Was ist ein Pflegekind? - Landesjugendamt des Landes Brandenburg
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<strong>Was</strong> <strong>ist</strong> <strong>ein</strong> <strong>Pflegekind</strong>?<br />
Ein „<strong>Pflegekind</strong>“ (Vollzeitpflege/über Tag und Nacht, im Unterschied zu Tagespfle-<br />
ge/tagsüber) hält sich zur Pflege und Erziehung in <strong>ein</strong>er Familie außerhalb <strong>des</strong> El-<br />
ternhauses auf. Das (Pflege-)Kind lebt vorübergehend oder langfr<strong>ist</strong>ig in <strong>ein</strong>er ande-<br />
ren Familie anstatt bei s<strong>ein</strong>en leiblichen Eltern.<br />
Kurzer Blick auf die H<strong>ist</strong>orie<br />
<strong>Pflegekind</strong>er gibt es schon seit dem Mittelalter, als im Rahmen der Entwicklung <strong>ein</strong>es<br />
Armenwesens Findel- und Waisenkinder in Familienpflege und Anstaltserziehung un-<br />
tergebracht wurden. Da es <strong>ein</strong>e hohe Säuglingssterblichkeit gab, brachte man Säug-<br />
linge zu <strong>ein</strong>er Ziehmutter oder Amme. Kranke und schwache Kinder wurden in Fami-<br />
lien auf dem Land untergebracht. Auch Armenkinder aus schlechten Familienverhält-<br />
nissen oder zur Entlastung von kinderreichen Armen kamen durch Entscheidungen<br />
von Obrigkeiten in Pflegestellen.<br />
Ende <strong>des</strong> 18. Jahrhunderts stand die Arbeitserziehung der Kinder im Mittelpunkt der<br />
Erziehungsbemühungen und es gab so genannte „Kostkinder“, für die aufnehmende<br />
Familien finanzielle Unterstützung erhielten. Die Aufsicht war nur unzureichend gere-<br />
gelt, so dass es zu schwierigen Lebenssituationen der „<strong>Pflegekind</strong>er“ kam, die häufig<br />
ausgebeutet und misshandelt wurden.<br />
In Deutschland wurde 1922 durch Verabschiedung <strong>des</strong> Reichsjugendwohlfahrtgeset-<br />
zes (RJWG), in dem erstmalig die Organisation von Jugendämtern als Fachbehörden<br />
für Jugendhilfe festgelegt wurde, die <strong>Pflegekind</strong>eraufsicht dem Jugendamt übertra-<br />
gen: „§ 3, Aufgaben <strong>des</strong> Jugendamtes sind: 1. Der Schutz der <strong>Pflegekind</strong>er ....“.<br />
Diese Aufgabe lag in den Händen der Familienfürsorge, neben zahlreichen anderen<br />
Aufgaben, in <strong>ein</strong>er Zeit der wirtschaftlichen Notlage und den Folgen <strong>des</strong> Ersten Welt-<br />
krieges.<br />
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1939 wurde in den Jugendämtern das „Führerprinzip“ <strong>ein</strong>geführt und die freien Ver-<br />
bände von der Mitarbeit in der Jugendhilfe ausgeschlossen. Die Jugendämter wur-<br />
den entsprechend den Ortgruppenbereichen der NSDAP (Nationalsozial<strong>ist</strong>ische<br />
deutsche Arbeiterpartei) in Wohlfahrtsbezirke gegliedert.<br />
Für den <strong>Pflegekind</strong>erschutz wurde zusätzlich zum Jugendamt die Nationalsozial<strong>ist</strong>i-<br />
sche Volkswohlfahrt (NSV) als Nachfolgerin der Freien Wohlfahrtsverbände <strong>ein</strong>ge-<br />
schaltet. Sie übernahm insbesondere die Prüfung und Beaufsichtigung der Pflege-<br />
stellen sowie die Vorbereitung der Pflegestellen für ihre Aufgaben. Die Pflegeeltern<br />
mussten geeignet und willens s<strong>ein</strong>, das <strong>Pflegekind</strong> nationalsozial<strong>ist</strong>isch zu erziehen.<br />
Juden oder mit Juden Verheiratete durften k<strong>ein</strong>e <strong>Pflegekind</strong>er betreuen.<br />
Situation in den alten Bun<strong>des</strong>ländern/Nachkriegszeit – 1990<br />
In der Nachkriegszeit wurden Kinder vorrangig in Heimen untergebracht, <strong>ein</strong>ige Kin-<br />
der, die „pflegestellenreif“ oder „heimmüde“ waren, kamen in Pflegefamilien. Me<strong>ist</strong><br />
waren die Kinder hospitalisiert, da die Kinderheime überfüllt und von heutigen päda-<br />
gogischen Qualitätsmaßstäben in der Regel weit entfernt waren. Die Pflegefamilien<br />
waren dadurch häufig mit der Betreuung der Kinder überfordert und scheiterten an<br />
ihrer schwierigen Aufgabe. Viele Kinder gingen wieder in Heim<strong>ein</strong>richtungen zurück.<br />
Ende der 60er bis in die 70er Jahre wurde im Rahmen der Kritik an der damaligen<br />
Praxis der Heimerziehung („Heimkampagne“), vermehrt auf die Unterbringung von<br />
Kindern in Familien gesetzt. Fachlich gab es <strong>ein</strong>e stetige Weiterentwicklung und Im-<br />
pulse zur Qualifizierung <strong>des</strong> Pflegestellenbereiches.<br />
In den 80er Jahren entwickelte sich im Zusammenhang mit dem Bun<strong>des</strong>modellpro-<br />
jekt <strong>des</strong> Deutschen Jugendinstitutes (DJI) „Beratung im <strong>Pflegekind</strong>erbereich“ <strong>ein</strong>e<br />
fachliche Kontroverse, die sich für Pflegestellen verkürzt auf die Begriffe „Ersatzfami-<br />
lie“ (psychoanalytisch begründet) und „Ergänzungsfamilie“ (systemische Sichtweise)<br />
reduzieren lässt. Aus Sicht der <strong>Pflegekind</strong>er bedeutet es, dass im ersten Fall die<br />
Pflegefamilie als Ersatz für die Herkunftsfamilie fungiert und die Kinder <strong>ein</strong>e „zweite<br />
Chance“ durch den Aufbau von Bindungen zur Pflegefamilie erhalten oder aber die<br />
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Pflegefamilie als Ergänzung zur Ursprungsfamilie Sozialisationsaufgaben übernimmt,<br />
der Erhalt der Bindungen zur Ursprungsfamilie und die Zusammenarbeit mit ihnen<br />
wesentlich bleibt und <strong>ein</strong>e Rückführung zu den leiblichen Eltern erfolgen soll, wenn<br />
dies möglich und im Interesse <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> <strong>ist</strong>. Als dritter Schwerpunkt hat sich die<br />
Einbeziehung der Ergebnisse der Bindungsforschung innerhalb der fachlichen Ent-<br />
wicklung herauskr<strong>ist</strong>allisiert. Diese inhaltlich unterschiedlichen Schwerpunkte prägen<br />
den Pflegestellenbereich.<br />
Situation in der DDR/Nachkriegszeit – 1990<br />
In der DDR regelte § 35 der Jugendhilfeverordnung vom 03. März 1966 die Erzie-<br />
hung Minderjähriger in fremden Familien, „die sich in Durchführung von Maßnahmen<br />
der Organe der Jugendhilfe in <strong>ein</strong>er anderen als der ihrer Eltern befinden.“ Die Un-<br />
terbringung erfolgte über <strong>ein</strong>e Anordnung <strong>des</strong> örtlichen Jugendhilfeausschusses (er-<br />
fahrene Bürgerinnen und Bürger, me<strong>ist</strong> aus dem pädagogischen und medizinischen<br />
Bereich, Leitung durch das Referat Jugendhilfe). Es konnten Pflegschaften oder<br />
Vormundschaften angeordnet oder das Erziehungsrecht übertragen werden (möglich<br />
bei Großeltern oder Elternteilen).<br />
Die Richtlinie Nr. 4 <strong>des</strong> Zentralen Jugendhilfeausschusses der DDR (er unterstand<br />
dem Min<strong>ist</strong>erium für Volksbildung) vom 30.10.1970 legte Grundsätze für die Siche-<br />
rung <strong>des</strong> Lebensweges elternloser (Vollwaisen) und familiengelöster Minderjähriger<br />
(Eltern haben k<strong>ein</strong> Erziehungsrecht und/oder k<strong>ein</strong>en Kontakt) fest. Diese sollten vor-<br />
rangig bei Angehörigen, Bekannten oder Bürgern aus ihrem bisherigen Lebenskreis,<br />
an erster Stelle bei den Großeltern untergebracht werden. Erst wenn das nicht mög-<br />
lich war, sollte die Unterbringung in <strong>ein</strong>er fremden Familie erfolgen. Monatliche Pfle-<br />
gezuschüsse und <strong>ein</strong>malige Zuschüsse waren möglich. Es bestand aber k<strong>ein</strong> An-<br />
spruch darauf.<br />
Eine Heimunterbringung war nach dieser Richtlinie nur gerechtfertigt, wenn kurzfris-<br />
tig k<strong>ein</strong>e geeignete Familie zur Verfügung stand, um Geschw<strong>ist</strong>ertrennung zu ver-<br />
meiden, oder wenn aufgrund von physischen oder psychischen „Mängeln“ die Ver-<br />
mittlung <strong>des</strong> Minderjährigen in <strong>ein</strong>e Familie nur erschwert möglich war.<br />
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Die Jugendhilfekommissionen auf der örtlichen Ebene hatten u.a. die Aufgabe, ge-<br />
eignete Familien für die Aufnahme elternloser und familiengelöster Minderjähriger zu<br />
gewinnen, die Aufsicht über die Erziehung Minderjähriger in fremden Familien aus-<br />
zuüben, Weisungen zu erteilen und Verpflichtungen aufzuerlegen. Die Mitglieder der<br />
Jugendhilfekommmissionen setzten sich aus ehrenamtlich tätigen Jugendhelfern aus<br />
unterschiedlichen Berufen zusammen. Sie wurden durch Organe der Jugendhilfe<br />
(zuständige Bereichsjugendfürsorger) <strong>des</strong> Kreises, Stadtkreises oder Stadtbezirkes<br />
angeleitet.<br />
Trotz dieser fachlichen Vorgaben lebte in der DDR die Mehrzahl der fremdunterge-<br />
brachten Kinder in Heimen der Jugendhilfe.<br />
Die Entwicklung nach 1990<br />
Nach dem Zusammenbruch der DDR und der Ver<strong>ein</strong>igung von BRD und DDR trat für<br />
die alten und neuen Bun<strong>des</strong>länder das Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG/SGB<br />
VIII), zunächst am 01.10.1990 in den neuen Bun<strong>des</strong>ländern und am 01.01.1991 in<br />
den alten Bun<strong>des</strong>ländern in Kraft. Dieses Gesetz formuliert <strong>ein</strong>en individuellen<br />
Rechtsanspruch der Personensorgeberechtigten auf <strong>ein</strong>e „Hilfe zur Erziehung“,<br />
„wenn <strong>ein</strong>e dem Wohle <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> oder <strong>des</strong> Jugendlichen entsprechende Erziehung<br />
nicht gewährle<strong>ist</strong>et <strong>ist</strong> und die Hilfe für s<strong>ein</strong>e Entwicklung geeignet und notwendig<br />
<strong>ist</strong>.“<br />
Als <strong>ein</strong>e dieser Hilfen wird die Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege beschrieben. Sie<br />
soll Kindern und Jugendlichen in <strong>ein</strong>er anderen Familie <strong>ein</strong>e zeitlich befr<strong>ist</strong>ete Erzie-<br />
hungshilfe oder <strong>ein</strong>e auf Dauer angelegte Lebensform bieten.<br />
Wie wird <strong>ein</strong> Kind <strong>ein</strong> <strong>Pflegekind</strong>?<br />
Die Unterstützungs- und Hilfemöglichkeiten innerhalb der Jugendhilfe (u.a. mit der<br />
Verabschiedung <strong>des</strong> Kinder- und Jugendhilfegesetzes/SGB VIII) haben dazu geführt,<br />
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dass immer mehr Familien ambulante Erziehungshilfen erhalten können, mit denen<br />
<strong>ein</strong> Verbleib von Kindern bei ihrer Familie erreicht werden kann. Dass Kinder den-<br />
noch nicht mit ihren leiblichen Eltern zusammenleben, kann verschiedene Gründe<br />
haben. Die Voraussetzung <strong>ein</strong>er Unterbringung außerhalb <strong>des</strong> Elternhauses <strong>ist</strong>, dass<br />
<strong>ein</strong>e dem „Wohl <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong>“ entsprechende Erziehung in s<strong>ein</strong>er bisherigen Lebens-<br />
situation nicht ausreichend gewährle<strong>ist</strong>et <strong>ist</strong>. Ausgangspunkt <strong>ist</strong> häufig <strong>ein</strong>e Krisensi-<br />
tuation in der Herkunftsfamilie, die <strong>ein</strong>e befr<strong>ist</strong>ete oder längerfr<strong>ist</strong>ige Unterbringung<br />
<strong>ein</strong>es Kin<strong>des</strong> in <strong>ein</strong>er anderen Familie erforderlich macht. Die Hintergründe können<br />
z.B. s<strong>ein</strong>:<br />
• Überforderung der Eltern<br />
• Drogenabhängigkeit, Suchtverhalten<br />
• Psychische Erkrankungen<br />
• Vernachlässigung, Misshandlung, sexueller Missbrauch<br />
• Inhaftierung<br />
• Besondere Belastungssituationen, wie Krankheit, Scheidung/Trennung, Arbeitslo-<br />
sigkeit etc.<br />
• Ablehnung <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong><br />
• und vieles andere mehr ...<br />
<strong>Pflegekind</strong>er leben mit zwei Familien. Das <strong>Pflegekind</strong> <strong>ist</strong> und bleibt leibliches Kind<br />
s<strong>ein</strong>er Eltern, faktisch lebt es mit und in <strong>ein</strong>er anderen Familie, der Pflegefamilie. Zur<br />
Herkunftsfamilie, zu den Eltern, aber auch zu Geschw<strong>ist</strong>ern, ggf. Großeltern oder<br />
andern Verwandten bestehen (wenn sie wichtige Bezugspersonen darstellen) bis auf<br />
wenige Ausnahmen mehr oder minder regelmäßige Kontakte. Bei <strong>ein</strong>er konkreten<br />
Rückführungsplanung sind umfangreiche persönliche Kontakte erforderlich, bei sehr<br />
kl<strong>ein</strong>en Kindern mehrmals wöchentlich oder sogar täglich.<br />
Gibt es viele <strong>Pflegekind</strong>er?<br />
2004 wurden in der BRD 10.617 junge Menschen neu in Pflegefamilien unterge-<br />
bracht. Der Anteil der Verwandten bei Pflegefamilien beträgt 13,3%. 6,65 % der Pfle-<br />
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gekinder sind nicht deutscher Herkunft. Das Verhältnis der Vollzeitpflege zur Heim-<br />
unterbringung bei Fremdunterbringungen <strong>ist</strong> in den Bun<strong>des</strong>ländern sehr unterschied-<br />
lich, es schwankt zwischen 17,3% Vollzeitpflege zu 82,7% Heimunterbringungen und<br />
42,9% Vollzeitpflege zu 57,1% Heimunterbringungen. Von den 10.617 neu vermittel-<br />
ten <strong>Pflegekind</strong>ern gehörten 46,2% der Altersgruppe 0-6 Jahre und 26,6 % der Alters-<br />
gruppe 6-12 Jahre an. Die Anzahl der neuen Heimunterbringungen lagen im Jahr<br />
2004 bei insgesamt 26.937 (Zahlen <strong>des</strong> Stat<strong>ist</strong>ischen Bun<strong>des</strong>amtes).<br />
Wie lange bleiben sie?<br />
Die Dauer <strong>des</strong> Aufenthaltes in der Pflegefamilie richtet sich nach dem Bedarf <strong>des</strong><br />
Kin<strong>des</strong>, bzw. s<strong>ein</strong>er Eltern. Diesen Bedarf der Unterstützung in der Erziehung ihres<br />
Kin<strong>des</strong> können die Eltern nach Klärung im Jugendamt als Hilfe zur Erziehung nach<br />
dem SGB VIII (§27 ff) beantragen. Ein anderer Weg der Fremdunterbringung <strong>ein</strong>es<br />
Kin<strong>des</strong> geht über <strong>ein</strong>e Entscheidung <strong>des</strong> Familiengerichtes (in der Regel auf Initiative<br />
<strong>des</strong> Jugendamtes), das Eltern die Elterliche Sorge, das Personensorgerecht oder<br />
Teile <strong>des</strong> Personensorgerechtes entziehen kann, wenn Eltern trotz umfangreichen<br />
Bedarfs an Unterstützung bei der Erziehungsle<strong>ist</strong>ung, Hilfen nicht annehmen, ob-<br />
wohl <strong>ein</strong>e Gefährdung <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong>wohls vorliegt (§§ 1666, 1666a BGB), und darauf-<br />
hin <strong>ein</strong> Vormund oder Pfleger Entscheidungskompetenzen übertragen bekommt.<br />
Die Dauer <strong>des</strong> Aufenthaltes <strong>des</strong> <strong>Pflegekind</strong>es <strong>ist</strong> abhängig von nachhaltig veränder-<br />
ten Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie, der Qualität der Bindungen und<br />
Beziehungen <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> zur Herkunfts- und Pflegefamilie, manchmal dem Kin<strong>des</strong>-<br />
willen und insbesondere der Erreichung der Ziele, die im Hilfeplanverfahren innerhalb<br />
<strong>des</strong> Jugendamtes mit allen Beteiligten formuliert und umgesetzt werden (SGB VIII §<br />
36, § 37).<br />
<strong>Pflegekind</strong>er bringen ihre eigene Geschichte und ihre Mangelerlebnisse, teilweise<br />
traumatische Erfahrungen, häufig unsicheres Bindungsverhalten, schwierige Verhal-<br />
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tensweisen und Erfahrungen aus ihrer Familie mit, die sich sehr von den Familien<br />
unterscheidet, die <strong>ein</strong> Kind als Pflegefamilie aufnehmen.<br />
Wohin gehen sie?<br />
Kinder, die in Pflegefamilien untergebracht wurden, gehen in ihre Herkunftsfamilie<br />
zurück, wenn die Bedingungen sich so verändert haben, dass ihre Grundbedürfnisse<br />
dort wieder nachhaltig ausreichend erfüllt werden können und gewachsene Bindun-<br />
gen zu den Pflegeeltern dem nicht entgegenstehen.<br />
<strong>Pflegekind</strong>er können auch in <strong>ein</strong>e andere Pflegefamilie wechseln, wenn die Unter-<br />
bringung befr<strong>ist</strong>et war (Kurzpflege oder Familiäre Bereitschaftsbetreuung) und <strong>ein</strong><br />
längerfr<strong>ist</strong>iger Aufenthalt außerhalb der Herkunftsfamilie erforderlich wird, oder die<br />
bisherige Pflegefamilie den Bedarf <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> nicht ausreichend abdecken kann. Ein<br />
Wechsel in <strong>ein</strong>e Heim<strong>ein</strong>richtung kann sich unter Umständen auch während <strong>ein</strong>es<br />
Pflegeverhältnisses als die richtige Form der Hilfe herausstellen. In manchen Fällen<br />
<strong>ist</strong> <strong>ein</strong>e Unterbringung bei Verwandten sinnvoll.<br />
Viele <strong>Pflegekind</strong>er bleiben bis zu ihrer Verselbständigung in ihren Pflegefamilie. Es<br />
kann, als erster Schritt zur Verselbständigung, <strong>ein</strong> Wechsel als Jugendliche/r in <strong>ein</strong>e<br />
betreute Wohnform (Jugendwohngem<strong>ein</strong>schaft oder Betreutes Einzelwohnen) s<strong>ein</strong>,<br />
<strong>ein</strong> Umzug in <strong>ein</strong>e eigene Wohnung, oder, oft bei behinderten <strong>Pflegekind</strong>ern <strong>ein</strong><br />
Wechsel in <strong>ein</strong>e betreute Wohnform für behinderte Erwachsene.<br />
<strong>Was</strong> <strong>ist</strong> der Unterschied zwischen Pflege- und adoptierten Kindern?<br />
<strong>Pflegekind</strong>er sind Kinder, die zeitlich befr<strong>ist</strong>et oder auf Dauer in <strong>ein</strong>er anderen Fami-<br />
lie leben. Die Unterbringung <strong>ist</strong> <strong>ein</strong>e Jugendhilfemaßnahme und wird vom Jugendamt<br />
durch die Bezahlung der Pflegefamilie (Unterhaltskosten und Kosten der Erziehung;<br />
SGB VIII §§ 39,40 ) finanziert. Die Herkunftsfamilie <strong>ist</strong> in die Hilfeplanung <strong>ein</strong>gebun-<br />
den, es finden Kontakte zum Kind, zur Pflegefamilie und zum Jugendamt statt. Das<br />
<strong>Pflegekind</strong> <strong>ist</strong> an der Hilfeplanung beteiligt und weiß über s<strong>ein</strong>en Status als Kind mit<br />
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zwei Familien Bescheid. Bis auf wenige Ausnahmen durch <strong>ein</strong>e Namensgebung der<br />
Pflegeeltern behält das Kind s<strong>ein</strong>en ursprünglichen Familiennamen.<br />
Adoptierte Kinder erhalten gesetzlich <strong>ein</strong>e neue Familie, sie sind mit ihrer Herkunfts-<br />
familie nicht mehr verwandt. Dennoch <strong>ist</strong> es für die Identitätsentwicklung <strong>des</strong> adop-<br />
tierten Kin<strong>des</strong> erforderlich, Informationen über s<strong>ein</strong>e Herkunft zu erhalten. Im Rah-<br />
men <strong>ein</strong>er „offenen Adoption“ können sogar Kontakte <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> zu s<strong>ein</strong>en Her-<br />
kunftseltern stattfinden. Die Adoptiveltern können im Rahmen <strong>des</strong> Adoptionsverfah-<br />
rens den Vornamen neu bestimmen, der Nachname ergibt sich durch den Familien-<br />
namen der Adoptivfamilie. Im Jahre 2004 wurden insgesamt 5.064 junge Menschen<br />
adoptiert.<br />
Verwandte Kinder als <strong>Pflegekind</strong>er?<br />
Kinder können <strong>ein</strong>erseits durch <strong>ein</strong>e Entscheidung der Eltern im Rahmen ihrer Elter-<br />
lichen Sorge (hier: Aufenthaltsbestimmungsrecht) bei Verwandten kurz- oder langfris-<br />
tig untergebracht werden. Dies kann bei <strong>ein</strong>em Verwandtschaftsverhältnis bis zum<br />
„Dritten Grad“ (z.B. Grosseltern, Tante oder Onkel) ohne Beteiligung oder Einbezie-<br />
hung <strong>des</strong> Jugendamtes umgesetzt werden. Andererseits besteht auch die Möglich-<br />
keit, dass Verwandte <strong>ein</strong> <strong>Pflegekind</strong> betreuen, welches <strong>ein</strong>er „Hilfe zur Erziehung“<br />
(SGB VIII) in <strong>ein</strong>er Pflegefamilie bedarf. Ausschlaggebend hierbei <strong>ist</strong> neben der Be-<br />
darfs- die Eignungsfeststellung der Pflegefamilie durch das Jugendamt oder durch<br />
sie beauftragte freie Träger. Verwandte können im Einzelfall also durchaus die im<br />
Folgenden aufgeführten verschiedenen Pflegestellenformen bei der Betreuung, Ver-<br />
sorgung und Erziehung <strong>ein</strong>es verwandten Kin<strong>des</strong> übernehmen, wenn die o.g. Vor-<br />
aussetzungen vorliegen.<br />
Pflegestellenformen<br />
Innerhalb der Bun<strong>des</strong>republik haben sich in den Bun<strong>des</strong>ländern teilweise verschie-<br />
dene Vollzeitpflegestellenformen mit unterschiedlichen Begriffen etabliert:<br />
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• Kurzzeitpflege, Befr<strong>ist</strong>ete Vollzeitpflege<br />
Wenn absehbar <strong>ist</strong>, dass leibliche Eltern die Betreuung ihres Kin<strong>des</strong> in <strong>ein</strong>em an-<br />
gemessenen Zeitraum wieder übernehmen können.<br />
• Vollzeitpflege auf Dauer, Dauerpflege<br />
Wenn leibliche Eltern die Betreuung und Erziehung voraussichtlich langfr<strong>ist</strong>ig<br />
nicht wieder übernehmen können.<br />
• Pflegestellen für besonders entwicklungsbe<strong>ein</strong>trächtigte Kinder (§ 33 Satz 2 SGB<br />
VIII)<br />
Wenn Kinder in ihrer Entwicklung stark be<strong>ein</strong>trächtigt, traumatisiert sind, erhebli-<br />
che Verhaltensauffälligkeiten haben, Persönlichkeitsstörungen aufweisen etc. be-<br />
nötigen sie <strong>ein</strong>e Betreuung durch Pflegepersonen mit besonderen Kompetenzen<br />
und fachlichen Kenntnissen.<br />
• Familiäre Bereitschaftsbetreuung FBB), Bereitschaftspflege<br />
Professionelle Betreuung von <strong>Pflegekind</strong>ern für <strong>ein</strong>en befr<strong>ist</strong>eten Zeitraum (oft mit<br />
besonderer Finanzierung); kurzfr<strong>ist</strong>ige Aufnahme <strong>ein</strong>es Kin<strong>des</strong> in akuten Krisensi-<br />
tuationen aufgrund <strong>ein</strong>er Inobhutnahme durch das Jugendamt und Unterbringung<br />
„bei <strong>ein</strong>er geeigneten Person“ (§ 42 SGB VIII); es handelt sich um <strong>ein</strong>e vorläufige<br />
Schutzmaßnahme ohne vorhergehende Hilfeplanung und wird vorrangig umge-<br />
setzt bei Kindern, die aufgrund ihres Alters (Säuglinge und Kl<strong>ein</strong>kinder) und Kin-<br />
dern oder Jugendlichen, die aufgrund ihrer spezifischen Situation <strong>ein</strong>er familiären<br />
Betreuung bedürfen.<br />
• Teilstationäre Familienpflege (Betreuung tagsüber)<br />
Intensive pädagogische Unterstützung <strong>ein</strong>es Kin<strong>des</strong> oder Jugendlichen tagsüber<br />
mit begleitender Elternarbeit zur Sicherung <strong>des</strong> Verbleibs in der Familie (§ 32<br />
SGB VIII)<br />
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