch im Lebenszentrum zur<br />

Verfügung, das sich ja nur wenige Meter<br />

von der Abtreibungsklinik entfernt befindet.<br />

Auch wenn es um Passangelegenheiten<br />

oder Zuschüsse von Stiftungen oder<br />

Sonstiges geht, können wir dann kompetent<br />

Auskunft geben oder weitervermitteln.<br />

Liegt es denn immer noch häufig am Geld, dass<br />

Frauen keinen anderen Ausweg als die Abtreibung<br />

sehen?<br />

Wenn es nur wirtschaftliche Probleme<br />

sind, dann atme ich in der Regel erleichtert<br />

auf. Die sind am leichtesten zu lösen.<br />

Komplizierter wird es, wenn der Partner<br />

oder das sonstige Umfeld auf Abtreibung<br />

drängt.<br />

Wie hoch ist denn der Anteil der Schwangeren,<br />

die alleine aus wirtschaftlichen Gründen abtreiben<br />

wollen?<br />

Das lässt sich so nicht beantworten.<br />

Wir sehen, dass wirtschaftliche Gründe<br />

Wolfgang Hering: Etablierte die Gehsteigberatung in Deutschland<br />

manchmal nur vorgeschoben werden.<br />

Dahinter stecken dann ganz andere persönliche<br />

Probleme.<br />

Bringen Sie den Beratern auch Tricks bei, wie<br />

man Frauen in ein Gespräch verwickelt?<br />

Wir »verwickeln« nicht in ein Gespräch.<br />

Wir gehen den Schwangeren<br />

entgegen, bieten ihnen in einer respektvollen<br />

Distanz eine Broschüre an, die wir<br />

von der Seite hinhalten. Darauf steht:<br />

»Schwanger? Verzweifelt? Wir helfen<br />

Dir.« Ich frage die Frau dann: »Darf ich<br />

Ihnen das mitgeben? Hier ist eine wichtige<br />

Hilfe <strong>für</strong> Sie.« Und dann merkt man<br />

schnell, ob eine Offenheit <strong>für</strong> ein Gespräch<br />

da ist oder nicht. Ich sage dann<br />

oft auch, bevor das Gespräch zu Ende ist:<br />

»Bitte, Mama, lass Dein Kind leben.«<br />

Werden Ihre Mitarbeiter auch mal aggressiv?<br />

Es ist <strong>für</strong> uns fast ein Wunder, dass<br />

unsere Leute auch bei bösartigen Reaktionen<br />

freundlich geblieben sind. Wir<br />

führen das auf das Gebet zurück – und<br />

das ist auch einer der Gründe, warum<br />

immer ein Beter dabei ist. Auch der Abtreibungsarzt<br />

Friedrich Stapf hat früher<br />

schon sehr aggressiv reagiert und Leute<br />

an der Jacke gepackt und sie bedroht. Ein<br />

Berater hat ihm mal geantwortet: „Herr<br />

LebensForum <strong>80</strong>


Stapf, Sie dürfen mich schlagen, wenn<br />

Sie wollen, aber hören Sie bitte auf, die<br />

kleinen Kinder zu töten.“ Übrigens hat<br />

Stapf vor Gericht zugegeben, dass keine<br />

einzige Patientin ihm mitgeteilt habe, die<br />

Gehsteigberater hätten sich negativ über<br />

ihn geäußert.<br />

Sind die Situationen der Schwangeren nicht<br />

oft viel zu kompliziert, um sie in einer kurzen<br />

Gehsteigberatung richtig erfassen zu können?<br />

Das ist richtig. Aber wir haben über<br />

das Lebenszentrum ja die Möglichkeit,<br />

weitere Leute zu Rate zu ziehen – in<br />

Rechtsfragen steht uns etwa ein Anwalt<br />

zur Seite, in medizinischen Fragen Frauenärzte.<br />

Was hat Sie persönlich <strong>für</strong> Lebensschutz-<br />

Positionen gewonnen?<br />

An Heiligabend 19<strong>80</strong> sollte meine<br />

damalige Freundin unseren gemeinsamen<br />

Sohn gebären, aber die Geburt zog sich<br />

hin, und sie bekam vorübergehend ein<br />

Wehen hemmendes Mittel, damit sie sich<br />

erholen konnte. Ich sah sie schlafend und<br />

sah, wie sich der Kleine in ihr bewegte.<br />

In dem Moment wurde mir bewusst: Es<br />

gibt einen Gott, und was im Mutterleib<br />

geschieht, ist ein Wunder. In diesem<br />

Moment endete mein Atheisten-Dasein.<br />

<strong>Alle</strong>rdings sollte es noch ein paar Jahre<br />

dauern, bis ich Jesus Christus erkannte.<br />

Und warum sind sie hauptberuflicher<br />

Lebensschützer geworden?<br />

Im Juli 1989 habe ich mein Leben Jesus<br />

Christus zur Verfügung gestellt, weil ich<br />

erkannte: Er ist der Weg, die Wahrheit<br />

und das Leben – auch <strong>für</strong> mich. Dann<br />

habe ich Gott gefragt, was meine eigentliche<br />

Berufung ist: Bauingenieur oder<br />

etwas anderes. Im Januar 1990 habe ich<br />

dann in einer tiefen Gotteserfahrung erkannt,<br />

dass er mich zum Schutz ungeborener<br />

Kinder und zur Hilfe <strong>für</strong> Mütter in<br />

Not beruft. Es dauerte aber noch ein paar<br />

Jahre, bis mir klar wurde: Es ist der mir<br />

zugedachte Weg, die Arbeit von Monsignore<br />

Philip J. Reilly, der in den USA mit<br />

der Gehsteigberatung und den so genannten<br />

Gebetsvigilien <strong>für</strong> das Leben begonnen<br />

hat, in Deutschland aufzubauen.<br />

Eine Kritik lautet: Ihr Gehsteigberater wollt<br />

Frauen nur zur Geburt bewegen, danach interessieren<br />

Euch Mutter und Kind nicht mehr. Stimmt<br />

das?<br />

Nein. Wir tun auch nach der Geburt,<br />

was wir können. Und wir sind <strong>für</strong> die<br />

Mütter ja immer greifbar – im Lebenszentrum<br />

oder vor der Stapf-Klinik.<br />

Natürlich machen wir auch Fehler, aber<br />

ich denke, die Pluspunkte überwiegen.<br />

Nicht umsonst bestehen viele Kontakte<br />

über Jahre – und oft entstehen auch echte<br />

Freundschaften, besonders mit den Kindern.<br />

Gab es denn Fälle, dass Mütter kamen und<br />

sagten: »Ihr habt mich hängen lassen, ich hätte<br />

eigentlich doch abtreiben sollen«?<br />

Nein. Mir ist kein einziger Fall bekannt.<br />

Wäre es so, würde ich das ehrlich<br />

zugeben. Die umgekehrte Version erleben<br />

wir allerdings oft: Mütter (und manchmal<br />

auch Väter), die die Abtreibung bereuen.<br />

Wie reagieren Sie, wenn eine Frau sagt »Lassen<br />

Sie mich in Ruhe, ich möchte nicht von Ihnen angesprochen<br />

werden?«<br />

Wir lassen von dieser Frau ab. Manchmal<br />

sage ich abschließend noch sanft:<br />

»Mama, geben Sie Ihrem Kind und geben<br />

Sie sich noch eine Chance.« Denn ich<br />

will das Herz dieser Frau erreichen, die<br />

ja oft voller Schmerz über die bevorstehende<br />

Abtreibung ist. Manchmal gelingt<br />

das. Und wir bieten auch Frauen nach<br />

»Ich will das Herz dieser Frau<br />

erreichen, die ja oft voller Schmerz ist.«<br />

Abtreibung Hilfe an, weil sie oft damit<br />

nicht zurechtkommen, was sie getan haben.<br />

Wird die traumatisierende Wirkung der Abtreibung<br />

nicht von Lebensschützern auch etwas<br />

übertrieben?<br />

Das glaube ich nicht. Eine 76-jährige<br />

Frau fand unser Faltblatt in der Straßenbahn<br />

auf dem Fußboden. Sie rief uns<br />

an und sagte, sie hatte zwei Abtreibungen<br />

– eine mit 20, eine mit 33. Sie wurde<br />

damit nicht fertig und bat nach Jahrzehnten<br />

um Hilfe. Eine unserer Beraterinnen<br />

hat sie mehrfach besucht und konnte ihr<br />

einen Weg zur Heilung und zur Versöhnung<br />

zeigen.<br />

Wie finanziert sich Ihre Arbeit?<br />

Ausschließlich durch Spenden von<br />

Privatpersonen und Lebensschutzorganisationen.<br />

Deshalb geraten wir immer<br />

wieder auch in Nöte. Vor zwei Jahren<br />

standen wir kurz davor, unsere Notfallwohnung<br />

<strong>für</strong> Schwangere, die wir bereithalten,<br />

aufzugeben. Als wir das unseren<br />

Freunden schrieben, kam Gott sei Dank<br />

wieder ein ganzer Schwung an Spenden<br />

herein.<br />

Bekommen Sie Unterstützung von der katholischen<br />

Kirche? Immerhin bekennt sich Friedrich<br />

Kardinal Wetter, der Erzbischof von München-<br />

Freising, zu Ihrer Arbeit.<br />

Für das Schreiben des Kardinals, in<br />

dem er sich hinter uns stellt, sind wir sehr<br />

dankbar. Geld bekommen wir von der<br />

Kirche bislang aber nicht.<br />

Wie beurteilen Sie das Landgerichts-Urteil, das<br />

Ihnen weiterhin die Gehsteigberatung zubilligt?<br />

Es ist ein gerechtes Urteil. Hilfe in<br />

letzter Sekunde <strong>für</strong> Schwangere in Not<br />

bleibt weiterhin möglich. Der Richter<br />

hat auch in diesem Punkt das Selbstbestimmungsrecht<br />

der Schwangeren ernst<br />

genommen: Sie kann unser Hilfsangebot<br />

annehmen oder ablehnen.<br />

Warum hat nicht jede deutsche Stadt eine Gehsteigberatung?<br />

Es gehört viel Mut dazu – und es<br />

braucht in jeder Stadt ein paar Leute,<br />

die vorangehen, die sich ausbilden lassen<br />

und Erfahrungen sammeln. Davon gibt<br />

es einfach zu wenige. Wir beten täglich<br />

um Berufungen in diesen Dienst – und<br />

dass Menschen ihr Leben <strong>für</strong> das Leben<br />

geben.<br />

Muss man katholisch sein, um bei Ihnen mitzuarbeiten?<br />

Nein. Die Wurzeln dieser Arbeit sind<br />

aber klar im katholischen Bereich. Wir<br />

beten auch den Rosenkranz bei unseren<br />

Gebetsvigilien. Aber uns ist jeder willkommen,<br />

der das Anliegen <strong>für</strong> die ungeborenen<br />

Kinder und ihre Mütter teilt.<br />

Zu unserem Gehsteig-Team zählen auch<br />

ein evangelischer Arzt und zwei Musliminnen.<br />

Sie finden sicher auch bei Lebensschützern<br />

nicht vorbehaltlose Zustimmung <strong>für</strong> Ihre Arbeit.<br />

Wie gehen Sie damit um, wenn Kritisches über die<br />

Gehsteigberatung kolportiert wird?<br />

<strong>Alle</strong>, die Kritik über uns verbreiten,<br />

kann ich nur einladen, unsere Arbeit vor<br />

Ort zu besuchen: Kommt und seht!<br />

Wir danken <strong>für</strong> das Gespräch.<br />

LebensForum <strong>80</strong> 11


ARCHIV<br />

12<br />

TITEL<br />

Bernward Büchner<br />

Geboren 1937 in Freiburg, studierte Rechtswissenschaften<br />

in München, Wien und Freiburg.<br />

Nach der Zweiten Juristischen Staatsprüfung<br />

arbeitete Büchner zunächst in der<br />

Verwaltung des Landes Baden-Württemberg,<br />

danach als Richter am Verwaltungsgericht<br />

Freiburg. Von 19<strong>80</strong> bis 1986 war er Vorsitzender<br />

Richter am Verwaltungsgericht Karlsruhe,<br />

bis 2002 dann am Verwaltungsgericht<br />

Freiburg. Seit 1985 ist er Vorsitzender der<br />

Juristen-Vereinigung <strong>Lebensrecht</strong>; seit 2002<br />

auch Stellv. Vorsitzender des Bundesverbands<br />

<strong>Lebensrecht</strong> (BVL). Bernward Büchner ist<br />

verheiratet und Vater von drei Kindern.<br />

LebensForum <strong>80</strong>


»Rechtsbewusstsein<br />

muss geschärft werden«<br />

Nachdem der Münchner Abtreiber Friedrich Stapf die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts<br />

München I zurückgezogen hat, ist dieses nun rechtskräftig. Über das Urteil (Az 28 O 5186/06) und<br />

seine möglichen Konsequenzen sprach <strong>für</strong> LebensForum Stefan Rehder mit dem Vorsitzenden der<br />

Juristen-Vereinigung <strong>Lebensrecht</strong> (JVL) Bernward Büchner.<br />

LebensForum: Herr Büchner, das Landgericht<br />

München I hat in seinem nunmehr rechtskräftigen<br />

Urteil entschieden, dass Frauen, die sich auf dem<br />

Weg zu einer Abtreibungsklinik befinden, Beratungsangebote<br />

gemacht werden dürfen, wenn<br />

dies nicht auf diffamierender oder besonders aufdringlicher<br />

Weise geschieht. Das müsste Sie doch<br />

zunächst zufrieden stimmen, oder nicht?<br />

Bernward Büchner: Ja, das ist ein<br />

erfreuliches Urteil, das mich jedoch nicht<br />

überrascht hat. Wer den entschiedenen<br />

Fall bereits gekannt und mit gesundem<br />

Menschenverstand beurteilt hat wie<br />

beispielsweise Georg Paul Hefty in seinem<br />

Beitrag »Auf dem Gehsteig« in der Frankfurter<br />

Allgemeinen, hat keine andere<br />

Entscheidung erwartet. Nach einzelnen<br />

schwer nachvollziehbaren Urteilen anderer<br />

Gerichte zur Meinungsfreiheit von<br />

<strong>Lebensrecht</strong>lern war ein gegenteiliger<br />

Ausgang des Verfahrens allerdings nicht<br />

völlig auszuschließen.<br />

Bei ihrer Tätigkeit haben sich die von Herrn<br />

Stapf beklagten <strong>Lebensrecht</strong>ler auf die grundgesetzlich<br />

verbürgte Glaubens- und Gewissensfreiheit<br />

sowie auf die Meinungsfreiheit berufen. Sie<br />

haben jedoch in einem Beitrag <strong>für</strong> die »Zeitschrift<br />

<strong>für</strong> <strong>Lebensrecht</strong>« (ZfL) angemerkt, dass das Urteil<br />

in seiner Begründung darauf nicht besonders<br />

eingehe. Was halten Sie daran <strong>für</strong> problematisch?<br />

Der entscheidende Einzelrichter hat<br />

sein Urteil damit begründet, die Beklagten<br />

könnten sich bei ihrer Gehsteigberatung<br />

auf die allgemeine Handlungsfreiheit<br />

berufen. Deren Rechtsanwälte hatten<br />

aber durchaus nahe liegend auch mit der<br />

Glaubens- und Meinungsfreiheit ihrer<br />

Mandanten argumentiert. Hierauf ist das<br />

Gericht nicht eingegangen. Für das Ergebnis<br />

seiner Entscheidung ist dies unerheblich.<br />

Wenn das Verhalten der Geh-<br />

steigberater als Ausfluss der genannten<br />

speziellen Freiheitsrechte verstanden<br />

wird, kommt dem damit verfolgten Interesse<br />

ein noch größeres Gewicht zu und<br />

die geltend gemachte Rechtsposition ist<br />

noch stärker. In den höheren Instanzen<br />

hätte das Bedeutung gewinnen können.<br />

Ein offensichtlich wichtiges Stichwort lautet<br />

in diesem Zusammenhang »Prangerwirkung«.<br />

Können Sie Nicht-Juristen erläutern, was man sich<br />

darunter vorstellen muss?<br />

Das Stichwort »Prangerwirkung«<br />

taucht in gerichtlichen Entscheidungen<br />

auf, in denen es darum geht, ob eine<br />

Äußerung noch die Grenzen des Freiheitsrechts<br />

des Äußernden einhält oder ob sie<br />

diese überschreitet und das Persönlichkeitsrecht<br />

eines Betroffenen verletzt. Für<br />

die Entscheidung dieser Frage hat das<br />

Bundesverfassungsgericht allgemeine<br />

Grundsätze entwickelt, an denen sich auch<br />

die anderen Gerichte orientieren. Zu<br />

diesen Grundsätzen gehört beispielsweise,<br />

dass wahre Äußerungen in der Regel auch<br />

dann hinzunehmen sind, wenn sie <strong>für</strong> den<br />

Betroffenen nachteilig sind. Dies gilt<br />

jedenfalls dann, wenn sie nicht die Intim–,<br />

Privat- oder Vertraulichkeitssphäre, sondern<br />

die Sozialsphäre betreffen. Gegen<br />

Äußerungen zu seiner Sozialsphäre, zu<br />

der insbesondere die berufliche Tätigkeit<br />

gehört, ist ein Betroffener weniger weit<br />

geschützt. Solche Äußerungen dürfen<br />

nach der Rechtsprechung nur sanktioniert,<br />

also auch gegebenenfalls gerichtlich untersagt<br />

werden, wenn sie schwerwiegende<br />

Auswirkungen auf das Persönlichkeitsrecht<br />

haben, »etwa bei Stigmatisierung oder<br />

sozialer Ausgrenzung sowie bei Eintreten<br />

einer Prangerwirkung« (BVerfG).<br />

Was mit der »Prangerwirkung« konkret<br />

gemeint ist, möchte ich am Beispiel<br />

einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs<br />

erläutern, die Herrn Stapf zu seiner<br />

Klage beim Landgericht München ermuntert<br />

hat. Dieses BGH-Urteil vom 7.<br />

Dezember 2004 (veröffentlicht in ZfL<br />

1/2005, S. 13 ff.) betraf einen Fall, in dem<br />

ein <strong>Lebensrecht</strong>ler vor der Praxis eines<br />

Abtreibungsmediziners Frauen ansprach,<br />

die er <strong>für</strong> dessen Patientinnen hielt, diese<br />

in Gespräche über das Thema Abtreibung<br />

verwickelte und in deren Verlauf darauf<br />

hinwies, dass in dieser Praxis Abtreibungen<br />

vorgenommen werden. In diesem<br />

Fall hat der Mediziner den <strong>Lebensrecht</strong>ler<br />

»Ein erfreuliches Urteil, das mich<br />

jedoch nicht überrascht hat.«<br />

bis zum Bundesgerichtshof (und inzwischen<br />

dem BVerfG) erfolgreich auf Unterlassung<br />

dieses Verhaltens verklagt. In<br />

dem geschilderten Verhalten, so der<br />

BGH, habe das Berufungsgericht zu<br />

Recht eine nicht hinzunehmende »Prangerwirkung«<br />

gesehen.<br />

Und wie wurde das begründet?<br />

Begründet wurde dies folgendermaßen:<br />

Durch das Verwickeln von Frauen<br />

in unmittelbarer Nähe der Praxis in ein<br />

Gespräch über Abtreibung, die namentliche<br />

Benennung des Klägers sowie den<br />

Hinweis auf seine Abtreibungstätigkeit,<br />

»um die Patientinnen zu irritieren und<br />

von dem Besuch der Praxis abzuhalten«,<br />

würdige der Beklagte die berufliche Tätigkeit<br />

des Klägers insgesamt herab, obwohl<br />

diese legal sei. Der Beklagte wähle<br />

LebensForum <strong>80</strong> 13


14<br />

TITEL<br />

den Kläger willkürlich aus einer Vielzahl<br />

von Abtreibungsmedizinern aus und dränge<br />

ihn als Privatperson in eine von ihm<br />

ungewollte und nicht herausgeforderte<br />

Öffentlichkeit. Er verfolge den Zweck,<br />

die bestehende Rechtslage zum Schwangerschaftsabbruch<br />

zu kritisieren und auf<br />

ihre Änderung hinzuwirken. Durch sein<br />

Vorgehen wirke er auf das Personal des<br />

Klägers und auf abtreibungswillige<br />

Schwangere ein. Dadurch wolle er dem<br />

Kläger wirtschaftliche Nachteile zufügen,<br />

um ihn von der Fortführung seiner »gesetzlich<br />

erlaubten Tätigkeit« abzuhalten.<br />

Ist das überzeugend?<br />

Meines Erachtens kann diese Begründung<br />

nicht überzeugen, schon weil sie<br />

das Verhalten des Beklagten in seiner<br />

Was wohl Justitia über den § 218 denkt?<br />

Intention verkennt. Deshalb habe ich<br />

dieses BGH-Urteil kritisiert (ZfL 1/2005,<br />

S. 16 f.). In meiner Anmerkung zum Urteil<br />

des Landgerichts München (ZfL 3/2006,<br />

S. 100 ff.) habe ich dargelegt, dass in dem<br />

hierdurch entschiedenen Fall einer Gehsteigberatung<br />

nicht ein einziger der Umstände<br />

gegeben ist, mit denen der BGH<br />

im oben geschilderten Fall das Vorliegen<br />

eines unzulässigen Eingriffs in die Sozialsphäre<br />

des klagenden Abtreibungsmediziners<br />

wegen »Prangerwirkung« begründet<br />

hat. Bei der Gehsteigberatung<br />

in München wird insbesondere nicht das<br />

Thema Abtreibung thematisiert, um auf<br />

eine Änderung der geltenden Gesetze<br />

zum »Schwangerschaftsabbruch« hinzuwirken.<br />

Auch wird mit ihr nicht auf die<br />

Praxis von Stapf hingewiesen, sein Handeln<br />

bewertet und dadurch der Zweck<br />

verfolgt, ihm wirtschaftlichen Schaden<br />

zuzufügen und ihn von seiner Tätigkeit<br />

abzubringen. Ihr Anliegen ist vielmehr<br />

allein, Schwangeren Rat und Hilfe anzubieten,<br />

damit sie sich da<strong>für</strong> entscheiden,<br />

ihr Kind zur Welt zu bringen. Diesen<br />

wesentlichen Unterschied zu dem vom<br />

BGH entschiedenen Fall haben offenbar<br />

auch Herr Stapf und seine Anwälte<br />

inzwischen erkannt und deshalb das landgerichtliche<br />

Urteil letztlich akzeptiert.<br />

Herr Stapf ist nicht zuletzt aufgrund eigenen<br />

Zutuns der mit Abstand bekannteste Abtreibungsarzt<br />

in Deutschland. Er gibt Interviews und trat im<br />

Fernsehen auf. Er hat vor dem Bundesverfassungsgericht<br />

den so genannten bayerischen Sonderweg<br />

gestoppt und da<strong>für</strong> gesorgt, dass Ärzte mehr als<br />

25 Prozent ihrer Einnahmen mit Abtreibungen<br />

verdienen können. Er hat sich vehement <strong>für</strong> die<br />

Zulassung der Abtreibungspille Mifegyne eingesetzt.<br />

Wer in Deutschland<br />

an Abtreibung denkt,<br />

denkt auch an Stapf. Ist er<br />

nicht sofern längst eine<br />

Person der Zeitgeschichte,<br />

die gewisse Einschränkung<br />

ihrer Persönlichkeitsrechte<br />

hinnehmen<br />

muss?<br />

ARCHIV<br />

Zweifellos ist Herr<br />

Stapf aus den genannten<br />

Gründen eine<br />

Person der Zeitgeschichte,<br />

allerdings<br />

ein unrühmlicher<br />

Vertreter dieses Personenkreises,<br />

der sich<br />

nach Auffassung der<br />

Gerichte selbst massive<br />

öffentliche Kritik<br />

gefallen lassen muss,<br />

um die es bei der<br />

Gehsteigberatung in München allerdings,<br />

wie zuvor ausgeführt, gar nicht geht. Eine<br />

solche Art und Weise der Beratung ist<br />

im Übrigen nicht nur im Fall dieses bekanntesten<br />

Abtreibungspraktikers in<br />

Deutschland durchaus legitim, sondern<br />

auch vor den Praxen anderer Mediziner,<br />

»Wesentlicher Unterschied zu<br />

dem vom BGH entschiedenen Fall.«<br />

die sich auf die Tötung ungeborener<br />

Kinder spezialisiert haben. Wie nämlich<br />

das Bundesverfassungsgericht in seinem<br />

Abtreibungsurteil von 1993 zu Recht<br />

ARCHIV<br />

Die Fachzeitschrift erscheint vierteljährlich<br />

bemerkt hat, liegen bei einer auf die<br />

Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen<br />

spezialisierten Praxis<br />

die Gefahren <strong>für</strong> die Erfüllung der dem<br />

Arzt, zumal im Rahmen einer Beratungsregelung,<br />

zufallenden Aufgaben beim<br />

Schutz des ungeborenen menschlichen<br />

Lebens »auf der Hand«. Wie kann auch<br />

von einem Mediziner, der mit diesem<br />

Tötungsgeschäft ganz oder fast ausschließlich<br />

sein Brot verdient, erwartet<br />

werden, dass er Schwangeren Hilfen aufzeigt<br />

und sie dazu ermutigt, ihr Kind zur<br />

Welt zu bringen? Deshalb drängt es sich<br />

geradezu auf, Gehsteigberatungen direkt<br />

vor solchen Spezialpraxen durchzuführen,<br />

ohne dass von einem willkürlichen Herausgreifen<br />

eines einzelnen Mediziners<br />

die Rede sein könnte. Hierzu besteht<br />

umso mehr Anlass, als den vom Bundesverfassungsgericht<br />

aufgezeigten Gefahren<br />

vonseiten des Staates bisher in keiner<br />

Weise begegnet worden ist.<br />

Welche Konsequenzen sollten <strong>Lebensrecht</strong>ler<br />

aus dem Urteil ziehen, die auf das Unrecht, welches<br />

eine vorgeburtliche Kindstötung darstellt, öffentlich<br />

aufmerksam machen wollen?<br />

Aus diesem Urteil folgt lediglich, dass<br />

sich Herr Stapf gegen die ihm unliebsame<br />

Gehsteigberatung des beklagten Vereins<br />

und seiner Mitarbeiter nicht mit Erfolg<br />

zur Wehr setzen kann. Durch diese<br />

Entscheidung dürfen sich <strong>Lebensrecht</strong>ler<br />

ermutigt fühlen, die eine Gehsteigberatung<br />

anderswo durchführen möchten,<br />

welche der in München praktizierten<br />

entspricht, bei der es also nur um Rat<br />

und Hilfe <strong>für</strong> Schwangere und nicht darum<br />

geht, einen einzelnen Tötungsspezi-<br />

LebensForum <strong>80</strong>


alisten anzuprangern und auf den speziellen<br />

Fall erkennbar Bezug nehmend mit<br />

Passanten über das Thema Abtreibung<br />

zu diskutieren und zugleich auf dieses<br />

Unrecht aufmerksam zu machen. Von<br />

einer Gehsteigberatung, die über die in<br />

München vor der Stapf-Klinik geübte<br />

Praxis hinausgeht, ist im Hinblick auf das<br />

oben erwähnte BGH-Urteil abzuraten.<br />

Was sollten <strong>Lebensrecht</strong>ler noch beachten?<br />

Ein hohes Prozessrisiko gehen auch<br />

Lebensschützer ein, die sich im räumlichen<br />

Nahbereich von Abtreibungspraxen<br />

mit Transparenten oder Flugblättern zum<br />

Thema Abtreibung in einer Art und Weise<br />

äußern, die als negative Bewertung<br />

der Tätigkeit eines bestimmten Mediziners<br />

verstanden werden könnte. Beispielsweise<br />

genügte bereits die auf einem<br />

Flugblatt formulierte Frage »Wussten<br />

Sie schon, dass in der Praxis des Dr. K.<br />

Hohes Prozessrisiko<br />

<strong>für</strong> Lebensschützer<br />

rechtswidrige Abtreibungen durchgeführt<br />

werden?«, eine solche weitere Behauptung<br />

gerichtlich zu untersagen. Die mit<br />

diesem Fall zuletzt befasst gewesene 1.<br />

Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts<br />

ist gar so weit gegangen<br />

festzustellen, die Bezeichnung von<br />

Abtreibungen als rechtswidrig sei »unwahr«,<br />

obwohl diese Feststellung dem<br />

dabei völlig ignorierten Abtreibungsurteil<br />

desselben Gerichts von 1993 klar widerspricht.<br />

Von unverständlichen Gerichtsentscheidungen<br />

auf erfolgreiche Klagen Betroffener<br />

dürfen sich die <strong>Lebensrecht</strong>ler<br />

nicht davon abhalten lassen, das Unrecht<br />

der massenhaften Tötung ungeborener<br />

Kinder immer wieder klar und deutlich<br />

zu benennen. Damit tragen sie, wie das<br />

Oberlandesgericht Karlsruhe (Urteil vom<br />

23. April 2003) bemerkt hat, dazu bei,<br />

»das Rechtsbewusstsein der Öffentlichkeit<br />

im Sinne der maßgeblichen Entscheidung<br />

des BVerfG (…) nachhaltig zu schärfen.«<br />

Die Erhaltung und Stärkung des Rechtsbewusstseins<br />

ist nach diesem Urteil des<br />

Bundesverfassungsgerichts die Grundvoraussetzung<br />

eines wirksamen Lebensschutzes,<br />

von dem in Deutschland bereits<br />

seit langem keine Rede sein kann.<br />

Herr Büchner, haben Sie vielen Dank <strong>für</strong> das<br />

Gespräch.<br />

TITEL<br />

»Vom Handwerk<br />

fasziniert«<br />

Wer ist der Mann, der friedliche <strong>Lebensrecht</strong>ler vor Gericht zerrt<br />

und ihnen verbieten lassen will, schwangere Frauen noch <strong>für</strong> ein<br />

»Ja« zu ihrem Kind zu bewegen? Ein Porträt.<br />

In den frühen 90er Jahren, als in<br />

Politik und Gesellschaft der leidenschaftlich<br />

geführte Streit über<br />

eine Reform des Paragraphen 218 noch<br />

an der Tagesordnung war, kam so gut wie<br />

kein Beitrag zum Thema Abtreibung<br />

ohne ein Zitat von ihm aus. Jahre später,<br />

als es um die Zulassung der<br />

Abtreibungspille RU 486<br />

ging, die inzwischen unter<br />

dem Namen Mifegyne firmiert,<br />

war es ähnlich: In<br />

beinah jedem Artikel fand<br />

Deutschland bekanntester<br />

Abtreibungsarzt wenigstens<br />

kurz Erwähnung.<br />

Zu Recht: Denn auf seinem<br />

Gebiet ist Friedrich<br />

Andreas Stapf ein echter<br />

Spezialist. Seit mehr als<br />

einem Vierteljahrhundert<br />

führt der heute 60jährige in<br />

seinen Kliniken in München<br />

und Stuttgart jeweils bis zu<br />

20 vorgeburtliche Kindstötungen<br />

pro Tag durch. Etwa<br />

100.000 ungeborene Kinder<br />

dürfte er – hochgerechnet<br />

– in den zurückliegenden<br />

Jahren auf diese Weise vom Leben zum<br />

Tode befördert haben.<br />

Dabei hatte Stapf ursprünglich Medizin<br />

nur studiert, um vom Wehrdienst<br />

zurückgestellt zu werden. Und auch danach<br />

konnte er sich offensichtlich nicht<br />

mit allen Möglichkeiten anfreunden, die<br />

sein Fach bietet. Der Mann mit einer<br />

Vorliebe <strong>für</strong> schnelle Autos, teure Segelyachten<br />

und schöne Frauen besitzt weder<br />

einen Doktortitel noch eine Facharztausbildung.<br />

Weil er diese zwar begann, nach<br />

zwei Jahren jedoch hinschmiss, darf er<br />

sich nicht Gynäkologe nennen.<br />

»Abtreibungsarzt war immer mein<br />

Traumberuf«, verriet Stapf Ende der 90er<br />

Von Stefan Rehder, M.A.<br />

Jahre dem Magazin »Der Spiegel«, dem<br />

er auch erzählt, wie es dazu kam. Während<br />

des Studiums begleitet Stapf seine damals<br />

23 Jahre alte schwangere Freundin zur<br />

Abtreibung. Der illegale Eingriff – 1968<br />

wurde Abtreibung noch mit Gefängnis<br />

bedroht – fand ohne Narkose statt. Wie<br />

Gute Laune: Die Abtreiber Stapf (.l) und Freudemann 1998 in Karlruhe<br />

»Der Spiegel« wissen will, sei Stapf »beim<br />

Anblick der großen Blutmenge«, die auf<br />

den Boden rann, »in Ohnmacht« gefallen.<br />

»Doch«, zitiert das Blatt Stapf, das<br />

»Handwerk« habe ihn »fasziniert«.<br />

Offenbar so sehr, dass er bis vor das<br />

Bundesverfassungsgericht zog, wo er 1998<br />

schließlich erreichte, dass Abtreibungsärzte<br />

mehr als 25 Prozent ihrer Einnahmen<br />

mit der Durchführung vorgeburtlichen<br />

Kindstötungen erzielen dürfen. Der<br />

Freistaat Bayern hatte damals diese Grenze<br />

gezogen, um so das wirtschaftliche<br />

Interesse an Schwangerschaftsabbrüchen<br />

einzugrenzen. Vergeblich. Denn die<br />

Karlsruher Richter entschieden damals,<br />

LebensForum <strong>80</strong> 15<br />

DPA


eine solche Vorgabe sei verfassungswidrig,<br />

da sie sich mit dem Recht auf Berufsfreiheit<br />

nicht vereinen lasse.<br />

Dass Geld durchaus ein Motiv <strong>für</strong> die<br />

Durchführung von Abtreibungen darstelle,<br />

bestreitet Stapf nicht: »Heute will –<br />

außer des Geldes wegen – niemand mehr<br />

Abtreibungen machen.« Stapf selbst, der<br />

mit einer ersten Praxis in Wiesbaden<br />

Pleite ging als die Bank ihm sämtliche<br />

Kredite kündigte, während er wegen Kokain-Konsum<br />

im Gefängnis einsaß, dürfte<br />

davon inzwischen jedoch längst mehr als<br />

genug haben. Bei geschätzten 4.000 Abtreibungen<br />

pro Jahr und Preisen von<br />

355,00 Euro <strong>für</strong> eine Abtreibung mit<br />

Teilnarkose sowie 465,00 Euro bei Vollnarkose,<br />

dürfte allein seine Münchner<br />

Klinik einen Jahresumsatz von weit mehr<br />

als eine Million Euro generieren.<br />

Dass er 1991 in Stuttgart wieder Fuß<br />

fasste, wo er in den Räumen der städtischen<br />

Frauenklinik Berg eine private<br />

ambulante Abtreibungspraxis errichtete,<br />

verdankt Stapf übrigens einem CDU-<br />

Politiker. »Ihre Kokaingeschichte sehe<br />

ich als Jugendsünde an, Stuttgart ist<br />

Einem jungen Mann drohte er damit,<br />

ihn im Keller zu vermöbeln.<br />

schließlich auch in der Drogenrehabilitation<br />

engagiert. Sie haben den Vertrag«,<br />

habe ihm der damalige Stuttgarter Gesundheitsreferent<br />

und Erste Bürgermeister<br />

Rolf Thieringer gesagt.<br />

Auch zu den Vertretern anderer Parteien<br />

unterhielt Stapf enge Beziehungen.<br />

Ex-Bundesfamilienministerin Renate<br />

Schmidt (SPD) durfte einen Tag in seiner<br />

Praxis hospitieren, die FDP-Politikerin<br />

Uta Würfel, die maßgeblich am Zusammenkommen<br />

der geltenden gesetzlichen<br />

Regelungen beteiligt war, ließ sich von<br />

ihm soufflieren.<br />

Bekannt ist Stapf außer <strong>für</strong> gute Beziehungen<br />

zur Politik auch <strong>für</strong> seinen Jähzorn.<br />

Die katholische Kirche etwa, bezeichnet<br />

der Mann, der durchaus einräumt,<br />

dass er »Leben tötet«, auch schon<br />

einmal als die »größte Terrororganisation<br />

der Geschichte«, um die sich »der Verfassungsschutz«<br />

kümmern müsse. »Heute<br />

sagen sie‚ ›du sollst nicht vögeln‹ – morgen<br />

vielleicht, ›du sollst keine Süßigkeiten<br />

essen.‹«<br />

Gehsteigberatern und ihre betenden<br />

Begleiter, die vor seiner Praxis schwangeren<br />

Frauen in letzter Minute Auswege<br />

16<br />

TITEL<br />

offerieren, müssen damit rechnen, von<br />

ihm als »Arschlöcher« tituliert zu werden.<br />

Einen jungen Mann presste er gar gegen<br />

die Hauswand und drohte damit, mit ihm<br />

»in den Keller« zu gehen, um ihn dort<br />

zu »vermöbeln«.<br />

Dabei hätte der Mann allen Grund,<br />

ein wenig nachdenklicher zu sein. In einer<br />

TV-Talkshow mit Margarethe Schreinemakers<br />

berichtete er ausführlich vom<br />

»Ich war überhaupt nicht informiert«<br />

zweifachen Überschlag, den er bei 250<br />

km/h in einem Mercedes SL 500 auf der<br />

Autobahn Stuttgart-München hingelegt<br />

hatte, weil er am Steuer eingeschlafen<br />

war. Den Unfall, von dem die Polizei,<br />

offenbar um den Temposünder zu<br />

überführen, ein Video gedreht hatte, überlebte<br />

er unverletzt. Christen würden wohl<br />

sagen: Gott gibt eben nicht einmal einen<br />

wie ihn auf.<br />

LebensForum dokumentiert das bewegende Zeugnis einer jungen Mutter, der die ALfA<br />

durch Gespräche und tatkräftige Hilfe das »Ja« zu ihrem Kind ermöglichen konnte.<br />

Es war ein regnerischer Tag, an dem ich mich<br />

mit meinem Freund auf den Weg zur Praxis<br />

Stapf machte. Nach langem Zögern hatte ich<br />

mich <strong>für</strong> die Abtreibung entschieden. Mit 18<br />

Jahren fühlte ich mich zu jung <strong>für</strong> ein Kind.<br />

Auch die Beziehung zu meinem Freund war<br />

schwierig. Am meisten jedoch hatte ich Angst<br />

vor der Reaktion meines strengen Vaters.<br />

Mein Freund brachte mich zur Klinik und fuhr<br />

dann schnell davon, um sich mit Freunden zu<br />

treffen und mich dann später wieder abzuholen.<br />

Er hielt sich aus dem ganzen Konflikt<br />

heraus. Für ihn war es am einfachsten so,<br />

weil er sich keine Vorwürfe machen musste.<br />

Es war die schwierigste Entscheidung meines<br />

Lebens und ich fühlte mich ihr nicht gewachsen.<br />

Als Maria mich direkt ansprach, dachte ich<br />

anfangs, sie wäre vom Klinikpersonal und war<br />

verwundert, dass sie versuchte, mich von der<br />

Abtreibung abzuhalten. Im Gespräch wurde<br />

mir bewusst, dass ich die Entscheidung zur<br />

Abtreibung viel zu schnell getroffen hatte.<br />

Informiert war ich überhaupt nicht. Den Beratungsschein<br />

hatte ich nach einem kurzen<br />

Gespräch ausgehändigt bekommen und<br />

ansonsten hatte ich keine Ahnung was Abtreibung<br />

ist.<br />

Wie so ein kleiner Embryo schon aussieht<br />

wusste ich nicht. Natürlich hatte ich irgendwie<br />

ein ungutes Gefühl wegen der bevorstehenden<br />

Abtreibung, aber das war es auch.<br />

Es war schon komisch, dass ich die ersten<br />

Bilder von ungeborenen Kindern vor der Abtreibungsklinik<br />

zu Gesicht bekam und heute<br />

frage ich mich wirklich, warum wir nicht einmal<br />

in der Schule richtig aufgeklärt werden.<br />

Maria bot mir finanzielle Hilfe an und auch,<br />

dass sie bereit wäre, mit meinem Vater zu<br />

reden. Sie schenkte mir ein Buch von Frauen<br />

nach einer Abtreibung.<br />

Mit dem Handy rief ich meinen Freund an und<br />

bat ihn, mich abzuholen. Ich war mir in dem<br />

Gespräch mit Maria bewusst geworden, dass<br />

ich noch mehr Bedenkzeit brauche.<br />

FRITZ POPPENBERG<br />

Am Abend setzte ich mich hin und begann in<br />

dem Buch zu lesen. Ich war schockiert über<br />

die Gedichte, die Frauen <strong>für</strong> ihre abgetriebenen<br />

Kinder schrieben. Von dem Post-Abortion-<br />

Syndrom hatte ich noch nie etwas gehört.<br />

Am nächsten Tag rief ich Maria an und wir<br />

telefonierten stundenlang.<br />

Maria Grundberger mit Alischa<br />

Das folgende Gespräch mit meinem Vater war<br />

ganz anders als ich mir vorgestellt hatte. Ich<br />

war fest davon überzeugt, dass er mich zum<br />

Abtreiben zwingen würde. Er war geschockt<br />

wegen der Schwangerschaft, doch sagte mir,<br />

dass ich nicht abtreiben soll. Damit hätte ich<br />

nie gerechnet, war doch die Angst vor ihm<br />

einer der Hauptgründe, warum ich abtreiben<br />

wollte.<br />

Jetzt war <strong>für</strong> mich endgültig klar, dass ich<br />

mein Baby behalte.<br />

Die Schwangerschaft war anstrengend und<br />

auch finanziell war es sehr schwer, da ich bei<br />

meinen Eltern ausziehen musste. Maria besorgte<br />

mir mehrere hundert Euro von der ALfA<br />

und so konnte ich den Umzug managen und<br />

Sachen <strong>für</strong> mein Baby kaufen. Für diese Hilfe<br />

bin ich sehr dankbar. Auch ein mit Maria<br />

befreundetes Ehepaar schenkte mir Geld zur<br />

Geburt. Mit so viel Hilfe hätte ich nicht gerechnet.<br />

Am 31. Mai diesen Jahres wurde meine Tochter<br />

Alisha geboren. Meine ganze Familie ist<br />

glücklich.<br />

LebensForum <strong>80</strong>


IN EIGENER SACHE<br />

LebensForum ist eine populärwissenschaftliche Zeitschrift. Sie will<br />

jenen Orientierung bieten, die sich im Lebensschutz engagieren.<br />

Sie liefert Argumente, um das Recht auf Leben zu verteidigen und<br />

informiert über die, die es missachten. Nachdem Leser mehrfach<br />

Anstoß an einigen Titelbildern genommen haben, bezieht nun die<br />

Redaktion Stellung.<br />

Zugegeben, so manches Titelbild<br />

von LebensForum war nicht<br />

selten aufregend. Ja, schockierend!<br />

Da zeigen sich die Gesichter von<br />

Wunschkindern im Reagenzglas, Kinder<br />

werden nach persönlichem Geschmack<br />

geformt, vervielfältigt und zum »Verzehr«<br />

»gebacken«, da steht der Embryo im<br />

Fadenkreuz begehrlicher Stammzellforscher,<br />

da ist eine 100-köpfige Klonarmee<br />

<strong>für</strong> das »therapeutische Forschen« in<br />

ferner Zukunft vorbereitet, Embryonen<br />

werden <strong>für</strong> die Stammzellforschung, die<br />

Chimärenbildung und weitere Experimente<br />

als Biomaterial durch den Fleischwolf<br />

gedreht. Der Mutterleib kann – in<br />

angeblich selbstbestimmter, weitgehend<br />

beliebiger »sozialer Indikation« – zur<br />

Todesfalle werden. Und wird das<br />

unterjüngte Deutschland am Ende des<br />

inzwischen langen menschlichen Lebens<br />

– wieder einmal – »Gas geben«, der<br />

Handhabbarkeit und rationalen Endlösung<br />

wegen?<br />

Zweifellos sind diese Bilder provokativ.<br />

Aber, so lässt sich fragen, ist die Realität<br />

etwa weniger schlimm? Fachkompetenzen<br />

wie Professor Hubert Markl, vormals<br />

»Farbe belebt nicht nur,<br />

sie abstrahiert auch.«<br />

Wovon wir uns<br />

Bilder machen<br />

Chef der Max-Planck-Gesellschaft, und<br />

der Berliner Philosoph Volker Gerhardt<br />

wollen dem Embryo die Menschenwürde<br />

absprechen und sie nach je eigenem For-<br />

Dr. med. Dr. theol. h.c. Maria Overdick-Gulden<br />

ARCHIV<br />

schungsvorhaben und durchaus selbstbestimmend<br />

vielleicht dem reiferen Föten<br />

oder doch erst dem geborenen Säugling,<br />

wenn nicht gar wie der Australier Peter<br />

Das Kunstwerk »Acht rote Rechtecke« von Kasimir S. Malewitsch<br />

Singer nach der Geburt »zuerkennen«.<br />

Die Forschungsfreiheit will/wird die<br />

Würdegrenze festlegen? Wer zuerst an<br />

sich und sein Fortkommen denkt, in Forschung<br />

und Ökonomie den zu fordernden<br />

Respekt vor jedem Menschen als Ganzheit,<br />

also dem Mensch-Sein als solchem,<br />

verweigert und in Produktion und Verarbeitung<br />

von Menschenmaterial, – wie das<br />

unter anderem auch Professor Birnbacher<br />

oder der Hamburger Rechtsphilosoph<br />

Reinhard Merkel propagieren, – nur<br />

nützliche Forschungs-Chancen sieht,<br />

konfrontiert uns ziemlich auftrumpfend<br />

mit der nackten Realität, einer eiskalten<br />

»Humanität«, die einen frieren lässt.<br />

Einer »Ethik des Heilens« mittels Embryonenverbrauch<br />

stellt sich die Verteidigung<br />

der grundsätzlichen Unantastbarkeit<br />

der Menschenwürde und des<br />

prinzipiellen <strong>Lebensrecht</strong>s aller Menschenwesen<br />

als wissenschaftliches Hindernis<br />

und »Fesselung« dar, so Markl.<br />

Juristische Schützenhilfe erhielt diese<br />

bioethische Provokation von dem Neukommentar<br />

des Grundgesetzes durch<br />

Matthias Herdegen im Jahr 2003, der<br />

sich vom Naturrecht lossagt und rechtspositivistisch<br />

<strong>für</strong> eine gradualistisch reifende<br />

Menschenwürde ausspricht. Die<br />

Menschenwürde also »war unantastbar«?<br />

Der langjährige Richter am Bundesverfassungsgericht<br />

Professor Ernst-Wolfgang<br />

Boeckenförde kritisierte diese »neue«<br />

Rechtsprechung bedauernd. Mit Artikel<br />

1 Absatz 1 verschwinde der »Pfeiler im<br />

Strom«!<br />

Wie also solch »dunkle Materie« darstellen?<br />

Auf Symbole ausweichen, wenn<br />

der Embryo-Caust auf europäischem<br />

Boden zunehmend<br />

an Terrain gewinnt?<br />

Sie etwa darstellen als rote<br />

Rechtecke auf weißem<br />

Grund, wie sie der russische<br />

Avantgardist Kasimir S.<br />

Malewitsch gemalt hat –<br />

rote Rechtecke als Spuren<br />

solchen Tötens? Farbe belebt<br />

nicht nur, sie abstrahiert<br />

auch. Sie lässt sich deuten.<br />

Die Nichtfarbe Schwarz<br />

deckt zu. Wie das geschlossene<br />

Augen tun. Sollten wir<br />

unser LebensForum vielleicht<br />

mit einem Cover ganz<br />

in Schwarz drucken, weil<br />

die politischen und gesellschaftlichen<br />

Dinge gar zu<br />

schrecklich <strong>für</strong> unsere lebensnahe<br />

Wahr-Nehmung<br />

sind? Weil unsere Ästhetik<br />

angesichts der Anschläge<br />

auf <strong>Lebensrecht</strong> und Menschenwürde<br />

aufschreit und sich ihnen<br />

widersetzt? Sie von sich schieben und<br />

jedes Bild davon vermeiden will?<br />

Sicher gibt es auch Hoffnungszeichen,<br />

wir brauchen sie. Das Leben ist facettenreich.<br />

Gott sei Dank! Da werden durch<br />

mutig und verständnisvoll gesprochene<br />

Worte Kinder gerettet, Seelen befriedet,<br />

Verletzungen geheilt, Probleme gemeinsam<br />

angegangen. Auch davon machen<br />

wir uns ein Bild. Dort, wo es die Realität<br />

erlaubt.<br />

LebensForum <strong>80</strong> 17


Einen Tag vor dem chinesischen<br />

Nationalfeiertag am 1. Oktober<br />

strahlte das ZDF in der Magazinsendung<br />

»heute-journal« Bilder eines<br />

Beitrags aus, die der in Peking stationierte<br />

Korrespondent der britischen Fernsehgesellschaft<br />

BBC, Rupert Wingfield-<br />

Hayes, mit versteckter Kamera im Zentralhospital<br />

Nr. 1 in Tinanjin aufgenommen<br />

hatte. Gefilmt hatte Wingfield-<br />

Hayes ein Gespräch, das er mit dem<br />

Chefchirurgen des Krankenhauses<br />

– eigenen Angaben zufolge Asiens<br />

größter Transplantationsklinik<br />

– und dem<br />

<strong>für</strong> Auslandsgeschäfte<br />

zuständigen Leiter<br />

führte, und das einen<br />

von vielen seit langem<br />

gehegten Verdacht zu<br />

bestätigen scheint: Im<br />

Land der Mitte, in dem<br />

mehr Todesurteile vollstreckt<br />

werden als in allen<br />

anderen Ländern der Welt<br />

zusammen, verkaufen Krankenhäuser<br />

die Organe von Hingerichteten<br />

an zahlungskräftige Ausländer. Chinesischen<br />

Presseberichten zufolge reisten in<br />

den letzten drei Jahren allein 3.000<br />

Südkoreaner nach China, um dort eine<br />

Organtransplantation durchführen zu<br />

lassen. Rund 50.000 Euro soll eine Niere,<br />

rund 125.000 Euro eine Lunge kosten.<br />

PASSENDE LEBER IN DREI WOCHEN<br />

Für den Beitrag, den die BBC selbst<br />

wenige Tage zuvor in China zu senden<br />

versucht hatte, hatte sich Wingfield-<br />

Hayes als Sohn eines Leberkranken ausgegeben,<br />

der auf der Suche nach einem<br />

passenden Organ sei. »Ja«, die Organe<br />

stammten von Hingerichteten, bestätigt<br />

Chefchirurg Deng vor der versteckten<br />

Kamera und fügt hinzu, dass vor dem<br />

Nationalfeiertag in China jedes Mal<br />

besonders viele Hinrichtungen stattfän-<br />

18<br />

AUSLAND<br />

Bei Bestellung Mord<br />

Nicht erst seit gestern werden in der Volksrepublik China Geschäfte mit den Organen von Hingerichteten<br />

gemacht. Doch nun drängt sich der Verdacht auf, die Vollstreckung der Todesurteile könnte sich gar<br />

an der Nachfrage aus dem Ausland orientieren.<br />

Von Stefan Rehder, M.A.<br />

den. »Wir werden eine Menge Organe<br />

vorrätig haben«, erläutert Liu Wenzhi,<br />

mit dem Wingfield-Hayes die finanziellen<br />

Verhandlungen führte. Als er zusagte, die<br />

geforderten rund 75.000 Euro (50.000<br />

britische Pfund) auf ein Konto in Hongkong<br />

einzuzahlen, versprachen ihm Deng<br />

und Liu Wenzhi eine Wartezeit von nur<br />

drei Wochen <strong>für</strong> eine passende Leber.<br />

Die Zensurbehörde in Peking, die<br />

in jede Fernsehübertragung<br />

eingreifen kann, unterbrach<br />

den ausgestrahlten BBC-<br />

Beitrag und blendete<br />

in der Folge<br />

VOLKSREPUBLIK<br />

CHINA<br />

auch alle<br />

Wiederholungen<br />

des Beitrags aus.<br />

Wenig später nahm dann der Sprecher<br />

des chinesischen Außenministeriums, Qin<br />

Gang, zu dem Thema Stellung. Gegenüber<br />

der Nachrichtenagentur AFP<br />

räumte Gang ein, dass hingerichteten<br />

Menschen Organe entnommen werden<br />

könnten, allerdings würde mit ihrem<br />

Gebrauch »sehr vorsichtig« umgegangen.<br />

»Der Handel mit Organen ist verboten«,<br />

zitiert die Agentur den Sprecher. Eine<br />

Organspende setze das schriftliche Einverständnis<br />

des Spenders voraus und benötige<br />

Genehmigungen der örtlichen<br />

Gesundheitsbehörde und des örtlichen<br />

Gerichts. Sofern solche Operationen statt-<br />

fänden, geschehe dies jeweils in strikter<br />

Übereinstimmung mit dem Gesetz.<br />

Seit Mitte des Jahres gibt es in China<br />

erstmals eine Verordnung zum Umgang<br />

mit Organen, die einen Missbrauch verhindern<br />

sollen. Kritiker stuften die darin<br />

getroffenen Bestimmungen jedoch als<br />

völlig unzureichend ein. Laut der<br />

britischen Transplantations-<br />

Gesellschaft (BTS) gibt es<br />

immer mehr Hinweise,<br />

dass die Organe<br />

ohne Einwilligung<br />

der Gefangenen<br />

oder deren Angehörigen<br />

entnommen würden.<br />

8.000 HINRICHTUNGEN PRO JAHR<br />

In China, wo nach Angaben<br />

von der Menschenrechtsorganisation<br />

»Amnesty International« fast <strong>80</strong><br />

Prozent aller weltweiten Todesurteile<br />

vollstreckt werden, kann<br />

eine Person <strong>für</strong> mehr als 68<br />

Verbrechen zum Tode verurteilt<br />

werden. Auch auf gewaltlose Delikte<br />

wie Steuerbetrug, Veruntreuung<br />

und Drogenvergehen steht die Todesstrafe.<br />

Die genaue Zahl der Hinrichtungen<br />

hütet die chinesische Regierung<br />

seit Jahrzehnten wie ein Staatsgeheimnis.<br />

Für das Jahr 2005 ermittelte<br />

Amnesty International 1.770 Hinrichtungen.<br />

Auf ihrer Webseite verweist die Menschenrechtsorganisation<br />

jedoch auf einen<br />

chinesischer Rechtsexperten, der die<br />

tatsächliche Zahl der hingerichteten Menschen<br />

in China auf rund 8.000 pro Jahr<br />

schätzt.<br />

Bereits im Juli hatte der kanadische<br />

Menschenrechtsanwalt David Matas gemeinsam<br />

mit dem ehemaligen kanadischen<br />

Parlamentarier David Kilgour einen<br />

Aufsehen erregenden Bericht vorgelegt,<br />

der einen Zusammenhang zwischen Organhandel<br />

und Hinrichtungen nahe legt.<br />

LebensForum <strong>80</strong>


Danach würden in China immer wieder<br />

Gefangene getötet, um ihnen die Organe<br />

zu entnehmen. In vielen Fällen soll es<br />

sich bei den Opfern um Angehörige der<br />

Falun-Gong-Bewegung handeln, die in<br />

der Volksrepublik China verfolgt wird.<br />

SPRITZE LÖST HERZVERSAGEN AUS<br />

Der 60seitige Bericht enthält unter<br />

anderem die Aufzeichnungen von Telefonaten<br />

zwischen Haftanstalten und<br />

Transplantationskliniken, in denen Behördenvertreter<br />

die schnelle Lieferung<br />

von Organen versprachen sowie ein Interview<br />

mit der Frau eines Chirurgen,<br />

der binnen zwei Jahren bei rund 2.000<br />

»Falun Gong« praktizierenden Inhaftierten<br />

die Hornhäute der Augen entfernte.<br />

Den Häftlingen soll zuvor eine Injektion<br />

verabreicht worden sein, die ein Herzversagen<br />

auslöste.<br />

Anfangs seien den noch lebenden Opfern<br />

von mehreren Ärzten in verschiedenen<br />

Räumen nacheinander die Organe<br />

entnommen worden. »Nachdem die Ärzte<br />

mehrere Organentnahmen durchgeführt<br />

hatten, wurden sie mutiger und begannen,<br />

die Organentnahme gemeinsam<br />

durchzuführen. Einer der Ärzte entnahm<br />

die Augenhornhaut, ein anderer die Niere,<br />

ein dritter Arzt operierte die Leber heraus.<br />

(...) Wenn die Haut des Opfers nicht<br />

entfernt worden war, sondern nur die<br />

inneren Organe, wurde der Körper wieder<br />

INFORMATION<br />

Falun Gong<br />

»Falun Gong« ist der Name <strong>für</strong> eine<br />

uralte buddhistische Meditationspraxis,<br />

die heute von immer mehr Chinesen<br />

praktiziert wird. Einer Selbstdarstellung<br />

zufolge handelt es sich dabei um »ein<br />

hoch entwickeltes System um Herz,<br />

Geist und Körper zu reinigen und zu<br />

stärken«. Ursprünglich sei die Methode<br />

nur von einem Meister an seinen Schüler<br />

weitergegeben worden. 1992 soll sie<br />

dann von Li Hongzhi in China erstmals<br />

der Öffentlichkeit vorgestellt worden<br />

sein. Falun Gong soll jenen, die es praktizieren,<br />

helfen, »das Gleichgewicht von<br />

Körper und Geist wieder herzustellen«<br />

und »mit der Natur und den Prinzipien<br />

des Kosmos in Einklang zu kommen«.<br />

Auch wenn das Ziel der Meditation vor<br />

allem darin bestehe, die Falun Gong-<br />

Praktizierenden »zu Harmonie und Weisheit«<br />

zu bringen, werde der Meditationstechnik<br />

nachgesagt, sich positiv auch<br />

auf die Gesundheit der Betreffenden<br />

auszuwirken.<br />

Manfred Nowak, UNO-Sonderbotschafter<br />

geschlossen und ein Beauftragter unterschrieb<br />

die Papiere«, heißt es etwa in dem<br />

Bericht.<br />

UNO PLANT UNTERSUCHUNG<br />

Nun will sich der UNO-Menschenrechtsrat<br />

in Genf mit den Vorwürfen<br />

befassen. Laut Matas erklärte sich der<br />

UNO-Sonderbotschafter <strong>für</strong> Folter, der<br />

Österreicher Manfred Nowak, bereit, die<br />

Vorwürfe zu untersuchen.<br />

Die Volksrepublik China steht seit<br />

längerem in dem Verdacht, eine Drehscheibe<br />

des internationalen Organhandels<br />

zu sein. Da sowohl nach dem konfuzianischen<br />

als auch nach dem buddhistischen<br />

Glauben die Leichen der Verstorbenen<br />

unangetastet bleiben müssen, übersteigt<br />

die Nachfrage nach Organen das Angebot<br />

im Fernen Osten bei weitem. Damit entsteht<br />

eine lukrative Ausgangslage <strong>für</strong> jene,<br />

die neben dem Organhandel auch vor<br />

dem Organraub nicht zurückschrecken.<br />

»Hingerichtete Gefangene dienen als<br />

eine der Hauptquellen <strong>für</strong> Organe«, zitiert<br />

die »Deutsche Welle«, den Transplantationsmediziner<br />

Cheng Zhonghua, Vorsitzender<br />

des Transplantationsinstituts der<br />

Uniklinik Tonji. Der Bericht von Matas<br />

und Kilgour führt zudem Internetseiten<br />

chinesischer Kliniken an, auf denen es<br />

unter anderem heißt: »weiche innere<br />

Organe (...) wie das Gehirn, Lungen,<br />

Herz, etc. können umgehend gefunden<br />

werden.«<br />

RIESIGE BANK LEBENDER SPENDER<br />

Die Webseite des Internationalen ChinesischenTransplantations-Betreuungszentrums<br />

offerierte etwa: »In nur<br />

einer Woche finden wir einen passenden<br />

(Nieren-)Spender, es dauert höchstens<br />

einen Monat.« Weiter heißt es: »Wenn<br />

etwas Unvorhergesehenes mit dem Organ<br />

eines Spenders passiert, hat der Patient<br />

die Möglichkeit, dass ihm ein anderer<br />

Organspender angeboten wird«. Die<br />

Operation könne »dann in einer Woche<br />

erneut stattfinden.« Auf der Webseite des<br />

Transplantationszentrums des Ostens<br />

hieß es Anfang April 2006, »die durchschnittliche<br />

Wartezeit (<strong>für</strong> eine passende<br />

Leber) beträgt zwei Wochen.« Und die<br />

Webseite des Changzheng Hospitals in<br />

Shanghai prahlte gar: »Die durchschnittliche<br />

Wartezeit <strong>für</strong> die Bereitstellung<br />

einer Leber beträgt <strong>für</strong> alle Patienten<br />

eine Woche.«<br />

Zur Orientierung: In Deutschland liegt<br />

die durchschnittliche Wartezeit auf eine<br />

Niere bei fünf Jahren. Da zudem die<br />

Überlebenszeit einer Niere bei 24 bis 48<br />

Stunden und die einer Leber bei ca. zwölf<br />

Stunden liegt, müsse es, folgern Matas<br />

und Kilgour, <strong>für</strong> die chinesischen Transplantationszentren<br />

»eine riesige Organbank<br />

von lebenden Nieren-/Leber-<br />

›Spendern‹ geben, da sie andernfalls ihren<br />

Kunden nicht solch kurze Wartezeiten<br />

zusichern könnten.« Die erstaunlich kurzen<br />

Wartezeiten, mit denen <strong>für</strong> perfekt<br />

passende Organe geworben wird, ließe<br />

die Existenz sowohl eines computergesteuerten<br />

Abgleichsystems vermuten, das<br />

die passenden Organe <strong>für</strong> Transplantationen<br />

findet als auch eine große Bank von<br />

potentiellen »Spendern«.<br />

Da wundert es kaum, dass sich der im<br />

Grunde ungeheuerliche Verdacht, Hinrichtungen<br />

und Organtransplantationen<br />

könnten im Reich der Mitte gar synchronisiert<br />

werden, ganz wie von selbst aufdrängt.<br />

Ob er sich aus der Welt schaffen<br />

lässt, kann nur eine gewissenhafte Prüfung<br />

zeigen. Dass die chinesische Regierung<br />

sich dabei als hilfreich erweisen wird,<br />

braucht nach den bisherigen Erfahrungen,<br />

welche die Welt mit der Kommunistischen<br />

Partei Chinas machen konnte, trotz<br />

der Fernsehberichte niemand zu erwarten.<br />

LebensForum <strong>80</strong> 19<br />

EPOCHTIMES.COM<br />

MINGHUI.COM<br />

David Matas, Menschenrechtsanwalt


In der RTL-Sendung »Stern-TV«<br />

vom 16. August um 22.15 Uhr behandelte<br />

ein Beitrag das Post-<br />

Abortion-Syndrom. Günter Jauch, seit<br />

1990 Moderator der Sendung, kündigte<br />

diesen mit den Worten an, dass es mehr<br />

als 100.000 Abtreibungen pro Jahr in<br />

Deutschland gebe und viele Frauen in<br />

Folge eines Schwangerschaftsabbruchs<br />

schweres Leid ertragen müssten.<br />

Dann beginnt der aufgezeichnete Beitrag<br />

mit dem ersten Fall: Eine Frau nimmt<br />

einen Säugling aus dem Bettchen und<br />

lächelt ihn an; sie ist gut gelaunt. Das war<br />

nicht immer so: Vor drei Jahren hatte sie<br />

bereits drei Kinder und wurde dann<br />

20<br />

GESELLSCHAFT<br />

Das Schweigen gebrochen<br />

Nachdem die <strong>Aktion</strong> <strong>Lebensrecht</strong> <strong>für</strong> <strong>Alle</strong> e.V. (ALfA) nicht zuletzt im LebensForum mehrfach umfassend<br />

über das Post-Abortion-Syndrom informiert hat, greifen nun auch andereMedien<br />

das wichtige Thema auf. Prominenteste Beispiele: Die Sendung »Stern-TV« und Eva Hermans<br />

vieldiskutiertes Buch »Das Eva-Prinzip«.<br />

Günter Jauch: Wagte sich an das Post-Abortion-Syndrom<br />

Von Matthias Lochner<br />

überraschend wieder schwanger. Eigentlich,<br />

so erzählt sie, sei <strong>für</strong> sie eine Abtreibung<br />

von Anfang an nicht in Frage gekommen.<br />

<strong>Alle</strong>rdings sei ihre finanzielle<br />

Situation so angespannt gewesen, dass<br />

ihr Mann sie zur Abtreibung gedrängt<br />

habe. Der Ehemann sagt dann vor der<br />

Kamera, er habe dies<br />

DPA<br />

als die <strong>für</strong> alle Beteiligten<br />

beste Lösung<br />

empfunden. Abgesehen<br />

davon, dass ein<br />

Kind infolge dieser<br />

»besten Lösung« getötet<br />

wurde, hat der er<br />

wohl nicht geahnt,<br />

welche schwerwiegenden<br />

Folgen die Abtreibung<br />

<strong>für</strong> seine Frau<br />

haben würde. Unmittelbar<br />

nach der Abtreibung,<br />

so schildert die<br />

Frau den Tränen nahe,<br />

habe sie eine innerliche<br />

Leere empfunden,<br />

Wut auf sich selbst gehabt,<br />

Schuldgefühle<br />

hätten sie geplagt. Erst<br />

dann habe sie sich<br />

langsam damit auseinander<br />

gesetzt, was sie<br />

eigentlich getan hatte.<br />

Sie fiel in eine schwere<br />

Depression und hegte<br />

Selbstmordgedanken:<br />

»Die Abtreibung ist<br />

auch Tötung. Ich habe<br />

es dann auch nicht besser verdient«, gibt<br />

sie wieder, was ihr damals durch den Kopf<br />

ging.<br />

»Man fühlt sich so was von elendig<br />

und traurig«, bestätigt eine andere Frau,<br />

die ebenfalls ihr viertes Kind abtreiben<br />

ließ, vor der Kamera. Wie so häufig, war<br />

auch bei ihr der Druck von außen groß;<br />

vom Partner, der Familie, den Bekannten.<br />

Keiner habe Verständnis <strong>für</strong> sie gehabt,<br />

bis sie schließlich auf die Selbsthilfegruppe<br />

»Rahel e.V.« gestoßen sei. Hier sei ihr<br />

Verständnis entgegengebracht worden<br />

und sie habe zum ersten Mal über die<br />

Abtreibung sprechen können. Sie habe<br />

gelernt, sich der Sache zu stellen und<br />

nicht weiter davon zu laufen, erklärt sie<br />

später im Beitrag. So konnte sie schließlich<br />

nach einem Jahr intensiver Gespräche<br />

bei »Rahel e.V.« die Folgen der Abtreibung<br />

verarbeiten.<br />

So ergeht es vielen Frauen, berichtet<br />

Gisela Koch, Vorsitzende der 1992<br />

gegründeten Selbsthilfegruppe. Etwa<br />

zehn Frauen kämen pro Woche zu ihr.<br />

Die meisten wollten einfach über sich<br />

und die Abtreibung sprechen. Sie suchten<br />

jemanden, der ihnen zuhöre, berichtet<br />

»Die Frau erzählt, wie sie auf ihren<br />

Bauch schlug, sich die Haare ausriss.«<br />

Koch gegenüber Stern-TV. Kaum eine<br />

Frau wüsste, dass sie wirklich krank sei,<br />

geschweige denn, dass sie das Post-<br />

Abortion-Syndrom habe.<br />

Zu diesen zählt auch eine dritte Frau,<br />

die zwar vor 40 Jahren abgetrieben hat,<br />

aber noch heute unter den Folgen leidet.<br />

Sie erzählt, dass ihr Kind sie bis heute in<br />

Gedanken verfolge. Jedes Jahr denke sie<br />

daran, wie alt das Kind jetzt sei, wie es<br />

sich wohl entwickelt hätte, was aus ihm<br />

geworden wäre. Jahrelang habe man ihr<br />

Psychopharmaka verschrieben, ohne ihr<br />

wirklich zu helfen. Erst bei »Rahel e.V.«<br />

habe man ihr helfen können, sie über das<br />

Post-Abortion-Syndrom aufgeklärt.<br />

»Das Post-Abortion-Syndrom wird<br />

nicht ernst genommen«, beklagt denn<br />

LebensForum <strong>80</strong>


auch der Gynäkologe Dr. Detlev Katzwinkel<br />

in dem Beitrag. Und das, obwohl<br />

die Situation dramatisch sei. Bei zwei von<br />

drei Frauen, die abgetrieben hätten, sei<br />

eine medizinische Behandlung notwendig,<br />

so Katzwinkel. Dies bestätigt auch der<br />

erste Fall des Beitrags: Die Frau erzählt,<br />

wie sie sich selbst verletzte, auf ihren<br />

Bauch schlug, sich die Haare ausriss. Ihre<br />

Sehnsucht nach dem Kind sei immer<br />

größer geworden. Sie habe unentwegt<br />

Babyalben angeschaut und begonnen,<br />

Briefe an ihr abgetriebenes Kind zu schreiben.<br />

Mehr und mehr zog sie sich aus der<br />

Familie zurück und lebte zunehmend in<br />

ihrer eigenen Welt. Schließlich empfand<br />

sie tiefen Hass gegenüber ihrem Ehemann,<br />

da er sie in ihren Augen zu der<br />

fatalen Entscheidung gezwungen hatte.<br />

»Die Wunde ist verblasst,<br />

aber sie ist noch da.«<br />

Ihre Krankheit und die Ehekrise konnten<br />

erst durch einen ungewöhnlichen Entschluss<br />

überwunden werden: Drei Jahre<br />

nach der Abtreibung entschied sich das<br />

Ehepaar bewusst <strong>für</strong> ein viertes, ein »ganz<br />

besonderes Wunschkind«. Zwar könne<br />

dieses Kind das abgetriebene nicht ersetzen,<br />

aber zumindest den Schmerz stillen,<br />

so die vierfache Mutter. »Die Wunde ist<br />

verblasst, aber sie ist noch da.« Auch der<br />

Ehemann bereut heute, seine Frau damals<br />

zur Abtreibung gedrängt zu haben: »Ich<br />

würde nie wieder den Schritt machen und<br />

sagen, wir lassen ein Kind abtreiben.«<br />

Am Ende des aufgezeichneten Beitrags<br />

ist das Ehepaar dann gemeinsam zu sehen:<br />

Sie weinend, er umarmend, mit dem Versuch<br />

sie zu trösten.<br />

Im Studio von »Stern-TV« sitzt das<br />

Ehepaar dann Günter Jauch gegenüber;<br />

die Frau hat den schlafenden Säugling,<br />

das »Wunschkind«, in den Armen. Jauch<br />

fragt, ob sie immer noch Schuldgefühle<br />

plagten und die vierfache Mutter erzählt,<br />

dass sie noch etwa einmal pro Monat von<br />

der Abtreibung eingeholt werde und in<br />

Tränen ausbreche, wie es zuvor am Ende<br />

des Beitrags zu sehen gewesen sei. Daran<br />

könne auch die Geburt des vierten Kindes<br />

nichts ändern. Auf die Frage, wie viele<br />

Frauen denn nun an den Folgen einer<br />

Abtreibung leiden, gibt die im Publikum<br />

sitzende Gisela Koch 70 Prozent an.<br />

Wenn diese Frauen zu »Rahel e.V.« kämen,<br />

sprudele es so aus ihnen heraus und<br />

es folgten 2-3stündige schwere Ge-<br />

spräche. »Abtreibung müsste verboten<br />

werden«, gibt die Vorsitzende der Selbsthilfegruppe<br />

denn auch die Meinung vieler<br />

betroffener Frauen wieder.<br />

Jauch, der sichtlich interessiert ist,<br />

wendet sich dann an Dr. Katzwinkel,<br />

Chefarzt der Abteilung Gynäkologie und<br />

Geburtshilfe am St. Martinus Krankenhaus<br />

Langenfeld, der ebenfalls im Publikum<br />

sitzt. Er berät viele Frauen vor einem<br />

möglichen Schwangerschaftsabbruch und<br />

ermutigt sie zu einem<br />

Leben mit dem Kind.<br />

Sie kämen gezielt zu<br />

ihm, da sie wüssten, dass<br />

in seinem Krankenhaus<br />

keine Abtreibungen<br />

durchgeführt werden,<br />

meint Katzwinkel. Er ist<br />

überzeugt: »Jede Frau<br />

trägt einen Wunsch zum<br />

Kind in sich«. Dies stelle<br />

er immer wieder in den<br />

Beratungsgesprächen<br />

fest. Die meisten Gründe<br />

<strong>für</strong> eine Abtreibung<br />

seien vordergründig und<br />

kämen, wie im Beitrag<br />

zu sehen, von außen, so<br />

der Gynäkologe. Jauch<br />

zeigt zwar Verständnis,<br />

fragt aber dennoch, ob eine Abtreibung<br />

nicht auch eine Erleichterung <strong>für</strong> eine<br />

Frau sein könne. Nach der Abtreibung<br />

seien die Frauen zwar häufig erst erleichtert,<br />

dann aber, nach fünf, zehn oder<br />

manchmal erst 30 Jahren empfänden sie<br />

tiefe Reue, so Gisela Koch am Ende der<br />

Sendung.<br />

Nicht nur die Tatsche, dass RTL solch<br />

ein Thema in einer seiner populärsten<br />

Sendungen behandelt, ist erfreulich, sondern<br />

auch die Resonanz auf den Beitrag.<br />

In den beiden vergangenen Monaten seit<br />

Ausstrahlung der Sendung hat »Rahel<br />

e.V.« eigenen Angaben zufolge unzählige<br />

Anrufe und Mails erhalten. »Wir werden<br />

von Anfragen geradezu überflutet und<br />

schaffen es kaum noch, sie alle zu bear-<br />

»Wir werden von Anfragen<br />

geradezu überflutet.«<br />

beiten«, sagt Gisela Koch gegenüber<br />

LebensForum. Die enorme Anfrage belegen<br />

auch die Zahlen der Besucher auf<br />

der Internetseite der Selbsthilfegruppe<br />

(www.rahel-ev.de). Während vor Ausstrahlung<br />

der Sendung im Schnitt 50 bis<br />

60 Leute pro Tag die Homepage besuchten,<br />

waren es am Tag der Ausstrahlung<br />

knapp 700 und einen Tag später sogar<br />

1.200. Auch in den Tagen danach waren<br />

es täglich zwischen 200 und 500 Besucher<br />

und mittlerweile sind es durchschnittlich<br />

etwa 100 bis 120 pro Tag, also doppelt<br />

so viele wie vor dem Beitrag in »Stern-<br />

TV«.<br />

Viele Frauen, die sich meldeten, würden<br />

ebenfalls an den Folgen einer Abtreibung<br />

leiden und seien<br />

einfach nur froh, dass<br />

nun endlich in den Medien<br />

darüber berichtet<br />

werde, verrät Koch<br />

gegenüber LebensForum.<br />

Auch habe es sie<br />

überrascht, dass es keine<br />

negativen Rückmeldungen<br />

gegeben habe.<br />

»Damit haben wir nicht<br />

gerechnet«, sagte die<br />

Vorsitzende der Selbsthilfegruppe<br />

dem LebensForum.<br />

Auch an anderer<br />

prominenter Stelle wird<br />

über Abtreibung und<br />

das Post-Abortion-<br />

Syndrom berichtet. In<br />

ihrem Buch »Das Eva-Prinzip«, über das<br />

in allen Medien immer noch heftig debattiert<br />

wird, widmet Eva Herman der<br />

Thematik immerhin ein ganzes Unterkapitel.<br />

Unter der Überschrift »Die Abwertung<br />

der Weiblichkeit« heißt es ab Seite<br />

208: »Man kann die fatale Bedeutung des<br />

Kampfes <strong>für</strong> die Legalisierung der Abtreibung<br />

gar nicht hoch genug einschätzen,<br />

wenn man sich mit dem Feminismus beschäftigt.<br />

Denn es ging dabei ja nicht nur<br />

um die Straffreiheit des Schwangerschaftsabbruchs,<br />

es ging auch darum, ihn als<br />

harmlos herunterzuspielen, als sei das nur<br />

wie ein Zahnarztbesuch.«<br />

Gerade die Proteste gegen den Paragraphen<br />

218 enthüllten ein zutiefst bedrohliches<br />

Moment der Frauenbewegung.<br />

Es sei nicht nur der überaus feindselige<br />

und ablehnende Umgang mit einem<br />

ungeborenen Kind gewesen, es sei auch<br />

die wenig einfühlsame Auseinandersetzung<br />

mit den Frauen gewesen, schreibt<br />

Eva Herman weiter und fragt: »Ist das<br />

ungeborene Leben nicht ein Teil von<br />

uns? Wird bei einer Abtreibung nicht ein<br />

Stück von uns zerstört?«<br />

Nach dieser provokanten Einführung<br />

kommt Herman schließlich auf die<br />

schwerwiegenden Folgen der Abtreibung<br />

zu sprechen: »Die Diskussion um den<br />

Paragraphen 218 schien beendet, als die<br />

Abtreibung prinzipiell straffrei zugelassen<br />

LebensForum <strong>80</strong> 21


GESELLSCHAFT<br />

wurde. Doch so ist es nicht. Heute weiß<br />

man aus der ›Post-Abortion‹-Forschung,<br />

die sich mit den Folgen von Abtreibungen<br />

beschäftigt, dass ein Schwangerschaftsabbruch<br />

in den Biografien der meisten Frauen<br />

eine seelische Schädigung hinterlässt.«<br />

Oft trauerten Frauen ein Leben lang um<br />

Eva Herman stellte auf der Buchmesse ihr Buch »Das Eva Prinzip« vor<br />

das verlorene Kind, und es sei belegt, dass<br />

die meisten Beziehungen danach scheitern,<br />

so Herman weiter. »Heute werden<br />

in Deutschland täglich etwa 1.000 Abtrei-<br />

»Wenige Frauen ahnen,<br />

worauf sie sich einlassen.«<br />

bungen vorgenommen. Wenige Frauen<br />

ahnen, worauf sie sich einlassen, wenn<br />

sie das Risiko einer Schwangerschaft mit<br />

dem Bewusstsein eingehen, dass man ‚es’<br />

ja wegmachen lassen kann. Sie lassen sich<br />

blenden von Begriffen wie Selbstbestimmung<br />

und Entscheidungsfreiheit, die der<br />

Feminismus ihnen bescherte«, kritisiert<br />

die Autorin.<br />

22<br />

Heute sei nicht die Abtreibung ein<br />

Politikum, sondern die Erforschung der<br />

Folgen. Nur wenige Studien beschäftigten<br />

sich mit dem Post-Abortion-Syndrom –<br />

weil das einfach nicht zum Zeitgeist passe.<br />

Studien dieser Art seien gesellschaftlich<br />

nicht erwünscht, weil die Abtreibung<br />

heute als »unbedenk-<br />

DPA<br />

liches Mittel der Geburtenkontrollegewertet<br />

wird«, zitiert<br />

die Autorin Ingolf<br />

Schmidt-Tannwald,<br />

Professor <strong>für</strong> Frauenheilkunde<br />

und Geburtshilfe<br />

und langjähriger<br />

Leiter der Familienplanungsstelle<br />

an der Frauenklinik<br />

der Universität München<br />

im Klinikum<br />

Großhadern und Vorsitzender<br />

der Ȁrzte<br />

<strong>für</strong> das Leben e.V.«<br />

Ganz gleich ob man<br />

sich weltanschaulich<br />

<strong>für</strong> oder gegen Abtreibung<br />

ausspreche, die<br />

Konsequenzen <strong>für</strong><br />

Frauen seien weit reichend,<br />

so Herman<br />

weiter. Diese nennt sie<br />

dann auch beim Namen:<br />

medizinische Risiken<br />

wie Infektionen<br />

und Verletzungen der<br />

Gebärmutter, Verwachsungen<br />

im Unterleib,<br />

Probleme bei späterenSchwangerschaften,<br />

Fehlgeburten,<br />

sexuelle Störungen,<br />

Depressionen, Angstzustände, Medikamenten-<br />

und Drogenmissbrauch bis hin<br />

zur Gewalt gegen sich selbst.<br />

Auch auf die Folgen <strong>für</strong> Männer geht<br />

die Autorin ein und zitiert eine Studie aus<br />

dem Jahre 1984 von Arthur Shostak, Professor<br />

<strong>für</strong> Soziologie an der Drexel University<br />

in Philadelphia. Demnach dächten<br />

<strong>80</strong> Prozent der Männer, deren Frauen<br />

oder Freundinnen abgetrieben hatten,<br />

manchmal an das ungeborene Kind, träumten<br />

29 Prozent regelmäßig davon und<br />

sagten 68 Prozent, dass sie eine schwere<br />

Zeit durchgemacht hätten. Herman argumentiert<br />

dann, dass niemand bestreite,<br />

dass es Notlagen gebe, in denen Frauen<br />

als letzten Ausweg nur den Schwangerschaftsabbruch<br />

sehen. Dies sei vergleichbar<br />

mit dem Recht auf Notwehr. Doch<br />

genauso wenig wie Notwehr prinzipiell<br />

Mord rechtfertige, könne Abtreibung als<br />

Verhütungsmethode verniedlicht werden.<br />

ARCHIV<br />

»Die Verharmlosung des Eingriffs gehört<br />

zu den ideologischen Nebenwirkungen<br />

des Feminismus. Dass die Aufklärung<br />

über die Probleme nach der Abtreibung<br />

schon als ›konservativ‹ gilt, als tendenziöse<br />

Äußerung, muss jeden nachdenklich<br />

stimmen, dem am Wohl der Frauen gelegen<br />

ist. Die Frauenbewegung, die den<br />

Schwangerschaftsabbruch als Freiheits-<br />

»Das Post-Abortion-Syndrom<br />

wird in den Medien zum Thema.«<br />

beweis feierte, lässt kaum Abweichungen<br />

zu. <strong>Alle</strong>s Abwägen stellt Kritiker dieses<br />

Denkansatzes in eine rechte Ecke, Diskussionen<br />

sind nicht erwünscht«, findet<br />

Herman dann auch abschließend deutliche<br />

Worte.<br />

Unabhängig davon, wie man zu den<br />

Thesen des Buches steht, ist es äußerst<br />

erfreulich, dass Eva Herman so deutlich<br />

Stellung zur Problematik der Abtreibung<br />

und des Post-Abortion-Syndroms bezieht.<br />

Angesichts der Einschaltquoten von<br />

»Stern-TV« (eigenen Angaben zufolge<br />

bis zu drei Millionen) und den Verkaufszahlen<br />

von »Das Eva-Prinzip« (die erste<br />

Auflage von 50.000 Stück war nach einem<br />

Tag bereits ausverkauft), ist die Hoffnung<br />

nicht unbegründet, dass die fatalen Folgen<br />

der Abtreibung künftig in den Medien<br />

umfassender thematisiert werden. Sieht<br />

man vom LebensForum ab, dann stellen<br />

die beiden prominenten Beispiele zwar<br />

bislang Ausnahmen in der Medienlandschaft<br />

dar, aber es tut sich ettwas: »Das<br />

Post-Abortion-Syndrom wird in den Medien<br />

merklich zum Thema«, meinte denn<br />

auch Gisela Koch gegenüber LebensForum.<br />

Es scheint, als sei das Schweigen<br />

der Medien endlich gebrochen.<br />

IM PORTRAIT<br />

Matthias Lochner<br />

Der Autor, Jahrgang 1984, studiert<br />

Deutsch und Geschichte <strong>für</strong> das Lehramt<br />

an Gymnasien und<br />

Gesamtschulen an<br />

der Universität zu<br />

Köln. Er ist seit<br />

2001 Mitglied der<br />

ALfA. Als freier<br />

Journalist publiziert<br />

er regelmäßig auch im LebensForum.<br />

LebensForum <strong>80</strong>


GESELLSCHAFT<br />

»Ein Kind ist etwas<br />

ganz Wunderbares«<br />

Der Kölner Regionalverband der ALfA feiert in diesem Jahr Jubiläum:<br />

Seit 20 Jahren engagieren sich seine Mitglieder in vielfältiger Weise<br />

ehrenamtlich <strong>für</strong> ungeborene Kinder und deren Familien. Sie machen<br />

Öffentlichkeitsarbeit, sind jedes Jahr über Monate jeden Samstag<br />

mit einem Stand in der Fußgängerzone präsent und helfen Müttern<br />

und Familien, die wegen einer Schwangerschaft in eine Notlage<br />

geraten sind.<br />

Vor etwa 17 Jahren wandte sich<br />

ein Ehepaar an den Regionalverband,<br />

weil sich die jungen<br />

Leute in einer aus ihrer Sicht ziemlich<br />

aussichtslosen Lage befanden: frisch verheiratet,<br />

beide am Beginn ihrer Ausbildung,<br />

keine familiäre Hilfe vor Ort, kaum<br />

Geld, eine Mini-Studentenwohnung. Eines<br />

Tages geht Aynur Erden zum Arzt,<br />

weil sie meint, eine Entzündung im Unterleib<br />

zu haben. Die Reaktion des Arztes:<br />

»Gratuliere – es sind zwei Entzündungen!«<br />

Zwillinge, ein »typischer« ALfA-<br />

Fall. Damals lernten Frau Erden und<br />

Frau Mannel sich kennen – jetzt, nach<br />

17 Jahren, treffen sie sich zum Kaffee –<br />

und zum Interview mit Alexandra Linder<br />

von LebensForum.<br />

LebensForum: Frau Erden, wie haben Sie auf<br />

diesen Satz des Arztes damals reagiert?<br />

Aynur Erden: Zuerst war ich sprachlos,<br />

dann habe ich geweint. Mir schoss<br />

alles mögliche durch den Kopf: unsere<br />

berufliche Zukunft, die Wohnsituation,<br />

die Finanzen. Als ich nach Hause kam,<br />

reagierte mein Mann ganz ähnlich. Die<br />

alles bestimmende Frage war: »Was mach´<br />

ich jetzt nur?«<br />

Was haben Sie dann unternommen?<br />

Erden: Wir sind zur Schwangerenberatungsstelle<br />

der Evangelischen Kirche<br />

gegangen, zu Herrn Kautz. Ein toller<br />

Mann, er hat uns in vieler Hinsicht sehr<br />

geholfen. Und nie werde ich seinen Satz<br />

vergessen: »<strong>Alle</strong>, die hier waren und gesagt<br />

haben, ich bekomme das Kind, haben das<br />

nie bereut.« Das hat uns schon Mut gemacht.<br />

Und dann hat er noch etwas<br />

besonders Gutes <strong>für</strong> uns getan, nämlich<br />

uns den Kontakt zur ALfA vermittelt, zu<br />

Frau Mannel. Die habe ich dann sofort<br />

angerufen.<br />

Was hat sie gesagt?<br />

Erden: Ihre ersten Worte waren<br />

»Herzlichen Glückwunsch!«. Das hat<br />

mich völlig überrascht, denn ich habe ja<br />

eigentlich nur angerufen,<br />

um von unseren<br />

großen Problemen zu<br />

erzählen. Sie hat sich<br />

erst einmal alles angehört<br />

und dann gesagt:<br />

»Wir haben schon so<br />

viele durchgekriegt, das<br />

kriegen wir auch hin.«<br />

Das war der Moment,<br />

in dem ich mich zum<br />

ersten Mal auf meine<br />

Zwillinge gefreut habe.<br />

Dann haben wir gemeinsam<br />

alles nach<br />

Dringlichkeit abgearbeitet<br />

– die Wohnung,<br />

die Finanzen, meine<br />

berufliche Zukunft, die<br />

ja erst einmal beendet<br />

war. Aber auch da haben<br />

wir eine phantastische<br />

Erfahrung gemacht. Die Ordensschwester<br />

der Klinik sagte, ich solle doch in Ruhe<br />

meine Kinder bekommen und mich einfach<br />

nach einem Jahr melden, dann<br />

würden sie mich einstellen und ausbilden.<br />

Das haben sie tatsächlich auch getan.<br />

Elke Mannel und Aynur Erden<br />

Elke Mannel: Dazu kam noch die<br />

Unsicherheit wegen einer möglichen Behinderung<br />

der Kinder.<br />

Was sagen Sie den Eltern, wenn dieses Thema<br />

zur Sprache kommt?<br />

Mannel: Ja, das wird immer schwieriger,<br />

weil die Eltern immer mehr unter<br />

Druck gesetzt werden. Ich habe 32 Jahre<br />

an einer Sonderschule gearbeitet und<br />

kann deshalb vor allem über die positiven<br />

Erfahrungen berichten, über die Fördermöglichkeiten,<br />

über die Freude an den<br />

Kindern, über die liebevolle Atmosphäre<br />

in den Familien. Aber gehen Sie mal zu<br />

den Ärzten! Einer meiner Mütter haben<br />

sie gesagt: »Investieren Sie nicht zu viel<br />

Liebe, das Kind bleibt sowieso ein Idiot.«<br />

Und eine andere Mutter, die sich bei<br />

einem Arztbesuch erschöpft zeigte, bekam<br />

zu hören: »Sehen Sie, das habe ich ja<br />

gesagt, das hätten Sie ja verhindern können.«<br />

Da kann man als Eltern nur Depressionen<br />

bekommen.<br />

Was sollen Eltern nach solchen Erfahrungen<br />

tun?<br />

Mannel: Sofort den Arzt wechseln,<br />

und das so lange, bis sie einen guten Arzt<br />

gefunden haben. Außerdem sollte man<br />

die Ärzte einmal fragen, ob sie dasselbe<br />

sagen, wenn ein Kind mit zwei Jahren<br />

einen Unfall und danach eine Behinderung<br />

hat.<br />

Erden: Ich kann mir überhaupt nicht<br />

vorstellen, wie man im Namen des Kindes<br />

entscheiden kann, dass es nicht leben darf,<br />

dass es nicht lebenswert ist, nur weil es<br />

eine Behinderung hat! Ich habe nach dem<br />

Gespräch mit Frau Mannel alle weiteren<br />

Untersuchungen abgelehnt, wir waren<br />

uns einig, dass wir die Kinder nehmen,<br />

wie sie sind. Ich kann nur von Glück<br />

sagen, dass wir an so wunderbare Men-<br />

LebensForum <strong>80</strong> 23<br />

ALEXANDRA LINDER


schen geraten sind. Von dem Moment<br />

an, als wir diese Kontakte hatten, ging es<br />

nur noch bergauf, obwohl ich aufgrund<br />

des psychischen Stresses zum Beispiel<br />

vier Monate nur gebrochen habe.<br />

Mannel: Die Kraft dieser Familie habe<br />

ich sehr bewundert, sie haben kompromisslos<br />

<strong>für</strong> ihre Kinder gekämpft, alles<br />

zusammen gemacht und zusammen geschafft,<br />

das ist heute leider nicht mehr<br />

der Normalfall.<br />

Was hat sich geändert?<br />

Mannel: Die Situation in einer Konfliktschwangerschaft<br />

hat sich eigentlich<br />

nicht geändert, sie ist heute wie früher<br />

im Wesentlichen dieselbe. Es geht um<br />

die Zukunft, um die Partnerschaft, Beruf,<br />

Wohnung, Geld. Aber die Frauen werden<br />

heute noch mehr alleingelassen als früher.<br />

Die Männer kommen mit der fadenscheinigen<br />

Ausrede, dass sie sich da nicht einmischen<br />

wollten, weil es nicht ihre Sache<br />

sei. Ganz oft sind es ja die Männer, die<br />

das Kind nicht haben wollen, die dann<br />

mit zum Gespräch kommen und gar<br />

nichts sagen außer: »Wir wollen abtreiben.«<br />

Den Frauen, die ihre Kinder abtreiben,<br />

um ihre Beziehung zu retten,<br />

kann ich aus unserer Erfahrung nur sagen,<br />

dass solche Beziehungen sowieso kaputtgehen.<br />

Da sollen sie lieber das Kind behalten.<br />

Erden: Das habe ich meinem Mann<br />

auch gesagt, als ich vor knapp zwei Jahren<br />

noch einmal schwanger geworden bin:<br />

Es ist mir völlig egal, ob das Haus wieder<br />

verkauft werden muss, und er kann ruhig<br />

von einer Brücke springen, wenn er will,<br />

aber das Kind bekomme ich! (Lacht)<br />

So sollten alle Frauen reagieren, wenn sie<br />

schwanger sind... Ihre Zwillinge sind heute 16<br />

Jahre alt. Haben Sie oder Ihr Mann Ihre Entscheidung<br />

von damals irgendwann einmal bereut?<br />

Erden: Nein, niemals. Mein Mann<br />

hat tagsüber studiert und abends die Kinder<br />

gehütet, als ich mit der Ausbildung<br />

anfing. Das war wirklich eine sehr harte<br />

Zeit, und das Ganze hat natürlich auch<br />

viel länger gedauert mit seinem Studium,<br />

aber ich möchte die Zeit nicht missen.<br />

Das Einzige, was ich anders gemacht hätte:<br />

Ich hätte mit der Ausbildung besser noch<br />

ein Jahr später angefangen, also als die<br />

Mädchen zwei Jahre alt waren. Das wäre<br />

nicht ganz so stressig geworden.<br />

Was würden Sie jungen Frauen raten, die in<br />

einer ähnlichen Situation sind?<br />

24<br />

GESELLSCHAFT<br />

Erden: Hilfe suchen und sich helfen<br />

lassen. Je mehr Hilfe man bekommt, umso<br />

stärker und selbstbewusster wird man<br />

selbst wieder. Und sich von niemandem<br />

einreden lassen, dass man abtreiben muss,<br />

das muss man einfach nicht. Ein Kind ist<br />

doch keine Tragödie, sondern etwas ganz<br />

Wunderbares!<br />

Mannel: Am schlimmsten sind die<br />

Leute, die sagen, wenn Du abtreibst, helfe<br />

ich Dir – wobei wollen die denn dann<br />

noch helfen? Die sollen gefälligst helfen,<br />

das Kind zu bekommen und großzuziehen.<br />

Und wenn eine Frau schwanger<br />

wird, weiß plötzlich jeder, was sie zu tun<br />

hat und was das Beste <strong>für</strong> sie ist. Ich habe<br />

oft junge Frauen, die mir erzählen, was<br />

Aynur Erden<br />

der Freund will, was die Eltern von ihr<br />

wollen und so weiter. Die frage ich dann<br />

erst einmal, was sie eigentlich selbst wollen.<br />

Meistens stellt sich heraus, dass das<br />

bisher noch niemand hat wissen wollen.<br />

Sind das typische erste Gespräche, die Sie mit<br />

den Frauen führen?<br />

Mannel: Seltsamerweise rufen oft<br />

zuerst gar nicht die Frauen selbst an,<br />

sondern deren Mütter oder irgendwelche<br />

anderen Leute. Sie möchten dann die<br />

Lage schildern und von mir einen Rat<br />

<strong>für</strong> die junge Frau haben. Und dann wundern<br />

sie sich, wenn ich vorschlage, dass<br />

die Schwangere mich einfach selbst anruft,<br />

damit ich mit ihr reden, mir ein Bild<br />

machen und gemeinsam mit ihr Lösungen<br />

finden kann.<br />

Ist es schwierig, mit den Angehörigen zu sprechen?<br />

ALEXANDRA LINDER<br />

Mannel: Ja, denn die wissen alles besser.<br />

Von den Angehörigen hört man auch<br />

die unglaublichsten Dinge: »Das kann<br />

die doch meinem Sohn nicht antun!«,<br />

sagte letztens eine ältere Dame zu mir<br />

am Telefon, als sie hörte, dass die Freundin<br />

ihres Sohnes schwanger war. Für<br />

besonders schlimm halte ich die absolute<br />

Wunschkind-Mentalität. Ein Kind ist<br />

schon gewollt, aber nicht hier und nicht<br />

jetzt – jetzt wollen wir die Stereoanlage,<br />

den Urlaub, das Haus, die berufliche<br />

Karriere. Denen stelle ich die Frage, wie<br />

viele Kinder sie denn <strong>für</strong> die Stereoanlage<br />

und das neue Auto opfern wollen, um<br />

dann irgendwann das eine perfekt zeitlich<br />

geplante Kind zu bekommen. Ich finde<br />

diese Haltung ganz <strong>für</strong>chterlich.<br />

Erden: Und die frisch gebackenen<br />

Mütter werden behandelt, als hätten sie<br />

mit der Schwangerschaft das Gehirn abgegeben.<br />

Mannel: Ja, das ist auch so ein seltsamer<br />

Punkt. Die Mütter werden plötzlich<br />

<strong>für</strong> unmündig erklärt, wahrscheinlich weil<br />

sie so »dumm« waren, schwanger zu werden.<br />

Da fehlt oft auch einfach das Selbstbewusstsein<br />

bei den jungen Frauen selbst.<br />

Kein Wunder, wenn man dauernd unter<br />

Druck von allen Seiten steht. Kürzlich<br />

rief mich eine junge Frau an, die gerade<br />

anfangen wollte, Jura zu studieren, und<br />

schwanger wurde. Sie sagte, das ginge ja<br />

wohl jetzt alles nicht mehr. Darauf habe<br />

ich gefragt, wie sie darauf käme, dass sie<br />

nicht mehr studieren könne, bloß weil<br />

sie ein Kind bekommt? Auf die Idee war<br />

bisher weder sie selbst noch ihre Umgebung<br />

gekommen....<br />

Was würden Sie aus 20 Jahren ALfA-Arbeit in<br />

Köln <strong>für</strong> ein Resümee ziehen?<br />

Mannel: Wie Frau Erden gesagt hat:<br />

Es würde vieles leichter, wenn eine<br />

Schwangerschaft nicht als Lebensende<br />

betrachtet würde, sondern als etwas Positives,<br />

als Bereicherung, als Chance.<br />

Natürlich gibt es unzählig viele Probleme,<br />

bis man das Kind im Arm und großgezogen<br />

hat, aber wenn man die Schwierigkeiten,<br />

die schlaflosen Nächte, die<br />

knapperen Finanzen und die größere<br />

berufliche Einschränkung, die ja meistens<br />

mit Kindern verbunden sind, vergleicht<br />

mit dem, was Kinder an Glück, an Bereicherung<br />

und an Lebenssinn geben, da<br />

kenne ich keine Frau, die ihr Kind bekommen<br />

und das dann bereut hat – im<br />

Gegenteil, wir hören immer nur: »Danke,<br />

dass Sie uns geholfen haben. Ich bin so<br />

froh, dass ich das Kind habe!«<br />

LebensForum <strong>80</strong>


GESELLSCHAFT<br />

Bei Anruf Hilfe<br />

Die Anrufe kommen morgens um sechs. Oder nachmittags um fünf.<br />

Oder nachts um zwei – egal, wann die Hilfe benötigt wird, eine der<br />

vitaL-Beraterinnen geht ans Telefon: 24 Stunden täglich, 7 Tage in<br />

der Woche. Seit sechs Jahren gibt es unsere bundesweite Telefonnummer<br />

(01<strong>80</strong>) 36 999 63, die Informationen, Rat und Hilfe anbietet.<br />

Was als Versuchsballon zur<br />

Ergänzung von Werbefilmen<br />

<strong>für</strong> das Leben gedacht<br />

war, hat sich inzwischen verselbständigt.<br />

Die Ausstrahlung der Filme ist kostenintensiv<br />

und wurde in Richtung Kino und<br />

Vorführung bei Veranstaltungen, Seminaren<br />

etc. konzentriert. Diese Öffentlichkeitsarbeit<br />

bringt immer noch die meisten<br />

Anrufe. Als im Frühjahr unser Werbespot<br />

über längere Zeit bei Bibel TV lief, stiegen<br />

die Anruferzahlen sprunghaft an.<br />

Beratung und Gesprächsführung am<br />

Telefon erfordern große Flexibilität, Konzentration<br />

und Einfühlungsvermögen der<br />

Beraterinnen. Und die Bandbreite der<br />

Die erste Frage lautet häufig:<br />

»Haben Sie einen Moment Zeit?«<br />

Themen ist vielfältig: Da ruft ein junges<br />

Mädchen an; es ist Freitagabend und sie<br />

will wissen, ob sie schwanger ist. Die<br />

Arztpraxen sind geschlossen. Ein Ehepaar<br />

bekommt vom Arzt gesagt, ihr noch nicht<br />

geborenes Kind wäre eventuell schwer<br />

krank. Die nächste Untersuchung fände<br />

erst in zwei Wochen statt. Der nächste<br />

Anruf kommt von einer jungen Frau, die<br />

dringend an einem anderen Ort untergebracht<br />

werden muss. Ein Mann, der in<br />

seiner Not anruft, versucht verzweifelt,<br />

sein Kind zu retten. Die Frau ist verschwunden,<br />

um abzutreiben. Ein anderer<br />

Mann protestiert dagegen, in seinem<br />

Briefkasten ein Embryonenmodell vorgefunden<br />

zu haben.<br />

Dies sind einige wenige Beispiele der<br />

Anrufe, die wir erhalten. Es gibt unzählige<br />

andere. Auffällig ist, dass fast jeder Anrufer<br />

sich zunächst wundert, dass wir zuhören<br />

Von Alexandra Maria Linder, M.A.<br />

wollen. Die erste Frage lautet häufig:<br />

»Haben Sie einen Moment Zeit?« Natürlich<br />

haben wir Zeit, antworten wir, das<br />

ist bereits der erste Überraschungseffekt.<br />

Viele der Anrufenden fühlen sich allein<br />

schon deshalb gut betreut, weil wir uns<br />

das gesamte Problem und die ganze Geschichte<br />

erst einmal anhören. Letztens<br />

rief eine junge Frau an, die mitten im<br />

Studium schwanger geworden war. Nachdem<br />

sie mir alles berichtet hatte, war<br />

meine erste spontane Wortmeldung, dass<br />

ihre Probleme eigentlich gar nicht so<br />

gravierend wären, und ob sie einmal daran<br />

gedacht hätte, was es an Positivem geben<br />

könnte. Immerhin würde sie ja einem<br />

Menschen das Leben schenken, eine Familie<br />

gründen, einen Grund <strong>für</strong> zügiges<br />

Weiterstudieren haben. Daraufhin sagte<br />

sie, dass sie das nur einmal hören wollte.<br />

Bis jetzt hätten alle gesagt, wie schrecklich<br />

es wäre, dass sie ein Kind bekäme. Als<br />

ich ihr Hilfe anbot, meinte sie, die bräuchte<br />

sie gar nicht, jetzt würde sie das schon<br />

schaffen. Auch der Mann, der sich über<br />

den Embryo in seinem Briefkasten beschwerte,<br />

konnte erst einmal alles einfach<br />

abladen, bis ich nachfragte, was der wirkliche<br />

Grund <strong>für</strong> seine Aufregung wäre.<br />

Er ließ sich auf ein Gespräch ein und es<br />

stellte sich heraus, dass er eine schwere<br />

In vielen Fällen können<br />

wir konkret weiterhelfen<br />

Last von früher mit sich trug, als er seine<br />

schwangere Freundin im Stich gelassen<br />

hatte – diese Erinnerung war durch den<br />

Embryo wieder hochgekommen. Am Ende<br />

unseres Gespräches fand er die <strong>Aktion</strong><br />

sogar sehr sinnvoll.<br />

Nicht immer gehen die Anrufe so gut<br />

aus. Wenn beispielsweise eine junge Frau<br />

schon zur Abtreibung entschlossen ist<br />

und nur noch wissen will, wohin man im<br />

sechsten Monat noch fahren kann, ist es<br />

sehr schwer, sie noch zu einem Gespräch<br />

zu bewegen. Dennoch versuchten wir es.<br />

Leider konnten wir danach nicht mehr<br />

nachvollziehen, wie sich diese junge Frau<br />

letztlich entschieden hat.<br />

In vielen Fällen aber können wir konkret<br />

weiterhelfen. Eine große Unterstützung<br />

hierbei sind die Regionalverbände<br />

der ALfA, andere Vereinigungen wie zum<br />

Beispiel KALEB und Pro Vita sowie einzelne<br />

hilfsbereite Personen, die sich zur<br />

Mitwirkung bereit erklärt haben, und<br />

viele Beratungsstellen. Bei den Beratungsstellen<br />

hängt die Zusammenarbeit sehr<br />

davon ab, wer dort arbeitet. Es gibt Caritas-Stellen<br />

in Bayern, die schicken Frauen<br />

in Konfliktschwangerschaften beratungslos<br />

sofort weiter zur ALfA. Es gibt<br />

SkF-Stellen in Norddeutschland, die kein<br />

VitaL-Beraterin bei der Arbeit<br />

Problem haben, eine Frau zu einer anderen<br />

Beratungsstelle zu schicken, um dort<br />

den gewünschten Schein zu bekommen,<br />

ohne sie vorher selbst beraten zu haben.<br />

vitaL verfügt über eine selbst erstellte<br />

Liste, die nach Postleitzahlen sortiert alle<br />

Ansprechstellen sammelt, so dass eine<br />

Beraterin, wenn die Anrufer es wünschen,<br />

sofort anbieten kann, in der entsprechenden<br />

Region einen persönlichen Kontakt<br />

herzustellen, was nicht selten gerne angenommen<br />

wird.<br />

Obwohl wir mit Hilfe unserer hervorragenden<br />

Beraterinnen schon viel leisten<br />

können, freuen wir uns über Hilfe aller<br />

Art: finanziell, ideell, im Beratungsdienst,<br />

mit guten Ideen oder Unterstützung bei<br />

Ausstrahlung der Werbefilme, die dasselbe<br />

tun wie wir am Telefon: Mut machen,<br />

Schwangerschaft als etwas Positives sehen,<br />

immer unter der Maxime: Es gibt Alternativen<br />

zur Abtreibung.<br />

LebensForum <strong>80</strong> 25<br />

ARCHIV


JAN-PHILIPP GÖRTZ<br />

Mit einem Schweigemarsch durch die Bundeshauptstadt brachten weit mehr als 1.000 Teilnehmer ihre<br />

Trauer über die hunderttausendfache Tötung ungeborener Kinder im Mutterleib zum Ausdruck.<br />

<strong>Lebensrecht</strong>ler werteten die diesjährige 1.000-Kreuze-<strong>Aktion</strong> in Berlin als Erfolg.<br />

26<br />

GESELLSCHAFT<br />

»Kritische Masse erreicht«<br />

Von Stefan Rehder, M.A.<br />

LebensForum <strong>80</strong>


Dass Tag <strong>für</strong> Tag so viele Kinder<br />

vor der Geburt getötet werden,<br />

sei »schon ziemlich krass«, sagt<br />

Johanna. Die 17-jährige sitzt auf den<br />

Stufen vor der Berliner Hedwigskathedrale.<br />

»Da wollte ich schon etwas machen«,<br />

begründet die Schülerin aus dem Erzgebirge<br />

ihre Teilnahme an der <strong>Aktion</strong> »1.000<br />

Kreuze <strong>für</strong> das Leben«, zu der der Bundesverband<br />

<strong>Lebensrecht</strong> (BVL) am 23.<br />

September in Berlin eingeladen hatte.<br />

Waren zahlreich: Junge <strong>Lebensrecht</strong>lerinnen<br />

Weit mehr als 1.000 <strong>Lebensrecht</strong>ler<br />

waren dem Aufruf gefolgt. Bei strahlendem<br />

Sonnenschein marschierten sie 1.000<br />

weiße Holzkreuze tragend vom Berliner<br />

Rathaus durch die Innenstadt der Bundeshauptstadt.<br />

»Damit machen wir auf<br />

die rund 1.000 Kinder aufmerksam, die<br />

an jedem Werktag in Deutschland abgetrieben<br />

werden«, erläutert Claudia Kaminski,<br />

Vorsitzende des BVL. Wie viele<br />

der Teilnehmer ist auch die Ärztin, die<br />

im Hauptberuf <strong>für</strong> die Malteser arbeitet,<br />

ganz in schwarz gekleidet. Damit wolle<br />

man der Trauer über den Tod so vieler<br />

»Die Leute merken, dass<br />

wir nicht aggressiv sind.«<br />

unschuldiger Kinder Ausdruck verleihen,<br />

hieß es von Seiten der Veranstalter.<br />

Am Vormittag hatte die Mitgliederversammlung<br />

des BVL eine Erklärung verabschiedet.<br />

In dem »Berliner Manifest«<br />

appellierten die im BVL zusammengeschlossenen<br />

<strong>Lebensrecht</strong>sorganisationen<br />

an den Gesetzgeber, angesichts der jährlich<br />

hunderttausendfachen Tötung unge-<br />

borener Kinder, »endlich Mut zur Wahrheit«<br />

zu zeigen.<br />

»ALS MANN, ALS MANN«<br />

Über die Karl-Liebknecht-Straße, vorbei<br />

am Berliner Dom, dem Lustgarten<br />

und dem Deutschen Historischen Museum<br />

ziehen die Demonstranten aller Altersgruppen<br />

begleitet von Polizeibeamten<br />

Richtung Brandenburger Tor. Wo immer<br />

der imposante, rund<br />

500 Meter lange Zug<br />

FRITZ POPPENBERG<br />

vorbeikommt, taucht er<br />

die sonst so laute Metropole<br />

<strong>für</strong> einen Moment<br />

in eine wohltuende<br />

Stille. Nahezu alle<br />

Passanten, an denen<br />

die schweigenden Demonstranten<br />

vorbei<br />

schreiten, bleiben interessiert<br />

stehen und<br />

versuchen zu erfassen,<br />

was auf den vorbeiziehenden<br />

Transparenten<br />

und Schildern geschrieben<br />

steht. Gespräche<br />

verstummen. Nur ein<br />

einziges Mal empört<br />

sich eine Frau am Straßenrand.<br />

Was ihm einfiele,<br />

»als Mann hier auf die Straße zu<br />

gehen«, giftet sie einen der entgegenkommenden<br />

Teilnehmer an. Sichtlich<br />

erregt, wendet sie und läuft dem<br />

erstaunt blickenden Kreuzträger<br />

hinterher. »Als Mann, als Mann«<br />

ruft sie immer wieder. Schließlich<br />

lässt sie sich durch die verärgerten<br />

Blicke der übrigen Passanten zum<br />

Schweigen bringen.<br />

Auch wenn natürlich niemand<br />

wissen kann, was in den Köpfen<br />

der am Rand Stehenden vorgeht,<br />

so sprechen ihre Gesichter doch<br />

Bände. Ganz überwiegend scheinen<br />

sie die Demonstranten, die<br />

ruhig und friedlich ihr Anliegen<br />

zur Kenntnis bringen, zu respektieren.<br />

Das sieht auch ein junger<br />

Teilnehmer so, der in Berlin als<br />

Assistent einer Hoteldirektion<br />

arbeitet: »Die Leute merken, dass<br />

wir nicht aggressiv sind und Frauen,<br />

die abgetrieben haben, hier nicht verurteilt<br />

werden.« Es sei »ermutigend« zu<br />

sehen, »wie positiv die Menschen auf uns<br />

reagieren. Da müsse nun wirklich niemand<br />

mehr Angst haben.«<br />

Als die Quadriga in Sicht kommt, wendet<br />

der imposante Zug und marschiert<br />

die prachtvolle <strong>Alle</strong>e »Unter den Linden«<br />

zurück zur Hedwigskathedrale, wo die<br />

<strong>Aktion</strong> mit einem Ökumenischen Gottesdienst<br />

beschlossen wird. »Es hat sich<br />

gelohnt«, freut sich Sara. Die 20-jährige<br />

aus der Nähe von Chemnitz ist mit einer<br />

evangelischen Jugendgruppe nach Berlin<br />

gekommen. In den Gottesdienst geht sie<br />

nicht. In der Hedwigskathedrale, in der<br />

kein einziger Sitzplatz mehr frei ist, ist<br />

die Luft stickig. Die ganze Zeit habe man<br />

geschwiegen, nun wolle man sich unterhalten,<br />

sagen die Mädchen und sind sich<br />

einig: »Für so etwas kann man auch schon<br />

einmal eine längere Anreise auf sich nehmen.«<br />

TEILNEHMER AUS ALLEN TEILEN<br />

DEUTSCHLANDS<br />

Nicht wenige haben wohl so gedacht.<br />

Von überall her, so etwa aus Hamburg,<br />

Trier, Wiesbaden und Freiburg waren<br />

<strong>Lebensrecht</strong>ler <strong>für</strong> diesen Tag nach Berlin<br />

gekommen. In Stuttgart und Fulda hatten<br />

Ortsverbände der »<strong>Aktion</strong> <strong>Lebensrecht</strong><br />

<strong>für</strong> <strong>Alle</strong>« (ALfA) und der »Christdemokraten<br />

<strong>für</strong> das Leben« (CDL) sogar mehrere<br />

Busse organisiert, um Teilnehmern<br />

die Anreise zu erleichtern.<br />

Nicht wenige hätten sich wohl von<br />

einer angekündigten Gegendemonstration<br />

abschrecken lassen, vermuteten zahlreiche<br />

Teilnehmer. Im Internet hatte eine<br />

Gruppe mit dem Namen »Neue Caritas«<br />

zu Protesten aufgerufen: »Am 23.09.2006<br />

Der Trauermarsch erreicht die Hedwigskathedrale<br />

wollen christlich-fundamentalistische<br />

Abtreibungsgegner/innen, wie schon<br />

2004, einen Trauermarsch gegen selbstbestimmte<br />

Geburtenkontrolle durchführen.<br />

Hindern wir sie daran!« »Das<br />

klang doch sehr nach Gewalt. Ich habe<br />

mich jedenfalls auf Farbbeutel eingestellt«,<br />

sagt ein junger Teilnehmer aus dem<br />

Rheinland, der Verständnis da<strong>für</strong> äußerte,<br />

LebensForum <strong>80</strong> 27<br />

FRITZ POPPENBERG


dass sich dem »nun einmal nicht jeder<br />

aussetzen könne und wolle«.<br />

KAMINSKI: MEHR HILFEN FÜR MÜTTER<br />

Auf der Kundgebung am Neptunbrunnen<br />

vor dem Berliner Roten Rathaus, von<br />

wo aus der 1.000-Kreuze-Marsch startete,<br />

hatte die BVL-Vorsitzende Kaminski zum<br />

Beginn der <strong>Aktion</strong> dazu aufgefordert, die<br />

28<br />

GESELLSCHAFT<br />

Berliner Manifest<br />

»Tabuisierung der Abtreibung in der<br />

Öffentlichkeit« endlich zu beenden. Bei<br />

124.000 gemeldeten vorgeburtlichen<br />

Kindstötungen seien zusammen mit den<br />

betroffenen Müttern jährlich rund 1,2<br />

Millionen Menschen als Angehörige,<br />

Ärzte, Hebammen und Krankenpfleger<br />

direkt oder indirekt an Abtreibungen<br />

beteiligt. Dies erkläre auch die seltsame<br />

Schweigespirale im öffentlichen Bewusst-<br />

sein. Mit der <strong>Aktion</strong> wolle man das Thema<br />

wieder zurück ins öffentliche Bewusstsein<br />

rufen.<br />

Schuld an den Schwangerschaftsabbrüchen<br />

trage meist das Umfeld der<br />

Frauen. »Die meisten Frauen entscheiden<br />

sich nur mit großer Trauer gegen ein<br />

Kind«, sagte Kaminski. Um die Zahl der<br />

Abtreibungen zu verringern, müsse man<br />

den Müttern mehr Hilfe, Beratung und<br />

Anlässlich der <strong>Aktion</strong> „1.000 Kreuze <strong>für</strong> das Leben“ verabschiedete die Mitgliederversammlung des Bundesverband <strong>Lebensrecht</strong><br />

(BVL) am 23. September folgende Erklärung:<br />

Der Bundesverband <strong>Lebensrecht</strong> (BVL), ein<br />

Zusammenschluss von zwölf <strong>Lebensrecht</strong>sorganisationen<br />

in Deutschland mit Sitz in Berlin,<br />

appelliert an den <strong>für</strong> die Gesetzgebung verantwortlichen<br />

Bundestag, endlich Mut zur Wahrheit<br />

über die Praxis der jährlich hunderttausendfachen<br />

Tötung ungeborener Kinder zu<br />

zeigen. Vor nunmehr elf Jahren trat das<br />

Schwangeren- und Familienhilfeänderungsgesetz<br />

in Kraft, mit dem das erklärte Ziel verfolgt<br />

werden sollte, das Leben ungeborener Kinder<br />

besser als zuvor zu schützen. Weder die Bundesregierung<br />

noch der verantwortliche Gesetzgeber<br />

haben bisher danach gefragt, ob dieses<br />

Ziel erreicht worden ist. Bei sonst jedem Gesetz<br />

folgt nach seinem Inkrafttreten stets die Prüfung,<br />

ob es in der Praxis »greift«, der mit ihm<br />

verfolgte Zweck auch erreicht wird. Für ein<br />

Gesetz, das dem Schutz menschlichen Lebens<br />

dienen soll, muss das erst recht gelten. Deshalb<br />

hat das Bundesverfassungsgericht dem Bundesgesetzgeber<br />

bezüglich der Gesetze zum<br />

»Schwangerschaftsabbruch« auch ausdrücklich<br />

eine Beobachtungspflicht auferlegt. In angemessenen<br />

zeitlichen Abständen ist er verpflichtet<br />

zu prüfen, ob die von ihm erlassenen Gesetze<br />

die erhoffte Schutzwirkung <strong>für</strong> das Leben Ungeborener<br />

tatsächlich entfalten oder ob sich<br />

Mängel des gesetzlichen Konzepts oder seiner<br />

praktischen Durchführung offenbaren. Dieser<br />

Pflicht ist der Bundesgesetzgeber bisher zu<br />

keiner Zeit nachgekommen. Das erklärte Ziel<br />

eines besseren Lebensschutzes Ungeborener<br />

ist offenkundig verfehlt worden. Obwohl die<br />

Zahl der Frauen im gebärfähigen Alter und die<br />

der Geburten in den letzten zehn Jahren stetig<br />

gesunken sind, hat sich die statistisch ausgewiesene<br />

Gesamtzahl der Abtreibungen in<br />

Deutschland während dieses Zeitraums nicht<br />

nennenswert verringert. Die tatsächliche Gesamtzahl<br />

liegt mit Sicherheit deutlich höher.<br />

Die Abtreibungshäufigkeit jedenfalls nimmt in<br />

Deutschland ständig zu. Infolge der geltenden<br />

Gesetze und ihrer Praxis ist das Unrechtsbewusstsein<br />

<strong>für</strong> die Tötung ungeborener Kinder<br />

weithin geschwunden. Die Beratungspraxis<br />

offenbart bei näherem Hinsehen deutliche<br />

Mängel. Der Bundesverband <strong>Lebensrecht</strong> fordert<br />

den Bundesgesetzgeber deshalb erneut<br />

dazu auf, seiner Beobachtungspflicht bezüglich<br />

der Auswirkungen der Abtreibungsgesetze<br />

endlich nachzukommen. Diese Beobachtungspflicht<br />

darf nicht auf die Praxis der Spätabtreibungen<br />

beschränkt gesehen werden. Vordringlicher<br />

Korrekturbedarf besteht bezüglich der<br />

Spätabtreibungen. Solche Kindestötungen<br />

erfolgen in einem Stadium der Schwangerschaft,<br />

in dem das ungeborene Kind (ab etwa<br />

der 22. Woche) bereits außerhalb des Mutterleibes<br />

lebensfähig ist. Der Grund <strong>für</strong> die Tötung<br />

ist in aller Regel die nach einer Pränataldiagnose<br />

zu erwartende Behinderung des Kindes.<br />

Die Tötung ungeborener Kinder mit diagnostizierter<br />

Behinderung ist nach geltendem Gesetz<br />

während der gesamten Dauer der Schwangerschaft<br />

möglich. Grund hier<strong>für</strong> ist die weite<br />

Fassung der sozial-medizinischen Indikation<br />

(§ 218a Absatz 2 StGB), durch die nach dem<br />

Willen des Gesetzgebers die frühere embryopathische<br />

Indikation, welche die Tötung ungeborener<br />

Kinder wegen ihrer Behinderung erlaubte,<br />

»aufgefangen« werden soll. Mit<br />

namhaften Verfassungsrechtlern ist der Bundesverband<br />

<strong>Lebensrecht</strong> der Auffassung, dass<br />

§ 218a Absatz 2 StGB, soweit er die Tötung<br />

ungeborener Kinder wegen ihrer zu erwartenden<br />

Behinderung als »nicht rechtswidrig« ermöglicht,<br />

gegen das Diskriminierungsverbot<br />

(Artikel 3 Absatz 3 Satz 2 GG: »Niemand darf<br />

wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.«)<br />

verstößt. Um diesem Verbot zu entsprechen,<br />

muss die weite sozial-medizinische Indikation<br />

durch Gesetzesänderung wieder auf<br />

eine rein medizinische zurückgeführt werden<br />

mit der Folge, dass embryopathisch begründete<br />

Spätabtreibungen nur noch bei Gefahr <strong>für</strong> das<br />

Leben der Mutter möglich sind. Die stattdessen<br />

bisher gemachten Vorschläge zur Verhinderung<br />

von Spätabtreibungen berühren nicht den Kern<br />

des Problems. Sie lassen bestenfalls eine<br />

Verbesserung des bestehenden Zustands erhoffen.<br />

Mit einer psychosozialen Beratung vor<br />

einer Pränataldiagnostik könnte erreicht werden,<br />

dass diese nicht mehr im Regelfall erfolgt,<br />

sondern auf begründete Ausnahmefälle beschränkt<br />

bleibt. Eine solche Beratung könnte<br />

dem »Recht auf Nichtwissenwollen« dienen<br />

und den Eltern das Risiko einer Pränataldiagnostik<br />

vor Augen führen. Ein verstärktes Angebot<br />

einer psycho-sozialen Beratung nach Vorliegen<br />

eines embryopathischen Befundes wäre<br />

hilfreich, insbesondere um den Eltern zu helfen,<br />

sich auf das Leben mit einem behinderten Kind<br />

einzustellen (z. B. bei Downsyndrom). Eine<br />

solche Beratung zur Pflicht zu machen, erscheint<br />

dagegen verfehlt und ist deshalb abzulehnen.<br />

In den Fällen der sozial-medizinischen Indikation<br />

muss der Schwangerschaftsabbruch »nach<br />

ärztlicher Erkenntnis angezeigt« sein. Dennoch<br />

hat sich die Praxis bei Vorliegen eines embryopathischen<br />

Befundes längst zu einer Tötung<br />

des Ungeborenen auf Wunsch der Schwangeren<br />

entwickelt. Diese mit dem Gesetz nicht zu<br />

vereinbarende Tendenz würde durch eine psycho-soziale<br />

Pflichtberatung bei embryopathischem<br />

Befund noch zusätzlich gefördert. Durch<br />

eine Ausdehnung des »Beratungskonzepts«<br />

auf solche Fälle würde dieses Konzept zudem<br />

- möglicherweise gewollt - verfestigt, noch<br />

ehe es einer Prüfung auf seine Wirksamkeit<br />

unterzogen worden ist. Ein weiteres Bedenken<br />

kommt hinzu: Eine Pflichtberatung in Fällen<br />

eines embryopathischen Befundes wäre<br />

zwangsläufig eine weitere Voraussetzung da<strong>für</strong>,<br />

dass ein nachfolgender Schwangerschaftsabbruch<br />

nach dem Gesetz »nicht rechtswidrig«<br />

ist. Die Bescheinigung einer solchen Pflichtberatung<br />

wäre unbestreitbar ein Erlaubnisschein<br />

und die Mitwirkung an der Pflichtberatung erst<br />

recht eine solche an der Tötung des Kindes.<br />

Eine Beschränkung der Arzthaftung auf Fälle<br />

grober Fahrlässigkeit könnte die Gefahr mindern,<br />

dass Schwangerschaftsabbrüche zur<br />

Vermeidung eines Haftungsrisikos auf Verdacht<br />

hin erfolgen.<br />

LebensForum <strong>80</strong>


soziale Unterstützung zukommen lassen.<br />

Die Ärztin schlug vor, die 40 Millionen<br />

Euro, mit denen der Staat jährlich Abtreibungen<br />

subventioniere, in die Familienförderung<br />

und die<br />

Konfliktberatung zu<br />

investieren.<br />

Gleichzeitig müsse<br />

der 1995 revidierte Abtreibungsparagraph<br />

218 StGB, der Abtreibungen<br />

in den ersten<br />

drei Schwangerschaftsmonaten<br />

nach einer<br />

Pflichtberatung straffrei<br />

stellt, neu geregelt<br />

werden. »Die Spirale<br />

der Tötung darf nicht<br />

weitergehen; wir brauchen<br />

einen besseren<br />

Lebensschutz«, so Frau<br />

Kaminski. Kritisch äußerte<br />

sich die Medizinerin<br />

über die von der<br />

CDU geforderte Einführung<br />

einer dreitägigen<br />

Bedenkzeit als<br />

Schutz vor übereilten<br />

Spätabtreibungen. »Jede<br />

weitere Pflichtberatung<br />

würde das Beratungssystem<br />

nur weiter<br />

zementieren«, so<br />

Kaminski. Das System<br />

müsse grundsätzlich geändert werden.<br />

Der Generalsekretär der Deutschen Evangelischen<br />

Allianz, Hartmut Steeb,<br />

begrüßte, dass es wenige Tage zuvor Gespräche<br />

zwischen den Kirchen und den<br />

Früh übt sich, wer ein <strong>Lebensrecht</strong>ler werden will.<br />

JAN-PHILIPP GÖRTZ<br />

Spitzen der Koalitionsfraktionen zum<br />

Thema Spätabtreibungen gegeben hatte.<br />

Eine Berlinerin war überrascht, »dass<br />

hier keine Bischöfe zu sehen sind.« Sie<br />

Sorgte auf Berlins Prachtallee »Unter den Linden« <strong>für</strong> Aufsehen: Die 1.000-Kreuze-<strong>Aktion</strong> <strong>für</strong> das Leben.<br />

hatte sich mit ihrem Fahrrad spontan in<br />

den Zug der Demonstranten eingereiht,<br />

als sich dieser vor der Hedwigskathedrale<br />

auflöst. »Die Kirchen müssten doch eigentlich<br />

dankbar sein <strong>für</strong> das, was hier<br />

geschieht«.<br />

FRITZ POPPENBERG<br />

ÖKUKEMNISCHER<br />

GOTTESDIENST ZUM SCHLUSS<br />

Da hatte die junge Frau noch<br />

nicht die ein wenig seltsam anmutende<br />

Predigt der Referentin<br />

<strong>für</strong> Spezialseelsorge der Evangelischen<br />

Kirche Berlin-<br />

Brandenburg-schlesische Oberlausitz,<br />

Oberkonsistorialrätin<br />

Dorothea Braeuer, gehört. In<br />

ihrer Predigt erwähnte Braeuer<br />

zwar die Zahl der Kinder, die in<br />

Deutschland jährlich abgetriebenen<br />

werden, gab sich dann<br />

jedoch damit zufrieden, klarzustellen,<br />

dass Christen niemanden<br />

verurteilen dürften und sich<br />

wie der barmherzige Samariter<br />

um die Wunden der Verbliebenen<br />

kümmern sollten. Es sei<br />

»Jesus Christus, der uns hilft,<br />

mit nicht so gradlinigen Lebens-<br />

entwürfen umzugehen.« Ende der Durchsage.<br />

Forderungen an den Gesetzgeber<br />

vermied sie ebenso wie Nähe zu den<br />

<strong>Lebensrecht</strong>lern.<br />

Die Teilnehmer ließen sich jedoch von<br />

der demonstrativen Distanz nicht entmutigen.<br />

Es sei sicher noch »ein sehr weiter<br />

Weg«, bis die Kirchen anfingen, aktiv<br />

»mit den <strong>Lebensrecht</strong>sorganisationen<br />

zusammenzuarbeiten«, meint einer der<br />

Demonstranten. Aber die <strong>Aktion</strong> habe<br />

doch gezeigt, dass man inzwischen die<br />

»Die Kirchen müssten<br />

eigentlich dankbar sein.«<br />

»kritische Masse« erreicht habe, und von<br />

der Bevölkerung akzeptiert werde. Eine<br />

Einschätzung, die von zahlreichen anderen<br />

Teilnehmern, die nach dem Gottesdienst<br />

zu Gesprächen vor der Hedwigskathedrale<br />

verweilten, geteilt wurde. Dass<br />

sie damit Recht haben könnten, zeigte<br />

auch ein sachlicher 30-sekündiger Fernsehbericht,<br />

den der ARD-Sender »Radio<br />

Berlin-Brandenburg« am selben Tag in<br />

seiner Nachrichtensendung ausstrahlte<br />

und der ohne eine einzige kritische Bemerkung<br />

auskam.<br />

LebensForum <strong>80</strong> 29


30<br />

BÜCHERFORUM<br />

Die Biologin und Leiterin des<br />

Berliner Instituts Mensch, Ethik<br />

und Wissenschaft (IMEW),<br />

Katrin Grüber, legt zusammen mit der<br />

Bioethikerin Sigrid<br />

Graumann jetzt<br />

den 3. Band aus<br />

ihrem Forschungsbereich<br />

vor, welcher<br />

dem Kontext<br />

biomedizinischer<br />

Forschung gewidmet ist. Zu diesem Umfeld<br />

gehören unterschiedliche religiöskulturelle<br />

Orientierungen, dargestellt am<br />

Beispiel von Embryonen- und Klonforschung<br />

in China und der weltweiten Differenzen<br />

in der Politiklandschaft der<br />

Stammzellforschung (Utilitarismus<br />

contra Würde des Menschen<br />

als anthropologisches<br />

Prinzip); ferner der »direktive«<br />

Einfluss von Massenmedien als<br />

»öffentlicher Hegemonie«, die<br />

<strong>für</strong> die so genannte Ethik des<br />

Heilens wirbt und ihren Hörern/Lesern<br />

nicht selten wissenschaftlich<br />

unausgereifte<br />

Therapiechancen ausmalt; des<br />

Weiteren die in Zypern aus<br />

Gründen der Gesundheitsökonomie praktizierte<br />

staatliche Familienplanung über<br />

obligatorische Screenings und eugenische<br />

Selektion; die gegenwärtige Routinisierung<br />

pränataler Diagnostik in der neoliberalen<br />

Gesellschaft Österreichs und am<br />

Standort Berlin, die im Kontrast zu einem<br />

mangelhaften Beratungsangebot bei vermuteter<br />

»kindlicher Behinderung« steht.<br />

Widerspricht ein solches Beratungsdefizit<br />

nicht der Verpflichtung zum »informed<br />

consent«? Lässt man Mütter gerade bei<br />

erhöhtem und umfassendem Beratungsbedarf<br />

bislang nicht allein?<br />

K. Grüber geht auf die »Narrativen«<br />

ein, welche die Forschungsförderung<br />

durch Wissenschaftspolitik begleiten: da<br />

ist stereotyp vom »Zusammenhang von<br />

Biomedizin und Gentechnik« und von<br />

der »Wettbewerbsfähigkeit« die Rede,<br />

wohingegen die Förderung von patientenund<br />

versorgungsorientierter Forschung<br />

zu Prävention und Palliativmedizin deutlich<br />

hinterherhinkt. U. Dolata befasst<br />

sich mit bedenklichen Folgen von Technologie-<br />

und Innovationspolitik, falls<br />

staatliche Wettbewerbsinitiativen zu<br />

asymmetrischer Regionenentwicklung<br />

führen und, wie bisher überwiegend, gesellschaftliche<br />

Technikkontroversen<br />

unberücksichtigt lassen. Solchen Einseitigkeiten<br />

können künftig nur die stärkere<br />

Repräsentation von Bürgerverbänden,<br />

die Stimmen kritischer Wissenschaftler<br />

Vom Umfeld der<br />

Biomedizin<br />

und Bioethiker sowie deren zunehmender<br />

Einfluss auf politische Strategie- und<br />

Entscheidungsfindung wehren. Zur Möglichkeit<br />

der Bürgerbeteiligung an bioethischenEntscheidungsprozes-<br />

sen etablierte S.<br />

Schicktanz ganz<br />

praktisch 2001 in<br />

Dresden einen<br />

»Bürgergipfel«<br />

zum »Streitfall Gendiagnostik«, 2002 in<br />

Berlin einen Workshop zur Wahrnehmung<br />

von »Gen, Geld und Gelehrte«.<br />

In seiner verfassungsrechtlichen Betrachtung<br />

»Pränataldiagnostik, Behinderung<br />

und Schwangerschaftsabbruch« präzisiert<br />

C. von Dewitz, Leiter der<br />

Ethikkommission der Geschäftsstelle<br />

des Landes Berlin,<br />

wie folgt: »Eine Nichtbestrafung<br />

des Schwangerschaftsabbruchs<br />

(kann) nur dann verfassungsrechtlich<br />

gerechtfertigt sein,<br />

wenn dieser nicht der Tötung<br />

des Fetus, sondern dem Schutz<br />

des nicht anders zu rettenden<br />

Lebens der Schwangeren dient«.<br />

Entscheidend sei, dass »die<br />

Grundrechte ... kein wie auch immer aussehendes<br />

Menschenbild, keine Idee, was<br />

der Mensch sein könnte, sondern allein<br />

die Gattungszugehörigkeit des Menschen,<br />

zur geistigen und tatsächlichen Grundlage<br />

haben« (S.135f.) »Das Grundgesetz schützt<br />

eben nicht den sich zu einem Menschen<br />

sich entwickelnden Nichtmenschen, sondern<br />

den von der Kernverschmelzung an<br />

vorhandenen Menschen in seinen verschiedenen<br />

Entwicklungsphasen als solchen.«<br />

Ein interessanter Fragenkomplex wird<br />

durch I. Schneider und B. Herrmann angeschnitten.<br />

Sind wir Eigentümer unserer<br />

Körper? Sind gespendete Eizellen oder<br />

Organe Sachwerte, bezahlbare Waren?<br />

Wird die »Ressource Mensch« etwa auch<br />

in Bezug auf Organspende »sozialpflichtig«,<br />

und ist die »Umverteilung« paariger<br />

Organe (Nieren, Augen) gar juristisch zu<br />

regeln? Wären dann Versuche an Nichteinwilligungsfähigen<br />

zu Gunsten der Allgemeinheit<br />

vertretbar? Welche politische<br />

Regulierung ist notwendig, um den Anreizen<br />

von »Organlotterien« zu widerstehen?<br />

Das ist Lektüre <strong>für</strong> »wache Bürgerverbände«.<br />

Dr. Maria Overdick-Gulden<br />

Siegrid Graumann, Katrin Grüber (Hrsg.)<br />

Biomedizin im Kontext. Beiträge aus dem Institut<br />

Mensch, Ethik und Wissenschaft, Bd. 3. LIT Verlag,<br />

Berlin 2006. 320 Seiten. 19,90 Euro.<br />

Im Schaufenster<br />

Bioethik<br />

Bei dem vorliegenden<br />

Bändchen handelt es<br />

sich um einen klaren<br />

Fall von Etikettenschwindel.<br />

Denn mit<br />

Ethik hat es nicht das<br />

Geringste zu tun. Es<br />

sei denn, jemand hielte<br />

den Ausgleich von<br />

Interessen <strong>für</strong> eine Frage der Moral, über deren<br />

Theorie es sich lohne Gedanken zu Papier<br />

zu bringen. Die wenigen, die sich der Autor<br />

hier macht, sind schnell referiert: Allgemeingültige<br />

Werte gibt es nicht. Abtreibung, aktive<br />

und passive Sterbehilfe sowie eine Embryonen<br />

verbrauchende Forschung lassen sich daher<br />

moralisch rechtfertigen. Es kommt allein auf<br />

die Motive an. Da der Mensch <strong>für</strong> den Autor<br />

von Natur aus ein Egoist ist, sind auch entsprechende<br />

Motive nicht von vorneherein unzulässig.<br />

Charles Darwin lässt hier ebenso<br />

grüßen wie Dieter Birnbacher, Norbert Hoerster<br />

und Peter Singer. Ethiker wie Mieth, Spaemann,<br />

Rhonheimer werden schlicht nicht zur<br />

Kenntnis genommen und finden nicht einmal<br />

im Literaturverzeichnis Erwähnung.<br />

Fazit: Es gibt angenehmere Möglichkeiten,<br />

seine Zeit zu verplempern als mit der Lektüre<br />

dieses verzichtbaren Büchleins. reh<br />

Franz M. Wuketits: Bioethik. Eine kritische Einführung.<br />

Verlag C.H. Beck, München 2006. 192 Seiten.<br />

12,90 EUR.<br />

Islam und<br />

Bioethik<br />

Aus welchen Gründen<br />

Christen etwa<br />

die embryonale<br />

Stammzellforschung<br />

ablehnen,<br />

die Forschung mit<br />

adulten Stammzellen<br />

jedoch begrüßen,<br />

ist hierzulande inzwischen hinlänglich<br />

bekannt. Weithin unbekannt dürfte dagegen<br />

sein, welche bioethischen Positionen in der<br />

islamischen Welt vertreten werden. Das Buch<br />

des Islamforschers Thomas Eich schafft hier<br />

Abhilfe. Die Lektüre macht deutlich, dass es<br />

nicht nur in der westlichen, weithin säkularisierten,<br />

sondern auch in der muslimischen<br />

Welt keinen Konsens darüber gibt, wann<br />

LebensForum <strong>80</strong>


menschliches Leben beginnt und welcher Umgang<br />

mit menschlichen Embryonen daher<br />

ethisch geboten erscheint. Anhand ausgesuchter<br />

Problemfelder wie der pränatalen Diagnostik,<br />

der Präimplantationsdiagnostik und<br />

dem Klonen zeichnet der Autor zunächst die<br />

Diskussion islamischer Rechtsgelehrter nach<br />

und stellt dann erstmals einige wichtige<br />

Rechtsgutachten islamischer Autoritäten in<br />

deutscher Sprache vor.<br />

Fazit: Eine nicht ganz leichte, aber durchaus<br />

lohnende Lektüre <strong>für</strong> jene, die gerne einmal<br />

über den westlichen Tellerrand hinausblicken.<br />

reh<br />

Thomas Reich: Islam und Bioethik. Eine kritische<br />

Analyse der modernen Diskussion im islamischen<br />

Recht. Reichert Verlag, Wiesbaden 2005. 127 Seiten.<br />

9,90 EUR.<br />

Die<br />

Menschenmacher<br />

Werden wir angesichts<br />

des rasanten<br />

Fortschritts in den Biowissenschaften<br />

in Zukunft<br />

tatsächlich zu<br />

»MenschenMachern«?<br />

In dem gleichnamigen<br />

Buch widmen sich der<br />

Genetiker Hans-Günter Gassen und die Biochemikerin<br />

Sabine Minol in aller Gründlichkeit<br />

dieser Frage. Sie erörtern die Einzigartigkeit<br />

des Menschen anhand der einander widerstreitenden<br />

Konzepte von Schöpfung und Evolution<br />

und führen – <strong>für</strong> Naturwissenschaftler<br />

recht ungewöhnlich – ein in die ungezügelte<br />

Phantasie der Literaten.<br />

Der Bogen, den sie dabei spannen, reicht von<br />

Shelleys Frankenstein bis zum Sandmann<br />

E.T.A. Hoffmanns und zeigt, wie viel gedankliche<br />

Vorarbeiten zu diesem Thema längst<br />

existieren. Das umfangreiche Buch berichtet<br />

von den Plänen <strong>für</strong> Cyborgs und Roboter und<br />

endet mit der Darstellung aktueller Probleme<br />

wie dem des Klonens von Lebewesen und der<br />

künstlichen Befruchtung. Dabei stellen die<br />

Autoren die Frage, ob sich bei diesen beiden<br />

Methoden letztlich nicht doch nur um zwei<br />

verschiedene Seiten ein und derselben Medaille<br />

handelt.<br />

Fazit: Man muss weder die Begeisterung der<br />

Autoren <strong>für</strong> ihr Thema, noch jedes Ergebnis<br />

ihrer Schlussfolgerungen teilen, um ein Buch,<br />

das zeigt, wie sehr der Mensch bestrebt sein<br />

kann, zum Schöpfer seiner selbst zu werden,<br />

<strong>für</strong> wichtig zu halten. reh<br />

Hans-Günter Gassen, Sabine Minol: Die Menschenmacher.<br />

Sehnsucht nach Unsterblichkeit. Verlag<br />

Wiley-VCH, Weinheim 2006. 342 Seiten. 24,90 EUR.<br />

LebensForum <strong>80</strong><br />

Die Zahl der Geburten nimmt<br />

weiter ab, die Zahl der alten<br />

Menschen wächst. Obwohl diese<br />

Entwicklung in vielen Industrieländern<br />

ähnlich verläuft, handelt<br />

es sich dabei doch<br />

keineswegs um ein<br />

Naturgesetz. Im Gegenteil:<br />

Auch heute<br />

wünschen sich Umfragen<br />

zufolge die<br />

meisten jungen Menschen eine Familie<br />

und Kinder. <strong>Alle</strong>rdings setzen immer<br />

weniger diesen Wunsch<br />

auch in die Tat um.<br />

Wurden 1964 hierzulande<br />

noch 1,36 Millionen<br />

Kinder geboren, so durften<br />

2005 nur noch rund<br />

6<strong>80</strong>.000 Kinder das<br />

Licht der Welt erblicken.<br />

In dem von Rainer<br />

Beckmann, Mechthild<br />

Löhr und Stephan Baier<br />

herausgegebenen Sammelband,<br />

der auf ein<br />

Symposium zurückgeht,<br />

das die Christdemokraten<br />

<strong>für</strong> das Leben (CDL)<br />

im vergangenen Jahr in<br />

Kooperation mit der<br />

Konrad-Adenauer-Stiftung<br />

ausgerichtet hatten,<br />

spüren namhafte Autoren der Frage nach,<br />

was da<strong>für</strong> verantwortlich ist, dass Wunsch<br />

und Wirklichkeit derart auseinander klaffen.<br />

Unterschiedlich in Stil und Konzeption<br />

beschreiben sie die bevölkerungsund<br />

familienpolitischen, die wirtschaftlichen,<br />

gesellschaftlichen und sozialen Herausforderungen,<br />

vor denen die Gesellschaft<br />

angesichts der bestehenden und<br />

weiter zunehmenden Kinderlosigkeit<br />

steht, und zeigen Lösungen <strong>für</strong> ihre Bewältigung<br />

auf.<br />

Gegliedert ist das durchweg lesenswerte<br />

Werk in vier Teile. Der erste unterzieht<br />

die demographische Krise einer detaillierten<br />

Analyse. Der zweite Teil fragt<br />

danach, wie der Stellenwert, den die Familie<br />

gegenwärtig in Politik und Gesellschaft<br />

besitzt, gestärkt werden kann. Der<br />

dritte blickt über den deutschen Tellerrand<br />

und beleuchtet am Beispiel Österreichs,<br />

Lettlands, Polens sowie der internationalen<br />

Politik, dass der Mangel an<br />

Kindern auch eine internationale Herausforderung<br />

darstellt. Unter der Überschrift<br />

»Familie konkret« beschreiben im vierten<br />

Teil berufstätige Frauen, wie sie Familie<br />

und Beruf vereinbaren. Der Anhang offeriert<br />

die viel beachtete familienpolitische<br />

Rede, die Bundespräsident Horst Köhler<br />

Wunsch und<br />

Wirklichkeit<br />

zu Beginn dieses Jahres beim Jahresempfang<br />

der Evangelischen Akademie in Tutzing<br />

gehalten hat. Gemeinsam ist den<br />

Autoren, dass sie viele Facetten des<br />

Problems <strong>für</strong> hausgemacht<br />

halten. So<br />

weist etwa Rainer<br />

Beckmann in einer<br />

detaillierten Analyse<br />

der geltenden rechtlichen<br />

Bestimmungen<br />

nach, dass die Familien in Deutschland<br />

sozialrechtlich nicht gefördert werden,<br />

sondern durch das<br />

Recht, welches die Kosten<br />

der Kindererziehung<br />

privatisiert, den gesellschaftlichen<br />

Mehrwert<br />

der Kindererziehung jedoch<br />

sozialisiert, vielmehr<br />

massiv benachteiligt<br />

werden.<br />

Einige der Autoren<br />

weisen in ihren Beiträgen<br />

ausdrücklich darauf<br />

hin, dass es angesichts<br />

sinkender Geburtenzahlen<br />

völlig unverständlich<br />

sei, dass der Gesetzgeber<br />

die bestehende Abtreibungsregelung<br />

<strong>für</strong> unantastbar<br />

erachte. Am<br />

deutlichsten wird der<br />

Salzburger Weihbischof Andreas Laun.<br />

In seinem Beitrag vergleicht Laun die<br />

heutige Lage plastisch mit der der Ölkrise.<br />

Während man damals sofort den Ölverbrauch<br />

eingeschränkt und zudem Überlegungen<br />

angestellt habe, wie neue Quellen<br />

erschlossen werden könnten, tue man<br />

jetzt »wo die ›Fördermengen‹ des ›Rohstoffes<br />

Kind‹ dramatisch gesunken sind,<br />

das Gegenteil: Die Verhinderung und<br />

Vernichtung des ›Rohstoffes Kind‹, der<br />

so dringend benötigt wird, geht ungebremst<br />

weiter, wird teilweise sogar staatlich<br />

gefördert, und man wagt es nicht,<br />

den ursächlichen Zusammenhang zwischen<br />

Kindermangel und Abtreibung<br />

auch nur zu denken (...).«<br />

Mit »Kindern: Wunsch und Wirklichkeit«<br />

ist ein Buch gelungen, das kompetent,<br />

interdisziplinär und in nahezu umfassender<br />

Weise Gründe und Folgen<br />

des demographischen Wandels beleuchtet.<br />

Stefan Rehder<br />

Rainer Beckmann, Mechthild Löhr, Stephan Baier (Hrsg.):<br />

Kinder: Wunsch und Wirklichkeit – Kinder und<br />

Familien in einer alternden Gesellschaft. Sinus-Verlag,<br />

Krefeld 2006. 304 Seiten. 14,<strong>80</strong> EUR.<br />

31


32<br />

KURZ VOR SCHLUSS<br />

Expressis verbis<br />

»<br />

Wir wollen die Parteien des Deutschen<br />

Bundestags dazu bringen, sich darauf zu<br />

einigen, nur das Thema medizinische Indikation<br />

anzupacken und sich selber dazu zu<br />

verpflichten, den Rest des Paragraphen 218<br />

ungeschoren zu lassen.«<br />

Der Präsident der Bundesärztekammer Jörg-<br />

Dietrich Hoppe in einem Interview mit dem<br />

Deutschen Ärzteblatt.<br />

» Angesichts der direkten Vernichtung des<br />

Menschen darf es weder Kompromisse<br />

noch Ausflüchte geben; man darf nicht denken,<br />

dass eine Gesellschaft wirksam Kriminalität<br />

bekämpfen kann, wenn sie selbst<br />

das Verbrechen am ungeborenen Leben<br />

legalisiert.«<br />

Papst Benedikt XVI. in einer Ansprache an die<br />

Teilnehmer der Internationalen Konferenz<br />

»Stammzellen und die Zukunft der Therapie –<br />

wissenschaftliche Aspekte und bioethische Probleme«,<br />

die vom 14.-16. September in Rom<br />

stattfand.<br />

» Man kann die fatale Bedeutung des Kampfes<br />

<strong>für</strong> die Legalisierung der Abtreibung gar<br />

nicht hoch genug einschätzen, wenn man<br />

sich mit dem Feminismus beschäftigt. Denn<br />

es ging dabei ja nicht nur um die Straffreiheit<br />

des Schwangerschaftsabbruchs, es ging<br />

auch darum, ihn als harmlos herunterzuspielen,<br />

als sei das nur wie ein Zahnarztbesuch.<br />

(...) Heute ist nicht die Abtreibung ein<br />

Politikum, sondern die Erforschung der Folgen.«<br />

Eva Herman, TV-Moderatorin und Buchautorin<br />

in ihrem Buch »Das Eva-Prinzip – Für eine neue<br />

Weiblichkeit«.<br />

» Es ist wichtig, den Frauen – wenn die Umstände<br />

dies erlauben – ausdrücklich Mut<br />

auszusprechen, ja zum eigenen Kind zu<br />

sagen. Deshalb begrüßen wir auch ausdrücklich,<br />

dass auch diejenigen Beratungsstellen<br />

finanziell gefördert werden, die keinen<br />

Beratungsschein, der eine Abtreibung<br />

ermöglicht, ausstellen.«<br />

Claudia Ravensburg, frauenpolitische Sprecherin<br />

der CDU-Landtagsfraktion, Anfang Oktober im<br />

Hessischen Landtag.<br />

Tops & Flops<br />

Mit einem Kommentar, der<br />

an Klarheit nichts zu wünschen<br />

übrig lässt, hat sich der<br />

Bischof von Fulda, Bischof<br />

Heinz Josef Algermissen, am 19. September<br />

anlässlich des so genannten Spitzengesprächs<br />

zum Thema Spätabtreibungen<br />

öffentlich zu Wort gemeldet. An dem<br />

Tag, an dem sich in Berlin die Fraktionschefs<br />

von Union und SPD mit dem<br />

Vorsitzenden des Rats der Evangelischen<br />

Kirchen in Deutschland (EKD), Wolfgang<br />

Huber, und dem<br />

Vorsitzenden der<br />

Deutschen Bischofskonferenz,<br />

Karl Kardinal<br />

Lehmann, trafen,<br />

schrieb Algermissen<br />

in der katholischen<br />

Zeitung<br />

»Die Tagespost«<br />

unter anderem:<br />

»Wenn auch auf der politischen Ebene<br />

die Chancen einer gesetzlichen Neufassung<br />

zum späten Schwangerschaftsabbruch,<br />

das heißt die Rechtsgrundlage der<br />

Spätabtreibungen zu überprüfen, äußerst<br />

gering sind, wird sich jedoch unsere Kirche<br />

mit dieser hingenommenen Praxis niemals<br />

abfinden. Politik und Gesellschaft, die<br />

solche Form der Selektion von Menschenleben<br />

sprachlos akzeptieren, müssen damit<br />

rechnen, dass die Kirche nicht aufhört,<br />

das Evangelium des Lebens zu verkünden.<br />

Sie fordert, über das Problem der Spätabtreibungen<br />

hinaus die gesamte Abtreibungsregelung<br />

wieder auf den Prüfstand<br />

zu stellen. Diese Regelung ist auf der<br />

ganzen Linie gescheitert.« reh<br />

ARCHIV<br />

Alter schützt vor Torheit<br />

nicht. Doch dürfte der <strong>80</strong>jährige<br />

italienische Staatspräsident<br />

Giorgio Napolitano,<br />

der als Modernisierer der Kommunistischen<br />

Partei Italiens (PCI) gilt<br />

und maßgeblich an deren Umwandlung<br />

in die sozialdemokratische DS (Democratici<br />

di Sinistra) beteiligt war, gewusst<br />

haben, was er tat, als er eine parlamentarische<br />

Debatte über die Zulassung der<br />

Sterbehilfe in Italien forderte. Mit seinem<br />

Ansinnen hatte<br />

Napolitano auf einen<br />

offenen Brief<br />

reagiert, den der<br />

an Muskeldystrophie<br />

erkrankte<br />

Piergiorgio Welby<br />

an ihn gerichtet<br />

hatte und der<br />

Bischof Algermissen zuvor in der Ta- Giorgio Napolitano<br />

ARCHIV<br />

geszeitung»Corriere della Sera« veröffentlicht worden<br />

war. Nach den Einlassungen Napolitanos<br />

heizte der TV-Sender Raitre die losgetretene<br />

Debatte weiter an und strahlte die<br />

Dokumentation einer 1995 vollzogenen<br />

Euthanasie aus. Der in den Niederlanden<br />

gedrehte Film löste schon bei der Erstausstrahlung<br />

eine heftige Kontroverse<br />

aus – obwohl die Sterbeszene des 62jährigen<br />

Protagonisten vorsorglich herausgeschnitten<br />

worden war. In Italien<br />

wurden nun auch diese Bilder gezeigt.<br />

Wenn sich <strong>Lebensrecht</strong>ler in Italien nun<br />

gezwungen sehen, sich auch diesem Thema<br />

zu widmen, wird es – wie üblich –<br />

heißen, eine so ernste Frage dürfe nicht<br />

emotionalisiert werden. reh<br />

LebensForum <strong>80</strong>


Aus dem Netz gefischt<br />

Dass Themen wie Tod und Sterben<br />

immer häufiger in den Fokus des öffentlichen<br />

Interesses rücken, dürfte in einer<br />

alternden Gesellschaft kaum jemanden<br />

verwundern. Und da der Tod nun einmal<br />

zum Leben gehört, ist eine wachsende<br />

Auseinandersetzung mit den Fragen rund<br />

um das Lebensende auch durchaus zu<br />

begrüßen. Gleichwohl ist<br />

vielerorts eine gewisse<br />

Orientierungslosigkeit zu<br />

spüren, wenn plötzlich<br />

wieder vom Tod und Sterben<br />

die Rede ist. Kein<br />

Wunder, nachdem diese<br />

Themen jahrzehntelang<br />

an den Rand gedrängt<br />

wurden.<br />

Wer nun Orientierung<br />

sucht oder anderen geben will, dem kann<br />

jetzt ein neues Informationsportal der<br />

»InteressenGemeinschaft Kritische Bioethik<br />

Deutschland« empfohlen werden.<br />

Unter www.sterbehilfe-debatte.de finden<br />

Internetnutzer umfangreiche Informationen<br />

zu Themen wie Patientenverfügung,<br />

menschenwürdige Pflege, Sterbebegleitung,<br />

Hospizarbeit contra Sterbehilfe<br />

und Palliativmedizin versus Euthanasie.<br />

www.sterbehilfe-debatte.de<br />

»Deutschland. Das von morgen« (8)<br />

Das Deutschland von morgen wird<br />

vermutlich ganz ohne Robbenpelze und<br />

Omega3-Öle auskommen. Der Ausschuss<br />

<strong>für</strong> Ernährung, Landwirtschaft<br />

und Verbraucherschutz zeigte sich schockiert<br />

über Berichte von der kanadischen<br />

Robbenjagd. Dabei würden vor<br />

allem Jungtiere im Alter von drei Wochen<br />

bis zu einem Jahr zunächst brutal<br />

erschlagen und dann mit Enterhaken<br />

an Bord gezogen. Nun wollen die Abgeordneten<br />

einen Einfuhrstopp verhängen.<br />

Laut der Grünen-Politikerin Bärbel<br />

Höhn gäbe es gute Chancen <strong>für</strong> einen<br />

parteiübergreifenden Konsens.<br />

Dem Vernehmen nach will die SPD<br />

bei den anstehenden Beratungen auf<br />

das so genannte Insel-Argument verzichten.<br />

In der Stammzelldebatte hatten<br />

SPD-Politiker noch argumentiert,<br />

Deutschland sei keine Insel, weshalb<br />

Der wöchentlich aktualisierte Pressespiegel<br />

ermöglicht einen raschen Überblick<br />

über die Berichterstattung der Medien.<br />

Eine umfangreiche Sammlung von<br />

Gesetzestexten und Diskussionsvorlagen<br />

aus dem Parlament, Stellungnahmen und<br />

Positionspapiere von Experten sowie zahlreiche<br />

Literaturempfehlungen und Rezensionen<br />

bieten die<br />

Möglichkeit, sich tiefer<br />

mit der Materie vertraut<br />

zu machen.<br />

Last but not least<br />

können über das Portal<br />

zahlreiche Adressen von<br />

Verbänden und Vereinen<br />

sowie von Einrichtungen<br />

ermittelt<br />

werden, die praktische<br />

Hilfe leisten – etwa Hospize und palliativmedizinische<br />

Dienste. Trotz der wenig<br />

anspruchsvollen Grafik überzeugt das<br />

Portal durch Inhaltsdichte und eine einfache<br />

Benutzerführung. Wer gezielt Informationen<br />

zu einem bestimmten Themenbereich<br />

sucht, wird die Domain<br />

ebenso zu schätzen wissen, wie derjenige,<br />

der sich einen Überblick über die verschiedenen<br />

Themenfelder verschaffen<br />

will. reh<br />

ein generelles Import-Verbot <strong>für</strong> embryonale<br />

Stammzellen, <strong>für</strong> die im Ausland<br />

menschliche Embryonen getötet<br />

werden, wirkungslos sei. Der CDU-<br />

Politiker Peter Hintze ließ unbestätigten<br />

Berichten zufolge durchblicken, er<br />

wolle im Bundestag nicht auf die nachgewiesene<br />

essentielle Bedeutung von<br />

Omega3-Ölen <strong>für</strong> die Gesundheit hinweisen.<br />

In der Stammzelldebatte hatte<br />

Hintze noch geäußert, es sei ein »Gebot<br />

der Menschlichkeit« mit embryonalen<br />

Stammzellen zu forschen, da die Chance<br />

bestehe, dass sich mit ihnen Krankheiten<br />

heilen ließen. Die FDP, die sich in<br />

der Stammzelldebatte stets <strong>für</strong> eine<br />

»Forschung ohne Fesseln« stark gemacht<br />

hatte, ließ wissen, obwohl es unter<br />

ihren Wählern überdurchschnittlich<br />

viele Jäger gebe, sei die »Jagdfreiheit«<br />

nicht grenzenlos. Stefan Rehder<br />

KURZ & BÜ NDIG<br />

Ausstellung: Tödliche Medizin<br />

Unter dem Titel »Tödliche Medizin: Rassenwahn<br />

im Nationalsozialismus« zeigt das Deutsche<br />

Hygiene-Museum Dresden noch bis 24.<br />

Juni 2007 eine Ausstellung des United States<br />

Holocaust Memorial Museums. Die Ausstellung,<br />

die erstmals außerhalb der USA gezeigt<br />

wird, beleuchtet die Vernichtung der Juden<br />

im Zusammenhang mit den Euthanasie-Verbrechen<br />

der Nazis. Laut dem Aussteller ist<br />

die Thematik auch von »aktueller Relevanz«.<br />

So verdeutlichten anhaltende rechtsradikale<br />

Bestrebungen in Deutschland die Notwendigkeit<br />

einer intensiven Auseinandersetzung mit<br />

der Geschichte, dokumentiere die Ausstellung<br />

einen wichtigen Bezugspunkt <strong>für</strong> aktuelle<br />

ethische Debatten, so über die Folgen einer<br />

anwendungsorientierten Genforschung, die<br />

Anerkennung von Menschen mit Behinderung<br />

und der Definition von Leben und Tod im Zusammenhang<br />

mit Sterbehilfe. reh<br />

Adulte Stammzellen gegen Krebs<br />

Die Behandlung mit adulten Stammzellen hat<br />

im Tierversuch die Nebenwirkungen von Strahlentherapien<br />

gegen Krebs gelindert. Auf dem<br />

25. Jahreskongress der Europäischen Gesellschaft<br />

<strong>für</strong> Radioonkologie in Leipzig berichteten<br />

Forscher über entsprechende Tests an Mäusen<br />

und Ratten. So habe etwa eine Untersuchung<br />

der Universität Groningen gezeigt, dass sich<br />

die Strahlennebenwirkungen in der Schleimhaut<br />

und der Haut durch den Einsatz adulter<br />

Stammzellen reduzieren ließe. Auch eine<br />

Studie der TU Dresden zeige, dass Nebenwirkungen<br />

reduziert würden. Zudem erhöhe sich<br />

die Strahlentoleranz von Mäusen, wenn diese<br />

vor oder während der Bestrahlung eine Knochenmarkspende<br />

erhielten. Forscher hoffen<br />

nun, dass sich Tumore künftig besser behandeln<br />

ließen, wenn sich dieser Effekt auch<br />

beim Menschen nachweisen lasse, da dann<br />

die Strahlendosis erhöht werden könne. reh<br />

Abgeordnete fragen nach<br />

Die Fraktion »Die Linke« hat eine Kleine Anfrage<br />

(Drucksache 16/2756) an die Regierung<br />

zur Entwicklung öffentlicher Aufwendungen<br />

<strong>für</strong> die Stammzellforschung gestellt. Die Parlamentarier<br />

wollen wissen, welche Projekte<br />

in Deutschland seit 2004 von der Deutschen<br />

Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen<br />

von Normalverfahren, in Sonderforschungsprogrammen<br />

oder durch Unterstützung von<br />

Forschergruppen gefördert wurden. Weiter<br />

wird gefragt, welche Projekte vom Bundesforschungsministerium<br />

gefördert und welche<br />

Projekte von außeruniversitären Einrichtungen<br />

durchgeführt wurden, die vom Bund gefördert<br />

werden. reh<br />

LebensForum <strong>80</strong> 33


»Homo homini lupus« - »Der Mensch<br />

ist dem Menschen ein Wolf«. Dieser Satz<br />

von Plautus kam mir in den Sinn, als ich<br />

das neue LebensForum zur Hand nahm.<br />

Und wie wahr: Die Titelgeschichte von<br />

Stefan Rehder zeigt eindrucksvoll, dass<br />

Sie mit Ihrem Titelbild wieder einmal<br />

richtig liegen, wenngleich es durchaus<br />

auch »schocken« kann – auf heilsame<br />

Weise. Was mir be-<br />

sonders imponiert,<br />

ist, dass die Autoren<br />

von LebensForum<br />

weder Furcht vor<br />

großen Namen zu<br />

kennen scheinen,<br />

noch parteipolitisch<br />

festgelegt sind. Von<br />

Anwälten <strong>für</strong> das<br />

Leben darf man<br />

zwar erwarten, dass<br />

sie sich <strong>für</strong> die Sache<br />

einsetzen, ganz<br />

gleich, wer sie verrät<br />

und aus welchen<br />

Gründen. Dennoch<br />

möchte ich Ihnen<br />

meinen Dank da<strong>für</strong><br />

aussprechen, dass Sie so sorgfältig hinter<br />

die Kulissen blicken und das, was andere<br />

lieber im Dunkeln lassen, ans Licht holen.<br />

Weil sie darin nicht nachlassen, ist die<br />

Lektüre von LebensForum <strong>für</strong> mich<br />

immer mit einem Zugewinn an Realität<br />

verbunden, selbst wenn diese sich oft<br />

schmerzlicher ausnimmt als man dies<br />

eigentlich wahrhaben möchte.<br />

Heinrich Mellein, Köln<br />

34<br />

LESERFORUM<br />

»Heilsam«<br />

Plautus<br />

ARCHIV<br />

Im Freundes- und Bekanntenkreis<br />

höre ich oft, zum Thema<br />

Lebensschutz sei längst alles<br />

gesagt. Sie zeigen mit jeder Ausgabe<br />

neu, dass davon keine Rede<br />

sein kann. Herzlichen Dank <strong>für</strong><br />

die tiefen Einblicke, die etwa die<br />

aufrüttelnden Beiträge über den<br />

Lebensschutz in Europa und Lateinamerika<br />

ermöglichen.<br />

Alexandra Baumann, Berlin<br />

»Entsetzlich«<br />

Ihrem Anliegen, die Abtreibung als<br />

Mord erkennbar zu machen, stimme ich<br />

voll zu. Meine Frage ist, ob die Gestaltung<br />

Ihrer Zeitschrift LebensForum dazu beiträgt<br />

– oder ob die Gestaltung Menschen,<br />

an sich am Thema Interessierte davon<br />

abhält, das Heft zu öffnen. Material, durch<br />

das etwas vermittelt werden soll, muss<br />

»verlockend« sein. Die Abbildungen auf<br />

den ersten Seiten von »LebensForum«<br />

Nr. 77, 78, und 79 sind das nicht. Der<br />

Kritik von Dr. Stephan H. Rank in Nr.<br />

77 über das Titelbild schließe ich mich<br />

an. (...) Der Blick auf den Fleischwolf ist<br />

entsetzlich. Das Bild soll etwas Grauenhaftes<br />

aussagen, womit es Recht hat. Doch<br />

eine solche Aussage sollte auch als Bild<br />

anschaubar sein. (...) Ich habe erlebt, dass<br />

diese Bilder abstoßend wirkten. Ich finde<br />

sie geschmacklos – wie auch die »Witzzeichnungen««<br />

unter »Tops & Flops«.<br />

Hermenegilde von Weichs, Münster<br />

Unglaubwürdig<br />

Die Diskussion der Menschenrechts-<br />

Organisation »amnesty international«<br />

darüber, ob Abtreibung ein Menschenrecht<br />

sein soll, ist an Absurdität kaum zu<br />

überbieten. In einem Selbstporträt auf<br />

der Homepage der Organisation heißt<br />

es: »Auf Grundlage der Allgemeinen Erklärung<br />

der Menschenrechte wendet sich<br />

ai gegen schwer wiegende Verletzungen<br />

der Rechte eines jeden Menschen auf<br />

Meinungsfreiheit, auf Freiheit von Diskriminierung<br />

sowie auf körperliche und<br />

HOPI-MEDIA<br />

geistige Unversehrtheit.« Wie dieser<br />

Grundsatz mit der Forderung eines Menschenrechts<br />

auf Abtreibung vereinbar sein<br />

soll, bleibt wohl das Geheimnis von Irene<br />

Khan. Setzte die Generalsekretärin sich<br />

wirklich durch, so würde »amnesty international«<br />

jede Glaubwürdigkeit verlieren.<br />

Denn was ist die Tötung eines ungeborenen<br />

Menschen anderes, als eine schwerwiegende<br />

Verletzung seines Rechts auf<br />

körperliche Unversehrtheit?<br />

Johannes Schwedhelm, Aachen<br />

Ausgehöhlt<br />

Als Österreicherin bin ich zwar froh,<br />

dass wenigstens unsere Forschungsministerin<br />

Elisabeth Gehrer erneut Flagge<br />

gezeigt hat <strong>für</strong> das Leben, mich schaudert<br />

aber bei dem Gedanken, dass die Europaparlamentarier<br />

und Forschungsminister<br />

sich mehrheitlich von der Unantastbarkeit<br />

des Lebens verabschiedet haben. Durch<br />

die Finanzierung der Forschung an em-<br />

Elisabeth Gehrer (l.) mit Annette Schavan<br />

bryonalen Stammzellen ist der Geschäftemacherei<br />

mit dem Leben Tür und Tor<br />

geöffnet – ist den handelnden Personen<br />

eigentlich bewusst, dass auch sie am Anfang<br />

ihres Lebens kleine Embryonen<br />

waren? Der Katholische Familienverband<br />

Österreichs, dessen steirische Diözesanvorsitzende<br />

ich bin, und die Föderation<br />

der Katholischen Familienverbände in<br />

Europa sind in Lebensschutzfragen in<br />

engem Kontakt mit der Europäischen<br />

Bischofskonferenz COMECE, doch wo<br />

sind die christdemokratischen Politiker<br />

– der großen EU-Länder, wenn es um<br />

den Respekt vor der unantastbaren Würde<br />

des Lebens geht?<br />

Embryonenzerstörung und Abtreibung<br />

des jungen Lebens haben ihr Pendant am<br />

Ende des Lebens in der Euthanasie –<br />

müssen wir be<strong>für</strong>chten, dass der nächste<br />

Schritt Experimente an und Geschäfte<br />

mit Sterbenden sind? Oder sind wir auch<br />

da schon mittendrin?<br />

Sissi Potzinger, Vorsitzende des Kath. Familienverbandes<br />

Steiermark<br />

LebensForum <strong>80</strong>


IMPRESSUM<br />

IMPRESSUM<br />

LEBENSFORUM<br />

Ausgabe Nr. <strong>80</strong>, 4. Quartal 2006<br />

ISSN 0945-4586<br />

Verlag<br />

<strong>Aktion</strong> <strong>Lebensrecht</strong> <strong>für</strong> <strong>Alle</strong> (ALfA) e.V.<br />

Ottmarsgäßchen 8, 86152 Augsburg<br />

Tel.: 08 21 / 51 20 31, Fax: 08 21 / 15 64 07<br />

www.alfa-ev.de, Email: info@alfa-ev.de<br />

Herausgeber<br />

<strong>Aktion</strong> <strong>Lebensrecht</strong> <strong>für</strong> <strong>Alle</strong> e.V.<br />

Bundesvorsitzende Dr. med. Claudia Kaminski (V.i.S.d.P.)<br />

Kooperation<br />

Ärzte <strong>für</strong> das Leben e.V. – Geschäftsstelle<br />

z.H. Frau Dr. Bärbel Dirksen<br />

Ludwig-Schüsselerstr. 29, 64678 Lindenfels<br />

Tel.: 0 62 54 / 4 30, E-Mail: dr.b.dirksen@gmx.de<br />

www.aerzte-fuer-das-leben.de<br />

Treffen Christlicher <strong>Lebensrecht</strong>-Gruppen<br />

Stitzenburgstraße 7, 70182 Stuttgart<br />

Tel.: 0711 - 232232, Fax: 0711 - 2364600<br />

E-Mail: info@tclrg.de, Internet: www.tclrg.de<br />

Redaktionsleitung<br />

Stefan Rehder, M.A., Dr. phil. nat. Andreas Reimann<br />

Redaktion<br />

Veronika Blasel, M.A.,Alexandra Linder, M.A.,<br />

Dr. med. Maria Overdick-Gulden, Prof. Dr. med. Ingolf Schmid-<br />

Tannwald (Ärzte <strong>für</strong> das Leben e.V.)<br />

Anzeigenverwaltung<br />

<strong>Aktion</strong> <strong>Lebensrecht</strong> <strong>für</strong> <strong>Alle</strong> (ALfA) e.V.<br />

Ottmarsgäßchen 8, 86152 Augsburg<br />

Tel.: 08 21 / 51 20 31, Fax: 08 21 / 15 64 07<br />

www.alfa-ev.de, E-Mail: info@alfa-ev.de<br />

Satz / Layout<br />

Rehder Medienagentur, Aachen<br />

www.rehder-agentur.de<br />

Auflage<br />

6.500 Exemplare<br />

Anzeigen<br />

Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 5 vom 1.01.2003<br />

Helfen Sie Leben retten!<br />

Erscheinungweise<br />

Vierteljährlich, Lebensforum Nr. 81 erscheint am 26.02.2007,<br />

Redaktionsschluss ist der 26.01.2007<br />

Jahresbezugspreis<br />

12,- EUR (<strong>für</strong> ordentliche Mitglieder der ALfA und der Ärzte <strong>für</strong><br />

das Leben im Beitrag enthalten)<br />

<strong>Aktion</strong> <strong>Lebensrecht</strong> <strong>für</strong> <strong>Alle</strong> (ALfA) e.V.<br />

Ottmarsgäßchen 8, 86152 Augsburg<br />

Telefon (08 21) 51 20 31,Fax (08 21) 156407, http://www.alfa-ev.de<br />

Spendenkonto: Augusta-Bank eG (BLZ 720 900 00), Konto Nr. 50 40 990<br />

� Ja, ich abonniere die Zeitschrift Lebensforum <strong>für</strong> 12,– € pro Jahr.<br />

Herzlich laden wir Sie ein, unsere ALfA-Arbeit durch Ihre Mitgliedschaft zu unterstützen.<br />

Bankverbindung<br />

Augusta-Bank<br />

Konto Nr. 50 40 990 - BLZ 720 900 00<br />

Spenden erwünscht<br />

Druck<br />

Reiner Winters GmbH<br />

Wiesenstraße 11, 57537 Wissen<br />

www.rewi.de<br />

Titelbild<br />

Rehder Medienagentur<br />

www.rehder-agentur.de<br />

Das Lebensforum ist auf umweltfreundlichem chlorfrei gebleichtem<br />

Papier gedruckt.<br />

Mit vollem Namen gekennzeichnete Artikel geben nicht unbedingt<br />

die Meinung der Redaktion oder der ALfA wieder und stehen in<br />

der Verantwortung des jeweiligen Autors.<br />

Fotomechanische Wiedergabe und Nachdruck – auch<br />

auszugsweise – nur mit schriftlicher Genehmigung der Redaktion.<br />

Für unverlangt eingesandte Beiträge können wir keine Haftung<br />

übernehmen. Unverlangt eingesandte Rezensionsexemplare<br />

werden nicht zurückgesandt. Die Redaktion behält sich vor,<br />

Leserbriefe zu kürzen.<br />

� Ja, ich unterstütze die <strong>Aktion</strong> <strong>Lebensrecht</strong> <strong>für</strong> <strong>Alle</strong> (ALfA) e.V. als ordentliches Mitglied mit einem festen Monatsbeitrag. Der Bezug<br />

des Lebensforums ist im Beitrag schon enthalten. Die Höhe des Beitrages, die ich leisten möchte, habe ich angekreuzt:<br />

� 12,– € jährlich <strong>für</strong> Schüler, Studenten und Arbeitslose<br />

� 20,– € jährlich Mindestbeitrag<br />

� _________ € jährlich freiwilliger Beitrag.<br />

Meine Adresse<br />

Name<br />

Straße, Nr.<br />

PLZ, Ort<br />

Freiwillige Angaben<br />

Geboren am<br />

Telefon<br />

Religion Beruf<br />

� Um Verwaltungskosten zu sparen und weil es <strong>für</strong> mich bequemer ist, bitte ich Sie, meine Beiträge jährlich von meinem Konto<br />

einzuziehen:<br />

Institut Konto.-Nr. BLZ<br />

Datum, Unterschrift<br />

Mitgliedsbeiträge und Spenden sind steuerlich abzugsfähig!


LETZTE SEITE<br />

Fehlerhaft<br />

Nicht jeder kann sich über das neue<br />

Elterngeld freuen. Vor allem schwangere<br />

Frauen ohne Einkommen stehen ab<br />

kommendem Jahr schlechter da als zuvor.<br />

Von Sebastian Sander<br />

Ab 1. Januar 2007 gibt es das neue<br />

Elterngeld. Das von Bundesfamilienministerin<br />

Ursula von der<br />

Leyen (CDU) gegen massive Widerstände<br />

auch aus den eigenen Reihen durchgesetzte<br />

Elterngeld löst das bisherige Erziehungsgeld<br />

ab, das noch <strong>für</strong> Kinder gezahlt<br />

wird, die bis zum 31. Dezember das Licht<br />

der Welt erblicken. Eltern, deren Jahresnettoeinkommen<br />

nicht mehr als 30.000<br />

Euro überstieg, sicherte das Erziehungsgeld<br />

zwei Jahre lang staatliche Zuschüsse<br />

in Höhe von 300 Euro pro Monat.<br />

Doch damit ist zum Jahreswechsel<br />

Schluss. Denn von dem neuen Elterngeld<br />

profitieren künftig vor allem Gutverdienende.<br />

Anders als das Erziehungsgeld<br />

handelt es sich beim Elterngeld jedoch<br />

»Das Elterngeld wird vielen ungeborenen<br />

Kindern das Leben kosten«<br />

um eine Lohnersatzleistung, deren Höhe<br />

sich am bisherigen Einkommen des betreuenden<br />

Elternteils orientiert.<br />

Eltern, deren Kinder ab dem 1. Januar<br />

2007 geboren werden, erhalten zwölf<br />

Monate lang 67 Prozent des entfallenen<br />

Netto-Einkommens, maximal 1.<strong>80</strong>0 Euro<br />

pro Monat. Unterbricht auch der andere<br />

Elternteil die Berufstätigkeit und widmet<br />

sich stattdessen der Betreuung und Erziehung<br />

des Kindes, wird das Elterngeld<br />

zwei weitere Monate gezahlt. Gutverdienende<br />

Paare, die die Maximalförderung<br />

des Elterngeldes voll ausschöpfen können,<br />

erhalten über den Zeitraum von 14 Monaten<br />

auf diese Weise 25.200 Euro.<br />

Mütter und Väter ohne Einkommen,<br />

wie etwa so genannte Vollzeit-Mütter<br />

oder -Väter, Studierende oder Arbeitslosengeld<br />

II-Empfänger, müssen sich dagegen<br />

mit 300 Euro pro Monat bescheiden.<br />

PIXELQUELLE.DE<br />

Gegenüber dem Erziehungsgeld büßen<br />

sie mit dem neuen Elterngeld im zweiten<br />

Lebensjahr des Kindes die früher gewährten<br />

staatlichen Hilfen mit einer Höhe<br />

von insgesamt 3.600 Euro ein.<br />

Für Frauen, die überraschend schwanger<br />

geworden sind, stellt diese neue Regelung<br />

ein Problem dar. »<strong>Alle</strong>in in den<br />

vergangenen Wochen haben wir über<br />

zehn Studentinnen beraten, die abtreiben<br />

Hat noch gut lachen: Seinen Eltern sicherte das Erziehungsgeld 7.200 Euro<br />

wollen, weil ihre Kinder erst Anfang<br />

nächsten Jahres zur Welt kommen würden<br />

und sie somit unter die Regelung des<br />

neuen Elterngeldes fallen«, zitierte »Focus<br />

online« kürzlich die Bundesvorsitzende<br />

der <strong>Aktion</strong> <strong>Lebensrecht</strong> <strong>für</strong> <strong>Alle</strong> (ALfA),<br />

Claudia Kaminski.<br />

Denn laut Kaminski fühlten sich Frauen<br />

ohne Einkommen als Verliererinnen<br />

des neuen Gesetzes. »Es ist ein Skandal,<br />

dass arme Mütter ab Januar 2007 auf die<br />

Hälfte des bisherigen Erziehungsgeldes<br />

verzichten müssen, damit gutverdienende<br />

Postvertriebsstück B 42890 Entgelt bezahlt<br />

Deutsche Post AG (DPAG)<br />

<strong>Aktion</strong> <strong>Lebensrecht</strong> <strong>für</strong> <strong>Alle</strong> e.V. (ALfA)<br />

Ottmarsgässchen 8, 86152 Ausgburg<br />

Paare bis zu 25.200 Euro Elterngeld einstreichen<br />

können«, so die ALfA-Bundesvorsitzende,<br />

die <strong>für</strong>chtet, dass das neue<br />

Elterngeld »viele ungeborenen Kinder<br />

das Leben kosten wird«.<br />

Wie Kaminski berichtet, seien durch<br />

die »Gehsteigberatung« von Frauen direkt<br />

vor Abtreibungseinrichtungen, bei<br />

der sich die ALfA personell und finanziell<br />

engagiert, die sozialen Ausgaben des ge-<br />

meinnützigen Vereins im ersten Halbjahr<br />

2006 dramatisch gestiegen. Die so genannte<br />

Gehsteigberatung zeige, dass die<br />

»Zusage finanzieller Hilfe und persönlicher<br />

Begleitung viele Frauen vom Gang<br />

in die Abtreibungseinrichtung abhalten<br />

können«, so Kaminski. Wolle man nun<br />

noch die mit dem Elterngeld verbundene<br />

Kürzung der Familienförderung <strong>für</strong> Frauen<br />

ohne Einkommen kompensieren, sei<br />

die ALfA »auf viel mehr Spenden als<br />

bisher angewiesen«, so Kaminski weiter.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!