Schätze des Aga Khan Museum - Aga Khan Development Network

Schätze des Aga Khan Museum
Meisterwerke der islamischen Kunst

»Kulturen offenbaren und artikulieren sich über ihre Kunst.«
Seine Hoheit Prinz Aga Khan IV.
»Civilizations manifest and express themselves through their art.«
His Highness the Aga Khan IV.
Das Sammeln islamischer Kunst gehört seit Jahrzehnten zur Familien-
tradition des Aga Khan. Vor allem Seine Hoheit Prinz Karim Aga
Khan IV. trug maßgeblich zu der herausragenden Sammlung bei, die
in naher Zukunft im Aga Khan Museum in Toronto, Canada, untergebracht
werden soll. Es war dem Aga Khan ein großes Anliegen,
dem europäischen Publikum seine Schätze in einem besonderen Rahmen
zu präsentieren, bevor die Objekte nach Nordamerika überführt
werden. In Berlin wird die bislang umfangreichste und vollständigste
Ausstellung seiner Sammlung gezeigt.
Umschlagbild: Haftwad und der Wurm.
Ausschnitt aus Kat. Nr. 166.
Text aus dem Banner links oben im Bild:
»Es war so, dass dieses glückliche Mädchen
Einen Wurm, den der Wind vom Baum geworfen hatte,
Auf dem Weg erblickte und schnell aufhob –
Höre nun diese erstaunliche Geschichte.«
(Übersetzung aus dem Persischen von Stephan Popp)

Schätze des Aga Khan Museum

Schätze des Aga Khan Museum
Meisterwerke der islamischischen Kunst
Martin-Gropius-Bau, Berlin
17. März bis 6. Juni 2010
AGA KHAN TRUST FOR CULTURE
Der Martin-Gropius-Bau wird gefördert durch:
aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages
Eine Ausstellung des Aga Khan Trust for Culture
und des Martin-Gropius-Bau
Berliner Festspiele
Joachim Sartorius
Berliner Festspiele
Intendant
Gereon Sievernich
Martin-Gropius-Bau
Direktor
Sekretariat
Sandra Müller, Anna Shigwedha
Aga Khan Trust for Culture (AKTC)
Luis Monreal
Generaldirektor
Benoît Junod
Museums- und Ausstellungsdirektor

Schätze des Aga Khan Museum
Meisterwerke der islamischen Kunst

Ausstellung im Martin-Gropius-Bau
Kurator
Benoît Junod,
Aga Khan Trust for Culture, Genf
Ausstellungsgestaltung
scala Günter Krüger
Ausstellungsmanagement
Sabine Hollburg
Filippa Carlini
Mitarbeit: Julia Wagner
Konservatorische Betreuung
Stéphane Ipert, Centre de Conservation
du Livre, Arles
Silke Schröder, Berlin
Rüdiger Tertel, Berlin
Kommunikation, Presse
und Öffentlichkeitsarbeit
Aga Khan Trust for Culture:
Celia von Bismarck
Ute Schmoock
Martin-Gropius-Bau:
Susanne Rockweiler
Katrin Mundorf
Ellen Clemens
Mitarbeit: Karoline Czech
Artpress – Ute Weingarten, Marie Skov
Technisches Büro
Bert Schülke
Norbert Hiersick
André Merfort
Saleh Salman
Thorsten Seehawer
Michael Wolff
Vertrieb
Carlos Rodriguez
Katalog
Herausgeber
Verena Daiber und Benoît Junod
Wissenschaftliche Beratung
Ladan Akbarnia
Alnoor Merchant
Fernando Valdés
Autoren
Ladan Akbarnia
Michael Barry
Sheila Canby
Azim Nanji
Fernando Valdés
Objektbeschreibungen
Ladan Akbarnia LA
Monique Buresi MB
Sheila Canby SC
Moya Carey MC
Annabelle Collinet AC
Verena Daiber VD
Aimée Froom AF
Carine Juvin CJ
Sophie Makariou SM
Charlotte Maury CM
Alnoor Merchant AM
Stephan Popp SP
David J. Roxburgh DR
Fernando Valdés FV
Übersetzung aus dem Englischen
Verena Daiber
Fachlektorat
Eva-Maria Al-Habib Nmeir
Fotos
Gérald Friedli, Genf
Alan Tabor, London
Bildnachweise
Lorenz Korn, Bamberg: S. 86, 148
Henri Stierlin, Genf: S. 58, 190, 228
akg-images / Bildarchiv Monheim: S. 244
akg-images / Gérard Degeorge: S. 72, 138, 164
akg-images / Werner Forman: S. 90, 108
akg-images / Andrea Jemolo: S. 114, 124
Verlagslektorat
Dorothea Musiol
Balthasar Haußmann
Gestaltung
Jonas Maron, Berlin
Repro
Bild1Druck GmbH, Berlin
Druck und Bindung
Tlačiarne BB, Slovakia
© 2010 Nicolaische Verlagsbuch
handlung GmbH, Berlin
und Berliner Festspiele
© der Texte bei den Autoren
© der Fotos bei den Fotografen
Alle Rechte vorbehalten
ISBN 978-3-89479-603-7
Unter www.nicolai-verlag.de können
Sie unseren Newsletter abonnieren,
der Sie über das Programm und aktuelle
Neuerscheinungen des Nicolai Verlags
informiert.
Der Fundación »la Caixa« gilt unser Dank
für die Bereitstellung fast aller Katalogabbildungen
in druckfertigem Format.

Die Autoren
Ladan Akbarnia Geschäftsführende Direktorin der Iran Heritage Foundation, London
Michael Barry Professor für islamische Kulturen am Department of Near Eastern
Studies der Princeton University
Monique Buresi Archivarin der Abteilung für Islamische Kunst am Musée
du Louvre, Paris
Sheila Canby Oberkustodin der Abteilung für Islamische Kunst am Metropolitan
Museum of Art, New York
Moya Carey Kustodin der Iranischen Sammlungen am Victoria and Albert Museum, London
Annabelle Collinet Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Abteilung für Islamische Kunst
am Musée du Louvre, Paris
Verena Daiber Dozentin für Arabistik, islamische Kunst und Archäologie am Institut
für Sprachen und Kulturen des Vorderen Orients der Otto-Friedrich-Universität Bamberg
Aimée Froom ehem. Kustodin für islamische Kunst am Brooklyn Museum, New York
und Dozentin für islamische Kunst
Carine Juvin Kustodin der Abteilung für Islamische Kunst am Musée du Louvre, Paris
Sophie Makariou Direktorin der Abteilung für Islamische Kunst am Musée
du Louvre, Paris
Charlotte Maury Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Abteilung für Islamische Kunst
am Musée du Louvre, Paris
Alnoor Merchant Leiter der Bibliothek des Institute of Ismaili Studies, London
Azim Nanji Stellvertretender Direktor des Abbasi Program in Islamic Studies an der
Stanford University
Stephan Popp Dozent für Iranistik am Institut für Sprachen und Kulturen
des Vorderen Orients der Otto-Friedrich-Universität Bamberg
David J. Roxburgh Professor für islamische Kunstgeschichte des Aga Khan Program
for Islamic Architecture (AKPIA) am Department of History of Art and Architecture
der Harvard University, Cambridge MA
Fernando Valdés Professor für Archäologie an der Universidad Autónoma de Madrid
Wir danken Prinzessin Catherine Aga Khan für die Leihgabe der Objekte unter den
Katalognummern 20, 24, 32, 103, 104, 105 und 143.

Inhalt
9
11
13
14
17
21
25
31
59
73
87
91
Vorwort
Joachim Sartorius, Gereon Sievernich
Einführung
Seine Hoheit Prinz Aga Khan IV.
Museen als kollektives Gedächtnis und kultureller Speicher
Stefan Weber
Karte der islamischen Welt
Die Erscheingsvielfalt des Islam in einem einmaligen Museum
Luis Monreal
Der historische Kontext
Azim Nanji
Einführung in die islamische Kunst
Sheila Canby
DAS WORT GOTTES
Der Koran
Sheila Canby
Pilgerfahrt und Gebet
Sheila Canby
Mystik
Sheila Canby
DER WEG DER REISENDEN
Von Cordoba nach Damaskus
Der Blick auf den Orient
Fernando Valdés
Al-Andalus: Der Orient im Westen
Fernando Valdés

109
115
125
139
149
153
165
191
229
245
272
273
274
280
282
Ägypten und Syrien
Ladan Akbarnia
Die Fatimiden
Sheila Canby
Die Mamluken
Ladan Akbarnia
Anatolien und die Osmanen
Sheila Canby
DER WEG DER REISENDEN
Von Bagdad nach Delhi
Der iranisierte Osten und die Herrschertradition
Michael Barry
Mesopotamien
Ladan Akbarnia
Der Iran im Mittelalter
Ladan Akbarnia
Die Safawiden
Sheila Canby
Die Zand und die Kadscharen
Sheila Canby
Indien und die Moguln
Sheila Canby
Umschriften
Die islamischen Dynastien
Zeittafel
Glossar
Literatur

Vorwort
Joachim Sartorius, Berliner Festspiele, Intendant
Gereon Sievernich, Martin-Gropius-Bau, Direktor
Gayumars Hof
Bildausschnitt Kat. Nr. 163
Prinz Karim Aga Khan IV. ist einer der bedeutendsten
Sammler islamischer Kunst. Seine
große und wertvolle Sammlung wird ab
2013 in einem neu errichteten Museum in
Toronto gezeigt werden. Karim Aga Khan ist
das geistige Oberhaupt der Ismailiten, einer
islamischen Gemeinschaft mit etwa 20 Millionen
Gläubigen in vielen Teilen der Welt.
Prinz Karim Aga Khan gilt ihnen als direkter
Nachkomme des Propheten Muhammad.
Dem Martin-Gropius-Bau ist es gelungen,
die großartige Sammlung Prinz Aga Khans
für einige Monate nach Berlin zu holen und
somit erstmalig in Deutschland zu zeigen.
Die mehr als 200 Meisterwerke – illuminierte
Manuskripte und Gemälde, Zeichnungen und
Inschriften, Metallgefäße, Keramiken und
Holzarbeiten – beschreiben über 1000 Jahre
islamischer Kulturgeschichte.
Darunter sind einige der kostbarsten Werke
islamischer Kunst und Wissenschaft. Seiten
aus dem persischen Heldenepos Schahname,
dem sogenannten »Buch der Könige«
des Dichters Firdausi werden zu sehen sein –
es erschien vor 1000 Jahren zum ersten Mal.
Die Miniaturen dieser Ausgabe des Buches
zählen zu den bemerkenswertesten Stücken
der Sammlung. Als sensationell kann man
auch das älteste bekannte arabische Manuskript
des »Kanon der Medizin« bezeichnen,
das Ibn Sina – in Europa Avicenna genannt –
im Alter von 21 Jahren, etwa um das Jahr
1000, verfasst hatte. Avicennas Hauptwerk
belegt nicht nur die frühe Beschäftigung islamischer
Gelehrter mit den Naturwissenschaften,
sondern ist auch ein vorzügliches Beispiel
für den Austausch zwischen den Kulturen:
Nach seiner Übersetzung durch Gerhard von
Cremona im 12. Jahrhundert wurde es für
500 Jahre das wichtigste medizinische Lehrbuch
für alle Ärzte in Europa. Als herausragendes
Kulturgut gelten auch die Seiten
des »Blauen Korans« aus dem 9. Jahrhundert.
Auf blauen Pergamentbögen mit goldenen
Lettern im kufi schen Duktus geschrieben,
zählt es zu den kostbarsten Koranmanuskripten
der Welt. Dies sind nur einige Beispiele
aus der beeindruckenden Sammlung des Aga
Khan. Die Werke dokumentieren den überwältigenden
künstlerischen Reichtum und
die außergewöhnliche Vielfalt eines vom Islam
geprägten Kulturraumes, der sich einst
vom Maghreb und der Iberischen Halbinsel
bis nach China erstreckte.
Wir danken sehr herzlich und nachdrücklich
Prinz Karim Aga Khan für seine Bereitschaft,
die wertvollsten Schätze der Sammlung
im Martin-Gropius-Bau zu zeigen. Der
Generaldirektor der »Aga Khan Trust for
Culture« in Genf, Herr Luis Monreal, hat
mit uns in enger Kooperation dieses Vorhaben
realisiert. Ihm gilt unser besonderer
Dank ebenso wie dem Direktor der Museen
und Kurator der Ausstellung, Benoît Junod.
Sein beständiges Wirken hat uns immer wieder
ermutigt, diese Ausstellung einem großen
Publikum in Berlin zu präsentieren. Es ist für
uns in Europa sowohl angenehme Pfl icht als
auch kulturelle Herausforderung, den Reichtum
islamischer Kunst intensiver kennenzulernen
und zu würdigen. Dazu wird diese
Ausstellung mit ihren prachtvollen Schätzen
beitragen.
9

Einführung
Seine Hoheit Prinz Aga Khan IV.
Ein Prinz besucht einen Einsiedler
Bildausschnitt Kat. Nr. 41
Es freut mich ganz besonders, dass der Martin-Gropius-Bau
diese Ausstellung von Meisterwerken
islamischer Kunst aus der Sammlung
des Aga Khan Museums zeigt. Dieser
historische Bau, der die dunkelsten Kapitel
der europäischen Geschichte im 20. Jahrhundert
überdauerte und jahrzehntelang an der
Grenze innerhalb des geteilten Berlins stand,
ist heute Gastgeber unzähliger sowohl deutscher
als auch internationaler Kunstausstellungen,
die nicht nur in Deutschland, sondern
auch weltweit gezeigt werden.
Die hier gezeigte Ausstellung enthält einige
Glanzstücke, welche den Kern der ständigen
Ausstellung islamischer Kunst im zukünftigen
Aga Khan Museum in Toronto bilden
werden. Ein Modell des Museums, entworfen
von dem renommierten japanischen Architekten
Fumihiko Maki, wird ebenfalls im
Martin-Gropius-Bau gezeigt. Das Museum
wurde in erster Linie als Bildungsinstitution
auf dem Gebiet der islamischen Kunst und
Kultur konzipiert und ist in dieser Art eine
auf dem nordamerikanischen Kontinent noch
nie dagewesene Einrichtung.
Deutschland, und vor allem Berlin, ist ein
lebendiges Bespiel für einen kulturellen und
ethnischen Pluralismus, der aus den letzten
Jahrzehnten seiner Geschichte heraus entstanden
ist. Es entwickelte sich zu einem
Zielort der Hoffnungen von Menschen aus
zahlreichen Nationen auf der gesamten Welt,
ein Großteil davon Muslime. Hierher kamen
sie um in einer stabilen, demokratischen
Ge sellschaft zu arbeiten und wurden willkommen
geheißen. Heute sind sie geachte te
Mitbürger, die zum gesellschaftlichen Wohlergehen
des Landes beitragen.
Deutschland erfuhr schon immer Bewunderung
und Interesse für die Universalität
und Pluralität seiner Kultur. Die Museen,
darunter auch das großartige Museum für
Islamische Kunst in Berlin, beherbergen eine
außergewöhnliche Bandbreite von Kunstwerken.
Unsere Ausstellung beabsichtigt nicht,
sich mit diesem Schatz an islamischen Kunstwerken
zu messen. Vielmehr ist es mein
Wunsch, dass diese Ausstellung eine Ergänzung,
eine zusätzliche Entdeckung für die
Berliner Republik sei. Beide Ausstellungen
sollten zusammenwirken, um die Aufmerksamkeit
auf die Fülle, Mannigfaltig keit, geographische
Vielfalt und die künst lerischen
Errungenschaften der islamischen Kultur zu
lenken.
Die heute besorgniserregenden und gefährlichen
Spannungen zwischen der muslimischen
Welt und dem Westen lassen sich
nicht leugnen. Noch immer ist im Westen
wenig über die muslimische Welt mit ihrer
heterogenen Geschichte, ihren unterschiedlichen
Kulturen und freilich diversen Auslegungen
des Islam bekannt, noch weniger ihr
Beitrag zum globalen kulturellen Erbe. Diese
Wissenslücke ist eine dramatische Realität,
die sich gegenwärtig in vielen westlichen Demokratien
in besonders bedenklicher Weise
durch eine weit verbreitete Grundhaltung
gegenüber muslimischen Gesellschaften und
Ländern zeigt. Wie dem auch sei, es ist dringend
geboten, dass beide Welten, die muslimische
und die nicht-muslimische, der Osten
und der Westen, sich aufrichtig darum
bemühen, einander besser kennenzulernen,
denn ich befürchte, dass wir es hier nicht mit
einem »Clash of Civilisations«, sondern mit
einem Kampf der Unwissenheit auf beiden
Seiten zu tun haben.
Kulturen offenbaren und artikulieren sich
über ihre Kunst. Deshalb ist es die maßgebliche
Aufgabe von Museen, Respekt und Anerkennung
für die sozialen Strukturen, Werte
und Glaubensvorstellungen zu fördern,
welche grundlegende Bestandteile jener Gesellschaften
sind, die diese Kunst hervorbrachten.
Hiermit soll bewirkt werden, dass
ganze Bevölkerungsgruppen die Möglichkeit
erhalten, sich auf phantasievolle und intelligente
Weise kennenzulernen.
11

Museen als kollektives Gedächtnis
und kultureller Speicher
Stefan Weber, Museum für Islamische Kunst im Pergamonmuseum, Direktor
Ein junger Edelmann und ein Derwisch
im Gespräch
Bildausschnitt Kat. Nr. 39
In der Welt der islamischen Kunst hat es in
den letzten Jahren interessante Veränderungen
gegeben: Es sind nicht mehr alleine die
großen alten Museen in London, New York,
Paris oder Berlin oder die Museen in Istanbul
und Kairo, die dem Besucher Pracht und
Vielfalt islamischer Kulturen durch ihre
Sammlungen vermitteln, sondern mehr und
mehr zeigen Muslime Interesse an ihrem kulturellen
Erbe, bauen Sammlungen auf oder
stellen sie der Öffentlichkeit vor. Der Aga
Khan Trust for Culture ist mit seiner Wanderausstellung
durch Europa ein Vorreiter
dieser Entwicklung. Willkommen nun auch
in Berlin! Doch haben sich auch die gesellschaftlichen
Rahmenbedingungen geändert:
Seit der Gründung der großen Sammlungen
in Europa, den USA und im Nahen Osten im
19. und frühen 20. Jahrhundert ist ihr Publikum
ein anderes geworden. Die Öffentlichkeit
hat ein verstärktes Interesse am kulturellen
Erbe der islamischen Welt. Bei der
jüngsten Besucherbefragung im Berliner Museum
für Islamische Kunst kam deutlich der
Wunsch zum Ausdruck, mehr über geographische,
historische, politische, soziale und
auch religiöse Zusammenhänge zu erfahren.
Die Gründe dafür sind offensichtlich: Besucher
kommen ins Museum und erleben die
Dimensionen einer anderen Kultur, um Antworten
auf ihre Fragen von heute zu fi nden.
Die muslimische Welt, als einer der wichtigsten
Kulturräume überhaupt, befi ndet
sich nicht nur geographisch neben Europa
(bzw. lange mit Spanien, Sizilien und dem
Balkan auch in Europa), sondern ist kulturgeschichtlich
eng mit Europa verbunden –
denkt man z. B. an das gemeinsame Erbe der
Antike, Wissenschafts- und Philosophiegeschichte,
den Handel um das Mittelmeer,
oder auch jene kulturellen Mischzonen des
Nahen Ostens in Europa oder Europas im
Nahen Osten (z. B. Genueser in Istanbul).
Heute sind Muslime ein fester Bestandteil
unseres Alltags in Europa. Um sich der Bedeutung
muslimischer Kulturen bewusst zu
werden, muss man sich immer wieder verge-
genwärtigen, dass es sich um eine Region von
großer Ausdehnung und Vielfalt handelt.
Sozial waren muslimisch geprägte Gesellschaften
multiethnisch und multikonfessionell
(praktisch alle christlichen Konfessionen,
Juden, Parsen, Buddhisten und Hindus
lebten über die Jahrhunderte in muslimischen
Ländern). Geographisch erstreckte
sich die islamische Welt von Spanien bis nach
Südostasien; zeitlich von der Spätantike bis
in die Moderne. Museen islamischer Kunst
sind der kulturelle Speicher dieser Vielfalt:
Die Abertausend Objekte in den Depots der
Museen legen Zeugnis für die kulturellen Errungenschaften
muslimisch geprägter Gesellschaften
ab. Jedoch sind Sammlungen zur
islamischen Kunst nicht selbsterklärend und
den meisten Museen gelingt es bisher nur
unzureichend, die kulturellen Dimensionen
des Islam zu vermitteln.
Objekte berichten uns von historischen
Wirklichkeiten, die zeitlich oder geographisch
weit von uns entfernt liegen. Sie stammen
aus Häusern, Palästen, Moscheen und von
Märkten, die längst als archäologischer Schutt
unter modernen Städten begraben liegen.
Was wissen wir über die Menschen, die sie
schufen, nutzten und zum Teil vergaßen?
Wofür stand das Objekt? Einige Objekte berichten
von einer langen Wanderschaft, Bedeutungswandel
und Einordnung in neue
kulturelle Systeme. Andere wurden wegen
ihrer Schönheit in Alben gesammelt und in
Hofbibliotheken aufbewahrt. Die meisten
jedoch wurden vergessen, traten sich im Boden
der Geschichte fest und können nur
mühsam aus dem Staub versunkener Orte
geborgen werden. Mit ein wenig Kontext bilden
Objekte Brücken in diese anderen Zeiten
und Wirklichkeiten. Museen kommt somit
die Funktion der Kulturvermittlung zu.
Wir freuen uns, dass Seine Hoheit Prinz Aga
Khan IV. nun, neben unserer Sammlung im
Pergamonmuseum, mit dieser Ausstellung
im Martin-Gropius-Bau zur Kulturvermittlung
beiträgt.
13

Zahlreiche Reisende erkundeten im Mittelalter
sämtliche Gebiete der islamischen Welt. Viele
hielten die Erlebnisse ihrer Reisen in die Heiligen
Städte Mekka und Medina oder zu renommierten
Orten der Gelehrsamkeit, wie Kairo, Damaskus
und Bagdad, in Memoiren fest. Einige dieser
Berichte wurden über die Jahrhunderte tradiert
und erlangten überregio nale Bekanntheit.
Der khorasanische Universalgelehrte Nasir
Khusrau (1004 –1088) diente den Ghaznawiden
und Seldschuken, bis er im Frühjahr 1046 seinen
Posten aufgab, um die Pilgerfahrt anzutreten.
Sieben Jahre dauerte diese Reise, die ihn in den
Nordiran, durch Armenien und Aserbaidschan
und durch Syrien nach Aleppo sowie Jerusalem
führte. Drei Jahre verbrachte er anschließend in
Kairo, der Hauptstadt der Fatimiden. Seine Reiseerlebnisse
sowie die Eigenheiten einer jeden Gesellschaft
hielt er im Safarname (»Reisebericht«)
fest. Nichts entging seiner ausgeprägten Beobachtungsgabe
und Neugier: lokaler Aberglaube, ein
königliches Bankett, Wettbewerbe mit einheimischen
Dichtern, christliche Heiligtümer, Frauen
in armenischen Cafés sowie die Wunder des
Kairener Basars.
Der andalusische Reisende und Gelehrte Ibn
Jubair (1145 –1217) arbeitete als Sekretär für den
Gouverneur von Granada, bis er 1183 zur Pilgerfahrt
nach Mekka aufbrach. Von Ceuta aus reiste
er auf einem Genuesischen Schiff über Sardinien,
Sizilien und Kreta nach Alexandria. Nach längeren
Aufenthalten in Ägypten und Mekka besuchte
er Medina und reiste quer durch die Wüste nach
Kufa, Bagdad und Mosul, erkundete Aleppo und
Damaskus, um schließlich 1185 von Akko aus
über See nach Andalusien zurückzukehren. 1217
verstarb er in Alexandria auf seiner dritten und
letzten Reise. Nur die erste Fahrt ist uns in seiner
Rihla (»Reise«) überliefert. Seine tagebuchartigen
Aufzeichnungen zu Ländern und Völkern liegen
in vielen europäischen Übersetzungen vor.
Ibn Battuta (1304 –1368 oder 1377), Spross einer
Juristenfamilie aus Tanger, gilt als einer der bekanntesten
Reisenden überhaupt. Im Alter von
21 Jahren brach er mutterseelenallein nach Mekka
und Medina auf. Erst 24 Jahre später, 1349, kehrte
er nach Marokko zurück. Da hatte er etwa
120 000 Kilometer zurückgelegt und ein Gebiet
durchkreuzt, das heute über 40 Länder umfasst.
Sein Tuhfat an-nuzzar fi ghara²ib al-amsar wa-
³aja²ib al-asfar (»Kleinod für die, welche die Kuriositäten
der Städte und die Wunder des Reisens
betrachten«) enthält Beschreibungen Indiens, der
Türkei, Zentralasiens, Ost- und Westafrikas, der
Malediven und Malaysias, die eine unschätzbare
und oft die einzige Quelle zum damaligen Wissen
über diese Gebiete darstellen. AM
14
15° 0° 15°
30°
45°
Routen muslimischer Reisender
circa 1040–1354
Tanger
Granada
Fez
Timbuktu
Venedig
Rom
Trapani
Kiew
Konstantinopel
Antiochia
Marrakesch
Alexandria
Jerusalem
MALI
Niani
Route des Nasir Khusrau circa 1040
Route des Ibn Jubair 1183–1185
Route des Ibn Battuta 1325–1327
Route des Ibn Battuta 1327–1341
Umstrittene Reiseroute
Route des Ibn Battuta 1341–1354
Umstrittene Reiseroute
Schiffsuntergang
Grenzen um 1330
Djenné
HAFSIDEN
MERINIDEN
1352–54
1325–27
S a h a r a
EUROPA
Straße von
Messina
Kairo
Moskau
Schwarzes Meer
Anatolien
Damaskus
Akkon
A F R I K A
Niger
M i t t e l m
e r
1330
MAMLUKEN
Nil
R o t e s M e e r
Malindi
Mombasa
Sansibar
Kilwa
Sarai
Bagdad
Medina
Mekka
Mogadisc

chu
Bulgar
Astrachan
K a s p i s c h e s Meer
Täbris
Basra
Aden
Rayy
60° 75° 90° 105° 120° 135°
Isfahan
Merw
Sarakhs
IL-KHANAT
P e r s i s c h e r G o l f
Arabische
Halbinsel
1327–30
A S I E N
Aralsee
Hormuz
KHANAT DER
GOLDENEN HORDE
Amu Darya
Balch
Arabisches
Meer
Balchaschsee
Samarkand
Multan
Indus
TSCHAGATAI
KHANAT
1341
Delhi
Calicut
Ceylon
TIBET
Ganges
I N D I S C H E R O Z E A N
Baikalsee
Karakorum
REICH DES
GROSSKHANS (Yuan)
G o b i
C H I N A
Guangzhou
Pagan
Golf von
Bengalen Südchinesisches
Meer
Sumatra
Angkor
1346
Java
Khanbaliq
(Peking)
Hangzhou
Ostchinesisches
Meer
Quanzhou
Nördlicher
Wendekreis
15

Die Erscheinungsvielfalt des Islam
in einem einmaligen Museum
Luis Monreal, Generaldirektor, Aga Khan Trust for Culture
Eine Zusammenkunft von Derwischen
Bildausschnitt Kat. Nr. 40
Seit 2007 organisiert die Aga Khan Kulturstiftung
(Aga Khan Trust for Culture, AKTC)
Ausstellungen mit Meisterwerken islamischer
Kunst, welche bereits in mehreren europäischen
Städten zu sehen waren. Wesentliches
Ziel dieser Initiative ist es, der Öffentlichkeit
in verschiedenen Ländern – zunächst in Europa
und dann in weiteren Teilen der Welt – die
vielfältigen Aspekte der Sammlung näherzubringen,
die demnächst als ständige Ausstellung
im Aga Khan Museum in Toronto untergebracht
werden soll. Der Grundstein für den
Neubau dieses Museums ist bereits gelegt.
Es ist eine besondere Ehre, die Sammlung
des zukünftigen Aga Khan Museums in Berlin
vorstellen zu können, einer Stadt, deren
Museen seit jeher bedeutende Bestände an
islamischer Kunst gesammelt haben. Auch
wird diese Berliner Ausstellung von der zunehmend
kulturell differenzierten deutschen
Bevölkerung in besonderem Maße als eine
Möglichkeit betrachtet werden, die Reichhaltigkeit
der islamischen Kunst kennenzulernen.
Zu Recht kann man uns fragen, warum Anfang
des 21. Jahrhunderts in Nordamerika ein
Museum für islamische Kunst und Kultur
aufgebaut werden sollte. Dafür gibt es naheliegende
Gründe. Der Islam ist uns heute, aus
gesellschaftlichen und geopolitischen Gründen,
näher als zur Zeit unserer Eltern. Infolge
von Migrationsbewegungen einerseits und
der Entwicklungen im Nahen Osten nach
dem Zweiten Weltkrieg andererseits kam es
zu einer ungleich größeren Präsenz der muslimischen
Welt in unserem Alltag. Dennoch
führte dies nicht zu einem tieferen Wissen der
Kulturen umeinander. Bis heute gibt es wenig
öffentliches Interesse am Islam, seiner Geschichte,
Kultur und gesellschaftlichen Ordnung.
Wenig bekannt ist beispielsweise, dass
durch die Geschichte hindurch und über geographische
Grenzen hinweg die islamische
Welt eine variationsreiche und pluralistische
Kultur war, die den koranischen Glauben
auf verschiedene Weisen interpretierte und
eine große Bandbreite an materieller Kultur
und künstlerischen Ausdrucksformen hervorbrachte.
Über den ethnischen Pluralismus
muslimischer Gesellschaften und deren
sprachliche Vielfalt herrscht ebenfalls ein
spürbares Unwissen. So mag es eine Überraschung
sein, dass Arabisch für eine große
Anzahl der Muslime lediglich eine Mittlersprache
der Religion ist, ebenso unverständlich
wie Lateinisch für heutige Christen.
Das Aga Khan Museum hat es sich deshalb
zur Aufgabe gemacht, einen Aufklärungs-
und Bildungsauftrag zu erfüllen. Der zu erwartende
Besucherkreis des Museums wird
sich auf etwa 70 Millionen Menschen belaufen,
was der Bevölkerung entspricht, die im
Radius einer Flugstunde von Toronto bis
zum Grenzgebiet sowohl auf kanadischer
als auch US-amerikanischer Seite lebt. Um
dieses Publikum zu gewinnen und Besucher
aus weiteren Ländern anzuziehen, wird das
Museum ein lebendiges Programm von temporären
Ausstellungen entwickeln, welche
Schlaglichter auf die ständigen Sammlungen
werfen sollen. Ziel des Museums ist es,
Be sucher aller Altersgruppen sowie mit unterschiedlichstem
sozialem und kulturellem
Hintergrund zu erreichen – insbesondere,
aber bei weitem nicht nur die muslimischen
Gemeinschaften in Nordamerika. Für ein
spezielles Publikum wie Schul- und Familiengruppen,
Studenten, Wissenschaftler, Minder
heiten etc. werden fachbezogene Programme
und Aktivitäten entwickelt. Mittels
modernster Technologien wird das Mu seum
zusätzlich Millionen von Menschen weltweit
erreichen.
Das Museum in Toronto wird in einem
Bau mit etwa 10 000 Quadratmetern Fläche
beheimatet sein. Entworfen wurde es von
dem renommierten japanischen Architekten
Fumihiko Maki. Die weitläufi ge Parkanlage
um das Gebäude konzipierte der serbische
Landschaftsarchitekt Vladimir Djurovic. Als
zeitgenössische Gestalter mit einem externen
Blick auf die muslimische Kultur haben diese
beiden Architekten versucht, einen sichtbaren
Dialog mit dem pluralistischen Islam zu
17

Virtuelle Ansicht des zukünftigen
Aga Khan Museums in Toronto
Der »Persische Salon« von Prinz und
Prinzessin Sadruddin Aga Khan im
Schloss Bellerive, Genf
In großzügiger Weise schenkte Prinzessin
Catherine dem zukünftigen Aga Khan Museum
Vitrinen und Keramik aus diesem Raum, der,
wie hier zu sehen, originalgetreu nachgebaut
werden soll
schaffen, der immer für Einfl üsse aus anderen
Kulturen offen war und vielfältige künstlerische
Ausdrucksformen hervorbrachte.
Das Museum ist Teil eines größeren Rahmenkonzeptes
innerhalb des institutionellen
Auftrags des Aga Khan Trust for Culture.
Dieser fördert in erster Linie Konservierungsvorhaben
und den Wiederaufbau historischer
Stadtkerne in der islamischen Welt. Zur Verbesserung
der örtlichen Lebensbedingungen
unterstützt die Stiftung die Wiederherstellung
urbaner Gefüge, darunter die Restaurierung
von öffentlichen Plätzen, Häusern und anderen
Bauwerken. Zudem initiiert sie neue
sozio-ökonomische Entwicklungsinitiativen
in Form von Mikrokreditprogrammen, fachgerechten
Berufsausbildungen, Aktivitäten
im Gesundheits- und Erziehungswesen sowie
technischer Hilfe. Zurzeit unterhält die
Stiftung Projekte in Kairo, Delhi, Aleppo
und Damaskus, Sansibar, Timbuktu, Djenné,
Mopti, Kabul und Herat; dabei wird sie von
der öffentlichen Hand der jeweiligen Länder
unterstützt.
Ferner will der AKTC mit dem Aga Khan
Award for Architecture architektonisches
Schaffen fördern. Vor über drei Jahrzehnten
ins Leben gerufen, würdigt diese Auszeichnung
alle drei Jahre sowohl zeitgenössische
Architektur als auch Maßnahmen zur Konservierung
von Kulturerbe in der islamischen
Welt. Zudem werden das Studium und die
Erforschung der islamischen Architektur an
der Harvard University und dem Massachusetts
Institute of Technology (MIT) unterstützt.
Auch ArchNet, die größte Online-
Ressource für Architektur und Stadtplanung
in islamischen Ländern ist ein Projekt des
AKTC.
Im Kontext dieser Aktivitäten steht auch
die Gründung des Aga Khan Museum in Toronto,
aus dessen Sammlung nun in Berlin
eine kleine, repräsentative Auswahl zu sehen
ist. Das Museum wird eine maßgebliche Rolle
in der kulturellen, sozialen und pädagogischen
Politik übernehmen, welche Seine
Hoheit der Aga Khan über das Aga Khan
Development Network bzw. dessen kulturelle
Organisation, den AKTC, forciert. Kurz gesagt:
Das Museum sieht seinen Bildungsauftrag
darin, ein besseres Verständnis des Islam
als einer toleranten, pluralistischen Kultur zu
fördern, die zur Universalität von Wissen und
zum interkulturellen Dialog beigetragen hat.
19

Der historische Kontext
Azim Nanji
Firdausi und die drei
Hofdichter von Ghazna
Bildausschnitt Kat. Nr. 162
Als letzte Offenbarung in der Abraham-Tradition
entstand der Islam in den ersten Jahrzehnten
des 7. Jahrhunderts. Seine Botschaft,
verkündet in Ewigkeit, ruft die Menschen
dazu auf, in ihrem Alltag und in der Vielfalt
der Menschheit Zeichen zu suchen, die auf
den Erschaffer und Erhalter aller Schöpfung
hinweisen. Nachdem der Koran dem Propheten
Muhammad auf der Arabischen Halbinsel
offenbart worden war, verbreitete sich
seine Lehre in rascher Geschwindigkeit und
brachte in etwas mehr als einem Jahrhundert
nach ihrer Entstehung die Einwohner der
Länder Zentralasiens bis hin zur Iberischen
Halbinsel in Europa unter ihren Einfl uss.
Mit einem Viertel der Weltbevölkerung
zählt der Islam heute zu den großen Weltreligionen.
Sämtliche Muslime bekräftigen die
abso lute Einheit und Transzendenz Gottes
(tauhid) als obersten Grundsatz ihres Glaubens,
gefolgt von der göttlichen Führung
durch die von Gott auserwählten Gesandten,
deren letzter der Prophet Muhammad war.
Dieser Grundsatz wird im Glaubensbekenntnis
(arab. šahada) verkörpert und ist die
grundlegende Überzeugung aller Muslime.
In seinem Wesen beruft sich der Islam auf
die innere Anstrengung des Einzelnen, die er
alleine und im Gleichklang mit seinen Glaubensbrüdern
vollzieht, um sich im irdischen
Leben zu verpfl ichten und gleichzeitig bei der
Suche nach dem Göttlichen über sich hinauszuwachsen.
Darüber hinaus gilt es, Gutes zu
tun für Verwandtschaft, Waisen, Bedürftige
und Schutzlose, gerecht, aufrichtig, bescheiden
und tolerant zu sein und zu vergeben.
Der schiitische Islam: Die Anfänge
Im Lauf der Jahrhunderte entwickelte der
Islam unterschiedliche Ausformungen seiner
ursprünglichen Botschaft, sich Gott zu unterwerfen.
Dabei bildeten sich zwei Hauptrichtungen
aus: die Schia und die Sunna. Jede
für sich umfasst eine enorme Vielfalt spiri -
tueller Wesensarten, juristischer Besonderheiten,
sozi aler und geistiger Gesinnungen,
politischer Einheiten und Kulturen. Die
Isma³iliyya ist eine dieser Ausformungen innerhalb
der schiitischen Ausrichtung, welche
den wahren Sinngehalt der islamischem Verkündigung
zu erfassen sucht. Der Prophet
Muhammad war sowohl Empfänger als auch
Verkünder der göttlichen Offenbarung. Sein
Tod markierte das Ende der Prophetenlinie
und den Beginn einer kritischen Debatte über
die Frage der rechtmäßigen Leitung, die den
prophetischen Auftrag für kommende Generationen
fortführen sollte. Die Gruppe der
Sunniten, die die Mehrheit bildete, vertrat
im Wesentlichen die Ansicht, dass der Prophet
keinen Nachfolger bestimmt habe, da
die Offenbarung im Koran als Rechtleitung
für die Gemeinde ausreiche. Zwar hatten sich
in der Sunna verschiedene Rechtsschulen herausgebildet,
aber es bestand stillschweigende
Übereinkunft darüber, dass die spirituellmoralische
Gewalt von den ³ulama², einer
Gruppe von Experten in religiösem Recht
(šari³a), ausgeübt werden sollte. Die Rolle
des – theoretisch von der Gemeinde gewählten
– Kalifen bestand darin, Herrschaftsgebiete
zu sichern, in denen die Grundsätze
und Praktiken des Islam geschützt und propagiert
werden konnten.
Die Anhänger der bereits zu Lebzeiten des
Propheten gebildeten ši³at ³Ali oder »Partei«
des Ali waren ebenfalls der Ansicht, dass
zwar mit dem Ableben des Propheten die
Offenbarung beendet sei, dass aber der Bedarf
an spiritu eller und moralischer Führung
der Gemein de mittels kontinuierlicher Auslegung
der islamischen Offenbarung weiter bestünde.
Außerdem könne das Erbe des Propheten
Mu ham mad nur einem Mitglied seiner
eigenen Familie anvertraut werden, das der
Prophet ernannt und dem er seine Autorität
übertragen habe. Diese Person war Ali, Cousin
und Schwiegersohn des Propheten, verheiratet
mit Fatima. Ali verfocht mit Überzeugung
als erster Anhänger des Propheten
die Sache des Islam. So wie es das Vorrecht
des Propheten war, seinen Nachfolger zu bestimmen,
war es das absolute Vorrecht jedes
21

nachfolgenden Imam, seinen Nachfolger wiederum
aus der Reihe seiner männlichen Nachkommen
auszuwählen. Demnach setzt sich,
nach schiitischer Glaubenslehre, das Imamat
durch Abstammung vom Propheten
über Ali und Fatima fort.
Mit der Zeit teilte sich die Schia. Die Ismailiten
und die Gemeinschaft, die später unter
dem Namen Zwölferschia (ivna³ašari) bekannt
werden sollte, entzweiten sich über die Nachfolge
des Ja³far as-Sadiq, des Ururenkels von
Ali und Fatima. Die Zwölferschiiten schworen
as-Sadiqs jüngstem Sohn Musa al-Kazim
die Treue und nach ihm seinem direkten
Nachkommen, Muhammad al-Mahdi. Er ist
ihr zwölfter Imam, der, wie sie glauben, im
Ver borgenen lebt und zurückkehren wird,
um vollkommene Ordnung und Gerechtigkeit
herzustellen. Die Zwölferschiiten sind
heutzutage die umfangreichste schiitischmus
limische Gruppierung und bilden den
Großteil der iranischen Bevölkerung. Die Ismailiten
hingegen schlossen sich Imam Ja³far
as-Sadiqs ältestem Sohn Ismail an, von dem
sie ihren Namen ableiten. Sie führen die Reihe
der Imame in Erbfolge von Ismail zu Seiner
Hoheit dem Aga Khan, der zur Zeit der
49. Imam ist und über Ali und Fatima in direkter
Linie vom Propheten Muhammad abstammt.
Die Ismailiten stellen die zweitgrößte
schiitische Gruppierung weltweit dar und
sind in über 25 Ländern, überwiegend Entwicklungsgebiete,
ansässig, zeigen inzwischen
aber auch in den Industriestaaten eine beachtliche
Präsenz.
Das ismailitische Imamat seit dem Schisma
in der schiitischen Gemeinschaft: Ein Überblick
Die kontinuierliche Verpfl ichtung der Nachkommen
von Imam Ismail, das islamische
Ideal sozialer Gerechtigkeit und Gleichheit
zu verwirklichen, gipfelte im Jahr 909 in der
Einrichtung des ismailitischen Kalifats der
Fatimiden in Nordafrika.
Das fatimidische Kalifat hatte sein Zentrum
in Ägypten. Auf seinem Höhepunkt
breitete es sich Richtung Westen nach Nordafrika,
Sizilien und weiteren Inseln des Mittelmeeres
sowie Richtung Osten zur afrikanischen
Küste des Roten Meeres, nach
Palästina, Syrien, Jemen und zur Arabischen
Halbinsel hin aus. Die Fatimiden förderten
intellektuelle und philosophische Dispute
und verpfl ichteten die brillantesten Denker
ihrer Epoche, welcher Glaubensrichtung
22
auch immer, an ihren Hof. Die von Imam-
Kalif al-Mu³izz 972 in Kairo gebaute Al-Azhar-Moschee
wurde zu einem bedeutenden
Zentrum der Gelehrsamkeit. Das im Jahr
1005 gegründete Haus der Wissenschaft (dar
al-³ilm) war die erste Lehrinstitution des Mittelalters
und ein Vorläufer der heutigen Universität,
die in ihrem Lehrplan das ganze
Spektrum der wichtigsten wissenschaftlichen
Fächer anbot. Dieses reichte vom Studium
des Korans und der prophetischen Überlieferungen
über Recht, Philologie und
Grammatik bis hin zu Medizin, Logik, Mathematik
und Astronomie. In diesem Geist
stellte die ismailitische Geschichtsbetrachtung
den intellektuellen Rahmen für Anhänger
der verschiedenen Religionen in der Tradition
Abrahams und erlaubte diesen, an den
Belangen des fatimidischen Staates teilzunehmen.
Christen und Juden sowie Muslime
beider Ausrichtungen konnten einzig aufgrund
ihrer Fähigkeiten in höchste Staatsämter
aufsteigen. Die Politik der Fatimiden
verkörperte nicht eine monolithische Interpretation
von Glauben, sondern eher eine
pluralistische Interpretation von religiösen
Richtungen.
In der letzten Dekade des 11. Jahrhunderts
entzweite sich die Gemeinschaft der Ismailiten
an der Nachfolge des Imam-Kalifen al-
Mustansir bi-llah. Ein Teil der Gemeinschaft
folgte seinem jüngsten Sohn al-Musta³li. Der
andere Teil folgte dem ältesten Sohn Nizar,
von welchem der Aga Khan, der heutige
Imam der Ismailiten, abstammt. Die ismailitischen
Imame verlegten daraufhin ihren Sitz
nach Alamut im Nordiran, wo es ihnen gelang,
ein Staatsgebiet mit einem Netzwerk
aus befestigten Siedlungen zu etablieren.
Diese Festungen enthielten reich ausgestattete
Bibliotheken und Studierstuben, deren
Sammlungen von Büchern über Religion und
Philosophie bis hin zu naturwissenschaftlichen
Instrumenten reichten. Dabei gaben die
Ismailiten nie ihre liberale Gesinnung auf, in
deren Geist sie sowohl muslimische als auch
nicht-muslimische Gelehrte förderten. Der
Einfall mongolischer Horden im Jahr 1256
setzte dem ismailitischen Staat ein Ende. Die
Ismailiten wurden zerstreut und gründeten
im Laufe der Jahrhunderte unter der Leitung
jedes nachfolgenden Imam Zentren auf dem
Indischen Subkontinent, in Afghanistan, in
der Bergregion des Hindukusch, in Zentralasien
und verschiedenen Teilen Chinas.
Die neuzeitliche Phase der ismailitischen
Geschichte begann mit dem 46. Imam, Aga

Hasan ³Ali Shah, der in den 1840er-Jahren
aus dem Iran nach Indien emigrierte. Er war
der erste Imam mit dem Titel »Aga Khan«,
den ihm der persische Schah Fath ³Ali Shah
verliehen hatte. Den Titel »Seine Hoheit« erhielt
er von der britischen Regierung. Die
Einrichtung seines Hauptsitzes in Mumbai
(Bombay) ermöglichte nun geregelte Kontakte
zu seinen weit verstreuten Anhängern.
Dem Aga Khan I. folgte sein ältester Sohn
Aga ³Ali Shah, welcher mit dem Titel Aga
Khan II. und ebenfalls mit dem Titel »Seine
Hoheit« bedacht wurde. Die Aktivitäten seines
Vaters fortsetzend, nahm Aga Khan II. die
langfristige Aufgabe der sozialen Förderung
seiner Gemeinde in Angriff, wobei er auf die
Bildung besonderen Wert legte. Als er im
Jahr 1885 starb, wurde das Imamat auf seinen
erst achtjährigen Sohn Sultan Muhammad
Shah, Aga Khan III., übertragen.
Dessen Wirken war von entscheidender
Bedeutung. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit
trat der dritte Aga Khan für kostenlose,
umfassende, praktisch orientierte Grundschulbildung,
verbesserte Schulen im Sekun -
darbereich für Muslime sowie für eine großzügige
Bereitstellung staatlicher und privater
Stipendien ein, um begabten Muslimen ein
Studium in Großbritannien, Europa und
Amerika zu ermöglichen. Als Folge seines
Bestrebens, diese Vision zu verwirklichen,
machte er das Muhammadan Anglo-Oriental
College in Aligarh, Indien zu einer führenden
Universität.
Das Wohlergehen der ismailitischen Gemeinde
war während seines ganzen 72 Jahre
währenden Imamats – dem längsten der Geschichte
– das beständige Anliegen des Aga
Khan III. Die moderne Geschichte der ismailitischen
Gemeinde wurde in seiner Zeit entscheidend
geprägt. Dank seiner inspirierenden
Führung und der begeisterten Aufnahme
durch die ismailitische Gemeinschaft war
der Einstieg in ein Zeitalter bemerkenswerter
Fortschritte möglich. Diese betrafen Themen
wie Gesundheit, Bildung, Wohnungswesen,
Handel und Industrie und führten
zum Aufbau eines Netzwerkes von Kurkliniken,
Krankenhäusern, Schulen, Wohnheimen
sowie Genossenschaften, Investment- und
Versicherungsgesellschaften.
Die jüngste Geschichte
Sir Sultan Muhammad Shah Aga Khan III.
starb am 11. Juli 1957 nachdem er seinen Enkel
Prinz Karim – damals 20 Jahre alt – bestimmt
hatte, ihm als 49. Imam der schiitischmuslimischen
Gemeinschaft der Ismailiten
zu folgen. Unter der Führung des derzeitigen
Aga Khan IV. wuchsen die Institutionen und
Aktivitäten des Imamats weit über ihren ursprünglichen
Aufgabenbereich hinaus. Immer
wieder betont der Aga Khan, dass der
Impuls, der diesen Aktivitäten zugrunde liegt
und das soziale Bewusstsein seiner Gemeinschaft
prägt, von der unveränderlichen muslimischen
Ethik vom Mitgefühl für die Verwundbaren
einer Gesellschaft ausgeht.
Für die Verwirklichung seines humanitären
Engagements gründete der Aga Khan das
Aga Khan Development Network (AKDN),
eine Gruppe von privaten, internationalen
und nichtkonfessionellen Organisationen,
die daran arbeiten, die Lebensbedingungen
und Chancen für Menschen in bestimmten
Regionen der Dritten Welt zu verbessern. Die
Organisationen des AKDN haben individuelle
Mandate, die Gesundheit und Bildung
bis hin zu Architektur, ländlicher Entwicklung
und Förderung von Privatbetrieben
umfassen. Sie wirken zusammen, um einem
gemeinsamen Ziel entgegenzustreben – Institutionen
und Programme aufzubauen, die
nachhaltig auf die Herausforderungen des
sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen
Wandels eingehen. Die Aga Khan Foundation,
Aga Khan Education Services, Aga Khan
Health Services, Aga Khan Planning and
Building Services, die Aga Khan University
und die University of Central Asia agieren
auf dem Gebiet der sozialen Entwicklung.
Wirtschaftliche Projekte gehören zum Aufgabenbereich
des Aga Khan Fund for Economic
Development und der Aga Khan Agency
for Microfi nance mit ihren Partnern im Bereich
Tourismus, Ökotourismus und Förderung
von Industrie und Finanzdienstleistungen.
Der Aga Khan Trust for Culture realisiert
Projekte zu Erhaltung des kulturellen Erbes
innerhalb der islamischen Welt. Eine der
jüngsten Unternehmungen des AKTC ist das
2003 begonnene Projekt, ein Aga Khan Museum
in Toronto zu bauen.
23

Einführung in die islamische Kunst
Sheila Canby
Bildnis des Shah Jahan und
seiner drei Söhne
Bildausschnitt Kat. Nr. 191
Kunstwerke, wie sie in dieser Ausstellung zu
sehen sind, prägten 1400 Jahre hindurch das
visuelle Bewusstsein in der islamischen Welt.
Die Bandbreite und Diversität dieser Objekte,
seien sie religiöser oder säkularer Natur,
refl ektieren die Vielfalt der jeweiligen Gesellschaft,
der sie entstammen. Deshalb ist die
Ausstellung, die von diesem Katalog begleitet
wird, in zwei Teile gegliedert: »Das Wort
Gottes« enthält heilige Texte und zugehörige
Objekte. »Der Weg der Reisenden« zeigt aus
einem geographisch weitläufi gen Gebiet, das
sich von der Iberischen Halbinsel – al-Andalus
– bis nach China erstreckt, Objekte,
die unterschiedliche traditionelle Kulturen
und eine Vielfalt ästhetischer Vorlieben refl
ektieren.
Sakrales und Profanes wurde im islamischen
Bereich nie strikt getrennt. Tatsächlich
nahmen einige muslimische Sultane spätestens
seit dem 11. Jahrhundert den Zusatz wad-dunya
wa-d-din in ihren Titel auf und brachten
damit zum Ausdruck, dass sie sich als
Fürsten »der Welt (bzw. des Staates) und des
Glaubens (des religiösen Be reiches)« verstanden.
Zahlreiche Dynastien sahen sich sowohl
als Schutzherren des Glaubens als auch als
weltliche Führer.
Wie manifestieren sich nun diese beiden
Funktionen in der Kunst? Die ersten Zeugnisse
stammen aus Moscheen und Korantexten,
die in arabischer Schrift niedergelegt
sind. Die Kodifi kation des Textes erfolgte
während der Herrschaft des dritten rechtgeleiteten
Kalifen ³Uthman (reg. 23 – 35 H /
644 – 655 AD) im Rahmen seines Vorhabens,
einen kanonischen Text des Korans in schriftlicher
Form zu erarbeiten. Der Koran, der
Muhammad vom ersten Jahrzehnt des 7. Jahrhunderts
an bis zu seinem Tod im Jahr 632
von Gott offenbart wurde, besteht aus 114
Kapiteln oder Suren und ist die Heilige
Schrift des Islam. Durch ³Uthmans Einsatz
konnten Verfälschungen des Korantextes,
welcher Art auch immer, ausgeschlossen werden.
Das Kopieren von Koranen vom ersten
Wort an wurde als fromme Handlung angese-
hen. Um ein möglichst reizvolles Ergebnis zu
erzielen, formten Kalligraphen die arabischen
Buchstaben in kunstvoller Weise aus. Auch
wenn manche Experten davon ausgehen,
dass das Dehnen und Stauchen von Buchstaben
als visuelle Analogie zur Aussprache zu
deuten sei, waren die Kopisten wohl eher um
ein optisches Gleichmaß und um eine ausgewogene
Anordnung der Wörter auf einer
Seite bemüht.
Muslime erfüllen etliche Pfl ichten: die Anerkennung
eines einzigen Gottes; das rituelle
Gebet in Richtung der Kaaba in Mekka; Almosen
spenden; die Pilgerfahrt oder Hadsch
nach Mekka. Heutzutage besitzen die meisten
praktizierenden Muslime einen Koran, in
frühislamischer Zeit war dies jedoch weniger
der Fall – es war üblich den Korantext zu
memorieren. In Moscheen und anderen religiösen
Gebäuden gibt es keine bildlichen
Darstellungen, und auch der Koran ist niemals
illustriert. Dennoch existiert eine religiöse
Ikonographie islamischer Kunst, die
auf der arabischen Schrift, auf Geometrie
und vegetabiler Ornamentik, darunter das
als Arabeske bekannte Rankenmotiv, basiert.
Während menschliche Darstellungen auch
in Gebetbüchern und Hadith-Sammlungen
(überlieferte Traditionen des Propheten
Muhammad) fehlen, sind Erzählungen über
geistliche und herausragende Persönlichkeiten
des Islam aus dem 13. bis 19. Jahrhundert
durchaus mit Bildern geschmückt.
Im Islam sind sich Sunniten und Schiiten
uneins darüber, wer die Führung der Muslime
nach dem Tode des Propheten hätte übernehmen
sollen. Die Schiiten sehen Ali, den
Cousin und Schwiegersohn des Propheten,
als Imam, während die Sunniten ihn als vierten
rechtgeleiteten Kalifen anerkennen. Die
Idee eines Imams als göttlich inspirierte
Führungspersönlichkeit der Gläubigen ist
demnach der Kernsatz der Schia. Obwohl die
schiitischen Anhänger des Ali und die ihm
nachfolgenden Imame in der frühislamischen
Zeit keine politische Macht besaßen, bestand
ihre religiöse Bewegung fort. Im 10. Jahrhun-
25

dert gründeten die schiitischen Fatimiden
dann ein Kalifat in Tunesien und Ägypten.
Der Mystizismus war eine allen Glaubensrichtungen
des Islam gemeinsame Tradition.
Gruppen von Anhängern versammelten sich
um spirituelle Lehrmeister (pers. pir), um von
diesen Anleitungen zur Erlangung mystischer
Zustände und zur endgültigen Vereinigung
mit Gott zu erhalten. Für die zahlreichen
Jünger, die sich um ihre geistigen Führer
sammelten, wurden Derwischunterkünfte errichtet,
in denen die Gläubigen beten und
ihre Rituale ausführen konnten. Hier wurden
sie auch untergebracht und verköstigt.
Wenn ein Pir starb, wurde er im Viertel seiner
Derwischunterkunft begraben. Während
seine Schüler sein Wissen weitergaben, wurde
das Grab des Meisters zu einem Ort der
Verehrung. So entstanden weitläufi ge Friedhöfe
um die Gräber von Pirs.
Zahlreiche Malereien aus dem 15. bis
18. Jahrhundert zeigen Derwische und Heilige.
Bestimmte Derwischpraktiken, wie das
kreiselnde Herumwirbeln – um einen spirituell
höheren Zustand zu erlangen –, stellen ein
lebhaft bewegtes Motiv für Handschriftenillustrationen
dar. Persische und mogulindische
Malereien porträtieren Fürsten, die ihre
spirituellen Meister zurate ziehen. Die Bedeutung
dieser Männer im Leben großer Herrscher
wie Timur (auch: Tamerlan, reg. 736 –
807 H / 1370 – 1405 AD) und Shah Abbas I.
(reg. 978 – 1038 H / 1587 –1629 AD) ist nicht
nur durch historische Texte bezeugt, sondern
auch durch die Schreine und Moscheen, die
man ihnen zur Ehre errichtete.
Der Koran enthält zahlreiche anschauliche
Beschreibungen vom Paradies als grünendem
Land mit Flüssen, die Wasser, Milch, Wein
und Honig führen, bepfl anzt mit Obstbäumen
und Blumen und bewohnt von bildschönen
himmlischen Wesen. Eine solche
Vision vom Paradies bildet nicht nur einen
Kontrast zur öden Wüste Arabiens, dem Ort
der koranischen Offenbarung. Sie refl ektiert
auch Bilder, die in den zoroastrischen und
biblischen Quellen überliefert sind. Wiederkehrender
Impuls zur Errichtung von Bauwerken
und Gartenanlagen in weiten Teilen
der islamischen Welt war der Bedarf an Wasser,
sei es zum Trinken und Waschen oder
zur Bewässerung. Gärten mit schattenspendenden
Obstbäumen, Rosensträuchern und
Wasserläufen werden in der islamischen Welt
oft mit dem Paradies gleichgesetzt.
Der Koran ermahnt zur Ehrfurcht vor der
Natur und zur humanen Behandlung von Tie-
26
ren; beides schlägt sich in der Malerei der
islamischen Welt nieder. Künstler einiger
Epochen und Regionen, wie beispielsweise
die Keramiker von Iznik, konzentrierten sich
darauf, Blumen oder grazile Pfl anzen in ihre
Muster einfl ießen zu lassen. Vor allem im
Iran und in Indien bevorzugte man die Darstellung
von Tieren und Landschaften oder
stellte Objekte des täglichen Bedarfs in Tierform
her. Die Beobachtungsgabe des Künstlers
und seine Kenntnis der Tier- und Pfl anzenwelt
hauchte seinen Bildern Leben ein
und verlieh den ansonsten schlichten Objekten
oft eine Spur von Humor. In ihren besten
Werken vermittelt die islamische Kunst die
Ausgewogenheit der Schöpfung. Die Gärten
erwecken Vorstellungen vom Paradies und
den Freuden des Jenseits; in einem islamischen
Kontext ist die spirituelle Welt die
Realität, die reale Welt hingegen nur Illusion.
Wer sich mit der politischen Geschichte
des Islam befasst, kann leicht den Eindruck
gewinnen, Kalifen und Könige hätten sich
eher auf weltliche Angelegenheiten wie Herrschaft
und Eroberung fi xiert, als sich ihrer
Rolle als Führer der Gläubigen zu widmen.
Selbst innerhalb des abbasidischen Kalifats,
das von 750 bis zur Eroberung Bagdads
durch die Mongolen 1258 herrschte, übten
lokale Dynastien erhebliche Macht aus und
regierten teilweise von den Abbasiden unabhängig.
Die Fülle dynastischer Namen und
die komplexen feudalen Strukturen mögen
verwirrend sein. Dennoch zeigen stilistische
Unterschiede bei den diversen Kunstgegenständen
oft regionale Ausformungen, die sich
unter der Schirmherrschaft lokaler Machthaber
entwickelten. Die in der Ausstellung
gezeigten Werke sind an verschiedenen Fürstenhöfen
entstanden; sie reichen von wertvollen,
im 11. und 12. Jahrhundert für die
Fatimiden produzierten Objekten aus Gold
und Bergkristall bis hin zu Porträts osmanischer
Sultane und kadscharischer Schahs,
die vor etwa 200 Jahren gefertigt wurden.
Auch dienten sie verschiedenen Zwecken: Mit
Münzen und Objekten, die mit den Namen
und Titeln des Königs oder Kalifen beschriftet
waren, gewährleisteten die Herrscher ihre
öffentliche Präsenz im Reich. Für Könige
und ihre Höfl inge hergestellte Luxusgegenstände
existierten hingegen ausschließlich in
der exklusiven Welt des Hofes und dienten
einzig der Erbauung ihrer Besitzer.
Viele der ausgestellten Kunstwerke veranschaulichen,
womit man sich in einem islamischen
Hofstaat beschäftigte. Aufgrund der

herausragenden Bedeutung des geschriebenen
Wortes im Islam wurden nicht nur professionelle
Schreiber ausgebildet. Historische
Texte berichten auch, wie Prinzen von namhaften
Kalligraphen im Lesen und Schreiben
ausgebildet und geschult wurden. Denn
Schönschrift war eine hochstehende Fertigkeit,
die Übung verlangte. Fürstliche Schüler
sammelten nicht nur kalligraphische Albumblätter,
sondern fertigten diese auch selbst an.
Für wohlhabende Schönschreiber und Fürsten
gab es reichhaltiges und aufwändig gearbeitetes
Zubehör in Form von Federkästchen,
Tintenfässern, Messern zum Schnitzen
der Schreibrohre und vielen weiteren Accessoires.
Das zentrale Studienfach jedes gebildeten
Muslims war die Theologie. An den aufgeklärteren
Höfen wurden zusätzlich Ethik
und naturwissenschaftlich-mathematische
Fächer gepfl egt. Arabische und persische
Mathematiker übersetzten nicht nur Fachliteratur
aus dem Griechischen oder Latei -
n ischen, sie machten auch eigene, äußerst
bedeutsame Entdeckungen, vor allem zwischen
dem 8. und 11. Jahrhundert. Muslimische
Naturwissenschaftler trugen sowohl
mit eigenen Arbeiten als auch durch die
Übersetzung medizinischer, botanischer und
astronomischer Texte bis weit in das 15. Jahrhundert
wesentlich zu diesen Themenbereichen
bei. Die Einführung und Verbreitung
der Papierherstellung im 11. Jahrhundert
führte zu einem enormen Produktionszuwachs
an Büchern aller Art. Gedichte,
Fabeln, biographische Sammlungen, historische
Werke und Kosmographien füllten die
Bibliotheken von Fürsten und Ge lehrten.
Ein weiterer Aspekt des höfi schen Lebens
war der Musikgenuss. Vom 16. Jahrhundert
an wurden im Iran Räume mit speziell konstruierten
Nischen zur Verbesserung der
Akustik gebaut. Hier unterhielten Sänger,
begleitet von Saiteninstrumenten, den Hausherrn
und seine Gesellschaft.
Neben Lesen, Schreiben und staatsmännischen
Fähigkeiten wurde von einem Fürsten
am islamischen Hof erwartet, dass er sich auf
die Reitkunst und die Jagd verstand. Diese
Fertigkeiten sind in Handschriftenillustrationen,
auf Keramik und Metallarbeiten verherrlicht.
Reich verzierte Waffen und Rüstungen
fanden sowohl beim Sport als auch
im Kampf Verwendung. Wurde die Falknerei
in der gesamten islamischen Welt ausgeübt,
so liebte man im Iran und in Zentralasien
außerdem das Polospiel. Die Reitkunst
diente nicht allein dem sportlichen Vergnügen;
sie war unabdingbar, um eine Armee in
die Schlacht führen zu können. Zwar stürzten
sich Könige keineswegs jedes Mal leibhaftig
in das Kampfgewühl, ihre Anwesenheit
jedoch konnte einschüchternd wirken
und über Sieg oder Niederlage entscheiden.
In Zeiten von Frieden und Wohlstand verwendeten
die islamischen Herrscher ihren
Reichtum zur Errichtung monumentaler
Bauwerke wie Moscheen, Mausoleen, Paläste,
Religionsschulen und Hospitäler. Und sie
legten Sammlungen von Luxusgegenständen
an, darunter Goldobjekte, Seidenstoffe, Teppiche,
chinesisches Porzellan sowie seltene
und wertvolle Substanzen wie etwa der Bezoar-Stein,
der aus dem Magen von Ziegen
und Antilopen gewonnen und für ein Gegengift
gehalten wurde. Großzügige Geschenke
wurden zwischen den Höfen ausgetauscht,
und in späterer Zeit führten die Herrscher
Korrespondenzen über Edelsteine und Heilmittel.
Sie beauftragten Agenten, für ihre königlichen
Bündnispartner seltene Substanzen
zu fi nden. Leider wurden diese Sammlungen
in Zeiten politischer Turbulenzen oft zerstört
oder auseinandergerissen. Gold- und Silberobjekte
wurden eingeschmolzen, kostbare
Textilien aufgetrennt, Keramik und Glas gingen
zu Bruch. Wie aber diese Ausstellung
zeigt, haben sich noch genügend Raritäten
erhalten, um die historischen Beschreibungen
der Pracht an den Höfen der Abbasiden,
Fatimiden, Safawiden und Moguln zu bestätigen.
Auch wenn die Herrscherhöfe des
Mittelalters und der frühen Neuzeit unserer
heutigen Zeit sehr fern erscheinen, erwecken
ihre Schätze, wie schon damals, immer noch
Bewunderung und Faszination.
27

Das Wort Gottes
29

Der Koran
Sheila Canby
Safawidischer Koraneinband
Circa 1540 –1580 (AKM 00386)
Als Wort Gottes, welches dem Propheten
Mu hammad offenbart wurde, sind die Verse
des Korans kanonisch festgelegt und unveränderlich.
Aufgrund der zentralen Bedeutung
des Korans für den Islam galt es als fromme
Handlung, diesen ganz oder in Teilen auf ein
beliebiges Medium zu kopieren. Mit der Zeit
entwickelte die arabische Schrift zahlreiche
Stile, doch galten nicht alle als geeignet, den
Koran zu kopieren. Koranexemplare der ersten
beiden Jahrhunderte des Islam entstanden
auf Pergament in der quadratischen
Kufi -Schrift, benannt nach der frühislamischen
Hauptstadt Kufa im Irak.
Jüngeren Untersuchungen zufolge wurden
in den Moscheen des Hedschas, der Region
um Mekka auf der Arabischen Halbinsel,
große Korane im Hochformat auf Koranständern
(sing. kursi) präsentiert, wohingegen
im Irak die handlicheren, querformatigen
Kufi -Korane (Kat. Nr. 1–3) zur Rezitation
in Moscheen dienten. 1 Wenn diese Annahme
stimmt, dann zeigt die Tatsache, dass im
9. Jahrhundert auch in Nordafrika querformatige
Korane hergestellt wurden, wie weit
verbreitet der Bedarf an solchen Bänden zu
Rezitationszwecken war.
Varianten dieser frühen, querformatigen
Ausgaben erscheinen im Laufe des 10. Jahrhunderts
sowohl im Iran als auch im Maghreb,
dem westlichsten Teil der islamischen
Welt. Dort wurde eine eigene Schrift (Kat.
Nr. 4) entwickelt, in der die Buchstaben ausgeprägte
Unterzüge bilden. Die gerundete
Schrift war nicht neu, wohl aber ihre Anwendung
auf den Koran, eine Innovation, die im
Iran entwickelt worden zu sein scheint. Ibn
Muqla, ein in der Verwaltung der abbasidischen
Regierung tätiger Sekretär, enwickelte
ein System der Proportionen auf der Grundlage
des rhombenförmigen Punktes. Er ist
auch der Erfi nder von sechs Kursivschriften,
Thuluth, Naskh, Rihan, Muhaqqaq, Tauqi³
und Riq³a, die in der Größenordnung von
monumental bis klein rangieren und verschiedene
kalligraphische Zwecke erfüllen. Darüber
hinaus bildeten sich regionale Schreib-
stile. Stellt man Koranblätter aus verschie -
denen Jahrhunderten und Produktionszentren
zusammen aus, so zeigt sich deutlich die
bemerkenswerte stilistische Vielfalt der arabischen
Schrift.
Nachdem Pergament im 10. Jahrhundert
nach und nach durch Papier ersetzt wurde,
breitete sich die Koranproduktion exponentiell
in der muslimischen Welt aus. Dadurch
sind zahlreiche Koranexemplare aus
dem letzten Jahrtausend erhalten und informieren
uns über die verschiedenen Verwendungsweisen.
Einige großformatige Seiten,
die aus verschiedenen Blättern zusammengeklebt
wur den, stammen von überdimensionalen
Koranen, die zur Ausstellung in einer
fürstlichen Moschee bestimmt waren. Konventioneller
formatierte Korane hingegen
waren wohl eher für den Hausgebrauch bestimmt
(Kat. Nr. 11, 14, 15). Miniaturkorane
in Metallkästchen sowie Koranrollen wurden
als Amulette getragen.
Eines der augenfälligsten Merkmale von
Koranen aller Perioden besteht in den dekorativen
Illuminationen am Anfang der Handschrift,
um die Suren-Überschriften herum
und zur Hervorhebung jedes fünften und
zehnten Verses innerhalb der Suren. Das illuminierte
Ornament, bestehend aus Blattranken,
fl oralen und geometrischen Motiven,
variiert je nach Epoche und Region. Während
Golddekor oft in den frühen, querformatigen
Koranen Verwendung fand, wurde
zu Beginn des 11. Jahrhunderts Lapislazuliblau
mit Gold kombiniert. Im mamlukischen
Ägypten und Syrien, in der osmanischen
Türkei und im timuridisch-safawidischen Iran
wurden verschwenderisch ausgeschmückte
Korane, manchmal in 30 Bänden, für die
Herrscher und deren Moscheen und Koranschulen
(Madrasen) hergestellt. Ab dem
9. oder 10. Jahrhundert wurden auch Korane
auf gefärbtem Papier kopiert. Eines der frühesten
und bekanntesten Beispiele dieser Art
(Kat. Nr. 2), mit goldener Schrift auf blauem
Pergament, stammt aus dem Nordafrika des
9. Jahrhunderts.
31

Auf die Einbände wurde gleichfalls große
künstlerische Meisterschaft verwendet. Ledereinbände
sind oftmals außen mit geprägten
Koranversen und innen mit fi ligranem
Golddekor auf farbigem Papier versehen.
Ab dem 17. Jahrhundert gibt es im Iran und
in Indien sogar Einbände aus Lack. Infolge
des Verbotes, Mensch und Tier im religiösen
Kontext abzubilden, blieb die Verzierung
entsprechender Einbände auf fl orale, geometrische
und kalligraphische Motive begrenzt.
Koraninschriften wurden als Bauschmuck
auf Steinplatten gemeißelt, die in umlaufenden
Bändern an der Außen- und Innenseite
von Moscheen und anderen religiösen Gebäuden
angebracht waren. Auch Fliesenpaneele
und Wände aus glasierten und unglasierten
Ziegeln zeigen Koranverse. Eine
Analyse der Koranverse an bestimmten Bauten
kann Hinweise zum religiösen oder politischen
Selbstverständnis des Auftraggebers
liefern. 2 Die Zerstörungen durch die mongo-
32
lische Invasion zogen im Iran eine Welle
von Neuausstattungen und Neubauten nach
sich. Dies führte unter den Ilkhanen (13. –
14. Jahrhundert) zu einem erhöhten Bedarf
an Fliesen. Sie zeigen eine neue Vorliebe für
reliefi erte Inschriften in Gebetsnischen (sing.
mihrab), auf Grabsteinen und Wand de ko rationen.
Die Macht des Korans gilt als so groß, dass
seine Verse als Schutz gegen das Böse dienen.
Mit Koranversen beschriftete Amulette und
Unterhemden schützen ihre Träger vor Schaden.
Sogar auf bescheidene Materialien wie
eine Muschel (Kat. Nr. 17) oder ein Blatt
(Kat. Nr. 19) wurde das Wort Gottes liebevoll
niedergeschrieben als ein beständiger
Akt der Andacht und künstlerischen Virtuosität.
Wie um die Muslime an die Allgegenwart
und Allmacht Gottes zu erinnern, ist
der Koran in all seinen Erscheinungsformen
in der gesamten islamischen Welt ständig
präsent.
1 Blair 2006, 110–116 fasst die Theorien
von Estelle Whelan zusammen.
2 Grabar 1959; Necipoblu 2005, 200ff.

1 Koranblatt in goldener Kufi -Schrift
Wie die Seiten aus dem berühmten »Blauen Koran«
Nordafrika, 9.–10. Jahrhundert
(siehe Kat. Nr. 2) wurde dieses in goldenem Kufi -
Tinte und Gold auf Pergament
Duktus beschriebene Koranblatt in der zeitauf-
17,9 x 26 cm
wändigen und kostspieligen Technik der Chryso-
Text: Sure Qaf, 50:14–22
graphie geschrieben (siehe Fraser – Kwiatkowski
AKM 00479
2005, 30). Die Buchstaben schrieb man mit fl üssi-
Publiziert: AKTC 2007a, 35; AKTC 2009a, 32; gem Leim und malte sie sorgsam mit einer Gold-
AKTC 2009b, 32
staubsuspen sion aus. Schließlich erhielten die
Buchstaben eine Umrandung aus blassbrauner
Tinte, für die man eine spitze Feder verwendete.
Die Vokalisierungszeichen, die als Lese- und Rezitationshilfen
dienten, sind in Form von roten,
blauen und grünen Punkten angebracht. Eine
achtblättrige Rosette, die den Buch staben kaf (»k«)
umrandet, zeigt das Ende einer Gruppe von
zehn Versen im sogenannten abfad-System an,
so wie es auch in anderen Kufi -Koranen verwendet
wird. Jedem Buchstaben des arabischen
Alphabets ist ein numerischer Wert zugeordnet.
Dieser kennzeichnet das Ende eines bestimmten
Verses innerhalb eines Kapitels. Auf dem hier
gezeigten Blatt markiert kaf, das den Zahlenwert
20 hat, das Ende des zwanzigsten Verses der Sure
Qaf. Zwei weitere Blätter aus dieser Koranhandschrift
befi nden sich in der Nationalbibliothek in
Tunis. AF / LA
33

34
2
Doppelblatt aus dem »Blauen Koran«
Nordafrika, 9.–10. Jahrhundert
Tinte, Gouache, Silber (oxidiert) und Gold
auf blau gefärbtem Pergament
26 x 69 cm
Text: Sure al-Furqan
(»Die Unterscheidungsnorm«), 25:55 – 64
AKM 00477
Publiziert: Bloom 2007, 42 – 44; Makariou 2007,
108 –109 (Nr. 34); AKTC 2008a, 44 – 45 (Kat. 2);
AKTC 2009a, 33; AKTC 2009b, 33
Dieses außergewöhnliche Doppelblatt mit
goldener Kufi -Schrift auf mit Indigo gefärbtem
Pergament stammt aus dem berühmten »Blauen
Koran«, einer der aufwändigstenKoranhandschriften,
die jemals geschaffen wurden. Jedes
Detail dieser Handschrift wurde mit äußerster
Sorgfalt bedacht, darunter die komplexe und
kostspielige Chrysographie (wie bei Kat. Nr. 1).
Silberrosetten (heute oxidiert) wurden zur Kennzeichnung
der Versenden eingesetzt. Die offensicht
liche Schlichtheit des Dekors und der
Illumination, die in den erlesensten Materialien
ausgeführt ist – mit Indigo gefärbtes Pergament,
Silber und Gold – kombiniert mit der kantigen
Kufi -Schrift verfehlen nicht ihre Wirkung auf den
Betrachter, ob er des Lesens kundig ist oder nicht.
Obwohl die beiden Seiten zusammenhängen,
folgen sie in der Handschrift nicht aufeinander.
Jede Seite ist mit 15 Zeilen in dichtem, quadratischem
Kufi -Duktus beschrieben, typisch für
die Handschriften des 10. Jahrhunderts (Déroche
1983, 42). Der Text enthält keine Vokalzeichen.
Der Kalligraph setzte Längen innerhalb der
Wörter ein, um, wo immer möglich, einzelne
Buchstaben an den Zeilenanfang zu platzieren,
was einen Spalteneffekt erzeugt. Der Schriftrhythmus
tritt durch die auf ein Minimum reduzierte
Illumination um so deutlicher hervor:
Am Rande des linken Blattes markiert eine stark
verwischte Silberrosette das Ende einer Gruppe
von 20 Versen.
Über die genaue Herkunft der Handschrift
gehen die Meinungen auseinander. Aufgrund
paläographischer und historischer Indizien geht
Jonathan Bloom davon aus, dass sie für die Fatimiden
her gestellt wurde, die während der ersten
Hälfte des 10. Jahrhunderts von Kairouan aus
Nordafrika beherrschten (Bloom 1986, 59 – 65;
Bloom 1989, 95 – 99; Bloom 2007, 42 – 44). Tim
Stanley hingegen bemerkt, dass das alphanumerische
Notationssystem (abfad) – hier in Form von
Buchstaben in Medaillons am Ende eines jeden
Verses – später ausschließlich dem westlichen
Teil der islamischen Welt vorbehalten war (Stanley
1995, 7 – 15). Das ungewöhnliche Farbschema ist
wahrscheinlich von byzantinischen Handschriften
oder Dokumenten inspiriert, die gelegentlich in
Silber oder Gold auf blau oder purpur gefärbtem
Pergament geschrieben sind. Reminiszenzen an
den »Blauen Koran« weckt die blau und golden
dekorierte Gebetsnische der Großen Moschee von
Cordoba. Ein Teil der Handschrift ist momentan
im Nationalinstitut für Kunst und Archäologie
in Tunis aufbewahrt. Einzelne Blätter und Fragmente
befi nden sich in der Nationalbibliothek
in Tunis, der Chester Beatty Library, Dublin
und anderen öffentlichen und privaten Sammlungen.
AM / LA

3
Koranblatt in goldener Kufi -Schrift
Naher Osten oder Iran, 9.– 10. Jahrhundert
Tinte, Gouache und Gold auf Pergament
14,9 x 20,9 cm
Text: Sure al-³Ankabut (»Die Spinne«), 29:31– 33
AKM 00480
Publiziert: AKTC 2009a, 34; AKTC 2009b, 34
Der Koran, dem dieses Blatt entstammt, wurde
oft dem Maghreb zugeordnet, da Teile der Handschrift
angeblich in der Moschee von Kairouan in
Tunesien entdeckt wurden. Da sich aber das
abfad-System (bei dem arabische Buchstaben zur
Verszählung verwendet werden) in diesem Koran
als »östlich« herausstellte, kann es auch sein, dass
die Handschrift in einem weiter östlich gelegenen
islamischen Gebiet entstand, möglicherweise im
iranischen Kulturraum. Wie bei Kat. Nr. 1 und 2
wurden keine Kosten für die Ausstattung dieses
Korans gescheut, der gleichfalls mit Goldtinte in
Chrysographie-Technik geschrieben ist. Mit nur
fünf Zeilen pro Seite müssen die Herstellungskosten
enorm gewesen sein, da größere Mengen
an Pergament, Tinte, Farben und Gold benötigt
wurden. Wie bei dem Blatt von Kat. Nr. 1 erscheinen
die Vokalzeichen als rote, blaue und grüne
Punkte. Die einzelnen Verse sind durch goldene
Rosetten voneinander getrennt, jede Gruppe
von zehn Versen indes ist mit einem abfad-Buchstaben
versehen, der sich am Blattrand in einer
größeren Vignette mit der Verszählung in Gold
(hier valavun für »Dreißigster«) wiederholt.
Weitere Blätter und Abschnitte dieses Korans
sind über verschiedene Sammlungen verteilt,
darunter die Nationalbibliothek in Tunis, das
Nationalinstitut für Archäologie, Tunis, das Bait
al-Qur²an, Bahrain und die Nasser D. Khalili
Collection, London. LA
35

36
4
Koranblatt in Kufi -Schrift
Nordafrika oder Naher Osten, 10. Jahrhundert
Tinte, Gouache und Gold auf Pergament
23,8 x 33,1 cm
Text: Sure ar-Rahman (»Der Erbarmer«), 55:62 – 65
AKM 00483
Publiziert: AKTC 2007a, 37 (AKM 00481);
AKTC 2007b, 33 (AKM 00482); AKTC 2009a, 35;
AKTC 2009b, 35
Mit nur drei prachtvollen Zeilen pro Seite in
eleganter und sorgfältig ausgeformter Schrift
handelt es sich bei dem Koran, dem dieses Blatt
entstammt, sicherlich um einen exorbitant teuren
Luxusauftrag. Das vorliegende Blatt ist Blättern
aus zwei bekannten Handschriften zuzuordnen,
die über mehrere öffentliche und private Sammlungen
verteilt sind, darunter die Nationalbibliothek
in Tunis, das Museum für Islamische Kunst
in Kairouan, die Bibliothèque Nationale in Paris,
die Al Sabah Collection in Kuwait und die Nasser
D. Khalili Collection, London. Der Text ist in
brauner Tinte auf Pergament kalligraphiert, die
Vokale sind rot, während die großen Medaillons
und die Versenden in Gold illuminiert sind. Zu
den charakteristischen Merkmalen dieses Kodex
gehört ein Typus der Kufi -Schrift, der durch seine
dominanten Hasten – wie beispielsweise bei der
lam-alif-Verbindung (»l-a«)– hervorsticht; diesen
ist eine übermäßige Dehnung mancher Buchstaben
entgegengesetzt. Bei der Schreibweise des nun
(»n«) am Wortende zum Beispiel hat der Schreiber,
indem er den Winkel seiner Schreibfeder auf
der Mitte der Rundung änderte, einen ästhetisch
ansprechenden und symmetrisch ausgewogenen
Buchstaben nun erzeugt, der die größtmögliche
Strichbreite erhält.
Alter und Herkunft von Kufi -Koranen sind
schwer festzustellen. Ein ähnlicher dreizeiliger
Koran wurde in die erste Hälfte des 10. Jahrhunderts
datiert und räumlich zwischen Kairouan
und Damaskus eingeordnet (siehe Fraser –
Kwiatkowski 2006, 52 – 57; Déroche 1992,
42 und 109). AF / LA

5
Blatt aus dem »Karmatenkoran«
Iran, Mitte 12. Jahrhundert
Tinte, Gouache und Gold auf Papier
Blatt: 31 x 20,8 cm; Text: 21,4 x 14,2 cm
Text: Sure al-Ma²ida (»Der Tisch«), 5:44 – 45
AKM 00256
Publiziert: Welch – Welch 1982, 46 – 48 (Nr. 11);
AKTC 2007a, 38 – 39 (Nr. 5); AKTC 2007b,
34 – 35 (Nr. 5); AKTC 2009a, 36; AKTC 2009b
Dieses Blatt gehört zu einer verstreuten Abschrift
des sogenannten »Karmatenkoran«, einer der
aufwändigsten großformatigen Koranhandschriften,
die zwischen dem 11. und frühen 13. Jahrhundert
hergestellt wurden. Jede Seite enthält vier
Zeilen in einer abknickenden, kantigen Schrift,
die sich durch hoch aufragende, in einer strengen
Horizontalen verankerte Hasten auszeichnet, die
wiederum durch schmalere bzw. breitere Linienführung
auf dramatische Weise moduliert sind.
Die Ausgestaltung einer jeden Seite ist entsprechend
extravagant. Ein detailreicher Hintergrund
aus stilisierten, in Reserve gehaltenen Palmettran-
ken vor einem dichten Füllwerk aus Spiralrollen
in Blau umrahmt die Schrift. Ähnliche Motive
fi nden sich auf zeitgleichen Keramik- und Metallarbeiten.
Üppige Goldborten umranden das
Textfeld, und zwei Halbmedaillons ragen in den
rechten Seitenrand. Der verblichene Goldtext
zur rechten Seite mag die Anzahl der Verse in der
Sure angezeigt haben oder, wie Sheila Blair meint,
den Ort der Offenbarung. Eine derart reichhaltige
Verzierung auf geschätzten 4500 Seiten muss
ein enorm zeitintensives Unterfangen gewesen
sein (Blair 2006, 198). AF
37

38
6
Koranblatt
Zentralasien, 14. Jahrhundert
Tinte, Gouache und Gold auf Papier
24,7 x 19,9 cm
Text: Sure ar-Rum (»Die Byzantiner«), 30:33 – 34
AKM 00310
Publiziert: AKTC 2009a, 37; AKTC 2009b, 37
Seit dem 11. Jahrhundert änderte sich die Schriftauswahl
für Koranproduktionen. Das geradlinige,
aber monumentale Muhaqqaq, wie es auf diesem
Blatt verwendet wurde, war eine der Schriften,
die das Kufi aus den früheren Koranen schrittweise
verdrängte. Der früheste bekannte Koran im
Muhaqqaq-Duktus datiert in das Jahr 1160 und
befi ndet sich in der Nationalbibliothek in Kairo
(Ms. 144; siehe Lings – Safadi 1976, Nr. 60). Die
vorliegende Seite enthält drei Zeilen. Die Umrahmung
des Schrift spiegels in roter Tinte ist mit
dem Lineal gezogen. Mehrblättrige in Gold,
Blassgrün, Rot und Schwarz gehaltene und
abwechselnd von Palmetten und Halbpalmetten
umrahmte Rosetten kragen auf dem Rand vor.
Eine goldene Rosette markiert auch die Trennung
zwischen dem 33. und 34. Vers dieser 30. Sure
des Korans mit der Überschrift »Die Byzantiner«.
Das vorliegende Blatt befand sich ursprünglich
in der Sammlung von Krikor und Adrienne
Minassian in New York. LA

7
Koranblatt aus Andalusien
Spanien, frühes 13. Jahrhundert
Tinte, Gouache und Gold auf Papier
32,6 x 25,6 cm
Text: Sure Yunus (»Jonas«), 10:27– 28
AKM 00258
Publiziert: Falk 1985, 39 (Nr. 7);
AKTC 2007a, 40 (Nr. 7); AKTC 2007b, 36 (Nr. 7);
AKTC 2009a, 38; AKTC 2009b, 38
In der westlichen islamischen Welt wurde Mitte
des 10. Jahrhunderts ein eigener gerundeter
Schriftstil mit großzügig geschwungenen Unterzügen
entwickelt (Déroche 1999, 239 – 241; Blair
2006, 223). Die als Maghribi bekannte Schrift
wurde in Andalusien und im Maghreb – dem
heutigen Marokko, Algerien und Tunesien –
verwendet. Korane in Maghribi-Schrift sind
normalerweise mit brauner oder schwarzer Tinte
geschrieben und mit kunstvoller Goldillumination
geschmückt. Bei manchen, wie dem hier ausgestellten
Koran, wurde pfi rsichfarben getöntes
Papier verwendet, das vermutlich in Jativa, der
frühesten dokumentierten Papiermühle in Spanien,
hergestellt wurde (Fraser – Kwiatkowski 2006,
64). Die für die Vokalisierung, Punktierung und
Orthographie verwendeten Zeichen sind ebenfalls
eine Eigenart der maghrebinischen Schrift. Dieses
Koranblatt bietet ein elegantes Beispiel für die
Schriftentwicklung des frühen 13. Jahrhunderts. AF
39

40
8 Seite aus einem mamlukischen Koran Korane mit Illuminierung und Vergoldung sind Künstlern, Illuminierern und Vergoldern. Oft
Ägypten, mamlukisch, circa 1450
seit dem 10. Jahrhundert bekannt. Zunächst war spiegeln derart kostbare Korane die Großzügigkeit
Tinte, Gouache und Gold auf Papier
der Schmuck auf die Markierung eines Kapitels und den Reichtum ihrer Auftraggeber wider.
41,3 x 32,1 cm
(sura) und der Versanfänge und -enden (sing. aya) Während der Mäzen dieses Werkes nicht
Text: an-Naml (»Die Ameisen«), 27:88 – 93
begrenzt. Auf dieser Seite beginnt die Sure al-Qasas bekannt ist, lässt sich jedoch die Handschrift
und al-Qasas (»Die Geschichte«), 28:1– 3
mit einer eleganten, in schwarz umrandeten Über- aufgrund stilistischer Kriterien Ägypten zuord-
AKM 00243
schrift vor Goldgrund, die in einen querrechteckinen. Die monumentale Muhaqqaq-Schrift ist
Publiziert: AKTC 2008a, 52 – 53 (Nr. 6);
gen Rahmen gesetzt ist. Dieser Rahmen umschließt typisch für Korane, die in der Mamlukenzeit
AKTC 2009a, 39; AKTC 2009b, 39
die von Weinranken und Rosetten gezierte, rot (1250 –1517) während der zweiten Hälfte des
und blau abgesetzte und mehrfach gelappte Schrift- 15. Jahrhunderts gefertigt wurden. In früheren
kartusche. Zwölfblättrige, schwarz umrandete und Exemplaren wurde diese Schrift vermieden, da
mit goldenen Blättern illuminierte Rosetten mit man sie mit den Koranen der Ilkhane (1256 –1353),
roten Punkten markieren jeweils die Versenden. den früheren Rivalen der Mamluken im Iran, in
Die Herstellung solch üppig ausgestatteter
Korane erforderte ein Team aus Kalligraphen,
Verbindung brachte. LA

9
Illuminierte Doppelseite aus einem Koran
Wahrscheinlich Jemen, circa 1300 –1350
Tinte, Gouache und Gold auf Papier
64 x 38,9 cm
Text: Sure Yunus (»Jonas«), 10:109 und
Sure Hud, 11:1–15
AKM 00814
Nicht publiziert
Die Herkunft dieses Korans wird unterschiedlich
diskutiert. Auch wenn das ilkhanidische Persien
oder das mamlukische Ägypten als mögliche
Produktionsorte nicht gänzlich außer Acht gelassen
werden können, so sprechen einige Merkmale
doch für eine Herstellung im Jemen während der
Herrschaft der Rasuliden (1229 – 1454). Es werden
drei Schriften verwendet. Die erste und letzte Zeile
sind im Muhaqqaq-Duktus geschrieben, die mittlere
(welche der fünften auf der rechten und der siebenten
Zeile auf der linken Seite entspricht) in goldenem
Thuluth und der Rest des Textes in schwarzem
Naskhi. Selten fi ndet man mamlukische Korane,
die sich unterschiedlicher Schriftarten bedienen,
drei Schriften bilden eine absolute Ausnahme
(James 1992a, 160). Ein weiteres ungewöhnliches
Merkmal ist die Verzierung der Surenüberschriften,
hier der Sure Hud. Die Schrift in weißem Kufi er-
scheint in einem illuminierten Feld und ist jeweils
links und rechts von einem quadratischen Feld
mit Flechtwerk eingefasst. Solche Felder mit
Knotenbändern sind für mamlukische Korane
selten, kommen aber in ilkhanidischen Exemplaren
durchaus vor. Von dem Überschriftenfeld reicht
eine tropfenförmige Ansa in den rechten Blattrand
hinein. Die aufeinanderfolgenden Verse dieser
Doppelseite sind durch achtblättrige Rosetten
voneinander getrennt. Jeder fünfte Vers ist mit
einem goldenen tropfenförmigen Medaillon am
Rand markiert. Es ist mit einer Blüte in der Mitte
und einer unregelmäßigen blauen Umrandung
versehen, von der eine senkrecht nach oben verlaufende
Linie ausgeht. Der blau geränderte goldene
Kreis auf dem linken Blattrand der gegenüberliegenden
Seite kennzeichnet den zehnten
Vers der Sure. AM
41

10
Koranblatt in Bihari-Schrift
Indien, 15. Jahrhundert
Tinte, Gouache und Gold auf Papier
36,8 x 27,8 cm
Text: Sure al-Isra² (»Die Nachtreise«), 17:74 – 80
AKM 00252
Publiziert: Falk 1985, 142 (Nr. 115);
AKTC 2007a, 41 (Nr. 9); AKTC 2007b, 37 (Nr. 9);
AKTC 2009a, 40 – 41; AKTC 2009b, 40 – 41
42
Dieses Blatt gehört zu den seltenen Koranhandschriften
aus der Periode zwischen Timurs Einfall
in Nordindien 1398-9 und der Gründung der
Moguldynastie im Jahr 1526. Da sich in den einzelnen
Zentren der unabhängigen Sultanate eine
Vielfalt kunstvoller Schreibstile herausbildete, ist
es nicht einfach, die Entwicklung der Buchkunst
des 15. Jahrhunderts in dieser Region nachzuvollziehen.
Die Herstellungsweise schien der timuridischen
Tradition im Iran und in Zentralasien zu
folgen, allerdings mit einem charakteristischen Unterschied,
nämlich dem Gebrauch der Bihari-
Schrift, wie sie hier zu sehen ist. Die Region Bihar,
wo sich diese Schrift herausbildete, liegt in Nordindien
zwischen Lakhnau und Bengalen. Das Bihari
ist eine seltene Abwandlung des Naskhi, dessen
Ursprung nicht bekannt ist, und erscheint lediglich
in vormogulischen Handschriften (James 1992b,
102). Charakteristisch ist die Überzeichnung der
Unterzüge durch Verdickung der Schwünge und
Zuspitzung der Enden. Auf der vorliegenden Seite
sind 13 Zeilen in Gold, Rot und Schwarz mit
schwarzen diakritischen Zeichen kalligraphiert,
begleitet von einer persischen Interlinearübersetzung
in roter Nasta³liq-Schrift. Jede dritte Zeile
ist in goldener oder roter Tinte mit einer schwarzen
Umrandung geschrieben, dazwischen stehen
jeweils zwei Zeilen in schwarzer Tinte. Die vergoldeten
bzw. farbigen Zeilen unterscheiden sich von
der Textbedeutung her nicht von den dazwischen
stehenden schwarzen Zeilen, jedoch verleiht das
Farbschema dem Text einen visuellen Rhythmus,
welcher der etwas überladen wirkenden Seite
eine gewisse Ordnung verleiht. Goldene Kreise
trennen die einzelnen Verse voneinander, und
der rote Buchstabe ³ain auf dem linken Blattrand,
der für die Zahl 10 (³ašara) steht, markiert zwischen
Randglossen in persischer Nasta³liq-Schrift eine
Gruppe von zehn Versen. Ein deutlich sichtbarer
Fehler in der sechsten und siebten Zeile – Wörter,
die nicht im Korantext vorkommen, wurden im
Nachhinein eingekreist und ausgestrichen – lässt
auf einen nicht übermäßig kundigen Schreiber
schließen. LA

11 Mauretanischer Koran
Nordwestafrika, Mauretanien, 18. Jahrhundert
Tinte, Gouache und Gold auf Papier; Ledereinband
Seiten: 27,5 x 21 cm;
Gebundene Handschrift: 29 x 21,7 x 3,4 cm
AKM 00807
Publiziert: AKTC 2008b, Nr. 4; AKTC 2009a, 41;
AKTC 2009b, 41
Auf einer der letzten Seiten dieses Korans ist
der Name des Kopisten, Muhammad ibn Musa
al-Yusufi , und das Datum, an dem die Handschrift
vollendet wurde (1036 H / 1626 AD), vermerkt.
Die Illuminierung, die später als der Text datiert,
deutet auf das Mauretanien des 18. Jahrhunderts.
Auch der charakteristische saharisch-maghrebi-
nische (oder sudanesische) Schriftstil und das
Format, in dem die quadratische Form maghrebinischer
Handschriften des 12. Jahrhunderts wiederbelebt
wird (Bayani – Contadini – Stanley
1999, 43), unterstützen eine Zuordnung nach
Nordwestafrika. LA
43

12 Osmanischer Koran
Kopiert von aš-Šaij Hamdallah ibn Mustafa
Osmanisches Reich (Türkei), circa 1500
Tinte, Gouache und Gold auf Papier
39,2 x 26,5 cm
Text: Sure al-Fatiha (»Die Eröffnung«), 1:1 – 7
AKM 00262
Publiziert: Welch 1979, 92–93 (Nr. 29);
Welch – Welch 1982, 27–29 (Nr. 4);
Falk 1985, 133 (Nr. 105); AKTC 2007a, 45 (Nr. 15);
AKTC 2007b, 42 (Nr. 15); AKTC 2009a, 42 – 43;
AKTC 2009b, 42 – 43
13 Safawidischer Koran
Kopiert von ³Abdallah aš-Širazi
Iran, Qazwin oder Mashhad, safawidisch,
circa 1550 –1565
Tinte, Gouache und Gold auf Papier
Einband: 38 x 25 x 6,5 cm; Seiten: 37,4 x 24,4 cm
Text: Sure al-Baqara (»Die Kuh«), 2:1 – 17
AKM 00485
Publiziert: Makariou 2007, 124 – 125 (Nr. 42);
AKTC 2009a, 42 – 43; AKTC 2009b, 42
44
Diese Handschrift ist einer der großartigsten osmanischen
Korane. Der osmanisch-türkische Kolophon
auf Folio 278r gibt den Namen des Schreibers
an, Scheich Hamdallah ibn Mustafa. Der
Auftraggeber der Handschrift ist nicht erwähnt,
vermutlich war es Sultan Bayezid II. (reg. 1481–
1512). Scheich Hamdallah (gest. 1520) war einer
der berühmtesten osmanischen Kalligraphen. Er
revidierte die sechs kanonischen Schriften des
Yaqut und beeinfl usste Generationen von osmanischen
Schreibern. Fast 50 Korane und unzählige
Gebetbücher werden seiner Hand zugeschrieben.
Der aus Amasya stammende Scheich Hamdallah
Dieses Exemplar ähnelt Koranen, wie sie im
16. Jahrhundert in Shiraz gefertigt wurden. Doch
es kommt wohl nicht aus dieser Stadt. Jene Korane
heben sich durch die reiche Illuminierung hervor,
wobei die elaboriertesten Kompositionen verwendet
wurden, um die ersten und letzten Seiten des
Bandes zu bilden. Diese Handschrift beginnt also
nicht direkt mit dem Korantext, sondern enthält
ein doppelseitiges Frontispiz, das jeweils mit einer
beschrifteten Rosette versehen ist. Die folgende
Doppelseite ist vollständig illuminiert und enthält
die erste Sure, al-Fatiha, eingebettet in zwei jeweils
mittig gesetzte, mehrfach gebogte Mandorlen.
Die letzten Seiten sind ebenfalls besonders hervorgehoben.
Hier stehen zwei zusätzliche Texte: ein
Schlussgebet (du³a² jatm), das nach vollständiger
Rezitation des Heiligen Buches gelesen wird, und
ein falnama, eine Anleitung zur Bibliomantie in
gekürzter Form, die auf den wahrsagerischen
Gehalt der Buchstaben des Alphabets hinweist
(Makariou 2007, 139, Anm. 64). Ein bescheidener
illuminiertes Frontispiz umrahmt die ersten Verse
der zweiten Sure (al-Baqara), der letzten Sure
(an-Nas) und der 18. Sure (al-Kahf), die deshalb
hervorgehoben wird, weil sie den Beginn der
zweiten Koranhälfte markiert.
Die hier abgebildete Doppelseite zeigt den
Anfang von al-Baqara, der zweiten und längsten
Sure im Koran. Das Frontispiz (sarlau) besteht aus
einem rechteckigen, blau-goldenen Kartuschenfeld,
das von einer Reihe mit vier identischen Palmettblüten
in Blau bzw. Gold, durchzogen mit feinen
Blütenranken, bekrönt wird. Mittig in diesem Feld
umrandet ein mehrfach gebogtes Medaillon die
Überschrift der Sure, die in weißer Riq³a Schrift auf
goldenem Grund steht. Mit diesem reichen Frontispiz
beginnt die Sure, deren Schriftbild nicht kontinuierlich
verläuft. Der Text ist über Felder von
unterschiedlicher Breite verteilt, in zwei sich abwechselnden
Schriftstilen und mit verschiedenfarbigen
Tinten und Hintergründen. Drei, dann fünf
Naskhi-Zeilen stehen in einer Aussparung vor
goldenem, mit feinen Blütenranken überzogenem
Grund. Diese wechseln sich ab mit einer längeren
Muhaqqaq-Zeile in weißer Tinte auf einem blauem,
mit einer roten Linie umrahmten bzw. einem goldenen,
mit einer blauen Linie umrandeten Feld.
Hochrechteckige Felder mit Blütenranken auf goldenem
Grund rahmen die Schriftfelder in Naskhi
zu jeweils beiden Seiten ein. Diese Abwechslungsvielfalt
ist rein ästhetischer Natur und markiert keinesfalls
Sinneinheiten im Text wie beispielsweise
unterrichtete den späteren Sultan Bayezid II. in
Kalligraphie, als dieser dort noch Gouverneur
war. So begann eine lebenslange Verbindung, die
die gesamte Regierungszeit Bayezids hindurch anhielt.
Die vollständige Eröffnungssure des Korans
ist auf diesem elaborierten Doppelfrontispiz in
Naskhi-Schrift wiedergegeben, einer Spezialität
von Scheich Hamdallah und einer Standardschrift
osmanischer Korane. Das gelängte sin (»s«) im
bismillah und das ausladende nun (»n«), welches
sich unter den goldenen Versmarker windet, verleihen
der Schrift Rhythmik und gehören zu den
Charakteristika von Scheich Hamdallahs Stil. AF
den Übergang von einem Vers zum nächsten. Auf
dieser Seite ist lediglich das Zusammentreffen eines
Ver sendes auf die Zeilenmitte durch einen
etwas größeren Abstand zwischen den Wörtern
angedeutet (8. und 9. Zeile). Außerhalb der beschriebenen
Flächen wird jeder fünfte Vers und
jeder zehnte Vers mit einem Medaillon auf dem
Rand verziert (jeweils mit blauen bzw. goldenen
Rosetten).
Auf den Seitenrändern steht jeweils in
schwarzer Tinte ein Vermerk; es ist der arabische
Ausdruck waqf, der daran erinnert, dass diese
Handschrift in unveräußerbares Gut (waqf)
umgewandelt wurde (ibid., Anm. 65). Der Vermerk
ist im Stiftungstext erklärt, der dem
falnama folgt und in dem erläutert wird, dass
diese Handschrift ein Geschenk des Sultans
Selim II. (reg. 1566 –1574) an die Moschee in
Edirne war. Möglicherweise befand sich diese
opulente Koranausgabe unter den diplomatischen
Geschenken, die der safawidische Schah
Tahmasp im Jahr 1568 Selim II. schickte, anlässlich
des Friedensvertrages von Amasya, der 1555
mit Selims Vater Süleyman dem Prächtigen unterzeichnet
worden war (ibid., Anm. 66).
Wie bei zahlreichen Koranexemplaren aus
dem 16. Jahrhundert kennen wir das Datum der
Abschrift nicht, dafür aber den Kalligraphen oder
vielmehr den Illuminierer, ³Abdallah Shirazi, der
seine Signatur an das Ende der letzten Sure setzte.
Zwei Miniaturisten dieses Namens sind bekannt.
Der erste wirkte um 1550 –1560 im Skriptorium
des Schahs Tahmasp in Qazwin und verstarb dort
im Jahr 1574 (ibid., Anm. 67); der zweite, bekanntere,
war im Skriptorium des safawidischen Prinzen
und Gouverneurs von Mashhad, Sultan Ibrahim
Mirza (1540 –1587), in Qazwin tätig. Dann
stand er bis zu seinem Tode, dessen Datum nicht
bekannt ist, im Dienst am Mausoleum des Imam
Reza und an der Grabstätte seines in Krankheit
verstorbenen Schutzherrn in Mashhad. Er trug
wesentlich zur Herstellung des berühmten Haft
Aurang für Ibrahim Mirza und eines Diwans für
denselben Fürsten bei, der sich im Aga Khan Museum
befi ndet. Nur eine äußerst sorgfältige vergleichende
Analyse der Illuminationen und Signaturen
konnte bestätigen, dass dieser Koran und
die übrigen Handschriften von ein und derselben
Person stammen (ibid., Anm. 68). Unabhängig
davon, welcher ³Abdallah Shirazi nun der Meister
dieser Handschrift war, ist es wahrscheinlich,
dass dieser opulente Koran in den herrscherlichen
Werkstätten von Qazwin oder Mashhad gefertigt
wurde. CM

12
13
45

14
Mogulindischer Koran
46
Kopiert von Muhammad Fazil
Indien, mogulindisch, datiert Fumada al-awwal
1093 H / Mai-Juni 1682 AD
Tinte, Gouache und Gold auf Papier;
geprägter Ledereinband
Seiten: 26,6 x 17 cm
Text: Sure al-Kahf (»Die Höhle«), 18:75 – 80
AKM 00319
Publiziert: AKTC 2009a, 44; AKTC 2009b, 44
Anders als bei seinen Vorgängern, die sich den
anderen Religionen des Indischen Subkontinents
gegenüber aufgeschlossen zeigten, war die Regierungszeit
des Mogulherrschers Aurangzeb
(1658 –1707) von einer strikten Religionspolitik
mit wenig Toleranz für andere Glaubensrichtungen
geprägt. So überrascht es kaum, dass während
seiner Herrschaft die Glanzzeit der Produktion
illustrierter Handschriften und Alben unter Akbar
(reg. 1556 – 1605), Jahangir (reg. 1605 – 1627)
und Shah Jahan (reg. 1628 – 1658) zu Ende ging.
Er hatte sich der orthodoxen Ausrichtung des
Islam verschrieben, die fi gürlichen Darstellungen
gegenüber eine strengere und restriktivere Haltung
einnahm. Schon vor seiner Inthronisation galt
Aurangzebs verstärktes Interesse der Herstellung
von Koranen in Naskhi-Schrift (Bayani – Contadini
– Stanley 1999, 172).
Die vorliegende Handschrift besteht aus etwa
460 Blättern mit jeweils 13 Zeilen im Naskhi-
Duktus pro Seite. Die ersten, mittleren und letzten
Zeilen hingegen sind im monumentaleren
Muhaqqaq-Duktus gehalten. Schwarze und goldene
Linien umrahmen die Textfelder, Surenüberschriften
sind mit goldener Muhaqqaq-Schrift
hervorgehoben und die Verstrenner bestehen aus
kleinen goldenen Rosetten.
Die Abbildung zeigt die mittlere von drei illuminierten
Doppelseiten. Wie bei einigen Koranen
der späten Mogul-Zeit erscheint der Text in
Feldern unterschiedlicher Breite, umschlossen
von goldenen, rot umrandeten und beschrifteten
Kartuschen auf blauem, mit kleinen roten und
weißen Blüten besprengtem Grund. Die Text -
zeilen verlaufen in farbig und golden linierten
Rahmen mit Blütenmustern. Diese sind wiederum
in einer größeren Rahmenbordüre mit polychromen
Vignetten und Lotusblüten zwischen
kleineren roten und weißen Blüten eingefasst.
Dieses Muster, zusammen mit dem gold-grün
umrandeten »Schließband«, das beidseitig auf
den äußeren Seitenrand hinauskragt, ist typisch
für indische Handschriften des 17. Jahrhunderts.
Es wiederholt sich in den kleinen Feldern zu
beiden Seiten der schmaleren Schriftfelder in
schwarzem Naskhi-Duktus. Goldenes Blütenrankenmuster
auf den Seiten rändern umrahmt die
illuminierte Gesamtkomposition, deren Rhythmus
von der goldenen, auf den Seitenrand mittig
auskragenden Kartusche unterbrochen wird.
Persische Handschriften des 15. und 16. Jahrhunderts
waren im 17. Jahrhundert offenbar
ein bedeutender Quell der Inspiration für indische
Koranilluminierungen. Die vorliegende
Handschrift stellt eine Ausnahme dar, obwohl
die Kombination von kleiner und großer Schrift
auf einer Seite an Korane erinnert, wie man sie
aus Shiraz im Iran des 16. Jahrhunderts kennt
(ibid., 174, 194 – 200).
Ein Kolophon informiert sowohl über den
Kopisten, einen gewissen Muhammad Fazil,
der sich als Schüler (šagird) des Mulla Ilyas
bezeichnet, als auch über das Datum der Fertigstellung.
LA

15 Kadscharischer Koran
Kopiert von ³Abd al-Mudnab al Jatti
al-Fani ³Abdallah
Iran, Teheran, kadscharisch, 1233 H / 1817- 8 AD
Tinte, Gouache und Gold auf Papier;
späterer Ledereinband
Einband: 22,6 x 16,9 x 4,1 cm; Seiten: 19,8 x 12,6 cm
Text: Sure al-Fatiha (»Die Eröffnung«), 1:1– 7;
Sure al-Baqara (»Die Kuh«), 2:1– 4
AKM 00287, fols. 1v – 2r
Publiziert: AKTC 2009a, 45; AKTC 2009b, 45
Dank der politischen Stabilität, die unter dem
ersten kadscharischen Herrscher, Muhammad
Khan, 1785 erreicht werden konnte, erlebte die
früh-kadscharische Periode eine über ein Jahrhundert
lang währende Blüte. Es wurden groß angelegte
Architektur- und Kunstaufträge unter der
Schirmherrschaft von Fath ³Ali Shah (reg. 1798 –
1834) und dessen Enkel, Nasir ad-Din Shah (reg.
1848 –1896) realisiert (Diba 1998, 169). Auch
wurden lebensgroße Gemälde immer beliebter,
die Produktion illuminierter Handschriften hingegen
nahm ab und sollte sich von diesem Niedergang
nicht mehr erholen (Diba 1998, 169 –170).
Der hier gezeigte Koran ist eines der wenigen
Beispiele dafür, dass die Tradition illustrierter und
illuminierter Handschriften nicht völlig zum Erliegen
kam. Die Handschrift enthält den gesamten
Korantext im Naskhi- und Thuluth-Duktus. Auf
dem hier abgebildeten Doppel frontispiz sind die
Verse der ersten Sure und des Anfangs der zweiten
Sure von goldenen wolkenförmigen Bändern umrahmt,
während die persische Interlinearübersetzung
in dunkelroséfarbenem Nasta³liq in schmaleren
Bändern steht. Auf beiden Seiten steht in
den mittig platzierten Kartuschen über dem Textfeld
in goldenem Naskhi die Überschrift und Anzahl
der Verse der jewei ligen Sure (7 bei al-Fatiha
und 286 bei al-Baqara). Um das Textfeld verläuft
ein rosa umrandetes Rautenband, das wiederum
in einem ebensolchen illuminierten Rahmen aus
gezackten polychromen Halb medaillons mit herzförmigen
Palmetten und blauen, orange- und rosafarbenen
Rosetten auf blauem Grund eingebettet
ist. Der Kolophon auf Folio 302r erwähnt den
»geringen Schreiber« ³Abd al-Mudhnab al-Khatti
und das Jahr 1233 H / 1817- 8 AD, allerdings
wurde auf der Rückseite desselben Blattes ein
weiterer Kolophon hinzu gefügt, der ein späteres
Datum nennt. LA
47

16
Koran von der Insel Sulawesi
Kopiert von Isma³il ibn ³Abdallah al-Fawi
aus Makassar
Indonesien, Sulawesi, Laiyaka (vermutlich Laikang),
datiert 25. Ramakan 1219 H / 28. Dezember 1804 AD
48
Tinte, Gouache und Gold auf europäischem Papier;
Ledereinband
Seiten: 35,5 x 20 cm
Text: Sure al-Kahf (»Die Höhle«), 18:1– 6
AKM 00488
Publiziert: AKTC 2008b, Nr. 28 (andere Seiten
abgebildet); AKTC 2009a, 46; AKTC 2009b, 46
17 Muschel mit Koraninschriften
Indien, Iran oder Türkei, 18. Jahrhundert
Perlmutt
Max. Ø 14,5 cm
AKM 00665
Publiziert: AKTC 2007a, 47 (Nr. 17); AKTC 2007b,
43 (Nr. 17); Makariou 2007, 132 –133 (Nr. 46);
AKTC 2008a, 20 und 64 – 65 (Nr. 12); AKTC 2009a,
47; AKTC 2009b, 47
Obwohl die islamische Eroberung den Indischen
Ozean und Südostasien bereits im 13. Jahrhundert
erreichte, datieren die ältesten erhaltenen Korane
aus dieser Region erst aus dem 17. und 18. Jahrhundert.
Das hier vorliegende Exemplar konnte
als eines von drei Kernstücken einer Gruppe von
18 im »geometrischen Stil von Sulawesi« illuminierten
Koranen identifi ziert werden. Die übrigen
15 Exemplare repräsentieren lokale Varianten.
Zu den Charakteristika dieser Gruppe gehören
illuminierte Doppelrahmen aus geometrischen
Motiven auf der ersten und letzten Doppelseite
sowie eine kräftige und dunkle Farbskala.
Das Exemplar aus dem Aga Khan Museum
zählt aufgrund seiner Größe, Qualität und seines
Erhaltungszustands zu den eindrucksvollsten Beispielen
aus der Gruppe der Sulawesi-Korane. Es
ist vollständig erhalten und mit einem kompletten
Kolophon versehen, der den Kopisten und den
Die natürliche Form und die glänzende Innenseite
dieser Muschel nutzend, hat der Künstler ein ansprechendes
Dekorprogramm aus acht konzentrischen,
mit Koranversen gravierten Kreisen kreiert.
Die zarten Weinranken im äußersten Ring erinnern
sowohl an Dekkan-Malerei als auch an das
spiralförmige Rankenwerk osmanischer Sultansmonogramme
(arab. tugra oder türk. tubra) sowie
an den kobaltblauen Dekor osmanischer Keramik
aus dem 16. Jahrhundert. Der Stil der Nasta³liq-
Schrift weist hingegen auf einen indischen oder
iranischen Künstler. Das indische Sultanat Gujarat
war ein bedeutendes Zentrum der Perlmuttbearbeitung.
Möglicherweise wurde dieses Objekt für
den Export in die Türkei hergestellt. Wo auch immer
es herstammt, die Kunstfertigkeit dieses Objektes
spricht dafür, dass es für eine hochstehende
Persönlichkeit hergestellt wurde.
Der Aufbau der Innenverzierung lässt an medizinisch-magische
Becher denken. Konzentrische
Doppelkreise defi nieren die Fläche für die »magische
Schrift«, die auf deutlich markierten Linien
im mittleren Kreis eingraviert ist. Auf dem dritten
Kreis von innen verläuft ein Motiv aus sich auseinanderknickenden
Stäben. Es wiederholt sich auf
dem siebten Kreis in strahlenförmiger Anordnung
und lässt Raum für Medaillons, in die der Text
graviert ist. Das äußere achte Band enthält konzentrische
Kreise und Zeilen mit »magischer«
Schrift. Die konkave Fläche der Muschel kann als
Behältnis für eine Flüssigkeit dienen, welche mit
den Inschriften und sonstigen Elementen im
Innern in Berührung kommt. Soweit man weiß,
wurden derartige Gefäße von Patienten benutzt,
um die Flüssigkeit daraus zu trinken, sie über den
Kopf zu gießen, sich damit zu benetzen oder sich
den Körper damit einzumassieren.
Abgesehen von den »magischen Inschriften«
im inneren Kreis gibt es auf dem zweiten Kreis ein
schiitisches Bittgebet, das mit »qul« (»sprich«)
beginnt, gefolgt von »ya ³Ali«, das dreimal wieder-
Herstellungsort in Südsulawesi erwähnt. Der Text
ist im Thuluth-Duktus geschrieben, die Kommentare
in Naskhi. Auf der rechten Seite steht die
Überschrift der Sure in einer schwarz ausgefüllten
Kartusche über dem Text. In einer parallel gestalteten
Kartusche unter dem Text steht die Anzahl
der Verse (110), der Wörter (1877) und der Buchstaben
(6360) in der Sure sowie die Stelle, an der
sie in der Reihe der prophetischen Offenbarungen
steht (67). Einige der Kommentatoren, die auf
dem Rand der linken Seite Anmerkungen hinterließen,
konnten identifi ziert werden.
Der enorme künstlerische Variationsreichtum
und die weit auseinanderliegenden Provenienzen
dieser Handschriften haben einige Wissenschaftler
veranlasst, eher von in der Diaspora entwickelten
künstlerischen Ausdrucksformen, als von einem
einzigen, ausschließlich auf Südsulawesi beschränkten
Stil auszugehen. LA
holt wird. In den Medaillons auf dem nächsten,
dritten Kreis stehen Auszüge aus dem Koran, die
jedesmal mit der Basmala eingeführt werden. Diese
kennzeichnet den Wechsel zu einer neuen Sure.
Wenn man also die oberste Zeile von dem Medaillon
aus, das wir mit 1 nummerieren, da es als einziges
in der oberen Zeile mit bismillah eingeleitet
wird, im Uhrzeigersinn bis zu Medaillon 11 verfolgt,
stößt man auf die Suren 109 al-Kafi run
(»Die Ungläubigen«), Verse 1– 6; 112 al-Ijlas
(»Der aufrichtige Glaube«), Verse 1– 4; 113 al-
Falaq (»Das Frühlicht«), Verse 1– 5; 114 an-Nas
(»Die Menschen«), Verse 1– 6; 68 al-Qalam (»Das
Schreibrohr«), die letzten beiden Verse 51– 52
und schließlich Sure 17 al-Isra² (»Die Nachtreise«),
Vers 81. Die Suren 109, 112, 113 und 114 unterscheiden
sich dadurch, dass sie mit dem Wort
»qul« (»sprich«) eingeleitet werden und in voller
Länge auf diesem Objekt wiedergegeben sind.
Auf dem vierten, sechsten und achten konzentrischen
Kreis sind die Inschriften in spiralförmig
von der Objektmitte ausgehenden Linien angeordnet.
Die Nasta³liq-Inschrift auf dem fünften
Band mit dem 31. Vers der Sure 3 Al ³Imran
(»Die Sippe ³Imrans«), die ebenfalls mit »qul«
beginnt, ist konzentrisch angeordnet, die Texte
auf dem siebten Band hingegen sind wieder in
Medaillons eingraviert. In Letzterem steht der
Anfang der 48. Sure al-Fath (»Der Erfolg«).
Die Suren 109, 112, 113 und 114, sowie Sure
17, Vers 81, der Anfang der Sure 48 und Sure
68:51– 52 kommen auf magisch-therapeutischen
Schalen vor. Daneben fi ndet man auch oft die ersten
vier Suren. Des Weiteren befi nden sich die
gleichen Verse der Suren 48, 58 und 112 auf einer
Muschel, die vor kurzem veräußert wurde. Es handelt
sich dabei um eine 14,3 cm große, als iranisch
bezeichnete Muschel mit Koraninschriften, die
aber auf einen späteren Zeitpunkt, ins 19. Jahrhundert,
datiert wird. Generell sind vergleichbare
Objekte sehr selten. AR / AF

18 Talisman-Anhänger
Iran, 19. Jahrhundert
Achat und Rubine in versilberter Fassung
Länge 12,1 cm
Inschrift:
Sure Ya Sin (Die Buchstaben ya und sin,
die als »Oh Mensch« gedeutet werden), 36:1– 83
Das schiitische Ali-Gebet:
»Nadi ³Aliyan maxhar al-³afa²ib, tafla ³aunan laka
fi n-nawa²ib, kullu hamma wa-gamma sa-yanfali,
bi-nubuwwatika ya Muhammad, bi-wilayatika ya
³Ali, ya ³Ali, ya ³Ali« (»Rufe Ali an, Zeichen der
Wunder, er wird dir eine Hilfe in schweren Zeiten
sein / jegliche Seelenqual und Unglück werden sich
verziehen, durch deine Prophetie, Oh Muhammad,
durch deine Führung / Oh Ali Oh Ali Oh Ali«)
(Lesung: Abdullah Ghouchani)
AKM 00668
Publiziert: AKTC 2007a, 48 (Nr. 19); AKTC 2007b,
44 (Nr. 19); AKTC 2009a, 48; AKTC 2009b, 4
50
Eine herrliche Umrandung aus Rubinen bildet
den Rahmen dieses ovalen Anhängers, der, den
drei Ösen an der Oberkante nach zu urteilen,
als Schmuckstück getragen wurde. Nach dem
Aufruf der Schahada (»Es gibt keinen Gott außer
Gott, und Muhammad ist sein Prophet«) in der
Mitte sind die 36 Koransuren, die in der Regel
in schweren Zeiten wie Hunger, Not, Krankheit
oder nahendem Tod rezitiert werden, in vollständiger
Länge dicht in die Oberfl äche graviert.
Die Suren beginnen am äußeren Rand und setzen
sich zunächst in Felderpaaren zu jeweils zwei Seiten
des zentralen Rechtecks und von dort aus in
gleicher Weise bis zur Mitte hin fort. Die Wahl
der Sure Ya Sin betont die glückbringende Eigenschaft
dieses Objektes, das den Träger vor Unheil
schützen sollte. Die Schlusszeilen der Inschrift
deuten an, dass der Anhänger wohl für einen
schiitischen Muslim gefertigt wurde. Sie enthalten
zwei Zeilen eines bekannten arabischen Gedichtes,
in dem Hilfe und Schutz des Propheten Muhammad
und seines Cousins und Schwiegersohnes
Ali angerufen werden, gefolgt von den
99 Namen Gottes, um mit den Namen von Muhammad,
Ali sowie Alis Söhnen Hasan und Husain
zu enden. LA

19 Kastanienblatt mit kalligraphischer
Komposition
Osmanisches Reich (Türkei), 19. Jahrhundert
Kastanienblatt
28 x 13,5 cm
Text: Sure al-Isra² (»Die Nachtreise«), 17:80
AKM 00538
Publiziert: AKTC 2007a, 49 (Nr. 20); AKTC 2007b,
44 (Nr. 20); Makariou 2007, 134 –135 (Nr. 47);
AKTC 2008a, 70 (Nr. 15); AKTC 2009a, 49;
AKTC 2009b, 49
Koranverse wurden in erstaunlich vielfältigen
Techniken auf Objekten angebracht. Eines der
ungewöhnlichsten Beispiele ist ein vergoldetes
Blatt, wie es in der osmanischen Türkei des
18. Jahrhunderts sehr beliebt war. Dieses Exem -
plar zeigt einen Vers aus der Sure al-Isra² (»Die
Nachtreise«): »Und sprich, Mein Herr, gewähre
mir einen wahrhaftigen Eingang und gewähre
mir einen wahrhaftigen Ausgang, und schaffe
mir von Dir her eine unterstützende Macht.«
Der Kalligraph hat auf meisterhafte Weise seinen
eleganten Thuluth-Murakkab-Duktus genutzt, um
eine Komposition zu schaffen, die einem mit einer
Mannschaft besetzten Boot gleicht. Obwohl die
Vergoldung von Laubblättern den osmanischen
Découpage- Arbeiten ähnelt, unterscheidet sie
sich hier durch ihre technische Ausführung. Die
Inschrift wurde entweder geschrieben oder schabloniert
und auf beiden Seiten mit einer Wachsschicht
fi xiert. Das Blatt wurde so lange in einer
alkalischen Lösung getränkt, bis Blattrippen und
Inschrift freigesetzt waren. Die Verwendung eines
Blattes der Edelkastanie oder Spanischen Kastanie
(Castanea sativa), das noch fragiler ist als die normalerweise
für diese Kunstgattung verwendeten
Blätter, zeigt die Virtuosität in der Herstellung des
vorliegenden Exemplars. AF
51

20
52
Zwei Lüsterfl iesen mit Koraninschriften
Iran, möglicherweise Kashan, frühes 14. Jahrhundert
Quarzfritte, lüsterbemalt, blau, braun und türkis
auf deckend weißer Glasur
Publiziert: Welch 1978b, 172 –173; Falk 1985, 235
(Nr. 237); AKTC 2007a, 51 (Nr. 21); AKTC 2007b, 45
(Nr. 21); Makariou 2007, 120 (Nr. 40); AKTC 2009a,
50; AKTC 2009b, 5
17,5 x 38,1 cm
Inschrift:
(oben) Sure ar-Rahman (»Der Erbarmer«), 55:14 –19
(Mitte) Sure al-Fum³a (»Der Freitag«) 62:8
(unten) Sure Saba² (»Saba«) 34:2– 3
AKM 00796
Freundliche Leihgabe von
Prinzessin Catherine Aga Khan
21 18,6 x 43 cm
Inschrift:
(oben) Sure ar-Rahman (»Der Erbarmer«), 55:32 – 35
(Mitte) Sure al-Fum³a (»Der Freitag«), 62:8
(unten) Sure Saba² (»Saba«), 34:7– 9
AKM 00565
Diese beiden Fliesen gehören zu ein und demselben
Fries, grenzen jedoch nicht aneinander.
Die jeweils mittig angebrachte Inschrift ist in
elegantem, modelgeformtem kobaltblauem
Thuluth-Duktus gehalten. Den goldenen Hintergrund
füllen türkise Weinranken über erhaben
gearbeitetem weißem Blattrankenfüllwerk. Die
Randinschriften im Naskhi-Duktus verlaufen auf
einem konvex gewölbten Band des dekorativen
Abschlusses an der oberen und unteren Kante.
Schriftliche Quellen beschreiben Kashan als
wichtigstes Zentrum der Fliesen- und Keramik-
herstellung, jedoch dürften einige der glasierten
Fliesen auch in anderen Teilen des Iran gefertigt
worden sein. Keramikfl iesen dieser Art wurden
hergestellt, um Gebetsnischen und Kenotaphe zu
schmücken. Die hier abgebildeten Objekte gehörten
wohl zu einem Fries, der einst die Wände
und Grabstellen eines schiitischen Mausoleums
schmückte. Nach Sheila Blair dekorierten diese
Teile das Kenotaph des Sufi meisters ³Abd as-Samad
in Natanz, Iran. Ähnliche Objekte befi nden sich in
öffentlichen Sammlungen oder wurden in den letzten
Jahren auf dem Kunstmarkt gehandelt. AF / MB

22 Chinesischer »Swatow«-Teller
Mit seiner groben Töpferweise und der dicken,
China, 17. Jahrhundert
krakelierten Glasur gehört dieser Teller zu einer
Porzellan, bemalt mit grünem und schwarzem Email eigenen Porzellangruppe, den sogenannten
auf deckend weißer Glasur
»Swatow«-Waren. »Swatow« ist eine niederlän-
Ø 35,1 cm
dische Fehlübersetzung von »Shantou«, einer
AKM 00591
Hafenstadt der Qing-Dynastie (1644 –1912), von
Publiziert: AKTC 2007a, 46 – 47 (Nr. 16);
der aus diese Waren vermutlich verschifft wurden.
AKTC 2007b, 42 (Nr. 16); AKTC 2008a,
Jüngste archäologische Untersuchungen durch
62 – 63 (Nr. 11); AKTC 2009a, 51; AKTC 2009b, 51
chinesische Wissenschaftler erbrachten den Nachweis,
dass Swatow-Waren von der Mitte des
16. Jahrhunderts bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts
in der Präfektur Zhangzhou für den Export
nach Europa, Japan und Südostasien produziert
wurden. Ähnliche Teller erschienen in Indonesien
und gelten als Auftragsarbeiten für die mächtigen
schiitischen Sultane von Aceh im Nordwesten Sumatras,
darunter Sultan Iskander Muda (1607 – 1636)
(Canepa 2006, Nr. 40). Die Inschriften auf diesem
Teller enthalten Gottesanrufungen und Koranverse,
darunter die Sure al-Baqara (»Die Kuh«), al-Ijlas
(»Der aufrichtige Glaube«) und an-Nas (»Die Menschen«),
das Nadi ³Aliyan-Gebet (vgl. Kat. Nr. 18),
sowie das Wort »Allah«, das sich auf der Wandung
des Tellers wiederholt. Die Inschriften gelten als
glückbringend sowie als Beistand und Schutz für
den Besitzer. AF
53

23 Geschnitztes Holzpaneel
mit Koraninschrift
Spanien, al-Andalus, 10.– 11. Jahrhundert
Holz
16,7 x 427 cm
AKM 00628
Publiziert: AKTC 2007a, 52 – 53 (Nr. 23);
AKTC 2007b, 46 – 47 (Nr. 23); AKTC 2009a, 52;
AKTC 2009b, 52
54
Dieser lange geschnitzte Balken ist ein seltenes
Relikt aus der Umayyadenzeit (756 –1031) und
gleichzeitig ein Stück von herber Schönheit. Im
Vergleich zu Objekten aus der Fatimidenzeit
(909 –1171) scheinen hier die Blattranken nicht
organisch aus den Buchstaben herauszuwachsen,
sie sind eher als Verzierung angefügt. Eine gewisse
Überschwänglichkeit fi ndet sich dennoch in der
dekorativen Ausgestaltung der Buchstaben. Besondere
Sorgfalt wurde auf das dreimal wiederholte
Wort Gott (Allah) verwendet. Der Holzbalken,
der sehr wahrscheinlich zur Ausstattung einer
Moschee gehörte, enthält Teile des »Lichtverses«
aus dem Koran (ayat an-Nur, 24:35 – 36): »Gott ist
das Licht der Himmel und der Erde. Sein Licht
ist einer Nische vergleichbar, in der eine Lampe
ist. Die Lampe ist in einem Glas. Das Glas ist, als
wäre es ein funkelnder Stern. Es wird angezündet
von einem gesegneten Baum, einem Ölbaum, der
weder östlich noch westlich, dessen Öl fast schon
leuchtet, auch ohne dass das Feuer es berührt
hätte. Licht über Licht. Gott führt zu seinem Licht,
wen Er will, und Gott führt den Menschen die
Gleichnisse an. Und Gott weiß über alle Dinge
Bescheid. (Das steht) in Häusern, für die Gott erlaubt
hat, dass sie errichtet werden und dass darin
seines Namens gedacht wird.«
Dieser berühmte Koranvers ist oft auf Moscheeampeln
zu lesen, die so zu Symbolen göttlichen
Lichtes werden. Man kann sich diesen Holzbalken
in einer Moschee vorstellen, mit seiner monumentalen
Kufi -Inschrift beleuchtet vom sanften Schein
einer daneben hängenden Lampe, beides Gegenstände,
welche die Gegenwart Gottes symbolisieren.
AF

24
Iznik-Keramikfries mit Koraninschrift
Türkei, Iznik, osmanisch, circa 1500
Quarzfritte, polychrome Unterglasurmalerei
15,5 x 75 cm
Inschrift: Sure Yusuf, 12:64
AKM 00698
Freundliche Leihgabe von
Prinzessin Catherine Aga Khan
Publiziert: AKTC 2008a, 72 (Nr. 16);
AKTC 2009a, 53; AKTC 2009b, 53
Für die keramischen Herstellungstechniken und
die Kodifi zierung einer distinguierten osmanischen
Hofästhetik spielte die hochentwickelte Keramikindustrie
in Iznik eine maßgebliche Rolle
(siehe Kat. Nr. 101–105). Aus Iznik wurden kleine
quadratische Fliesen nach Istanbul geliefert; dort
schmückten sie zahlreiche Paläste und Moscheen
in brillantem Blau, Weiß, Türkis, Grün und einem
erstaunlichem, plastisch aufgetragenen Rot. Dieser
Fries aus drei einzelnen Fliesen dürfte einst Teil
einer Moscheedekoration gewesen sein. Die Inschrift
in graziösem Naskhi-Duktus stammt aus
der 12. Sure und lautet: »Gott ist der beste Hüter,
und Er ist der Barmherzigste der Barmherzigen.« LA
55

25 Koran auf Stoff
Kopiert von Munši ³Abdulgani al-Qadiri
56
Mogulindisch, datiert 1130 –1132 H / 1718 –1720 AD
Tinte auf grün gefärbter Baumwolle
111,8 x 241,4 cm
AKM 00487
Publiziert: AKTC 2007a, 187 (Nr. C); AKTC 2007b,
26 –27 und 48 (Nr. C); Doha Museumskatalog 2008;
AKTC 2009a, 54 – 55; AKTC 2009b, 54 – 55
Dieses ungewöhnliche Koranexemplar zeigt die
Verschmelzung persischer und indischer Kunst,
wie sie im Mogulindien des 18. Jahrhunderts fl orierte.
Der Korantext ist in winzigem, schwarzem
Naskhi, Ghubari genannt, geschrieben und mit
roten und schwarzen Punkten zur Indikation der
Versanfänge versehen. Die Surenüberschriften
sind in rotem Thuluth gehalten; fünf große, golden
und polychrom illuminierte Medaillons enthalten
die Basmala in Schwarz auf Gold. Laut
Kolophon begann der Schreiber am 3. Ramadan
1130 H / 31. Juli 1718 AD mit dieser Abschrift
des Korans und beendete sie am 5. Ramadan
1132 H / 11. Juli 1720 AD. Die Anforderungen,
die eine Niederschrift auf gefärbtem Stoff stellten,
erklären den langen Zeitraum bis zur Fertigstellung.
Dieser Koran war ein Geschenk an Emir Abdallah,
den Gouverneur von Allahabad. Bereits 1583
hatte der Mogulherrscher Akbar (reg. 1556 –1605)
Allahabad zu einer seiner Hauptstädte erhoben.
Die Bedeutung dieser Stadt im 18. Jahrhundert
ist allerdings weniger in ihrem früheren herrscherlichen
Status begründet als in ihrer strategischen
Lage am Zusammenfl uss des Ganges und des
Yamuna. AF

© Henri Stierlin, Genf
Pilgerfahrt und Gebet
Sheila Canby
Isfahan (Iran), Große Moschee
Die Pilgerfahrt nach Mekka, auch Hadsch
genannt, spielt eine zentrale Rolle im Islam.
Sie gehört zu den fünf »Säulen« oder Pfl ichten
eines jeden Gläubigen. Die ersten beiden
Wochen des muslimischen Kalendermonats
Dhu l-Hijja sind ihr geweiht. Heutzutage organisiert
das Königreich Saudi-Arabien die
islamische Pilgerfahrt mit größter Präzision
und legt je nach Herkunftsland Besucherquoten
fest. Vor dem Zeitalter moderner Transportmittel
war die Pilgerfahrt ein mühseliges,
kostenintensives und zeitaufwändiges Unterfangen,
vor allem für Muslime, die aus den
Randgebieten der islamischen Welt anreisen
mussten, wie Spanien und dem Maghreb im
Westen oder aus Zentralasien und Indien im
Osten. Viele Pilger unternahmen die Fahrt
im hohen Alter und überlebten diese Reise
nicht. Jedoch glaubte man, ein Tod auf der
Pilgerfahrt sichere dem Hadschi einen Platz
im Himmel.
Aufgrund der wechselhaften politischen
Umstände in der islamischen Welt war die
Reisefreiheit oftmals eingeschränkt. Pilger benötigten
Dokumente, die ihnen eine sichere
Durchreise nach Mekka garantierten. Am Ort
der Abreise stellten Kleriker entsprechende
Schreiben aus. Für die Rückreise gab es Dokumente
in Form von schematischen Darstellungen
der Kaaba in der Großen Moschee
von Mekka, die im Hedschas hergestellt und
verkauft wurden. Sie galten als Bestätigung,
dass der Reisende die Pilgerfahrt durchge-
führt hatte. Mit Plänen der Großen Moschee
(Kat. Nr. 27) und anderen besuchten Orten
ließ sich eine erfolgreiche Pilgerfahrt nachweisen.
Darstellungen der Kaaba und anderer
Stationen der Pilgerfahrt fi nden sich auch
auf Iznik-Fliesen (Kat. Nr. 31). Noch heute
malen ägyptische Pilger Szenen der Hadsch
auf ihre Hauswände. Schiitische Muslime pilgern
nicht nur nach Mekka, sondern besuchen
auch andere, für ihren Glauben zentrale
heilige Städte. Das Heiligtum des Imam Ali
in Nadschaf, sowie das Heiligtum des Imam
Husain in Kerbela, beide im Irak, ziehen schiitische
Gruppierungen aus der ganzen Welt
an. Als ihre osmanischen Feinde die drei
heiligsten Städte des Islam, Mekka, Medina
und Jerusalem, kontrollierten, bauten die safawidischen
(schiitischen) Schahs im späten
16. und 17. Jahrhundert im Iran die Schreine
des achten schiitischen Imam Reza in Mashhad
und seiner Schwester Fatima Ma³suma
in Ghom als Alternativen zu Mekka aus.
Neben den islamischen Hauptheiligtümern
in Mekka und Medina entstanden sowohl
um die Gräber der schiitischen Imame
als auch um die Gräber ihrer Kinder und
Nachfahren weitere kleinere Schreine. Diese
imamzada genannten Heiligtümer waren oft
üppig mit Fliesen ausgestattet. Einige fungierten
wie Vorposten zu größeren Heiligtümern,
andere entwickelten sich wiederum zu
regulären Anlaufpunkten der ortsansässigen
Gläubigen.
59

26
Pilgerfl asche
60
Iranischer Kulturraum (Irak oder Iran) oder Syrien,
7.– 8. Jahrhundert
Irdenware mit Ritzdekor und grüner Glasur
Höhe 19 cm
AKM 00540
Publiziert: AKTC 2009a, 58; AKTC 2009b, 58
Formen frühislamischer Pilgerfl aschen lassen
sich bis in das 2. Jahrtausend v. Chr. zurückverfolgen
(Fehérvári 2000, 29), glasierte Flaschen
hingegen datieren in die vorislamische parthische
(2. Jahrhundert v. Chr. – 3. Jahrhundert
n. Chr.) und sassanidische Periode (2.– 7. Jahrhundert
n. Chr.). Laut Oliver Watson gibt es
in der frühislamischen Zeit drei Entwicklungslinien
glasierter Keramik: die Fortsetzung
vorislamischer glasierter Keramik, die Erfi ndung
neuer glasierter Keramik und das Anbringen
neuer Glasuren auf früher unglasierten Waren
(Watson 2004, 161–162). Die hier gezeigte Flasche
gehört zur ersten Kategorie. Der Flaschenkörper
ist von ovaler Form, die Oberfl äche
dekoriert mit modelgeprägten und eingekerbten
Motiven, darunter die Darstellung eines Vogels
mit fi schähnlichem Schwanz. Durch eine arabische
Kufi -Inschrift unterscheidet sich die
Flasche von ihren vorislamischen Leitbildern.
Die umrisshafte Darstellung der Kalligraphie fi ndet
sich auf frühislamischen Keramiktellern aus
diesem Teil der Welt (siehe z. B. Teller
in der David Collection, Kopenhagen, publiziert
in von Folsach 2001, 129 [Nr. 99, Inv. Nr.
50 /1999] und im British Museum, London,
publiziert in Pancaroblu 2007, 29 [fi g. 14, Inv. Nr.
OA1963.4-24.1]). Die Keramiktechnik und das
Vogelmotiv als solches sind allerdings vorislamisch.
Darstellungen von Vögeln im Profi l
könnten von sassanidischen Vorläufern auf unterschiedlichsten
Gegenständen und Materialien inspiriert
worden sein (Auld 2005, 5; vgl. Harper
1978, 63 – 65 [Nr. 19, 21, 26, 49 und 77]). Die
Form des hier ausgestellten Stücks
ist ungewöhnlich für islamische Pilgerfl aschen.
Ein ebenfalls einhenkliges Gefäß mit einer in Relief
geschnitzten Vogeldarstellung kommt dieser
Flasche am nächsten. Es befi ndet sich
in einer Privatsammlung in Japan. LA

27 Plan der Al-Haram-Moschee in Mekka Dieser Plan der Heiligen Moschee (Masfid al-
Vermutlich Hedschas (Arabien), 18. Jahrhundert Haram) in Mekka gehört zu der literarischen
Tinte, Gouache und Silber auf Papier
Tradition, die sich um die Pilgerfahrt nach Mekka
85 x 61,5 cm
(Hadsch) bildete. Hierzu zählen Gebetbücher,
AKM 00529
anwendungsorientierte Führer mit schematischen
Publiziert: AKTC 2007a, 62 – 63 (Nr. 31);
AKTC 2007b, 58 – 59 (Nr. 31); AKTC 2009a, 58 – 59;
AKTC 2009b, 58 – 59
Darstellungen sowie Pilgerzertifi kate. Wichtige
Örtlichkeiten innerhalb des Moscheebezirks sind
mit arabischen Beschriftungen in schwarzer
Naskhi-Schrift gekennzeichnet. Von ähnlichen
Karten nimmt man an, dass Zeichner im Hedschas
sie im 18. und 19. Jahrhundert für indische Pilger
herstellten. AF
61

28
Gebetsamulett mit Hülle
Ägypten, circa 11. Jahrhundert
Blatt: 7,2 x 5,5 cm; Bleihülle: 2,7 x 1,3 cm
AKM 00508
Publiziert: AKTC 2007a, 61 (Nr. 30); AKTC 2007b,
58 (Nr. 30); Makariou 2007, 130 –131 (Nr. 45);
AKTC 2008a, 86 – 87 (Nr. 23); AKTC 2009a, 60;
AKTC 2009b, 60
62
Dieses Gebetsamulett ist ein seltenes Beispiel für
eine frühe arabische Drucktechnik namens tarš.
Das Papier zeigt auf der hier sichtbaren Seite 18
Textzeilen im Kufi -Duktus. Die Zeilen auf der Rückseite
sind wohl ein Abdruck der Vorderseite, der
durch das Falten entstanden ist. Das Bleibehältnis
ist gleichfalls eine absolute Rarität. Der Text enthält
Auszüge aus verschiedenen Koransuren, darunter
al-An³am (6: »Das Vieh«), al ³Imran (3: »Die Sippe
³Imrans«), al-Hifr (15: »Das steinige Land«) und
al-Baqara (2: »Die Kuh«) (Lesung: Abdullah
Ghouchani). Der Kufi -Duktus in diesem Doku-
ment ist fatimidisch, keinesfalls später, da dieser
Schriftduktus in nachfatimidischen Handschriften
keine Verwendung mehr fand. Zum Druck wurden
vermutlich Metallplatten oder Holzklötze verwendet.
Frühe gedruckte Amulette sind noch unerforscht,
der Kenntnisstand über diese Gruppe
basiert auf einer kleinen Anzahl von noch erhaltenen
Amuletten und historischen Quellen. Gedichte
des 10. bis 14. Jahrhunderts erwähnen mit Holzklötzen
und gegossenen Bleiplatten gedruckte
Amulette (Bulliet 1987). AF

29
Illustrierte Handschrift der Dala²il aljairat
(»Hinweise auf die Wohltaten«)
von al-Fazuli (gest. 869 H / 1465 AD)
Osmanisches Reich (Türkei), 1207–18 H / 1793 AD
Tinte, Gouache und Gold auf Papier
15,2 x 10,5 cm
AKM 00382
Publiziert: Welch 1978b, 137– 413; AKTC 2007a, 53
(Nr. 26); AKTC 2007b, 58 (Nr. 26); AKTC 2008a,
82– 83 (Nr. 21ff. 110b –111a); AKTC 2009a, 60 – 61;
AKTC 2009b, 60 – 61
Muhammad ibn Sulaiman al-Jazuli (gest. 869 H /
1465 AD) gehörte dem Berberstamm der Jazula
im Süden Marokkos an. Sein Dala²il al-jairat ist
ein Gebetbuch mit einer Sammlung von an den
Propheten gerichteten Gebeten, einer Beschreibung
seines Grabes, seiner Namen und Epitheta
und anderen devotionalen Inhalten. Al-Jazulis
Gebetbuch basiert auf Literatur aus der Bibliothek
von al-Qarawiyyin, der berühmten marinidischen
Moschee und Universität von Fes in Marokko.
Die Dala²il wurden zum Dreh- und Angelpunkt
einer weitverbreiteten religiösen Bruderschaft,
den Ashab ad-Dala²il, deren wesentliche Aufgabe
darin bestand, dieses Buch religiöser Frömmigkeit
zu rezitieren.
Die vorliegende Handschrift ist eine osmanische
Kopie aus dem frühen 19. Jahrhundert, aufgeschlagen
bei einer vollständig illustrierten Doppelseite
mit den Darstellungen von Mekka und Medina.
Die schwarze Tintenzeichnung ist in kräftigen Rot-,
Blau- und Grüntönen, Weiß und Gold koloriert.
Die Zwickel der oval und in Gold eingefassten
Darstellungen sind mit Blütenranken auf blauem
Grund ausgefüllt. Wahrzeichen und Orientierungspunkte
sind deutlich erkennbar. Während Medina
anhand des großen Hofes und der Kanzel (minbar)
des Propheten zu identifi zieren ist, steht in Mekka
die Kaaba im Mittelpunkt von vier Moscheen,
welche die Himmelsrichtungen anzeigen. Die mit
einem schwarz-goldenen Tuch bedeckte Kaaba ist
von einem weißen Platz umgeben, der sich dort
öffnet, wo die Kanzel des Propheten steht. Durch
die Verwendung mehrerer Perspektiven wirken
die beiden Darstellungen stilisiert. Zugunsten
unentbehrlicher Informationen wurde auf eine
naturgetreue Abbildung verzichtet. Die bildliche
Wiedergabe der heiligen Städte erinnert an die
reiche Tradition geographischer Handschriften in
der osmanischen Welt des 16. Jahrhunderts. LA / AF
63

30
Chao Jin Tu Ji von Ma Fuchu
64
China, 1861
Holzdruck auf Reispapier
15 x 26,5 cm
AKM 00681
Publiziert: AKTC 2007b, 54 – 55 (Nr. 29);
AKTC 2008a, 84 – 85 (Nr. 22); AKTC 2008b, Nr. 26;
AKTC 2009a, 62; AKTC 2009b, 62
Das Chao Jin Tu Ji ist der Reisebericht des Ma
Fuchu (Ma Dexin, 1794 –1874), der während der
Qing-Dynastie als herausragender chinesischer
Hui-Gelehrter des Islam und der sino-muslimischen
Philosophie galt. Der in Yunnan gebürtige
Ma Fuchu bereiste Gebiete zwischen China,
Mekka und Kairo sowie weitere Gebiete des
Osmanischen Reiches. Dieses Buch berichtet von
seiner Pilgerfahrt nach Mekka. Ma Fuchu brach
mit einer Gruppe muslimischer Händler aus seiner
Heimat auf und reiste über Land und per
Schiff nach Rangun, von wo er ein Dampfschiff
Richtung Arabische Halbinsel bestieg. Nach sei-
ner Pilgerfahrt verbrachte er zwei Jahre in Kairo,
wo er an der Al-Azhar Universität studierte.
Anschließend bereiste er das gesamte Osmanische
Reich, bevor er nach Yunnan zurückkehrte.
Ma Fuchu ist auch bekannt für seine fünfbändige
Koranübersetzung ins Chinesische sowie für seine
über 35 Werke zu Geschichte und Metaphysik,
die er sowohl auf Chinesisch als auch auf Arabisch
verfasste. Die Werke dieses Gelehrten sind ein
Zeugnis für die zahlreichen kulturellen Netzwerke,
die sich zwischen China und der islamischen Welt
spannten. AM / LA

31
Polychrome Qibla-Fliese
Osmanisches Reich (Türkei), 17. Jahrhundert
Quarzfritte, polychrome Unterglasurmalerei
52 x 32 cm
Inschrift: Sure Al ³Imran (»Die Sippe ³Imrans«),
3:96 – 97
AKM 00587
Publiziert: Falk 1985, 238 (Nr. 240); AKTC 2007a, 57
(Nr. 25); AKTC 2007b, 52 (Nr. 25); Makariou 2007,
202 – 203 (Nr. 73); AKTC 2008a, 80 – 81 (Nr. 20);
AKTC 2009a, 62 – 63; AKTC 2009b, 62 – 63
Die Keramiktafel zeigt die schwarz verhüllte Kaaba
in der Heiligen Moschee (Masfid al-Haram) von
Mekka, dem Ort der jährlichen muslimischen Pilgerfahrt.
Auszüge aus dem Koran in einem Textfeld
bekräftigen die bildliche Darstellung: »Das
erste Haus, das für die Menschen errichtet wurde,
war das in Bakka (Mekka), geheiligter Ort und
Rechtleitung für alle Weltbewohner. Darin befi nden
sich deutliche Zeichen und das Heiligtum des
Abraham; und wer immer es betritt, ist sicher.
Jeder, der dazu in der Lage ist, hat Gott gegenüber
die Pfl icht, die Pilgerreise zum Haus zu unternehmen.«
Der Künstler wählte multiple Perspektiven
– sowohl Grund- als auch Aufrisse –, um
einen Gesamteindruck der Anlage zu vermitteln.
Wie auch in den Pilgerhandbüchern, die in der
gesamten islamischen Welt hergestellt wurden,
sind die wichtigsten Örtlichkeiten schriftlich gekennzeichnet.
Diese Fliesen mit der typischen
Farbpalette osmanischer Keramik, Türkis, Kobaltblau,
Grün und Rot auf weißem Grund, wurden
im 17. Jahrhundert hergestellt. Oft dienten sie als
Bauschmuck, wie beispielsweise an der Südwand
einer Moschee, um die Gebetsrichtung (qibla) anzuzeigen.
Diese Tafel zeigt das Interesse der Osmanen
an Topographie und belegt die lange Tradition,
das Heiligtum in Mekka mit unterschiedlichsten
künstlerischen Mitteln darzustellen. AF
65

32
Chinesischer Teller für Waschungen
China, Provinz Jiangxi, Jingdezhen,
Periode des Zhengde, 1506 –1521
Porzellan
Höhe 7,5 cm; Ø 41,8 cm
Inschrift (arabisch):
(Medaillon im Spiegel) tahara (»Reinheit«);
(Medaillons auf dem Rand) tuba li-ma tahara
yadahu min ilha² (»Selig der, der seine Hände
von Verfehlung reinigt«);
(außen) al-wuku² ³ala l-wuku² kau² ³ala kau²
(»Waschung über Waschung ist Licht über Licht«)
AKM 00722
Freundliche Leihgabe von
Prinzessin Catherine Aga Khan
Publiziert: Welch 1978a, 211–112; AKTC 2008b,
Nr. 27; AKTC 2009a, 64; AKTC 2009b, 64
66
Seit dem 8. Jahrhundert siedelten sich muslimische
Händler aus dem Mittleren Osten und Zentralasien
kontinuierlich in der südostchinesischen Provinz
Fujian an. Selbst die Mongoleneinfälle im 13. Jahrhundert
konnten diese Bewegung nicht unterbrechen.
Blauweiß-Porzellan mit arabischen Inschriften,
wie dieser wunderschöne Teller, wurde wohl
entweder für die muslimische Bevölkerung oder
für den Export ins Ausland hergestellt. Das hier
vorliegende Stück kam wahrscheinlich aus einem
der vielen tausend Öfen um Jingdezhen in der
Provinz Jiangxi, wo Unmengen von Blauweiß-Porzellan
ausgegraben wurden. In einem Kreis im
Spiegel des Tellers steht in kobaltblauer arabischer
Schrift das Wort für Reinheit, tahara. Die beschriftete
Kreisfl äche wiederum befi ndet sich in
zwei ineinander verschränkten Quadraten, die
ihrerseits von einem größeren Kreis umschlossen
werden. Die Zwickel der Quadrate und des äußeren
Kreises sind mit blauen Wolkenbändern und
einem Rankenmotiv ausgefüllt, das sich auf dem
Tellerrand wiederholt. Vier kleine quadratische
Felder, die in gleichmäßigen Abständen auf dem
Tellerrand verteilt sind, enthalten je eine arabische
Inschrift, die folgenden Satz ergibt: »Selig der,
der seine Hände von Verfehlung reinigt.« Sechs
in ähnlicher Weise angeordnete Felder auf der
Außenseite des Tellers ergeben folgende Inschrift:
»Waschung über Waschung ist Licht über Licht.«
Auf dem Boden des Tellers steht der sechsbuchstabige
Regierungsstempel des Ming-Kaisers
Zhengde (reg. 1506 –1521).
Fand unter den mongolischen Yuan-Herrschern
(1271–1368) ein lebendiger Austausch
zwischen Ost und West statt, so gab es zur Zeit
der darauffolgenden Ming-Dynastie (1368 –1644)
eine allgemeine Zurückhaltung fremden Einfl üssen
gegenüber. Dennoch war unter den Ming-Herrschern
der Fernhandel bis zu einem gewissen Grad
erlaubt, und Blauweiß-Porzellan war in den Palästen
des Iran, im mamlukischen Ägypten und Syrien,
in Indien und im Osmanischen Reich weiterhin
begehrt. Der hier ausgestellte Teller wurde möglicherweise
für den iranischen Markt hergestellt,
wo eine ausgeprägte Vorliebe für chinesische
Kunst und den Khitai-Stil (bzw. Cathay: eine chinesisch
inspirierte Ästhetik) bestand. Auch andere
Teile der islamischen Welt, allen voran Indonesien,
wurden sowohl über Land als auch über See mit
chinesischem Blauweiß-Porzellan beliefert. Safawidische
und osmanische Blauweiß-Waren bezeugen
ein ungebrochenes Faible für fernöst liche Ästhetik.
Auch muslimische Töpfer waren bestrebt, chinesische
Vorbilder in Quarzfritte nachzuahmen.
Der hier vorliegende Teller befand sich früher in
der Eumorfopoulos Collection und war 1966 in
der Ausstellung A Thousand Years of Chinese Art
in der Quantas Gallery zu sehen. LA

33
Handschrift der Kalimat ³Ali
Kopiert von Šaij Mahmud Harawi
Iranischer Kulturraum, wahrscheinlich Bagdad
(Irak), 869 H / 1464-5 AD
Tinte und Farbpigmente auf Pergament;
Ledereinband
17,5 x 12 cm
AKM 00518
Publiziert: Makariou 2007, 142 – 143 (Nr. 49);
AKTC 2009a, 65; AKTC 2009b, 65
Diese Handschrift enthält eine Sammlung von
hundert kurzen Maximen, die dem Kalifen und
ersten schiitischen Imam ³Ali ibn Abi Talib zugeschrieben
werden. Begleitet werden sie von einer
anonymen persischen Übersetzung in Form von
Vierzeilern (Makariou 2007, 158, Anm. 1). Die
erste Seite des 19 Blätter umfassenden Bandes
enthält ein illuminiertes Frontispiz mit der Basmala
und einer Einführung zum Text. Die arabischen
Aussprüche und ihre persische Übersetzung sind
in unterschiedlichen Schriftarten und -größen
ausgeführt, was den Seiten ein optisches, die Seite
unterteilendes Gleichmaß verleiht. Die fragmentierte
Organisation des Geschriebenen refl ektiert
den Charakter des Textes, dessen Aufbau praktisch
gedoppelt (erst Arabisch, dann Persisch)
und gleichzeitig im Verlauf bzw. in der Abfolge
der Wörter unterbrochen ist. Die persischen Vierzeiler
sind über zwei separate Felder verteilt. Im
linken steht jeweils der erste und im rechten der
zweite Halbvers. Das Auge des Lesers bewegt sich
also über die Spalte hinweg, um derselben Zeile
zu folgen und den kompletten Vers (bait) zu lesen.
Die optisch wahrnehmbare Unterbrechung des
Textfl usses entspricht hier der rhythmischen
Struktur persischer Dichtung. Der Vers, bestehend
aus zwei Halbversen, bildet eine semantische Einheit,
während bereits ein einzelner Halbvers das
Metrum enthält und die Rhythmik des Gedichtes
vorgibt. Das Zusammenfallen vom Ende des Metrums
mit dem Ende eines Halbverses macht eine
Pause in der Lesung erforderlich, welche durch
die Lücke im Schriftbild verkörpert wird. Die
Verteilung des Textes in Feldern und die Verwendung
verschiedener Schriftarten wurde
sowohl für Übersetzungen und Kommentare als
auch für Koranabschriften des 15. Jahrhunderts
genutzt und bot den Schreibern die Gelegenheit,
ihre Meisterschaft in verschiedenen kalligraphischen
Schriften zu demonstrieren (ibid., Anm. 2).
In dieser Kopie der »hundert Maximen« schrieb
der Kalligraph im geschmeidigen und eleganten
Tauqi³-Duktus, einer der sechs kanonischen
Schriften (al-aqlam as-sitta). Für den persischen
Text verwendete er den Nasta³liq-Duktus (ibid.,
Anm. 3). Das Ganze ist auf Papier und Pergament
niedergelegt, was insofern ungewöhnlich ist, als
Pergament in der islamischen Welt nach dem
11. Jahrhundert nicht mehr oder nur noch äußerst
selten verwendet wurde.
Der aus Herat kommende Scheich Mahmud
Harawi stand seit etwa 1458 im Dienst des Qaraqoyunlu-Prinzen
Pir Budaq. Dieser war damals
Gouverneur von Shiraz und ein großer Buchliebhaber
(ibid., Anm. 4). Die Autonomiebestrebungen
des Prinzen führten zu einer offenen Auseinandersetzung
mit seinem Vater, die aber schnell
beigelegt werden konnte. Pir Budaq wurde 1460
zum Gouverneur von Bagdad ernannt. Mahmud
Harawi folgte ihm nach Bagdad, wo er sich
höchstwahrscheinlich bis zum Tod seines Mäzens
im Jahr 1466 aufhielt. Seine Laufbahn beendete er
am Hof des Aqqoyunlu-Sultans Ya³qub (reg.
883 – 896 H / 1478 –1490 AD) (ibid., Anm. 5). CM
67

34
Hadith-Handschrift
Kopiert von Ahmad an-Nairizi
Iran, 1130 H / 1717- 8 AD
Tinte, Gouache und Gold auf Papier
20,7 x 13 cm
AKM 00527
Publiziert: AKTC 2007a, 58 – 59 (Nr. 28);
AKTC 2007b, 54 (Nr. 28) und 56 – 57;
AKTC 2009a, 66 – 67; AKTC 2009b, 66 – 67
68
Die in vier Sektionen eingeteilte Handschrift ent -
hält Prophetentraditionen (hadiv pl. ahadiv) mit
Gebeten, die im Anschluss an die täglichen Gebete
sowie an verschiedenen Wochentagen zu rezitieren
sind. Die abgebildete Seite enthält die Samstagsgebete.
Auf der gegenüberliegenden Seite stehen
die Sonntagsgebete und am Ende die Montagsgebete.
Der Kolophon nennt den Schreiber Ahmad
an-Nairizi, einen der wichtigsten und heraus ragen
d sten Kalligraphen der spätsafawidischen Periode.
Er wirkte zwischen 1682 und 1739 und ist
bekannt für die Abschrift zahlreicher Korane,
Gebetbücher und kalligraphischer Musterblätter
in einer charakteristischen Form des arabischen
Naskhi-Duktus. Da sein Stil große Beliebtheit
und hohes Ansehen genoss, kopierten spätere
Schreiber der Kadscharenperiode (1794 –1925)
seine Werke, manchmal einschließlich Kolophon.
Mitunter waren die Kopisten so talentiert, dass
sich einige Handschriften nicht eindeutig Nairizis
Hand zuordnen lassen. AF

35
Tafel mit Kalligraphie
Iran, safawidisch, 16.–17. Jahrhundert
Karton
15,5 x 36 cm
Inschrift: Al-Mustafa wa-l-Murtaka wa-bnahuma
wa-l-Fatima (bezieht sich auf den Propheten Muhammad,
³Ali ibn Abi Talib, Fatima, Hasan
und Husain)
AKM 00521
Publiziert: AKTC 2009a, 67; AKTC 2009b, 67
Diese längliche, an den kurzen Seiten gebogte
Kartusche umrahmt ein Feld mit Zierschrift in
goldener Nasta³liq-Schrift auf einem mit goldenen
Blütenranken überzogenen kobaltblauen Grund.
Die roséfarbene Umrandung ist mit grünen und
blauen Punkten durchsetzt. Die Inschrift erwähnt
die berühmten panf tan, oder »Die Fünf Personen«,
welche den Propheten Muhammad, seinen
ältesten Cousin und Schwiegersohn ³Ali ibn Abi
Talib, seine Tochter Fatima (Ehefrau des Ali) und
seine beiden Enkel (die Kinder von Ali und Fatima)
Hasan und Husain bezeichnen. Dargestellt ist die
zweite Hälfte eines arabischen Verses, dessen volle
Version in kufi scher Schrift in der Madrasa Chahar
Bagh Moschee (Madrasa-yi Madarshah – »Madrasa
der Königinmutter«) in Isfahan steht: »Ich habe
fünf [Personen], mit denen ich die Hitze der
brennenden Hölle abschwächen werde, [es sind]
al-Mustafa [der Prophet] und al-Murtaka [Ali]
und ihre beiden Söhne [Hasan und Husain] und
Fatima« (Ghouchani 1985, 157, pl. 143). LA
69

36
Fliesenfeld mit Gebetsnische
Syrien, Damaskus, osmanisch, circa 1575 –1580
70
Quarzfritte, polychrome Unterglasurmalerei
123 x 62 cm
AKM 00585
Publiziert: Makariou 2007, 200 – 201 (Nr. 72);
AKTC 2008a, 76 – 77 (Nr. 18); AKTC 2009a,
68 – 69; AKTC 2009b, 68–69
Die aus 18 Fliesen zusammengesetzte Tafel enthält
zahlreiche Gemeinsamkeiten mit zwei ähnlichen
Fliesenfeldern an der südlichen Hofwand
einer Moschee in Damaskus, die 1572 –75 von
dem Gouverneur Darwish Pasha gestiftet wurde.
Auch hier sieht man zwei Kandelaber, die Sandalen
des Propheten, eine Moscheeampel mit dem
Glaubensbekenntnis (šahada) und Säulen, deren
Scheinmarmorierung von verborgenen Kreaturen
bevölkert ist. In der Damaszener Moschee
(Darwishiyya) ist eine der Keramiktafeln mit einem
Fliesentympanon bekrönt, das mit dem Datum
982 H / 1574 - 5 AD versehen ist (Makariou 2007,
206 Anm. 1).
Dennoch gibt es auch einige Unterschiede zwischen
den Gebetsnischen der Darwishiyya und
dieser Tafel, wie die Anzahl der Fliesen, die Weite
der Fugen und die Tatsache, dass sich die Kerzenständer
berühren; bei den Fliesenfeldern in der
Darwishiyya ist dies nicht der Fall (ibid., Anm. 2).
Alle drei stammen vermutlich aus ein und derselben
Werkstatt. Hierzu gibt es einige Hinweise,
wie beispielsweise die Wölbung der Lampen-
ketten. Die Vielfalt der in der Marmorierung eingebettenen
Kleintiere ist hier ungleich größer:
Man erkennt Plattfi sche, Enten, Hasen und kleine
Vierbeiner (ibid., Anm. 3).
In der Mitte der Tafel an prominenter Stelle
sehen wir die Sandalen des Propheten. Die Ikonographie
der Prophetensandalen, die wohl gelegentlich
mit der Darstellung der Fußabdrücke
verwechselt wird, ist im 16. Jahrhundert weit verbreitet
und kommt im safawidischen Iran und in
Indien vor (ibid., Anm. 5). Die Sandale ist eine
dem Propheten des Islam eigene Insignie. Ihre
schützende Form (mival) »führt zu Leben in beiden
Heimen« (irdisch, dann ewig).
Der religiöse Zusammenhang erklärt die Einzigartigkeit
einer Abbildung von einem Paar Sandalen,
mitten in einem Raum, in dem alle Gläubigen
ihre Schuhe ablegen müssen. Die Sandalen, von
denen man glaubt, dass sie den Thron Gottes
berührt haben, machen den Propheten zum vollkommenen
Fürsprecher und zu einem Beispiel,
dem es zu folgen gilt. (ibid., Anm. 10). SM

© akg-images, Gérard Degeorge
Mystik
Sheila Canby
Samarkand (Usbekistan),
Minarett der Ulugh-Beg-Madrasa
Die Mystik war in der islamischen Welt, sowohl
im schiitischen als auch im sunnitischen
Kontext, von besonderer Bedeutung. Durch
Gebete und bestimmte Übungen, wie die
Wiederholung heiliger Worte oder Phrasen
(dikr), trachteten Mystiker (Sufi s) Einheit mit
Gott zu erlangen. Während einige mystische
Denker, wie al-Hallaj im 9. /10. Jahrhundert,
als Häretiker betrachtet wurden, führten viele
andere ein Leben als wandernde Bettler,
die die Gesellschaft anderer Derwische suchten
oder sich in Derwischkonventen bei ihren
spirituellen Ratgebern, oder pirs, niederließen.
In Indien mit seiner langen Tradition
der hinduistischen Sadhus (»heilige Männer«)
thematisiert die indisch-muslimische Mogulmalerei
auch das Zusammentreffen von Sadhus
und Derwischen. Indische Moguln, und
vor ihnen zahlreiche iranische und zentralasiatische
Fürsten, beschäftigten geistliche Ratgeber
und ließen sich mit den Weisen ihrer
Zeit, in spirituelle und philosophische Fragen
vertieft, porträtieren (Kat. Nr. 41). Selbst
wenn ein politischer Führer bestimmte Sufi -
Orden nicht duldete, fanden deren Ansichten
durch pilgernde Gläubige Verbreitung.
Genauso ermöglichte die Pilgerfahrt Muslimen
aus sämtlichen Teilen der islamischen
Welt (dar al-Islam), Betrachtungen auszutauschen
und kennenzulernen. So wurde eine
Einheit auf der Grundlage desselben Glaubens
und der gemeinsamen Kenntnis der arabischen
Sprache gestärkt.
Mit dem asketischen Lebensstil der Derwische
werden bestimmte Attribute assoziiert.
Dazu gehören Bettelschalen (sing. kaškul)
und Umhänge aus Tierfell. Auf Abbildungen
von Derwischen (Kat. Nr. 39) sieht man oft
kleine leichte Bettelschalen (aus Metall oder
Holz) von ihren Gürteln herabhängen oder
an einem Stock getragen. Die meisten erhaltenen
Stücke sind aus Metall, Keramik oder,
im 19. Jahrhundert, aus der Nuss der Seychellenpalme
(Coco de Mer) (Kat. Nr. 42
und 43). Selbst wenn Kashkuls aus Coco de
Mer von bettelnden Sufi s verwendet wurden,
kamen die schweren oder fragilen Stücke aus
Metall bzw. Keramik wohl kaum als Bettelschalen
zum Einsatz. Eher wurden diese in
ihrer ursprünglichen Funktion als Weinschalen
verwendet. Obwohl im Islam verboten,
wurde Alkohol als eines der Mittel eingesetzt,
einen mystischen Zustand zu erlangen.
Die Werke großer mystischer Dichter,
darunter Jalal ad-Din Rumi, Gründer einer
der bekanntesten Sufi -Bruderschaften, waren
über die letzten 500 Jahre hinweg den Sufi s
ein Quell der Inspiration. Nicht nur Rumis
Anhänger, die Mevlevi-Derwische, sondern
auch seine Gedichte sind weltweit bekannt.
73

37
74
Illustrierte Handschrift des
Maqnawi des Dichters Rumi
Iran, Shiraz, 1011 H / 1602 AD
Tinte und Gouache auf Papier; roter Einband
aus Saffi anleder
Seiten: 29,5 x 16,3 cm; Einband: 29,5 x 16,3 x 4,5 cm
AKM 00376
Publiziert: AKTC 2007a, 64 (Nr. 33);
AKTC 2007b, 61 (Nr. 33); AKTC 2008a,
92 – 93 (Nr. 26); AKTC 2009a, 72–73;
AKTC 2009b, 72–73
Das Maqnawi-yi Ma³nawi ist ein Meisterwerk der
Dichtkunst aus etwa 25 000 Versen, verfasst von
Jalal ad-Din Muhammad Rumi (gest. 1273). Es
behandelt die wichtigsten theoretischen Themen
und Aspekte des Sufi smus. Rumi ist einer der gefeiertsten
mystischen Dichter der sufi schen und
persischen Literatur, um dessen Nationalität sich
Iraner, Türken und Zentralasiaten streiten. Gleichzeitig
ist er Gründer und höchster pir, oder spiritueller
Meister, des Maulawi- (türk. Mevlevi)
Derwischordens. Illuminierte Handschriften von
Rumis Texten, teils in prächtigen Einbänden, sind
nicht ungewöhnlich. Illustrierte Handschriften
dieses Textes hingegen kommen selten vor. Das
oben rechts abgebildete Blatt verbildlicht die Geschichte
vom Liebenden, der jahrelang vergeblich
damit zubrachte, seine Geliebte zu suchen. Eines
Nachts aber, auf der Flucht vor einer Nachtwache,
gelangte er in einen unbekannten Garten, wo er
zu seiner großen Überraschung und Freude seine
Angebetete vorfand. Die hier rechts abgebildete
Seite zeigt eine Schachpartie. Die dargestellte
Geschichte besteht aus zwei Teilen: Der erste gibt
eine Episode wieder, in der Sayyid Shah Tirmiz
von seinem Hofnarren schachmatt gesetzt wird.
Außer sich vor Wut wirft er dem Hofnarr das
Schachbrett an den Kopf. Das nächste Mal, als
die beiden zu einer Partie Schach zusammen sitzen,
hat der Malträtierte vorgesorgt und sich mit
einem Turban aus Filz geschützt. Die Szene lässt
sich anhand der jeweils zu beiden Seiten eines
Schachbretts sitzenden Figuren und der Überschrift
identifi zieren. Die Größe der Illustration,
die nur Platz für drei Textzeilen oben und unten
lässt, sowie die Tatsache, dass sie überhaupt illustriert
wurde, weist auf die Bedeutung hin, die
diese Geschichte für den Auftraggeber gehabt
haben muss. LA

38
76
Šab-i qadr (»Die Nacht der Bestimmung«)
Blatt aus einer verstreuten illustrierten
Handschrift des Jamsa (»Quintett«) des
Amir Jusrau Dihlawi (gest. 1325)
Indien, circa 1350 –1450
Tinte, Gouache und Gold auf Papier
34,8 x 25,2 cm
AKM 00013
Publiziert: Welch – Welch 1982, 144 –146 (Nr. 48);
AKTC 2009a, 74; AKTC 2009b, 74
Amir Khusrau Dihlawi (gest. 1325), einer der bekanntesten
persischsprachigen Dichter im islamischen
Indien, war ein türkischer Militäraristokrat,
der unter der Khalji- und der Tughluq-Dynastie
dem Sultanat von Delhi diente. Sein Khamsa,
oder »Quintett«, verfasste er zwischen 1298 -9
und 1301-2 in Delhi für den zweiten Khalji-Herrscher,
³Ala²uddin Khalji (reg. 1296 –1316). Auch
Dihlawi war ein sufi scher Mystiker, der den Lehren
des Chishti-Scheichs Nizamuddin Auliya²
(gest. 1325) anhing und neben ihm in dessen Grab
in Delhi bestattet ist (Welch – Welch 1982, 144).
Auf der vorliegenden Seite ist die 18. Geschichte
aus dem ersten Teil des Khamsa illustriert, die
Geschichte Matla³ al-anwar (»Der Aufstieg der
Lichter«). Sie handelt von einem Heiligen, der
es nicht schaffte, bis zum 27. Tag des Monats
Ramadan zu wachen, dessen Nacht als »die Nacht
der Bestimmung« bekannt ist (arab. lailat al-qadr
und pers. šab-i qadr). Die lailat al-qadr ist im
Koran erwähnt (al-Qadr, 97:1– 5) und bezieht
sich auf die Nacht, in der Muhammad zu seiner
Mission berufen wurde und die erste Offenbarung
von Gott empfi ng. Die Darstellung scheint
die Geschichte auf verschiedenen Zeitebenen zu
illustrieren: Rechts erscheint der Heilige, wie er
noch gegen den Schlaf ankämpft, links ist er nun
eingeschlafen. Das schmale horizontale Format
und die gesättigten Farbpigmente erinnern an
den Stil mamlukisch-ägyptischer und südpersischer
Malereien des 14. Jahrhunderts vor allem
aus Shiraz. Jedoch sind einige Forscher der Ansicht,
dass der Schriftstil diese Handschrift in das
späte 15. Jahrhundert rückt (ibid., 144 und 146). LA

39
Ein junger Edelmann und ein Derwisch
im Gespräch
Iran, circa 1590
Gouache und Gold auf Papier
19,9 x 12,7 cm
AKM 00074
Publiziert: Canby 1998, 69 (Nr. 41); AKTC 2007a,
65 – 66 (Nr. 34); AKTC 2007b, 50 und 61 (Nr. 34);
AKTC 2009a, 75; AKTC 2009b, 75
Ein junger Mann in edlen Gewändern und einem
Turban aus golddurchwirktem Stoff betrachtet
eine safina, ein kleines rechteckiges Album, in
seinen Händen. Der Stamm eines blühenden
Baumes dient ihm als Sitz, während die gebogenen
Äste ihn sanft umrahmen. Die Dreiteilung der
Landschaft mit einem vergoldeten Himmel voller
eingerollter Wolken, einem fl iederfarbenen Berg
im Hintergrund und einem dunklen, blumenübersäten
Boden ist typisch für den Khorasan-Stil
des späten 16. Jahrhunderts. Dem jungen Mann
gegenüber steht ein jugendlicher Derwisch mit
rasiertem Kopf, der sich ein weißes Leoparden -
fell, ein Kashkul bzw. eine Bettelschale, eine Börse
und ein Messer umgehängt hat. Er reicht etwas
nach vorn, vielleicht einen Becher, der wieder ausradiert
wurde. Es mag Derwischgruppen gegeben
haben, die für Aufruhr und Ärgernis sorgten, in
persischen Quellen des späten 16. Jahrhunderts
aber werden die Charakterzüge von Derwischen
gelobt und die Derwische als äußerst bescheiden,
freundlich und von edler Gesinnung beschrieben.
In diesem Sinne hat Sheila Canby angeregt, den
jungen Derwisch nicht als eine tatsächlich existierende
Person, sondern als Metapher für die bewunderten
Ideale eines Derwischs zu betrachten.
Die Miniatur ist auf einer Albumseite angebracht,
jedoch war das Sujet – ein junger Mann im Gespräch
mit einem Derwisch – oft auf den Kolophonseiten
von Handschriften wiedergegeben. AF
77

40
Eine Zusammenkunft von Derwischen
Iran, Khorasan, spätes 16. Jahrhundert
Tinte und Wasserfarben auf Papier
38,5 x 28,5 cm
AKM 00104
Publiziert: Welch 1978a, 98 – 99; AKTC 2007a, 68
(Nr. 37); AKTC 2007b, 65 (Nr. 37); AKTC 2009a,
76 – 77; AKTC 2009b, 76 – 77
78
In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurden
Zeichnungen zum Einfügen in Alben immer
beliebter. Sie waren preiswerter als Malereien oder
illustrierte Handschriften und damit für ein größeres
Publikum und nicht mehr nur für Fürstenhöfe
erschwinglich. Folglich erweiterten Künstler
die Wahl ihrer Sujets um Motive mit Derwischen,
Nomaden und Menschen bei der Arbeit. Die hier
abgebildete Szene zeigt sechs Derwische in unterschiedlichen
Stadien des Taumels und Zusammenbrechens
nach dem Wirbeln, das einen mystischen
Zustand hervorrufen sollte. Zwei bärtige Gestalten
halten sich mit der Hilfe junger Novizen aufrecht,
zwei weitere sitzen auf dem Boden. In der
linken unteren Ecke hält ein junger Mann ein
Buch in der Hand, vielleicht einen Gedichtband.
Rechts schlägt ein anderer ein Tamburin.
Die Zeichentechnik, bei der Farbtupfer zugesetzt
werden, wurde in dieser Periode von Muhammadi
aus Herat praktiziert, einem Künstler
mit weitreichendem Einfl uss im letzten Viertel des
16. Jahrhunderts. Auch wenn ihm diese Zeichnung
nicht zugeordnet werden kann, sind die
Darstellung der Dohlen im Baum, das Sujet der
Derwische sowie die Zeichentechnik von
seinen Arbeiten inspiriert. Die leeren Rechtecke
am oberen rechten und unteren linken Bildrand
lassen vermuten, dass es sich hier um eine Illustration
zu einem Text handelt, der später hinzugefügt
werden sollte. AF

41 Ein Prinz besucht einen Einsiedler
Diese farbenprächtige Felsenlandschaft zeigt einen
³Abd as-Samad zugeschrieben, auch bekannt als Prinzen, der einen Einsiedler in dessen Höhle
Širinqalam (»Süßes Schreibrohr«)
besucht. Der Prinz sitzt nachdenklich vor dem
Indien, circa 1585 – 90
Eremiten, während seine acht Diener zu beiden
Tinte, Gouache und Gold auf Papier
Seiten eines Bächleins warten. Sein stolzes Pferd,
Seite: 39,6 x 31,3 cm; Bild: 34,5 x 22,8 cm
das in seiner prachtvollen, stämmigen Erschei-
AKM 00122
nung den Großteil der unteren Bildhälfte ausfüllt,
Publiziert: Welch – Welch 1982, 160 –162 (Nr. 55); fokussiert die Aufmerksamkeit des Betrachters.
Canby 1998, 111–113 (Nr. 81); AKTC 2009a, 78 – 79; Zusätzlich wird das Tier durch den Hof, gebildet
AKTC 2009b, 78–79
durch den sandfarbenen Boden, auf dem es steht,
betont. Der Hengst symbolisiert laut Anthony
Welch Autorität und Pracht, aber auch »weltliche
Vergänglichkeit« (Welch – Welch 1982, 160). Das
großartige Pferd und die farbenfroh gekleideten
Diener stehen in starkem Kontrast zu dem Einsiedler
und seinem Begleiter (vielleicht ein Jünger),
welcher vor der Höhle am Wasser sitzt. Ihre ausgemergelten
Körper zeigen ihren Verzicht auf
weltliche Habseligkeiten, um durch die Mystik
den Pfad der Erleuchtung zu gehen. Die obere
Bildhälfte evoziert eine meditativ-düstere Stimmung,
die sogar den Prinzen ergreift, der wohl
hierher gekommen ist, um Rat bei einer spirituellen
Autorität zu suchen.
Die Verbindung zwischen einem Sufi meister
(šaij, muršid oder pir) und seinem Anhänger
(murid oder šagird) war ein beliebtes Motiv in persischer
Dichtung und Malerei. Die Aufgabe des
Meisters war es, den Schüler auf dem schwierigen
Weg zur Erleuchtung und Einheit mit Gott zu
begleiten. Die Vermittlung von Wissen zwischen
Meister und Schüler wurde als Übertragung von
Licht aus dem Herzen des Lehrers in das seines
Schülers betrachtet. Die Verbindung des persischem
Malstils mit einer Palette von Erdtönen und
der naturalistischen Wiedergabe von Figuren und
Landschaft legen nahe, dass das Bild in Indien
unter dem Mogulherrscher Akbar (reg. 1556 –
1605) entstand. Die Kunst in dieser Periode war
80
von einer Synthese diverser fremder und indigener
Stilrichtungen geprägt. Akbar schuf den din-i
ilahi (»Göttlicher Glaube«), der Vorstellungen
aus Islam, Christentum, Hinduismus, Zoroastrismus
und Jainismus aufnahm (Canby 1998, 111).
Aufgrund stilistischer Kriterien gilt das Bild
als Werk des persischen Malers ³Abd as-Samad,
eines Künstlers der Safawidendynastie (1501–
1732), der den Hof des Schah Tahmasp (reg.
1524 –1576) verließ, um zuerst für den Herrscher
Humayun (reg. 1530 –1539 und 1555 –1556) und
dann für dessen Sohn Akbar zu arbeiten (Welch –
Welch 1982, 160). Anthony und Stuart Welch
halten den hier abgebildeten Prinzen für Akbars
Sohn Salim, den späteren Herrscher Jahangir
(reg. 1605 –1627), aufgrund der Ähnlichkeit der
Gestalt mit einem sitzenden, als Salim identifi zierten
Prinzen in einer kolorierten und von ³Abd as-
Samad signierten Zeichnung, die sich auch in der
AKM-Sammlung befi ndet (ibid., 162; Abb. der
Zeichnung in Canby 1998, 110, Nr. 80). Sheila
Canby hingegen geht davon aus, dass es sich bei
der Gestalt des Prinzen um Akbar handelt, wenn
die Abbildung eine Gesellschaftsjagd (qamarga)
im Pandschab darstellt, die der Herrscher im
April und Mai 1578 auf einem der vermeintlichen
Kampfplätze Alexanders des Großen abhielt
(Canby 1998, 111). Den Aufzeichnungen von
Akbars Chronisten Abu l-Fazl (gest. 1602) zufolge,
hatte Akbar mitten im Jagdgetümmel eine
Erscheinung, die ihn veranlasste, die Jagd abzublasen
und alle gefangenen Tiere freizulassen.
Akbars enge Freunde, die den Grund für seinen
Sinneswandel nicht kannten, malten sich verschiedene
Theorien aus. Eine davon war, dass
er einen Eremiten getroffen habe, der ihn dazu
anregte, ein asketischeres Leben zu führen, was
er nach dieser Begebenheit tatsächlich für eine
Weile beherzigte (ibid., 111 und 113). LA

42
Bettelschale (kaškul) aus Coco de Mer
82
Iran, vermutlich kadscharisch, 19. Jahrhundert
Geschnitzte Nuss der Seychellenpalme (Coco
de Mer) mit später montierter Kette
Länge 24 cm
AKM 00640
Publiziert: AKTC 2007a, 70 (Nr. 40); AKTC 2007b,
67 (Nr. 40); AKTC 2009a, 80; AKTC 2009b, 80
Dieser Kashkul bzw. die Bettelschale ist aus einer
halben Seychellennuss (Coco de Mer) gefertigt.
Sie gehörte zur üblichen Ausstattung eines Derwischs,
der allen weltlichen Besitztümern entsagt
hatte und ausschließlich von den Almosen frommer
Muslime lebte. Bettelschalen, wie auch dieses
Stück, waren oft reich verziert. Komplexe fl orale
Motive, arabische Gebete und persische Verse
bedecken die gesamte Oberfl äche der Nuss. Das
obere Inschriftenband enthält das bekannte Nadi
³Aliyan, ein Ali, dem Cousin und Schwiegersohn
des Propheten Muhammad, gewidmetes Gebet.
Die Öffnung des Kashkul ist mit dem Namen eines
bestimmten Sufi s signiert und datiert mit dem
Jahr 1028 H / 1618 - 9 AD; eine vielleicht zu frühe
Datierung, da Schrift und Dekor eher der Kadscharenperiode
eigen sind. Das arabische Gebet
im Thuluth-Duktus lautet:
»Hilf mir mit deiner verborgenen Güte, Gott
ist mächtiger als das Feuer deiner Qual Oh […]
mit Deiner Gnade, Oh Du, Gnädigster aller Gnädigen,
Gott ist mein Herr, meine Hilfe kommt von
Dir Oh [...]« (Lesung: Abdullah Ghouchani). AF

43
Gravierte Bettelschale (kaškul)
in Bootsform
Iran, zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts
Messing, graviert
Länge 61 cm
AKM 00612
Publiziert: Melikian-Chirvani 1991, 3 –112 (vor allem
35 – 37, 69, Anm. 172, und 97 – 98, Abb. 60 – 63);
AKTC 2007a, 63 (Nr. 32); AKTC 2007b, 60 (Nr. 32);
AKTC 2008a, 88 – 89 (Nr. 24); AKTC 2009a, 81;
AKTC 2009b, 81
Zähnebleckende Drachenköpfe stehen an beiden
Enden dieser Bettelschale hervor. Sie enthält
einen breiten Streifen mit elegant in Kartuschen
eingravierten arabischen Inschriften im Nasta³liq-
Duktus und mehrere Bänder mit fl oralen, ineinander
verfl ochtenen Motiven. Diese Messingschale
ist eines von fünf bedeutenden safawidischen
Exemplaren aus dem späten 16. Jahrhundert.
Die anderen befi nden sich im Topkapi Palastmuseum,
Istanbul, dem Museum für Islamische
Kunst in Qatar (ehem. Sammlung Khosrovani),
in einer privaten Sammlung (Christie’s, Islamic
Art and Manuscripts, 27. April 2004, Lot 97)
und einer weiteren, die sich ehemals in den Rothschild
und Edwin Binney III Collections befand
(Pope 1938 –1939, pl. 1386A; Welch 1973, fi g. 42,
470 – 71). A. S. Melikian-Chirvani hat diese Gruppe
in einem Artikel vorgestellt, in dem er zeigt,
wie sich die Derwisch-Bettelschale aus der antiken
vorislamischen Form des königlichen Weinbootes
entwickelt hat. Er bemerkt, dass ». . . the idea
[is] embodied in the shape: the crescent-moon out
of which wine, seen as liquid sunlight, is poured.«
(Melikian-Chirvani 1991, 21). Melikian-Chirvani
las auch die persischen Inschriften auf dem Gefäß
und kommt zu dem Schluss, dass dieser Kashkul
einmal dem Leiter eines Sufi hospizes (janqah)
gehörte. AF
Inschriften, 1. Flanke:
»Herr der zwei Welten, Siegel der Propheten
Er wurde der Stolz der ersten Gefährten (auliya²)
Er stieg auf zum Thron und zum Sitz, nicht zum
Himmel,
Die Propheten und Freunde Gottes brauchten ihn
Seine Existenz bestand daraus, die beiden Welten
zu hüten
Die gesamte Erdoberfl äche wurde zu seiner
Moschee
Herr der zwei Welten, Führer der Menschheit
Der Mond wurde gespalten durch seinen
Fingerzeig.«
2. Flanke (anderes Versmaß):
»Der eine hatte für ihn den Freund des Geliebten
Während der andere das Fromme Bündnis
anführte
(Diener des Schahs von Nadschaf, Shams ad-Din)
… deshalb wurden sie Freunde Gottes
Der eine war ein Quell moralischer Güte und
spiritueller Bescheidenheit in der Welt
Während der andere »das Tor zur Stadt des
Wissens« war
Dieser Gesandte der Wahrheit (Gottes) war der
beste unter den Menschen
Sein unfehlbarer Onkel war Hamza, Sohn des
Abbas.«
Melikian-Chirvani 1991, 35 – 36
83

Der Weg der Reisenden
Von Cordoba nach Damaskus
85

Bild Alhambra

© Lorenz Korn, Bamberg
Der Blick auf den Orient
Fernando Valdés
Sevilla (Spanien), Patio del Yéso des Alcázar
Im Allgemeinen geht man davon aus, dass
der Islamisierungsprozess in al-Andalus Ende
des 11. Jahrhunderts abgeschlossen war. Ungeachtet
der auf der Iberischen Halbinsel
eingewanderten Araber, war die Mehrheit
der einheimischen Bevölkerung zum Islam
konvertiert. Arabisch war auch für Nichtmuslime,
sowohl in Schrift als auch in Wort,
zur allgemeinen Verkehrssprache geworden.
Lateinisch und Hebräisch waren nur noch
im privaten oder religiösen Zusammenhang
ge bräuchlich. Ob Berberdialekte mit einer
der Migrationswellen aus Nordafrika die Straße
von Gibraltar überquerten, ist nicht belegt.
Sowohl unter religiösen als auch linguistisch-kulturellen
Aspekten kann al-Andalus
als ein völlig in die islamische Welt (dar al-
Islam) integriertes Gebiet angesehen werden.
Unmittelbar nach der Eroberung der Iberischen
Halbinsel durch die Araber im Jahr
711 kamen fortan sämtliche Neuerungen aus
Damaskus. Doch aus al-Andalus kamen überregional
bedeutende Persönlichkeiten, die
aber erst im 11. Jahrhundert zu einer festen
Größe in der islamischen Welt wurden. Darunter
waren nicht nur fromme Gläubige, die
ihre Hadsch vollzogen, sondern auch Händler,
Gelehrte, Forscher, wobei manche sogar
sämtliche Aspekte in sich vereinten.
Nachdem die Abbasiden in einem Staatsstreich
die Umayyaden von Damaskus 750
ge s türzt hatten, gelang es dem einzigen überlebenden
Umayyadenprinzen, eine neue
Herrschaft auf der Iberischen Halbinsel zu
etablieren. Trotz der tiefen Feindschaft zwischen
diesen beiden Dynastien blieb der kulturelle
Austausch im Mittelmeerraum ungebrochen.
Zum Beispiel gelangten kostbare
Objekte aus dem Schatz des abbasidisch en
Kalifen Harun ar-Rashid (reg. 786 – 809) über
Händler, denen das Interesse des Hofes von
Cordoba an Neuheiten aus dem Osten bekannt
war, in den Besitz des andalusischen
Emirs ³Abd ar-Rahman II. Aufmerksam verfolgten
die Fürsten der Iberischen Halbinsel
die Vorgänge am Hof ihrer Feinde. Die Orientalisierung
des andalusischen Staatswesens –
die genau genommen eine Iranisierung war –
erfolgte zur gleichen Zeit, als eine mesopotamische
Formensprache in der Kunst von
al-Andalus verstärkt Anwendung fand. Der
Austausch mit dem Osten war intensiv, erfolgte
aber eher von Ost nach West als umgekehrt.
Fromme Andalusier pilgerten bald
nicht nur aus religiösen Gründen in den Osten.
Denn ungeachtet der politischen Grundhaltung
konnte ihre kulturelle Tradition nur
im Orient, gleichsam »an der Quelle«, genährt
werden.
Während der zweiten Regierungshälfte
des Kalifen ³Abd ar-Rahman [III.] an-Nasir
(reg. 912 – 961) und der darauffolgenden
Herrschaft von al-Hakam [II.] al-Mustansirs
(reg. 961 – 976) festigten sich die diplomatischen
Kontakte zu Byzanz nachhaltig. So
schickte Kaiser Konstantin VII. byzantinische
Künstler nach Andalusien, darunter
Mosaikleger, die dort die Herrscherloge
(maqsura) der dritten Bauphase der Moschee
von Cordoba (961) ausschmücken sollten.
Die zunehmende Verwendung fl oraler Muster
eindeutig mesopotamischer Herkunft im
westumayyadischen Dekorrepertoire zeigt
die offenkundigen Verbindungen und genaue
Kenntnis des künstlerischen Schaffens
irakisch-abbasidischer und ägyptischer Handwerker.
Die Produktion von Elfenbeinschatullen
ist eines der besten Zeugnisse für das rege
Interesse, das man in Cordoba für den Osten
hegte. Bestimmte Dekorelemente und vor allem
die Ikonographie haben ihre fernen
Wurzeln im Iran sowie enge Verbindungen
zum Irak und zu Ägypten. Allein schon die
Existenz dieses Produktionszweiges deutet
darauf hin, dass sich in der andalusischen
Hauptstadt eine orientalische Manufaktur
etabliert hatte. Deren Produkte, die sowohl
für den Hof selbst als auch als diplomatische
Geschenke hergestellt wurden, waren und
sind immer noch die schönsten Paradebeispiele
der höfi schen Kunst in al-Andalus. So
kehrten Produkte einer Kunstgattung, die
ihre stilistischen Wurzeln im Osten hatte, in
87

einer neu interpretierten und weiterentwickelten
Form wieder in die Region ihres Ursprungs
zurück.
Weitere Zeugnisse für den regen kulturellen
Austausch enthalten die immer noch
un er gründeten Tiefen der Geniza-(»Lagerraum«-)Dokumente
der Ben-Ezra-Syna go ge
in Kairo. Andalusische Händler, überwiegend
jüdischen Glaubens, bewegten sich
mühelos im gesamten Mittelmeerraum, dabei
jedwede politischen und geographischen
Hindernisse überwindend. Ein Beispiel hierfür
ist die Familie eines gewissen Ismael ben
Isaak aus Badajoz, der in der zweiten Hälfte
des 11. Jahrhunderts zwischen Kairo, Damaskus
und Jerusalem aktiv war.
Eine der interessantesten Biographien eines
andalusischen Orient-Reisenden ist womöglich
die des Yusuf ibn ash-Shaikh
(1132 –1207), der einer begüterten Familie in
Malaga entstammte und unter almoravidischer
und almohadischer Herrschaft lebte.
Als frommer Muslim vollzog er die Pilgerfahrt
nach Mekka. Auf dem Weg dorthin
nutzte er die Gelegenheit, Vorlesungen bei
Gelehrten in verschiedenen Städten zu hören.
In einer Zeit, in der das Reisen langwierig
und gefährlich war, war es durchaus üblich,
längere Aufenthalte in verschiedenen
Orten auf dem Reiseweg einzuplanen. Yusuf
kam 561 H / 1165 AD nach Alexandria und
blieb dort für zwei Jahre. Als er von der Pilgerfahrt
nach al-Andalus zurückgekehrt war,
beschloss er, zur Erziehung seines jüngsten
Sohnes ein Buch zu schreiben. Das Buch mit
dem Titel Kitab Alif ba² (»Das ABC-Buch«)
enthält Material zu Arithmetik, Physik, Botanik,
Zoologie, Anthropologie, Religion und
Philologie, aber auch eine unschätzbare Beschreibung
des Leuchtturms von Alexandria.
Sie ist die genaueste, die je ein arabischer Autor
verfasst hat und wurde 1933 von dem spanischen
Arabisten Miguel Asín publiziert.
Ohne es zu beabsichtigen, schuf Yusuf ash-
Shaikh hiermit eine äußerst wertvolle Quelle
für die heutige Archäologie.
Abu l-Hasan ibn al-Jubair (1145 –1217)
aus Valencia, ein Zeitgenosse Yusufs, entstammte
ebenfalls einer wohlhabenden Familie.
Er studierte in Jativa, bevor er 1183
von Granada aus die Pilgerfahrt antrat. In
Tarifa schiffte er sich nach Ceuta ein, dann
nach Sardinien, Sizilien, Kreta, um schließlich
in Alexandria von Bord zu gehen. Von
dort reiste er nach Kairo und per Schiff über
das Rote Meer nach Mekka. Dann zog er
weiter nach Bagdad, Mosul, Aleppo und Da-
88
maskus und von dort über Tyros nach Akko.
Von dieser palästinensischen Hafenstadt aus
gelangte er über Sizilien nach Karthago. Er
ließ sich in Granada nieder und lebte dort,
bis ihn die Nachricht von der Rückeroberung
Jerusalems durch Salah ad-Din al-Ayyubi,
im Westen bekannt als Saladin, erreichte.
Hierauf unternahm er eine zweite Reise in
den Orient (1189 –1191), hinterließ jedoch
darüber nach heutigem Wissensstand keinerlei
schriftliche Nachricht. Liest man seinen
überlieferten Reisebericht, so ist erstaunlich,
wie einfach man sich im Mittelmeergebiet,
das sich allzu oft im Kriegszustand befand,
bewegen konnte, solange man bereit war, die
Unbillen einer Seefahrt und die Willkür mancher
Herrscher in Kauf zu nehmen. Seine
Biographie zeigt auch, dass man mit den dazu
nötigen fi nanziellen Mitteln selbst risikoreiche
Reisen unternehmen konnte. Glaube,
Neugier, Profi tgier oder auch alles zusammen
trieb die Ruhelosen aus dem Westen,
nach Wissen aus dem Osten zu suchen, etwas,
was nur durch Kraftanstrengung erlangt
werden konnte.
Am 2. Rajab 725 H / 13. Juni 1325 AD
brach ein Reisender aus Tanger zur Pilgerfahrt
auf. Es war Shams ad-Din ibn Yusuf at-
Tanji, bekannt als Ibn Battuta (1304 –1377).
Auf seiner Reise besuchte er Ägypten, Palästina,
Syrien und Mekka. Damit nicht genug,
setzte er seine Reise in den Irak, nach Kasachstan,
Fars, Täbris, Kurdistan und Bagdad
fort und reiste noch einmal von Mekka
aus in den Jemen, nach Aden und an die Ostküste
Afrikas. 1332 unternahm er eine dritte
Pilgerfahrt und nach einem dreijährigen Aufenthalt
in Mekka bereiste er Ägypten, Syrien,
Anatolien, Südrussland, Konstantinopel,
Transoxanien, Afghanistan, Indien – wo er
zwischen 1333 und 1342 lebte –, die Malediven,
Ceylon, Bengalen, Assam und Sumatra.
Obwohl er auch erwähnt, China besucht zu
haben, gibt es begründete Zweifel an dieser
Behauptung. 1347 hielt er sich in Malabar
auf, um von dort über See nach Bagdad, Syrien
und Ägypten zurückzukehren und die
Pilgerfahrt zum vierten und letzten Mal
durchzuführen. 1349 reiste er nach Tunesien
und von dort aus nach Sardinien, Algerien
und schließlich nach Fes. Danach hatte er
noch Zeit, nach al-Andalus überzusetzen,
Granada aufzusuchen und die abgelegene
afrikanische Region Mali zu bereisen.
Ibn Battutas Bericht mit seinen unschätzbaren
Informationen über die von ihm besuchten
Regionen macht ihn nicht nur zum

arabischen Reisenden par excellence und zur
Symbolfi gur der islamischen Kultur, sondern
ist auch ein glaubwürdiges Dokument für
das ungebrochene Interesse westlicher Muslime
am Osten und an allem Orientalischen.
Der ausführliche Abschnitt über al-Andalus
zeigt die Bedeutung dieser Region in der islamischen
Welt. Nur ein Jahrhundert später
fand mit dem Zusammenbruch des nasridischen
Sultanats von Granada die muslimische
Herrschaft auf der Iberischen Halbinsel
ihr Ende (1492).
Mit dem Ende des Kalifats von Cordoba
zu Beginn des 11. Jahrhunderts nahmen orientalische
Einfl üsse in der Kunst von al-Andalus
deutlich ab. Das bedeutet nicht, wie
die oben genannten Reiseberichte beweisen,
dass es keinerlei Kontakte mehr gab. Sie verlagerten
sich nur auf andere, nichtkünstlerische
Bereiche. Um die eigene Machtstellung
zu legitimieren und um ihre Verbindung zu
den westlichen Umayyaden zu zeigen, beschränkten
die nachfolgenden Westdynas-
tien das Kunstschaffen mit einigen wenigen
Ausnahmen auf eine Reinterpretation des eigenen
Repertoires.
Auch wenn das Interesse an orientalischer
Kunst in al-Andalus erlosch, blieb der Orient
weiterhin die Inspirationsquelle muslimischen
Denkens. Vereinzelt wurden moderne
Techniken in bestimmten kunsthandwerklichen
Bereichen, zum Beispiel Keramik und
Textilien, noch übernommen, nicht hingegen
bei großen Bauprojekten, die meist von der
politischen Oligarchie in Auftrag gegeben
wurden. Die Architektur zeigt kaum einen
Einfl uss von dem, was in den zentralislamischen
Gebieten en vogue war, obwohl rege
Handelskontakte zur östlichen Mittelmeerregion,
vor allem mit Ägypten, bestanden.
In der Ablehnung moderner, orientalischer
Strömungen formulierte sich eine Art Nostalgie,
eine Sehnsucht nach der als besser erachteten
Vergangenheit und Trauer über einen
Zustand, der intuitiv als Abgesang auf
eine bald verlorene Welt empfunden wurde.
89

© akg-images, Werner Forman
Al-Andalus: Der Orient im Westen
Fernando Valdés
Cordoba (Spanien),
Gebetshalle der Großen Moschee
Im Jahr 711 erreichten die Araber (»arabisch«
ist auf der Iberischen Halbinsel gleichbedeutend
mit »muslimisch«) erstmals das westlichste
Gebiet Europas. Binnen kürzester
Zeit, nach nur wenigen Schlachten und Belagerungen,
die fast alle mittels Verhandlungen
beendet wurden, lösten die Araber den Niedergang
des westgotischen Königreichs von
Toledo aus. Das eroberte Gebiet, nun »al-
Andalus« genannt, wurde dem islamischen
Herrschaftsgebiet (dar al-Islam) einverleibt.
Eine derart rasche Expansion wäre ohne die
Unterstützung eines Teiles der westgotischen
Aristokratie, kirchlicher Würdenträger, einer
Oberschicht römisch-hispanischer Grundbesitzer
und anscheinend auch der großen
jüdischen Minderheit undenkbar gewesen.
Ähnliche Umstände hatten den Arabern
schon die Eroberung Syriens und Ägyptens
ermöglicht.
Die Iberische Halbinsel, die heute Portugal
und Spanien umfasst, erfuhr seit prähistorischer
Zeit immer wieder Phasen von Europäisierung
bzw. Orientalisierung – abhängig
vom jeweilig überwiegenden kulturellen Zustrom
von nördlich der Pyrenäen, von der
italienischen Halbinsel oder dem östlichen
Mittelmeergebiet, sei es über den Seeweg
oder über Nordafrika. Die muslimisch-arabische
Eroberung war zweifelsohne die letzte
große Orientalisierungsphase, die diese westlichste
Region Europas erreichte.
Die spanische Geschichtsschreibung beharrte
unter dem starken Einfl uss ideologischer
Konzepte, die teils auf die Zeit kurz
nach 711 zurückgehen, auf der maßgeblichen
Rolle einheimischer, das heißt spätrömischer
Traditionen. Diese Traditionen prägten
demzufolge Ursprung und Entwicklung
des als »al-Andalus« bekannten historischen
Phänomens. Die Argumente hierfür fanden,
trotz aller Beharrlichkeit, nur Zuspruch bei
denjenigen, die an sie glauben wollten. Die
Ähnlichkeiten der materiellen Kultur – religiöse
Kunst ausgenommen – können nicht
als Beweis dafür gelten, dass die Unterworfenen
die Kultur der Invasoren stärker beein-
fl usst hätten als umgekehrt. Allerdings sollten
weitere Argumente berücksichtigt wer den,
die den Einfl uss einheimischer spätrömischer
Traditionen in bestimmten Bereichen nicht
völlig ausschließen. Auf dem Höhepunkt ihrer
Macht schuf die umayyadische Dynastie
in ihrem Herrschaftsbereich al-Andalus für
lange Zeit eine Kunst mit syrischen Wurzeln,
gemischt mit römisch-byzantinischen und
iranischen Elementen. Das ging so weit, dass
selbst in Syrien, dem Ursprungsgebiet der
Dynastie, die künstlerische Tradition von al-
Andalus nachgeahmt wurde.
Indes nahmen drei unterschiedliche Prozesse
allmählich ihren Lauf: Arabisierung
oder Änderung der Verkehrssprache vom
Lateinischen ins Arabische; Islamisierung
bzw. die Konvertierung eines Großteils der
Bevölkerung zum Islam; Berberisierung, die
Besetzung dünn besiedelter Gebiete durch
Einwanderer aus dem Maghreb, die parallel
zur Arabisierung und Islamisierung erfolgte.
Möglicherweise trat mit der Ankunft des
letzten umayyadischen Prinzen ³Abd ar-Rahman
[I.] ad-Dajil (»der Emigrant«) eine radikale
Veränderung ein. Er war vor dem Staatsstreich
der Abbasiden 750 gefl ohen und als
einziger dem Massaker an seiner Familie entkommen.
Al-Andalus wurde vom islamischen
Reichsgebiet im Mittleren Osten getrennt, das
seinen iranischen Charakter betonte und seinen
Schwerpunkt nach Bagdad verlegt hatte.
Bagdad wiederum war bis kurz zuvor das
Zentrum des persischen Reichs der Sassaniden
gewesen. Bemerkenswerterweise initiierten
die Westumayyaden keinen Okzidentalisierungsprozess
zur Betonung römischer
Kulturmerkmale. Ganz im Gegenteil behielten
sie ihr umayyadisches Erscheinungsbild,
pfl egten vor allem weiterhin ihren Anspruch
auf das Reich, das ihnen entzogen worden
war, und kopierten in jeder Hinsicht die
Staatsstrukturen ihrer Feinde. Das Gleiche
geschah im Bereich von Kunst und Kultur.
Al-Andalus wurde iranisiert bzw. es wurden
bestimmte Normen übernommen, die denen
der Perser entsprachen. Dies erklärt den Bau
91

der Almunia von Rusafa (756) bei Cordoba
mitten im 8. Jahrhundert sowie die erste
Bauphase der Großen Moschee in der andalusischen
Hauptstadt (786 – 787) durch den
ersten Herrscher der Dynastie; ebenso die
Errichtung der Palaststadt Medina Azahara
(begonnen 937) sowie die dritte Bauphase
der Moschee von Cordoba (961) durch die
zweiten und dritten Kalifen von al-Andalus
³Abd ar-Rahman [III.] an-Nasir (reg. 912 –
961) und al-Hakam [II.] al-Mustansir (reg.
961– 976). Die meisten Traditionen am westislamischen
Hof und sogar die Kleidermode
erfuhren einen Orientalisierungsprozess, repräsentiert
durch den bekannten Musiker
Abu l-Hasan ³Ali ibn Nafi , bekannt als Ziryab
(789 bis etwa 857). Dieser kam nach
Bagdad und übernahm eine herausragende
Rolle bei der Einführung abbasidischer kultureller
Neuerungen. Die indigene Bevölkerung
nahm an diesem langen und komplexen
Prozess nicht teil, was wohl einer der Gründe
für den Zusammenbruch der andalusischen
Umayya den dynastie ist, die ein tief gehendes
kulturelles und institutionelles Erbe im Mittelmeerraum
– sowohl in Andalusien als auch
im Maghreb – hinterließ.
Sofort nach der Etablierung der Umayyadendynastie
von Cordoba war ihr gesamter
Lebensstil stark orientalisch geprägt. Seit der
Herrschaft ³Abd ar-Rahmans II. (reg.
822 – 852) ließ sich diese Tendenz sowohl in
religiöser Architektur – der Großen Moschee
von Cordoba (848) – als auch in Militärbauten
– der Alcazaba von Merida in der Provinz
Badajoz, Extremadura (855) – beobachten.
Die Proklamation des Kalifats 929 löste
einen weiteren Orientalisierungsprozess aus.
Dieser basierte formal auf syrisch-umayyadischen
Konventionen und auf der Einbindung
irakischer Traditionen, erkennbar an den
Überresten der Palaststadt Medina Azahara
und an der dritten Bauphase der Großen
Moschee von Cordoba (961), ein Auftrag des
Kalifen al-Hakam II.
Das iranische Erbe ist noch augenscheinlicher
in der Ikonographie der Elfenbeinobjekte,
die – vermutlich von nicht einheimischen
Fachkräften – während der Herrschaft
³Abd ar-Rahmans III. gefertigt wurden,
schon kurz nachdem dieser sich zum Befehlshaber
der Gläubigen ausgerufen hatte
(929). Elfenbeinobjekte wurden für den Hof
und vor allem als diplomatische Geschenke
hergestellt und stellen Musterbeispiele des
westumayyadischen dekorativen Stils dar. Sie
wurden zum Erkennungsmerkmal für das,
92
was zu einer authentisch dynastischen Kunst
werden sollte. Die Ikonographie von Elfenbeinen
– zum Beispiel die Schatulle von Leyre
im Museum von Navarra – und ihre vegetabile
Ornamentik sowie die seltenen Exemplare
aus Silber – wie die Schatulle in der Kathedrale
von Gerona – geben eine genaue
Vorstellung von dem Stil, den die Kalifen in
Cordoba lancieren wollten. Sie wollten der
orientalischen Tradition folgen und diese
gleichzeitig den abbasidischen Kunstrichtungen
anpassen. Der mesopotamische Einfl
uss spiegelt sich auch in anderen künstlerischen
Ausdrucksformen wie Keramik wider,
dieser Bereich aber war technisch und ikonographisch
weniger weit entwickelt.
Der Zusammenbruch des Kalifats von
Cordoba setzte der höfi schen Kunst kein
Ende. Zum einen wurde sie an den Höfen
der Taifa-Königreiche (kleine Fürstentümer,
arab. muluk at-tawa²if ) übernommen – 11.
bis Anfang des 12. Jahrhunderts –, wenn
auch in weniger monumentalem Maßstab,
was ihre »imperiale« Erscheinung und Ausführung
anbelangt. Zum anderen führte das
almorawidische Sultanat – 11. bis Mitte 12.
Jahrhundert – die höfi sche Kunst Cordobas
weiter, brachte diese in die neuen maghrebinischen
Siedlungen ein und beförderte so
ihre größere geographische Verbreitung.
Nichtsdestotrotz gab es eine radikale Änderung
der konzeptionellen Sichtweise. Die
Kunst von al-Andalus entwickelte sich noch
lange nach der spanischen Eroberung des
Sultanats von Granada (1232 –1492) – dem
Ende der Reconquista, der Rückeroberung
der Iberischen Halbinsel – im sogenannten
»Mudejar«-Stil weiter. Auch wenn einige
neue Einfl üsse aus dem Osten erkennbar
sind, so kann man doch sagen, dass die Entwicklung
der andalusischen Kunst im Wesentlichen
auf eigenen Traditionen beruhte.
Von nun an verwendete man nur noch ausgewählte
vegetabile und geometrische Muster
und entschied sich für stilisiertere, länglichere
und ineinander verfl ochtene Formen
von Palmetten. Nur während der almohadischen
Periode – Mitte 12. bis Mitte 13. Jahrhundert
– wurden weniger detailreiche oder
sogar ganz schlichte Palmetten für öffentliche
Gebäude bevorzugt. Plastische Kunst
wurde zu einem Mittel, politische und glaubensdogmatische
Unterschiede des neuen
sunnitischen Kalifats im Westen zu verbreiten,
das sich trotz seiner berberischen Ursprünge
als Nachfolger des umayyadischen
Kalifats von Cordoba betrachtete.

Die letzten muslimischen Herrscher auf der
Iberischen Halbinsel, die Nasriden von Granada,
erreichten ohne Zweifel höchstes künstlerisches
Niveau und brachten eine Entwicklung
des andalusischen Stils hervor, welcher
trotz intensiver Handelskontakte zu Ägypten
kaum von nahöstlichen Strömungen berührt
war.
Das künstlerische Erbe Andalusiens setzte
sich im äußersten Maghreb (al-Magrib al-
Aqsa, heute Marokko) weiter durch und
ereichte sogar subsaharische Gebiete – Mauretanien
und Mali – sowie die Ostgrenze
Tunesiens. Noch einige Jahrhunderte lang
wurden die alten Traditionen mit bemerkenswertem
technischem Können in einer
Stilistik weitergeführt, die von weit her aus
Cordoba kam.
Das Phänomen der Mudejar-Kunst begann
in verschiedenen Gebieten der Iberischen
Halbinsel, als diese militärisch von den
nördlichen, christlichen Fürstentümern eingenommen
wurden. Nach und nach expandierend,
entwickelte sie sich nicht einheitlich
und teilte sich, je nach herrschendem Staat –
Portugal, León, Kastilien und Aragon – und
je nach Zeitpunkt in verschiedene Schulen
auf. An einigen Orten hielten sich beachtliche
Kolonien von muslimischen Handwerkern,
mudéjares genannt, welche die künstlerische
Tradition ihrer andalusischen Vorgänger
fortführten. Meist arbeiteten diese Künstler
isoliert von ihren Kollegen in den islamischen
Gebieten und wiederholten, oder fossilisierten
vielmehr, den Stil des Ortes, an dem sie
wirkten. Bisweilen frischten aristokratische
oder kirchliche Mäzene die örtlichen Traditionen
auf, indem sie ausländische Künstler
aus dem Gebiet, das von al-Andalus übrig
geblieben war, beschäftigten. Im Vergleich
zu den Mudejares besaßen diese Künstler
trotz gleicher Wurzeln einen besser entwickelten
Stil. In anderen Fällen siedelten sich
Bewohner aus den neu eroberten Gebieten
in Orten an, in denen eine islamische Tradition
nie existiert hatte oder verschwunden war
und generierten neue, als mudéjar klassifi zierte
Erscheinungsformen, die keinerlei Verbindungen
zu den früheren lokalen Traditionen
besaßen. Man muss auch berücksichtigen,
dass infolge von Kreuzzügen und kulturellem
Austausch ein neues islamisches Erbe
eingeführt wurde, das sich vor allem in Aragon
zusammen mit angestammten Einfl üssen
vermischte. Waren die Urheber nun lokale
Künstler, Kenner der in den ostislamischen
Staaten vorherrschenden Strömungen oder
Ausländer, die sich auf der von einem toleranten
Klima geprägten Iberischen Halbinsel
niedergelassen hatten und von diesem profi -
tierten: Tatsache ist, dass bestimmte Charakteristika
wie Türme mit polygonaler Basis,
wie sie in zahlreichen aragonesischen Kirchen
vorkommen, als Nachahmungen zeitgleicher
ayyubidischer, mamlukischer oder sogar osmanischer
Minarette zu interpretieren sind.
93

44
Silbertauschiertes Messing-Astrolabium
94
Spanien, wahrscheinlich Toledo, 14. Jahrhundert
Gravierte Kupferlegierung mit Silbertauschierung
Ø 13,5 cm
AKM 00611
Publiziert: King 2005, 831– 914; Makariou 2007,
28 – 29 (Nr. 3); AKTC 2008a, 200 – 201 (Nr. 76);
AKTC 2008b, Nr. 1; AKTC 2009a, 92;
AKTC 2009b, 92
Alles an diesem Astrolabium deutet darauf hin,
dass es aus Spanien stammt. Ein Indiz ist die Rete
(³ankabut, oder »Spinne«), die einen Teil des astronomischen
Koordinatensystems darstellt. Die
Fixsterne bilden ein mit Lochmuster verziertes
Netzwerk, dessen Säumung für Instrumente
maghrebinischer und andalusischer Herkunft
charakteristisch ist. Die Einfassungen auf dem
Bahnkreis, der die Namen der Tierkreiszeichen
sowohl auf Lateinisch als auch auf Arabisch enthält,
sind in Form von Vierpassbögen gehalten.
Sie enden in einem Ornament aus drei Ringen mit
einer langen gebogenen Spitze. Diese Spitze zeigt
die exakte Position des Sternes an, dessen Name
unter den drei Ringen auf Lateinisch und auf
Arabisch eingraviert ist. Die Namen weiterer
Sterne sind auf dem äußeren Kreis und dem Segment
des Mediankreises (Äquator) eingraviert.
Vier Scheiben (Tympana) enthalten je eine Übertragung
des astronomischen Koordinatensystems
auf die vorgegebenen irdischen Längen- und
Breitengrade. Drei der Scheiben datieren in die
erste Herstellungsphase des Instruments. Sie
zeigen die Breitengrade zwischen Jerusalem
und Paris an.
Während zahlreiche andalusische Astrolabien
aus dem 11. bis 15. Jahrhundert erhalten sind,
gibt es aus dem christlichen Spanien nur noch
fünf Instrumente, die vor das 15. Jahrhundert
datieren. Vier davon stammen aus Katalonien,
anders als das hier präsentierte Astrolabium. Es
ist das einzige Exemplar mit arabischer, lateinischer
und hebräischer Beschriftung. Letztere ist
in eine der Scheiben eher geritzt als graviert.
Der Ring an dem durchbrochenen »Thron« (kursi)
ist mit einer arabischen Inschrift versehen:
»Eigentum des armen Mas³ud, der an Ihn, der
anzubeten ist, glaubt.« Darüber hinaus enthält
die letzte Scheibe, die vermutlich zur zweiten
Herstellungsphase des Astrolabiums gehört, den
Vermerk »³ark al-Faza²ir« (Breitengrad von
Algerien oder der Balearischen Inseln). Auf der
Rückseite (Abb. rechts) befi ndet sich eine Scheibe
mit dem Breitengrad von Mekka, das aber nicht
namentlich genannt ist. Möglicherweise stammen
die Beschriftungen auf dem Ring und der letzten
Scheibe von derselben Hand – von Mas³ud.
Mittig auf der Rückseite befi ndet sich ein
doppelt umrandetes Quadrat und auf der Peripherie
die Tierkreiszeichen (äußerer Kreis) und
die Namen der Monate (innerer Kreis). Sie sind
auf Arabisch in silbertauschierte Kartuschen eingraviert,
was auf westlichen Astrolabien ein malig
ist. Allerdings enthält die Schrift einige Fehler,
die vermutlich auf umgangssprachliches Arabisch
zurückzuführen sind. Dies beweist die Weiterverwendung
des Arabischen in Spanien bis lange nach
der Reconquista. SM

45 Marmorkapitell
Dieses Kompositkapitell mit zwei Reihen von
Spanien, al-Andalus, umayyadisch, circa 950 – 970 Akanthusblättern ist Zeugnis einer glanzvollen
Marmor, skulptiert
Phase andalusischer Architekturplastik. Korin-
Seitenlänge 28 cm
thische Kapitelle fi nden sich in zahlreichen römi-
AKM 00663
schen Ruinen in Spanien und kommen später in
Publiziert: AKTC 2007a, 177 (Nr. 153);
westgotischen Adaptionen vor. Das hier gezeigte
AKTC 2007b, 177 (Nr. 153); Makariou 2007, 90 – 91 Modell ist von äußerster Eleganz. Die Grund-
(Nr. 28); AKTC 2009a, 93; AKTC 2009b, 93
komposition des korinthischen Kapitells wird
beibehalten, hier aber durch die zwei Reihen des
tief eingeschnittenen Blattwerks lebendiger gestaltet.
Der Echinus, der kissenförmige Wulst unter
der Deckplatte, liegt auf einem gemeißelten Dekorstreifen,
dem Astragal, auf und ist mit vier vorkragenden,
mit eingerollten Akanthusblättern
verzierten und ebenfalls tief eingeschnittenen
Voluten versehen. An der Abakusplatte befi nden
sich vier vegetabil gemusterte Abakusknäufe.
Das Kapitell im Aga Khan Museum ähnelt
denjenigen, die für den Empfangsraum ³Abd ar-
Rahmans III. im sechs Kilometer von Cordoba
entfernten Königspalast von Madinat az-Zahra
hergestellt wurden und die laut den Inschriften
auf ihren Basen zwischen 342 und 345 H (952-3
und 956-7 AD) datieren. Es handelt sich um den
gleichen Komposittyp mit zwei Akanthusreihen,
der gleichfalls den Astragal sowie eine identische
Verzierung der Voluten aufweist. Von den 40 Kapitellen,
die ursprünglich die Marmorsäulen in dem
oben erwähnten Empfangsraum bekrönten, bevor
dieser im 11. Jahrhundert zerstört wurde, befi nden
sich nur noch elf an ihrer originären Position. Ihrer
Form nach zu urteilen, sind jene Kapitelle nicht
aus Kuben gemeißelt. Das hier gezeigte hingegen
ist eher mit einem Kapitell aus Segovia verwandt,
das 349 H / 960-1 AD datiert. Auch dieses ist aus
einem perfekten Kubus von 28 Zentimetern Seitenlänge
gefertigt. In ihrer Ästhetik sind sie sich
sehr ähnlich, selbst wenn das erstere Kapitell aufgrund
des guten Erhaltungszustands eine größere
Kunstfertigkeit zeigt.
Kompositkapitelle kommen wieder während
der Herrschaft ³Abd ar-Rahmans III. auf. Ein gutes
und frühes Beispiel ist ein 340 H / 951-2 AD
datiertes Kapitell aus Loja. Ein weiteres aus der
Al Sabah Collection datiert 362 H / 972-3 AD
(Dar al-Athar al-Islamiyya, LNS 2 S) und ist etwas
stärker ornamentiert als das hier gezeigte. Dieses
Kapitell lässt sich folglich zwischen 340 und 362 H
(951-2 und 972-3 AD) datieren. Während der
fi tna (»Aufruhr«) von 1010 und der Plünderung
von Madinat az-Zahra im selben Jahr sowie nach
dem Zusammenbruch des Kalifats von al-Andalus
1031 wurden zahlreiche Objekte, auch Archi tektur
teile, in alle Lande verstreut. So fanden sogar
bis nach Italien hin viele andalusische Kapitelle
andernorts Wiederverwendung. SM
95

46
96
47
Handschrift der Mi²a laila wa-laila
(»Hundertundeine Nacht«) und des Kitab
al-Fugrafi yya (»Buch der Geographie«)
von az-Zuhri (lebte im 6. / 12. Jahrhundert)
Kopiert von ³Abdallah ibn ³Abd al-Maula an-Nufum
Spanien, al-Andalus, datiert 632 H / 1235 AD
Tinte und Gouache auf Papier
19 x 26,5 cm
AKM 00513
Publiziert: AKTC 2007a, 156 (Nr. 122); AKTC 2007b,
155 (Nr. 122); AKTC 2009a, 94; AKTC 2009b, 94
Hölzerne Schreibschatulle
Spanien, al-Andalus, nasridisch, 15. Jahrhundert
Walnussholz eingelegt mit Bein, Metall, Holz und
Perlmutt
22 x 49 x 33 cm
AKM 00634
Publiziert: AKTC 2007a, 125 (Nr. 93); AKTC 2007b,
128 –129 (Nr. 93); AKTC 2009a, 94; AKTC 2009b, 94
Diese Handschrift im Maghribi-Duktus enthält
die früheste erhaltene Kopie von az-Zuhris »Buch
der Geographie« sowie die früheste bekannte
Version der arabischen Märchensammlung, die
später unter dem Namen »Tausendundeine
Nacht« bekannt wurde. Es handelt sich um eine
Reihe von wahrscheinlich nach persischen Quellen
adaptierten Erzählungen, die sich u.a. um den
abbasidischen Kalifen Harun ar-Rashid ranken.
Das »Buch der Geographie« wurde als Beilage
Die hölzerne Schatulle eines Schreibers ist ein
seltenes Relikt und ein außergewöhnliches Beispiel
für luxuriöse Holzprodukte in Spanien unter den
Nasriden (1232 –1492). Die Tradition, Walnussholz
mit Intarsien zu verzieren, geht bis in die
Umayyadenzeit Spaniens (756 –1031) zurück und
ist in Moscheekanzeln (sing. minbar), Türen und
verschiedenen anderen Objekten erhalten. Zu
den Merkmalen nasridischer Holzarbeiten gehören
für eine Weltkarte geschrieben, die der abbasidische
Kalif al-Ma²mun in Auftrag gegeben hatte.
Es enthält eine Beschreibung der Welt zu seiner
Zeit mit wichtigen neuen Informationen zu
Handelswegen und Waren, die in den westislamischen
Gebieten und im subsaharischen Afrika gehandelt
wurden, sowie über die Verbreitung des
Islam. Die zweitälteste Kopie dieses Werks befi ndet
sich in der Bibliothèque Nationale, Paris und
datiert 1410 AD. AF / LA
kunstvolle Einlegearbeiten aus Elfenbein, Knochen,
Metall, Holz und Perlmutt. Das Dekorrepertoire
dieser Schatulle enthält große achtzackige Sterne
aus ineinander verschränkten Quadraten. Zahllose
aus der Nasridenzeit erhaltene Holzobjekte in den
Museen Granadas und auf der Alhambra sind mit
diesem Motiv versehen. Der Kasten enthält einen
Einsatz mit Deckel, der vermutlich die Schreibgeräte
enthielt. AF

48 Lampenständer aus Bronze
Dieser seltene Lampenständer – ein ähn liches Ex-
Spanien, al-Andalus, umayyadisch, 10. Jahrhundert emplar ist in der David Collection ausgestellt –
Bronzeguss durchbrochen, graviert und gestanzt wurde hergestellt unter den spanischen Umayya-
Höhe 52,5 cm
den (756 –1031), Abkommen der ersten
Inschrift (arabisch): baraka (»Segen«), wiederholt muslimischen Dynastie der Umayyaden in Damas-
AKM 00593
kus. Als die Abbasiden diese im Jahr 749 stürzten,
Publiziert: AKTC 2008b, Nr. 2; AKTC 2009a, 95;
AKTC 2009b, 95
fl oh der einzige Überlebende der Familie auf die
Iberische Halbinsel und gründete dort einen neuen
Zweig der Dynastie. Auch wenn das Objekt
eine typisch islamische Inschrift in arabischem
Kufi enthält,
so refl ektiert seine Form und Dekoration doch
die byzantinische Kultur, die der umayyadischen
Herrschaft in Syrien vorangegangen war. LA
97

98
Mudéjar-Konsolen
und -Balken aus Holz
49 Sechs Holzkonsolen
Spanien, Toledo, 13.–14. Jahrhundert
Eiche, geschnitzt
Max. Länge 42 cm
AKM 00719
Publiziert: AKTC 2009a, 96; AKTC 2009b, 96
50 Drei Holzkonsolen
Spanien, Toledo, 13.–14. Jahrhundert
Eiche, geschnitzt
Länge 72 cm
AKM 00720
Publiziert: AKTC 2009a, 96 – 97;
AKTC 2009b, 96 – 97
51 Holzbalken
Spanien, Toledo, 13.–14. Jahrhundert
Eiche, geschnitzt
Länge 160 cm
AKM 00721
Publiziert: AKTC 2009a, 96 – 97;
AKTC 2009b, 96 – 97
52 Holzbalken
Spanien, Toledo, 13.–14. Jahrhundert
Eiche, geschnitzt
34,5 x 73 cm
AKM 00723
Publiziert: AKTC 2009a, 96 – 97;
AKTC 2009b, 96 – 97
51
Der Mudejar-Stil der Iberischen Halbinsel entstand
zu Beginn des 12. Jahrhunderts aus einer
Synthese muslimischer, christlicher und jüdischer
Kunstidiome. Bis zum Ende des 15. Jahrhunderts
setzte sich dieser Stil fort, als die mudéjares (die
Muslime, die nach der Reconquista in der Region
verblieben waren, ihre Religion aber weiter ausübten)
gezwungen wurden, zum Christentum zu
konvertieren. Im Mittelalter waren die Mudejar-
Künstler auf dem Gebiet der Holz- und Stuckarbeiten,
Keramik, Metallarbeiten und Textilien
herausragend (Ecker 2004, 58). Gestalterische
Kombinationen der herrlich geschnitzten Holzkonsolen
und -balken erinnern an weitere Architekturelemente,
die man Toledo zuordnet. Beispielsweise
kommen geteilte und geschwungene
Palmetten auf Konsolen in der Sammlung der
50
Hispanic Society of America, New York vor
(Ecker 2004, 64 – 65 und 147–148 [Nr. 56, Inv.
Nr. D51– D60]). Laut Heather Ecker ist die Kombination
von geschwungenem Palmettenmotiv
(das »wie ein Schiffsbug – spanisch: canecillos
de proa oder quilla – zwischen zwei Weinranken,
die wie Spitzen vorkragen, von den oberen Voluten
zurückschwingt«) und mehrblättrigem Rosettenmotiv
ein Indiz dafür, dass die Balken in Toledo
und nicht in Granada hergestellt wurden (ibid.,
147). Weitere Vergleichsbeispiele befi n den sich in
der David Collection, Kopenhagen (von Folsach
2001, 271 [fi g. 437, Inv. Nr. 46 a – b /1999]). Spuren
von Bemalung auf manchen Stücken dieser
Gruppe (Kat. Nr. 49) zeigen, dass die Architekturteile
einst farbig gefasst waren. LA

52
49
99

100

53
Drei farbig gefasste Dreieck-Paneele
mit Sternfl echtmuster
Spanien, al-Andalus, nasridisch, 14.–15. Jahrhundert
Holz, geschnitzt und farbig gefasst
Jedes Paneel: 151 cm
AKM 00730
Publiziert: MWNF 2006, 285; AKTC 2009a, 98 – 99;
AKTC 2009b, 98 – 99
Die Herrschaft der Nasriden (1230 –1492) im andalusischen
Sultanat von Granada war angesichts
der ständigen politischen und militärischen Herausforderungen
in der Region bemerkenswert
lang. Als im Mittelalter das Machtzentrum der
islamischen Welt weiter in den Osten rückte, begannen
die westlichen Regionen, ihre eigenen,
individuellen regionalen Stile zu entwickeln, auch
in Spanien und Nordafrika. In Spanien führte
die Koexistenz von Muslimen, Christen und Juden
zu einem Mischstil, der die Kunst und die Architektur
dieses Gebietes von der übrigen islamischen
Welt unterscheiden sollte.
Die drei Paneele aus einer Vertäfelung gehörten
wahrscheinlich zu einer Holzdecke, ein beliebtes
Medium, das im 14. und 15. Jahrhundert
aufkam, um komplexe verschlungene Muster
darzustellen. Jedes der drei gleichseitigen Dreiecke
trägt ein Sternfl echtmuster, das von einem
zentralen, neunstrahligen Stern ausgehend kleinere
geometrische Felder unterteilt. Es handelt sich
um eine Abwandlung eines auf dem achtstrahligen
Stern basierenden Musters. Dieses besteht aus
zwei übereinanderliegenden und um 45 Grad
versetzten Quadraten und erscheint auf Wanddekorationen
in der Alhambra-Burg der Nasriden
von Granada. Heather Ecker hat das Musterprinzip
beschrieben, das sie als »lazo of eight«
benennt. Es besteht aus einem geometrischen
System, konstruiert aus verschiedenen, ineinander
verschränkten Einzelformen, basierend auf dem
achtstrahligen Stern. Dieses nasridische Musterschema
fi ndet man in unterschiedlichen Materialien,
darunter Holz, Stuck und Textilien (für Beispiele
aus Textil und Holz siehe Ecker 2004,
47– 51 und 139 –140, Nr. 42– 44 in der Hispanic
Society of America, New York, es gibt aber noch
einige weitere Sammlungen).
Auf jedem der drei Paneele sind die vertieften
braungrundigen Felder zwischen dem aufgesetzten
Leistenwerk des leuchtend hellblau, rot und
gelb linierten Sternfl echtmusters bemalt mit
Pfl anzenmotiven in Grüntönen mit hellblauen
und roten Akzenten. Auch wenn zahlreiche Fragmente
von islamisch-spanischen Holzdecken
existieren, so ist eine zusammenhängende Gruppe
von Einzelelementen, wie diese drei Paneele,
ein seltener Fund. LA
101

54 Kalligraphisch verzierter Holzbalken
Spanien, al-Andalus, nasridisch, 14. Jahrhundert
Holz, geschnitzt
29,8 x 146 cm
AKM 00725
Publiziert: AKTC 2009a, 100 –101;
AKTC 2009b, 100 –101
54
55
102
Dieser kunstvoll geschnitzte, rechteckige Holzbalken
enthält ein arabisches Gedicht in kufi scher
Schrift, das von zwei horizontalen Bändern eingerahmt
wird. Die Inschrift ist mit einem komplexen
Muster aus ineinander verfl ochtenen Weinranken
verwoben, die in einzelnen Blättern und geteilten
Palmetten enden. Vegetabiles und kalligraphisches
Ornament unterscheiden sich durch detailliertere
Schnitzereien im Blattwerk. Dies hebt die Inschrift
im Schrägschnitt vom dicht gemusterten Grund
ab. Die ganzheitliche Flächen bearbeitung scheint
im nasridischen Spanien (1238 –1492) üblich gewesen
zu sein und ist noch im heutigen Nordafrika
in verschiedenen Materialien gebräuchlich. In
Spanien fi nden wir ihn im Stuckdekor im »Saal
der zwei Schwestern« aus dem 14. Jahrhundert
auf der Alhambra (siehe Barrucand 2002,
202 – 203). Ähnlicher Dekor, der Kalligraphie mit
vegetabilen Schnitzarbeiten verbindet, lässt sich
auch an einem Holzbalken von 1360 aus Toledo
sowie einer geschnitzten Stuckplatte des 13. oder
14. Jahrhunderts aus Spanien oder Nordafrika
vergleichen. Beide befi nden sich in der David
Collection, Kopenhagen (von Folsach 2001, 270
[Nr. 434, Inv. Nr. D 14 / 1986] und 251 [Nr. 400,
Inv. Nr. 35 /1978, spiegelverkehrt gedruckt]). LA

55
Farbig gefasster Holzbalken
Fes, Marokko, almohadisch, 12. Jahrhundert
Kiefernholz, geschnitzt und farbig gefasst
30,8 x 313 cm
AKM 00631
Publiziert: AKTC 2007a, 189 (Nr. E); AKTC 2007b,
191 (Nr. E); Makariou 2007, 192 –193 (Nr. 70);
AKTC 2008a, 252–253 (Nr. 99); AKTC 2009a,
100 –101; AKTC 2009b, 100 –101
Inschrift (arabisch):
»Wir sind Menschen, die sich nicht schämen,
in der Schlacht zu sterben,
selbst wenn wir an [die Stämme] Amir und
Salul denken.
Die Liebe zum Tod bringt uns unserer vom
Schicksal bestimmten Zeit näher.
Sie hingegen hassen den Moment und ziehen
die Stunden hinaus.
Keiner von uns ist im Bett gestorben
Und keiner wurde ohne Rache getötet.
Wir lebten unser Leben auf dem Stahl unserer
Schwerter.
Nur durch unsere Klingen fi nden sie ihren Tod.«
Die beiden geschnitzten, farbig gefassten und teils
vergoldeten Kiefernholzfriese gehörten zur Ausstattung
eines almohadischen Palastes in Spanien.
Die Verwendung von Kiefern- statt Zedernholz
verweist eindeutig auf al-Andalus. Die beiden erhaltenen
Teile, zusammen 6,26 Meter lang, sind
mit einer Ode aus dem vorislamischen Arabien im
Metrum tawil versehen. Sie bilden eine Abfolge,
die eine Vorstellung davon gibt, wie sie in einem
etwas über 9 Quadratmeter großen Raum gewirkt
haben mögen, mit jeweils einem Abschnitt des
Ge dichtes (qasida) auf jeder Wandseite. Vielleicht
befanden sie sich in einem Raum ähnlich dem quadratischen
»Gefangenenturm« auf der Alhambra.
Die beiden Friese waren an zwei rechtwinklig
zueinander stehenden Wänden angebracht; auch
wenn sie auf zwei unterschiedlichen Versteigerungen
erworben wurden, so handelt es sich um einen
fortlaufenden Text. Er stammt aus einer Qasida
des um 560 ver storbenen vorislamischen arabischen
Dichters Samau²al ibn ³Adiya. Er unterscheidet
sich stellenweise von dem edierten Text
des Diwans. Zum Beispiel wird im ersten Halbvers
des letzten Distichons das Subjekt »ich« in
»wir« geändert. In einem anderen Vers steht für
»Schwerter« nicht das Wort dibat sondern suyuf,
und schließlich wurde ein weiterer Halbvers an
eine ganz andere Stelle im Gedicht platziert. Da
aber jeder Doppelvers eine Sinneinheit ergibt,
beeinfl usst die Verschiebung den Textfl uss kaum.
Die kufi sche Inschrift enthält keinerlei diakritische
Zeichen. Die Buchstaben nehmen etwa ein
Drittel der zur Verfügung stehenden Höhe ein
und kontrastieren so mit den hoch aufragenden
Hasten. Charakteristisch ist das gekreuzte lam-alif
am linken Ende des hier abgebildeten Fries A.
Die Länge der Hasten schließt eine Datierung
in die almorawidische Periode aus. Die Konturen
der Buchstabenwülste und andere epigraphische
Merkmale gleichen eher einer undatierten Koraninschrift
und einer 580 H /1184 AD datierten
prismatischen Stele, beide im Batha Museum in
Fes. Die Form des ha² (rechts auf Fries A) aus
zwei ineinander verkeilten, abgerundeten Dreiecken
ist ein typisches Merkmal dieser Inschrift.
Sie kam im Osten gegen Ende des 11. Jahrhunderts
auf und wurde auch in zwei Grabinschriften
aus Badajoz verwendet, die 539 H /1144 AD bzw.
556 H /1160 AD datieren. Gleiche Formen des
ha² fi nden sich auch in marinidischen und nasridischen
Inschriften. Das jedoch im Vergleich
zu späteren marinidischen Holzarbeiten schlichte
Pfl anzenmotiv erlaubt eine Datierung in das
12. Jahrhundert.
Die Verwendung eines vorislamischen Gedichtes
verweist auf ein literarisch gebildetes Milieu,
das die Erinnerung an die ursprüngliche arabische
Poesie lebendig hielt. Einmal mehr zeigt sich durch
diese Feingeistigkeit Spaniens Rolle in der Tradierung
klassisch-arabischer Dichtkunst. Ohne diese
Grundlage wäre der über ein Jahrhundert später
geführte Dialog zwischen dem erlauchtesten Dichter,
Historiker und Wesir des nasridischen Spanien,
Lisan ad-Din ibn al-Khatib (gest. 1374), und
dem größten Historiker des Islam, Ibn Khaldun
(gest. 1406), nicht denkbar. Sie diskutieren darin
den Erhalt letzter Überbleibsel einer glorreichen
arabischen Literatur am Ende der Ära al-Andalus,
während in der übrigen historiographisch aktiven
arabischen Welt eine pragmatische Fachsprache
entwickelt wurde. SM
103

56
Räuchergefäß in Form einer Taube
Islamischer Mittelmeerraum, wahrscheinlich
Sizilien, 11.–12. Jahrhundert
Bronzeguss
17 x 25,5 cm
AKM 00603
Publiziert: AKTC 2007a, 30 und 122 –123 (Nr. 42);
AKTC 2008b, Nr. 6; AKTC 2009a, 102;
AKTC 2009b, 102
104
In der islamischen Welt verwendete man Räucherwerk,
um Menschen und Raumklima mit einer
wohlriechenden Mischung aus Aloe, Weihrauch
und Ambra zu parfümieren. Laut dem Historiker
al-Mas³udi wurde Gästen des Kalifen al-Ma²mun
(reg. 813 – 833) ein Räuchergefäß angeboten, damit
sie sich vor der Begegnung mit dem Rauch parfümierten
(Bloom – Blair 1997, 120). Weihrauchschwenker
aus Metall wurden in verschiedenen
Formen hergestellt, darunter Tierformen wie
Löwen oder Vögel, welche man mit dem Paradies
und Glück in Verbindung brachte. Die Taube
lässt sich über ein Scharnier am Hals öffnen und
befüllen. Der duftende Rauch entströmte durch
die durchbrochene Wandung des Körpers. Dieses
Meisterwerk mittelalterlichen Bronzegusses stellt
eine »Skandarun« genannte Taubenart dar, eine
Anlehnung an den Namen der türkischen
Stadt Iskenderun, die wiederum nach Iskander
(Alexander der Große) benannt ist. Die Taubenart
kommt ursprünglich aus dem Irak und verbreitete
sich Richtung Westen im Mittelmeerraum.
Von der Form her gleicht das Objekt
zeitgenössischen Vogelräuchergefäßen im Khorasan-Stil,
der Guss hingegen ist schwerer und stärker
skulptiert, die durchbrochenen Stellen sind
größer und auch Farbe und Patinierung unterscheiden
sich. Mög licherweise wurde dieses
Weihrauchgefäß im späten 11. oder frühen
12. Jahrhundert unter den arabischen bzw. normannischen
Gouverneuren in Sizilien hergestellt.
Weitere Untersuchungen könnten jedoch auch
auf eine andere Herkunft schließen lassen. AF

57
Schale mit Pfau
Nordafrika, circa 11.– 12. Jahrhundert
Quarzfritte, bemalt und glasiert
Ø 23,8 cm
AKM 00579
Publiziert: Fehérvári 2000, 75; AKTC 2007a, 82
(Nr. 52); AKTC 2007b, 80 (Nr. 52); AKTC 2009a,
103; AKTC 2009b, 103
Der Pfau wird mit dem Paradies und Königsherrschaft
assoziiert. Er fi ndet sich auf den verschiedenartigsten
islamischen Objekten, von Keramikgefäßen
und Textilien bis hin zu Metallarbeiten
und Buchkunst. Manche glauben, dass der Pfau
zusammen mit Adam und Eva aus dem Paradies
vertrieben wurde, was seine traurigen Schreie erklären
würde. Über eine lange Zeit hinweg ist der
Pfau ein beliebtes Motiv auf Keramikschalen in
der gesamten islamischen Welt von Nordafrika
bis Zentralasien. Die Vogelgestalt ist in der Regel
genau in den Spiegel eingepasst, und die Federn
des Pfauenrades wölben sich meist bis an den
Kopf zurück. Dekor, Technik und Farbpalette
dieser Schale sind typisch für nordafrikanische
Keramik: ein großer grün-, gelb- und auberginefarbener
Vogel mit eingeritzten Details auf dunkelgelbem
Grund. AF
105

58 Schatulle aus Glas
Wahrscheinlich Italien (Sizilien) oder Spanien
(al-Andalus), 10.–11. Jahrhundert
Glas, geschliffen, mit Schnittdekor,
Scharniere und Verschluss aus Bronze
Länge 11,3 cm
AKM 00652
Publiziert: AKTC 2009a, 104; AKTC 2009b, 104
106
Die Technik des Glasschliffs erfreute sich in der
islamischen Welt im 9. und 10. Jahrhundert größter
Beliebtheit. Sie brachte verschiedene Dekorformen
hervor, darunter reliefi erte Muster, die
mithilfe von Scheiben aus Stein, Metall oder Holz
eingeschliffen sowie mit Bohrern aus Stein oder mit
Diamantspitzen graviert wurden (Carboni 2001,
71). Dieses rechteckige Kästchen, das stellenweise
irisiert ist, besteht aus zwei Teilen, beide mundgeblasen
und mit der Scheibe geschliffen. Der Deckel
ist mit zwei Kreisen und einem Rhombenmuster,
der Behälter mit einem von zwei Drachenvierecken
verziert. Bronzeverschluss und -scharniere enden
jeweils in einem Paar Widderhörner.
Der Glasschliff mit der Scheibe ist eine vorislamische
Technik und war bereits bei den Römern
und Sassaniden weit verbreitet. Etwa im 4. oder
5. Jahrhundert ging die Verwendung dieser Technik
im Mittelmeerraum zurück. Im 8. und 9. Jahrhundert
lebte sie im ostislamischen Raum, vor allem
im Irak und Iran, wieder auf (Carboni – Whitehouse
2001, 155). Wenngleich die Technik aus
den östlichen Gebieten der islamischen Welt
kommt, so erinnert die Form des Objektes an
Schatullen aus dem islamischen Spanien und Sizilien
(siehe beispielsweise Dodds 1992, 192 [Nr. 2],
oder von Folsach 2001, 255 [Nr. 407]). Nachdem
die Umayyaden durch die abbasidische Revolution
von 750 ihre Heimat Syrien verloren hatten, entwickelten
sie eine ausgeprägte Vorliebe für die
Kultur des Mittleren Ostens. Es ist gut möglich,
dass mit der Ankunft eines gewissen Ziryab in
al-Andalus künstlerische Strömungen und Techniken
aus der übrigen islamischen Welt Einzug
hielten. Ziryab war ein vom abbasidischen Kalifen
al-Mahdi (reg. 775 – 785) Freigelassener, dem die
Einführung höfi scher Traditionen der Abbasiden,
wie Musik, Kleidung, Esskultur und Umgangsformen,
bei den Umayyaden Spaniens zugeschrieben
wird (Dodds 1992, 42). LA

59
Grabstele aus Marmor
Nordafrika, 377 H / 987 AD
Marmor, skulptiert
Höhe 59,5 cm
AKM 00662
Publiziert: AKTC 2007a, 72 – 73 (Nr. 42);
AKTC 2007b, 68 – 69 (Nr. 42); AKTC 2009a,
104 – 105; AKTC 2009b, 104 –105
Beschriftete Marmorstelen haben in der islamischen
Welt eine lange Tradition. Diese Stele ist ein formvollendetes
Beispiel aus nordafrikanischer, typisch
tunesischer Herstellung des 10. und 11. Jahrhunderts.
Die 15-zeilige Kufi -Inschrift enthält den Namen
einer Person, vermutlich eines Lederhändlers
(fallad, wobei laut Abdullah Ghouchani das Wort
auch den Beruf des Folterers bezeichnen könnte).
Mitte Sha³ban 376 H / 29. Dezember 986 AD verstarb
der Mann und wurde von seinem Bruder aus
der Stadt, in der er verstorben war, abgeholt. Das
Datum seiner Beerdigung in einer anderen Stadt,
sehr wahrscheinlich seinem Heimatort, lautet Mitte
Jumada ath-thani 377 H / 15. Oktober 987 AD.
Das heißt, dass die Beerdigung erst etwa zehn
Monate nach seinem Ableben stattfand. Die
Stadt, in der er starb, wird als Kairo (Misr oder
Mansuf) gelesen.
Die Grabstele wurde nicht aus einem neuen
Stück Marmor gefertigt, sondern aus einem römischen
Baluster mit großfl ächig und tief gemeißelten
Akanthusranken (Abb. rechts). Die Spolie datiert
um 300 n. Chr. und muss 700 Jahre lang verschüttet
und ungenutzt gelegen haben, bevor sie in einen
Grabstein umgewandelt wurde. Die Wiederverwendung
von Bauteilen aus hochwertigem
Material zeigt, dass es in Nordafrika an Rohmaterialien
mangelte. AF / LA
107

© akg-images, Werner Forman
Ägypten und Syrien
Ladan Akbarnia
Damaskus (Syrien),
Innenhof der Umayyadenmoschee
Nach der abbasidischen Revolution von 750
gegen die erste islamische Dynastie der Umayyaden
verlagerte sich das Zentrum der islamischen
Welt von Damaskus nach Bagdad.
Ihren Erfolg verdankten die Abbasiden zu einem
nicht unwesentlichen Teil der Unterstützung
durch die Militärsklaven oder Mamluken
(arab. für »Sklaven«), die aber immer
mächtiger wurden und einen großen Teil zur
Schwächung der abbasidischen Hegemonie
beitrugen. Dies ermöglichte es den Dynastien
in den Provinzen, zunehmend unabhängig
zu regieren. Den abbasidischen Kalifen erkannten
sie nur noch pro forma an, um sich
zu legitimieren. In Nordafrika hatten sich
bereits die Tuluniden losgelöst und als erste
eigenständige Dynastie in Ägypten etabliert
(865–909). Die Fatimiden kamen 969 nach
Ägypten und gründeten die Hauptstadt Kairo
bei der älteren Stadt Fustat am Nil. Auf dem
Höhepunkt ihrer Macht herrschten sie über
den Großteil Nordafrikas, Sizilien, den Jemen,
den Hedschas und Teile Syriens. Unter
den Fatimiden, die den Anspruch erhoben,
von der Tochter des Propheten Muhammad,
Fatima und deren Ehemann und Muhammads
Cousin Ali abzustammen, erlangte Ägypten
enorm an Bedeutung.
Die Fatimidendynastie wurde 1171 von
Salah ad-Din ibn Ayyub, im Westen bekannt
als Saladin, zerschlagen. Die Ayyubiden waren
kurdischer Abstammung und hatten im
Dienst der türkischen Zengiden gestanden.
Die Zengiden wiederum stammten von einem
Sklaven namens Malik Shah (reg. 1072 –1092)
ab, dem letzten großen Seldschukenherrscher
des Iran. Im 12. Jahrhundert übernahmen
die Zengiden Teile des Irak und Syriens und
richteten ihr Augenmerk auf Ägypten, das
Saladin als Offi zier des Nur ad-Din Zengi
einnehmen konnte. Doch Saladin hatte wei-
ter reichende Pläne; 1169 entriss er seinem
Herrn die Macht in Ägypten und eroberte
nach Nur ad-Dins Tod im Jahr 1174 auch Syrien.
Während ihrer Regierungszeit von 1169
bis 1250 beherrschten die Ayyubiden neben
Syrien und Ägypten auch den Jemen, den
Hedschas und Teile Mesopotamiens. Letztendlich
wurden auch die Ayyubiden von denselben
Militärsklaven (Mamluken) gestürzt,
die einst den Abbasiden, dann den Buyiden
(934 –1062) und den Ayyubiden selbst gedient
hatten. Die Mamluken etablierten 1250
ihre eigene Dynastie, anstatt anderen Herrschern
zu dienen, und regierten bis zur osmanischen
Eroberung im Jahr 1517.
Aufgrund der politischen Umstände in
Ägypten und Syrien zwischen dem 10. und
16. Jahrhundert entstand in diesen Ländern
eine Mischung aus künstlerischen Motiven,
Stilen und Techniken, die der höfi schen Kultur
der Abbasiden entlehnt waren und gleichzeitig
die Entwicklungen unter einer jeden
neuen Dynastie zeigen. Die Lüstertechnik
beispielsweise soll im 8. und 9. Jahrhundert
für die Glasdekoration in Ägypten und Syrien
entwickelt worden sein. Im 9. und 10. Jahrhundert
wurde sie dann auf die Keramikproduktion
übertragen und schließlich von den
Fatimiden in Ägypten erneut in die Keramikdekoration
eingeführt (Bloom – Blair 1997,
251). Zuweilen erschweren die Ähnlichkeiten
in Stil und Technik die Zuordnung von
undatierten oder nicht naturwissenschaftlich
untersuchten Objekten zu einem bestimmten
Herrscherhof (vgl. Kat. Nr. 67). Qualität
und Quantität an Kunst und Architektur in
dieser Region sprechen jedoch für sich und
zeigen, dass in diesem Zeitraum ein wesentlicher
Beitrag zur materiellen Kultur der islamischen
Welt geleistet wurde.
109

60
110
Zwei »Tell-Minis«-Lüsterschalen
Schale mit Pfau
Syrien, 12. Jahrhundert
Quarzfritte, Lüstermalerei auf deckend
weißer Glasur
Ø 24,3 cm
AKM 00550
Publiziert: AKTC 2007a, 82 (Nr. 51);
AKTC 2007b, 80 (Nr. 51); AKTC 2009a, 108;
AKTC 2009b, 108
61 Schale mit Strahlenmotiv
Syrien, 12. Jahrhundert
Quarzfritte, Lüstermalerei auf deckend
weißer Glasur
Ø 23,5 cm
Inschrift (arabisch):
(im Spiegel) al-³izz (»Macht«)
(außen) min san³ Abi Mašhur jass (»eine Arbeit des
Abu Mashhur, spezieller [fürstlicher?] Auftrag«)
AKM 00551
Publiziert: AKTC 2009a, 108; AKTC 2009b, 108
Aufgrund der zentralen Lage Syriens an zahlreichen
Routen des kulturellen Austauschs nimmt es nicht
Wunder, dass die Ausgrabungen an mittelalterlichen
Produktionsorten Keramikwaren in verschiedenen
Techniken mit unterschiedlichen Motiven
und Stilen zutage brachten. Die Bestimmung und
Einordnung dieses Materials ist deshalb besonders
schwierig (siehe die Diskussion der Raqqa-Ware
unter Kat. Nr. 62). Die beiden hier gezeigten Lüsterschalen
können jedenfalls der sogenannten Tell-
Minis-Ware zugeordnet werden. Die Ware ist nach
einem Dorf bei Ma³arrat an-Nu³man in Westsyrien
benannt und zeichnet sich durch sehr feines Quarzfrittematerial
und einen einzigartigen Stil des
Lüster dekors aus. Allerdings birgt der Tell-Minis-
Hortfund bzw. der Ort selbst zu wenig Hinweise,
um Tell Minis als Produktionszentrum identifi zieren
zu können (Pancaroblu 2007, 63). Zumindest können
als »Tell Minis« kategorisierte Stücke aufgrund
verschiedener Kriterien zusammengefasst werden.
Darunter sind ihre vegetabilen Ornamente aus
spitzen, drei- oder vierbogigen Blättern, oft als
Umrandung eines zentralen Motivs, wie beim Pfau
(Kat. Nr. 60) oder eines nicht-fi gürlichen Motivs
wie das zentrale Medaillon mit radialen Sprossen
in Kat. Nr. 61. Die Motive können als Glücksbringer
gelten. Im weiteren iranischen Kulturraum
wird der Pfau mit Königtum assoziiert
und – auf mystischer Ebene – mit dem Paradies
(so angedeutet im Mantiq at-tair oder »Vogelgespräche«
des Sufi -Dichters Fariduddin ³Attar
[gest. 1220]). Viele weitere Sammlungen beherbergen
ähnliche Sammlungen, wie beispielsweise
die Harvey B. Plotnick Collection, Chicago.
Eine Schale in dieser Sammlung ist mit einem
ähnlichen Pfau verziert. Eine andere ist mit dem
Glück verheißenden Siegel des Salomon in Form
eines Hexagramms versehen, in dem das arabische
Wort für »Segen« (baraka) steht, ganz ähnlich
dem Wort »Macht« (al-³izz) auf der Schale
Kat. Nr. 61. Die hier ausgestellte Schale enthält,
genau wie die beiden Schalen aus der Chicagoer
Sammlung, arabische Inschriften auf der Außenseite,
die den Künstler oder die Werkstatt bestimmen,
gefolgt von dem Wort jass (»speziell« oder
»privat«), das möglicherweise auf einen Sonderauftrag,
vielleicht für einen Fürsten, hinweist
(ibid., 62 – 63 [Nr. 20 und 21]). LA

62 Fliese mit Sterndurchbruch
Auf dieser Modelware ragen geteilte Palmetten-
Syrien (Raqqa-Ware), ayyubidisch,
ranken aus der zentralen Öffnung in Form eines
frühes 13. Jahrhundert
achtzackigen Sterns. Die vier Ecken sind von einer
Quarzfritte, im Model geformt,
dreiblättrigen Palmette ausgefüllt. Der gesamte
transparente türkise Glasur
Dekor ist von einem erhabenen Rand eingerahmt.
Quadratisch mit 36,5 cm Seitenlänge
Die Fliese ist mit einer transparenten türkisfarbe-
AKM 00702
nen Glasur versehen und ähnelt den Modelwaren
Publiziert: AKTC 2009a, 109; AKTC 2009b, 109
Syriens aus dem 12. und 13. Jahrhundert. Verbindungen
können auch zu den im benachbarten
Iran produzierten Keramikwaren hergestellt werden,
betrachtet man eine türkis glasierte Modelfl
iese in der David Collection in Kopenhagen mit
16 kleinen, gleichmäßig angeordneten achtzackigen
Öffnungen (von Folsach 2001, 167 [Nr. 208,
Inv. Nr. 5/1980]).
Die sogenannte Raqqa-Ware umfasst eine ganze
Bandbreite an Keramik, darunter bestimmte
Lüsterwaren, mit Unterglasurmalerei verzierte,
monochrom glasierte sowie Laqabi- und Tell-Minis-Waren
(siehe Kat. Nr. 60 – 61). Vor allem in
den letzten Jahren ist Raqqa-Ware verschiedentlich
untersucht worden. Die am linken Euphratufer
in Syrien gelegene Stadt ist einer der ersten
Orte, an dem islamische Keramik ausgegraben
wurde. Anfangs glaubte man, dass Keramik, die
den Raqqa-Waren ähnelte, an diesem Ort hergestellt
und dann in weitere Regionen, wie Anatolien,
Iran und Ägypten exportiert wurde (eine Zusammenfassung
bisheriger Forschungen zu Raqqa-
Waren gibt Jenkins-Madina 2006, 7 – 8). Oliver
Watson hat unlängst die These aufgestellt, dass
eine ähnliche Palette von Keramikwaren an verschiedenen
Orten in Syrien hergestellt wurde und
dass es starke Anhaltspunkte für ägyptische Produktionszentren
von Keramik von gleicher oder
sogar besserer Qualität gibt – mit Ausnahme von
Lüsterwaren (Watson 1999 und Watson 2004,
289). Die jüngste Erforschung der Raqqa-Waren
nahm Marilyn Jenkins-Madina vor. Hierzu untersuchte
sie eine Gruppe von Keramikgefäßen
dieses Typs aus Konya sowie Raqqa-Waren in der
Sammlung des Metropolitan Museum of Art.
Jenkins-Madina kommt zu dem Schluss, dass
diese Objekte in den ersten drei Dekaden des
13. Jahrhunderts unter ayyubidischer Herrschaft
(1169 –1260) hergestellt wurden. Zu dieser Zeit
residierte der ayyubidische Prinz al-Malik al-
Ashraf Musa in Raqqa und baute die Stadt im
Zuge eines umfangreichen Bauprogramms aus
(Jenkins-Madina 2006, 186 –187). Kurz darauf
wurde Raqqa von den Rum-Seldschuken und den
Khwarazm-Schahs besetzt und schließlich 1265
von den ilkhanidischen Mongolen zerstört. LA
111

63 Holzbalken mit Koraninschriften
Syrien, spätes 12. – frühes 13. Jahrhundert
Geschnitztes Holz
11,2 x 122 cm
Inschrift: Sure al-Baqara (»Die Kuh«), 2:255
AKM 00632
Publiziert: Makariou 2007, 118 –119 (Nr. 39);
AKTC 2008a, 73 (Nr. 17); AKTC 2009a, 110 –111;
AKTC 2009b, 110 –111
64
Kapitell mit Fabelwesen
Ostsyrien oder Mesopotamien,
erste Hälfte 13. Jahrhundert
Marmor, skulptiert
Höhe 33 cm
AKM 00731
Publiziert: AKTC 2009a, 110 –111;
AKTC 2009b, 110 –111
112
Zwischen den beiden glatten Enden mit Löchern
für Befestigungen erstreckt sich eine lange Kartusche
mit erhaben gearbeiteter Inschrift, die sich
von dem fi ligran geschnitzten Grund aus Pfl anzenranken
abhebt. Typisch für das syrische Motivrepertoire:
Die Ranken sind gespickt mit Wirteln
und zweigeteilten Blättern oder Palmetten mit
langen gebogenen Spitzen. Dieser beschriftete
Holzbalken gehörte möglicherweise zur Schmalseite
eines Kenotaphs. Die Inschrift enthält einen
Teil von Vers 255 der zweiten Koransure al-Baqara
(»Die Kuh«): »Ihm gehört, was in den Himmeln
und was auf der Erde ist. Wer ist es, der bei Ihm
Fürsprache einlegen kann, es sei denn mit seiner
Erlaubnis?« Dieser auch als Thronvers bekannte
Ein vegetabiles Rankenmotiv aus geteilten und
ganzen Palmetten um zwei adossierte Vögel und
zwei Tiere, die wie eine Mischung aus Sphinx und
Greif aussehen, ist in fl achem Relief in die vier
größeren Seitenfl ächen des Kapitells gemeißelt.
Das Kapitell besitzt eine achteckige Basis und einen
quadratischen oberen Abschluss. Die dreieckigen
Felder zwischen den Kapitellfl ächen sind
mit abstrakteren Ranken dekoriert. Ähnliche vegetabile
Ornamente erscheinen auf Objekten in verschiedenen
Materialien, darunter eine Aufhängevorrichtung
aus gegossener Bronze in der Nasser
Abschnitt wird meist auf Gräbern oder Gebetsnischen
verwendet. Die Inschrift ist ein repräsentatives
Beispiel der ayyubidischen Naskhi-Schrift,
eine Form der Kursivschrift, gekennzeichnet
durch ihre elegante Schlichtheit und kompakte
Dynamik. Die gleiche Verbindung von sanft geschwungenen
Buchstaben vor schlankem Rankenwerk
fi ndet sich auf einigen syrischen und ägyptischen
Stücken. Das Fragment eines Schriftfrieses
im Museum für Islamische Kunst in Kairo (David-
Weill 1931, 34 – 35, [Nr. 2118, pl. 21]), das im
Mausoleum des Imam ash-Shafi ³i entdeckt wurde
und sicherlich zu einem Kenotaph gehörte, ist
diesem Stück sehr ähnlich. CJ
D. Khalili Collection, London (Rogers 2008, 101
[Nr. 111]); eine geschnitzte Truhe in der David
Collection, Kopenhagen (von Folsach 2001, 266
[Nr. 428, Inv. Nr. 3/1993]) und ein Kerzenleuchter
im Museum of Islamic Art, Doha (Allan 2002,
42 – 43 [Nr. 8]). Ähnliche in Rankenornamente
verwobene Tiere zieren in Ostanatolien hergestellte
Objekte, wie beispielsweise ein mit Sphingen
geschmückter Vorrats behälter in der Freer Gallery
in Washington, D.C. (Atıl – Chase – Jett 1985,
124 –136 [Nr. 17]). LA

113

© akg-images, Andrea Jemolo
Ägypten und Syrien Die Fatimiden
Sheila Canby
Kairo (Ägypten), Al-Hakim-Moschee
Im 9. Jahrhundert wurde die Vormachtstellung
der Abbasiden geschwächt. Die Regionalgouverneure
Ägyptens und des Iran übten
faktisch die Kontrolle über ihre Gebiete
aus und ordneten sich nur noch formal
dem Ka lifen unter, indem sie seinen Namen
in der Freitagspredigt (jutba), auf Münzen
und tiraz-Textilien nennen ließen. Einige islamische
Dynastien, wie die Umayyaden in
Spanien, agierten außerhalb des Kalifats, lokale
Fürsten in Syrien und Arabien wiederum
schlossen sich der Schia an.
Im Jahr 267 H / 909 AD eroberte der schiitische
Führer ³Abdallah al-Mahdi Tunesien
und gründete die neue Hauptstadt Mahdiyya.
Er folgte der ismailitischen Doktrin der
Schia, die besagt, dass das Kommen des
Mahdi (Messias), der über Isma³il ibn Ja³far
von Ali und Fatima abstammt, eine neue Ära
der Geschichte ankündige. ³Abdallah und
seine Nachfolger, die Fatimiden, stellten
sich als Rivalen der Abbasiden auf und setzten
innerhalb von sieben Jahren nach Imam
al-Mahdis Eroberung Tunesiens ihren Gouverneur
in Sizilien ein.
Ein außergewöhnlicher Feldherr, Jauhar,
be setzte 969 Ägypten. Im Jahr 973 verlegte
der vierte Fatimidenkalif al-Mu³izz die
Hauptstadt der Fatimiden nach Kairo (al-
Qahira: »die Siegreiche«), eine Neugründung
am Nil bei der alten Stadt Fustat. Von ihrer
Hauptstadt aus verkündeten sie ihre Sicht
des Islam durch ausgedehnte regionale Bekehrungen,
die da³wa. Auf dem Höhepunkt
ihrer Macht kontrollierten die Fatimiden
Mekka und Medina, den Jemen und Teile
Palästinas und Syriens. Bald litten die Fatimiden
unter den sowohl politisch als auch
ideologisch motivierten Zwistigkeiten innerhalb
der aus nordafrikanischen, türkischen
und sudanesischen Söldnern zusammengestellten
Truppen. Zu den Machtkämpfen un-
ter den Militärs kam in den 1060er-Jahren
eine Dürreperiode, die eine wirtschaftliche
Notlage auslöste und die Zahlungsunfähigkeit
des Kalifen an seine Truppen zur Folge
hatte. 1067, während der Regierungszeit von
al-Mustansir, plünderten Soldaten den Schatz
der Fatimiden. Dies war eine Katastrophe
für den Herrscher, aber ein Segen für Spezialisten
auf dem Gebiet der fatimidischen
Kunst, da die Geschichtsschreiber Ibn al-Jubair
und Maqrizi Beschreibungen der aus
dem Schatz verstreuten Objekte hinterließen.
Die Fatimidendynastie verlor ihre Territorien
in Sizilien, Syrien und Palästina an
ihre Rivalen. Den coup de grâce versetzte ihnen
Saladin schließlich mit seiner Eroberung
Ägyptens im Jahr 1171.
Der unfassbare Reichtum und raffi niert
schwelgerische Luxus am fatimidischen Hofe
wird schon in historischen Beschreibungen
bildhaft geschildert. Heute noch erhaltene
kostbare Objekte wie Bergkristallgefäße mit
Schnittdekor, die zur Aufbewahrung kostbarer
Substanzen und Essenzen dienten,
oder auch hauchzarte, mit den Namen und
Titeln der Kalifen beschriftete Textilien und
Schmuck aus feinstem Filigran und Email
zeugen von der hohen Entwicklung der fatimidischen
Hofkultur. Fatimidische Kunst
generell zeigt auch Einfl üsse abbasidischer
und byzantinischer Vorbilder. Einige Elemente
fatimidischer Lüsterkeramik stammen
aus abbasidischen Waren. Die Ikonographie
großer Hasen, sportlich aktiver Figuren wie
Hahnenkämpfer und die Verbindung von
rankengeschmückten Inschriften mit geometrischen
Ornamenten sind eher den Fatimiden
als den Abbasiden zuzurechnen. Die
Beschreibungen des Fatimidenschatzes zeigen,
wie viel verloren gegangen ist, doch die
wenigen erhaltenen Objekte sind Zeugen einer
Periode großen kulturellen Reichtums.
115

65 Holzbalken mit Koraninschrift
Die frühesten islamischen Holzschnitzarbeiten
Ägypten, tulunidisch, 9. Jahrhundert
stammen aus dem 7. Jahrhundert. Am durchgän-
Geschnitztes Holz
gigsten lässt sich die Geschichte von Holzarbeiten
Länge 120 cm
in Ägypten zurückverfolgen (Contadini 1998,
Inschrift: Sure al-Mulk (»Die Königsherrschaft«), 111–112). Man geht davon aus, dass die fatimi-
67:13 –14
dische Holzschnitztradition aus der koptischen
AKM 00701
und tulunidischen Tradition heraus entstanden ist
Publiziert: AKTC 2009a, 114 –115;
(ibid., 112). Dieser im Schnitt quadratische Balken
AKTC 2009b, 114 –115
ist mit Nuten und Zapfen versehen. Die kufi sche
Inschrift enthält Ausschnitte aus dem 13. und
14. Vers der 67. Sure des Korans: »13 ... [Ihr
mögt eure Worte im Geheimen sprechen] oder
offen äußern, Er weiß über das innere Geheimnis
Bescheid. 14 Sollte Er denn nicht über die Bescheid
wissen, die Er erschaffen hat? Und Er ist
der Feinfühlige [der Kenntnis von allem hat.]«
(»… [a]fharu bihi innahu ³alimun bi-dati s-sudur.
A-la ya³lamu man jalaqa wa-huwa l-lat[if] … «).
116
Nur zwei weitere tulunidische Balken sind jemals
auf dem Kunstmarkt erschienen (siehe Sotheby’s
London, 24. Oktober 2007, Lot 56). Der eine datiert
898 und ist 200 cm lang (»Art from the
World of Islam, 8 th –18 th Century«, Louisiana Revy
27/3 [März 1987], 65, Nr. 10), der andere war in
Fragmenten erhalten. Eines dieser Fragmente war
1988 – 89 im Musée d’art et d’histoire in Genf ausgestellt
und befi ndet sich heute in der David Collection,
Kopenhagen (Musée d’art et d’histoire
1988, 52 – 53, pl. 1). Weitere Fragmente befi nden
sich im Museum für Islamische Kunst in Kairo.
Der hiesige Balken stammt aus den Sammlungen
des Baron Elie de Rothschild und Jean-Paul Croisier.
Letzterer entlieh das Stück einst an das Institut
du Monde Arabe in Paris. LA

66 Tintenfass aus Bergkristall
Untersuchungen zur Herkunft der über 200 be-
Ägypten, spätes 10.– frühes 12. Jahrhundert kannten Bergkristall-Objekte haben zahlreiche
Bergkristall mit Schnittdekor
Fragen aufgeworfen. Da die kostbaren Stücke in
Länge 9,3 cm
Ägypten hochgeschätzt waren und häufi g in den
AKM 00653
Berichten über den Fatimidenschatz Erwähnung
Publiziert: AKTC 2007a, 92 (Nr. 60);
fi nden, werden sie Ägypten zugeordnet und zwi-
AKTC 2007b, 90 (Nr. 60); AKTC 2008a,
schen das 10. und das frühe 12. Jahrhundert da-
130 –131 (Nr. 44); AKTC 2009a, 115 (Nr. 65); tiert (Casamar – Valdés 1999). Zudem enthalten
AKTC 2009b, 115 (Nr. 65)
manche Inschriften mit den Namen von fatimidischen
Kalifen und Staatsbeamten. Theoretisch
könnten einige dieser Stücke jedoch auch in sassanidisch-persischer
Tradition im frühabbasidischen
Irak produziert worden sein. Da aussagekräftige
Bergkristall-Objekte aus archäologischem Kontext
praktisch nicht existieren, kann die Klassifi -
zierung dieser Gruppe lediglich – und auch nur
annäherungsweise – nach rein stilis tischen Kriterien
erfolgen.
Fast alle bekannten Beispiele wurden aus
Bergkristallblöcken von höchster Reinheit gefertigt.
Zahlreiche Stücke weisen weder Adern noch
andere Unreinheiten auf. Aufgrund der Morphologie
von Quarz, welches prismatische Kristallformen
herausbildet, lässt sich das Material nur
zu bestimmten Formen wie Flaschen, Flakons,
verschiedenartigen kleinen Behältern oder Schachfi
guren verarbeiten. Selten hingegen sind rechteckige
Blöcke, wie bei diesem speziellen Stück.
Der Herstellungsprozess ist aufwändig und erfordert
großes Geschick und viel Geduld. Der Bergkristallblock
wird ausgehöhlt, indem er mit dem
eigenen Pulver ausgeschliffen wird. In der gleichen
Methode wird dann die Oberfl äche bearbeitet
und verziert.
Dieses Doppeltintenfass ist aus einem transparenten
Bergkristallblock gearbeitet. Das Rohmaterial
ist von etwas geringerer Qualität als bei sonstigen,
in der Regel hochwertigen Stücken und
zeigt braune Flecken im Inneren. Die Beschädigungen
an den Kanten, insbesondere der Vertiefungen,
lassen vermuten, dass an diesen Stellen
ursprünglich ein Griff oder Deckel angebracht
war und das Objekt folglich mit einer metallenen
Teilfassung, wohl aus Gold oder Silber, versehen
war, die heute völlig verschwunden ist. Die Böden
der beiden Mulden für die Tinte sind ganz glatt
und enthalten nur wenige Kratzer. Vermutlich
waren sie auch in Metallblech gefasst.
Die Form und der Schnittdekor aus Palmetten
und Ranken, der sich vom abbasidischen Stuckdekor
in Samarra (Irak) ableitet, lassen nur eine
ungefähre Datierung in das späte 10. bis frühe
12. Jahrhundert zu. Die Herstellung von Objekten
aus Bergkristall scheint einen Einbruch erlitten
zu haben, als zwischen 1060 und 1062 der
fatimidische Kalif al-Mustansir (reg. 1036 – 1094)
gezwungen war, einen Großteil seiner Sammlung
zu verkaufen, um seine türkischen Truppen auszahlen
zu können. Die Überschwemmung des
Marktes und die nachlassende Nachfrage in der
Folgezeit mögen die Produktion von solchen
Kristallobjekten sukzessive zum Erliegen gebracht
zu haben.
Ein nahezu identisches Stück mit gleichen
Eintiefungen auf der Oberseite befi ndet sich im
Victoria and Albert Museum in London (No. Cat.
330 –1880). Obwohl im Jahr 1880 in Spanien
erworben, stammt es wohl – wie die übrigen, insgesamt
40 Objekte aus diesem Land – ursprünglich
nicht von dort, sondern wurde in der islamischen
Periode durch Händler oder Pilgerreisende
ins Heilige Land dorthin importiert. Auf diesem
Wege gelangten zahlreiche Bergkristall-Objekte
auch in fürstliche und kirchliche Sammlungen
Europas, wo sie als Reliquienbehälter
Verwendung fanden. FV
117

67
Krug mit kalligraphischem Dekor
118
Ägypten oder Syrien, Mitte 12. Jahrhundert, mit
fatimidischem Einfl uss
Quarzfritte, Lüsterdekor auf deckend weißer Glasur
Höhe 29 cm
AKM 00548
Publiziert: Riyadh 1985, 134 –135;
AKTC 2007a, 90 (Nr. 56); AKTC 2007b, 6
und 88 (Nr. 56); Makariou 2007, 186 –187 (Nr. 67);
AKTC 2008a, 128 –129, Nr. 43; AKTC 2009a,
116 –117; AKTC 2009b, 116 –117
Dieser Gefäßtypus mit eiförmigem Körper, kurzem
Hals und nach außen gewölbtem Rand ist eine
fatimidische, bis ins 12. und 13. Jahrhundert gebräuchliche
Keramikform. Gleichwohl handelt
es sich hier aufgrund der qualitativ hochwertigen
Ausführung und des hervorragenden Erhaltungszustands
um ein außergewöhnliches Stück. Technik
und Dekorstil ordnen es der Tell-Minis-
Keramik zu, benannt nach einer Ortschaft nahe
Ma³arrat an-Nu³man in Nordsyrien, wo 1957 eine
Gruppe von etwa hundert Stücken aufgefunden
worden sein soll. Einige dieser Stücke kaufte die
David Collection in Kopenhagen auf. Davon sei
ein Becher mit Flechtband und mehrblättrigen,
mit feinen eingeritzten Spiralen versehenen
Motiven genannt, ganz ähnlich dem Dekor dieses
Kruges (Makariou 2007, 197, Anm. 29). Diese
von Venetia Porter und Oliver Watson als »Tell
Minis« bezeichnete Ware besteht aus silikathal tiger
Keramik mit metallischem Lüsterdekor oder Unterglasurritzdekor
(Makariou 2007, 197, Anm. 30).
Funde zahlreicher ähnlicher Stücke in verschiedenen
Regionen Syriens (Damaskus, Hama) unterstützen
die These einer syrischen Produktion, die
stark vom fatimidischen Ägypten beeinfl usst war
und möglicherweise in die Mitte des 12. Jahrhunderts
datiert.
Tatsächlich sind drei Fragmente eines Bechers
im Athener Benaki Museum und ein in Fustat
ausgegrabenes Fragment im Kairener Museum für
Islamische Kunst in ähnlicher Technik hergestellt
und mit einer entsprechenden Inschrift verziert
(ibid. Anm. 31– 32). Es ist ein sehr spezieller Typ
der eckigen Schrift, bei dem die Hasten auf der
Hälfte mit einer Art Ausbuchtung oder »Ellbogen«
und unterhalb der Spaltung an ihren Enden mit
einer horizontalen Doppellinie versehen sind.
Im unteren Fries endet jede zweite Haste in einer
Halbpalmette. Dieser Schriftstil ist äußerst ungewöhnlich.
Neben den oben genannten Fragmenten
befi ndet sich diese Art von Hasten mit Ausbuchtung
auf zwei Fragmenten aus Fustat: eines
mit Lüsterdekor (ibid., Anm. 33), das andere mit
glasiertem Champlevé und auf einem von Porter
und Watson publizierten Becher sowie auf dem
sogenannten Kenotaph der Fada in Homs (Syrien),
das 664 H /1266 AD datiert (Herzfeld 1943,
68 – 70, fi g. 59 und 85). Diese Beispiele zeigen die
Schwierigkeit, die Produkte einem bestimmten
Zentrum zuzuordnen.
Die Inschriften stellen eine Reihe von Beschwörungsformeln
dar, die oft auf Objekten anzutreffen
sind. In den Medaillons stehen die Worte: baraka
wa / kamila wa / kafi ya bara[ka] / kafi ya wa (»Segen,
perfekter, vollständiger, Segen, perfekter«). Die
gleichen Worte stehen auf der Basis in anderer
Reihenfolge: baraka kamila kafi ya kafi ya kafi ya
kafi ya kamila kafi ya wa. CJ

68-76
Neun fatimidische Goldmünzen
Nordafrika und Ägypten, 10.–11. Jahrhundert
Gold
Unterschiedliche Abmessungen
AKM 00680
Publiziert: AKTC 2007a, 91 (Nr. 58); AKTC 2007b,
88 – 89 (Nr. 58); AKTC 2009a, 118; AKTC 2009b, 118
Fatimidische Münzen, in staatlichen Prägeanstalten
hergestellt, kommunizierten Macht und Prestige
des Kalifen an ein breites Publikum. Der hohe
Goldgehalt der Münzen, der die ganze Fatimidenperiode
hindurch beibehalten wurde, steht für
den fi nanziellen Wohlstand des Staates. Da sie mit
Namen und Titeln der fatimidischen Imam-Kalifen
beschriftet sind, lassen sie sich in der Regel genau
datieren. Die auf den Münzen erwähnten Prägestätten
und Ortsnamen dokumentieren die weite
geographische Verbreitung des fatimidischen
Herrschaftsgebiets. Hierdurch werden sie zu einer
wertvollen historischen Quelle. Münzen fatimidischer
Prägung sind bekannt für ihre grazile, elegante
Epigraphik und die unzähligen stilistischen
Variationen im Dessin. Ein Beispiel hierfür ist die
ungewöhnliche und unverwechselbare Gestaltung
einer in Palermo (Sizilien) geprägten Münze (Abb.
untere Reihe, Mitte). Wie um die kreisrunde Fläche
in ein sternförmiges Muster zu gliedern, sind die
mittigen Inschriften auf Vorder- und Rückseite segmentartig
aufgeteilt. AF
Die Münzen folgender fatimidischer Imam-Kalifen
sind hier abgebildet:
³Abdallah al-Mahdi bi-llah (reg. 909 – 934)
Al-Qa²im bi-amr Allah (reg. 934 – 946)
Al-Mansur bi-llah (reg. 946 – 953)
Al-Mu³izz li-Din Allah (reg. 953 – 975)
Al-³Aziz bi-llah (reg. 975 – 996)
Al-Hakim bi-amr Allah (reg. 996 – 1021)
Az-Zahir li-I³zaz Din Allah (reg. 1021–1036)
Al-Mustansir bi-llah (reg. 1036 –1094) (zwei Münzen)
119

120
Fatimidischer Schmuck
77-79 Drei emaillierte Anhänger aus Gold
Ägypten oder Syrien, 10.–11. Jahrhundert
Gold und Zellenemail (Cloisonné)
Länge 3,2 cm, 2,9 cm bzw. 2,6 cm
AKM 00594
Publiziert: AKTC 2007a, 91 (Nr. 63); AKTC 2007b,
91 (Nr. 63); AKTC 2008a, 134–135 (Nr. 46);
AKTC 2009a, 119; AKTC 2009b, 119
Exquisite Objekte wie Miniaturkoran-Behälter und
Schmuck, darunter Halsketten mit doppelkonischen
und kreisrunden Perlen, Anhänger und verschiedene
Ringe aus goldener Filigranarbeit und mit Granulat
verziert, wurden im fatimidischen Ägypten und
Großsyrien des 10. und 11. Jahrhunderts hergestellt.
Die Objekte in dieser Gruppe stellen die hervorragende
Kunstfertigkeit der Goldschmiede zur
Schau. Wie bei den gezeigten Anhängern (Kat. Nr.
77 – 79) zu sehen, war die Halbmondform (hilal)
besonders beliebt. Möglicherweise hingen an den
Ösen Halbedelsteine oder Perlen herab. Die Anhänger
sind in der typisch fatimidischen Drahtkonstruktion
aufgebaut, die mit Filigranarbeit und granulatverzierten
Stegen geschmückt ist. Die Ringe und die
doppelkonische Perle (Kat. Nr. 80 – 82, 83) zeigen
charakteristisch fatimidische Filigranarabesken und
Drahtschlaufen in Achterform mit Granulat. Filigranarbeiten
werden in Aussteuerlisten der Kairener
Geniza-Dokumente des 12. Jahrhunderts – einer
bedeutenden Quelle zur Erforschung des Mittelmeerraums
im Mittelalter – als muššabbak (»Gitterwerk«)
bezeichnet (Jenkins-Madina 1997, 419 – 420,
zitiert Goitein 1967– 83, Bd. 4, 211– 212).
Das Behältnis für einen Miniaturkoran (Kat. Nr. 85)
ist ein schönes Beispiel für granulierte Filigranarbeit
im fatimidischen Stil, es zeigt das handwerkliche
Geschick des Goldschmieds in den
unterschiedlichen Mustern auf den beiden Seiten.
Auf der Vorderseite sieht man ein dichtes Rankenmuster,
das sich zu einem Dekor aus Kreisen und
Dreiecken um ein zentrales Feld (mit fehlendem
Einsatz) formt. Die Rückseite hingegen ist mit
geometrischem Gitterwerk aus ineinandergreifenden
Sechsecken versehen. Der Behälter enthielt
wohl einen Miniaturkoran und wurde an zwei
Ösen (hier fehlt eine) um den Hals gehängt. In
ähnlicher Weise dürfte der getriebene Amulettbehälter
(Kat. Nr. 84) getragen worden sein. Das eingekerbte
Band und der Stil der Kufi -Inschrift sind
charakteristisch für die ägyptisch-fatimidischen
Metallarbeiten. Die Inschrift liest sich al-mulk lillah
(»Die Herrschaft ist Gottes«). Der Einfl uss
der fatimidischen Goldschmiedearbeiten war weitreichend:
Das dekorative Vokabular wurde später
von den Mamluken (1250 –1517) und in Spanien
von den Nasriden (1230 –1492) aufgegriffen. AF

80-82
Drei Filigranringe aus Gold
Ägypten, 10.–11. Jahrhundert
Gold
Höhe 3,4 cm, 2,5 cm bzw. 3,1 cm
AKM 00596; AKM 00595; AKM 00597
Publiziert: AKTC 2007a, 95 (Nr. 65); AKTC 2007b,
92 (Nr. 65); AKTC 2008a, 136 –137 (Nr. 48);
AKTC 2009a, 120; AKTC 2009b, 120
83
Bikonische Goldperle
Ägypten oder Syrien, 11. Jahrhundert
Gold
Höhe 2,9 cm; Länge 7,2 cm; Gewicht 18 Gramm
AKM 00618
Publiziert: AKTC 2007a, 95 (Nr. 64); AKTC 2007b,
92 (Nr. 64); AKTC 2008a, 136 –137 (Nr. 47);
AKTC 2009a, 121; AKTC 2009b, 121
84
Amulettbehältnis
Ägypten, 11.–12. Jahrhundert
Gold
4,2 x 3,7 cm
AKM 000599
85
Behältnis für einen Miniaturkoran
Ägypten, 11. Jahrhundert
Gold
Länge 4,7 cm
AKM 00598
Publiziert: AKTC 2007a, 95 (Nr. 65); AKTC 2007b,
92 – 93 (Nr. 66); AKTC 2009a, 121; AKTC 2009b, 121
121

86 Tiraz-Stoff
Tiraz bezeichnet beschriftete Textilien, wie bei-
Ägypten, spätes 10. – frühes 11. Jahrhundert spielsweise Ehrengewänder, die von Herrschern
Leinen, in Bildwirkerei gewebte Seide
ausgegeben wurden. Der Begriff kann sich sowohl
151 x 51 cm
auf das Inschriftenband auf dem Stoff beziehen als
AKM 00670
auch auf die staatlichen Werkstätten (dar at-tiraz),
Publiziert: AKTC 2007a, 93 (Nr. 62); AKTC 2007b, in denen dieser hergestellt wurde. Der hohe Stel-
91 (Nr. 62); AKTC 2009a, 122–123; AKTC 2009b, lenwert von Kleidung innerhalb des fatimidischen
122 –123
Hofzeremoniells ließ die Nachfrage nach neuer
Garderobe nicht abreißen. Der Kalif kleidete für
religiöse, zivile und militärische Zeremonien seinen
kompletten Hofstaat mit üppigen Gewändern
neu ein. Ägyptische Weber waren ununterbrochen
damit beschäftigt, gleichzeitig sowohl für die fatimidischen
als auch für die abbasidischen Kalifen
neue Tiraz-Gewänder zu produzieren. Nur wenige
122
davon haben sich vollständig erhalten. Der fragmentarische
Erhaltungszustand überlieferter Tiraz-
Textilien, wie das hier abgebildete Fragment, lässt
eine Rekonstruktion oder Funktionsbestimmung
kaum zu. Die Inschrift in blühendem Kufi enthält
Segenssprüche für den Propheten Muhammad
und den fatimidischen Imam-Kalifen al-Mu³izz
li-Din Allah (reg. 952 – 975).
Die arabische Inschrift auf dem Stoff lautet:
»Im Namen Gottes des Erbarmers, des Barmherzigen,
möge Gottes Segen über Muhammad, Siegel
der Propheten, und seiner Familie sein … von
Gott ... für den Diener Gottes und seines Gläubigen,
Ma³ad Abu Tamim, der Imam al-Mu[³izz]«
(Lesung: Abdullah Ghouchani). AF

87 Seidenbesticktes Leintuch mit Vögeln,
Hasen und menschlichen Gesichtern
Ägypten, 10.–11. Jahrhundert
Leinen, mit Indigo gefärbt, mit Stickerei aus Seide
und aus mit Golddraht ummantelter Seide
43 x 62 cm
AKM 00671
Publiziert: AKTC 2008a, 132 –133 (Nr. 45);
AKTC 2009a, 123; AKTC 2009b, 123
Dieses seidenbestickte Stoff-Fragment lässt sich
nicht in die bekannten stilistischen, chronologischen
und geographischen Grenzen in der islamischen
Kunstgeschichte einordnen. Der Untergrund
aus mit Indigo gefärbtem gewebtem Leinen
ist mit Seide und Golddraht (gewickelt um einen
Kern aus Seide) bestickt. Die Dekorelemente der
Stickerei enthalten einander gegenübergestellte
Vogelpaare, die ein menschliches Gesicht umrahmen,
schreitende Hasen und getupfte Rosetten.
Der goldumwickelte Seidenfaden erinnert an das
luxuriöse nasif (eine Abkürzung für den arabischen
Ausdruck nasif ad-dahab wa-l-harir, »Gewebe
aus Gold und Seide«) der arabischen Textilien,
die vor und während des Mittelalters nach den
mongolischen Invasionen im Iran und in Zentral-
asien gewebt wurden. Die Tatsache, dass in Ägypten
die Seiden- und Goldweberei aufblühte, mag
in dem kulturellen – manchmal auch kriegsbedingten
– Austausch mit dem Vorderen Orient
und Zentralasien begründet sein.
Tiere kommen auf mittelalterlichen ägyptischen
Textilien häufi g vor. Vor allem adossierte
und einander gegenüberstehende Tierpaare
haben eine lange Geschichte im alten Orient.
Allerdings ist die Darstellung eines menschlichen
Gesichtes ohne Körper ungewöhnlich. Leinenuntergrund
und fi gürlicher Dekor belegen eine
technische Verwandtschaft dieses kunstvoll gewobenen
Stückes mit ägyptisch-fatimidischen
und koptischen Textilien des 10. und 11. Jahrhunderts.
LA
123

© akg-images, Andrea Jemolo
Ägypten und Syrien Die Mamluken
Ladan Akbarnia
Kairo (Ägypten), Mausoleum des Barsbay
Nach Saladins Tod im Jahr 1193 brach unter
seinen Nachkommen ein Machtkampf um
die Nachfolge aus, der zur Teilung der Herrschaft
über Ägypten und Syrien führen sollte.
Paradoxerweise wurde der endgültige
Niedergang der Ayyubiden durch ein Mitglied
ihrer eigenen Elite-Militärsklaven, einen
mam lukischen Bogenträger namens Baibars
herbeigeführt. Die von 1250 bis 1516
anhaltende Herrschaft der Mamluken (arab.
für »Sklaven«) über Ägypten und Syrien war
unter zwei ethnischen Gruppen aufgeteilt:
den Bahri-Mamluken (»Mamluken der See«),
hauptsächliche kiptschakische Türken (1250 –
1390), und den Burji-Mamluken (»Mamluken
der Zitadelle«), die tscherkessischer Abstammung
waren (1382 –1516). Eine Besonderheit
der Mamluken war, dass sie niemals zu einer
wirklichen Dynastie wurden, da ihre Nachfolge
nicht auf Familienbanden beruhte,
sondern auf der Voraussetzung, als Sklave
(mamluk) geboren zu sein. Dies schloss eine
freie Herkunft der mamlukischen Sultane aus,
wobei es in der Praxis einige Ausnahmen
gab. Dieses antidynastische System prägte
jedenfalls eine Kunst und einen Architekturstil,
der den individualisierten Geschmack
vieler Mamluken und ihrer Erben widerspiegelt.
Anfangs führten die Mamluken den Stil
ihrer ayyubidischen Vorgänger weiter, die ihrerseits
wiederum Elemente aus der fatimidischen
Kunst und Architektur entlehnt hatten.
Die Mamluken waren bekannt für ihre
großen wohltätigen Stiftungen und Architekturanlagen,
welche ihnen die Propagierung
des sunnitischen Islam in einem Land
ermöglichten, das einst von dem heterodoxen
Schiismus der Fatimiden dominiert war.
Indem sie so viel wie möglich von dem Vermögen,
das sie ihr Leben lang zusammengetragen
hatten, an Stiftungen weitergaben und
ihre Nachkommen zu Verwaltern ernannten,
sicherten sie den Erhalt des Familienvermögens.
Die größten Bauwerke dieser Periode
waren überkuppelte Mausoleen, welche die
säkulare Macht der Mamluken unterstrichen
und die Individualität eines jeden Herrschers
verherrlichten. Die monumentalen Ausmaße
dieser Bauten, die mit massiven Kuppeln und
Minaretten prunkten, zeigen auch die Inspiration,
die von den östlichen Rivalen der Mamluken
im Iran und in Zentralasien ausging,
den ilkhanidischen Mongolen (1256 –1353)
und ihren Nachfolgern, den Timuriden
(1370 –1526). Baukomplexe wurden zusätzlich
mit Koranen, Moscheeampeln, Kerzenleuchtern
und anderen Gegenständen ausgestattet.
Die Objekte demonstrieren oft Rang
und Status ihrer Stifter. Beschriftete Embleme
waren dem Sultan vorbehalten, während
Wappen für die Amire oder Offi ziere standen
(Kat. Nr. 89 – 90). Kairo war die Hauptstadt
der Mamluken und wurde zu einem Anziehungspunkt
für Künstler und Handwerker,
die aus Mosul und anderen Teilen des Irak
und der iranischen Welt vor den Mongolen
gefl üchtet waren. Aus diesem Grund teilt die
mamlukische Kunst gewisse Merkmale mit
dem Kunstschaffen im Iran. Außerdem weist
sie Einfl üsse aus China auf, wohin Seehandelskontakte
bestanden, die sich in einem
Blauweiß-Keramikpaneel mit Architekturdarstellung
zeigen (Kat. Nr. 91). Auch zeigt
sie ein Bewusstsein der europäischen Vorlieben
für den exotischen Osten, wie an den für
den europäischen Markt hergestellten Albarelli
abzulesen ist (Kat. Nr. 95 – 97).
125

88 Kerzenleuchter
Ägypten oder Syrien, mamlukisch,
frühes 14. Jahrhundert
Messing, graviert, mit Niello und Silbertauschierung
Höhe 35 cm; max. Ø 31,5 cm
Inschrift (arabisch):
(Sockel) »Die hohe Autorität, der Herrscherliche,
der Besitzende, der Befl issene, der Führer, der
heilige Krieger, [Offi zier von] al-Malik an-Nasir«
(Schulter) »Die ehrenwerte Autorität, der Hohe,
der Herrscherliche, der Besitzende, der Gelehrte,
der Befl issene, der Gerechte, der Eroberer, der
heilige Krieger, der Verteidiger, [Offi zier von]
al-Malik al-Nasir«
(Basis) »Die ehrenwerte Autorität, der Hohe,
der Herrscherliche, der Besitzende, der Gelehrte,
der Befl issene, der heilige Krieger, [Offi zier von]
al-Malik an-Nasir«
(innen) (späterer osmanischer Besitzvermerk
in Form einer Tughra) »Für den armen Ahmad
ibn as-Sarim im Jahr 961 [1553-4 AD]«
AKM 00736
Publiziert: AKTC 2009a, 126 –127;
AKTC 2009b, 126 –127
126
Dank der aktiven Schirmherrschaft mamlukischer
Sultane und ihrer Offi ziere erreichte die mamlukische
Metallkunst vom späten 13. bis Mitte des
14. Jahrhunderts ihren absoluten Höhepunkt. Sie
zeichnet sich durch eine Blüte des fi gürlichen und
epigraphischen Stils aus (Atıl 1981, 51). Diese Periode
fällt in die relativ lange Herrschaft des Sultans
an-Nasir Muhammad (reg. 1293 –1341, mit
Unterbrechungen), eines äußerst begeisterungsfähigen
Mäzens von Kunst und Architektur. Der
hier gezeigte Kerzenleuchter wurde wahrscheinlich
für einen von an-Nasirs Offi zieren (sg. amir)
hergestellt, wie die Inschrift um Sockel, Schulter
und Hals nahelegt. Der dominierende Thuluth-
Duktus, die von den Mamluken bevorzugte
Schrift, bildete sich in dieser Periode heraus. Der
gekürzt konische Sockel wird unterteilt von einem
achtblättrigen, wirbelnden Rosettenmotiv. Obwohl
die Rosette kein Wappen darstellt, scheint
sie mit einigen Mamluken, darunter an-Nasir
Muhammad, in Verbindung gestanden zu haben.
Das Motiv ist sechsmal in einer sechsblättrigen
Form um den Hals wiederholt, eingefügt in bzw.
zwischen drei großen, mit Ranken gefüllten Kreisen
und umrahmt von einem abstrakten Muster
aus stilisierten, sich überlappenden Blättern. Die
größte Inschrift zieht sich an der Basis über einen
dicht mit spiralblättrigen Ranken gefüllten Grund;
sie ist jeweils oben und unten mit einem Grat begrenzt.
Eine Tughra im Sockel inneren zeigt, dass
das Stück Mitte des 15. Jahrhunderts, als Ägypten
und Syrien unter osmanische Kontrolle gerieten,
in den Besitz eines anderen ge langte, vielleicht
eines osmanischen Staats dieners. Ähnliche Kerzenleuchter
befi nden sich in der Sammlung des Musée
du Louvre, Paris (Inv. Nr. AO 5005) und im Museum
für Islamische Kunst, Kairo (Inv. Nr. 4043
und 3982). LA

127

89 Schale mit kalligraphischem Dekor Die silbertauschierte Inschrift auf dieser mamluki-
Ägypten oder Syrien, mamlukisch, erste Hälfte schen Messingschale lautet: »Der hohen Exzellenz,
des 14. Jahrhunderts
dem herrscherlichen, großartigen Offi zier, dem
Messing, silbertauschiert
Gelehrten, Gerechten, Heldenhaften, Unterstützer,
Ø 18 cm
Helfer, Glänzenden, der Stütze, dem Tadellosen,
AKM 00610
Verantwortlichen, dem [Offi zier] von al-Malik
Publiziert: AKTC 2007a, 182 (Nr. 158); AKTC 2007b, an-Nasir«. Dies ist eine typische formelhafte In-
185 (Nr. 158); Makariou 2007, 188 –189 (Nr. 68); schrift, die dem Besitzer des Objektes Ruhm und
AKTC 2008a, 292 – 293 (Nr. 117); AKTC 2009a, 128;
AKTC 2009b, 128
Glück verheißen sollte und die auf verschiedenen
128
Kunstgegenständen, von Keramikschalen über
emailliertes Glas bis hin zu Moscheeampeln,
vorkommt. Innen ist die Schale mit einer Sonnenscheibe
und sechs Fischen geschmückt. Wenn
man sie mit Wasser füllte, schienen Sonne und
Fische zu glänzen. Das Sonnenbildnis kann sowohl
als Symbol für den Herrscher und seinen
Reichtum als auch als Lebensspender angesehen
werden. AF

90 Sternförmige Plakette mit Wappen
Die Verwendung von Wappen fi ndet man in der
Ägypten, mamlukisch, 1470er-Jahre
islamischen Welt nur bei den Mamluken (1250 –
Elfenbein, Holz und Metall in Intarsientechnik 1516), deren gesellschaftlicher Status nicht ver-
Ø 22 cm
erbbar war. Illustrierte Wappen mit offi ziellen
Inschrift (arabisch):
Symbolen, wie Kelch oder Serviette, zeigten den
(Mitte) as-sultan al-malik al-ašraf (»Der Sultan al- Rang des Offi ziers an, der als Mundschenk bzw.
Malik al-Ashraf«)
als Kammerherr diente. Beschriftete Embleme
(darunter bzw. darüber, obere Inschrift auf dem waren Herrschern und Fürsten vorbehalten, auch
Kopf stehend) ³azza nasruhu (»Mächtig sei
wenn sonstige Kompositwappen durchaus vor-
sein Sieg«)
kamen (siehe Mayer 1933 und Meinecke 1974).
AKM 00703
Obwohl mehrere Mamlukensultane den Beinamen
Publiziert: AKTC 2008b, Nr. 9; AKTC 2009a, 129; »al-Malik al-Ashraf« trugen, ist es sehr wahrschein-
AKTC 2009b, 129
lich, dass diese Plakette sich auf Sultan Qa²itbay
(reg. 1468 –1496) bezieht, einen Herrscher, der
eine Wiederbelebung der Künste in Kairo bewirkte.
Form und Stil des sternförmigen Architektur-
schmucks ähnelt anderen geschnitzten Türplaketten
aus Elfenbein, die während der Herrschaft
Qa²itbays hergestellt wurden und von denen sich
ein mit seinem Namen beschriftetes Exemplar im
Museum für Islamische Kunst in Kairo befi ndet
(Atıl 1981, 210 [Nr. 105, Inv. Nr. 2334]). Jene
Plakette wird um 1470 datiert, etwa zur Bauzeit
von Qa²itbays Grabkomplex im Nordfriedhof von
Kairo (1472 – 1479). Das beschriftete Wappen des
Sultans fi ndet sich über den gesamten Komplex
ver teilt, und es ist gut möglich, dass beide Plaketten
für ebenjenes Mausoleum oder ein anderes von ihm
in Auftrag gegebenes Bauwerk vorgesehen waren.
Das hier ausgestellte Abzeichen befand sich ehemals
in der Sammlung von Ernst und Marthe Kofler-Truniger
in Luzern (Inv. Nr. K 493 H / 1 CE). LA
129

91 Schmuckfl iese mit Architekturdarstellung Der blau-weiße Dekor dieser Fliese ist bezeich-
Syrien oder Ägypten, 15. Jahrhundert
nend für die Keramikproduktion am Ende der
Quarzfritte, Malerei unter transparenter Glasur Mamlukenperiode, die von chinesischem Porzellan
20 x 20 cm
inspiriert war. Manche Stücke sind detailgetreue
AKM 00570
Nachbildungen von chinesischen Vorbildern,
Publiziert: Makariou 2007, 88, 92 – 93 (Nr. 29); wohingegen andere, wie dieses Beispiel, ursprüng-
AKTC 2009a, 130; AKTC 2009b, 130
lichere und reizvolle Kompositionen aufweisen.
Der Dekor ist symmetrisch gestaltet, ohne steif
zu wirken. Das zweigeschossige Bauwerk mit
Zwiebelhaube in der Mitte und die zwei fl ankierenden
Pavillons (oder Tore) heben sich vor einer
Landschaft mit gewundenen Sträuchern ab, die in
breiten Blättern auslaufen. Die unterschiedlichen
Proportionen, die schiefen Horizontalen und die
welligen Linien suggerieren eine spontane Skizze
aus der freien Hand, die der Komposition eine
fast naive, gleichzeitig aber auch sehr lebendige
Nuance verleihen. Könnte es ein religiöser Bau
sein, eine Moschee oder ein Mausoleum – die
gotischen Bögen der beiden Pavillons erinnern
an eine bestimmte Form von Grabsteinen – oder
ein Palast, ein Vergnügungspavillon inmitten eines
Gartens? Bilder von üppigen Obstgärten in der
Oase von Damaskus und Architekturlandschaften
in den Mosaiken in der Großen Moschee der Umayyaden
werden heraufbeschworen.
Zwei Fliesen unbekannter Herkunft im Museum
für Islamische Kunst in Kairo zeigen die gleiche
dreigeteilte Architektur mit hoch aufragenden
130
Kuppeln inmitten einer Pfl anzenwelt. Eine der
Fliesen scheint beschnitten worden zu sein, um sie
in eine Garnitur hexagonaler Fliesen einzufügen.
Die andere viereckige Fliese hat ungefähr die gleichen
Abmessungen. Es gibt weitere Gemeinsamkeiten
wie etwa das diagonale Band, das etwas
seltsam die Fassade des zentralen Gebäudes bedeckt,
oder die von je zwei dreieckigen Blättern
eingerahmte Kuppel und die Gitterfenster, die an
eine mašrabiyya erinnern. Im Mauerwerk des
Qal³i-Minaretts in Damaskus, datiert um 1470,
befi ndet sich eine weitere Fliese mit Architekturdarstellung.
Sie ist weit oben angebracht und
kaum zu sehen, scheint aber mit einer Moschee
bemalt zu sein (ein überkuppelter Bau mit Halbmond
bekrönt und von einem Minarett fl ankiert).
Das Sujet dieser Fliese fi ndet man auf einer blauweiß
verzierten Flasche, die als Iznik-Produktion
des späten 15. Jahrhunderts gilt und – absolut
einmalig – einen Dekor aus Pavillons vor einer
Landschaft zur Schau stellt. In den Details der
Architektur- und der Pfl anzendarstellung unter-
scheiden sich die beiden Stücke jedoch.
Architekturdarstellungen wie auf dieser Fliese
gab es schon früher. Man weiß um eine kleine Gruppe
von emaillierten und vergoldeten Gläsern aus
der zweiten Hälfte des 13. bis in das 14. Jahr hundert.
Eine Flasche aus dieser Gruppe datiert so gar
in die Zeit der Ayyubidenherrschaft (1171–1260). CJ

92 Hexagonale Fliese mit fl oralem Motiv Unter den Mamluken (1250 –1517) waren Damas-
Ägypten oder Syrien, mamlukisch, 15. Jahrhundert kus in Syrien und Kairo in Ägypten die wichtigsten
Quarzfritte, Unterglasurmalerei in Kobaltblau, Zentren der Keramikherstellung. In beiden Regio-
Schwarz und Aubergine
nen hielten zwischen dem 13. und 16. Jahrhun-
19,4 x 17 cm
dert einige neue Stile und Techniken Einzug. Die
AKM 00581
augenfälligste Innovation in der Ästhetik mamlu-
Publiziert: AKTC 2009a, 131; AKTC 2009b, 131
kischer Keramik bestand in der Übernahme chinesischer
Gestaltungsprinzipien. So imitierte man
mit Blauweiß-Unterglasurmalerei und seladongrünen
Glasuren Porzellan und Seladonwaren
aus China. In Syrien scheint sich die Technik der
Unterglasurmalerei stärker verbreitet zu haben
(Fehérvári 2000, 246). Ebenfalls übernahm man
chinesische Motive wie Lotusblüten und Pfi ngstrosen.
Da sich diese Neuerungen über das gesamte
mamlukisch dominierte Gebiet verbreiteten,
sind die verschiedenen Waren nur schwer bestimmten
Regionen zuzuordnen. Die Vorliebe für
Fernöstliches mag sich über direkte Kontakte zwischen
den Mamluken und China und / oder auf
dem Landweg über den Iran »gefi ltert« entwickelt
haben. Der chinesisch inspirierte Khitai-Stil war
im Iran vorherrschend, vor allem seit der Ilkhan-
Periode (1256 –1353).
Auf der hier gezeigten Fliese sieht man eine
stilisierte Lotusblüte in der Mitte, von der aus sich
fünf kobaltblaue Blütenzweige zu einem auberginefarben
ausgekehlten und schwarz abgegrenzten
Rand hin verzweigen. Hexagonale Fliesen dieser
Größe mit ähnlichen und abgewandelten
Motiven befi nden sich unter anderem im Tareq
Rajab Museum in Kuwait (Fehérvári 2000,
250 – 251 [Nr. 311, CER1728TSR]) und in der
David Collection in Kopenhagen (von Folsach
2001, 165 [Nr. 203]). Die Fliesen in diesen Sammlungen
zeigen eine etwas andere Farbzusammenstellung.
Statt Auber gine wie in der hier gezeigten
Fliese enthalten sie Türkis. Géza Fehérvári datiert
jene Fliesen in das 15. Jahrhundert, bekräftigt jedoch
John Carswells Schlussfolgerung, dass ein
Produktionsort noch nicht gesichert sei (Fehérvári
2000, 251 und Carswell 1972, 75). LA
131

93 Gerät für den Aderlass
Badi³ az-Zaman ibn ar-Razzaz al-Jazari schrieb im
Blatt aus einer illustrierten Handschrift von
Jahr 1206 seine Abhandlung über mechanische
al-Fazaris Kitab fi Ma³rifat al-hiyal al-handasiyya Geräte für den artuqidischen Sultan Nasir ad-Din
(»Das Buch des Wissens von sinnreichen
Muhammad (reg. 1201–1222), der eine große Fas-
mechanischen Vorrichtungen«), auch bekannt zination für mechanische Geräte hegte. Das Buch,
als Automata
oft kopiert und im gesamten Nahen Osten weit
Kopiert von Muhammad ibn Ahmad al-Izmiri verbreitet, enthält Beschreibungen und Darstellun-
Ägypten, mamlukisch, datiert Safar
gen von Apparaten, die al-Jazari entwickelt hatte.
755 H / Februar-März 1354 AD
Im dritten Abschnitt seines Werkes beschreibt er
Tinte, Gouache und Gold auf Papier
verschiedene Geräte zum Messen der austreten-
39,3 x 27,2 cm
den Blutmenge beim Aderlass. Ihr Erfi nder zeigt
AKM 00011
damit, dass er sich als Gelehrter in der Tradition
Publiziert: Blochet 1929, pl. 36; Welch 1972a, der griechischen mechanopoioi (»Maschinenkons-
28 – 32; Welch – Welch 1982, 24 – 26 (Nr. 3);
trukteure«) sah, da sie im Rückgriff auf die anti-
AKTC 2008a, 198 –199 (Nr. 75); AKTC 2009a, ken Traditionen der Mechanik entwickelt wurden
132 –133; AKTC 2009b, 132 –133.
(Müller-Wiener, in Vorber.). Das hier vorliegende
Vgl. auch Sezgin 2003
Blatt entspricht dem siebten Bild des entsprechenden
Abschnitts (Wiedemann 1918, 1617–1623;
Sezgin 2003, 35). Es ist die »Schale des Rechners
für den Aderlasser«. Hierbei handelt sich um eine
Vorrichtung aus Messing – auf dem Bild in Gold
wiedergegeben. Auf dem etwa eine Handspanne
hohen Fuß ruht eine Schale, die mittig an der
tiefsten Stelle mit einer verschließbaren Öffnung
versehen ist. Ein nach links unten gerichteter
Abfl uss leitet die Flüssigkeit in einen Zylinder, in
den ein Schwimm körper eingelassen ist. Dieser
wiederum ist über einen Faden mit einem Gegengewicht
außerhalb des Zylinders verbunden. Die
eintretende Flüssigkeit lässt den Schwimmer aufsteigen,
wodurch das Gegengewicht absinkt und
so die Menge des abgezapften Blutes anzeigt. Der
Faden, der Schwimmer und Gewicht miteinander
verbindet, verläuft über mehrere Umlenkrollen im
oberen Teil des Gerätes. Auf diesem viereckigen,
mit roten Zinnen geschmücktem »Podium«, das
auf vier Säulen ruht, sitzen die beiden »Schrei-
132
ber«. Der linke Schreiber hält einen Messingstab
in der Hand, der am oberen Ende abgeplattet ist
und deshalb einer Schreibtafel gleicht. Dieser
Stab ist durch eine der Säulen geführt und mit
dem Schwimmer verbunden, der ihn mit steigender
Blutmenge hochschiebt und sie auf der
Schreibtafel in 10 Dirham großen Einheiten (entspricht
etwa einer Unze), bis zur Höchstmenge
von 120 Dirham anzeigt. Der zweite Schreiber
sitzt genau mittig über einer großen roten Spule
und dreht sich mit dieser beim Einfüllen der Flüssigkeit
um seine eigene Achse. Dabei zeigt auch
er mit einem Stab in seiner Hand die Menge der
ausgetretenen Flüssigkeit auf einer Skala an. Der
größer dargestellte »Rechner« sitzt inmitten einer
halbrunden zinnengeschmückten Nische. Mit
der linken Hand umfasst er seinen Bart. Sobald
10 Dirham Blut in die Schale gefl ossen sind, zieht
er seinen rechten Arm hervor und stützt ihn auf
das Gesims. Dies geschieht jedes Mal, sobald weitere
10 Dirham Blut eingefl ossen sind, wobei er
jeweils einen Finger mehr hebt. VD
Das Blatt stammt aus einer ägyptischen, auf
Februar– März 1354 datierten Kopie, die für den
mamlukischen Offi zier Nasir ad-Din Muhammad
ibn Tulak al-Hasani al-Maliki as-Salihi während
der zweiten Regierungszeit von Sultan Hasan
(1354 – 1361) gefertigt wurde. Die arabische Beschreibung
am Anfang der Seite lautet: »Und ich
stelle die Form des Beckens, des Ständers und der
Zylinder dar« (Lesung: Abdullah Ghouchani).
Während sich der Großteil der erhaltenen Blätter
dieses Kodex, darunter sein Kolophon, in der
Süleymaniya-Bibliothek in Istanbul befi ndet
(Aya Sofya 3606), sind einige der Originalillustrationen
immer noch verstreut. LA

133

94 Mosaikbögen
Früheste Steininkrustationen dieser Art befi nden
Ägypten, mamlukisch, 15.–16. Jahrhundert (?) sich im Dekor des 1284-5 in Kairo erbauten Mau-
Mosaik aus Marmor und farbigen Steinen
soleums des Sultans Qala²un. Während der gesam-
Länge 223,5 cm
ten Herrschaft der Mamluken wurden Steinmosa-
AKM 00571
ike sowohl in Privathäusern als auch in religiösen
Publiziert: Makariou 2007, 94 – 95 (Nr. 30);
Bauwerken verwendet, beispielsweise in der Mo-
AKTC 2009a, 133; AKTC 2009b, 133
schee des Altunbugha al-Maridani (1339) oder im
Mausoleum von Sultan Barsbay (1432). Auch unter
der nachfolgenden Herrschaft der Osmanen
blieb diese Form des Baudekors in Ägypten weit
verbreitet. Das hier ausgestellte Paneel sowie eine
Brunnendekoration in Privatbesitz stammen wahrscheinlich
aus einem Palast, der in die Regierungszeit
Qa²itbays (1468 – 1496) datiert. Die architektonische
Form des Dreipassbogens fi ndet sich in
einer Reihe von Bauten aus dem Ende der Mamlukenzeit.
Im 15. Jahrhundert wurde sie oft in
Loggien verwendet oder in der innerhäuslichen
Wandgestaltung des maq³ad, eines Empfangsraums
in Residenzen wohlhabender Kairener. Jedoch geben
die wenigen überlieferten Stücke mit ihrem
perpetuierenden Muster kaum Anhaltspunkte für
eine genaue Datierung.
134
Die geometrischen, in den äußeren Zwickeln verknoteten
Bänder kommen in mehreren Bauten
vor, darunter die Maridani Moschee oder die Moschee
des Emirs Husain ibn Haidarbak ar-Rumi
(1319-20) in Kairo. Das Motiv des Sterns innerhalb
eines Hexagons war weit verbreitet und ist
deshalb kein verlässliches Kriterium für eine Datierung.
Was die länglichen, zugespitzten Elemente
um die Spitzbögen anbelangt, so befi nden sich
diese auch auf einem heute noch in der Empfangshalle
(qa³a) des ³Uthman Katkhuda in Kairo
erhaltenen Brunnenbecken, das in das 15. Jahrhundert
datiert. Auch später kommt dieses Motiv
vor. So ist es auf einem Exponat aus dem 17. Jahrhundert
im Victoria and Albert Museum, London
zu sehen. In der Manzil Suhaimi in Kairo fi ndet
man das gleiche geometrische Knotenband in den
Zwickeln. Diese Art von Baudekor mit aufwändigen
und kostspieligen Mustern mit faszinierenden
Variationen wurde zu einem unverzichtbaren
Element in Empfangsräumen der urbanen Elite.
Hier traf man sich zu Festen und lauschte der
Musik und dem Plätschern der Springbrunnen. CJ

135

95-97 Drei Albarelli
95
96
136
Syrien, 15. Jahrhundert
Quarzfritte, blaue und schwarze Unterglasurmalerei
Höhe 95: 30,7 cm ; 96: 30,7 cm ; 97: 31,7 cm
AKM 00567 (95), AKM 00568 (96), AKM 00569 (97)
Publiziert 95: AKTC 2007a, 133 (Nr. 101b);
AKTC 2007b, 136 (Nr. 101b); Makariou 2007,
26 – 27 (Nr. 2); AKTC 2009a, 134 –135;
AKTC 2009b, 134 –135
Publiziert 96: AKTC 2007a, 133 (Nr. 101);
AKTC 2007b, 136 (Nr. 101); Makariou 2007,
190 –191 (Nr. 69); AKTC 2008a, 204 – 205 (Nr. 78);
AKTC 2009a, 134 –135; AKTC 2009b, 134 –135
Publiziert 97: AKTC 2007a, 133 (Nr. 101a);
AKTC 2007b, 136 (Nr. 101a); Makariou 2007,
26 – 27 (Nr. 2); AKTC 2009a, 134–135;
AKTC 2009b, 134 –135
Albarelli kamen wahrscheinlich im 11. und
12. Jahrhundert im Iran auf und verbreiteten
sich von dort aus über den gesamten Nahen Osten.
Die elegante, konkav geformte Kontur wurde ab
dem Ende des 12. Jahrhunderts in Syrien schnell
übernommen. Man geht davon aus, dass sie zur
Aufbewahrung von Arzneimitteln oder Duftstoffen
dienten und mit ihrem Inhalt exportiert
wurden – vor allem nach Europa. Verschiedene
französische, spanische und italienische Inventarlisten
aus dem 14. und 15. Jahrhundert erwähnen
Keramikobjekte »aus Damaskus«. Aus Archivmaterial
der Medici lässt sich schließen, dass es
im damaligen Florenz albaregli damaschini gab.
Die beiden Albarelli mit den Lilienwappen
stammen offensichtlich aus derselben Werkstatt
(Kat. Nr. 95 und 96). Sie sind gleich groß, haben
einen ähnlich konkav geformten zylindrischen
Körper, eine horizontale Schulter und einen breiten,
sich nach oben verjüngenden Hals, der in einem
verdickten Rand endet, sowie eine sehr ähnliche
kobaltblaue Bemalung unter transparenter
Glasur. Sie sind vollständig in Register unterteilt,
die sich durch horizontale Doppellinien voneinander
absetzen. Mit Rosetten, Lotusblüten und kleinen
gebogenen oder gezahnten Blättern bestücktes
Rankenwerk füllt die Flächen aus. Im breiteren
Mittelregister wechseln sich Schwertlilienwappen
mit großen eingerollten Ranken ab, die sich auf
dem einen Albarello um eine große Blüte und auf
dem anderen um einen Kranich winden.
Zwei ähnliche Albarelli mit dem gleichen
Wappen standen vor kurzem in London zum Verkauf.
Ein weiterer Albarello im Musée des Arts
Décoratifs in Paris zeigt ein sehr ähnliches Dessin,
in dem sich Lilienwappen und fl iegende Kraniche
abwechseln. Diese fünf Wappen-Albarelli bilden
eine einheitliche Gruppe. Die charakteristische
Form der Lilie mit zwei Blütenstängeln, die zwischen
den Lanzettblättern hervorwachsen, wurde
mit dem Florentiner Wappen assoziiert. Die
Zuordnung ist verlockend, jedoch erscheint eine
stilistische Adaption durch einen orientalischen
Töpfer, dem die Beibehaltung seines ornamentalen
Repertoires wichtig erschien, naheliegender. Italienische
Händler – vor allem die aus Florenz – verkehrten
in Kairo, Damaskus und Beirut. Gut
möglich, dass einer von ihnen dort eine Garnitur
Albarelli für eine Florentiner Apotheke bestellte.
Als Wappensymbol gehörten Lilien durchaus
zum islamischen Repertoire. Einige Mamlukensultane
und -offi ziere verwendeten sie bis ins 15. Jahrhundert.
Bemerkenswert ist die Verbreitung des
Motives vor allem in Syrien im Baudekor. Eine
den Albarelli erstaunlich ähnliche Version, jedoch
ohne die herauswachsenden Blütenstängel, zeigt
der Marmordekor des Maristan Nuri in Damaskus.
Er gehört zu den Verschönerungen, die Sultan
Qala²un, der die Lilie in seinem Wappen trug,
1283 ausführen ließ, nachdem er in diesem Krankenhaus
behandelt worden war. Gerne möchte
man eine Verbindung zwischen diesen Albarelli
und dem im 15. Jahr hundert noch hoch angesehenen
Nuri-Hospital in Damaskus sehen. Ein etwas
anders aufgebautes, ins 14. Jahrhundert datierendes
Gefäß mit Lilienwappen wurde laut seiner
Inschrift für ebendiesen Maristan Nuri hergestellt
und enthielt vermutlich eine Substanz auf Wasserlilienbasis.
Das charakteristische Motiv fi ndet man
auch auf syrischen Pilgerfl aschen mit Modeldekor
des späten 13. oder 14. Jahrhunderts. Wappen in
Schildform hingegen waren bei den Mamluken
unüblich. Sie bevorzugten kreisrunde oder mandelförmige
Medaillons. Wappenschilde kommen
lediglich auf mamlukischen tauschierten Metallobjekten
vor, die für den europäischen Markt bestimmt
waren. Bei diesen wurde der Schild sogar
manchmal frei gelassen, damit der spätere Besitzer
sein Wappenmotiv eingravieren lassen konnte.
Albarelli gehörten zum Repertoire chinesisch
beeinfl usster Blauweiß-Keramiken, die sich wahrscheinlich
seit dem späten 14. Jahrhundert sowohl
in Syrien als auch in Ägypten unter dem Einfl uss
des hauptsächlich importierten Yuan-Porzellans
entwickelten. Eine kleine Blauweiß-Schale mit
weißem Pfl anzendekor im Louvre, die unterseitig
den Vermerk »hergestellt in Damaskus« trägt, ist
ein Beispiel für die syrische Produktion. Fragmente
mit Pfl anzenmotiven, die denen auf den beiden
»Lilien-Albarelli« sehr ähnlich sind, wurden in
Damaskus am Bab Sharqi gefunden. Dort am östlichen
Stadttor befanden sich im Mittelalter die
Töpferwerkstätten. Auch im ägyptischen Fustat
wurde eine beträchtliche Menge an Blauweiß-
Fragmenten ausgegraben, manchmal mit zusätzlichem
Schwarz und oft mit Signaturen der Töpfer.
Chinesisch beeinfl usste Blauweiß-Fliesen fi ndet
man auch unter syrischen, ägyptischen und anatolischen
Wandfl iesen. Sie stammen aus Bauwerken,
die zwischen 1425 und dem Ende des 15. Jahrhunderts
datieren und so eine zeitliche Einordnung
der Blauweiß-Keramik ermöglichen.
Bemerkenswert ist der zusätzliche schwarze
Dekor auf dem kalligraphisch verzierten Albarello
(Kat. Nr. 97). Keramik mit diesem Farbschema
wurde im Iran während der Zeit der Ilkhane
(1256 –1353) hergestellt und war gleichfalls vom
chinesischen Blauweiß-Porzellan beeinfl usst. Der
Zusatz von Schwarz scheint jedoch eine iranische
Variante gewesen zu sein, die man auf zahlreichen
Keramikobjekten und im Architekturdekor einiger
ilkhanidischer Gräber in Yazd fi ndet. Die
engen Kontakte (sowohl kriegerischer als auch
diplomatischer Art) zwischen Mamluken und
Ilkhanen legen nahe, dass chinesische Inspirationen
auch »ilkhanidisch fi ltriert« aufgenommen
wurden.
Dieser dritte Albarello ist mit einer monumentalen
schwarz und blau gemalten Thuluth-
Inschrift bedeckt. Die Schrift mit den langen,
schmalen Hasten hebt sich vor einem Rankenwerk
ab, das spärlicher ausfällt als bei den oben
beschriebenen Wappen-Albarelli. Ein vergleichbares
Stück befi ndet sich im Keramikmuseum in
Sèvres. Dieses ist gedrungener geformt, nur blauweiß
bemalt, aber mit der gleichen Schriftart verziert,
die mit ihren langgestreckten Hasten die
vertikale Form des Gefäßes betont. Der Inhalt
des Textes, von L. Kalus gelesen, thematisiert
Impotenz und Erektion und steht zweifellos mit
dem pharmazeutischen Inhalt des Albarello in
Zusammenhang. CJ / LA

97
137

138

© akg-images, Gérard Degeorge
Anatolien und die Osmanen
Sheila Canby
Istanbul (Türkei), Süleymaniye-Moschee
Das folgende Kapitel behandelt überwiegend
Objekte aus dem 16. bis 18. Jahrhundert,
einer Periode großer und mächtiger
Dynastien, die den Mittleren Osten, Nordafrika
und Indien beherrschten. Die als »Gunpowder
Empires« bezeichneten Reiche der
Osmanen (1299 –1924), Safawiden (1501–
1722) und Mo guln (1526 –1858) bestanden
in einer Zeit der zunehmenden Globalisierung
des Handels zwischen Europa, Asien
und Afrika bis hin zum amerikanischen Doppelkontinent.
Die durch Handel und militärische
Eroberungen angehäuften Reichtümer
machten die Sultane und Schahs dieser Zeit
zu Mäzenen, welche ganz unmittelbar individuelle
Kunststile in der Architektur, im Dekor
und in der Malerei als Zeugnisse ihrer
Herrschaft förderten.
Die Osmanen eroberten 1453 die vormals
byzantinische Hauptstadt Konstantinopel; im
darauf folgenden 16. Jahrhundert forcierten
die Sultane die Entwicklung eines eigenen
imperial-osmanischen Kunststils. So setzte
sich in der Textil- und Keramikproduktion
ein nicht-fi guraler Dekor auf der Basis fl oraler
und vegetabiler Motive durch (Kat. Nr.
101–105). Anders als im Iran, wo man gerne
Gedichte und Epen mit Illustrationen versah,
bevorzugten die Osmanen für diese Kunstform
Handschriften historischen Inhalts, in
denen sie ihre eigene Geschichte und die der
Propheten festhielten. Der Außenhandel und
die Ausdehnung des Osmanischen Reiches,
welches Arabien, die Levante, Teile Osteuropas
und Ägypten umfasste, bewirkten stilistische
Änderungen in der Malerei, Architektur
und Keramik. Gleichwohl blieben in sämtlichen
osmanisch kontrollierten Gebieten regional
charakteristische Kunst- und Architekturformen
weiterhin präsent.
In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts
entwickelte sich in der osmanischen Porträtmalerei
eine eigene Ikonographie. Die Sultansporträts
(Kat. Nr. 98 –100) zeigen den
Herrscher mit ausschließlich ihm zugeordneten
Attributen als eine Figur, welche ihre Umgebung
dominiert. Alben mit Porträtserien
osmanischer Sultane wurden in deutlich höherer
Stückzahl hergestellt als bei den Safawiden,
Mongolen und Usbeken, allesamt Dynastien,
die im 16. Jahrhundert an die Macht
gelangt waren. Allen gemeinsam war die Absicht,
den Herrscher als majestätisch, gebildet
und mächtig darzustellen, wenn auch an
den verschiedenen Höfen charakteristisch
aus differenzierte Kunststile entstanden.
139

98 Porträt Sultan Selims II.
Haidar Reis Nigari (1494–1572) zugeschrieben
Türkei, Istanbul, circa 1570
Tinte, Gouache und Gold auf Papier
44,2 x 31,2 cm
Spätere Inschriften auf den beiden Fenstern
am oberen Bildrand:
(rechts) sultan
(links) [ya] kabikaj (Ausruf als Abwehr gegen
den Bücherwurm)
AKM 00219
Publiziert: Canby 1998, 97– 99 (Nr. 70); Carboni
2006, 142 und 297; Carboni 2007, 142 und 297;
AKTC 2007a, 98 – 99 (Nr. 68); AKTC 2007b, 94 und
96 (Nr. 68); AKTC 2008a, 138, 140 –141 (Nr. 50);
AKTC 2009a, 138; AKTC 2009b, 138
140
Dieses großformatige Albumporträt von Sultan
Selim II. (reg. 1566 –1574) verrät viel über seine
Herrschaft. Es war Selims Vater, Sultan Süleyman
der Prächtige (reg. 1520 –1566), der die Grenzen
des Osmanischen Reiches festigte und das Verwaltungssystem
seiner Regierung durchorganisierte.
So konnte sein Sohn – wie hier dargestellt – eher
im Sitzen auszuübenden Vergnügungen, wie der
Literatur, der Kunst sowie dem Weingenuss frönen.
Auch wenn letztgenannte Passion ihm den
Beinamen »Selim der Säufer« einbrachte, so war
er doch ein großer Liebhaber und Mäzen von
Architektur, Musik und Buchkunst. Der Maler,
Dichter und Marinekommandant Haidar Reis
stellte Selim II. überlebensgroß dar: Der korpulente
Sultan ist mit einem luxuriösen, fellgefütterten
und in Goldbrokat gefassten Gewand bekleidet.
Er hockt, ein Schälchen Wein in seiner
Rechten, im Schneidersitz auf einem Teppich.
Seine massige, bildfüllende Gestalt lässt nicht nur
den Pagen im Hintergrund, sondern das gesamte
Interieur klein erscheinen. Diese Art der Bildkomposition
folgt den Konventionen osmanischer
Herrscherporträts, die in den 1570er-Jahren entwickelt
wurden. Sie ähnelt Porträts in Luqmans
Qiyafat al-insaniyya fi šama²il al-³uvmaniyya, einer
Studie, welche die Physiognomien osmanischer
Sultane darstellt. AF

99 Ein osmanischer Beamter
Türkei, Istanbul, circa 1650
Tinte, Gouache und Gold auf Papier
Blatt: 29 x 17,9 cm; Bild: 22,3 x 13 cm
AKM 00217
Publiziert: Welch – Welch 1982, 36 – 38 (Nr. 8);
AKTC 2009a, 139; AKTC 2009b, 139
Dieses Porträt zeigt einen großen, graubärtigen
Höfl ing mit einem fl iederfarbenen, knollenförmigen
Turban, aufrecht stehend in einer fellbesetzten
und goldbestickten, dunkelorangefarbenen
Robe. Unter seinem linken Arm hält er ein blaues,
goldgeprägtes Manuskript, vielleicht einen Diwan.
Seine erhabene Haltung, der ernste Gesichtsaus-
druck und die in dozierender Geste erhobene
rechte Hand suggerieren, dass es sich um eine
Person in gehobener Stellung, vielleicht einen
Hofbeamten handelt. Das Porträtbild befand
sich einst in einem Album und datiert möglicherweise
in die Regierungszeit von Sultan Mehmet IV.
(reg. 1648 –1687). LA
141

100 Porträt Sultan Selims III.
142
Türkei, Istanbul, circa 1805
Tinte, Gouache und Gold auf Papier
54,1 x 40,5 cm
AKM 00220
Publiziert: Canby, 1998, 103 (Nr. 75); AKTC 2007a,
99 (Nr. 69); AKTC 2007b, 96 – 97 (Nr. 69);
AKTC 2008a, 144 –145 (Nr. 52); AKTC 2009a,
140 –141; AKTC 2009b, 140–141
Königliche Porträtreihen, zu Alben gebunden,
waren für osmanische Sultane ein wichtiges Medium,
um ihre Abstammung und ihre Staatskunst
zu dokumentieren. Die Bildnisse von Selim II.
(Kat. Nr. 98) und Selim III. (reg. 1789 –1807) sind
beredte Beispiele dieser altehrwürdigen Tradition.
Diese Darstellung von Selim III. repräsentiert eine
jüngere Form von osmanischen Herrscherporträts.
Sie zeigt den tief greifenden Einfl uss der europäischen,
vor allem der französischen Malerei
auf die osmanische Kunst des 19. Jahrhunderts.
Das Bild ist innerhalb eines Ovalmedaillons in
einem hochrechteckigen, gold ornamentierten
Rahmen präsentiert. Bemerkenswert ist die plastische
Darstellung der Figur des Sultans, die mit
Schattierungen in Grau-, Blau- und Goldtönen
bewirkt wurde. Unterhalb des Ovals wird eine
Allegorie der Sultansherrschaft gezeigt. Sheila
Canby geht davon aus, dass es sich bei den im
Hintergrund sichtbaren Gebäuden um die neuen,
von Selim III. in Haidarpasha in Istanbul errichteten
Militärkasernen oder um den restaurierten
Mevlevi-Komplex handelt. In jedem Fall refl ektiert
die Darstellung das osmanische Interesse an
topographischen Darstellungen und Landkarten.
Die europäisch beeinfl usste Bildserie, der dieses
Albumblatt entstammt, inspirierte ihrerseits zu
einer von John Young 1815 in London gedruckten
und publizierten Version osmanischer Sultansporträts
unter dem Titel A Series of Portraits of the
Emperors of Turkey: Engraved from Pictures Painted
at Constantinople. AF

101 Gestickte Quiltdecke (yorgan yüzü)
Das Muster dieses yorgan yüzü (gestickte Quilt-
Türkei, osmanisch, spätes 17. Jahrhundert
decke) erinnert an typische osmanische Muster auf
Seide
Seiden- und Samttextilien des 17. Jahrhunderts.
209 x 137 cm
Während ältere Muster in Gitterwerk gefasste
AKM 00706
fl orale Motive enthalten, zeigen spätere Textilien
Publiziert: AKTC 2008b, Nr. 7; AKTC 2009a,
144 –145; AKTC 2009b, 144 –145
wie diese Decke Stiele oder Reben in parallel ver-
laufenden Wellen, die ein ogivales Rahmennetz
um Weinrispen oder Tulpen bilden. Die Muster
deuten möglicherweise auf einen fl orentinisch
inspirierten Geschmack, der im kulturellen Austausch
mit Italien begründet ist. LA
143

144
Iznik-Keramik
102 Teller mit Löwe
Türkei, Iznik, zweite Hälfte 16. Jahrhundert
Quarzfritte, polychrome Unterglasurmalerei
auf deckend weißer Glasur
Ø 36,5 cm
AKM 00811
Vergleichsstücke: Ribeiro 1996, 248 – 249, Nr. 88
(Gulbenkian Museum Inv. Nr. 853); Hitzel – Jacotin
2005, 282, Nr. 417 (Musée National de la Renaissance,
Paris). Atasoy – Raby 1989, 257, Nr. 543
und 545 (Krug im Museum für Kunst und Gewerbe,
Hamburg, bzw. im Metropolitan Museum of Art,
New York)
103 Teller mit zentraler Kompositblüte
Türkei, Iznik, circa 1575 –1580
Quarzfritte, polychrome Unterglasurmalerei auf
deckend weißer Glasur
Ø 29,2 cm
AKM 00586
Freundliche Leihgabe von
Prinzessin Catherine Aga Khan
Publiziert: Welch 1978b, 204 – 205; Falk 1985,
244 – 245 (Nr. 248); AKTC 2008a, 142 –143 (Nr. 51);
AKTC 2009a, 142; AKTC 2009b, 142
104 Teller mit roten Nelken
Türkei, Iznik, circa 1575 –1580
Quarzfritte, polychrome Unterglasurmalerei auf
deckend weißer Glasur
Ø 28,5 cm
AKM 00686
Freundliche Leihgabe von
Prinzessin Catherine Aga Khan
Publiziert: Welch 1978b, 202 – 203; AKTC 2007a, 76
(Nr. 45); AKTC 2007b, 72 (Nr. 45); AKTC 2009a,
142; AKTC 2009b, 142
105 Teller mit Gartendarstellung
Türkei, Iznik, circa 1575 –1580
Quarzfritte, polychrome Unterglasurmalerei
auf deckend weißer Glasur
Ø 29,8 cm
AKM 00737
Freundliche Leihgabe von
Prinzessin Catherine Aga Khan
Publiziert: Welch 1978b, 208; AKTC 2009a, 143;
AKTC 2009b, 143
106
Teller mit Tulpen und Nelken
Türkei, Iznik, circa 1575 –1580
Quarzfritte, polychrome Unterglasurmalerei
auf deckend weißer Glasur
Ø 34,3 cm
AKM 00687
Publiziert: Welch 1978b, 204 – 205; Falk 1985,
244 – 245 (Nr. 248); AKTC 2007a, 97 (Nr. 67);
AKTC 2007b, 96 und 206 (Nr. 67); AKTC 2009a,
143; AKTC 2009b, 143
Unter der Herrschaft Süleymans des Prächtigen
(reg. 1520 –1566) erreichte die bildende Kunst
der Osmanen ihren Höhepunkt. Wie seine Vorgänger
bediente sich auch Süleyman künstlerischer
und architektonischer Mittel zur Demonstration
seiner Herrschergewalt. Darüber hinaus regte er
die Schaffung einer imperialen Ästhetik an, die als
unverwechselbar osmanisch erachtet werden sollte.
Die höfi schen Werkstätten oder nakkarhane
setzten die Tradition der Herrscherporträts fort,
welche in Form von Medaillons und Alben im gesamten
Reich und im Ausland verbreitet werden
konnten. Sie entwickelten einen Reichsstil, der
den osmanischen Herrschaftsbereich in ästhetischer
Hinsicht einte und ihn von seinen Nachbarn
und Rivalen unterschied. Vor den 1550er-Jahren
pfl egten die Osmanen eine eklektische Hofkultur,
die Einfl üsse von den Persern im Osten und von
den Europäern im Westen adaptierte. Mitte des
16. Jahrhunderts entstand aus diesen künstlerischen
Vorbildern ein klassisch-osmanischer Stil.
Zeitgleich wurde Persisch durch das osmanische
Türkisch als offi zielle Sprache am Hof ersetzt.
Diese neue künstlerische Ausdrucksweise zeigte
sich unmittelbar in der Keramik. Auf weißer
Quarzfritte wurde eine Auswahl von fl oralen,
vegetabilen und geometrischen sowie von chinesisch
inspirierten Motiven, die im 15. Jahrhundert
über die Timuriden in den Iran gelangt waren, unter
transparenter Glasur angebracht. Kanonisiert
wurde die Iznik-Keramik über den Baudekor, in
dem sich ein bestimmtes Musterrepertoire etablierte.
Die Tulpen, Nelken, Rosetten, saz-Blätter,
Trauben und Wellenmuster auf den Tellern der
hier gezeigten Gruppe stellen einige Motive dieser
markanten neuen Gattung dar. Ungewöhnlich
hingegen ist die Darstellung eines Löwen auf einem
tiefen Teller in schwarzumrandeter kobaltblauer,
viridiangrüner und pastos aufgetragener
roter Unterglasurmalerei. Das Tier ist von Tulpen
und Hyazinthen umgeben, während ein abstraktes
Muster aus Spiralkreisen den fl achen Rand
ziert (Kat. Nr. 102).
Die Datierung dieser herrlich bemalten Teller
basiert auf Quellen, welche die Verlagerung der
Keramikherstellung von Istanbul nach Iznik beschreiben.
In Istanbul war die Keramikindustrie
wegen der wachsenden Textilherstellung von Seidenbrokat
(kemha) im Schwinden, während sie in
Iznik aufgrund ausreichender Holzvorkommen
und der Verfügbarkeit anderer benötigter Materialien
aufblühen konnte. Die symmetrische Aufteilung
von geometrischer und fl oraler Ornamentik
auf der hier gezeigten Keramik ist vergleichbar
mit anderen unter Sultan Murad III. (reg. 1574 –
1595) hergestellten Waren. Auf der Grundlage
stilistischer und technischer Vergleiche mit datierbaren
Architekturfl iesen können sie seiner Förderung
zugeschrieben werden (Atasoy – Raby 1989,
246 – 249; AKTC 2007b, 96). LA / VD

145

Der Weg der Reisenden
Von Bagdad nach Delhi

© Lorenz Korn, Bamberg
Der iranisierte Osten und die Herrschertradition
Michael Barry
Samarkand (Usbekistan), Große Moschee des
Timur (»Bibi Khanum«), südliche Nebenkuppel
Von der persischen Sprache hatten die spanischen
und nordafrikanischen Muslime (für
die »islamisch« immer gleichbedeutend war
mit »arabisch«) nur eine vage Vorstellung.
Die Verbreitung des Persischen, oder vielmehr
seine Wiedererweckung, um die Mitte
des 11. Jahrhunderts war jedoch keinesfalls
ein historischer Zufall. Im gesamten Gebiet
des islamischen Ostens erhielt diese mittelöstliche
Sprache einen dem Arabischen vergleichbaren
kulturellen, wenn nicht gar liturgischen
Status.
Zu Beginn der islamischen Geschichte, im
7. Jahrhundert, waren die arabischen Eroberer
von der Arabischen Halbinsel aus über
weite Teile des christianisierten Römischen
bzw. Byzantinischen Reiches hinweggefegt.
Das Reich ihrer früheren Rivalen, der zoroastrischen
Sassaniden in Persien, hatten sie in
seiner Gesamtheit überrannt und eingenommen.
Die erste regierende islamisch-arabische
Dynastie der Umayyaden (661– 750) vereinte
für einige Generationen von ihrer Hauptstadt
Damaskus aus das militärische Wegenetz dieser
ausgedehnten Reiche in einem politisch
geeinten Territorium, das vom Tajo bis zum
Indus reichte.
Nach der Machtübernahme durch die Abbasiden
im Jahr 750 verlegten diese ihre
Hauptstadt von Damaskus in das neu gegründete
Bagdad am Tigris. Der persischsprachige
Kulturraum in direkter Nachbarschaft
zu Mesopotamien war nicht irgendein
abgelegenes Randgebiet, sondern bildete den
demographischen Kern des arabischen Reiches
der Abbasiden. Die Entscheidung, ihre
Hauptstadt in den Osten zu verlegen, wurde
in dem klaren politischen Bewusstsein getroffen,
dass der Schwerpunkt der jungen islamischen
Zivilisation im iranischen Raum lag.
Künstlerische und andere kulturelle Aspekte
wie das naturwissenschaftliche und
philo sophische Erbe der alten Griechen entlehnten
die Araber aus Byzanz. Das Verwaltungssystem
dagegen übernahmen sie von
den alten Persern. Das von Bagdad aus regierende
Kalifat mit seinen zahlreichen konver-
tierten Wesiren, Sekretären und Staatsdienern
iranischer Herkunft erscheint geradezu wie
eine islamische Metamorphose des altpersischen
Sassanidenreiches. Die Unterlegenheit
der herrschenden islamischen Kultur gegenüber
dem persischen Erbe wurde von den
muslimischen Autoren im kalifalen Irak des
8. und 9. Jahrhunderts deutlich formuliert.
Diese waren oft selbst iranischer Abstammung,
auch wenn sie ihre Gedanken in klassischem
Arabisch verfassten. Im Irak übertrugen
angesehene persische Autoren, die in
Richtung Westen bis Spanien rezipiert wurden,
die Chroniken der altpersischen Könige
und sogar deren beliebte Tierfabeln als Leitfaden
für die politischen Handlungsweisen
der Kalifen.
Der herausragende Gelehrte Tabari (832–
923), der den Korankommentar par excellence
verfasste, verquickte in seiner »Weltchronik«
(Tarij) bewusst die Geschichte der
alten persischen Herrscher mit den Traditionen
der Propheten-Könige der monotheistischen
Buchreligionen. Er legte das schrittweise
Zusammenlaufen beider Linien durch
Gottes Fügung dar, exakt bis zu dem Punkt,
an dem die Geburt des Propheten Muha mmad
in Arabien (570) mit der Herrschaft von
Khosrau I. dem Gerechten zusammenfi el.
Khosrau galt im benachbarten Irak seiner
weisen Gesetzgebung und humanen Verwaltung
wegen als vorbildlicher persisch-sassanidischer
Monarch. Durch den Einfl uss von
Gelehrten wie Tabari wurden die Kalifen von
Bagdad und sämtliche mit ihnen verbündeten,
aber auch die rivalisierenden muslimischen
Fürsten in idealer Weise als rechtmäßige
Erben der beiden miteinander verbundenen
Linien verstanden oder zumindest als solche
gerühmt. Sie galten als symbolische Nachfolger
sowohl von Khusrau und anderen Heldenkönigen
der altpersischen Überlieferung
als auch von König Davids Sohn Salomon,
der zu den Propheten-Königen gehört.
Christliche Autoren hatten schon lange
eine gottgewollte Konvergenz der Herrscherlinien
der beiden Reiche von Rom und Juda
149

vertreten: Christus wurde durch göttliche
Ent scheidung unter der rein weltlichen Herrschaft
von Kaiser Augustus geboren. Im Jahr
313 vereinten sich dann beide Linien durch
Kaiser Konstantins Bekehrung. Alle nachfolgenden
christlichen Herrscher wurden sowohl
als Nachfolger der Herrscher von Rom
als auch von Juda angesehen – so wie auch
Karl der Große als »Augustus« gekrönt wurde
und als »David« die Salbung empfi ng.
Diese vorangegangene christlich-byzantinische
Geschichte beeinfl usste möglicherweise –
oder verdeutlicht zumindest – in analoger
Weise die ganz ähnliche, nachträgliche Rechtfertigung
beziehungsweise »Islamisierung«
der altpersischen Reichsgeschichte. Für die
Darstellung der irakischen Kalifen sowie aller
nachfolgenden Herrscher in der mittelalterlich-islamischen
Literatur und Kunst war
dieser Vorgang von entscheidender Bedeutung.
Die Samaniden-Emire des 10. Jahrhunderts
im zentralasiatischen Bukhara, sunnitische
Fürsten iranischer Abstammung, waren
zwar offi ziell Vasallen des Kalifen, innerhalb
ihrer Territorien jedoch autonom. Sie führten
die persische Sprache, nun in arabischer
Schrift wiedergegeben, gänzlich gleichberechtigt
mit dem Arabischen als ihre dari
oder »königliche« Sprache wieder ein. Nicht
zufällig wählten sie als erstes Werk Tabaris
Weltchronik für eine Übertragung in neupersische
Prosa. Die nächste und höhere
Stufe der persischen Renaissance vollzog sich
unter Sultan Mahmud von Ghazna (reg. 998 –
1030), der im heutigen Südostafghanistan
regierte.
Mahmud war ein türkischer Abenteurersoldat
aus Zentralasien und der erste muslimische
Führer, welcher den Titel sultan
(wörtlich: »Macht«) führte. Er stürzte seine
samanidischen Oberherren, um sein eigenes,
ausgedehntes Imperium in Westasien zu gründen.
Zur Finanzierung seines Vorhabens –
selbst Bagdad wollte er erobern – unternahm
er Raubzüge bis tief nach Indien hinein.
Wichtiger jedoch ist, dass Mahmud den Dichter
Firdausi förderte, der sämtliche epische
Aufzeichnungen des alten Persien im Schahname
(»Buch der Könige«) in hoheitsvolle
neupersische Verse übertrug. Das Schahname
galt als heroisches Leitbild für den selbsternannten
Nachfolger der sassanidischen Weltherrschaft:
Sultan Mahmud höchstselbst.
Mahmud hat seinen wortgewaltigen Dichter
vermutlich schlecht entlohnt, die kulturellen
Auswirkungen seines Auftrags dage-
150
gen waren erheblich. Die Nachfolge Mah -
muds fochten seine türkischen Gefährten,
die Seldschuken, untereinander aus. Diese
zogen im Jahr 1055 als de facto Regierende
über die mittlerweile politisch ohnmächtigen
Kalifen in Bagdad ein. So begründeten sie
eine fast 900 Jahre währende türkische Vorherrschaft
im Nahen Osten, übernahmen jedoch
in politischer und kultureller Hinsicht
das persisch geprägte Erbe Mahmuds. Dies
betraf vorrangig die Verteidigung und Verbreitung
des Islam mittels militärischer Eroberungen
sowie die Förderung der persischen
Sprache und Dichtkunst am Hof.
Vergleichbar ist die Verbreitung des Französischen
von England über Sizilien bis ins
Heilige Land durch die normannischen
Kreuzfahrerkönige und Ritter im 12. Jahrhundert.
Dabei war – weder bei den Seldschuken
noch bei den Normannen – keinesfalls
ein Nationalismus im heutigen Sinne im
Spiel. Vielmehr beanspruchten die seldschukischen
Türken das imperiale Erbe der altpersischen
Weltherrschaft, wie sie durch den
Islam legitimiert und von dem Dichter Firdausi
besungen wurde; und genauso sahen
ihre normannischen Zeitgenossen sich selbst
als die Erben der römischen Weltherrschaft,
so wie, einer christlichen Lesart zufolge, Virgil
beschrieben hatte.
Dieses vorherrschende kulturelle Muster –
die Türken als Verfechter des Islam lassen
sich in Kunst und Literatur als Erben der
altpersischen Weltenherrscher darstellen –
blieb im Nahen Osten vom 11. Jahrhundert
an bis zum Zusammenbruch der traditionellen
islamischen Staaten im 19. Jahrhundert
ungebrochen, insbesondere im nördlichen
Teil Indiens, der seit der Eroberung durch
Sultan Mahmud islamisiert war. Selbst die
mongolischen Eroberer des Iran und Irak
heirateten ab dem Zeitpunkt ihrer Bekehrung
zum Islam im Jahr 1295 in die lokale
türkische Aristokratie ein, übernahmen das
Persische als offi zielle Sprache am Hof und
gaben eine besonders berühmte Handschrift
des Schahname in Auftrag. Die Kopien des
Schahname nahmen stetig die jeweils in Mode
gekommenen chinesischen Motive und Gestaltungsprinzipien
von Drachen, Wolkenbändern,
Bäumen und strömenden Bächen
in die byzantinisch inspirierten Illuminationstechniken
der Region auf und integrierten
diese in den allegorischen Kodex persischer
Herrscherdarstellungen.
Herrscherhäuser zwischen dem Bosporus
und Bengalen gaben wertvolle illuminierte

Kopien von Firdausis Schahname als Teil ihrer
Herrscherinsignien in Auftrag. Das prächtigste
Exemplar ließ Schah Tahmasp in den
1520er- und 1530er-Jahren illustrieren. Politische
Rivalitäten, angefacht von sektiererischen
Bestrebungen, führten zu kriegerischen
Auseinandersetzungen zwischen den drei großen
islamischen Reichen des 16. und 17. Jahrhunderts
– den sunnitischen Osmanen im
Nahen Osten, den schiitischen Safawiden im
Iran und den politisch eher unbedeutenden,
der Sunna zugeneigten Moguln in Indien.
Alle drei Staaten jedoch, gleichermaßen von
türkischen Fürsten gegründet, hegten ähnliche
Ansprüche auf eine globale Herrschaft,
die auf demselben persisch-islamisierten, in
Firdausis Schahname manifestierten kulturellen
Erbe basierten.
Für die gesamte nachfolgende Entwicklung
der historischen Stile unter den wechselnden
Dynastien bleibt das persische Kulturerbe
nach wie vor der Schlüssel, mit dem
sich ein Großteil der fi gürlichen Kunst des
Islam dechiffrieren lässt, angefangen bei den
stilisierten Darstellungen auf Metall- oder
Keramikplaketten der Bagdader Kalifen und
später der Seldschukenfürsten. Im 10. und
11. Jahrhundert entstehen aus dieser Tradition
heraus sogar die detailreich geschnitzten
Elfenbeinarbeiten der rivalisierenden Fatimiden-Kalifen
in Kairo und der spanischumayyadischen
Kalifen in Cordoba.
Im Rückgriff auf altiranische und sogar
altmesopotamische Vorläufer pfl egten Künstler
den traditionellen muslimischen Herrscher
bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts
als mächtigen Jäger darzustellen, der auf seinem
Pferd reitet oder es zügelt. Er ist der
mächtige Herr über ein kraftvolles, gezähmtes
Tier, der sowohl als Beschützer wie auch
als Ernährer der Menschen auf der Jagd wilde
Tiere tötet. Dabei schießt er Pfeile ab,
welche die Lichtstrahlen seiner sonnengleichen
Macht symbolisieren. Ansonsten war
der muslimische Machthaber in majestätisch
strenger Frontalansicht im Schneidersitz
thronend wiedergegeben. Die Moguln des
16. und 17. Jahrhunderts in Indien bevorzugten
hingegen Porträts in Dreiviertelansicht
oder im Profi l. Den Herrschern sind
folgende Attribute zugeordnet:
a) Ein Glorienschein um den Kopf. Dieser
versinnbildlicht den altpersischen farr beziehungsweise
das Licht der königlichen Herrschaft,
das Zeichen eines gerechten und legitimen
Königs. Die Römer hatten dieses
Merkmal herrscherlicher Darstellungen im
4. Jahrhundert von den persischen Sassaniden
übernommen und erst im 5. Jahrhundert auf
Christus- und Heiligendarstellungen übertragen.
Laut Firdausi und anderen Autoren
persischer Epen soll der Schein um die Häupter
tyrannischer Herrscher verblassen. Darum
mussten islamische Herrscherporträts des
9. bis 11. Jahrhunderts diesen farr enthalten.
Dieser wurde im 12. Jahrhundert zu einem
rein dekorativen Element und kam im 15.
Jahrhundert schließlich völlig aus der Mode.
Allerdings wurde der farr in der Mogulkunst
Indiens im 16. und 17. Jahrhundert als königliches
Attribut ganz bewusst wiederbelebt.
b) Eine stilisierte Krone. Diese leitet sich
von der königlichen Haartracht der Sassaniden
ab. Sie ist mit den ausgebreiteten Flügeln
des Varagna, eines Vogels aus der altpersischzoroastrischen
Mythologie, der Sieg symbolisiert
(eine Variante des Simurgh-Vogels),
sowie mit einem Halbmond und dem Morgenstern
geschmückt. Dieses Attribut kennzeichnet
den persisch-sassanidischen König
als Bruder der Sonne, des Mondes und der
Sterne. Die irakische Kalligraphie des 8. bis
11. Jahrhunderts enthält noch erkennbare
Kronen-Symbole des sassanidischen Typs,
wenn auch in vereinfachter Form. Spätere
islamische Stilisierungen des Mittelalters reduzierten
das Zeichen bis hin zum bekannten
Halbmond-Stern-Motiv, das später zum osmanischen
Reichssymbol werden sollte.
c) Ein Becher, der in der rechten Faust fest
ans Herz gehalten wird. Dieser symbolisiert
den magischen Becher des mythischen Perserkönigs
Jamshid, in welchem der Weltenherrscher
auf wunderbare Weise wie in einem
Spiegel die von ihm beherrschten sieben
Weltgegenden erblickt haben soll. Die mittelalterlich-islamische
Tradition des Ostens
setzte König Jamshid mit König Salomon
gleich und ordnete beiden Herrschern denselben
magischen Becher bei. Genau genommen
versinnbildlicht er das Herz des Fürsten
und kann in manchen Darstellungen sogar
fehlen. Bezeichnenderweise hält der Fürst
den Becher immer an seinen Brustkorb. In
der Mogulkunst des 17. Jahrhunderts stellte
man den Herrscher zusätzlich in Betrachtung
seines Siegelrings dar. Der edelsteinbestückte
Ring ist ein weiteres salomonisches Wahrzeichen
und gilt als Symbol der Weltherrschaft.
d) Ein fest mit der linken Faust umfasstes
Tuch. Dieses Tuch ist mit großer Sicherheit
von der antiken römischen mappa (weißes
Tuch) abgeleitet, welche die Konsuln zur Er-
151

öffnung der Zirkusspiele schwenkten. Noch
im 12. Jahrhundert benutzten es Herrscher
als Wahrzeichen ihrer legitimen Herrschaft.
Der symbolische Stoffstreifen hielt sich ausgesprochen
lange in der islamischen Kunst:
Man sieht ihn nicht nur in irakischen Buchillustrationen
des 12. Jahrhunderts, dargestellt
in der linken Hand eines Prinzen, oder auf
Illuminationen des 15. Jahrhunderts aus Herat,
eingesteckt in die Königsschärpe eines
Herrschers, sondern auch als deutlich sichtbares
Attribut sämtlicher osmanischer Sultane
von Mehmet dem Eroberer im 15. Jahrhundert
bis Selim II. im 16. Jahrhundert.
Selbst zu Anfang des 19. Jahrhunderts hält
Selim III. auf einem in dieser Ausstellung gezeigten
Bildnis ein juwelenbesetztes Exemplar
in der Hand (Kat. Nr. 100).
e) Ein Thron, der von einem Paar wilder
Tiere getragen wird. In der Regel steht der
Thron auf einem Löwenpaar, aber auch
Greife oder Drachen kommen vor. Der mythologische
Bezug besteht zum Thron des
Sassanidenkönigs Bahram im 5. Jahrhundert,
welcher der iranischen Legende nach die
Krone durch ein Martyrium erlangte. Unter
den verschiedenen Anwärtern, die es gewagt
hatten, die herrscherlichen Insignien zwischen
den beiden entketteten Löwen hindurch
zu ergreifen, war er der einzige Prinz
von königlichem Geblüt. Heldenhaft gelang
es ihm, seine Rivalen zu überwältigen. Diese
Darstellung des in aller Pracht auf einem Löwenthron
sitzenden Königs wurde in die islamische
Heraldik übernommen und drang im
11. Jahrhundert nach Westen bis ins muslimische
Spanien vor. Der im 12. Jahrhundert
tätige, aus Sizilien stammende muslimische
Autor Ibn Zafar nimmt in seinem »Fürstentrank«
(Sulwan al-muta³), von dem eine Kopie
des 14. Jahrhunderts in dieser Sammlung
enthalten ist (Kat. Nr. 117), explizit Bezug
auf diese Legende. Dies zeigt ihre Verbrei-
152
tung sogar in den entlegensten arabischsprachigen
Regionen des Okzidents: Man ajada
t-tafa wa-z-zainata min bain al-asadain, fahuwa
bi-l-mulki aula – »Wer die Krone und
den [Herrscher]Schmuck zwischen den beiden
Löwen ergreifen kann, der verdient die
Königswürde«.
Der persisch-seldschukische Dichter Nizami
aus Aserbaidschan schmückte im 12. Jahrhundert
diesen Symbolismus in seinem Haft
Paikar oder »Buch der Sieben Prinzessinnen«
reich aus. In diesem Buch, das im Mittelalter
bei Generationen von iranischen, zentralasiatischen,
indo-muslimischen, aber auch osmanischen
Fürsten beliebt war, überwindet
König Bahram durch seine salomonische
Weisheit die beiden Löwen, welche für Wollust
und Zorn stehen. Seine Krone ist die
mondgleiche Perle des ewigen Lebens, die
zwischen diese beiden Raubtiere gesetzt ist
wie zwischen zwei Drachenkiefer im Sternbild
Drache: Taf-i zar dar miyan-i šer-i siyah /
Cun ba-kam-i du aždaha, durr-i mah – »Die
goldene Krone zwischen diesen beiden fi nsteren
Löwen / Wie die Mondperle im Schlund
der beiden Drachen«. Nizami spricht hier
das in seinem tiefsten Grund universelle mythologische
Motiv der heraldischen Doppeltiere
an. Es spiegelt die duale Natur dieses
magischen Monsters wider, das den himmlischen
Schatz vor dem Unwürdigen verteidigt,
ihn aber demjenigen spirituellen Helden
überlässt, welcher siegreich und seiner
würdig ist – wie König Bahram. Dieser ist
einer der vielen sonnengleichen fürstlichen
Krie ger und Drachentöter der iranischen
Ependichtung. Eine symbolische Entsprechung
der beiden Thronlöwen fi ndet sich in
den heraldischen Doppeldrachen, die auf
iranischen Militärstandarten des 16. und
17. Jahrhunderts heilige Verse einrahmen,
aber auch Bettelschalen für Derwische zieren
(Kat. Nr. 43).

Mesopotamien
Ladan Akbarnia
Unter den Umayyaden (661– 750) reichte die
islamische Welt von Spanien und Nordafrika
bis an die Grenzen Chinas und Indiens. Damaskus
war ihr Zentrum und Regierungssitz.
Im Jahr 750 wurden die Umayyaden von den
Abbasiden gestürzt, die ihre neue Hauptstadt
Bagdad am Tigris gründeten. Das Herz
der islamischen Welt befand sich nun in der
»Wiege der Zivilisation«, dem Land, das als
Mesopotamien – griechisch für »Land zwischen
den Flüssen« – bekannt ist. Diese Region
umfasst sowohl die Landschaft um Tigris
und Euphrat im heutigen Irak als auch Teile
Nordostsyriens, der Südosttürkei und des
Südwestiran. Bagdad lag nur 56 Kilometer
entfernt von Ktesiphon, der alten Hauptstadt
der Sassaniden (224 – 651), welche einst ein
Reich kontrollierten, das Mesopotamien, Armenien,
den Iran, Zentralasien und sogar
Teile der Arabischen Halbinsel umfasste. Im
Jahr 836 führten die zunehmenden Spannungen
zwischen den Mamluken, Militärsklaven
der Abbasiden, und den Einwohnern
Bagdads zur Gründung der 125 Kilometer
weiter nördlich gelegenen neuen Hauptstadt
Samarra. Die Stadt entwickelte sich zu einem
der großen Zentren der höfi schen Kultur;
unter anderem wurde hier der sogenannte
bevelled style oder »Schrägschnitt-Stil« in der
Ornamentik geprägt, welcher mit Samarra
assoziiert wird.
Bekanntermaßen trugen sowohl die griechisch-byzantinische
als auch die sassanidische
Kultur maßgeblich zur Entwicklung der
islamischen Kunst und Architektur bei. In
Mesopotamien jedoch spielte natürlich der
Einfl uss des Alten Orients eine größere Rol-
le, zum einen in der Motivik und den Gefäßformen,
zum andern in Material und Technik.
Zu den Kunstgattungen der Region gehören
unter anderem Metallarbeiten, ein Handwerk,
das von den Sassaniden übernommen
wurde (Gold, Silber, Kupfer, Quecksilber,
Blei und Eisen wurden in Mesopotamien
und im iranischen Raum abgebaut). Keramik
wurde aus porösen Tonwaren hergestellt und
mit alkalischen Glasuren überzogen, um sie
wasserdicht zu machen (Bloom – Blair 1997,
104 –105). Der Oberfl ächendekor reichte
von Inschriften mit in der Abbasidenzeit beliebten
Aphorismen oder Segnungen in arabischer
Kufi -Schrift bis zu blau-weißen oder
farbenfrohen, lebhaften Überlaufglasuren,
die von Porzellan und Keramik aus China
inspiriert waren (Kat. Nr. 109). Der abbasidische
Geschmack für das »Exotische« wurde
angeregt durch den kulturellen Austausch
mit dem Osten – man weiß sogar von chinesischen
Künstlern, die sich im 8. Jahrhundert
in Bagdad aufhielten. Auch die Buchkunst
fl orierte, erkennbar an den zahlreich erhaltenen
Handschriften naturwissenschaftlicher
Abhandlungen, die aus dem Griechischen
ins Arabische übersetzt wurden; darunter
befi ndet sich beispielsweise die Materia medica
des Dioskurides. Die arabischen Übersetzungen
enthielten Illustrationen, welche
sowohl den klassisch-griechischen Vorlagen
(siehe Kat. Nr. 112 –115) als auch der schönen
Literatur und den sogenannten Fürstenspiegeln
entlehnt waren. Letztere bestanden
oft aus lehrreichen Fabeln oder Märchen
und dienten als Handbücher zur Erziehung
von Prinzen (Kat. Nr. 117).
153

107 Krug
Dieser Krug besitzt einen bauchigen Körper, des-
Iran oder Mesopotamien, 8.– 9. Jahrhundert sen untere Hälfte wohl in einem Model mit einem
Keramik, modelgeprägt mit monochrom senf- fl ächendeckenden Muster aus Spiralen, Rosetten
farbener und hellbrauner transparenter Glasur und Herzmotiven geformt wurde. Auf der oberen
Höhe 33 cm
Hälfte sind abwechselnd nach oben und nach un-
AKM 00539
ten gerichtete, große tränenförmige Blätter einge-
Publiziert: AKTC 2009a, 154; AKTC 2009b, 154
prägt, zwischen denen sich fünfblättrige Ranken
winden. Der Großteil des Halses, der in einem ausgestellten
Rand endet, ist nicht erhalten, der applizierte
Henkel hingegen ist intakt. Auf der unteren
Gefäßhälfte sind mehrblättrige Rosen fl ächendeckend
appliziert. Die Glasur ist durch einen willkürlichen
Auftrag stellenweise dicker oder dünner
und erzeugt so einen polychromen Farbeffekt, der
an chinesische Überlaufkeramiken erinnert, allerdings
mit dem Unterschied, dass die Schattierungen
auf diesem Objekt durch eine einzige Farbe
erzeugt werden. Sicher waren chinesische Muster
den iranischen Künstlern durch interkulturelle
Kontakte zwischen den Regionen, die mindestens
bis ins 1. Jahrtausend v. Chr. zurückreichen, be-
154
kannt. Die Entdeckung eines Schiffswracks aus
der Tang-Periode vor der Küste der indonesischen
Insel Belitung im Jahr 1997 erbrachte zusätzliche
Aufschlüsse über diese Verbindungen
in spätantiker Zeit. Es ist das erste archäologische
Zeugnis eines arabischen oder indischen
Schiffes in Asien und das erste, das mit kompletter
Ladung aufgefunden wurde. Eine Schale auf dem
Schiff enthält ein Datum, das dem Jahr 826 entspricht.
Auch die C14-Analysen konnten das
Jahrhundert bestätigen (Wade 2003, 20). Weitere
aus dieser Schiffsladung resultierende Informationen
könnten neue Rückschlüsse über den künstlerischen
Austausch zwischen dem Nahen und
dem Fernen Osten ergeben. Das hier gezeigte
Objekt weist Ähnlichkeiten mit zahlreichen islamischen
Metallarbeiten auf, die im 8. und 9. Jahrhundert
im Iran oder Irak hergestellt wurden.
Diese Waren stellen, genau wie der Krug, eine
Weiterführung von Formen der Sassanidenzeit
(226 – 651) dar. LA

108 Krug mit Segnungsinschriften
Krüge in verschiedenen Formen, teils mit Schna-
Iran oder Irak, abbasidisch, 9. Jahrhundert
bel, stellen die ältesten datierbaren Metallarbei-
Messing, graviert und punziert
ten des Islam dar. Dieser Krug besitzt einen ei-
Höhe 32,8 cm
förmigen Körper, einen schmalen hohen Fuß,
Inschrift (arabisch): baraka wa-[yumn wa-…] sa³ada eine kurze schmale Tülle und eine breite Schul-
wa-salama wa-gibta wa-ni³ma wa-rahma wa-… ter mit eingerollten Palmetten. Die runde, trich-
li-sahibihi wa-… (»Segen und [Wohlergehen und … terförmige Öffnung wird fast vollständig von
] Glück und Wohlbehalt und Glück- zwei körperlosen Adler- oder Falkenköpfen umseligkeit
und [Gottes] Güte und Gnade und … kränzt. Die Vogelköpfe wirken so, als würden sie
seinem Besitzer und …«)
aus der Verbindung von Mundstück und dem
AKM 00718
langen, schlangenförmigen Henkel herauswach-
Publiziert: AKTC 2009a, 154; AKTC 2009b, 154
sen. Das Ende des Henkels mündet an der
Oberkante des Kruges in einer palmettenförmigen
Daumenstütze, ähnlich wie bei den irakischen
und iranischen Stücken aus dem 8. und
9. Jahrhundert (für Beispiele siehe Atıl – Chase –
Jett 1985, 14, fi g. 4 und 63, fi g. 23). Direkt unter
der Schulter und über einem Paar zehnblättriger
Rosettenmedaillons ist eine dem Besitzer
Glück verheißende Inschrift in arabischem Kufi
eingraviert.
Verschiedene Metallkrüge der frühislamischen Zeit
greifen auf Formen und Dekorprogramme der vorislamischen
iranischen Welt zurück. Die tüllenlosen
Exemplare mit birnenförmigem Körper und
Henkeln, die in Palmetten münden, gelten als die
frühesten Metallarbeiten. Man vermutet, dass sie
in Khorasan und Transoxanien hergestellt wurden,
das heißt in der ostiranischen Welt, zu der auch
das heutige Afghanistan und Usbekistan gehören
(ibid., 62 – 63). Das Repertoire an Formen und Motiven,
welche zuweilen gravierte, geschnittene oder
getriebene sowohl reale als auch mythische Tiergestalten
enthalten, zeigt eine enge Verbindung zu
den künstlerischen Ausdrucksformen sassanidischer
Metallkunst. Auf einigen sassanidischen Silbertabletts
kommen sogar einhenklige birnenförmige
Krüge vor (ibid., 63, fi gs. 23 – 24). Dieser Krug ist
von etwas abgewandelter Form und besitzt einen
stärker abgeknickten Rand. Vermutlich wurde er
zu einem etwas späteren Zeitpunkt im großiranischen
Raum oder in Mesopotamien hergestellt. LA
155

109 Teller mit Überlaufglasuren
Dieser große fl ache Teller ist mittels einer abge-
Iran oder Irak, abbasidisch, 9. Jahrhundert
wandelten Technik der sogenannten Überlauf-
Keramik mit weißem Überzug und kontrolliert glasuren (splashed ware) verziert. Die Wirkung der
angebrachter brauner, gelber, grüner und mangan- Überlauftechnik wird erzielt, wenn Pigmente eifarbener
Laufglasur in transparenter Glasur
ner Bleiglasur beigemengt werden und im Brenn-
Ø 37 cm
vorgang zu verlaufen beginnen. Diese Ware, die
AKM 00734
Überlaufglasuren in Kombination mit eingeritzten
Publiziert: AKTC 2009a, 156; AKTC 2009b, 156
Mustern (Sgraffi ato) enthalten kann, wurde von
Kunstexperten ausführlich diskutiert. Zunächst
nahm man an, dass die Technik von chinesischen
Überlaufwaren der Tang-Periode (618 – 907) inspiriert
war. Jedoch wurde diese Theorie verworfen,
da kein chinesisches Original unter gesicherten
Umständen im Nahen Osten gefunden wurde.
Zudem lässt die Funktion der Tang-Waren – sie
wurden bei Bestattungen verwendet – es als unwahrscheinlich
erscheinen, dass diese Objekte tatsächlich
aus China ausgeführt wurden. Allerdings
156
fand man späterhin chinesische Überlaufwaren in
Samarra im heutigen Irak. Man nimmt an, dass
dies die sogenannten sancai-Waren sind, die eigens
zum Export hergestellt wurden. Möglicherweise
bildeten diese einen kreativ inspirierenden Ausgangspunkt
für ihre nahöstlichen Entsprechungen
(siehe Rawson – Tite – Hughes 1987-8; Fehérvári
2000, 47; Watson 2004, 199). Der hier abgebildete
Teller wurde einem Thermoluminiszenztest unterzogen,
dem zufolge das Datum des letzten Brennvorgangs
im 9. Jahrhundert gelegen haben muss.
Ein weiteres Indiz zur Datierung ist das Fehlen von
eingeritztem Sgraffi ato-Dekor, der erstmals im
10. Jahrhundert aufkam (Watson 2004, 201). Der
sorgfältig gemalte, abstrahierte Dekor in Mangan,
der an eine Blüte mit breitem, gebogenem Rand
erinnert, unterscheidet dieses Stück von den regulären
Überlaufwaren. LA

110
Sokrates und Aristophanes
Illustrierte Handschrift über die
Aussprüche griechischer Philosophen
Bagdader (Irak) oder Damaszener (Syrien) Stil,
13.–14. Jahrhundert, mit Hinzufügungen aus
dem 19. Jahrhundert
Tinte, Gouache und Gold auf Papier
20,6 x 15 cm
AKM 00283
Publiziert: AKTC 2007a, 129 (Nr. 99); AKTC 2007b,
133 (Nr. 99); AKTC 2009a, 158; AKTC 2009b, 158
Auf dieser Seite aus einer arabischen Handschrift
über die Aussprüche griechischer Philosophen
sind zwei Gestalten mit Turban dargestellt. Über
die Beischriften Suqrat und Aristafanis lassen sich
die beiden als der griechische Philosoph Sokrates
(469 – 399 v. Chr.) und sein Zeitgenosse, der griechische
Komödiendichter Aristophanes (circa
450 – 386 v. Chr.), identifi zieren. Die Darstellung
ähnelt den Illustrationen von Dioskurides’ De
materia medica und anderen Übersetzungen griechischer
Werke, die in den Bagdader und Damaszener
Malschulen des Mittelalters gefertigt wurden.
AF
157

111
158
Handschrift des 5. Buches des
Qanun fi t-tibb (»Kanon der Medizin«)
des Avicenna (Ibn Sina)
Iran oder Mesopotamien, datiert 444 H / 1052 AD
Tinte und Wasserfarben auf Papier
21,2 x 16,4 cm
AKM 00510
Publiziert: AKTC 2007a, 128 (Nr. 96);
AKTC 2007b, 122 und 131 (Nr. 96);
AKTC 2008a, 194 –195 (Nr. 73);
AKTC 2009a, 158; AKTC 2009b, 158
Avicennas al-Qanun fi t-tibb (»Kanon der Medizin«)
ist das bedeutendste enzyklopädische Werk
zum medizinischen Wissen des Mittelalters in der
islamischen Welt. Mit dem Wissenstransfer nach
Europa im 12. und 13. Jahrhundert mittels lateinischer
Übersetzungen wurde es zum meistgenutzten
Nachschlagewerk in den medizinischen Schulen
des europäischen Mittelalters und war bis zum
Anfang der Moderne in Gebrauch. Der Kanon ist
in fünf Bücher unterteilt. Die vorliegende Handschrift
ist eine Kopie des Fünften Buches, das von
Arzneimischungen und -büchern handelt. Es ist
eine der ältesten, vielleicht sogar die älteste Abschrift
des Werkes und wurde nur 15 Jahre nach
dem Tod des Autors kopiert. Die anderen Bücher
handeln von Anatomie, Humoralpathologie (Viersäftelehre),
den Temperamenten, den Auswirkungen
der Umwelt auf Gesundheit und Krankheit,
Arzneimittellehre (materia medica), besonderen
Symptomatiken und Krankheiten der verschiedenen
Körperteile, allgemeiner Symptomatik, Fieber,
Lepra, Chirurgie, Verrenkungen und Brüchen.
Avicenna, oder arabisch Ibn Sina, wurde 980 als
Sohn eines samanidischen Staatsbeamten geboren
und erhielt eine umfassende Ausbildung.
Bereits mit 18 Jahren war er ein begabter Arzt,
der sämtliche naturwissenschaftlichen Fächer
beherrschte und eine Reihe medizinischer Entdeckungen
und Beobachtungen machte, die bis
heute relevant sind. Abgebildet ist hier ist die
Titelseite der Handschrift, auf der am oberen
Seitenrand in großem Thuluth-Duktus das fünfte,
auch als al-Anqarabadin bekannte Buch angekündigt
wird. Darauf folgt unmittelbar Ibn Sinas
Name, aš-Šaij ar-Ra²is Abi ³Ali ibn Sina, im
Naskhi-Duktus. Die Namen früherer Besitzer des
Buches sind in Naskhi- und Nasta³liq-Duktus
über die Seite verteilt. AF

159

112
113
114
115
160
Vier Blätter aus einer Kopie der
Jawass al-ašfar (De materia medica)
des Dioskurides
Irak, circa 1200
Tinte und Gouache auf Papier
Publiziert: Welch 1972a, 21; Falk 1985, 40
(AKM 00001); AKTC 2007a, 130 –131 (Nr. 100)
(AKM 00001, 00002); AKTC 2007b, 134 –135
(Nr. 100); AKTC 2008a, 202 – 203 (Nr. 77)
(AKM 00004); AKTC 2008b, Nr. 12; AKTC 2009a,
160; AKTC 2009b, 160
Winterkresse (Barbarea)
24,8 x 16,8 cm
AKM 00004
Gämswurzen (Doronicum)
Beischrift: darwanf
25 x 17,2 cm
AKM 00002
Zwiebel (Allium cepa) und Meerzwiebel
(Drimia maritima)
Beischrift: basal und basal al-³ansal
24,9 x 16,8 cm
AKM 00003
»Pfl anze zur Behandlung von
Geschwüren, Pusteln und Juckreiz«
24 x 16,8 cm
AKM 00001
Eine der ersten Übersetzungen einer naturwissenschaftlichen
Abhandlung aus dem Griechischen
ins Arabische war Dioskurides’ De materia medica,
wie sie auf Lateinisch heißt. Der griechische Arzt
Pedanios Dioscurides schrieb sein Traktat über
medizinisch wirksame Pfl anzen im 1. Jahrhundert
n. Chr. Zunächst wurde der Text ins Syrische und
erst im 9. Jahrhundert in Bagdad ins Arabische
übersetzt (Guesdon – Nouri 2001, 118). Der Kodex
wurde zur Grundlage der islamischen Arzneimittellehre
und seine Kopien waren weit verbreitet.
Diese vier abgebildeten Blätter stammen aus
einer außergewöhnlichen, heute auseinandergerissenen
arabischen Kopie, die um das Jahr 1200 entstanden
ist. Die Blätter enthalten Abbildungen von
zahlreichen Heilkräutern und -wurzeln, die in einer
Exaktheit wiedergegeben sind, wie sie für die
arabischen naturwissenschaftlichen Texte dieser
Periode charakteristisch ist. Die Illustrationen sind
eng an die griechischen Vorbilder angelehnt und
zeugen trotz ihrer Akkuratesse von größter künstlerischer
Sensibilität. Jede Pfl anzengattung ist in
ihrer Gesamtheit von der Spitze bis zur Wurzel
vor einem blanken Hintergrund wiedergegeben.
Das erste Blatt zeigt auf der Versoseite eine Pfl anze,
»die an Flussufern wächst« und zur Gattung der
Winterkressen (Barbarea) gehört (Kat. Nr. 112).
Die Blätter der gelbblühenden Pfl anze gelten als
112 113 114
appetitanregend, blutreinigend und harntreibend.
Auf dem zweiten illustrierten Blatt (verso) sind
zwei verschiedene Pfl anzen aus der Gattung der
Gämswurzen ebenfalls vollständig mit ihren
Wurzeln abgebildet (Kat. Nr. 113). Die obere
Pfl anze mit der roten Wurzel trägt spatenförmige
Blätter, zwei Blütenstängel ragen weit aus dem
Blattwerk hinaus. Die untere wird erläutert mit
der Beischrift: »Dies ist eine Spezies der Gämswurzen
(darwanf) «. Auf dem dritten Blatt (recto)
werden ebenfalls zwei verschiedene Pfl anzen mitsamt
ihren Zwiebeln wiedergegeben. Bei der rechten
Pfl anze sprießen lange, schmale Blätter und
ein langer, mit dunkelgrauen Knospen besetzter
Stängel aus der Knolle. Die Beischrift lautet
»Zwiebel« (basal). Die linke Pfl anze mit der Beischrift
»eine andere Art der Meerzwiebel« (nau³
ajar min basal al-³ansal) besteht aus fünf breitlanzettlichen,
gelben Blättern und gehört zur Familie
der Hyazinthengewächse. Ihre Knolle wird zur
Behandlung von Herzinsuffi zienz eingesetzt (Kat.
Nr. 114). Das vierte Blatt (verso) zeigt eine Pfl anze,
die aus einer hellroten Knolle sprießt. Sie hat
fünf große Blätter, aus denen ein kräftiger Stängel
mit einer großen roten spitzblättrigen Blüte ragt.
Die zweizeilige Beischrift bezeichnet diese als
»Pfl anze zur Behandlung von Geschwüren,
Pusteln und Juckreiz« (Kat. Nr. 115). AF / VD

115
161

116 Becken
Dieses ungewöhnlich große, fast halbkugelförmige
Mesopotamien oder Iran, 13. Jahrhundert
Becken ist auf der Außenseite mit einem eingra-
Weißmetalllegierung, graviert
vierten Dekor versehen, der sich in drei überein-
Ø 55 cm
andergesetzte Register aufteilt. Der obere, schmale
AKM 00607
Streifen zeigt schreitende Tiere auf fl oral verzier-
Publiziert: Melikian-Chirvani 1982, 138 –139 tem Grund, die sich mit Inschriften in Kursiv-
(fi g. 45a); AKTC 2007a, 172 (Nr. 144); AKTC 2007b, schrift abwechseln. Darunter zieht sich ein breites
172 (Nr. 144); Makariou 2007, 184 –185 (Nr. 66); Register, das oben und unten durch einen Schling-
AKTC 2009a, 162; AKTC 2009b, 162
bandfries begrenzt wird. Diese beiden Bänder
wiederum verschlingen sich zu kreisrunden
Medaillons, die mit verschiedenen geometrischen
Mustern gefüllt sind. Die Felder zwischen den
Medaillons sind abwechselnd mit kursiver Schrift
und redendem (d. h. mit menschlichen Köpfen
bekröntem) Kufi ausgefüllt; die Hasten der Kufi -
Schrift sind zu kunstvollen Flechtknoten ineinander
verschränkt. Im unteren Register verläuft eine
Reihe von Medaillons mit Darstellungen der zwölf
Tierkreiszeichen. Zwischen den Medaillons verwebt
sich das sie umschließende, an den Seiten
spitz zulaufende Profi lband zu kleinen Rauten
und komplexen Flechtknoten, aus denen kleine,
mit Röschen besetzte Stiele zu sprießen scheinen.
Die Produktion von iranischen Weißmetallen
im 12. und 13. Jahrhundert kann keinem bestimmten
Zentrum zugeordnet werden. Die Stücke
im Iranischen Nationalmuseum in Teheran
wurden unlängst publiziert. Unter ihnen befi ndet
sich eine kleine Schale, die diesem Objekt in der
Anordnung des Dekors ähnelt. Auch sie ist in
horizontale Register aufgeteilt, und zwar in Form
eines epigraphischen Randstreifens mit schreitenden
Tieren vor blumenverziertem Hintergrund
und – wichtiger noch – eines breiten zentralen
Registers mit ganz ähnlichen Medaillons. Diese
enthalten die Tierkreiszeichen und sind durch
kleine rautenförmige Elemente mit sprießenden
162
Blütenstängeln voneinander getrennt. Während
die Technik zur Mattierung des Hintergrundes
sich auf den beiden Stücken unterscheidet (kleine
Schrägstriche anstatt Punkte), lässt sich auf beiden
die schräge Gravur der Inschriften feststellen.
Allerdings variiert die Darstellung der Tierkreiszeichen.
Besonders augenfällig ist der Steinbock,
der auf dem hier gezeigten Becken in seiner ältesten
Darstellungsform wiedergegeben ist: als Ziegenfi
sch. Dieser ist auf den zahlreichen khorasanischen
Metallarbeiten mit astrologischen Darstellungen
äußerst selten, allerdings kommen ähnliche Formen
in der Dschazira vor. Interessant ist auch ein
Vergleich der Dekoration dieses Beckens mit jener
von zeitgleichen Stücken aus Khorasan (Nordostiran
/ Afghanistan): Ein Eimer aus der Keir Collection
beispielsweise zeigt die gleichen kreisrunden
Medaillons, die durch verschränkte Bänder gebildet
werden und Tierkreiszeichen enthalten. In den
Zwischenräumen der Medaillons sind die spitzoval
auslaufenden Bänder von symmetrisch arrangierten,
blütenbesetzten Stielen umrahmt.
Auf dem oberen Register dieses Objekts lautet
die Inschrift: »al-³izz ad-da²im al-iqbal az-za²id addaula
al-baqiya as-salam al-³ali al-fadd al-baqiya assalam
al-³ali ad-daula al-baqiya as-salam« (»ewige
Kraft, zunehmendes Wohlergehen, dauerhafte
Macht, erhabener Frieden, dauerhaftes Glück,
erhabener Frieden, dauerhafte Macht, Frieden«).
Auf dem mittleren Register steht in Kursivschrift:
»al-³izz ad-da²im al-iqbal az-za²id ad-daula al-baqiya
as-salam« (»ewige Kraft, zunehmendes Wohlergehen,
dauerhafte Macht, Frieden«); und auf dem
mittleren Register in Kufi -Duktus: »al-³izz adda²im
al-³umr as-salim wa-l-iqbal az-za²id« (»ewige
Kraft, unversehrtes Leben und zunehmendes
Wohlergehen«). CJ

117 Drei junge Jäger
Drei junge Männer in kostbaren Gewändern mit
Frontispiz aus dem Sulwan al-muta³ fi
³udwan al-atba³ des Ibn Z. afar as-Siqilli
(1104 –1170)
Mosul (Irak), circa 1330
Tinte, Gouache und Gold auf Papier
Seite 24,7 x 16,9 cm; Bild 13,7 x 11,2 cm
AKM 00012
Publiziert: Falk 1985, 41 (Nr. 11); AKTC 2007a, 147
(Nr. 114); AKTC 2007b, 151 (Nr. 114); AKTC 2009a,
163; AKTC 2009b, 163
goldenen Tiraz-Bändern (siehe Kat. Nr. 86) auf
Ärmeln und Turbanen haben sich für die Jagd bereit
gemacht. Der linke Jäger trägt einen Bogen in
einem braunen Behälter sowie Pfeile in der rechten
Hand. Der Mittlere trägt einen braun-weißen
Falken und der Rechte einen blauen Vogel mit
langem Hals. Das Bild füllt die rechte Seite des
Doppelfrontispizes einer Handschrift des Sulwan
al-muta³ fi ³udwan al-atba³ (»Trost der Herrscher
bei Anfeindung durch ihre Gefolgsmänner«).
Dieses Werk zitiert Koranverse, Aussprüche und
Traditionen des Propheten (sing. hadiv), Tierfabeln
und fürstliche Charaktere der altpersischen
Geschichte, um Fürsten in ihren Handlungswei-
sen und für ihren Machterhalt als Ratgeber zu
dienen. A. S. Melikian-Chirvanis Publikation des
Faksimiles und Bearbeitung der Handschrift zeigt
dessen Wert als scharfsinniger Kommentar zu
»Un gerechtigkeit, sozialer Ausbeutung und politischer
Unterdrückung«, aber auch die Bedeutung
der Handschrift für die Geschichte der arabischen
Malerei (Melikian-Chirvani 1985). Den
Text verfasste im Jahr 1159 Ibn Zafar as-Siqilli
(»der Sizilianer«, gest. 1170), ein arabischer Philosoph
und erfolgreicher, weit gereister Autor, der
vermutlich 1104 auf der normannisch regierten
Insel Sizilien geboren wurde. Das Frontispiz
stammt aus einer Abschrift in der Freer Gallery
of Art, Washington D.C. AF
163

164

© akg-images, Gérard Degeorge
Der Iran im Mittelalter
Ladan Akbarnia
Herat (Afghanistan), Große Moschee.
Die islamische Eroberung des Iran wurde
im Jahr 651 mit der Ermordung von Yazdigird
III., dem letzten Herrscher des Sassanidenreiches
(224 – 651), besiegelt. Der groß iranische
Raum – der zuweilen den heutigen
Iran, Irak, Armenien, Teile der Türkei, Syrien,
Afghanistan, Pakistan und weitere zentralasiatische
Länder, aber auch einige Küstenregionen
der Arabischen Halbinsel umfasste –
wurde Teil des abbasidischen Kalifats (750 –
1258). Die Abbasiden wiederum nahmen außer
dem byzantinischen auch einen Großteil
des reichen iranischen Erbes in ihr Königtum
und ihre höfi sche Kultur auf. Zu den künstlerischen
Traditionen, die aus vorislamischer
Zeit fortgeführt wurden, gehörten Glas- und
Metallarbeiten, Wandmalereien auf Stuck
sowie eine prosperierende Seidenherstellung.
Altorientalische Motive wie Greifenpaare,
Löwen und auch Perlenränder wurden gleichfalls
in das visuelle Repertoire des Islam
übertragen. Einer der bedeutendsten Beiträge
zur Kunstentwicklung kam aus dem literarischen
Erbe des vorislamischen Iran, welches
am eindrucksvollsten im Schahname
(»Buch der Könige«) repräsentiert ist. Es ist
das Nationalepos, das die Legenden der alten
Könige und Helden des Iran erzählt. Gerade
dieses Werk ließen die späteren islamischen
Dynastien im Iran, in Indien und im Osmanischen
Reich in besonders aufwändig und
reich bebilderten Ausgaben herstellen.
Um das Jahr 1000 hatte ein Samanidenherrscher
das bis dahin mündlich überlieferte
Schahname in Versform bringen lassen. Die
Samaniden (819 –1005) waren in Khorasan
und Transoxanien ansässig, wo sie eine der
feinsten Keramikwaren des großiranischen
Raums herstellen ließen; mit Segnungen und
Aphorismen in schwarz-weißer Engobenmalerei
kalligraphierte Waren (Kat. Nr. 124 –
126). Als indigen iranische Dynastie wurden
die Samaniden von späteren, nicht-iranischstämmigen
Herrschern bewundert, darunter
drei bedeutende türkische Dynastien: die
Ghaznawiden (975 –1187), die Großseldschu-
ken (1038 –1194) und die Rumseldschuken
(1077 –1307), die sich im 11. Jahrhundert in
Anatolien ansiedelten. Im 12. Jahrhundert
erfuhr die seldschukische Keramikproduktion
eine beachtliche Veränderung durch die
Entwicklung der Quarzfritte, bei der einem
feinen hellen Ton pulverisierte Quarzpartikel
zugefügt wurden. Hierbei entstand ein feines,
weißes Material, welches die Nachahmung
von Motiven des chinesischen Blauweiß-Porzellans
ermöglichte und die Kreation fi gürlicher
Darstellungen anregte. Höfi sche Szenen
und bestimmte Episoden aus dem Schah name
wurden zu beliebten Sujets auf der Keramik.
Quarzfritte-Waren wurden im mittelalterlichen
Iran unter den Seldschuken und den
ilkhanidischen Mongolen auch lüsterverziert
(Kat. Nr. 140–144). Letztere stürzten das abbasidische
Kalifat im Jahr 1258 und herrschten
zwischen 1256 und 1353 über das großiranische
Gebiet. Die engen Verbindungen
der Ilkhane mit ihren mongolischen Kontrahenten
der Yuan-Dynastie in China führten
zur Entstehung des Khitai (jita²i)-Stils, der
unter den Timuriden (1370 –1506) und den
Safawiden (1502 –1736) weiter standardisiert
wurde (Akbarnia 2007). Diese Stilschöpfung
hatte einen bedeutenden Anteil an der Entwicklung
der Buchkunst, die vor allem in der
Periode der Ilkhane und der Safawiden fl orierte.
Eine chinesisch inspirierte Ästhetik
zeigt sich in bestimmten Motiven, wie Lotusblüten,
Pfi ngstrosen, Drachen- und Phönixdarstellungen
sowie in Techniken, die auch
auf andere Materialien übertragen wurden,
sobald sie den iranischen Bereich erreicht
hatten. Hierzu zählen beispielsweise Lackschnitzereien
und ilkhanidische oder timuridische
Holzarbeiten. Die faszinierende Verbindung
von vorislamischen, islamischen und
fernöstlich inspirierten Kunsttraditionen verschmolz
in der früh- und hochmittel alterlichen
Kunst des Iran zu hochverfeinerten
künstlerischen Ausdrucksformen, die später
auch europäische Elemente adaptieren sollten.
165

166
Glasgefäße mit verschiedenen
Dekortechniken
118 Henkelbecher mit Schnittdekor
Iran, 10. Jahrhundert
Glas, geblasen, linearer Schnittdekor,
mit angesetztem Henkel
Höhe 11 cm, Ø 12,2 cm
AKM 00650
Publiziert: AKTC 2009a, 167; AKTC 2009b, 167
Die islamische Glasherstellung entstand aus einer
Tradition, die im 1. Jahrhundert v. Chr. im syrischpalästinensischen
Raum ihren Anfang nahm. Das
geschmolzene Glas wurde mit einem Blasrohr aufgeblasen
und mit speziellen Werkzeugen in die
gewünschte Form gebracht. Schon früher, bereits
im 3. Jahrtausend v. Chr., hatten Handwerker herausgefunden,
wie man aus Rohmaterialien Glas
herstellt. Allerdings formten sie das Glas bis etwa
50 v. Chr. um einen entfernbaren Kern oder in
Gußformen, was sehr zeit- und arbeitsintensiv
war und eine Produktion in nur geringer Stückzahl
zuließ. Die Flaschen dieser Gruppe repräsentieren
einige der verschiedenen Techniken, in
denen iranisches Glas in den Jahrhunderten nach
der islamischen Eroberung hergestellt wurde.
Der Henkelbecher (Kat. Nr. 118) mit abgefl achtem
kugelförmigem Körper, niedrigem kreisrundem
Fuß, leicht ausgestelltem zylindrischem Hals und
einer fächerförmigen Daumenstütze erinnert an
ähnlich geformte, in das 10. bis 11. Jahrhundert
datierte Krüge aus dem Iran oder Zentralasien,
die für Maßgefäße gehalten werden (siehe beispielsweise
Carboni 2001, 148 –149, cat. nr. 36b).
Das Objekt weist außerdem Schnittdekor in Wellen-
und Zickzackformen, eingerahmt von Doppellinien,
um Hals und Körper auf.
Glasschnittdekor kam im Iran unter den Sassaniden
(224 – 651) auf und wurde bis mindestens
ins 11. Jahrhundert ohne Unterbrechung angewendet.
Die Objekte sind meist in Intaglio-Technik
verziert, bei welcher das Glas tief eingeschnitten
wird, oder in Reliefschnitt, bei welchem die
Oberfl äche um das gewünschte Muster herum
weggeschliffen wird (ibid., 71). Der Henkelbecher
zeigt ein lineares Muster in fl achem Relief, während
die zylindrische türkise Flasche mit kurzem,
ausgestelltem Rand (Kat. Nr. 120) und eine weitere
zylindrische Flasche aus farblosem Glas mit
langem Hals (Kat. Nr. 122) mit tiefer eingraviertem
Relief verziert sind. Mithilfe stilistischer Vergleiche
mit Objekten ähnlicher Form und Deko-
ration (siehe ibid., 95, cat. nr. 25a und 154, cat. nr.
3.5c) ist die türkise Glasfl asche Kat. Nr. 120 dem
iranischen Raum des 9. bis 10. Jahrhunderts zuzuordnen.
Ein stilistischer Vergleich mit anderen
zylindrischen Glasfl aschen mit geschnittenem und
facettiertem Dekor legt für die farblose Glasfl asche
Kat. Nr. 122 eine ähnliche Zuordnung nahe (ibid.,
93 – 95, cat. nr. 23a, 25 [um den Hals]). Das Motiv
der umgekehrten Tropfen auf der Schulter dieses
Stücks erinnert an die obere von zwei Reihen mit
einem tropfenförmigen Muster auf einer Flasche
in der Kuwaiter Al Sabah Collection im »Dekorstil
C« von Samarra (Irak). Sie liefert damit einen
Hinweis auf die interkulturellen Bezüge zwischen
dem Iran und Mesopotamien zu dieser Zeit.
Eine weitere Flasche dieser Gruppe ist ein Beispiel
für formgeblasenes Glas, auf das Glasfäden
appliziert und gezogen wurden (Kat. Nr. 121).
Die Technik, Glas in einer Form zu blasen, war
im östlichen Mittelmeerraum unter den Römern
im 1. und 2. Jahrhundert n. Chr. verbreitet (siehe
Kat. Nr. 123). Dieses türkise Stück ist von komprimiert
runder Form und mit einem in der Gussform
gestalteten Dekor verziert (siehe Carboni –
Whitehouse 2001, 81– 85, cat. nr. 10 –11 und cat.
nr. 121). Der untere Teil der Flasche (Kat. Nr.
121) ist mit einem Gittermuster aus konzentrischen,
abgerundeten Rauten überzogen. Der Hals
ist mit drei Reihen eines Glasfadendekors geschmückt;
darunter zieht sich eine zweireihige
Verzierung aus Glasfäden, die an den Schulterdekor
von syrischen Flakons des 7. oder 8. Jahrhunderts
erinnern (ibid., 112 –113 cat. nr. 29 – 32).
Kugelrunde Flaschen mit langem Hals wurden
zur Standardform im frühislamischen und mittelalterlichen
Iran und regten mög licherweise ähnliche
Keramikformen der Seldschuken an (Carboni
2001, 237 und Kat. Nr. 67). Farbiges und in der
Form geblasenes Glas wird im Allgemeinen dem
Nordostiran des 12. bis 14. Jahrhunderts zugeordnet
(Carboni – Whitehouse 2001, 98 –99, cat. nr.
25 – 26 und Carboni 2001, 236–237, cat. nr. 66). LA

119 Glasfl asche
Glasgefäße des täglichen Gebrauchs waren nor-
Syrien oder großiranischer Raum, 8.– 9. Jahrhundert malerweise nicht verziert. Bestenfalls wurden sie,
Inschrift (arabisch): »Arbeit des Abu Fa³far« wie dieses Stück, mit Henkeln oder Ösen zum
Mundgeblasenes Glas, mit Applikationen und Aufhängen versehen. Diese Flasche ist – obwohl
Abdrücken
es sich um eine eher einfach ausgebildete Form
Ø 22,5 cm
handelt – insofern interessant, als sie die Schwie-
AKM 00644
rigkeiten bei der Zuordnung von frühislamischem
Publiziert: AKTC 2009a, 166; AKTC 2009b, 166
Glas veranschaulicht. Das Behältnis ist kugelförmig
und besitzt einen kurzen, engen Hals mit ausgestelltem
Rand. Drei Ösen sind jeweils mit einem
kreisrunden Medaillon in gleichmäßigen Abständen
um den Körper appliziert. Diese Medaillons
sind mit einer dreizeiligen Kufi -Inschrift versehen,
die den Künstler Abu Ja³far nennt. Gefäßstempel
mit Kufi -Inschrift befi nden sich unter anderem in
der Al Sabah Collection in Kuwait (Carboni
2001, 282, cat. nr. 3.49a – c). Eines der Gefäße enthält
Medaillons, ähnlich denen der hier ausgestellten
Flasche, mit einer Inschrift, welche »die Arbeit«
eines anderen Künstlers erwähnt (ibid., cat.
nr. 3.49b). Stefano Carboni hat diese gestempelten
Medaillons als syrisch eingeordnet und ins
8. bis 9. Jahrhundert datiert. Der kugelrunde Körper
dieser Flasche spricht ebenfalls für eine früh-
islamische Datierung und eine Zuordnung in die
Region Syrien, da ihre Form unter spätrömischen
Gläsern des ostmediterranen Raumes (Küstenregionen
des heutigen Syrien, Libanon, Israel
und Ägypten) vorkommt (Carboni 2001, 15 – 16,
26 – 27 und 39 – 42). Dennoch mag das Stempeln
von Gefäßen die Fortsetzung einer sassanidischiranischen
Tradition gewesen sein. Es lässt sich
kaum beweisen, dass diese Flasche, welche die
Charakteristika zweier bedeutender Traditionen
aus vorislamischer Zeit mit dem urtypischen
Merkmal islamischer Kunst – der Schrift – verbindet,
auf iranischem Gebiet von einem syrischen
Künstler hergestellt wurde. Möglich wäre auch,
dass ein iranischer Künstler ein aus Syrien oder
Mesopotamien in den Iran importiertes Objekt
nachbildete, oder dass die Flasche in Syrien von
einem Künstler hergestellt wurde, der mit iranischen
Kunsttraditionen vertraut war und diese
in sein Werk einfl ießen lassen wollte. Wo, wann
und von wem auch immer sie hergestellt wurde –
diese Flasche ist aufgrund ihres hervorragenden
Erhaltungszustandes und der Fragen, die sie aufwirft,
von Bedeutung. LA
167

120
121
122
168
Türkise Flasche
Iran, 9.–10. Jahrhundert
Glas, frei geblasen, bearbeitet im Reliefschnitt
Höhe 14,1 cm
AKM 00657
Publiziert: AKTC 2009a, 167; AKTC 2009b, 167
Türkise Flasche mit Applikationen und
Glasfadendekor
Iran, 12. Jahrhundert
Glas, in der Form geblasen, Applikationen und
Fadendekor
Höhe 23 cm
AKM 00661
Publiziert: AKTC 2009a, 167; AKTC 2009b, 167
Flasche mit langem Hals und Relief in
Schnittdekor
Wahrscheinlich Iran, spätes 9.–10. Jahrhundert
Glas, frei geblasen, bearbeitet im Facettenschnitt
Höhe 19,1 cm
AKM 00646
Publiziert: AKTC 2009a, 167; AKTC 2009b, 167
120
121 122

123 Flasche
Großiranischer Raum, 10.–11. Jahrhundert
Glas, in der Form geblasen, Applikationen
Höhe 28 cm
AKM 00648
Publiziert: AKTC 2007a, 93 (Nr. 61);
AKTC 2007b, 86 und 90 (Nr. 61);
AKTC 2009a, 169; AKTC 2009b, 169
Diese ungewöhnliche honiggelbe, in der Form geblasene
Glasfl asche ist in zwei Dekorregister aufgeteilt.
Das untere Register ist mit einem Omphalosmuster
und Palmetten ausgefüllt, während das
obere konzentrische Herz- oder Rautenformen aufweist.
Zwei kleine Henkel, eher Ösen, sind an der
Schulter angebracht. Glas in der Form zu blasen
war eine römische Technik, die später im gesamten
islamisch-mediterranen Raum übernommen wurde.
Zunächst wird ein Bronze-, Terracotta- oder
Lehmmodel mit dem gewünschten Muster in
Negativform auf der Innenseite hergestellt. Dann
führt der Glasbläser einen Glasklumpen (Vorformling)
an der Glasbläserpfeife in den Model
ein und bläst diesen auf, bis er die Vertiefungen
im Muster ausfüllt. Das Objekt wird aus der Form
entfernt und nochmals geblasen, dann mit einem
Nabeleisen entfernt und gehalten, um es zu veredeln.
Obwohl es sich, im Vergleich zur Schnitttechnik,
um eine kostengünstige und einfache
Herstellungsmethode handelt, war das Formblasen
doch ein komplexer Prozess, der erhebliches
Geschick und Kreativität erforderte (siehe Carboni
2001, 197 für eine vollständige Beschreibung
dieser Technik).
Mittelalterliche Metallformen für islamische
Keramik in Originalgröße sind nicht bekannt.
Für die Glasherstellung hingegen sind zwei Metallmodel
erhalten, die 2001– 2002 ausgestellt wurden
(Carboni – Whitehouse 2001, 84 – 85, Nr. 10 –11).
Die hier gezeigte Flasche wurde wahrscheinlich in
einem zweiteiligen Model hergestellt, der zunächst
zusammengefügt und nach dem Einblasen des
Vorformlings wieder auseinandergenommen wurde.
Anschließend wurde das Muster außerhalb
des Models veredelt. Einerseits hat das Objekt
von der Form her einige Ähnlichkeiten mit einer
Reihe von viel kleineren, einhenkligen Flaschen
in Tropfenform aus Mesopotamien im 9. Jahrhundert.
Andererseits zeigen verschiedenfarbige
Glas fl aschen des 10. bis 12. Jahrhunderts aus dem
Iran die Omphalos- und Blattmuster (siehe Carboni
2001, 210 – 229, cat. 53a, 59 und 62). AF / LA
169

124
125
126
170
Drei epigraphisch verzierte
Keramikgefäße
Krug
Ostiranischer Raum, Khorasan (Nishapur, Iran)
oder Transoxanien (Samarkand, Usbekistan),
Ende 9.– Anfang 10. Jahrhundert
Irdenware, weiße Engobe mit schwarzer
Engobenmalerei unter transparenter Glasur
Höhe 19,8 cm
Inschrift (arabisch): baraka li-sahibihi (»Segen
für seinen Besitzer«)
AKM 00544
Publiziert: AKTC 2007a, 174 (Nr. 148);
AKTC 2007b, 174 (Nr. 148); AKTC 2008a,
274 – 275 (Nr. 107); AKTC 2009a, 170;
AKTC 2009b, 170
Teller
Taschkent, Ende 9.– Anfang 10. Jahrhundert
Irdenware, weiße Engobe mit schwarzer
Engobenmalerei unter transparenter Glasur
Ø 34,9 cm
Inschrift (arabisch):
(in Dunkelbraun) al-fud min ajlaq ahl al-fanna
(»Großzügigkeit gehört zu den Eigenschaften der
Paradiesbewohner«)
(zwischen zwei tropfenförmigen Ornamenten
in Rot) as-sala[ma] (»Unversehrtheit«)
AKM 00546
Publiziert: AKTC 2007a, 174 (Nr. 149); AKTC
2007b, 175 (Nr. 149); Makariou 2007, 176 –177
(Nr. 62); AKTC 2009a, 171; AKTC 2009b, 171;
Ilyasova – Imamberdyev 2005, 93 Abb. 4
Teller
Ostiranischer Raum (Khorasan oder Transoxanien),
9.–10. Jahrhundert
Irdenware, schwarze Engobe mit weißer
Engobenmalerei unter transparenter Glasur
Ø 33,5 cm
Inschrift (arabisch):
iyyaka wa-l-ahmaq la tu³aširuhu wa-t-ta²ih
al-mu³fab la tufawiruhu. Bi-l-baraka (»Hüte
dich vor dem Narren, verkehre nicht mit ihm
und bleibe dem verwirrten Bewunderer fern.
Mit Segen«)
AKM 00545
Publiziert: AKTC 2007a, 174 (Nr. 150); AKTC
2007b, 175 (Nr. 150); Makariou 2007, 178 –179
(Nr. 63); AKTC 2009a, 171; AKTC 2009b, 171
124
Der Krug und die beiden Schalen gehören zu den
schönsten Beispielen khorasanischer und transox
anischer Keramikwaren des 9. und 10. Jahrhunderts.
In dieser Zeit erfuhren Samarkand,
Nishapur und Bukhara eine wirtschaftliche und
kulturelle Blüte unter den persischen Samanidenherrschern
(819 – 1005) (Makariou 2007, 197,
Anm. 1). Die Samaniden waren Schirmherren
einer vielfältigen Keramikproduktion. Kalligraphisch
verzierte Engobenwaren wie diese hier
gezeigten Stücke werden Produktionszentren wie
Nishapur und Afrasiyab (das alte Samarkand) zugeschrieben
und waren sicherlich für den lokalen
Markt bestimmt. Man fi ndet sie nicht in Ausgrabungen
im Westiran oder in Rayy. Die Gefäße erhielten
einen Überzug aus farbigem Ton, um eine
blanke Oberfl äche zu erzeugen, auf der eine Inschrift
geschrieben werden konnte. Das einzige
Dekorelement auf diesen Gefäßen ist die arabische
Schrift. Sie gilt traditionell als höchste Form der
islamischen Kunst, da sie das Wort Gottes übermittelt.
Die meisten Waren, die den Werkstätten
dieser Gegend zugeordnet und ins 9. bis 10. Jahrhundert
datiert werden, sind mit einer weißen
Engobe und dunkelbrauner Schrift versehen.
Aber auch Gefäße mit invertiertem Dekor (siehe
Kat. Nr. 126) kommen vor (Makariou 2007, 197
Anm. 6). Die ästhetische Wirkung dieser Gefäße
entfaltet sich durch den Farbkontrast in Verbindung
mit der Schlichtheit und Perfektion des kalligraphischen
Ornaments.
In einer Zeit, als die Oberfl ächendekoration
von Objekten eine reiche Ornamentik entwickelte,
beherrschten die samanidischen Künstler meisterhaft
die Kunst der Reduktion (ibid., Anm. 7). Aus
einfachsten Mitteln und Materialien entstanden
Engobenverzierungen in Farben und Texturen
von noch nicht dagewesener Finesse. Schlichte,
funktionale Waren wurden zu faszinierenden
Objekten von asketischer Schönheit für einen erlesenen
Kundenkreis. Die Inschriften beinhalten
typische fromme Aphorismen, die dem Besitzer
gelten. Sie vermitteln einen fl üchtigen Eindruck
von einer Gattung der arabischen Literatur, von
der aus dieser Zeit keine Handschriften erhalten
sind. Die Formen der Objekte wurden wahrscheinlich
von zeitgenössischen iranischen Silberwaren
übernommen. AF / LA

125
126
171

127
128
129
172
Drei Engobenteller
Teller
Ostiranischer Raum, 10. Jahrhundert
Irdenware, polychromer Engobendekor unter
transparenter Glasur
Ø 28 cm
AKM 00543
Publiziert: AKTC 2007a, 139 (Nr. 106); AKTC 2007b,
141 (Nr. 106); AKTC 2009a, 172; AKTC 2009b, 172;
Ilyasov 2008, 7 Fig. 3
Teller
Ostiranischer Raum, 10. Jahrhundert
Irdenware, polychromer Engobendekor unter
transparenter Glasur
Ø 32,8 cm
Inschrift (arabisch): al-fud min ajlaq ahl al-fanna
(»Großzügigkeit gehört zu den Eigenschaften
der Paradiesbewohner«)
AKM 00541
Publiziert: AKTC 2007a, 174 (Nr. 147); AKTC 2007b,
170, 173 (Nr. 147); AKTC 2009a, 172; AKTC 2009b,
172; Ilyasov 2008, 7 Fig. 4
Schale
Nordostiran, 10. Jahrhundert
Irdenware, polychromer Engobendekor unter
transparenter Glasur
Höhe 11,5 cm; Ø 31 cm
AKM 00542
Publiziert: AKTC 2009a, 172; AKTC 2009b, 172
127
Wie die mono- oder bichromen sind auch die polychromen
Engobenwaren des 10. und 11. Jahrhunderts
von einer außergewöhnlichen Qualität.
Diese zentralasiatische Keramikgruppe unterscheidet
sich durch einen Hintergrund in Braun
oder verschiedenen Grautönen, auf dem fi gürliche,
epigraphische und abstrakte Motive ein dichtes
und farbenreiches Muster erzeugen. Gelb-, Braun-
und Rottöne sind dabei vorherrschend. Ein weiteres
Charakteristikum sind weiße (siehe Kat. Nr.
127), rote oder olivgrüne Punkte (siehe Kat. Nr.
128) vor einem kontrastfarbenen Hintergrund sowie
ganz in Weiß gehaltene Muster und Flächen.
Während in den mono- und bichromen Waren
der Samaniden (Kat. Nr. 124 – 126) Tierfi guren
kaum und menschliche Darstellungen gar nicht
vorkommen, sind in dieser polychromen Gruppe
Tierdarstellungen am häufi gsten vertreten, unmittelbar
gefolgt von epigraphischen Mustern. Hierzu
gehört wahrscheinlich auch das einzigartige
Fragment mit einer Lautenspielerin in der Al Sabah
Collection (Watson 2004, 240 – 241). Der Ursprung
dieser Gruppe wird in Zentralasien, wohl
in der Gegend von Maimana in Nordafghanistan,
vermutet (Watson 2004, 223). Archäologische
Funde aus Budrach im Südosten Usbekistans
konnten diese Vermutung untermauern (Ilyasov
2008, 7): Ein Teller aus der Grabung enthält den
gleichen schwarzen Randstreifen mit weißer,
pseudo-kufi scher Schrift wie der Teller mit einem
großen stilisierten Pfau (Kat. Nr. 127). Mit einem
Krug im Archäologischen Museum von Termez,
der gleichfalls aus der Provinz Surkhandarya im
Südosten Usbekistans stammt, hat der Pfauen-
teller des AKM nicht nur das pseudokufi sche
Schriftband gemeinsam, sondern auch die Vogeldarstellung
(Ilyasov 2008, 8 Fig. 10 und 11). Das
Hauptmotiv des kalligraphisch verzierten Tellers
(Kat. Nr. 128) bildet ein Sinnspruch auf der Wandung,
der konzentrisch um ein abstraktes Knotenband
auf dem Spiegel arrangiert ist. Auch in diesem
Fall lässt sich – vor allem in der Schrift – eine
Ähnlichkeit zu dem Teller aus Budrach feststellen.
Ein Produktionsort könnte Chaghaniyan sein,
die Hauptstadt des gleichnamigen Gebietes südlich
von Samarkand, das die Muhtajiden im 10.
Jahrhundert als Gouverneure für die Samaniden
und im frühen 11. Jahrhundert für die Ghaznawiden
regierten und während dieser Zeit zu einer
beachtlichen Blüte brachten (Ilyasov 2008, 9).
Das letzte Stück aus dieser Gruppe (Kat. Nr.
129) zeigt Verbindungen zu den reich ornamentierten,
dreifarbig bemalten Samanidenwaren
des 10. Jahrhunderts (vgl. Watson 2004, 225 Cat.
Gb.8). Die abgefl acht konische Schale mit schmalem
Ringfuß ist mit einer weißen Engobe überzogen
und mit Motiven in Dunkelorange, Grün und
Dunkelbraun bemalt. Der Dekor besteht aus vier
ornamentierten Palmettblättern, die sich auf der
Wandung mit abstrakten Kufi -Schriftzeichen
abwechseln (wahrscheinlich zu lesen als »gutes
Glück«), sowie aus einem kreisrunden Flechtband
mit abstraktem Spiralenrankenmotiv im Spiegel.
Stilisierte Blätter und tropfenförmige Motive füllen
die übrigen Zwischenräume aus, während eine
Borte aus gleichmäßigen Halbkreisen den Dekor
außen am Schalenrand abschließt. VD

128
129
173

130 Balken mit Kufi -Inschrift
Der Balken erinnert an ähnlich geschnitzte Holz-
Nordwestiran, 12.–13. Jahrhundert
tafeln von Moscheekanzeln (sing. minbar) oder
Geschnitztes Holz
Gebetsnischen (sing. mihrab) im seldschukischen
239 x 20,8 cm
Iran. In diesen Fällen lautet die Inschrift in der
Inschrift (arabisch): li-l-malik (»für den König«) Regel »Die Herrschaft ist Gottes«. Koranverse
und li-l-mulk (»für das Königtum«) oder al-mulk oder Lobpreisungen auf den Herrscher in blühen-
(»Herrschaft«), wiederholt
AKM 00630
Publiziert: AKTC 2007a, 189 (cat. F); AKTC 2007b,
191 (cat. F); AKTC 2008b, Nr. 14; AKTC 2009a, 174;
AKTC 2009b, 174
131 Mongolisches Gewand
Das taillierte Gewand mit ausgestelltem Rock und
Iran oder Zentralasien, mongolische Periode, einem seitlichen Verschluss aus kleinen Knöpfen
13.–14. Jahrhundert
ist ein bemerkenswertes Beispiel für mittelalterlich-
Seidenbrokat oder Lampas
islamische Prunkkleidung. Auf unzähligen mongo-
Länge 140 cm
lischen Albumblättern fi ndet man Zeichnungen,
AKM 00677
in denen die abgebildeten Figuren ähn liche Ge-
Publiziert: AKTC 2007a, 186 –187 (cat. B);
wänder mit langen Ärmeln und einer Knöpfung
AKTC 2007b, Frontispiz und 190 (cat. B);
an der rechten Seite tragen. Die Ärmel sind über-
Makariou 2007, 48 – 49 (Nr. 13); AKTC 2009a, lang und wurden demnach geschoppt getragen.
174 –175; AKTC 2009b, 174 –175
Dieses Detail fi ndet man durchgängig in den ilkhan
idischen Handschriftenillustrationen, beispielsweise
in dem großartigen, heute zerstreuten
mongolischen Schahname oder in den Illustrationen
der Universalgeschichte des Rashid ad-Din
(sogenannte »Diez-Alben«). Das langärmlige Gewand
wurde als Unterkleid unter einem ärmellosen
Mantel getragen, der ebenfalls rechts mit
Bändern geschlossen wurde. Das Modell stammt
ursprünglich möglicherweise aus China. Man fi ndet
es auf Yuan-Objekten (die Yuan waren eine
alte chinesische, mit den mongolischen Ilkhanen
verbündete Dynastie), unter anderem in einem
Mandala auf einem Seidenteppich (kesi), das eine
Darstellung des Yuan-Herrschers Togha Temür
(1328 –1332) und seines Bruders Khoshila zeigt
(Makariou 2007, 55, Anm. 75). Nur selten, etwa
in Trauer szenen, wird ein derartiges Gewand ohne
den Übermantel dargestellt. Eine Ausnahme bildet
eine Abbildung im mongolischen Schahname des
Louvre (ibid., Anm. 76–77).
Zweifelsohne war das gezeigte Kleidungsstück
ein Zeremonialgewand (ibid., Anm. 78). Die komplexe
Webart – wahrscheinlich ein Lampas-Gewebe
aus Seide – weist es einer Gruppe von Gewändern
zu, die in mittelalterlichen europäischen
Inventarlisten sämtlich als panni tartarici bezeichnet
werden. Diese prunkvollen Stoffe sind für den
Zeitraum zwischen 1295 (London, St. Paul's
174
dem Kufi sind auf vegetabilem Grund aus ganzen
Palmetten und geteilten Palmettblättern geschnitzt,
häufi g im Schrägschnitt-Stil, welcher der abbasidischen
Hauptstadt Samarra (im Iraq) zugeordnet
wird. Zahlreiche Beispiele tragen auch Künstlersignaturen.
LA
Cathedral) und 1380 (Inventar Charles V.) dokumentiert.
Leider sind die Inventare nicht sehr
detailreich, sodass es nach wie vor schwierig ist,
einzelne Stücke bestimmten Produktionszentren
zuzuweisen. Dieses Gewand fügt sich in die spezielle
Gruppe mit Medaillonmustern ein. Das Musterschema
dieser Textilien gibt eine Aufteilung in
verschiedene Dekorfelder vor; es fi ndet in Inventaren
zwischen 1311 (Inventar von Papst Clemens V.)
und 1361 (Inventar des Vatikan) Erwähnung.
Einige Unterschiede bestehen jedoch zu unserem
Gewand: Erstens fehlen die ansonsten verwendeten
fi gürlichen Motive. Und zweitens befi ndet sich
rund um die großen, gebogten Kreise eine Pseudoinschrift,
hell hervorgehoben gegenüber der
Grundfarbe des Gewandes. Im Zentrum dieser
Kreise ist mit kontrastierendem grau-grünem
Faden eine sechsblättrige Rosette eingewebt.
Die Pseudoinschrift könnte auf eine Herkunft
aus dem iranischen Küstengebiet oder dem islamischen
Zentralasien deuten, was sich durch technische
Analysen bestätigen ließe.
Panni tartarici befi nden sich in abendländischen
Kirchenschätzen, jedoch handelt es sich bei diesem
Stück um das einzige, das in seinem originalen
Schnitt erhalten ist. Ein ähnlicher kurzer Mantel
wurde 1960 im chinesischen Urumqi (Xinjiang)
entdeckt (ibid., Anm. 79). Solche Stoffe, die sich
in säkularen und kirchlichen Sammlungen der
westlichen Welt befanden, beeinfl ussten die Muster
von gotischen Seiden in Italien (ibid., Anm. 80).
Dieses Gewand ist ein Beispiel für den Einfl uss
Chinas auf die islamische Welt und zugleich dafür,
welche wertvollen Anstöße Erzeugnisse aus dem
islamischen Kunst- und Kulturkreis für die Herstellung
von Luxusstoffen in Europa, vor allem
in Lucca, gaben. SM

175

132
176
Zwei Bamiyan-Schalen
Modelgeformte Schale mit Sternmotiv
Ostiranischer Raum, 12.–13. Jahrhundert
Quarzfritte mit Modeldekor und Blau und Purpur
in transparenter Glasur
Ø 25 cm
AKM 00553
Publiziert: AKTC 2009a, 176; AKTC 2009b, 176
133 Modelgeformte Schale mit Medaillon
Ostiranischer Raum, 12.–13. Jahrhundert
Quarzfritte mit Modeldekor und Blau und Purpur
in transparenter Glasur
Ø 18,8 CM
AKM 00563
Publiziert: AKTC 2009a, 176; AKTC 2009b, 176
Die sogenannten Bamiyan-Waren zeichnen sich
aus durch einen äußerst fragilen Scherben, der
zur Rissbildung im Brennprozess führt, einen im
Model geformten Dekor und fl ach reliefi erte Inschriften
unter einer farblos transparenten Glasur,
die farblich akzentuiert sein kann (Watson 2004,
327). Beide Schalen sind mit einem geometrischen
Muster im Spiegel versehen, wobei die eine Schale
ein verschlungenes Sternmuster (Kat. Nr. 132)
und die andere ein verwobenes Medaillonmuster
(Kat. Nr. 133) enthält. Die beiden Stücke sind auf
dem Rand mit regelmäßig verteilten, kobaltblauen
und manganfarbenen Überlauftupfen bemalt, um
gegenüber dem modelgeformten weißen Grund
gefällige Akzente zu setzen. Die Wandung der
Schale Kat. Nr. 132 ist mit einem kursiven Schriftband
– vermutlich mit persischen Versen – überzogen,
auf der Wandung der Schale Kat. Nr. 133
verläuft ein abstraktes Blattmotiv unterhalb eines
vegetabilen Frieses. Die drei erkennbaren Abdrücke
auf dem Spiegel der ersten Schale bilden ein
typisches Merkmal der Bamiyan-Waren und sind
ein Zeichen dafür, dass die Waren mit Brenndreiecken
im Ofen gestapelt wurden. Unzählige intakte
Bamiyan-Waren sind in den letzten Jahren in den
internationalen Kunsthandel gekommen. Die
Nasser D. Khalili Collection in London umfasst
eine große Sammlung dieser Waren. LA

134 Modelgeformte Flasche mit Reitern
Iran, 12. Jahrhundert
Quarzfritte, Modeldekor mit transparenter und
farbiger Überlaufglasur
Höhe 35,5 cm
AKM 00552
Publiziert: Tokyo 1980, Nr. 221; AKTC 2007a, 149
(Nr. 117); AKTC 2007b, 152 (Nr. 117); Makariou
2007, 64 – 65 (Nr. 18); AKTC 2008a, 234 – 235
(Nr. 91); AKTC 2009a, 177; AKTC 2009b, 177
Diese kugelbauchige Flasche mit schlankem, am
oberen Ende korbartig erweitertem Hals ist mit
einem ungewöhnlichen, stark erhaben geformten
Motiv versehen. Der feine silikathaltige Ton, der
im Iran seit etwa 1100 verwendet wurde, ist mit
einer transparenten Glasur überzogen, der kobaltblaue
und türkise Überlaufglasur zugesetzt wurde.
Den Bauch der Flasche ziert ein dichter fi gürlicher
Dekor, der eine Löwenjagdszene darstellt. Mehrere
Reiter, zwischen denen Gefolgsmänner mit wilden
Tieren kämpfen, bilden dabei einen zusammenhängenden
Fries. Der Raum zwischen den Figuren ist
mit Vogel- und Pfl anzenmotiven ausgefüllt – die
dicke Glasur verdeckt einige der feinen Dekor details.
Das Thema der Löwenjagd – einer fürstlichen
Jagd par excellence – fi ndet sich auch auf einem Becher,
der jüngst vom Louvre erworben wurde, sowie
auf einem ähnlichen Becher im Riza-i Abbasi Museum
in Teheran (Makariou 2007, 87, Anm. 9 –10).
Das korbartig geformte Endstück des Halses
mit erhaben ausgearbeiteten Köpfen und einem
gebogten Rand fi ndet man auch bei einigen iranischen
Stücken der vormongolischen Periode (ibid.,
Anm. 11). Das Gesichtsmotiv lässt an erhaben gearbeitete
Darstellungen gekrönter Persönlichkeiten
denken. Vergleichbare glasierte Keramikfi gurinen
bzw. unglasierte modelgeformte Figurinen in
Flachrelief wurden bei Ausgrabungen in Shushan
gefunden (ibid., Anm. 12 –13).
Die großartige Vitalität des Dekors macht diese
Flasche zu einem echten Meilenstein der vormongolischen
Keramik, auch wenn die Erzählung, die
hinter der bildlich dargestellten Löwenjagd steht,
bis heute nicht bekannt ist. CJ
177

135 Monumentale Vase
Diese Vase von monumentalem Ausmaß zeigt das
Zentraliran, 13. Jahrhundert
technische Können der iranischen Töpfer. Es gibt
Quarzfritte mit türkiser Glasur
einige wenige vergleichbare Stücke, die sich alle
Höhe 71 cm
durch ihre große Abmessung, die gleichmäßig
AKM 00566
türkise Glasur und durch die Mischung von ge-
Publiziert: AKTC 2007a, 78 – 79 (Nr. 48);
modelten und eingeritzten Mustern hervorheben.
AKTC 2007b, 76 – 77 (Nr. 48); AKTC 2008a, 114 –115
(Nr. 37); AKTC 2009a, 178; AKTC 2009b, 178
Der Dekor ist in horizontale Register aufgeteilt
178
und enthält in einem gemodelten Schriftband um
den Hals Segenssprüche in arabischem Naskhi-
Duktus. Um die Schulter verläuft ein modelgeformter
Fries aus schreitenden Tieren und einer
Weinranke. Eingekerbte Bänder und ein Schuppenmuster
auf der unteren Hälfte schließen den
Dekoraufbau ab. AF

136
Schreibzeug aus Bronze mit Gold- und
Silbertauschierung
Schreibkasten
Nordwestiran oder Anatolien, circa 1300
Bronze, mit Gold und Silber tauschiert
19,4 x 4,5 cm
AKM 00609
Publiziert: AKTC 2007a, 124 (Nr. 90); AKTC 2007b,
127 (Nr. 90); Makariou 2007, 166 –167 (Nr. 59);
AKTC 2008a, 188 (Nr. 69); AKTC 2009a, 179;
AKTC 2009b, 179
137 Tintenfass
Iran, Khorasan, zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts
Kupferlegierung in Formguss, ziselierte Verzierung
mit Silbertauschierung
Höhe 8,5 cm; Ø 10,4 cm
AKM 00604
Publiziert: Makariou 2007, 162 –163 (Nr. 57);
AKTC 2008a, 188 –189 (Nr. 70); AKTC 2009a, 179;
AKTC 2009b, 179
Kunstvoll dekorierte Metallschreibkästen und
Tintenfässer gehören zu den edelsten Schreibutensilien
des Mittelalters. Schreibkästen waren an einem
islamischen Hof sowohl von praktischer als
auch von symbolischer Bedeutung. Sie dienten als
kompakte und oft herrlich dekorierte Behälter für
Schreibwerkzeug, konnten aber auch als Insignien
eines bestimmten Amtes oder ganz allgemein
herrscherlicher Macht dienen. Dieser luxuriöse
Kasten mit einer üppigen Verzierung aus kostbarer
Gold- und Silbertauschierung sowie eingravierten
geometrischen, fl oralen und vegetabilen
Motiven dürfte einer hochrangigen Person, vielleicht
sogar einem Fürsten gehört haben.
Schreibrohr und Tintenfass (dawat [Baer 1981,
203 – 204] oder mihbara) gehören zu den unverzichtbaren
Accessoires eines Schreibers und Kalligraphen.
Mit der Schrift (jatt) als Hauptthema
der Verzierung auf dem Tintenfass (Kat. Nr. 137)
bilden hier Dekor und Funktion eine harmonische
Einheit. Der Rand und die Oberseite des Deckels
sind mit arabischen Segenswünschen in Kufi und
in einer Kursivschrift versehen. Auf dem Deckelrand
ist zweimal zu lesen: »al-yumn wa-l-baraka«
(»Glück und Segen«) und auf der Flachseite: »al-
³izz wa-l-iqbal wa-d-daula wa-s-sa³ada wa-s-salama
wa-l-³inaya« (»Kraft, Wohlergehen, Macht, Glück,
Wohlbehalt und Fürsorge«). Auf dem Gefäß selbst
ist der Dekor in drei übereinander stehenden Ebenen
arrangiert. Arabische Segenswünsche in Kursivschrift,
unterbrochen von Medaillons, umfassen
einen Figurenfries. Zweimal wird folgende Formel
wiederholt: »al-³izz wa-l-iqbal wa-d-daula wa-ssa³ada«
(»Kraft, Wohlergehen, Macht und Glück«).
In das Behältnis wurde ein gläsernes Tintenfass gestellt,
das in der Regel mit schwarzer Tinte befüllt
war. Im islamischen Mittelalter wurden hauptsächlich
drei Arten von schwarzer Tinte hergestellt,
deren Rezeptur man dank schriftlicher Überlieferungen
von Kopisten und Kalligraphen kennt.
Die erste Tinte ist eine Rußtinte (midad), die zweite
wird auf Basis von Galläpfeln mit Metall her gestellt
(hibr) und die dritte ist eine Mischung aus den
beiden Ersteren (Déroche 2000, 120 –121). AC
179

138 Räuchergefäß in Form eines Junghahns
180
Iran, 11. Jahrhundert
Bronze, kupfertauschiert
Höhe 28 cm
AKM 00602
Publiziert: AKTC 2007a, 84 – 85 (Nr. 54);
AKTC 2007b, 82 – 83 (Nr. 54)
Genau wie das andalusische Räuchergefäß in Taubenform
(Kat. Nr. 56) diente auch dieses im khorasanischen
Stil gearbeitete Bronzegefäß zur Parfümierung
von Räumen mittels Räucherwerk. Die
Augen des hier gezeigten Objektes in Form eines
jungen Hahns sind mit Türkis-Perlen eingelegt.
Türkis galt als Abwehr gegen den »bösen Blick«
und als Schutz für den Besitzer. Interessanterweise
befi ndet sich am Schwanzende des Junghahns ein
zweiter Vogelkopf. Das Räuchergefäß ist mit technischer
Versiertheit gestaltet; über eine Öffnung am
Bauch wird der Weihrauch eingefüllt. Ein darunter
hängendes Schälchen verschließt die Öffnung, um
das Gefäß wieder aufrecht stellen zu können. A.F.

139 Kelch mit kugelförmigem Bauch
Dieser kleinformatige Kelch oder Krug besteht
und Segensinschriften
aus einem gedrungenen kugeligen Körper, einem
Gearbeitet von Yahya ibn Yusuf
okto gonalen, sich leicht öffnenden Hals und einem
Großiranischer Raum, 14. Jahrhundert?
hexagonal facettierten Fuß. Um den Hals herum
Messing, gegossen und getrieben, nielliert und rahmen zwei Inschriftenbänder in arabischem
graviert
Naskhi einen Palmettenfries ein. Der Bauch ist in
Höhe 14,5 cm; Ø 10 cm
diagonal verlaufende, durch Rillen getrennte Bän-
Inschrift (arabisch):
der aufgeteilt. Jedes zweite Band wird von einem
(oberes Band) al-³izza ad-da²ima wa-l-iqbal al-³izza Spiralrankenmotiv mit geteilten Palmetten verziert.
ad-da²ima wa-d-da²ima ... wa-d-da²ima (»ewig- Ein vegetabiles Muster füllt auch die Facetten des
währende Macht und Wohlergehen und ewige Fußes, dessen Basis mit einem sechszackigen
ewige ewige Macht«)
Flechtbandstern versehen ist, ähnlich dem Siegel
(mittleres Band) al-baraka al-kamila an-ni³ma aš- Salomons. Auf der Unterseite des Gefäßes ist der
šamila wa-l-³izza ad-da²ima (»vollkommener Segen, Name des Künstlers Yahya ibn Yusuf eingraviert.
umfassende Gnade und ewigwährende Macht«) Der Hals ist mit zwei sich gegenüberliegenden
(unteres Band) al-baraka al-kamila an-ni³ma aš- tropfenförmigen Gravierungen versehen, die
šamila wa-l-³izz (»vollkommener Segen, umfassende wahrscheinlich als Befestigungspunkte für einen
Gnade und Kraft«)
wohl nie angebrachten Henkel gedacht waren.
(Unterseite) Yahya ibn Yusuf al-[Sa²ig?] (»Yahya ibn Ursprünglich wurde der Kelch aufgrund des
Yusuf der [Schmied?]«)
Schriftstils und der Form des Halbpalmettenmo-
AKM 00735
tivs dem nasridischen Spanien des 14. Jahrhun-
Publiziert: Geneva 1988, 284 (Nr. 295);
derts zugeordnet (Geneva 1988, 284). Nasridische
AKTC 2009a, 180; AKTC 2009b, 180
Metallarbeiten sind allerdings selten, und es existieren
keine Vergleichsstücke, die diese Zuordnung
zuverlässig stützen könnten. Der Kelch
scheint eher Merkmale mit mittelalterlichen Metallarbeiten
aus dem iranischen Raum zu teilen.
Die augenfälligste Gemeinsamkeit ist die Form;
exakte Parallelen gibt es jedoch nicht. Spätestens
seit dem 11. Jahrhundert zeigen iranische Metallarbeiten
eine Mischform, die im darauffolgenden
Jahrhundert zunehmend nuanciert wurde. Die
Verzierungen entwickelten sich im späten Mittelalter
von einer spärlichen Flächendeckung zu einem
dicht gefüllten epigraphisch-ornamentalen
Dekorprogramm. Ein teils vergoldeter und niello-
verzierter Krug im Museum für Islamische Kunst,
Berlin vermittelt mit seinem breiten, sich nach
oben erweiternden Hals einen ähnlichen Gesamteindruck
wie dieser Kelch im Aga Khan Museum,
besitzt jedoch nicht die achteckige Form oder
die Rillenaufteilung des Körpers. Das Stück wird
dem Iran des 12. Jahrhunderts zugeordnet (Atıl –
Chase – Jett 1985, 85, fi g. 32).
Gerillte und facettierte Wandungen kamen im
11. und 13. Jahrhundert im iranischen Raum (vor
allem im Nordwestiran und heutigem Irak) und
in Syrien durchaus vor (Baer 1983, 291), sie erscheinen
auf Metallkannen (Atıl – Chase – Jett
1985, 120-121, fi gs. 46, 49 [mit facettiertem Fuß])
und iranischen Kerzenleuchterbasen des 13. Jahrhunderts
(ibid., 113, fi gs. 42 – 44 und von Folsach,
319, Nr. 509). Einzelheiten der Ornamentik lassen
sich auch im Dekorprogramm bestimmter nordostiranischer
Waren des 12. und 13. Jahrhunderts
feststellen. Sie sind mit Inschriftenbändern auf
Hals und Schulter graviert sowie mit Medaillons
und fl oralen oder vegetabilen Motiven auf manchmal
nielloverziertem, jedoch meist leerem Grund
versehen (siehe beispielsweise den Krug in der
Sammlung des Muzim-i Rauza, Ghazni, Afghanistan,
in Melikian-Chirvani 1982, 65, Nr. 2). Da die
meisten Merkmale dieses Kelches zwar in mittelalterlich-iranischen
Metallarbeiten vorkommen,
jedoch sämtliche Charakteristika nie in einem einzigen
Objekt vereint sind, ist eine sichere Bestimmung
von Herkunft und Alter schwierig. Die
Identität des Herstellers müsste einmal untersucht
werden, um Angaben zum kulturellen Hintergrund
zu erhalten, vor welchem dieses Objekt
entstanden ist. Es befand sich vormals in der
Sammlung Jean-Paul Croisier, Genf. LA
181

140
141
142
143
144
182
Lüsterkeramik
Lüsterschale mit Reiter und Kamelen
Iran, spätes 12. – frühes 13. Jahrhundert
Quarzfritte, Lüstermalerei auf deckend weißer Glasur
Ø 17 cm
AKM 00557
Publiziert: AKTC 2008a, 232 – 233 (Nr. 90);
AKTC 2009a, 182; AKTC 2009b, 182
Lüsterschale mit Reitern
Iran, circa 1170 –1200
Quarzfritte, Lüstermalerei auf deckend weißer Glasur
Ø 17 cm
AKM 00558
Lüsterschale mit Thronszene
Iran, Kashan-Stil, spätes 12. – frühes
13. Jahrhundert
Quarzfritte, Lüstermalerei auf deckend weißer Glasur
Ø 17 cm
AKM 00559
Publiziert: AKTC 2007a, 182 (Nr. 159); AKTC 2007b,
186 (Nr. 159); Makariou 2007, 66 – 67 (Nr. 19)
Lüsterteller mit sieben Eintiefungen
Iran, spätes 12.– frühes 13. Jahrhundert
Quarzfritte, Lüstermalerei auf deckend weißer Glasur
Ø 31,1 cm
AKM 00739
Freundliche Leihgabe von
Prinzessin Catherine Aga Khan
Publiziert: Welch, Bd. II, 128; AKTC 2009a, 182;
AKTC 2009b, 182
Lüsterfl asche mit kalligraphischem Dekor
Iran, spätes 12.– frühes 13. Jahrhundert
Quarzfritte, Lüstermalerei auf deckend weißer Glasur
Höhe 21,5 cm
AKM 00560
Publiziert: AKTC 2009a, 182; AKTC 2009b, 182
Ab dem 12. Jahrhundert wurde im Iran Keramik
aus Quarzfritte hergestellt, die einen sauberen hellen
Untergrund zur Bemalung abgab. Zusätzlich zu
den vielen farbigen Transparent- und Opakglasuren
konnte nun auch Lüster zur Keramikverzierung
hinzugefügt werden. Zur Erzeugung eines eindrucksvollen
Glanzes wurde Lüster nach einem
ersten Brand auf die Glasur aufgetragen und dann
ein zweites Mal gebrannt. Die meisten dieser faszinierenden
Stücke gehören zu einer größeren Gruppe
von vormongolischen Lüsterwaren mit einem
Dekor, der als illustrativ oder bildlich klassifi ziert
werden kann (siehe Lentz – Lowry 1989, Kap. 2).
Oliver Watson prägte die Begriffe »Miniatur«- und
»Monumental«-Stil für die persischen Lüsterwaren
(Watson 2004). Zu den »Miniatur«-Waren gehören
zwei Schalen in der Sammlung des AKM (Kat.
Nr. 140 und 141). Auf der Schale mit Reiterfi gur
auf dem Spiegel (Kat. Nr. 140) zieht sich um die
Wandung eine Kamelkarawane, der eine einzelne
Person voran- bzw. hinterhergeht. Die andere
Schale (Kat. Nr. 141) zeigt Pferde und Reiter, die
sich im Kreis um einen weiteren Reiter bewegen.
Der »Monumental«-Stil zeigt sich hingegen auf
dem fl achen Teller (Kat. Nr. 142), und zwar in der
größeren Maßstäblichkeit des Sujets, einer mittig
sitzenden fürstlichen Gestalt in einem Gewand mit
unbeschrifteten Tiraz-Bändern. Sie wird von zwei
Dienern oder Beamten fl ankiert, die – ihrem niedrigeren
Rang entsprechend – kleiner dargestellt
sind. Wie üblich werden alle drei Personen mit
Aureolen dargestellt. Der Tradition des klassischen
Kashan-Lüster-Stils entsprechend, füllen die
Figuren die gesamte Tellerfl äche aus. Sie sind vor
einem dichten Hintergrund aus eingerollten Ranken
in Reserve gemalt. Der Künstler hat es meisterhaft
verstanden, den Gewändern mit einem großfl
ächigen Blumendekor Volumen zu verleihen,
was vor allem an den Knien der mittigen Gestalt
erkennbar ist.
140 141
Der Dekor auf diesen Stücken erinnert an fi gürliche
Darstellungen auf Frontispizen von Handschriften.
Jedoch erforderte die konkave Oberfl
äche von Schalen und tiefen Tellern andere
Konventionen zur Hintergrundfüllung solcher
Szenen. Auf der Kamelschale beispielsweise
(Kat. Nr. 140) stehen Reiter und Pferd vor einem
Hintergrund aus Blattranken. Diese zentrale Szene
wird von einem Band aus Weinranken umrahmt,
auf welches wiederum der Karawanenfries folgt.
Schachbrettartig gemusterte Bäume unterbrechen
in diesem Band den stetigen Rhythmus der sich
fortbewegenden Kamele. Dieser Typ von Lüster-
Keramik kann mit der fi guralen Mina²i- oder
Haft-rangi-Ware (»siebenfarbige« Ware) verglichen
werden, die ebenfalls aus dem vormongolischen
Iran stammt. In dieser Periode erlebte die
fi gürliche Kunst, die oft Darstellungen fürstlichen
Zeitvertreibs enthielt, vor allem in der Keramik
einen erheblichen Aufschwung. Obwohl ihre
Oberfl ächenbehandlung nicht ganz so fi gürlich ist,
haben die Flasche und der siebengeteilte Teller
(Kat. Nr. 143 und 144) einige Gemeinsamkeiten
mit den »Miniatur«-Waren und dem späteren
»Kashan«-Stil der persischen Lüsterwaren. Der
Hintergrund ist auf beiden Tellern in der für diese
Gruppe üblichen, fl ächendeckenden Weise ausgefüllt.
Der Dekor der Flasche (Kat. Nr. 144) besteht
aus Feldern, die mit Ranken und Rhomben
ausgefüllt sind. Sie wechseln sich mit Bändern aus
kalligraphischen Inschriften und pseudokalligrahischen
Ornamenten ab. Die sieben Vertiefungen
in dem Teller (Kat. Nr. 143) legen nahe, dass dieser
mit sieben Früchten garniert wurde oder die
sieben mit dem Buchstaben S beginnenden Zutaten
der traditionellen sufra-yi haft sin (wörtl.
»Tischtuch der sieben S«) enthielt. Diese servierte
man an Nowruz, dem persischen Neujahrsfest,
das am Datum der Tag- und Nachtgleiche im
Frühling stattfi ndet. LA

142 143
183

145
146
147
184
Architekturdekor
Architekturfl iese
Zentralasien, spätes 14.– frühes 15. Jahrhundert
Geschnitzte und glasierte Terrakotta
56 x 39 cm
AKM 00572
Publiziert: AKTC 2007a, 176 (Nr. 152a);
AKTC 2007b, 176 (Nr. 152a); AKTC 2008a,
278 – 279 (Nr. 110); AKTC 2009a, 185;
AKTC 2009b, 185
Muqarnas-Element
Großiranischer Raum (Zentralasien),
14.–15. Jahrhundert
Geschnitzte und glasierte Terrakotta
30 x 18,5 cm
AKM 00574
Publiziert: AKTC 2007a, 177 (Nr. 152c);
AKTC 2007b, 176 –177 (Nr. 152c); Makariou 2007,
96 – 97 (Nr. 31); AKTC 2009a, 185; AKTC 2009b,
185
Muqarnas-Element
Großiranischer Raum (Zentralasien),
14.–15. Jahrhundert
Geschnitzte und glasierte Terrakotta
31,5 x 23,5 cm
AKM 00573
Publiziert: AKTC 2007a, 177 (Nr. 152b);
AKTC 2007b, 176 –177 (Nr. 152b); AKTC 2009a,
185; AKTC 2009b, 185
Diese Keramikobjekte zeigen die Entwicklungen
in der Architektursprache der islamischen Welt,
deren Vorbilder ursprünglich aus der Antike und
dem alten Orient (Sassanidenreich) entlehnt wurden.
Sowohl im Westen als auch im Osten der
islamischen Welt entwickelten und verbreiteten
Baumeister Lösungen zur Verkleidung des Übergangs
vom quadratischen Grundriss zur runden
Überwölbung. Dazu erfanden sie das Muqarnas,
ein architektonisches Modul, dessen Ursprung
sehr kontrovers diskutiert und sowohl den Fatimiden
in Ägypten als auch den Großseldschuken im
Iran zugeordnet wird. Das Muqarnas entwickelte
sich aus einem rein architektonischen Modul für
Übergangsbereiche, wobei es eine statische Funktion
hatte, zu einem rein dekorativen Element.
Bald wurde aus dem Muqarnas eine repetitive
Konstruktion aus ganzen Stalaktitengruppen. Die
großartigsten Beispiele hierfür fi nden sich in den
Bögen der Alhambra im spanischen Cordoba des
14. Jahrhunderts (»Saal der zwei Schwestern« und
»Saal der Abencerrajes«) sowie später in Zentralasien
im Grabmal des Ahmad Yasavi (Yasi, im
heutigen Kasachstan).
146 147
Zwei der hier gezeigten Bauteile (Kat. Nr. 146
und 147) gehörten wohl einst zu ein und demselben
Muqarnasgewölbe. Zusammen mit dem dritten
Stück (Kat. Nr. 145) könnten die Teile an
der Fassade einer Moschee oder eines Mausoleums
angebracht gewesen sein. Eine große Anzahl
solcher Muqarnaselemente fi ndet sich am Shah-i
Zinda-Komplex in Samarkand, einer der prächtigen
Hauptstädte der Timuriden. Diese Dynastie
geht auf Timur (reg. 1370 –1405) aus dem türkisierten
Mongolenstamm der Barlas zurück. Gleichermaßen
als unerbittliche Herrscher bekannt,
waren er und seine Nachfolger bedeutende Kunstmäzene.
Die wunderschönen türkisen Bögen und
die kunstvoll gemusterten Fassaden timuridischer
Bauten gehören beispielsweise in Samarkand wie
selbstverständlich zum Stadtbild. Außer bei der
Konstruktion von Muqarnasgewölben zeigten die
Baumeister ihr virtuoses Talent auch in einer ganzen
Reihe anderer Techniken der Baukeramik,
darunter Muster aus glasierten Ziegeln (banna²i),
geschnitzte und glasierte Terrakotta, Fliesenmosaik,
Cuerda Seca, reliefgemodelte Fliesen
mit Unterglasurmalerei und sogar Lüster. SM / AF

145
185

148 Geschnitztes Holzpaneel mit Versen
des Hafi x
186
Iran, 15.–16. Jahrhundert?
Geschnitztes Holz
52 x 138 cm
AKM 00635
Publiziert: AKTC 2007a, 159 (Nr. 129); AKTC 2007b,
160 (Nr. 129); Makariou 2007, 194 –195 (Nr. 71);
AKTC 2008a, 250 – 251 (Nr. 98); AKTC 2009a,
186 –187; AKTC 2009b, 186–187
Das in zwei Reihen und sechs Felder aufgeteilte
Paneel weist eine starke Ähnlichkeit zu geschnitzten
Vertäfelungen mit Thuluth-Inschriften aus
der nordiranischen Provinz Mazandaran auf. Zwei
publizierte Stücke enthalten die Signaturen der
beiden Söhne eines Schreinermeisters, Ustad
Ahmad-i Sari. Das eine ist 1468 datiert und trägt
die Signatur »Husain, Sohn des Ustad Ahmad«
(Welch 1979, 130 –131). Das andere datiert 1494
und enthält die Signatur von »Šamsuddin, Sohn
des Ustad Ahmad« (Bivar – Yarshater 1978, pl.
65). Auch wenn dieses Paneel nicht von der Hand
eines dieser Holzschnitzer stammt, so ist allen drei
Paneelen die Art, in der die Hasten aufragen und
die darüberliegenden Zeilen durchdringen, sowie
die Anordnung der Worte in zwei übereinanderliegenden
Felderreihen gemeinsam. Die hier gezeigte
Tafel enthält, anders als die Vergleichsbeispiele,
Verse des berühmten Dichters Hafi z
(gest. 1389-90).
Erstes Register:
»Den Augen und Brauen meiner Geliebten habe
ich Herz und Seele anvertraut.
Komm, komm betrachte den Bogen und das Fenster!
Sag dem Paradieswächter: der Staub dieses Ortes
des Zusammentreffens […]«
Zweites Register:
» [...] zögere nicht in der Ausführung deiner
Aufgabe, gieße den Wein in den Becher!
Außer deiner Ausgelassenheit, deiner Vorliebe für
mondgesichtige Wesen,
was du tun musst: rezitiere Gedichte von Hafi z!«
(Lesung: C.-H. de Fouchécour 2006, 971– 972).
Dieses fragmentarisch erhaltene Paneel dürfte Teil
eines umlaufenden Schriftfrieses gewesen sein. Da
klassische persische Gedichte sowohl eine weltliche
als auch eine fromme Lesart zulassen, ist anzunehmen,
dass dieses Inschriftenpaneel wohl aus einer
der zahlreichen holzgeschmückten heiligen Stätten
in Mazandaran stammt. AF

187

149 Türfl ügelpaar mit geometrischer und
fl oraler Schnitzerei
188
Iran, Mazandaran (?), timuridisch, 892 H / 1487 AD
Geschnitztes Holz
189 x 106 cm
Inschrift (persisch): Amal-i Ustad bin Haffi Naffar
ba […] Darwiš ‘Ala²uddin, kar dar sana-yi 892
(»Arbeit des Meisters …, Sohn des Meisters
Hajji Najjar mit dem […] des Derwisch Aladin,
Arbeit vollendet im Jahr 892«)
AKM 00707
Publiziert: AKTC 2008b, Nr. 16; AKTC 2009a,
188; AKTC 2009b, 188
Dieses Objekt ist eines der schönsten Beispiele
seiner Art; es enthält typische Merkmale timuridischer
Holzschnitzereien, wie die tief und komplex
geschnitzten fl oralen Motive, welche aus der vorangehenden
Ilkhanidenperiode übernommen
wurden und an Motive chinesischer Lackarbeiten
erinnern, geometrische Muster, die in Nut-und-
Feder-Technik ausgeführt sind, Flechtbänder sowie
Inschriftenfelder mit Gebeten und den Angaben
zum Auftraggeber, zu den Handwerkern und zum
Herstellungsdatum. Mazandaran im Nordiran ist
bekannt für die dichten Wälder und das süß duftende
jalanf-Holz. In der Region wurden einige
Holzschnitzarbeiten aus dem 14. und 15. Jahrhundert
gefunden (Bronstein 1938, 2622). Die
Türfl ügel zeigen ähnliche Musterelemente wie
Türen derselben Periode in verschiedenen öffentlichen
und privaten Sammlungen. Ein Kenotaph
in der Khalili Collection ist von dem Meister
Šamsuddin Sari signiert und mit dem Jahr 902 H /
1496 AD datiert (London 2001, 218 –219). Andere
Türfl ügelpaare befi nden sich in der Art and
History Trust Collection, Houston (Soudavar 1992,
94, Nr. 34) und im Iranischen Nationalmuseum,
Teheran, signiert und datiert 846 H / 1442 AD
(London 1976, 292, Nr. 458). LA

189

© Henri Stierlin, Genf
Iran und Zentralasien Die Safawiden
Sheila Canby
Isfahan (Iran), Westiwan der Königsmoschee
Die Safawidenschahs des Iran waren nicht
nur die erste einheimische Dynastie, die das
Land nach fast einem Jahrtausend wieder einen
konnte. Sie waren auch diejenigen, welche
den schiitischen Islam als Staatsreligion
einführten. Die Institutionalisierung dieser
Glaubensrichtung hatte weitreichende Folgen
und stärkte bei den Iranern das Bewusstsein
für ihre religiöse und nationale Identität, mit
der sie sich von ihren sunnitischen Rivalen,
den Osmanen und Usbeken, distanzierten.
Im frühen 16. Jahrhundert beriefen die
safawidischen Maler sich noch auf die Kunststile
des turkmenischen Hofes in Täbris und
der Timuriden in Herat. Im späten 16. und
17. Jahrhundert etablierten sie die neue Tradition,
Blätter einseitig zu illustrieren, welche
gesammelt und dann zu Alben gebunden
wurden. Zu den Neuerungen bei Metallarbeiten
gehörten durchbrochene Stahlplaketten
(Kat. Nr. 151 und 152) und andere kleinformatige
Objekte. In der Keramik ließen sich
safawidische Töpfer von chinesischen Vorbildern
inspirieren. Fremdeinfl üsse zeigten sich
zu dieser Zeit im gesamten Kunstschaffen
der islamischen Welt.
Im 17. Jahrhundert verstärkte sich in der
Türkei, im Iran und in Indien das Interesse
für Porträtmalerei. Ein Auslöser dieser neuen
Mode war unter anderem der vermehrte
Import europäischer Drucke, darunter Porträts
von Königen und anderen hochrangigen
Persönlichkeiten. An den verschiedenen Höfen
entwickelten sich unterschiedliche Konventionen
in der Malerei von Fürstenporträts.
Die Safawidenschahs des Iran ließen sich
zum einen auf Papier und zum andern auf
den Wänden von Chehel Sotun, einem Königspalast
in Isfahan aus den 1640er-Jahren,
bei der Begrüßung von ausländischen Diplomaten
auf offi ziellen Empfängen darstellen –
sie demonstrierten damit ihre Vormachtstellung
und ihre Großmütigkeit.
191

150
192
Standarte (³alam)
Iran, spätes 16. Jahrhundert
Durchbrochenes Stahlblech mit gegossenen
Eisenapplikationen, genietet
Höhe 81,5 cm; Breite 32,5 cm
AKM 00679
Publiziert: Thompson – Canby 2003, 222;
AKTC 2007a, 178 –179 (Nr. 154a); AKTC 2007b,
180 –181 (Nr. 154a); Makariou 2007, 148 –149
(Nr. 52); AKTC 2008a, 282 – 283 (Nr. 112);
AKTC 2009a, 192; AKTC 2009b, 192
Zwei Stahlplaketten
151 Spitzovale Stahlplakette
Iran, zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts
Eisenlegierung, graviert und durchbrochen
Höhe 34,8 cm
AKM 00617
Publiziert: Makariou 2007, 152 –153 (Nr. 54);
AKTC 2008a, 66 – 67 (Nr. 13); AKTC 2009a, 193;
AKTC 2009b, 193
152 Längliche Stahlplakette
Iran, spätes 17. Jahrhundert
Eisenlegierung, durchbrochen
Länge 22 cm
AKM 00616
Publiziert: Makariou 2007, 154 –155 (Nr. 55);
AKTC 2008a, 68 – 69 (Nr. 14); AKTC 2009a, 193;
AKTC 2009b, 193
Obwohl Stahl hauptsächlich zum Schmieden von
Waffen und Rüstungen genutzt wurde, kam es
unter den Safawiden oft als Rohmaterial für
Druckplaketten und durchbrochene Standarten
zum Einsatz. Die Standarte aus dem Aga Khan
Museum be steht aus einem Stahlblech in Granatapfel-Form
mit zwei langen, geschweift auseinanderlaufenden
Fortsätzen, welche die beiden Spitzen
des du l-fi qar-Schwertes (eines Geschenks des
Propheten Muhammad an Imam Ali) andeuten.
Die große durchbrochene Mittelfl äche trägt eine
symmetrisch an der Vertikalachse gespiegelte Inschrift
und ist demnach von beiden Seiten lesbar.
Die Schrift hebt sich vor einem stilisierten Rankengrund
ab, dessen Muster ebenso gespiegelt ist.
Von oben nach unten verlaufend, kann der Text
folgendermaßen gelesen werden: »Ya Allah, Ya
Muhammad, Ya ³Ali« (»Oh Gott, Oh Muhammad,
Oh Ali«). Die Anrufung des Ali ergibt in der
Achsensymmetrie ihrer Buchstaben ein stilisiertes
Gesicht auf der unteren Hälfte der Dekorfl äche,
vielleicht das eines Löwen, des Symbols von Ali.
Das lam und das ya² in dem Wort Ali bilden die
Konturen, die beiden ³ain (der Name des Anfangsbuchstabens
von »³Ali«, der aber auch die
Bedeutung »Auge« hat) bilden die Augen und die
Vokativpartikel ya formen die Schnauze.
Mehrere mit Drachenköpfen geschmückte
Metall elemente sind auf die durchbrochene Platte
Diese Stahlplaketten gehörten vermutlich zu einer
größeren Komposition mit einer zentralen und
mehreren rahmend beigeordneten Plaketten. Eine
der Plaketten (Kat. Nr. 151) erscheint als mehrfach
gebogte Mandelform und enthält das schiitische
Glaubensbekenntnis: »La ilaha illa llah wa-
Muhammadun rasulu llah wa-³Aliyun waliyu llah«
(»Es gibt keinen Gott außer Gott und Muhammad
ist sein Prophet und Ali ist sein Gefährte«). Diese
Plakette ist mit Ausnahme des glatten Randstreifens
durchbrochen. Die dreizeilige arabische Inschrift
im Thuluth-Duktus hebt sich vor einem
mit zartem Rankenwerk ornamentierten Grund
ab. Die spiralig gewundenen, mit zweigeteilten
Blättern und stilisierten Blüten besetzten Ranken
bilden ein dynamisches Muster. Die Präzision und
Feinheit der Darstellung erinnern an akribisch
ausgeführte Illuminationen. Auch die Form lässt
an die Buchkunst der Safawidenzeit denken:
Mehrbogige Mandorlen schmücken das Zentrum
von Buchdeckeln und Medaillons die Mitte von
Anfangsseiten von Koranen oder literarischen
Texten. Die vorliegende Plakette gehört aufgrund
ihrer Form, ihres Dekor- und Kalligraphiestils zu
einer Gruppe gleichartiger Objekte mit gebogtem
Rand. Da es keine eindeutigen Anhaltspunkte zu
den Umständen ihrer Herstellung gibt, kann nicht
mit Sicherheit gesagt werden, ob diese Plaketten
zur gleichen Zeit und für denselben Zweck hergestellt
wurden. Ziemlich sicher erscheint jedoch,
genietet. Dieses Tiermotiv wiederholt sich dreimal
in geminierter Form: am Ende der beiden kurzen,
halbplastischen Erweiterungen, die von der Basis
der Standarte gebogen ausgehen, am geschwungenen
Ende der beiden den äußeren Rand der Standarte
einfassenden und mehrfach genieteten Metallstreifen
und schließlich zu beiden Seiten des
geschweiften Aufsatzes an der Spitze der Standarte,
dessen hohes Mittelteil aus zwei Metallblechen
derartig geformt ist, dass sich dazwischen ein weiteres
Element einschieben und befestigen ließe.
Das Drachenmotiv, das hier wohl als Schutzsymbol
dient, war in der islamischen Welt hochgeschätzt
und kam häufi g auf Metallobjekten vor.
Unter den Safawiden und den Moguln Indiens
zierte es an Bettelschalen in Bootsform den Bug
und das Heck. Granatapfelförmige Standarten
mit Drachenköpfen werden oft auf safawidischen
Miniaturen in Zusammenhang mit Kriegsszenen
oder aber innerhalb von Heiligtümern gezeigt,
was sowohl ihre kriegerische als auch ihre religiöse
Funktion bestätigt (Makariou 2007, 158 –159,
Anm. 14). Europäische Reisende des 17. Jahrhunderts
bezeugten die heute noch gängige Praxis,
die Standarten an schiitischen Festtagen auf religiösen
Prozessionen umherzutragen. In Handschriftenillustrationen
des 16. Jahrhunderts sucht man
Darstellungen von Standarten in dieser Funktion
jedoch vergeblich (ibid., 159, Anm. 15). CM
dass sie als Türverzierung dienten. Drei der Plaketten
lassen sich in ihrer ursprünglichen Anordnung
rekonstruieren (zwei weitere Plaketten aus einer
Privatsammlung wurden unlängst publiziert in
Melikian-Chirvani 2007, 260 –261, Nr. 61 und 62).
Die zweite Plakette (Kat. Nr. 152) mit arabischer
Thuluth-Inschrift vor einem Ornamentgrund
aus drei Spiralranken mit stilisierten Pfl anzenelementen
gleicht der ersten in ihrem
Gestaltungsprinzip. Sie unterscheidet sich jedoch
durch ihre längliche Form und einige Einzelheiten
ihres Dekors, beispielsweise der stärker ausgearbeiteten
Pfl anzenmuster. Diese bestehen aus symmetrischen
und komplexer gestalteten Blüten sowie
aus zwei-, drei- oder vierfach gelappten
Blättern. Der Gesamteindruck lässt an die mehrbogig
auslaufenden Medaillons mit Titelüberschriften
in Illuminationen denken. Auf der vorliegenden
Plakette steht lediglich der Name von
Fatima – Tochter des Propheten Muhammad und
Ehefrau von Ali –, gefolgt von ihrem Beinamen
az-Zahra² (»die Strahlende«). Das Objekt unbekannter
Herkunft kann einer Gruppe ähnlich gestalteter
Zierplaketten zugeordnet werden, wenngleich
diese länger sind (zwischen 38 und 39 cm).
Darauf werden jeweils einzelne oder mehrere der
von der Zwölferschia verehrten »Vierzehn Unfehlbaren«
(cahardah ma³sum) genannt. Diese sind
der Prophet Muhammad, seine Tochter Fatima
und die zwölf Imame. CM

193

153 Handschrift des Jamsa (»Quintett«) des Das Khamsa (jamsa – »Quintett«) ist eine post-
Nixami (gest. 1209)
hume Sammlung von fünf Versepen des Nizami
Schreiber: Pir Husain ibn Pir Hasan al-Katib (gest. 1209) aus Ganca, einer Stadt im heutigen
aš-Širazi
Aserbaidschan. Nizami war einer der führenden
Illuminierer: Qiyaq al-Mudahhib
Dichter der romantischen persischen Literatur.
Iran, Schiraz, datiert 20.– 30. Rabi³ al-awwal Die vorliegende Kopie besteht aus 401 Blättern
933 H / 25. Dezember 1526 – 4. Januar 1527 mit einem in vier Kolumnen und 19 Zeilen aufge-
Tinte, Gouache und Gold auf Papier, originaler teilten, goldumrahmten Text in persischem
vergoldeter Ledereinband
Nasta³liq-Duktus. Die Überschriften stehen in
33,4 x 21,5 x 5,5 cm; Seite: 33,5 x 20,2 cm
blauem Nasta³liq vor einem vergoldeten Grund
AKM 00270
aus Spiralranken mit orangefarbenen, gelben und
Publiziert: Welch 1978b (Ms. 15); Welch – Welch grünen Blüten. Ausgewählte Episoden aus jedem
1982, 74 – 76 (Nr. 22; anderes Blatt); AKTC 2009a, der fünf Versepen sind mit Miniaturen bebildert.
194 –195; AKTC 2009b, 194–195
Die letzte trägt die Signatur des Künstlers: »Taswir-i
Qiyaq al-Mudahhib« (»Malerei von Qiyas
al-Mudhahhib« – »dem Vergolder«). Der Kolophon
nennt zwar den Schreiber – Pir Husain ibn
Pir Hasan al-Katib aš-Širazi –, aber keinen Auftraggeber.
Anthony Welch geht davon aus, dass
das Buch für eine wohlhabende hochrangige Persönlichkeit
gefertigt wurde, möglicherweise für
den Gouverneur von Schiraz, da sich während der
Herstellungszeit der Handschrift kein safawidischer
Fürst in der Stadt aufhielt (Welch – Welch
1982, 76). Der dunkle vergoldete Ledereinband
stammt aus derselben Zeit wie die Handschrift,
der Buchrücken ist mit Lobpreisungen auf Nizami
versehen.
Die abgebildete Seite enthält eine Szene aus
der Geschichte von Khusrau und Shirin (»Jusrau
194
u Širin«), der zweiten von fünf Erzählungen in der
Sammlung, und von Nizami zwischen 1171 und
1181 verfasst. Der Text besteht aus etwa 7000
Doppelversen, die von den Abenteuern des Sassanidenkönigs
Khusrau Parviz (reg. 590 – 628) und
seiner Liebe zur schönen Shirin berichten. Diese
war eine armenische Prinzessin, die zu seiner Frau
wurde, nachdem Khusrau seinen Rivalen um die
Liebe Shirins, den Bildhauer Farhad, besiegen
konnte. Khusrau erfuhr von Shirin durch seinen
Freund, den Maler Shapur. Der König verliebte
sich in sie, ohne sie jemals gesehen zu haben, und
bat Shapur um Hilfe, sie zu fi nden, damit er um
ihre Hand anhalten könne. Daraufhin reiste Shapur
nach Armenien, wo er ein Bild des Königs
malte. Er platzierte es strategisch an einen Ort in
der freien Natur, wo sich Shirin und ihre Gefährtinnen
oft aufhielten. Die Seite zeigt Shirin, wie
sie das Portrait des Khusrau betrachtet (Fol. 47v).
Fasziniert von seinem Bild, wollte sie wissen, wer
der Porträtierte sei und wie sie ihn fi nden könne.
Shapur verriet Shirin die Identität seines Herrn
und dessen Liebe zu ihr und erklärte, wie sie
Khusrau auf halbem Wege zwischen Armenien
und Iran treffen könne. Sämtliche Illustrationen
in dieser Handschrift des Khamsa stammen wahrscheinlich
von einem einzigen Maler, Qiyas al-
Mudhahhib; sie stehen in einer Mal- und Schreibtradition,
die sich im 14. und 15. Jahrhundert in
Schiraz herausbildete (ibid., 74). LA

195

154 Illustrierte Handschrift von Anwar-i Die Malereien dieser Handschrift illustrieren die
196
Suhaili (»Die Lichtstrahlen des Suhail«)
des Husain ibn ³Ali al-Wa³ix al-Kašifi
(gest. 1504)
Schreiber: Na³im Muhammad al-Husaini at-Tabrizi
Maler: Sadiqi Beg
Iran, Qazwin, datiert 13. Safar 1002 H / 8. Novem ber
1593 AD
Tinte und Gouache auf Papier
30,1 x 20,3 cm
AKM 00289
Publiziert: Welch 1976a, 125 –144, fi gs. 42 – 55 (fols.
10r, 17r, 38r, 28v, 20v, 52r, 309r, 55v, 85r, 227v, 40v,
313r, 83v und 22r); Welch – Welch 1982, 100 –105,
nr. 32 (fols. 22r, 139v und 198r); Canby 1998,
70 – 72 (Nr. 43); AKTC 2007, 136r (Nr. 103);
AKTC 2007, 138v (Nr. 103); Melikian-Chirvani 2007,
446 – 447 (fol. 22v); AKTC 2009a, 196;
AKTC 2009b, 196
Geschichten aus Anwar-i Suhaili (»Die Lichtstrahlen
des Suhail«), einer persischen Auswahl von
Fabeln, die auf der arabischen Sammlung Kalila
wa-Dimna (»Kalila und Dimna«) basieren. Der
Text geht auf mündliche indische Traditionen zurück,
die erstmals um das Jahr 300 AD schriftlich
niedergelegt wurden. Dieses Panchatantra (»Die
fünf Grundsätze« oder »Bücher«) besteht aus fünf
Kapiteln über Staatskunst (De Blois 1991, 10).
Die Geschichten sind in eine Rahmenhandlung
eingebettet, in der ein indischer König,
Dabshalim (oder Dabishlim) seinen Hofphilosophen
Bidpai über angemessenes Verhalten eines
Herrschers in verschiedenen Situationen konsultiert.
Bidpai (oder Pilpay, beides Korruptionen
des indischen Bidnag und späteren arabischen
Bindna) beantwortet jede Anfrage mit einer Fabel,
in der Tiere die jeweiligen Rollen übernehmen.
Jede Fabel wiederum enthält weitere Geschichten
und Nebenhandlungen und endet dann wieder
bei dem Gespräch zwischen dem König und dem
Philosophen, um zur nächsten Fabel überzuleiten.
Das rechte Bild bezieht sich auf eines der fünf
Kapitel bzw. eine der Verhaltensweisen in der
Staatskunst: »Die Eulen und die Krähen«. Die
Geschichte handelt von einer alten Feindschaft
zwischen den Eulen und den Krähen, welche jeweils
von ihrem König angeführt werden. Die
Krähen lebten in einem Baum, während die Eulen
in einer Höhle hausten. Der König der Eulen hatte
es sich zum Prinzip gemacht, jede Krähe, die er
jemals den Baum verlassen sah, als vorbeugende
Maßnahme zu töten. Der Krähenkönig, besorgt
um seinen schwindenden Schwarm, konsultierte
seine Berater, wie er zurückschlagen könne. Sofort
befolgte er deren Empfehlung, herauszufi nden,
wer die nächsten Berater des Eulenkönigs seien,
um die Eulen durch List und Täuschung gegeneinander
aufzubringen. Sobald diese durch Meinungsverschiedenheiten
entzweit waren, konnten
die Krähen ihre Feinde bezwingen.
Die Rezeptionsgeschichte des indischen
Panchatantra in der islamischen Welt lässt sich anhand
verschiedener Übertragungen ins Persische
und Arabische nachvollziehen. Zuerst wurden
die Geschichten von Kalila und Dimna im 6. Jahrhundert
durch den Arzt Borzoe ins Pahlavi oder
Mittelpersische übertragen. Dann erstellte im
8. Jahrhundert Ibn al-Muqaffa³ eine arabische
Übersetzung. Mitte des 12. Jahrhunderts widmete
Nasrallah ibn Munsi die erste neupersische Übertragung
dem Herrscher von Ghazna. Eine völlig
neu überarbeitete persische Übersetzung erstellte
Husain ibn ³Ali al-Wa³iz al-Kashifi (gest. 1504),
der Hofprediger von Herat, am Ende des
15. Jahrhunderts auf Anraten des Hofbeamten
Ahmad Suhaili. Ihm zu Ehren benannte er seine
Übersetzung Anwar-i Suhaili – »Suhail« bezieht
sich auf den Namen des Hofbeamten, ist aber
auch der arabische Name des Canopus, des zweithellsten
Sterns am Südhimmel. Die Geschichten
erfreuten sich im persisch-indischen Raum bis
zum Anfang der Moderne größter Beliebtheit und
wurden 1836 in London erstmals vollständig gedruckt.
Mit den Texten wurden englische Beamte
für den Einsatz in Indien in der persischen Sprache
geprüft. LA / VD

197

155 Handschrift des Guy u caugan oder Dieses mystische Gedicht des ³Arifi (gest. circa
198
Halnama (»Buch der Verzückung«)
des ³Arifi
Iran, circa 1580
Tinte, Gouache und Gold auf Papier
21,3 x 13,1 cm
AKM 00522
Publiziert: AKTC 2007a, 146 (Nr. 113); AKTC 2007b,
150 (Nr. 113); AKTC 2008a, 228 – 229 (Nr. 87);
AKTC 2009a, 198; AKTC 2009b, 198
1449) nimmt das Wirkprinzip von Poloball und
Schläger als Metapher für das Verlangen nach dem
Geliebten und seine Zurückweisung. Die klassische
persische Dichtung lässt sowohl eine weltliche
als auch eine fromme Lesart zu. So gilt »der
Geliebte« als Metapher für Gott, den der Fromme
bedingungslos liebt und sich in Sehnsucht verzehrt,
da er Ihn nicht erreichen kann. Zudem
wird, sollte es sich um die profane Liebe zu einer
Frau handeln, die allzu offensichtliche Nennung
einer Geliebten vermieden. Der Poloschläger, am
Ende ähnlich geschwungen wie eine Haarlocke,
symbolisiert hierbei die Locken des oder der Geliebten,
die den Kopf des Liebenden, symbolisiert
durch den Ball, streifen. Auf dem Bild beobachtet
ein Derwisch von einer Felskante am Horizont
aus einen fürstlichen Polospieler und dessen Diener,
der den Schläger trägt. Das Bild ähnelt den
Arbeiten von ³Ali Asghar, der in den 1570er- und
1580er-Jahren in Qazwin wirkte und dem kitabjana
des Schahs Akbar I. beitrat, nachdem dieser
1587 den Thron bestiegen hatte. ³Ali Asghar illustrierte
zwei Handschriften des Guy u caugan sowie
eine des Šah u Darwiš von Hilali; sie enthalten
beide Polospielszenen (Robinson 1988, 126). Die
hochragenden Felsen, die scharf angewinkelten
Ellbogen und die Darstellung der Haare lassen an
diese ebenfalls kleinformatigen Arbeiten des genannten
Künstlers denken. AF

199

156 Buchdeckel aus Lack
Die Verwendung von Lackmalerei für Buchdeckel
Iran, spätes 16. Jahrhundert
aus Pappmaché geht bis in das letzte Viertel des
Lack mit Goldstaub und Perlmutt, Firnis,
15. Jahrhunderts und wahrscheinlich noch weiter
auf Pappmaché
zurück. Diese Art der Malerei, die durch einen
27,7 x 16,7 cm
Firnis ihre Wasserfestigkeit und ihren strahlen-
AKM 00637
den Glanz erhielt, wurde wohl von chinesischen
Publiziert: AKTC 2007a, 74–75 (Nr. 43);
Importobjekten angeregt und kam während der
AKTC 2007b, 70 – 71 (Nr. 43); Makariou 2007, Herrschaft von Husain Mirza (1470 –1506) in He-
70 – 71 (Nr. 21); AKTC 2008a, 106 –107 (Nr. 32); rat bei der Herstellung von Handschrifteneinbän-
AKTC 2009a, 200; AKTC 2009b, 200
den zur Anwendung. Die glasähnliche Oberfl äche
und der satte Kontrast von goldenem Dekor auf
dunklem Untergrund inspirierten die persischen
Buchkünstler zur Nachahmung. Seit dem Ende
des 15. Jahrhunderts wurde die Farbpalette für
den Hintergrund erweitert und der Dekor zur
Betonung des kolorierten Hintergrundes mit einem
tiefen Rot und Perlen- oder Muschelstaub
unter rotem Firnis angereichert.
Im 16. Jahrhundert wurde die Vielfarbigkeit
weiterentwickelt. Tierszenen, zuweilen auch mit
menschlichen Figuren, konnten den gesamten
Buchdeckel ausfüllen, sodass dieser fast einer
Miniaturseite gleichkam. Dieses Sujet war Einbänden
von poetischen oder literarischen Werken
vorbehalten. Das vorliegende Exemplar aus dem
Aga Khan Museum mit jeweils einer Tierszene auf
den beiden Seiten spiegelt die Entwicklung in der
Malerei solcher Szenen wider, während die Farbigkeit,
begrenzt auf Gelb, Orange und Rot auf
schwarzem Grund, beibehalten wurde. Die Farben
sind mit Gold- und Perlenstaub betont, Umrisslinien
in Gold verstärken den Kontrast zum
dunklen Hintergrund. Das chinesisch inspirierte
Wellenband aus aneinandergereihten Chi-Wolken,
das die Darstellung umrahmt, lässt sich auf sämtlichen
früheren Lackeinbänden aus Herat feststellen
und wird auch im 16. Jahrhundert noch häufi g
verwendet. Die Hauptszene am unteren Bildrand
zeigt einen Teich, an dessen Ufer zwei Rehe unbe-
200
kümmert lagern, offenbar von Raubtieren gänzlich
ungestört. Zwei blühende Bäume füllen den Großteil
des Bildraumes mit ihren ausladenden, sich
überschneidenden Zweigen. Darauf liefern sich ein
Sperling und zwei Fasane ein heftiges Zwitschergefecht,
während darüber, auf den verbliebenen Freifl
ächen in den oberen Ecken, zwei Enten fl uchtartig
zwischen Wolkenwirbeln auffl iegen. Der dunkle
Hintergrund zwischen den Zweigen ist mit kleinen
Grasbüscheln und blumenbewachsenen Felsbrocken
durchsetzt, Spiralwolken am oberen Bildrand
deuten den Horizont an. Dieser schmale Himmelsstreifen
am oberen Rand der Landschaftsdarstelllung
ist ein Charakteristikum persischer Miniaturmalerei.
Sämtliche Elemente der Szene fi nden
ebenso ihre Entsprechung in zahlreichen Miniaturseiten
und Randverzierungen. Die immer wiederkehrenden
Elemente einer idealisierten Natur sind
typisch für persische Miniaturen. Auf diesem Bucheinband
sind alle Haupt motive der Landschaft
paarweise wiedergegeben (zwei Bäume, zwei Rehe
und zwei Fasane). Ihre Doppelung könnte – genau
wie die Wiederholung derselben Komposition auf
beiden Seiten – als bildlicher Ausdruck des Spiegelungs-
und Doppelungssujets gemeint sein, das in
der persischen mystischen Dichtung so beliebt war.
Die gesamte Komposition strahlt Ruhe und Ausgeglichenheit
aus, eine nicht grundsätzlich angestrebte
Wirkung für Tierszenen auf Bucheinbänden,
welche üblicher weise mehrere lebhafte Szenen von
Tierkämpfen oder Raubtieren auf Beutejagd zur
Schau stellen.
Ähnliche Bucheinbände aus der Mitte des
16. Jahrhunderts befi nden sich in der Bibliothèque
Nationale, Paris (Mss. Or. Suppl. Pers. 1962 und
1171 und 129; siehe Stanley 2003, 190 –191;
Richard 1997, 169, 179 und Bernus – Taylor 1989,
165 –166) sowie im Victoria and Albert Museum,
London (Haldane 1983, Nr. 94). CM / AF

201

Das Schahname des Firdausi
Abu l-Qasim al-Firdausi
Bildausschnitt aus dem Schahname
des Schah Tahmasp (Fol. 7r; Kat. Nr. 162)
202
Das Schahname (»Buch der Könige«) ist ein persisches
Epos, welches der große Dichter Abu l-Qasim
al-Firdausi genau am 25. Februar 1010 (»am
Tage Ard des Monats Sefandarmed, als fünf Mal
80 Jahre seit der Hidschra vergangen waren«) vollendete.
Über 30 Jahre hatte er an diesem Werk
gearbeitet, das die Geschichte der iranischen Könige
ab dem ersten Herrscher Gayumars bis zum
letzten König Yazdigird erzählt und damit eine
Brücke schlägt zwischen sagenumwobener Vorzeit
und den frühesten Geschichtsquellen der Parther
und Sassaniden (247 v. Chr. – 651 n. Chr). Aus
der Sorge heraus, die iranische Geschichte könne
in Vergessenheit geraten und von der arabischen
Kultur, die im 7. Jahrhundert in den iranischen
Raum vordrang, überfremdet werden, beschloss
Firdausi, ein Epos zu verfassen, das auf schriftlichen
Quellen und mündlich tradierten Erzählungen
basierte. Es entstand ein Werk, das viele
Generationen umfasst und in die Regierungsperioden
von fünfzig Königen (Schahs) aufgeteilt ist.
Das zu seiner Zeit für seinen historischen und
moralisch-ethischen Gehalt als Fürstenspiegel
geschätzte Werk behandelt sämtliche Facetten
menschlicher Wesenszüge – in vernünftigen wie
auch in törichten Handlungsweisen –, welche
ein Herrscher an den Tag legte. Es handelt aber
auch von der Unabwendbarkeit des menschlichen
Schicksals und von der Missgunst der Völker,
die jenseits der iranischen Grenzen lebten.
Geschichten über Leben und Herrschaft eines
jeden Königs, über Zwangslagen und Herausforderungen,
denen sie sich gegenübersahen, wechseln
sich ab mit Geschichten von Helden, die sich
in den Dienst der Könige stellten. Die Königsherrschaft
wurde durch göttliche Macht erteilt.
Solange Gott (Yazdan) Könige zur Herrschaft
über den Iran bestimmte, waren – zumindest theoretisch
– Sicherheit und Wohlstand des Landes
gewährleistet.
Die ersten illustrierten Schahnames stammen
aus der Zeit um 1300, und das Epos des Firdausi
– wie auch die Epen anderer Dichter – wurde
durch eine beachtliche Kopiertätigkeit in fürstlich
geförderten Buchwerkstätten von etwa 1300 bis in
die 1440er-Jahre zu einem weit verbreiteten Kulturgut.
Drei illustrierte Kopien des Epos wurden
zwischen 1430 und den 1440er-Jahren für die
Timuridenherrscher Ibrahim Sultan, Baisunqur
und Muhammad Juki hergestellt. Abgesehen von
einem 1493-4 in der Region Gilan für Sultan Mirza
³Ali Karkiya gefertigten Schahname scheint der
Text nach dieser Zeit etwas von seiner Anziehungskraft
eingebüßt zu haben. Die fürstlichen
Mäzene und ihre Künstler begannen nun, sich
für andere literarische Werke zu interessieren.
Die herausragende Stellung von Firdausis Schahname
wurde im frühen 16. Jahrhunder unter der
von Schah Isma³il (reg. 1501–1524) begründeten
Dynastie der Safawiden erneut bekräftigt. Schah
Isma³il, der selbst dichtete, ließ nicht selten Charaktere
des Schahname in seine Werke einfl ießen.
Er demonstrierte damit nicht nur seine Affi nität
zu früheren Königen und Helden wie Faridun,
Khusrau, Jamshid und Zahhak, sondern forderte
diese in seinen Gedichten auch fi ktiv heraus. So
wollte er sich die Ergebenheit und Unterstützung
seiner Anhänger sichern, welche in Anspielung
auf die roten Stäbe in ihren Turbanen »Rotköpfe«
(osman. qizilbaš) genannt wurden. Er benannte
auch seine Söhne – Tahmasp, Bahram und Sam –
nach Persönlichkeiten aus dem Epos. Den Dichter
Mirza Qasim Gunabadi beauftragte er mit einer
panegyrischen Biographie in Gedichtform,
dem Šahnama-yi Isma³il. Derartige Aufträge waren
durchaus populistisch motiviert. Auch wenn
das Interesse an Firdausis Schahname an den
Fürstenhöfen geschwunden war, gewann es innerhalb
der safawidischen Gesellschaft wieder an Bedeutung
und wurde nun in der Öffentlichkeit von
Geschichtenerzählern vorgetragen. Die Wiederbelebung
von Status und Wert des Schahname bei
den Safawiden jedoch gipfelte in der von Schah
Isma³il initiierten und von seinem Sohn Schah
Tahmasp (reg. 1524–1576) fortgesetzten Kopie
des Werkes. Das gesamte Buch mit 759 Blättern
inklusive 258 Bildern ist beispiellos unter den
illustrierten Kopien von Firdausis Epos. Das
Schahname des Tahmasp übertraf in Ambition
und Qualität sämtliche bis dahin erstellten Kopien
und sollte auch in den nachfolgenden Epochen
nicht mehr erreicht werden.
Das Werk wurde begonnen, als Schah Tahmasp
im Jahr 1522 aus Herat nach Täbris zurückkehrte.
Mehr als ein Dutzend Maler, mindestens zwei
Kalligraphen, zwei oder mehr Miniaturmaler,
mehrere Buchbinder sowie Fachleute, die eigens
für das Polieren, die Vergoldungen und die Umrandungen
zuständig waren, taten sich mit zahlreichen
Gehilfen in einer Buchwerkstatt (kitabjana)
zusammen, um die prachtvollste jemals in Persien
hergestellte Handschrift zu fertigen. Der Kolophon
der Handschrift ist im 20. Jahrhundert verloren
gegangen, woraufhin sich die kunsthistorische
Forschung größtenteils auf die Identifi zierung der
Werkstattleiter und der Maler fokussierte. Wie in
den früheren Buchwerkstätten oblag die Aufsicht
und Koordination der Produktion einem Werkstattleiter.
Zu seinen Aufgaben zählten die Anschaffung
von Material, die Qualitätskontrolle
und wohl auch die Berichterstattung über den
Fortgang der Arbeit an den Auftraggeber. Sämt-

liche Fachkräfte und auch Materialien der Werkstatt
in der Safawidenhauptstadt Täbris wurden
fast zwanzig Jahre lang – von 1522 bis etwa 1540 –
ausschließlich für dieses Schahname-Projekt eingesetzt.
Einige der beteiligten Künstler, vor allem
Kamaluddin Bihzad (gest. 1535-6), waren bereits
erwachsen, als sie mit dem Projekt begannen,
während eine jüngere Generation von Künstlern
praktisch mit diesem Projekt aufwuchs. Mit der
Entstehung dieses monumentalen Werks kristallierte
sich ein Stil in der Malerei und der Buchkunst
heraus, der eine Synthese der unter den
vorhergehenden Timuriden- und Turkmenendynastien
entstandenen lokal-dynastischen Kunsttraditionen
darstellt. Ein weiteres Beispiel des dabei
entstandenen safawidischen Stils ist die später
von Tahmasp in Auftrag gegebene Kopie von
Nizamis Khamsa (entst. 1539 – 1543).
Die herrschenden Eliten im Iran bekundeten
ihre politischen Ideologien sowohl über illustrierte
Kopien von Firdausis Schahname als auch über
bildliche Darstellungen auf anderen Materialien
wie Keramik. So legitimierten die mongolischen
Dynastien der Ilkhane und der Timuriden ihren
Anspruch auf das Land und seine Kultur und
setzten ihre Herrschaft mit der Geschichte früherer
Herrscher in Verbindung. Wenngleich eindeutige
Indizien fehlen, so scheinen die safawidischen
Mäzene Firdausis Schahname nicht nur
als ein histo risches Referenzwerk betrachtet zu
haben, sondern sie suggerierten damit auch Parallelen
zwischen sich selbst und den altpersischen
Herrschern. Mit der Illustration ausgewählter Geschichten
oder auch durch die explizite Betonung
der Regierungszeit bestimmter Könige wurden
ideologische Inhalte transportiert. Ein solches
Kon zept lag jedoch nicht dem gesamten Schahname
des Tahmasp zugrunde. Auffällig an dieser
Kopie ist die große Anzahl von Illustrationen auf
den ersten 438 Blättern. Sie enthalten 201 Bilder,
während die restlichen 321 Blätter mit nur 57 Bildern
illustriert sind.
Ein Grund für diese ungleiche Verteilung könnte
die Neugewichtung sein, die das Schahname
während seines Herstellungsprozesses unter den
Safawiden erfuhr. Denkbar wäre auch, dass die
hochgesteckten künstlerischen und konzeptionellen
Ansprüche sich nicht erfüllen ließen. Mit dem
Ziel, ein Schahname zu schaffen, das alles Vorhergehende
in den Schatten stellen sollte, waren die
beteiligten Künstler trotz all ihrer Leistungsfähigkeit
und ihres Könnens letzten Endes überfordert.
Vielleicht war es einfach nicht möglich, das künstlerische
Niveau durch das gesamte Buch hindurch
zu halten. Denkbar ist auch, dass das Interesse des
Auftraggebers mit der Zeit nachgelassen hatte.
Die Handschrift enthält zwei Signaturen – des
Mir Musawwir und des Dust Muhammad – und
ein Datum – 934 H / 1527-8 AD. Die Miniaturen
auf Folio 7 und Folio 402 (Kat. Nr. 162 und
AKM 163) sind auf dickerem Papier gemalt und
wurden zwischen 1535 und 1540 hinzugefügt,
also späterhin, kurz bevor das Gesamtwerk zum
Abschluss gebracht wurde (Welch 1979b, 39 und
90). Der Stil der Miniaturen, die von der Hand
verschiedener Meister des 16. Jahrhunderts stammen,
ist ausführlich untersucht worden (Dickson –
Welch 1981). Ebenso einer näheren Betrachtung
wert sind die impliziten Aspekte des safawidischen
Hofl ebens in diesem Werk. Die Bilder versetzen
uns direkt in den Alltag am safawidischen Hof.
Das Schahname handelt zwar von der legendären
vorislamischen Geschichte des Iran, ihre Charaktere
aber bildeten die Künstler in Kleidung aus
der Zeit von Schah Tahmasp und in der damaligen
Umgebung ab. Manche der in den Miniaturen
dargestellten Architekturelemente bzw. -details
haben sich bis auf den heutigen Tag erhalten.
Trotz des immensen Herstellungsaufwandes
verschenkte Schah Tahmasp sein Schahname im
Jahr 1568 an den osmanischen Sultan Selim II.
Von da an verblieb es in der Schatzkammer des
osmanischen Palastes, wo es im 19. Jahrhundert
mit osmanisch-türkischen Anmerkungen versehen
wurde. Im Jahr 1903 erwarb es zunächst Baron
Edmond de Rothschild und 1959 der Amerikaner
Arthur A. Houghton, Jr. In den 1970er-Jahren
wurden die Blätter der Handschrift einzeln verkauft.
Das Metropolitan Museum of Art in New
York und seit 1996 die Islamische Republik Iran
besitzen jeweils eine der beiden größten Teilsammlungen.
Die neun Blätter in der Sammlung
des AKM gelten als die drittgrößte Gruppe. Einzelne
Blätter befi nden sich in zahlreichen privaten
und öffentlichen Sammlungen in Europa und
Nordamerika. DR
203

157
204
Fünf Illustrationen aus verschiedenen
Schahnames des 13. bis 17. Jahrhunderts
Schah Shapur belagert die Festung des
arabischen Fürsten des Jemen
Blatt aus dem verstreuten »zweiten
kleinen Schahname«
Täbris oder Bagdad, ilkhanidisch, circa 1300
Gouache, Gold und Tinte auf Papier
26,5 x 18,9 cm
AKM 000017
Publiziert: Welch 1972a, 49; Simpson 1979, 98;
Canby 1998, 23
Kühn führt der jugendliche Schah Shapur des
Iran in schwarzer Rüstung auf einem weißen
Pferd seine Truppen im Morgengrauen an, die
zinnenbewehrte Festung des arabischen Ghassanidenfürsten
Ta²ir zu belagern. Sorgenvoll schauen
Ta²ir und drei seiner Höfl inge vom Festungswall
herab. Aus einem Fenster in der Bastion blicken
auch Ta²irs schöne Tochter Malika und ihre Zofe
auf den heranziehenden Feind. Malika war eine
sassanidische Königstochter, deren Mutter Jahre
zuvor von Ta²ir aus Ktesiphon entführt worden
war. Malikas iranische Abstammung wird in diesem
Bild durch die Krone in sassanidischem Stil
verdeutlicht. Schon bei ihrer ersten Begegnung
verliebt sie sich in ihren Cousin Shapur und verrät
bald darauf ihren Vater.
Die »kleinen Schahnames« bestehen aus einer
Gruppe von vier reich illustrierten Handschriften.
Da ihre Kolophone nicht überliefert sind, lassen
sie sich nicht exakt datieren. Drei davon dürften
jedoch in das frühe 14. Jahrhundert gehören und
dem Iran oder Irak zugeordnet werden, dem kulturellen
Einfl ussbereich der mongolischen Dynastie
der Ilkhane. Das vierte Schahname datiert in das
Jahr 1330 und stammt aus Isfahan (Metropolitan
Museum of Art, New York). Auch wenn es sich
bei den ersten drei Schahnames nicht um Auftragsarbeiten
für einen Fürsten handelt, so zeigen diese
Manuskripte doch, wie die Mongolen versuchten,
sich der persischen Kultur anzunähern (Simpson
1979; Hillenbrand 2002, 150 –154). Diese drei
fragmentarisch erhaltenen Handschriften sind
die frühesten bekannten Kopien von Firdausis
großartigem Versepos. Die einzelnen Blätter des
ersten und zweiten kleinen Schahname sind über
verschiedene Sammlungen in der ganzen Welt
verteilt. Dieses Blatt gehört zum zweiten »kleinen
Schahname«. Kodex und Einband des dritten
befi nden sich in der Freer Gallery of Art in
Washington, weitere Blätter desselben sind ebenfalls
über mehrere Sammlungen verteilt. Die
Gruppe ist von M.S. Simpson eingehend bearbeitet
worden. Unter anderem wurden die ursprüngliche
Seitenzählung und das Bildprogramm für
alle drei Manuskripte sorgfältig rekonstruiert
(Simpson 1979 und Simpson in: Hillenbrand
2004, 9 – 24), denn trotz der großen Ähnlichkeit
der Illustrationen sind die Bilder keine Duplikate.
Vielmehr enthält jede Handschrift ein eigenes
Bildprogramm (Simpson 1982, 44 fi g.1).
Die »kleinen Schahnames« sind nicht die
frühesten illustrierten Handschriften islamischnahöstlicher
Erzählliteratur. Älter noch sind arabische
und persische Kopien von ³Ayyuqis Warqa
u Gulšah, Hariris Maqamat und Ibn al-Muqaffa³s
Kalila wa-Dimna sowie Manuskripte historischer
und naturwissenschaftlicher Werke des 12. und
13. Jahrhunderts. Der reichhaltige Erzählstoff in
Firdausis Epos bot Malern und Mäzenen jedoch
eine noch nicht dagewesene Auswahl an Motiven,
die in detailreichen Bildern von großer Ausdruckskraft
festgehalten wurden. Stilistisch stehen die
Illustrationen des »kleinen Schahname« in der
Tradition bildlicher Darstellungen auf Keramik-
und Metallwaren des 12. und 13. Jahrhunderts
(Canby 1998, 22). Einige neue Bildelemente,
wie die charakteristischen Rüstungen und Helme
des Shapur und seiner Truppen, sind dem neuen
kulturellen Umfeld der Ilkhane zuzuschreiben.
Weitere Blätter aus dieser verstreuten Handschrift
des »zweiten kleinen Schahname« befi nden
sich im Besitz des Aga Khan Trust for Culture
(Genf), des British Museum (London), des
Brooklyn Museum (New York), der David Collection
(Kopenhagen), der Freer Gallery of Art
(Washington), des Cincinnati Art Museum, des
Museum of Fine Arts (Montreal) und der McGill
University Library (Montreal). MC

205

158 Kai Kawus versucht in den Himmel Als nicht gerade vorbildlicher Herrscher ließ sich
zu fl iegen
Kai Kawus von einem Dämon zu dem grotesken
Blatt aus einem der drei Inju-Schahnames
und gefährlichen Plan verleiten, in den Himmel
Iran, Schiraz, 741 H / 1341 AD
zu fl iegen, um die dort verborgenen himmlischen
Gouache, Gold und Tinte auf Papier
Sphären zu erobern. Nach einigen Überlegungen
36,4 x 30,4 cm
beschloss er, Folgendes zu tun: Er ließ seine Diener
AKM 00030
Adlerjunge herbeischaffen, um sie im Palast von
Publiziert: Welch 1972a, 72
Hand aufzuziehen und mit frischem Fleisch zu
füttern. Bald waren die Tiere zu gewaltigen Adlern
herangewachsen und wurden so »stark wie
Löwen«. Kawus wies seine Diener an, vier von
ihnen an einen eigens konstruierten Thron zu
schirren, an dem rohe Fleischstücke direkt über
den Adlern angebracht waren. Dann setzte sich
der törichte König in seine Vorrichtung und die
Adler, begierig nach den herabhängenden Fleischstücken
schnappend, beförderten ihn bald durch
die Luft, wie auf dem hier gezeigten Bild zu sehen
ist. Von den Adlern in die Lüfte getragen, zeigt Kai
Kawus auf die immer näher kommenden Himmelssphären,
deren letzte die Fixsterne und Sternbilder
mit der Sonne dahinter enthält. Doch die
Vögel waren irgendwann erschöpft und ließen
den Thron abstürzen, wobei der König in einer
verlassenen Gegend herabfi el. Zwar überlebte er
sein gescheitertes Abenteuer, fühlte sich aber
stark erniedrigt durch das herablassende Verhal-
206
ten seiner Höfl inge, die zu seiner Rettung herbeigeeilt
waren.
Dieses Blatt stammt aus einem auseinandergerissenen,
741 H / 1341 AD gefertigten Manuskript,
einem der drei bekannten und reich bebilderten
Schahnames, die am Schirazer Hof der
Inju-Gouverneure, der Herrscher in der Provinz
Fars, entstanden sind. Die anderen beiden datieren
in das Jahr 1330 (Istanbul, Topkapi Palastbibliothek,
H.1479) und das Jahr 1333 (St. Petersburg,
Russische Nationalbibliothek; Dorn 329). Wie
viele wertvolle Handschriften, die in die Hände
westlicher Kunsthändler gelangten, wurde auch
dieser Schahname-Kodex im 20. Jahrhundert
auseinandergenommen und in einzelnen Blättern
auf dem Kunstmarkt verkauft. Heute sind insgesamt
180 Blätter in über 36 Sammlungen und
Museen auf der Welt verstreut (Simpson 2000,
217– 247), darunter glücklicherweise auch das
Frontispiz (Washington, Arthur M. Sackler
Gallery, S1986.110v und S1986.111r) sowie die
Schlussseiten mit dem Kolophon (im AKM). So
wissen wir, dass der Kodex für den Inju-Minister
(wazir) Hajji Qawwam ad-Daula wa-d-Din Hasan
gefertigt wurde und dass der Kalligraph ein gewisser
Hasan ibn Muhammad ibn ³Ali ibn Husaini
al-Mausili war. MC

207

159 Rustam rettet Bizhan
Die Doppelseite zeigt den Höhepunkt der Romanze
aus der Grube (Fol. 218v)
zwischen Bizhan und Manizha, der berühmtesten
Seite aus dem Schahname des Na³im ad-Din, Geschichte aus dem Schahname. Das Abenteuer
al-Katib aš-Širazi (»der Schreiber aus Schiraz«) beginnt, als Bizhan, ein junger und heldenmutiger
Iran, Schiraz, 898 H / 1492-3 AD
Edelmann am Hof von Kai Khusrau, losreitet, um
Gouache, Gold und Tinte auf Papier; Lackeinband eine Herde marodierender Wildschweine auszu-
aus dem 19. Jahrhundert
rotten, die aus dem benachbarten Turan in irani-
29,2 x 19 cm
sches Territorium eingedrungen waren. Als er die
AKM 000269
Grenze nach Turan überschreitet, trifft er auf die
Publiziert: Welch 1978b, 23 – 31
Prinzessin Manizha, Tochter des Afrasiyab, des
erklärten Feindes des Iran. Die beiden verlieben
sich ineinander, die Romanze wird jedoch aufgedeckt.
Voller Rachegelüste lässt Afrasiyab den
jungen Mann fesseln und lebend in eine tiefe Grube
werfen, während die Tochter wegen ihres Verrats
an der Familie verstoßen wird. Unterdessen
erfährt Kai Khusrau von Bizhans Schicksal und
entsendet Rustam, den größten Helden des Iran,
zu seiner Rettung. Rustam zieht sogleich mit einer
Truppe von als Händlern verkleideten Kriegern in
das feindliche Gebiet, wo sie auf die mittellose Manizha
treffen. Bei Anbruch der Nacht führt sie die
Krieger zu Bizhan, doch nur Rustam ist kräftig genug,
ihn aus der Grube zu ziehen.
208
Zu sehen ist der Moment der Rettung, als Rustam
einen Strick zu dem hungernden und gefesselten
Bizhan in die Grube hinablässt, während Manizha
ergriffen und erleichtert ihr Gesicht bedeckt
(Ferdausi 2002, 224 – 245).
Die 43 Illustrationen aus dieser Handschrift
repräsentieren den turkmenischen Stil von Schiraz,
der sich erfrischend abhebt von den zeitgenössischen
Illustrationen, die am Hof des Husain
Baiqara im spättimuridischen Herat entstanden.
Sowohl der turkmenische als auch der timuridische
Stil hatten einen elementaren Einfl uss auf
die safawidische Malerei des 16. Jahrhunderts.
Der Kalligraph Na³im ad-Din ash-Shirazi ibn
Sadr ad-Din al-Mudhahhib kopierte zahlreiche
weitere, noch erhaltene Handschriften, die zwischen
den 1480er-Jahren und den ersten Jahren
des 16. Jahrhunderts datieren. Das hier repräsentierte
Schahname stammt demnach aus der
mittleren Schaffensperiode des Künstlers. Der
Name des Auftraggebers, welcher sich nicht näher
identifi zieren lässt, steht in goldenen Lettern im
Kolophon: Sultan Abu n-Nasr Qasim Khan. MC

160 Kai Khusrau inspiziert seine Truppen Wieder rüsten sich die mächtigen Streitkräfte des
(Fol. 133r)
Iran für den Kampf gegen ihre Erzfeinde, die be-
Signiert von Mu³in Musawwir
nachbarten Turaner. König Kai Khusrau inspiziert,
Iran, Isfahan, 29. Fumada av-vani 1064 H /
auf einem majestätischen weißen Elefanten thro-
16. Mai 1654 AD
nend, seine Truppen. Die berittenen Vorkämpfer
Gouache, Gold und Tinte auf Papier
sind bereit für die Schlacht und beugen das Haupt
37,9 x 23,5 cm
vor ihrem Schah, Standarten mit wehenden
AKM 00274
Fahnen haltend. Die Ochsenkopf-Keule des Kai
Khusrau ist ein Attribut des Feridun, eines Vorfahren
des Schahs. Aus den langjährigen Kämpfen
mit dem turanischen König Afrasiyab geht Kai
Khusrau schließlich siegreich hervor. Doch bringt
dieser Sieg nicht die erwartete Zufriedenheit:
Fortan führt der Herrscher ein Leben in Zurückgezogenheit.
Der hier auf dem Höhepunkt seiner
Macht dargestellte Kai Khusrau sollte schließlich
weltliche Bestrebungen aufgeben, um sich spirituellen
Beschäftigungen zu widmen, sehr zur Bestürzung
der kampferprobten Kriegshelden an
seinem Hof.
Dieser ausgezeichnete Kodex ist auf das Jahr
1654 datiert und bildet den ersten Teil einer zweibändigen
Kopie des Schahname. Die Illustrationen
fertigte Mu³in Musawwir, ein herausragender
Künstler des 17. Jahrhunderts, der zwischen den
1630er- und 1690er-Jahren aktiv war. Der zweite
Band datiert 1066 H / 1655-6 AD und befi ndet
sich heute in der Chester Beatty Library in Dub-
lin. Mu³in Musawwir war ein Schüler des Riza
³Abbasi (gest. 1635), welcher den safawidischen
Malstil im frühen 17. Jahrhundert nachhaltig
geprägt hatte. Auch wenn andere, indische und
europäische, Konventionen nun in der safawidischen
Malerei Einzug hielten, blieb Mu³in bei
dem nun traditionell gewordenen Stil seines Lehrmeisters.
Der Künstler hinterließ einen beachtlichen
Korpus an Werken, darunter einzelne
Zeichnungen und illustrierte Handschriften
(Farhad 1990, Anm. 10; Canby 1998, 82 – 89),
aber auch Schreibkästen aus Lackwerk (Khalili –
Robinson – Stanley 1996, 38 – 43). Mindestens
zwei safawidische Höfl inge saßen ihm Modell
(1674 Porträt des Mirza Muhammad Baqir und
seines Sohnes Mirza Husain [AKM IRM48, Canby
1998, 87] und 1674 Porträt des Hofarztes Hakim
Shafa²i [AKM IRM95, Canby 1998, 88]), jedoch
fehlt in den schriftlichen Quellen jeglicher Hinweis
darauf, dass er auch für die Safawidenschahs
tätig war. Dafür sind die meisten seiner Zeichnungen
und Bilder signiert und datiert. Manchmal
enthalten sie sogar weitere Informationen zu den
Orten und den Umständen ihrer Entstehung. So
wird beispielsweise in einer Reihe von Zeichungen
aus dem Jahr 1672 ein Zwischenfall bezüglich eines
diplomatischen Geschenks für die fürstliche
Menagerie dokumentiert (Farhad 1992). MC
209

161 Rustam tötet den Turan-Krieger Alkus
Blatt aus dem Schahname des
Schah Isma³il II. (reg. 1576 –1577)
Qazwin, Iran, circa 1576
Gouache, Gold und Tinte auf Papier
37,9 x 23,5 cm
AKM 000274
Publiziert: Welch 1978a, 89; Canby 1998, Nr. 35
210
Die andauernde Feindschaft zwischen dem Iran
und dem benachbarten Turan ist ein Leitmotiv im
»Buch der Könige« und zeigt sich auch in dieser
kurzen Episode. Zusammen mit einer Gruppe
von verbündeten iranischen Stammesfürsten unternahm
Rustam spontan einen Jagdausfl ug in das
feindliche Territorium von Turan, dem Gebiet der
turksprachigen Völker im südlichen Zentralasien.
Bald ritt der turanische König Afrasiyab mit seinen
Truppen aus, um die Eindringlinge herauszufordern.
Ein Gefecht entbrannte, in dem zwei
turanische Helden, Alkus und Pilsam, sich besonders
hervortaten – bis Rustam auf die Bildfl äche
trat. Alkus wurde sofort getötet, während Pilsam
die Flucht gelang (Robinson 2002, 32). Rustam,
im Schlachtgetümmel leicht zu erkennen an seiner
klassischen Tracht aus Tigerfell-Wams und
Schneeleopardenfell-Helm, versetzt hier Alkus
einen tödlichen Schlag mit seiner ochsenkopfgeschmückten
Keule.
Dieses Schahname ist eine Auftragsarbeit des
dritten Safawidenschahs Isma³il II., dessen kurze
Regierungszeit von Juni 1576 bis November 1577
dauerte (Canby 1999; Robinson 1976a). Da die
erhaltenen 49 Illustrationen aus der ersten Hälfte
der Handschrift stammen, geht man davon aus,
dass diese beim vorzeitigen Tod des unbeliebten
Schahs, der 1577 vergiftet wurde, noch nicht vollendet
war. Auch die zunehmende Unbeliebtheit
seines Vaters, Schah Tahmasp (reg. 1522 –1576)
hatte bereits in den 1540er- und 1550er-Jahren
zu einem merklichen Niedergang der bildenden
Künste geführt. Andere Mitglieder der fürstlichen
Familie allerdings profi tierten in gewisser Weise
von diesen Entwicklungen. Die Maler wanderten,
wenn auch gezwungenermaßen, an engagiertere
fürstliche Werkstätten ab, darunter das Atelier
von Tahmasps Neffen Sultan Ibrahim Mirza, das
sich in Mashhad befand und später nach Qazwin
abberufen wurde. Schah Tahmasp hatte seinen
Sohn Isma³il schon frühzeitig einkerkern lassen,
um dessen skrupellosen Machtbestrebungen Einhalt
zu gebieten. Nach Tahmasps Tod im Jahr
1576 bestieg Isma³il II. dann den Thron und
übernahm damit auch die herrscherlichen Werkstätten
seines Vaters. Wahrscheinlich war dieses
Schahname die erste Auftragsarbeit, welche sie
für ihn ausführten. Von einer paranoiden Angst
um seine Herrschermacht besessen, ließ Isma³il
fast alle seine männlichen Verwandten ermorden –
darunter auch Sultan Ibrahim Mirza, der 1577
starb (Robinson ordnet dieses Bild jedoch dem
Künstler Mihrab zu [Robinson 1976a, 3]). Viele
der Künstler, die lange diesem außergewöhnlichen
Mäzen und Sammler gedient hatten, arbeiteten
nun für Schah Isma³il II., bis auch er bald unter
mysteriösen Umständen umkommen sollte. MC

211

162
212
Fünf Illustrationen aus dem Schahname
des Schah Tahmasp (1522 – 1540)
Firdausi und die drei Hofdichter von
Ghazna (Fol. 7r)
Aqa Mirak zugeschrieben
Iran, Täbris, circa 1532
Wasserfarbe, Gold und Tinte auf Papier
Seite 47 x 31,8 cm; Bild 26,7 x 23,2 cm
AKM 00156
Publiziert: Canby 1998, 47 – 48 (Nr. 24);
AKTC 2007a, 157 (Nr. 126); AKTC 2007b,
159 (Nr. 126); Makariou 2007, 73 – 75 (Nr. 22);
AKTC 2009a, 202; AKTC 2009b, 202
Das Bild zeigt Firdausi, den Autor der schriftlichen
Version des Schahname, zusammen mit drei
Dichtern am Hof von Mahmud, dem Sultan von
Ghazna (heute Afghanistan): Firdausi hatte Tus,
seine Geburtsstadt im Nordosten des Iran, verlassen,
um den Sultan als Mäzen für sein Schahname
zu gewinnen. Noch ehe er den Sultan traf, wurde
er von drei ghaznawidischen Hofdichtern herausgefordert,
bis diese sein überlegenes Talent anerkennen
mussten. Auf dem Bild rechts unten röstet
ein junger schwarzer Diener gerade einen Vogel
am Spieß über einem Feuer, während zwei Jugendliche
den Ghaznawidendichtern Wein und Delikatessen
reichen. Diese sitzen am grasbewachsenen
Ufer eines Wasserlaufs in der Bildmitte. Firdausis
Ausgrenzung wird betont durch seine Positionierung
am äußersten linken Rand der Gruppe, genau
an der Stelle, wo die Komposition über den
Bildrand hinausreicht. Die Rolle des jungen Mannes
mit elegantem goldenem Turban und dem roten
safawidischen taf am rechten Bildrand wird
nicht sofort klar. Aber seine Identifi zierung ist der
Schlüssel zu einem umfassenderen Verständnis
der Illustration und der Rolle des Aqa Mirak
bei der Herstellung des Schahname. Der Künstler
war ein Spross der angesehen sayyid-Familie
(Titel der anerkannten Nachkommen des Propheten
Muhammad) von Isfahan, und wird von Dust
Muhammad als »einzigartig in seiner Zeit, Vertrauter
des Schahs und unübertroffener Maler
und Porträtist« bezeichnet (Binyon – Wilkinson
– Gray 1933, 186). S. C. Welch geht davon aus,
dass Schah Tahmasp seinem Freund die Ehre erwies,
das erste Bild der Handschrift mit Firdausi
und den drei ghaznawidischen Hofdichtern zu
malen. Als Antwort auf diese Anerkennung mag
Aqa Mirak in diese Illustration ein Bildnis des
Schahs eingefügt haben, und zwar in Form des
jungen Mannes mit dem goldenen Turban (Welch
1979b, 43). Aufgrund des damaligen Alters von
Tahmasp und dem im Vergleich zu Sultan Muhammad
und Mir Musawwir – den Erstverantwortlichen
für das Schahname-Projekt – relativ
jungen Künstler
datiert S. C. Welch das Bild um 1532, etwa zehn
Jahre nachdem die Produktion des Werkes aufgenommen
wurde. SC

213

163 Gayumars Hof (Fol. 20v)
Sultan Muhammad zugeschrieben
Iran, Täbris, circa 1522–1525
Tinte, Gouache und Gold auf Papier
47 x 31,8 cm
AKM 00165
Publiziert: Canby 1998, 48 – 49; Grabar 2009, 77;
Melikian-Chirvani 2007; Welch 1976b, 36 – 39
214
Dies ist das erste Bild nach der Einleitung zu Firdausis
Schahname. Es zeigt den ersten König,
Gayumars, thronend vor seinen in Leopardenfelle
gekleideten Gefolgsleuten mit seinem Sohn Siyamak
zu seiner Linken und seinem Enkel Hushang zu
seiner Rechten stehend. Die Anordnung der Personen
– wobei die linke die bevorzugte Seite ist –
entspricht der Thronfolge vom Vater auf den Sohn.
Bekannt ist jedoch, dass Siyamak nie König wurde,
was die der Geschichte innewohnende Tragik hier
bildlich hervorhebt. Der Engel Surush teilte
Gayumars mit, dass der Schwarze Diw, Sohn des
Dämons Ahriman, Siyamak töten werde. Schon zu
Beginn der Menschheitsgeschichte ringen böse und
gute Mächte miteinander und stehen damit am
Anfang eines endlosen Kampfes. Das Gefühl von
Verlust wird verstärkt durch eine idyllische Landschaft,
in der sich Menschen und friedfertige Tiere
verschiedener Gattungen versammelt haben. Selbst
die Gestaltung der Felsenlandschaft hebt die Harmonie
in der Ordnung zwischen Mensch und Natur
hervor.
Das Bild ist nicht signiert, gehört aber zu den seltenen
Werken, die von Zeitgenossen erwähnt sind.
Dust Muhammad preist in seinem Traktat zur
Kunst geschichte von 1544-5 Sultan Muhammad
für seine Werke, indem er ihn als »Unikum seiner
Zeit« bezeichnet und den »Fürstenhof des Gayumars«
heraushebt als ein Bild, das sämtliche
Künstler, die es betrachten, in den Schatten stelle.
Dies erscheint gut nachvollziehbar, denn das
Bild vereint eine ausgeklügelte Komposition mit
einer breiten Farbpalette, die von kühlen Farben
dominiert ist. Jedes Detail ist in einer Präzision
wiedergegeben, die eine ausgeprägte Auffassungsgabe
erfordert. Auch wenn das Bild groß ist und
sogar in den goldgesprenkelten Rand hineinragt,
reichert Sultan Muhammad die Szene mit unzähligen
Gestalten, Tieren und Einzelheiten der
Landschaft an, in einer Weise, die sie schwer entzifferbar
macht. Das Bild ist derart detailreich,
dass der Betrachter, egal wie intensiv er sich damit
befasst, kaum alles aufzunehmen in der Lage ist. DR

215

164 Der Tod des Zahhak (Fol. 37v)
Sultan Muhammad zugeschrieben
Iran, Täbris, circa 1535
Tinte, Gouache und Gold auf Papier
47 x 31,8 cm
AKM 00155
Publiziert: Canby 1998, 50; Welch 1976b, 44 – 47
216
Dies ist die letzte der Illustrationen im Zyklus um
König Zahhak. Zahhak erlangte den Thron durch
einen Pakt mit dem Teufel Iblis, der den vorzeitigen
Tod von König Mardas, Zahhaks Vater, herbeigeführt
hatte. Zu Beginn von Zahhaks Regierungszeit
kam Iblis als Koch verkleidet an den
Hof. Seine Speisen schmeckten Zahhak so gut,
dass er seinem Koch jeden Wunsch gewähren
wollte. Der Koch bat darum, Zahhaks Schultern
küssen zu dürfen. Aus den beiden Stellen, die er
geküsst hatte, wuchsen zwei Schlangen, die Zahhak,
um sich am Leben zu erhalten, täglich mit
menschlichen Gehirnen füttern musste. Es folgte
eine tyrannische Herrschaft, die nur der Held
Faridun beenden konnte. Dieser war in seiner
Kindheit der wundersamen Kuh Birmaya anvertraut
worden. Obwohl Zahhak versuchte, ihn zu
fassen, konnte Faridun entkommen und er erhob
sich gegen den König, um ihn zu stürzen. »Der
Tod des Zahhak« zeigt den Moment, in dem Zahhak
auf Anraten des Engels Surush in einer Höhle
am Berg Damavand aufgehängt wird, wo er bis zu
seinem Tode leiden sollte. Auch wenn das vordergrün
dige Sujet offensichtlich ist – ein gebrech-
licher weißhaariger Zahhak ist an die Wände einerdunklen
furchterregenen Höhle angekettet – so
ist die erzählende Darstellung ähnlich komplex gestaltet
wie auf anderen Bildern in Schah Tahmasps
Schahname. Dieses ist voll von Thron-, Kampf-,
und Bankettszenen, wodurch eine wiederkehrende
Typologie entsteht. »Der Tod des Zahhak« handelt
von Gerechtigkeit und vom Beginn der erleuchteten
Herrschaft Fariduns. Ergänzt wird die
Darstellung allerdings von der Szene einer fürstlichen
Landpartie, was zu den Vergnügungen eines
iranischen Herrschers gehörte. Faridun und
seine Höfl inge sind von ihren Pferden abgestiegen
und erkunden die Landschaft, als wollten sie gerade
eine Jagdpause machen. Die An wesenheit eines
Musikers unterstreicht die höfi sche Atmosphäre.
Die Ruhe, die von der unteren Hälfte des
Bildes ausgeht, steht in starkem Kontrast zur oberen
Hälfte, wo Zahhak aufgehängt in seiner Höhle
harrt. Die nackten Felsen über ihm werden von
Wolken, teils in Drachenform, umkreist. Auch
hier dient die Landschaft nicht als reiner Hintergrund,
sondern ist in einer die Dramatik des Geschehens
steigernden Weise gestaltet. DR

217

165 Rustam jagt den als Wildesel getarnten Als Kai Khusrau die Klagen eines Hirten über
Dämon Akwan (Fol. 294r)
Attacken eines bösartigen Wildesels zu Ohren
Muxaffar ³Ali zugeschrieben
kamen, wandte er sich an Rustam, um das Tier auf-
Iran, Täbris, circa 1530 – 1535
zuspüren und zu töten, da er den Verdacht hegte,
Tinte, Gouache und Gold auf Papier
dass es sich bei dem Onager um einen Avatar des
47 x 31,8 cm
Dämons (diw) Akwan handle. Rustam bestieg sein
AKM 00162
edles Ross Rakhsh und ritt spornstreichs los, um
Publiziert: Canby 1999, 51–52 (Nr. 27); Digard 2002, den heimtückischen Esel zu suchen. Am vierten
233 (Nr. 198); Makariou 2007. 80 – 81 (Nr. 25)
Tag seiner Suche erschien ein goldener, über
die Ebene galoppierender Onager. Rustam und
Rakhsh nahmen die Verfolgung auf. Kaum aber,
dass Rustam den Nacken des Tieres mit seiner
Schlinge berührte, löste es sich in Rauch auf (Ferdausi
2002, 214 – 223). Auf dem gezeigten Bild ist
Rustam kurz davor, das Tier einzufangen. Es beugt
seinen Kopf im Galopp zurück, um nach dem
Verfolger zu sehen, ohne aber dabei langsamer zu
werden. Dazu jagen galoppierende Pferde, durch
den Eselsdämon verstört, wild durcheinander.
Dieses herrlich illustrierte Blatt aus dem sogenannten
Houghton-Schahname, das in den 1970er-
218
Jahren in Einzelblättern verkauft wurde, ist ein
frühes Werk von Muzaffar ³Ali, einem Großneffen
des Miniaturmalers Bihzad. Wenn auch das
Bild einen merklichen Überschwang ausstrahlt,
so erreichte der Künstler doch nie die Schlichtheit
und Akkuratesse seines Großonkels. Muzaffar
³Ali war einer der wenigen Künstler, die während
der gesamten Regierungszeit des Schahs Tahmasp
in dessen Werkstatt arbeiteten. Er war sowohl ein
ausgebildeter Kalligraph als auch Vergolder und
Maler. Er stellte nicht nur ein Album (muraqqa³)
zusammen und beteiligte sich an der Illustration
von Nizamis Khamsa, das zwischen 1539 und
1543 gefertigt wurde und sich heute in der British
Library in London befi ndet. Seine Mitarbeit erstreckte
sich auch auf die Illustrierungen von
Jamis Haft Aurang, zwischen 1556 und 1565 für
Schah Tahmasps Neffen hergestellt, und Asadis
Garshaspnama (1573-4) sowie auf Wandgemälde
des Palastes in der neuen Hauptstadt Qazwin
(1544 – 1562). SC

219

166 Haftwad und der Wurm (Fol. 521v)
In dieser Geschichte fand sich Haftwads Tochter
Signiert von Dust Muhammad
eines Tages mit ihren Freundinnen außerhalb des
Iran, Täbris, circa 1540
Dorfes zum Spinnen zusammen. Dabei entdeckte
Tinte, Gouache und Gold auf Papier
sie einen Wurm in ihrem Apfel und beschloss,
47 x 31,8 cm
diesen als Glücksbringer in ihrem Spindelkasten
AKM 00164
zu verwahren. Sie behauptete, der Wurm helfe ihr
Publiziert: Canby 1998, 52 – 54
dabei, größere Mengen an Baumwolle denn je zuvor
zu spinnen. Tatsächlich bewahrheitete sich
zum Erstaunen ihrer Freundinnen ihre Prahlerei.
Als ihr Vater Haftwad davon erfuhr, betrachtete
er den Wurm als gutes Omen. Doch der Wurm
wuchs heran und füllte zunächst eine maßgearbeitete
Schatulle, dann eine Steinzisterne. Nach fünf
Jahren war er so groß wie ein Elefant und musste
in einer Festung untergebracht werden. Mit dem
Wachsen des Wurmes gedieh auch Haftwads
Glück. Dies jedoch erweckte König Ardashirs
Eifersucht und Argwohn und er beschloss, den
Wurm zu töten. Es gelang Ardashir, in die Festung
einzudringen und den Wurm umzubringen,
indem er ihm geschmolzenes Blei einfl ößte. Die
Geschichte endet mit dem Tod Ardashirs und seiner
Söhne, welche von Ardashirs Armee überwältigt
werden. Dieses Bild ist eines der wenigen signierten
Werke des Schahname und gehört zu den
letzten, die dem Buch beigefügt wurden. Die
220
Signatur »sawwarahu Dust Muhammad« (»Dust
Muhammad malte es«) sowie schriftliche Quellen
identifi zieren den Künstler als Dust Muhammad
Musawwir (»Maler«) oder Dust-i Diwana. Diese
Form der Signatur defi niert allerdings nicht, ob
der Künstler die Komposition entwarf und /oder
das Bild ganz bzw. in Teilen malte. Nichtsdestotrotz
ist es eine der besten Illustrationen aus dem
Schahname des Tahmasp. Mit der Darstellung von
Haftwads baumwollspinnender Tochter am unteren
linken Bildrand beginnt zwar die Erzählung,
doch der Rest des Bildes ist als Ausdruck für
Haftwads Wohlergehen gestaltet. Das Dorf, eine
Ansammlung von zahlreichen schmucken Gebäuden,
zeigt die Betriebsamkeit des Alltags. Ein Muezzin
ruft zum Gebet, während zwei Gestalten auf
einem Dach sitzend in Büchern blättern, Schreibgeräte
neben sich abgelegt. An einer anderen Stelle
im Dorf werden auf dem Land gesammelte Holzbündel
und Säcke mit Gegenständen befördert,
während ein Metzger seinen Kunden bedient. Das
Bild ist reich an unzähligen weiteren Momenten
des Alltagslebens und zeigt mit einer gleichbleibenden
Tiefe und Komplexität Elemente einer
ländlichen Umwelt. DR

221

167 Safawidischer Blauweiß-Teller
mit Blumendekor
Iran, 17. Jahrhundert
Quarzfritte mit blauer Unterglasurmalerei
Ø 46,6 cm
AKM 00588
Publiziert: AKTC 2007a, 101 (Nr. 71); AKTC 2007b,
100 (Nr. 71); Makariou 2007, 20, 50 – 51 (Nr. 14);
AKTC 2009a, 206; AKTC 2009b, 206
222
Ab dem 9. Jahrhundert wurden in der islamischen
Welt die Produkte chinesischer Töpfer bewundert
und imitiert. In den Augen vieler Völker galten die
Chinesen mit ihren verschiedenen Techniken als
absolute Meister in der Kunst der Keramikherstellung.
Hier ist ein Dekor zu sehen, wie er seit dem
späten 15. Jahrhundert kopiert wurde. Nicht weniger
als 34 ähnliche Teller mit und ohne Rand
befi nden sich in den Sammlungen des Heiligtums
von Ardabil, dem Gründungsort der Safawidendynastie
(Makariou 2007, 55, Nr. 81). Das Modell
mit einem mit Wellenlinien und Felsen geschmückten
Rand und kleinen Sträußen oder Blumen auf
der Wandung ist allerdings nur mit zwei Beispielen
unter den sogenannten Ardabil-Tellern vertreten
(ibid., Anm. 82).
Ungewöhnlich beim Teller aus dem Aga Khan
Museum ist die äußerst akribische Nachbildung
des chinesischen Originals. Selbst kleinste Details
der Wellen und Felsen auf dem Rand und der
Blumenranken auf der Wandung sind genauestens
kopiert. Das safawidische Stück ist jedoch größer
als die erhaltenen chinesischen Vorbilder. Einige
safawidische Kopien sind mit dem Zeichen des
Schah Abbas versehen, welches sie in das erste
Viertel des 17. Jahrhunderts datiert. Die chinesischen
Vorbilder jedoch gehen wahrscheinlich auf
den Beginn des 15. Jahrhunderts zurück, was Fra-
gen zum Rezeptionsweg dieser Stücke aufwirft.
Die chinesischen Originale weisen eine Reihe von
Merkmalen auf, die vollkommen in die Ornamentik
der islamischen Welt passen, sie werden aber
in eine neue, von einem stetigen Rhythmus beherrschte
Dekorsprache übertragen. Während die
gekräuselten Linien auf den chinesischen Vorlagen
geschmeidig, wenn auch repetitiv gezeichnet sind,
wirkt das Wellen- und Felsmuster auf dem Rand
dieses safawidischen Tellers im Vergleich weniger
lebhaft, ja fast statisch: Die Wellen sind in geometrischen
Bändern arrangiert. Der Strauß in der
Mitte kopiert sein chinesisches Vorbild nahezu bis
ins kleinste Detail. Allerdings erhält die Kopie eine
eigene Wirkung durch den Kontrast der haarfein
gezeichneten Blumenstängel zu den satt gefärbten
Blütenblättern (ibid., Anm. 83). Auf der Außenseite
des Tellers wurden die chinesisch inspirierten,
mit Blüten geschmückten Wellenranken vereinfacht
wiedergegeben bzw. »ornamentalisiert«.
Die dicke, ölig glänzende Glasur verleiht der Nachbildung
eine gewisse Wärme. Auch bei den Osmanen
waren chinesische Waren sehr beliebt; eine
der größten Sammlungen chinesischen Porzellans
außerhalb Chinas befi ndet sich im Topkapi Palast
in Istanbul. Die osmanischen Kopien orientieren
sich jedoch nicht so detailgetreu an ihren chinesischen
Vorbildern wie diese safawidischen. SM

168 Smaragdgrüne Flasche
Schon seit der Antike herrschte in der islamischen
mit Löwenbändiger
Welt, vor allem im Iran, eine große Faszination
Iran, safawidisch, frühes 17. Jahrhundert
für China. Gezielt versuchte man, chinesisches
Quarzfritte, modelgeformt mit deckend
Blauweiß-Porzellan und monochrome Seladongrüner
Glasur
Waren nachzubilden. Bereits während der frühen
Höhe 37 cm
Abbasidenzeit im 8. Jahrhundert wirkten chinesi-
AKM 00732
sche Künstler und Handwerker in Kufa im Irak
Publiziert: AKTC 2009a, 207; AKTC 2009b, 207
(Pelliot 1928, 110 –112). Der Kulturtransfer fand
also nicht nur über Handel und diplomatische
Kontakte statt, auch umherziehende Kunsthandwerker
brachten neue Techniken und Motive mit.
Diese Flasche ist ein hervorragendes Beispiel für
eine gemodelte und monochrom glasierte Ware,
die chinesischem Seladon nachempfunden ist.
Auf dem Flaschenkörper erscheinen zwei in den
Model gepresste Bilder: auf der einen Seite ein
gefl ügelter Stier und ein chinesischer Qilin sowie
auf der anderen Seite ein Löwe mit seinem Bändiger.
Eine nahezu identische Flasche befi ndet sich
im Victoria and Albert Museum, London; sie lässt
vermuten, dass beide Flaschen aus demselben
Model hergestellt wurden (Pope 1938, pl. 807B,
808A [Inv. Nr. 1339 –1876]). Eine ähnliche Flasche
beherbergt das Gemeente Museum, Den
Haag (Pope 1938, pl. 808B). Die Birnenform
scheint im 17. Jahrhundert recht beliebt gewesen
zu sein und kommt beispielsweise bei den weißen
Flaschen im Brooklyn Museum, New York bzw.
in der Eremitage, St. Petersburg vor. Sie zeigen
Darstellungen von Jägern mit ihrer Beute in
schwarzen Konturen vor einem Hintergrund aus
Blattwerk. Das Motiv des Löwenbändigers fi ndet
sich auch auf Zeichnungen aus dieser Zeit. Diese
dienten wohl als Vorlage für die Dekoration von
Keramik und anderen Materialien. Gerade dieses
Motiv kommt auch im Repertoire des bekannten
safawidischen Malers des 16. Jahrhunderts Sadiqi
Beg vor (siehe Kat. Nr. 154). Sadiqi Begs Zeichnungen
zeigen manchmal den Einfl uss seines Zeitgenossen
Riza ³Abbasi, der für seinen außergewöhnlichen,
»kalligraphischen« Malstil bekannt
war. LA
223

169 Fliesenpaneel mit Irisblüten
Das Fragment eines Fliesenpaneels zeigt Blüten-
Iran (oder Indien?), 17. Jahrhundert
stiele, die zur rechten Seite geneigt emporwachsen.
Irdenware mit weißer Glasur, mit farbiger Glasur Ihr sattes Blau, Türkis, Weiß und Gelb bildet einen
und schwarzen Linien übermalt
starken Kontrast zum senffarbenen Hintergrund.
47,8 x 24 cm
Etwas Grün an der Wurzel der Irispfl anze reichert
AKM 00590
die Komposition farblich an. Ähnlichkeiten zur
Publiziert: Makariou 2007, 42 – 43 (Nr. 10);
graphischen Tradition europäischer Gravierungen
AKTC 2009a, 208; AKTC 2009b, 208
sind sofort erkennbar. Die Abbildungen in Botanikbüchern
waren eine Quelle der Inspiration für
Motive auf Keramikfl iesen, welche Pavillons in den
Lustgärten iranischer und mogulindischer Residenzen
schmückten. Das am häufi gsten rezipierte
Werk war der Hortus fl oridus (1614) des Crispin
de Passe (Makariou 2007, 55, Anm. 61). Die
Künstler der großen neuzeitlichen islamischen
Reiche trafen ihre Auswahl aus diesem umfangreichen
Repertoire und stellten die daraus gewonnenen
Motive neu zusammen. Ein und dasselbe
Thema wurde mehrfach variiert und durch Wiederholung
zum Ornament gemacht. Unwirklich
erscheinende Wiesen, die über die fl iesenverklei-
224
deten Ziegelwände der herrscherlichen Pavillons
von Isfahan wogen, sind eines der schönsten Beispiele
hierfür. Das Farbschema dieser beiden Fliesen,
die ursprünglich zu einem größeren Paneel
gehörten, deutet auf Indien hin. Die Technik entspricht
allerdings exakt derjenigen von Fliesen
in Isfahan. Die Terrakotta ist gänzlich mit einer
deckend weißen Glasur überzogen. Darauf sind
die Konturen des Motivs in schwarzen Linien gezeichnet.
Diese sorgen für eine saubere Trennung
der farbigen Glasuren, welche die weiße Glasur
auf dem Grund fast vollständig überdecken; die
weißen Blütenblätter sind also in Reserve gehalten.
Die schwarzen Umrisslinien machen das Ornament
zu einem regelrechten Motiv und erlauben
eine feinere Darstellung der hervorspringenden
Blütenblätter, die dadurch wirken, als könnten sie
gleich herabfallen. Der Begriff »Naturalismus«
wurde zwar etwas überbeansprucht, doch es zeigt
sich, dass die gebildeten Eliten durchaus Empfi ndungen
gegenüber der Natur hegten. SM

170 Hirten in einer Landschaft
Signiert von ³Ali Quli Fabbadar
Iran, circa 1675
Aquarell auf Papier
Bild 12,2 x 16,9 cm
AKM 00078
Publiziert: Canby 1998, 89 – 90 (Nr. 62) (mit bis
dahin erschienener Literatur); Makariou 2007,
38 – 39 (Nr. 8); AKTC 2009a, 209; AKTC 2009b, 209
Zwei sehnsüchtig blickende Hirten rasten rechts
auf einer Anhöhe, während ihre Herde aus Schafen
und zwei Ziegen links unterhalb von ihnen
weidet und ihr Hund wachsam zu ihrer Rechten
liegt. Ein kleines Dorf mit Zwiebeltürmen und
sonstigen Gebäuden inmitten eines Hains rundet
die Komposition am Horizont ab. Nicht nur der
Hut und die Kontraposthaltung des linken, fl ötespielenden
Hirten, auch die transparenten Hosen
der beiden vermitteln einen deutlich nicht-persischen
Eindruck. Ebenso zeigen die malerische
Behandlung des Blattwerks und die Schattierung
der Ackerfurchen im Mittelgrund der Landschaft
einen starken europäischen Einfl uss.
In den 1670er-Jahren waren europäische Künstler
bereits seit über 50 Jahren in Isfahan tätig und
die Europäisierung bzw. der farangi-Stil war seit
Mitte des Jahrhunderts etabliert. Laut Lutf ³Ali
Beg Azar, einem Autor des 18. Jahrhunderts, war
³Ali Quli Jabbadar ein zum Islam konvertierter
Europäer. Sein Name lässt vermuten, dass er in
den Iran gekommen war, um als Beamter in der
safawidischen Rüstkammer zu arbeiten (Makariou
2007, 55, Anm. 51). Offensichtlich gab er das
Waffenschmieden für das Malen auf. Sein eklektischer
Stil, der weder gänzlich europäisch noch
eindeutig persisch ist, lässt jedoch vermuten, dass
er in keiner der beiden Malweisen geschult war.
Das Hirtenbild enthält kaum persische Elemente
und ist dem Anfang seiner künstlerischen Laufbahn
in der Mitte der 1670er-Jahre, kurz nach
seinem frühesten datierten Werk von 1084 H /
1673-4 AD, zuzuordenen (ibid., Nr. 52).
³Ali Quli wirkte wahrscheinlich an verschiedenen
Orten, da eines seiner Bilder mit »Qazwin«
sowie ein anderes mit »Isfahan« beschriftet ist.
Mehrere seiner Porträts von Schah Suleiman in
einem Album in St. Petersburg sind mit georgischen
Inschriften versehen, was Priscilla Soucek
zu der Annahme veranlasste, dass ein georgischer
Beamter diese Porträts in Auftrag gegeben hatte
(ibid., Anm. 53). ³Ali Qulis Karriere dauerte mindestens
bis 1129 H / 1716-7 AD, dem Jahr, aus
dem seine letzte datierte Arbeit stammt (ibid.
Anm. 64) und sein Sohn Muhammad ³Ali Beg
leitender Maler unter Nadir Shah wurde (ibid.,
Anm. 54). SC
225

171 Farbig gefasstes Türfl ügelpaar mit
mystischer Inschrift
Iran, safawidisch, 17.–18. Jahrhundert
Holz, geschnitzt und bemalt
161 x 84,5 cm
Inschrift (persisch): Dar-i šadi bi-sahib-i in bab /
bigušay muffatih al-abwab (»Das Tor zur Freude für
den Besitzer dieser Tür / Öffne, Oh Öffner der Türen
[Gott]«)
AKM 00704
Publiziert: AKTC 2008a, 148 –149 (Nr. 53);
AKTC 2009a, 210; AKTC 2009b, 210
226
Die gut erhaltenen, polychrom bemalten Tür fl ügel
sind jeweils mit einem stark reliefi ert geschnitzten
Blüten- und Blattrankenmotiv geschmückt.
Dieses zentrale Motiv wird von einem Flechtwerk
aus langgezogenen Sternmotiven und schmalen,
fl ach reliefi erten Bändern aus Pfl anzenranken und
Rosetten mehrfach gerahmt. Die fl orale Verzierung
ist charakteristisch für die dynamischen Pfl anzenmuster
der Safawidenzeit und hat ihre Vorlagen
vermutlich in Buchillustrationen und -einbänden.
Zwei der kleineren Felder, jeweils über den Flechtmotiven,
sind mit einer persischen Inschrift verse-
hen, welche in eine grün bemalte Fläche mit
stilisierten, rot gemalten Weinranken-Bordüren
geschnitzt ist. Der Text – er spricht im Namen
der vor der Tür stehenden Person – hat eine eher
mystische Konnotation, die der sufi sch inspirierten
Kultur der Safawiden entspricht: »Das Tor
zur Freude für den Besitzer dieser Tür / Öffne,
Oh Öffner der Türen (Gott)«. Der ursprüng liche
Kontext dieser Türfl ügel ist unbekannt, sie dürften
sich jedoch einst zu einem Sufi hospiz oder zu
privaten Rückzugsräumen eines Palastes geöffnet
haben. LA

227

228

© Henri Stierlin, Genf
Iran und Zentralasien Die Zand und die Kadscharen
Sheila Canby
Isfahan (Iran), Große Moschee
Die Kadscharen gehörten zu einem turkmenischen
Stamm, der unter den Safawiden
(reg. 1501–1722) aufgestiegen war und den
Iran von 1779 bis 1925 regierte. In der zweiten
Hälfte des 18. Jahrhunderts kontrollierten
Karim Khan Zand und seine Erben die
Provinz Fars im Süden des Iran, konnten den
Rest des Landes jedoch nicht für längere Zeit
befrieden. Zu dieser Zeit stand der kadscharische
Thronanwärter Agha Muhammad am
Hof der Zand-Prinzen unter Hausarrest und
wurde dort kastriert. Rachegelüste ließen ihn
schließlich gegen die Zand-Dynastie eine
Rebellion anstiften, die in der Konsolidierung
seiner Macht endete. Als er 1797 starb,
folgte ihm sein Neffe Fath ³Ali Khan auf
den Thron.
Fath ³Ali Shahs Regierungszeit begann in
einer politisch unruhigen Phase. Uneingeschränkte
Militärerfolge hatte er ebenfalls
noch nicht verbuchen können. Dennoch verstand
er es, sein Herrschaftsbild viel stärker
zu verbreiten, als es seine Vorgänger jemals
getan hatten. Sein langer schwarzer Bart und
die schmale Taille galten als Betonung seiner
Männlichkeit und verliehen seinen Porträts
einen hohen Wiedererkennungswert. Darüber
hinaus entwarf er eine neue »Kiani«-
Krone, welche die Verbindung zu den alten
achämenidischen Herrschern des Iran hervorheben
sollte (siehe Kat. Nr. 173). Fath ³Ali
Shah ließ unzählige Porträts von sich anfertigen,
um sie fl ächendeckend zu veröffent
lichen. Gleichzeitig fertigten Hofmaler
lebensgroße Porträts in Öl auf Leinwand zur
Ausstattung seiner Palasträume an.
Während Fath ³Ali Shah sich über die Vergangenheit
legitimiert hatte, nahm Nasiruddin
Shah (reg. 1848 – 1896; siehe Kat. Nr. 187)
künstlerische und technische Neuerungen
aus Europa auf. Der Schah begann sich für
Photographie zu interessieren und machte
persönlich Aufnahmen der Mitglieder seines
Haushalts. Unter dem Einfl uss dieser neuen
Beschäftigung änderte sich auch der Malstil.
In der Kadscharenperiode erlebten persische
Lackarbeiten ihren Höhepunkt. Seit
dem späten 15. Jahrhundert wurden Stiftbehälter,
Bucheinbände und Kassetten zunehmend
in Lackarbeit hergestellt (siehe Kat.
Nr. 186). Vogel- und Blumenmotive waren
besonders beliebt, aber auch europäischen
Drucken nachempfundene Porträts und Vignetten
fanden ihren Weg in dieses Medium.
Politisch konnten die Kadscharen dem
Druck, sich den Märkten der europäischen
Länder zu öffnen, nicht standhalten. Hierdurch
wurden gewinnbringende Branchen
monopolisiert und der Schah verlor die wirtschaftliche
Kontrolle über sein Land. Auf
kultureller Ebene förderten die Kadscharen
traditionelle Kunstformen wie die Kalligraphie,
sie zeigten aber auch eine gewisse
Neugier für das Ausland. Diese zuweilen widersprüchliche
Verquickung erzeugte einen
unverwechselbaren künstlerischen Stil, den
der Schah häufi g für seine politischen Zwecke
einsetzte.
229

172 Karim Khan Zand und seine Höfl inge Im Gegensatz zu den kadscharischen Inthroni-
Muhammad Sadiq zugeschrieben
sierungsszenen des Nadir Shah (reg. 1736 – 1747)
Iran, Schiraz, nach 1779
und des Fath ³Ali Shah (reg. 1798 – 1834; siehe
Öl und Metallfolie auf Leinwand
Kat. Nr. 173), die sich beide mit allen Königs-
129,5 x 276,8 cm
insignien darstellen ließen, zeigt dieses Bild kaum
AKM 00501
Merkmale eines Herrscherporträts. Karim Khan,
Publiziert: Diba 1998, 152 –153; AKTC 2007b, der Zand-Regent, der für einen der letzten Safa-
Kat. D 188; AKTC 2009a, 215; AKTC 2009b, 215
widen in Südpersien regierte, trägt zwar einen
Zand-Turban, aber nicht das offi zielle Ornat eines
Regenten. Die informelle Atmosphäre in dieser
zwanglosen Raucherszene entspricht ganz seinem
Regierungsstil. Karim Khan Zands breite Schultern,
die ehrerbietige Haltung seiner Höfl inge, die
Monumentalität der Arkadensäulen und allein die
Maße des Gemäldes vermitteln einen Eindruck
seiner Autorität und der Stabilität, die er im Iran
230
erreichen konnte. Aufgrund einer signierten
Porträtskizze von Karim Khan Zand schreibt
Layla Diba das Gemälde Muhammad Sadiq zu.
Verschiedene Details wie die stark schattierten
Gesichter, die Turbane und kleinteiligen fl oralen
Muster fi nden sich auf einem ebenfalls von diesem
Künstler signierten Porträt des Rustam Khan
Zand. Das Gemälde, so Diba, ist wohl nach dem
Ableben des Karim Khan Zand als Erinnerungsporträt
in Auftrag gegeben worden, denn die
ernste Erscheinung der Höfl inge widerspricht
der humorigen und heiteren Stimmung, die
Berichten zufolge am Hof geherrscht hatte (Diba
1998, 152 – 153). Das Bild befand sich vormals
in der Sammlung von Mrs. Eskander Aryeh. AF

231

173 Fath ³Ali Shah auf einem Edelsteinthron Zur fl ächendeckenden Verbreitung seines Port-
Iran, kadscharisch,
räts ließ Fath ³Ali Shah (reg. 1798 –1834) unzäh-
frühes 19. Jahrhundert
lige kleinformatige Bilder anfertigen. Sämtliche
Wasserfarben und Gold auf Papier
Darstellungen zeigen ihn entweder auf einem
33,2 x 21,1 cm
Thron sitzend, im Schneidersitz auf einem Podest
AKM 00504
oder stehend armiert in Rüstung bzw. ein manns-
Publiziert: AKTC 2009a, 217; AKTC 2009b, 217
hohes Zepter haltend (Diba 1998, 173 –188). Dieses
Aquarellporträt ist eine Arbeit von Mir ³Ali,
einem der größten Maler der frühen Kadscharenzeit,
bekannt für seine großformatigen Porträts
des Fath ³Ali Shah sowie die Einführung ikonographischer
Neuerungen, etwa des dargestellten
Throns (Raby 1999, 11). Fath ³Ali Shah sitzt in
Dreiviertelansicht auf dem mit Edelsteinen und
Perlen geschmückten »Naderi«-Thron, den er
eigens entworfen hatte. Auch sein mit kostbarem
Rot gefärbtes Gewand, seine Krone und sein
Schwert sind reich bestückt. Er trägt die gleichfalls
von ihm nach achämenidischen Vorbildern
entwickelte und mit Reiherfedern geschmückte
»Kiani«-Krone. Die fehlende architektonische
Umrahmung, wie sonst bei seinen Porträts üblich,
verstärkt die herrscherliche Würde und die nahezu
ikonenhafte Distanziertheit dieses Bildes. Die
starre, fast teilnahmslos wirkende Körperhaltung
des Porträtierten entspricht seiner Herrscherposition
und der majestätischen Erhabenheit, die er
nach außen vermitteln wollte. Die fein gemalten
Gesichtszüge, die grazilen Hände und Füße verleihen
dem Bild dennoch eine gewisse Eleganz.
174
232
Album (muraqqa³) mit Porträts und Kalligraphie-Mustern
Iran, Teheran, frühes 18.– frühes 19. Jahrhundert
Leporello aus 16 Seiten; Tinte, Gouache und Gold
auf Papier in zeitgenössischem Lackeinband
29,2 x 19,5 cm
AKM 00275
Publiziert: Welch 1978b, 98 –119; Welch – Welch
1982, 132 –134 (Nr. 45); Diba 1998, 176 –178;
AKTC 2007a, 110 (Nr. 76); AKTC 2007b, 110 –111
(Nr. 76); AKTC 2008a, 162 –163 (Nr. 59);
AKTC 2009a, 217; AKTC 2009b, 217
Dieses Leporello (muraqqa³) lässt sich wie eine
Ziehharmonika öffnen und präsentiert in seinem
Innern zwölf Porträts von persischen Herrschern
und 18 kalligraphische Musterstücke. Letztere
Seiten sind im Schriftduktus Shikasta, Thuluth,
Naskh and Nasta³liq kalligraphiert und mit zart
illuminierten Blumenborten umrahmt. Unter den
zwölf Porträts fi nden sich drei der wichtigsten
Könige des Schahname, Jamshid, Kai Khusrau
und Kai Kawus. Die übrigen Bildnisse zeigen
Dschingis Khan, Timur sowie Safawiden-, Zand-
und Kadscharenherrscher. Ein Porträt des Fath
³Ali Shah (reg. 1798 –1834) in opulentem fürstlichem
Ornat auf dem Sonnenthron auf Fol. 3v
Im Kontrast zu seiner prunkvollen Ausstattung
lässt sein schlanker Körperbau, durch das taillierte
Gewand betont, Fath ³Ali Shah fast asketisch
wirken und zeugt von der Selbstdisziplin eines
mili tärisch aktiven Fürsten.
Name und Titel des Fath ³Ali Shah stehen in
einem Medaillon in der rechten oberen Bildecke.
Ein mit goldenen Linien in sechs Felder unterteilter
Rahmen darunter enthält zwei Lobverse auf
den Fürsten.
Mit dem strengen, linearen Malstil der zweiten
und dritten Dekade des 19. Jahrhunderts wird
bewusst ein Bruch zu den naturalistischen, weich
modellierten Porträts der Zand-Regenten vollzogen
(vgl. Kat. Nr. 172). Abgesehen vom Format
der Fürstenporträts werden europäische Malkonventionen
nun nicht mehr berücksichtigt. Vielmehr
griff man auf die altpersischen Vorbilder der
Achämeniden und Sassaniden zurück, wie sie beispielsweise
die Felsreliefs bei Kermanshah oder
Persepolis darstellen. Starre Posen, Frontalansichten
und satte, mit der bleichen Gesichtsfarbe kontrastierende
Farben und Gold beherrschen die
strengen Kompositionen. Zu den Attributen eines
neuen Schönheitsideals gehörten die scharf konturierte
Nase, mandelförmige Augen mit stark akzentuierten
Augenbrauen, mit Henna gefärbte Nägel
und Füße sowie, als Zeichen der Männlichkeit,
ein langer schwarzer, sorgfältig gepfl egter Bart
(Diba 1998, 170). VD
enthält ein Medaillon mit dessen Namen und
dem Datum 1234 H / 1819 AD. Das Album
wurde möglicherweise von Fath ³Ali Shah oder
einem zuvorkommenden Höfl ing in Auftrag
gegeben. Das Album, so B. W. Robinson, stellt
vielleicht eine tragbare Version der großen Ölgemälde
dar, die Fath ³Ali Shah von dem Künstler
Mir ³Ali für den ³Imarat-i Nau Palast in Isfahan
in Auftrag gab (Ekhtiar in Diba 1998, 176). Ähnlich
den lebensgroßen Bildnissen früherer und
zeitgenössischer Herrscher zeigt dieses Album
eine weitere Methode der Kadscharen, über die
bildende Kunst imperiale Macht und dynastische
Legitimität zu vermitteln. AF

233

175-180
234
Kadscharische Goldmünzen und andere
Objekte aus Gold
Sechs Goldmünzen des Agha Muhammad
Khan Qajar (reg. 1794 –1797)
Iran, Teheran, kadscharisch, 1210 und 1211 H /
1795 und 1796 AD
Gold
Unterschiedliche Abmessungen, Gewicht zwischen
80 und 400 Gramm
AKM 00621
Publiziert: AKTC 2009a, 218; AKTC 2009b, 218
Diese gemischte Gruppe zeigt die Bandbreite
kleinformatiger, aber qualitativ hochwertiger Objekte,
die in der Kadscharenzeit aus dem wertvollen
Material Gold hergestellt wurden. Nur die
sechs Schaumünzen (Kat. Nr. 175 – 180) sind exakt
datierbar und wurden 1795 oder 1796 unter
der Herrschaft des Agha Muhammad Shah (reg.
1794 – 1797), dem Gründer der Kadscharendynastie,
geprägt. Einige Münzen, darunter ein
quadratisches Exemplar, enthalten Bittgebete an
Gott, Muhammad und Ali, Cousin des Propheten
und erster schiitischer Imam. Andere Münzen
enthalten fi gürliche Darstellungen wie einen Pfau,
ein Symbol, das im Iran sowohl mit Königtum als
auch mit dem Paradies assoziiert wird. Auch
Löwe und Sonne kommen vor, beides im Iran seit
der vorislamischen Zeit wohlbekannte Symbole
für Königsherrschaft und Autorität. Eine der
Münzen ist mit einem Perlband umrahmt, einem
Motiv, das gleichfalls der vorislamischen, vor allem
sassanidischen Bildsprache entstammt. Möglicherweise
wurde mit den 1210 H / 1795 AD
geprägten Münzen die Inthronisierung des Herrschers
zelebriert und mit den Münzen von 1211
H / 1796 AD des ersten Jahrestages seiner Herrschaft
gedacht (Soucek 2006, 305 – 309). Die
Goldmünzen waren Teil der Entschädigung von
10 Kurur oder 5 Millionen Toman, welche der
Iran aufgrund des Friedens von Turkmantschai
1828 an Russland auszuzahlen hatte. Zeitgenössische
Berichte geben an, dass etwa 1600 Mulis benötigt
wurden, um die Geldmenge zu transportieren
(Raby 1999, 22). Der Vertrag, den die Iraner
nach den verheerenden persisch-russischen Kriegen
(1826 – 1828) unterzeichnen mussten, sah
auch vor, die Khanate (Fürstentümer) von Eriwan
und Nachitschewan für immer an Russland abzu-
treten und untersagte dem Iran fortan, im Kaspischen
Meer zu navigieren.
Das achteckige Miniaturbehältnis für einen
Koran und die beiden Amulette sind mit Koranversen
versehen (Kat. Nr. 181 und 182). Die Amulette
enthielten vermutlich einmal Papierrollen
mit einzelnen Koranversen oder sogar dem kompletten
Korantext in winziger Ghubar-Schrift
(»Staubschrift«). Der Name ist abgeleitet von den
minuziösen Buchstaben, die man für so klein, fragil
und fl üchtig wie Staubkörner hielt. Der Koranbehälter
diente einmal als Behältnis für einen Miniaturkoran
oder einen Teil des Korans in derselben
Form wie das Gehäuse. Das Amulett nennt auch
die schiitischen ahl al-bait oder »Leute des Hauses
[des Propheten]«, zu denen Muhammad, Ali,
Fatima, Hasan und Husain gehören. Die Amulette
und das Korangehäuse waren zum Umhängen
gedacht, wobei die Inschriften bzw. der Inhalt seinem
Träger Gottes Macht und Schutz gewähren
sollte. Der Koranbehälter ist mit Versen aus den
Suren al-Baqara (»Die Kuh«) und al-Qalam (»Das
Schreibrohr«) sowie mit einem arabischen Vierzeiler
versehen.
Goldobjekte sind nicht nur von einer ursprünglich
islamischen bzw. vorislamischen Ästhetik bestimmt,
sondern nehmen auch europäische Muster
und Einfl üsse auf. So das ungewöhnliche und
ansprechend emaillierte Objekt, das eine kleine
äquinoktiale Sonnenuhr im Taschenformat enthält
(Kat. Nr. 183). Diese Form der Sonnenuhr wurde
um 1600 in England erfunden und war bis ins
19. Jahrhundert in Europa in Gebrauch. Das Objekt
zeigt das Faible der Kadscharenherrscher für
persönliche Luxusartikel, aber auch ihr Interesse
an technischen Neuerungen aus Europa. AF / LA

235

181
182
236
Amulett
Iran, kadscharisch, 19. Jahrhundert
Gold
Länge 8,3 cm
Inschrift (arabisch): (Amulett) Sure al-Qalam
(»Das Schreibrohr«), 68:51–52;
(Blättchen) Ya ³Ali madad (»Oh Ali, hilf!«)
AKM 00623
Publiziert: AKTC 2009a, 220; AKTC 2009b, 220
Miniatur-Koranbehälter und Amulett
Iran, kadscharisch, 19. Jahrhundert
Gold
Ø des Behälters 5,3 cm; Länge des Amuletts 8,5 cm
Inschrift (arabisch): (Koranbehälter und Amulett)
Sure al-Baqara (»Die Kuh«), 2:255
AKM 00624
Publiziert: AKTC 2007a, 48 (Nr. 18); AKTC 2007b,
44 (Nr. 18); AKTC 2009a, 220; AKTC 2009b, 220
183 Äquinoktiale Sonnenuhr
Iran, kadscharisch, 19. Jahrhundert
Emailliertes Gold
Ø 9 cm
AKM 00625
Publiziert: AKTC 2007a, 111 (Nr. 77); AKTC 2007b,
112 (Nr. 77); AKTC 2008a, 164 –165 (Nr. 60);
AKTC 2009a, 221; AKTC 2009b, 221

237

184 Offi zielles Schreiben des Kronprinzen
³Abbas Mirza an Napoleon I.
Während der Regierungszeit des Fath ³Ali Shah
(reg. 1798 –1834) wurden die diplomatischen
Beziehungen zwischen den Kadscharen und dem
Westen wieder aufgenommen. In der Zeit zwischen
1805 – als Napoleon erstmals Kontakt aufnahm –
und 1808 – dem Jahr dieses Schreibens – fand im
Zuge der sich in den persisch-russischen Kriegen
verschiebenden Loyalitäten ein intensiver diplomatischer
Austausch zwischen Kadscharen, Franzosen
und Briten statt. Kronprinz ³Abbas Mirza
(1789 –1833), Sohn und Thronfolger des Fath
³Ali Shah, war als Gouverneur von Aserbaidschan
in Täbris stationiert, wo er Militärkampagnen zur
Unterwerfung Georgiens und Aserbaidschans
vorbereitete – mit den neuesten militärischen
Technologien und Ausbildungsmethoden. Diesen
Brief, der laut einem Vermerk auf der Rückseite
am 17. Februar 1809 in Paris ankam (»Lettre du
Prince ³Abbas Mirza à S. M. Impériale, écrite à la
fi n de l’année 1808, et arrivée à Paris le 17 février
1809«), hatte der 19-jährige Prinz ³Abbas Mirza
dem französischen Kaiser Napoleon I. geschrieben.
In seinem Kommentar zu dem zwei Jahre
anhaltenden Schweigen des Kaisers beschreibt
der Prinz den Vertragsbruch der Russen und fragt
Napoleon, was er dagegen zu tun gedenke, die
Kampfbereitschaft seiner Truppen signalisierend
(siehe Diba in Falk 1985, 193 –194, mit weiterführender
Literatur). Ein britischer Gesandter,
Sir John Kinneir Macdonald, half bei der endgültigen
Formulierung des Vertrages von Turkmantschai
mit Russland im Jahr 1828 und unterstützte
Prinz ³Abbas Mirza fi nanziell, nachdem dieser
Täbris an die Russen verloren hatte. AF
238
Iran, 1808 datiert
Tinte, Gouache und Gold
120 x 58 cm
AKM 00251
Publiziert: Falk 1985, 193–194 (Nr. 182);
AKTC 2007a, 113 (Nr. 80); AKTC 2007b, 114
(Nr. 80); AKTC 2009a, 222; AKTC 2009b, 222

185 Bogen in Lackarbeit
Iran, Zand oder kadscharisch,
spätes 18. Jahrhundert
Holz, bemalt und lackiert
Länge 92 cm
AKM 00641
Publiziert: AKTC 2007a, 144 –145 (Nr. 110);
AKTC 2007b, 25 und 148 (Nr. 110);
AKTC 2008a, 220, 222–223 (Nr. 84);
AKTC 2009a, 222; AKTC 2009b, 222
Der Bogen eines Schützen galt als Symbol der
Königs herrschaft und diente zugleich als Jagdgerät.
Dieser kunstvoll ausgearbeitete Lackwerk-
Bogen ist bemalt und mit einem Firnis auf
Sandarakharzbasis versiegelt, der die Malereien
schützt und Glanz verleiht. In persischen Quellen
des 16. bis 19. Jahrhunderts wird der Firnis
als »Bogenöl« (raugan-i kaman) bezeichnet.
Dieser Ausdruck und die interessante Tatsache,
dass der Bibliothekar (kitabdar) und Leiter der
Handschriftenproduktion des Timuridensultans
Husain, Mirak Naqqash (gest. nach 1507),
Bogen anfertigte bzw. einer Familie von Bogenherstellern
aus Herat entstammte, veranlasst
T. Stanley zu der Annahme, dass die frühesten
Lackeinbände von Mirak Naqqash unter Verwendung
von Bogenöl hergestellt wurden (Stanley
in Thompson – Canby 2003, 189). AF
239

186 Schreibkästchen aus Lack
187 Ein Medaillon mit dem Porträt des Kadscharen-
240
Signiert von Isma³il (Muhammad Isma³il)
Iran, datiert 1282 H / 1865 AD
Papiermaché, bemalt und lackiert
Länge 26,8 cm
AKM 00643
Publiziert: Robinson 1989, Abb. 1 und 10;
Karimzadeh Tabrizi 1990, Bd. I, 457; AKTC 2007a,
111 (Nr. 78); AKTC 2007b, 112 (Nr. 78);
AKTC 2008a, 166 –167 (Nr. 61); AKTC 2009a, 224;
AKTC 2009b, 224
Handschrift des Gulšan-i Raz des
Šabistari
Iran, Teheran, datiert Šawwal – D − u l-Qa³da 1310 H /
April – Mai 1893 AD
Malerei und Lack auf Karton
Einband 18,5 x 12 x 2,2 cm; Seiten 18,2 x 11,4 cm;
Text 13,6 x 7 cm
AKM 00276
Publiziert: Welch 1978b, 120 –123; AKTC 2007a,
114 –115 (Nr. 81); AKTC 2007b, 115 (Nr. 81);
AKTC 2009a, 224; AKTC 2009b, 224
Die bildende Kunst blühte im 19. Jahrhundert
unter der Schirmherrschaft der Kadscharen auf.
Lackarbeiten waren eine besondere Spezialität
(siehe Kat. Nr. 156 und 185 als Beispiel für einen
Bucheinband und einen Bogen). Wie das vorliegende
Stück wurden bescheidene Federkästchen
oft in wahre Kunstwerke verwandelt. Das Kästchen
ist reich verziert mit vertrauten politischen,
legendären, literarischen und mystischen Sujets.
In der mittig platzierten Kartusche auf dem
Deckel ist der Kadscharenherrscher Nasiruddin
Shah (reg. 1848 –1896) Hof haltend dargestellt.
herrschers Nasiruddin Shah (reg. 1848 –1896) ist
mittig auf dem mit goldenen Weinranken gemusterten
Lackeinband platziert. In der zweiten Hälfte
des 19. Jahrhunderts wurde der europäische
Einfl uss stärker und Nasiruddin Shah reagierte
darauf mit einer Mischung aus Konservatismus
und Modernität. Das von ihm 1815 gegründete
dar al-funun war die erste Fachhochschule im Iran
und nach dem Vorbild westlicher Institutionen
konzipiert. Dieser Lackeinband ist in ähnlicher
Weise zugleich konservativ und modern. Ein
Porträtmedaillon des Herrschers in europäischem
Daneben erscheinen mythische gekrönte Häupter,
Bilder aus Gedichten von Sa³di und Nizami
sowie sechs Porträts von Sufi -Derwischen. Dieser
bedeutende Schreibkasten ist mit der Signatur
des kadscharischen Meisterschreibers (naqqaš
baši) Muhammad Isma³il versehen, der Mitte des
19. Jahrhunderts wirkte und für seine Lackmalereien
berühmt war. Innen brachte der Künstler in
einer ovalen Kartusche ein Miniatur-Selbstporträt
mit Persianerkappe und Pinsel in der Hand an.
Ein Reimpaar über und unter dem Bildnis enthält
den Namen des Künstlers. AF
Stil ist umgeben von einem eher traditionellen
vegetabilen Golddessin auf dunklem Grund. Die
Wurzeln kadscharischer Lackarbeiten reichen
weit zurück bis auf die timuridischen Traditionen
des 15. Jahrhunderts in Herat, welche in der Safawidenzeit
fortgesetzt wurden (siehe Kat. Nr. 156).
Das Gulšan-i Raz (»Der geheime Rosengarten«)
ist ein sufi sches Gedicht aus dem Jahr 1311, verfasst
von Shabistari (gest. 1320-1). Es ist in Form
eines Katalogs von 15 Fragen des Amir Husaini
von Khorasan mit ausführlichen Antworten des
Autors konzipiert. AF

241

188 Kalligraphisches Gemälde von Isma³il Die Buchstaben eines Bittgebets an den vierten
Falayir
schiitischen Imam ³Ali ibn al-Husain, auch be-
Am unteren Bildrand in Rot signiert von
kannt als Zain al-³Abidin, heben sich von einer
Isma³il Falayir (raqimuha al-haqir Isma³il
wie in ätherisches Licht getauchten Landschaft
al-musawwir al-katib sanata ...)
ab. Das ha² und das sin aus dem Namen seines
Iran, circa 1860 –1870
Vaters, Husain, der 680 in der Schlacht bei Ker-
Tinte und Gouache auf Papier
bela (Irak) umkam, teilen mit ihrer diagonalen
35 x 53 cm
Streckung das Bild in zwei Hälften. Die Bögen
Inschrift (arabisch):
der beiden Endbuchstaben ya² in »³Ali« und
(oben, in Rot, erste Zeile) Huwa al-³aziz al-wahhab nun in »ibn« und »Husain« bilden ein perfektes
(»Er ist der Mächtige, der beständig Gebende«) Band mit den dazwischen gesetzten alifs. In der
(zweite Zeile) Ya murtaka ya ³Ali ³alaihi as-salam unteren Zeile betont die regelmäßige Abfolge der
(»Oh du, der Sein Wohlgefallen hat, Oh Ali, Heil diakritischen Punkte – erst zwei, dann einer, dann
über ihn«)
wieder zwei – den Schriftrhythmus. Leider ist
(Bildmitte, von unten, in Schwarz) Ya ³Ali ibn al- das Blatt leicht beschnitten worden, sodass das
Husain ³alaihi as-salam (»Oh Ali, Sohn des Husain, Datum am linken Ende der unteren Zeile fehlt.
Heil über ihn«)
Das Bild ähnelt einem weiteren, Isma³il Jalayir
AKM 00534
zugeschriebenen Gemälde, das eine ähn liche
Publiziert: Falk 1985 (Nr. 177); Blair 2006, 454 – 455; Form der Nasta³liq-Inschrift vor einem schemen-
Makariou 2007, 156 –157 (Nr. 56); AKTC 2009a, haften Hintergrund mit verschiedenen Szenen
226; AKTC 2009b, 226
verwendet.
In der oberen Bildhälfte zeigt sich ein fast
unwirklich anmutendes Bauwerk, das einer Abwandlung
klassisch europäischer Architektur
gleichkommt. Säulen, Kuppeln und Arkadengänge
scheinen eine ideale Stadt oder einen irdischen
oder himmlischen Wohnort heraufzubeschwören.
In dem ovalen Bogen des ya² von »³Ali« ist eine
kleine Szene eingebettet. Darin hockt Ali frontal
aufgerichtet am Boden und hält das du l-fi qar-
Schwert, das der Prophet Muhammad ihm über-
242
geben hatte, auf seinen Knien. Er wird fl ankiert
von seinen beiden Söhnen Hasan und Husain,
den zweiten und dritten schiitischen Imamen.
Diese »spirituelle Investiturszene« erhellt auch
die anderen Bildszenen, beispielsweise die beiden
Sufi s rechts des Wortes »³Ali «, und die Jagd- und
Kampfszenen, die gleichwohl religiöse Bestrebungen
symbolisieren können. Über der zeitlosen und
dunstigen Landschaft geht über dem Buchstaben
lam von »³Ali« die Sonne auf. Die Buchstaben
scheinen sich in ihrem Lichtschein zu sonnen.
Seine Ausbildung erhielt Jalayir an der Technischen
Fachhochschule (dar al-funun) in Teheran,
wo er die Kalligraphie bei Meister Mirza Ghulam
Reza erlernte. Der Einfl uss dieser progressiv eingestellten
Institution ist auf dem vorliegenden
Bild deutlich zu erkennen. Seit 1860 wurde an dieser
Hochschule die von den kadscharischen Herrschern
mit Überzeugung angenommene Photographie
und Lithographie gelehrt. Charakteristika
dieser Stätte für neue Technologien und Stile,
zeigen sich in Jalayirs Werk durch seine gekonnte
Mischung aus Kalligraphie – einer archetypischen
islamischen Kunstform – und akribischer Miniaturmalerei.
Jalayirs Stil ist dunstig, vage, mit zarten
Überlagerungen und erinnert an damalige
Photographien auf Albuminpapier. An anderer
Stelle ist ein bärtiger Mann mit Persianerkappe
mit leichten Pinselstrichen in Grautönen gemalt,
was an Lithographien erinnert, die unter den
Kadscharen in Mode gekommen waren. SM

243

244

© akg-images, Bildarchiv Monheim
Indien und die Moguln
Sheila Canby
Neu-Delhi (Indien), Kuppeln der Großen Moschee
Der erste Großmogul Indiens, Babur, stammt
aus Zentralasien und war ein Nachfahre von
Timur Lang (Tamerlan) und Dschingis Khan.
Trotz dieses Stammbaums gelang es ihm
nicht, Samarkand zu erobern. Er konzentrierte
sich stattdessen zwischen 1514 und 1526
zunächst auf Afghanistan und dann auf Indien.
Im Jahr 1526 schlug Babur den Lodi-
Sultan von Delhi in der Schlacht von Panipat
und begann so seine Herrschaft über Nordindien.
Nach Baburs Tod 1530 musste sein
Sohn und Nachfolger Humayun um seine
Vorherrschaft in Indien regelrecht kämpfen.
Nach einem Exil im Iran und einem Aufenthalt
in Afghanistan konnte er jedoch Delhi
und Agra 1555 zurückerobern. Humayun
brachte Künstler vom Safawidenhof mit, die
er eingeladen hatte, in seiner Bibliothek zu
arbeiten. Durch seinen frühzeitigen Tod im
Jahr 1556 konnte sein Sohn Akbar schließlich
weit mehr von diesen zugewanderten
Experten profi tieren. Die persischen Künstler
wurden aufgrund ihres stärker naturalistischen
Malstils bevorzugt. Zusammen mit
einheimischen Hindus und Muslimen, aber
auch mit Malern aus Zentralasien, stellten sie
an Akbars Hof anspruchsvoll illustrierte
Handschriften her.
Akbars Politik, sich mit sämtlichen Volksgruppen
in Indien auseinanderzusetzen und
Europäer an seinem Hof zu empfangen, führ-
te in der Kunst zu einem verstärkten Realismus
und zur Übernahme illusionistischer
Mal techniken. Diese Tendenz erreichte ihren
Höhepunkt unter Jahangir (reg. 1605 –1627).
Die Porträtmalerei nahm an Bedeutung zu,
aber es entstanden auch Bilder der indischen
Tier- und Pfl anzenwelt, Sujets, für die sich
Jahangir persönlich besonders interessierte.
Sein Sohn Shah Jahan (reg. 1628 –1658; siehe
Kat. Nr. 191) gab, wie schon sein Vater, zahlreiche
Porträts von Mitgliedern der Moguldynastie
sowie aufwändige Illustrationen zur
Geschichte seiner Herrschaft, das Padšahnama,
in Auftrag. Einer von Shah Jahans Söhnen,
Dara Shikoh, entwickelte ein großes
Interesse für Kunst und Mystik. Allerdings
erwies sich sein Bruder Aurangzeb als der
militärisch versiertere; er ließ nicht nur Dara
Shikoh umbringen, sondern entthronte auch
seinen Vater Shah Jahan.
Während seiner ausgesprochen langen
Herr schaft von 1658 bis 1707 konnte Aurangzeb
sein Herrschaftsgebiet weiter nach Südindien
ausdehnen, die tolerante Politik seiner
Vorgänger aber gab er auf. Die Kriege und
die Unnachgiebigkeit Aurangzebs führten
schließlich zu einer Schwächung des Mogulreiches,
das im 18. Jahrhundert einen langen
Abstieg erleben sollte, wobei sich eine Nostalgie
für die Blütezeit der Dynastie unter Akbar,
Jahangir und Shah Jahan entwickelte.
245

189 Vierseitige Standarte (³alam)
246
Iran oder Dekkan, 17.–18. Jahrhundert
Gusseisen, genietet und geschweißt, durchbrochener
Dekor
Höhe 102 cm
AKM 00620
Publiziert: Allan 2002; Makariou 2007, 150 –151
(Nr. 53); AKTC 2009a, 230; AKTC 2009b, 230
Diese in Größe und Erscheinungsform eindrucksvolle
Standarte (³alam) gehört nach James Allans
Klassifi kation zu den raffi niertesten ihrer Art. Der
vierteilige Typ, aufgebaut aus mehreren, sich vergrößernden
Elementen in Mandelform und versehen
mit einem fl ächendeckenden, von Inschriften
durchzogenen Arabesken-Durchbruchmuster soll
iranisch-safawidischen Ursprungs sein und kann
Isfahan genau zugeordnet werden. Allan nennt in
seiner Untersuchung einige Beispiele, doch nur
zwei davon sind datiert: 1069 H / 1658-9 AD und
1117 H / 1705 AD. Die Standarte des Aga Khan
Museums könnte aus einem der schiitischen Fürstentümer
des Dekkan in Südindien stammen.
Diese hatten sich zwischen dem späten 15. und
beginnenden 16. Jahrhundert, als die Bahmanidendynastie
(1347–1527) zerfi el, herausgebildet.
Die detaillierte Ausarbeitung des Ajour-Musters,
das arabeske und kalligraphische Motive vereint,
weist in künstlerischer Hinsicht auf die engen
Verbindungen dieser Kleinstaaten zum schiitischsafawidischen
Iran. Tatsächlich hatten sich zahlreiche
Künstler, Gelehrte und Geistliche aus dem
iranischen Raum im Dekkan niedergelassen. Nur
eine gründliche Untersuchung der unterschiedlichen
Inschriften im Thuluth-Duktus könnte die
Herkunft dieses Stücks klären. Mark Zebrowski
hat auf Einzelheiten des Thuluth-Duktus, die
wohl dieser Region eigen sind, sowie auf das Fehlen
von Nasta³liq-Schrift, die im safawidischen
Iran und teils auch in Nordindien gebräuchlich
war, hingewiesen.
Von den bei Allan angeführten Standarten kombiniert
lediglich eine beide Schriftstile. Dabei handelt
es sich um eine Abbildung auf einer 1611 datierten
Keramikmosaiktafel im Badshahi ³Ashurkhana,
einem von Muhammad Quli Qutub Shah zwischen
1593 und 1596 erbauten schiitischen Fürstengrab
in Hyderabad. Standarten des hier vorliegenden
Typs sind aus dieser Zeit nicht bekannt,
sodass das Exemplar des Aga Khan Museums wie
die von Allan bearbeiteten Stücke in die zweite
Hälfte des 17. oder Anfang des 18. Jahrhunderts
datiert werden kann.
Das Gedenken an das Martyrium von Husain,
Alis Sohn, der am 10. Muharram 61 / 10. Oktober
680 in der Schlacht bei Kerbela fi el, ist einer der
wichtigsten Kernpunkte der Schia, um welchen
einige bedeutende Rituale entstanden. Im Dekkan
wurden seit dem späten 16. Jahrhundert während
des Monats Muharram bei Zusammenkünften
an bestimmten Schauplätzen (sing. ³ašurjana)
Klagegedichte (sing. marqiyya) zu Ehren der schiitischen
Märtyrer rezitiert. An diesen Orten wurden
auch die Standarten aufbewahrt. In den Prozessionen
wurden sie mit einer Nachbildung von
Husains Sarg (tabut), einem Bild des Buraq, des
weißen gefl ügelten Rosses des Propheten, und
einem Weihrauchkandelaber umhergetragen. Am
Ende der Prozession wurde der Sarg entweder
vergraben oder im Fluss versenkt. Letzteres entsprach
der hinduistischen Tradition, Götterstatuen
nach deren Verehrung dem heiligen Fluss zu
übergeben. MB

247

190 Bebilderte Ahnentafel
der Nachkommen Jahangirs
Indien, Agra, circa 1623 –1627
Tinte, Gouache und Gold auf Papier
Seite 36,2 x 24,2 cm
AKM 00151
Publiziert: Canby 1998, 145 –147 (Nr. 108);
AKTC 2007a, 117 (Nr. 83); AKTC 2007b, 118
(Nr. 83); AKTC 2009a, 232; AKTC 2009b, 232
248
Islamische Dynastien, vor allem die Moguln und die
Osmanen, nutzten genealogische Porträts und Chroniken,
um ihren Herrschaftsanspruch zu untermauern
(vgl. Kat. Nr. 98 und 100). Auf dieser Albumseite
steht der Großmogul Jahangir (reg. 1605 –1627)
zentral an der Spitze seines »Stammbaums«. Er ist
mittels Linien mit vier seiner Söhne (von links:
Khusrau, Jahandar, Shahriyar und Sultan Parviz)
und wiederum deren Söhnen verbunden. Im unteren
Drittel des Blattes sind seine timuridischen Vorfahren
in umgekehrter genealogischer Reihenfolge
abgebildet. An manchen Stellen wurde die Ahnenreihe
nachträglich umarrangiert und neu zusammengesetzt.
Dies ist nicht ungewöhnlich, betrachtet
man weitere Überarbeitungen von historischen
Miniaturen wie beispielsweise die »Prinzen aus
dem Hause des Timur« (British Museum, London),
das ursprünglich wohl ein Gartenfest des
Großmoguls Humayun (reg. 1530 –1556) und seiner
Freunde darstellte, bevor Jahangirs Maler daraus
ein timuridisch-moguldynastisches Gemälde
machten. AF

191 Bildnis des Shah Jahan
Der von einem Glorienschein umgebene Herr-
und seiner drei Söhne
scher ist im Profi l dargestellt. Er sitzt auf einem
Indien, circa 1628 oder später
großen Thron mit goldenen Füßen unter einem
Tinte, Gouache und Gold auf Papier
hohen, weißen Baldachin. Zu seiner Rechten ste-
Seite 35,8 x 24,2 cm; Bild 24,8 x 14,7 cm
hen die drei jungen Prinzen. Sie sind alle prächtig
Inschrift (persisch):
ausgestattet mit juwelenbesetzten Turbanen, Hals-
(unten links) »Werk des geringsten Haus geborenen, ketten, qatar-Dolchen und Schärpen (sing. patka).
Mano Die Szene ist vor einen abgerundeten türkisen Hintergrund
gesetzt, der – dem golden aufkommenden
Licht am Horizont nach zu urteilen – möglicherweise
den Erdball andeutet. Die Inschrift am
unteren Rand der Darstellung identifi ziert dieses
mogulindische Gemälde als Porträt des Schah
Jahangir und seiner drei Söhne. Was man allerdings
tatsächlich vor sich hat, ist ein Bildnis von
Shah Jahan (reg. 1628 –1657) und dessen drei
– har«
(unten rechts) »Bildnis des Nuruddin Fahangir
und seiner Söhne«
AKM 00124
Publiziert: Canby 1998, 147–148 (Nr. 119);
AKTC 2007a, 119 (Nr. 85); AKTC 2007b, 116 und
129 (Nr. 85); AKTC 2009a, 233; AKTC 2009b, 233
ältesten Söhnen – Dara Shikoh (1615 –1659), Shah
Shuja (1616 –1659) und Aurangzeb (1618 –1707) –
zusammen mit deren Großvater mütterlicherseits,
Asaf Khan, auf der rechten Seite. Unter den Moguln
war es durchaus üblich, ältere Werke für
Propagandazwecke überarbeiten zu lassen (siehe
Kat. Nr. 190). Die Inschrift unten links lautet:
»Werk des geringsten Hausgeborenen, Manohar«.
Das Bild, so Sheila Canby, ist charakteristisch für
Manohars Stil aus der Zeit um 1615, abgesehen
von den überarbeiteten Gesichtern und der Bildkomposition.
Jene ist nach den Konventionen der
privaten Herrscherporträts des Schahs Akbar gestaltet,
welche unter Jahangir und Shah Jahan in
den 1610er- und 1620er-Jahren eine stärkere psychologische
Fokussierung erhielten. AF
249

192 Porträts des Jahangir und
des Shah Jahan
Porträt des Jahangir (oben): signiert von Balcand
Porträt des Shah Jahan (unten): signiert und datiert
von Abu l-Hasan
Mogulindisch, 1628
Tinte, Gouache und Gold auf Papier
55,1 x 34,5 cm
Porträt des Jahangir mit Rahmen 5 x 4,1 cm
Porträt des Shah Jahan mit Rahmen 18,2 x 13,9 cm
AKM 00135
Publiziert: Welch – Welch 1982, 215 – 216 (Nr. 71);
Falk 1985, 165 (Nr. 143); Goswamy – Fischer 1987,
96 – 97 (Nr. 43); Canby 1998, 142 –144 (Nr. 106);
AKTC 2008a, 170 und 172 –173 (Nr. 65);
AKTC 2009a, 235; AKTC 2009b, 235
250
Die beiden Porträts sind jeweils mit kunstvoll illuminierten
Umrandungen eingefasst und wurden
auf ein Albumblatt mit goldenem vegetabilem
Rapportmuster montiert. Die Bildnisse der zwei
mächtigsten Großmoguln (oben: Jahangir, unten:
Shah Jahan) zeigen deutlich den Unterschied in
den künstlerischen Konventionen ihrer jeweiligen
Regierungszeit. Das Bruststück des Jahangir
(reg. 1605 –1627), vierter Herrscher der Moguldynastie
und Sohn des Akbar (reg. 1556 –1605),
repräsentiert diejenige Form des Porträts, die
während seiner Herrschaft bei hochstehenden
Persönlichkeiten in Mode war. Dieser Trend hatte
nach 1615, dem Zeitpunkt zu dem Sir Thomas
Roe das Miniaturporträt in Indien einführte, begonnen
(Welch – Welch 1982, 215; Canby 1998,
143). Einer der typischsten Vertreter des Malstils
unter Jahangir war Balchand, der berühmt dafür
war, vor allem die emotionalen und »menschlichen«
Aspekte der Dargestellten in seinen Bildern
festzuhalten (Welch – Welch 1982, 215).
Balchand versah das Werk mit einer persischen
Signatur auf Jahangirs linker Schulter: »rasm-i
[Zeichnung des] Balcand«.
Das Bildnis des Shah Jahan (reg. 1628 –1658),
Jahangirs Sohn und Nachfolger, steht in deutlichem
Kontrast zum Porträt seines Vaters. Beide
sind in der für Großmogulporträts standardisierten
Form der Profi lansicht mit einem goldenen
Glorienschein um den Kopf dargestellt, jedoch
war das größere, in einen ovalen Rahmen gefasste
Bild des Shah Jahan eher für ein breiteres Publikum
gedacht. Die Darstellung eines Hüftbildes
erlaubte es dem Maler, die Attribute der Herrschermacht
darzustellen, so das Schwert und das
offi zielle Siegel in der Hand des Großmoguls. Die
für den Betrachter bewusst lesbar gestaltete Siegelinschrift
listet die Herrschertitel auf: »Abu l-Mu -
x affar Muhammad Šihabuddin Šah Fahan Padšah-i
Gazi Sahib Qiran-i Rani«. Der letztgenannte Titel
»Sahib Qiran-i Rani« (»der zweite Herr der glücklichen
Sternkonstellation«) bezieht sich auf Timur
(reg. 1370 –1405), der den Titel »Sahib Qiran«
trug. Timur war der Gründer der Timuridendynastie,
von dem sich die Großmoguln ableiteten
(Canby 1998, 143). Diese Verbindung mit dem
größten Timuridenherrscher sollte Shah Jahans
Recht auf den Thron nach dem Tod seines Vaters
bekräftigen. Der ikonenhaft idealisierte höfi sche
Stil unter Shah Jahan zeigte sich bereits zu Beginn
seiner Regierungszeit. Das Porträt ist am linken
Bildrand signiert und datiert durch Nadiruzzaman,
bekannt als Abu l-Hasan: »Gemalt wurde es
zu Beginn seines gesegneten Aufstiegs / überreicht
zur Wertschätzung des Reinsten / eine Arbeit des
demütigsten Dieners, Nadiruzzaman«. Das Gesicht
des Herrschers, der geradeaus blickt, ist im
Profi l abgebildet, und seine Kleidung ist mit kostbaren
und leicht zu identifi zierenden Edelsteinen
geschmückt. Im Gegensatz zu der naturalistischen
Darstellung seines Vaters, dessen Gesichtszüge
durch sorgfältige Modellage dreidimensional
erscheinen, wirkt Shah Jahans Bildnis wie eine
Ikone und erzeugt eine größere Distanz zwischen
Betrachter und Porträtiertem. Diese verschiedenen
Charakteristiken zeigen den unterschiedlichen
Einsatz der bildenden Kunst bei Jahangir
und Shah Jahan, welcher aktiv Kunst- und Architekturprojekte
förderte (Beach – Koch 1997).
Jahangir, der Vater, wahrt zwar seinen herrscherlichen
Rang, lässt aber eher seine menschlichen
Züge zum Vorschein kommen. Sein Sohn Shah
Jahan dagegen ließ sich, um seinen Untertanen
Respekt einzufl ößen, in der Betonung seiner
Macht und Autorität geradezu übermenschlich
darstellen. LA

251

193 Humayun besiegt seinen aufständischen Zu Beginn seiner Regierungszeit ließ Großmogul
Bruder Kamran in Kabul
Akbar (reg. 1556 –1605) Handschriften mit Aben-
Blatt aus einer verstreuten Kopie des Akbarnama teuergeschichten, wie das Tutinama (»Das Papa-
des Abu l-Fazl ³Allami (gest. 1602)
geienbuch«) oder Hamzanama (»Das Buch des
Indien, Agra, circa 1597
Hamza«), und literarische Erzählungen wie die
Tinte, Gouache und Gold auf Papier
Anwar-i Suhaili (»Die Lichtstrahlen des Suhail«)
37 x 25,2 cm
fertigen. In den 80er-Jahren des 16. Jahrhunderts
Signiert (persisch):
dagegen wurden verstärkt historische Texte in
»Malerei des Mahesh, wichtigste Gesichter von Auftrag gegeben, darunter der Tarij-i Alfi, eine
Padarath«
Geschichte des ersten islamischen Jahrtausends,
(spätere Beschriftung am unteren Rand links) »Der das Timurnama, die Geschichte des Gründers
Kampf Seiner Majestät, dessen Provinz das Para- der Timuridendynastie Timur, von dem sich die
dies ist, [des Kaisers] Jahangir« (»razm nimudan-i Moguln ableiteten, sowie im Jahr 1590-1 das
hazrat-i fannat-ustani [badšah-i] Fahangir«) Akbarnama, die autorisierte Geschichte der
(Lesung: Stephan Popp)
Herrschaftszeit Akbars (Beach 1987, 83). Mit der
(oberer Rand rechts) »5«
Herstellung dieses Akbarnama beauftragte Akbar
AKM 00133
seinen engen Freund und Berater Abu l-Fazl ³Al-
Publiziert: AKTC 2009a, 236; AKTC 2009b, 236
lami (gest. 1602). Der erste Band, 1596 fertiggestellt,
deckt die Jahre bis 1592 ab und erzählt von
der Gründung des Mogulreiches sowie von den
Verlusten unter Babur (reg. 1526 –1530)
und Humayun (reg. 1530 –1539 und 1555 –1556).
Vollendet wurde das Werk 1598 (ibid., 112).
Das vorliegende Bild illustriert eine Szene aus
dem ersten Band. Es bezieht sich auf die Herrschaft
des Humayun (des zweiten Mogulherrschers),
der heftigen Widerstand von seinen
rivalisierenden Brüdern erfahren hatte, vor
252
allem von Kamran, dem Gouverneur von Kabul
und Kandahar im heutigen Afghanistan. Obwohl
Humayun die verschiedenen Provinzen des Reiches,
die er ererbt hatte, unter seinen vier Brüdern
verteilte, verbündete sich Kamran bald mit einem
anderen Bruder, Askari, und entwand Humayun
die Kontrolle über den Pandschab. Humayun wurde
von 1539 bis 1555 verbannt und verbrachte sein
Exil am Hof des Safawidenherrschers Schah Tahmasp
(reg. 1524 –1576). Mit dessen Unterstützung
zog Humayun mit einer mogulindisch-persischen
Streitmacht nach Kandahar und Kabul, worauf -
hin ein acht Jahre währender Krieg entbrannte.
Humayuns Rückeroberung von Kabul im Jahr
1553 ist hier dargestellt. Kamran wurde gefangen
genommen und zur Strafe geblendet (Richards
1993, 9 –11). Die meisten Seiten aus der ältesten
Handschrift des Akbarnama (mit 116 Miniaturen)
befi nden sich im Victoria and Albert Museum,
London. Blätter aus der anderen, wohlbekannten
Kopie dieser Handschrift sind im British Museum,
London (39 Miniaturen aus Band 1) und in
der Chester Beatty Library, Dublin aufbewahrt
(66 Miniaturen aus den Bänden 2 und 3). Einige
weitere, jüngst entdeckte Blätter des Akbarnama
scheinen, wie auch das Bild im AKM, aus der
Kopie im Victoria and Albert Museum zu stammen
(Leach 2004). LA

253

194 Jahangir am Erkerfenster (jharoka)
des Roten Forts in Agra
Blatt aus einer verstreuten Kopie des Fahangirnama
(»Memoiren des Jahangir«)
Nadiruzzaman (Abu l-Hasan) zugeschrieben
Mogulindisch, circa 1620
Tinte, Gouache und Gold auf Papier
Seite 56 x 35,2 cm; Bild 31,4 x 20,4 cm
AKM 00136
Publiziert: Delhi 1912, 92 (nr. 508, pl. XXVIII [a]);
Martin 1912, Bd. 2, pl. 216 links; Beach 1978, 64,
91; Welch – Welch 1982, 212–215 (Nr. 70); Welch
1985, 185–186 (Nr. 116); Goswamy – Fischer 1987,
86–87 (Nr. 37); Canby 1998, 141–142 (Nr. 105);
AKTC 2009a, 238; AKTC 2009b, 238
254
Jharoka-Szenen wie diese gehören zum Standardrepertoire
der Mogulmalerei. Sie zeigen die Bedeutung
der darbar-Zeremonie, zu der die Großmoguln
öffentlich Audienz hielten. Diese Audienzen folgten
auf eine andere, als »Darshan« (Sanskrit: dar´san,
»Blick« oder »Ansicht«) bekannte Zeremonie, die
das Konzept des göttlich erleuchteten Herrschers
hervorhebt. Akbar (reg. 1556 –1605) führte dieses
Ritual erstmals ein. Jeden Morgen vor Sonnenaufgang
hatte der Herrscher vor seinen Untertanen zu
erscheinen, sodass er sie bzw. diese ihn sehen konnten
(Necipoblu 1993, 314). Abu l-Fazl, Akbars enger
Freund, Berater und Biograph, schrieb dazu:
»Das Königtum ist ein Licht, das von Gott entspringt
und ein Strahl der Sonne, Erleuchterin des
Universums [...]. Moderne Sprachen bezeichnen
dieses Licht als farr-i izadi (›göttlicher Glorienschein‹)
und die Sprache der alten Zeit nannte es
kiyan-jurra (›göttliches Licht‹). Es wird von Gott
ohne die Hilfe von Mittlern auf die Könige übertragen
und Männer neigen in ihrer Gegenwart die
Stirn zum Boden in Unterwerfung« (Abu l-Fazl
1977, 1:3).
Die Darshan-Zeremonie fand am Ansichtserker
(jharoka-yi daršan) statt, der hier am oberen
Bild rand wiedergegeben ist. Dort erscheint der
Kopf von Akbars Sohn Fürst Jahangir (reg. 1605 –
1627) im Profi l, unmittelbar vor Durchführung
der darbar-Zeremonie. Bei dem Bauwerk mit dem
Erscheinungsfenster handelt es sich wohl um den
Fürstenturm (Shah Burj), einen oktogonalen Turm
mit einem weißen Marmorpavillon im Roten Fort
von Agra. Solche Szenen gewannen unter Jahangir
an Popularität und erlebten ihren Höhepunkt
unter Shah Jahan (reg. 1628 –1658), welcher die
Hofzeremonien noch strenger kodifi zieren ließ.
Zahlreiche Personen lassen sich anhand von
Inschriften auf ihren Röcken identifi zieren. Die
Anordnung der Personen entspricht genau der
Ordnung innerhalb des Staates: Auf einer Terrasse
direkt unterhalb des Erscheinungsfensters stehen
die hochrangigsten Moguln. In einer Kammer
darunter, genau im Zentrum des Bildes, hockt
ein Weiser. Auf der weißen Mauerfl äche unter -
halb des Alten hat der Künstler, Nadiruzzaman
(Abu l-Hasan), seine Signatur gesetzt. Ob die hier
abgebildete Audienz nun tatsächlich so stattgefunden
hat oder nicht – die Bedeutung der Zeremonie
sowohl für den Herrscher als auch für die
Untertanen ist nicht von der Hand zu weisen:
»Während der Herrscher im jharoka-yi daršan,
der den Fluss überblickt, steht, vergewisserte er,
von oben herunterblickend, die versammelten
Massen seiner fortdauernden Existenz, ohne die
sie den Zusammenbruch des Universums fürchteten.
Gleichzeitig zeigten ihm seine Untertanen
nach oben blickend ihre bewundernde Ergebenheit.«
(Necipoblu, 314). LA

255

256
Musik in Indien
195 Tambura oder Tampura
Indien, Rajasthan, circa 1800
Teakholz, Kalebasse, Metall und Bein
Länge 126 cm
AKM 00700
Publiziert: AKTC 2007a, 165 (Nr. 138); AKTC 2007b,
166 (Nr. 138); AKTC 2008a, 256 – 257 (Nr. 16);
AKTC 2008b, Nr. 23; AKTC 2009a, 240;
AKTC 2009b, 240
Der Aufstieg des Mogulreiches (1526 –1858) erforderte
eine Unterwerfung der zahlreichen Kleinstaaten,
in die Indien bis zum 16. Jahrhundert
aufgeteilt war. Einige davon waren bereits muslimisch,
andere wiederum, wie die von der Kriegerkaste
der Rajputen in Nordindien regierten Fürstentümer,
pfl egten die einheimische hinduistische
Tradition. Die am Fuße des Himalaya beheimateten
Rajputen waren bekannt für ihre militärische
Stärke, doch wie viele ursprünglich in Indien beheimatete
Volksgruppen wurden auch sie schließlich
mit der Übermacht der Großmoguln konfrontiert.
Um weiterhin ihre Territorien kontrollieren
zu können, einigten sich die Rajputen mit den
Eroberern darauf, sich an den Militärkampagnen
der Moguln zu beteiligen und ein herausragendes
Mitglied ihrer Familie zur Erziehung an den Mogulhof
zu entsenden.
Die Rajputen waren nicht nur für ihr militärisches
Geschick bekannt, sondern förderten auch
die bildende Kunst und entwickelten besondere
Malkonventionen. Eine dieser Formen unterscheidet
sich durch die Verwendung von strahlendem
Gelb (hergestellt aus dem Urin mangogefütterter
Kühe) und einen stilisierten, fl ächigen Stil wie in
dem ragamala-Bild mit zwei Gestalten auf einem
Teppich vor gelbem Hintergrund (Kat. Nr. 197).
Diese Ausdrucksform mag mit dem Anspruch der
Rajput-Malerei zusammenhängen, Abbilder einer
idealen Welt zu schaffen (Cummins 2006, 93).
Eines der beliebtesten Sujets waren die sogenannten
»Ragas« oder Melodietypen, die der nordindischen
Region eigen waren. Diese Tonarten
wurden in einer neuen Literaturgattung beschrieben
und auch in Zusammenfassungen illustriert,
die später als ragamalas oder »Girlanden von Ragas«
bezeichnet wurden. Die Bilder (eines davon
siehe Kat. Nr. 197) sollten die vielschichtige Qualität
der Tonarten visualisieren und beim Betrachter
eine ähnlich komplexe Sinneserfahrung hervorrufen.
Ragas wurden in zusammengehörigen
Gruppen klassifi ziert, denen jeweils ein raga oder
Patriarch vorsteht. Es folgen seine Frauen oder
raginis und Söhne oder ragaputras, manchmal
auch Töchter oder ragaputris (ibid., 95 – 96). Dieses
Bild, auf dem sich ein Mann und eine Frau
gegenübersitzen, wobei jeder elegant einen Vogel
auf einer Hand hält, ist die Verbildlichung eines
ragaputras namens Kausa, der zur Familie der
Malkausika-Ragas gehört. Die Malkausika wurden
zu Mitternacht gespielt. Der Mann auf dem Bild
ist die Personifi kation des Raga (Canby 1998,
167). Jede der beiden abgebildeten Personen ist
edel gekleidet und trägt kostbaren Schmuck. Vor
allem die Frau ist mit üppigen Perlenketten geschmückt.
Der Ausstattung nach dürfte es sich
um rajasthanische Adelige handeln, die auf einem
wertvollen Teppich Platz genommen haben. Diese
Darstellung ist ein Beispiel für eine romantische
ragamala-Illustration, die inspiriert war von der
Vorliebe der Rajputen für Amouröses, die sie
pfl egten, wenn sie nicht gerade in den Krieg zogen.
Sie gehört zu der Gattung von Bildern, welche
die Diversität der Liebe thematisieren, sei es
die freudvolle oder die fatale Liebe (Cummins
2006, 99).
Es heißt, ragamala-Darstellungen hätten bereits
vor der Mogulperiode existiert. Die Moguln jedenfalls
übernahmen diese Gattung der Malerei
nicht, vielleicht weil sie eher an persischer Musik
aus dem Iran und Zentralasien interessiert waren
(ibid., 96). Ragamala-Darstellungen in mogulimperialer
Ästhetik könnten von Mogulkünstlern für
nicht mogulindische Kunden gemalt worden sein,
oder aber von nicht mogulindischen Künstlern,
die versuchten, Konventionen der Mogulmalerei
in einheimisch verwurzelte Sujets zu integrieren.
Das Bild der vier Asketen in einer Landschaft
(Kat. Nr. 196) ist ein Beispiel für letztere Möglichkeit.
Die Schattierungs- und Modelliertechnik
sowie das Sujet der Yogis und eines Derwischs,
welche sich in der Natur versammelt haben, gehören
zur Mogulmalerei und werden mit ortsspezifi
schen Bundi-Elementen wie dem leuchtend
orangefarbenen Himmel oder der Einbeziehung
einheimischer Vögel und Pfl anzen verquickt. Vor
der schlichten Hütte, in der die Gruppe nächtigt,
sitzt der Führer der Yogis. Er spielt eine Vina und
hat sein Gesicht mit Asche bedeckt, ein üblicher
Brauch, um sich Shiva, dem Gott der Askese,
anzugleichen. Die beiden in Flickengewänder gekleideten
Gestalten sind Hindu-Yogis. Ein männlicher
Yogi links, erkennbar an seinem hochgebundenen
Haar, und eine Yogini (weibliche
Asketin) rechts, die ihr Haar – wie für Frauen
üblich – zu einem Zopf zusammengebunden hat,
rahmen die Gruppe der vier Asketen ein. Die Frau
unterhält sich mit einem Derwisch, der an seinem
langen offenen Haar als solcher erkennbar ist.
Sämtliche Personen tragen das »dritte Auge«
(tilak) auf der Stirn, das Zeichen für ihre Verbindung
zur spirituellen Welt in Form eines roten
Punktes oder Streifens. Da auch der Derwisch
den Tilak trägt, muss das Bild einem hinduistischen
Publikum gegolten haben, da dieses Zeichen
hinduistischer Spiritualität für einen Derwisch in
muslimischem Kontext nicht angemessen wäre.
Zusammenkünfte von Yogis mit Derwischen sind
ebenfalls Gegenstand der ragamala-Malerei, stellen
jedoch den raga und seine raginis nicht gleichberechtigt
dar. Die Mitglieder der Yogi-Derwisch-
Gruppe in dem gezeigten Bundi-Bild hingegen
scheinen sich ungezwungen auf gleicher Ebene zu
begegnen (Canby 1998, 172). Während das Bild
des Kausa-ragaputras (Kat. Nr. 197) eine Allegorie
des ragaputra darstellt, ist auf dem Bild der vier
Asketen (Kat. Nr. 196) die Situation zu sehen, in
der ein bestimmter Raga (evtl. bhairavi, ein Raga
für den Morgen) gespielt wird.
Das Instrument, das der Yogi-Musiker auf
dem Bild Kat. Nr. 196 spielt, ist sehr wahrscheinlich
eine Rudra-Vina, die nordindische Variante
der Vina. Sie besteht aus zwei Kalebassen als
Klangkörper, die von einem Griffbrett verbunden
werden. Das Instrument hat vier Spiel- und drei
Bordunsaiten. Die Tambura (Kat. Nr. 195) ist ein
weiteres Beispiel für eine indische Zupfl aute mit
vier Spielsaiten. Sie ist sowohl in Nord- als auch
in Südindien heimisch; das ausgestellte Stück
stammt aus Nordindien. Zur gleichen Instrumentenfamilie
gehört die Sitar (Persisch für »drei Saiten«),
die in ähnlicher Weise gespielt wird und in
Indien und Persien beheimatet ist. LA / SP

257

196
197
258
Asketen in einer Landschaft
Indien, Rajasthan, Bundi, drittes Viertel des
18. Jahrhunderts oder später
Tinte und Gouache auf Papier
Seite 45,8 x 33,9 cm; Bild 21,4 x 14,2 cm
AKM00175
Publiziert: Canby 1998, 172 (Nr. 131); AKTC 2009a,
243; AKTC 2009b, 243
Kausa-ragaputra:
Musik nach Mitternacht
Blatt aus einer Serie verstreuter ragamalas
Indien, Pandschabgebirge, Mankot, Rajput,
circa 1700
Gouache auf Papier; Ränder beschnitten;
auf Karton geleimt
14,8 x 16,5 cm
AKM 00194
Publiziert: Canby 1998, 166–167 (Nr. 125);
AKTC 2008a, 264–265 (Nr. 104); AKTC 2009a, 243;
AKTC 2009b, 243

259

198 Porträt eines Osmanen mit Buch
Mogulindisch, circa 1610
Tinte, Gouache und Gold auf Papier
8,5 x 9,5 cm
AKM 00733
Publiziert: AKTC 2009a, 245; AKTC 2009b, 245
260
Wie schon vor ihm sein Vater Akbar (reg. 1556 –
1605) interessierte sich auch Großmogul Jahangir
(reg. 1605 –1627) sehr für Porträtmalerei. Er führte
die Porträtalben seines Vaters fort und regte die
Hofmaler dazu an, auch das Seelenleben der Dargestellten
in ihren Bildnissen einzufangen (Welch
1985, 226). Dieses Bild eines Osmanen, der ein
Buch in den Händen hält, zeigt, dass nicht nur
Moguln oder Inder dargestellt wurden, sondern
auch Ausländer, die mit dem Herrscherhof in
regelmäßigem Kontakt standen. Es war durchaus
üblich, dass Hofmaler Zusammenkünfte zwischen
dem Herrscher und seinen Gästen auf Gemälden
festhielten (siehe beispielsweise eine Porträtstudie
des Schah Abbas von Bishn Das, Jahangirs Hofmaler,
im British Museum, London, Canby 2009,
38, Nr. 1). Das Bild ist auf der Rückseite als Geschenk
eines gewissen Baha²uddin gekennzeichnet
und datiert 6. Urdibihisht [Regierungs-]Jahr 5,
das dem 26. April 1610 entspricht und in die
Regierungszeit des Jahangir fällt. Die Rückseite
enthält außerdem persische und mogulindische
Siegelabdrücke aus späterer Zeit sowie Notizen
über das Eingangsdatum des Blattes in der Mewar
Royal Library und den Bibliotheksstempel mit
der Inventarnummer 20/220. LA

199 Perlmuttverziertes Türfl ügelpaar
Indien, Gujarat, Ahmedabad, 18. Jahrhundert
Holz und Perlmutt
Jeweils 187 x 49,5 cm
AKM 00705
Publiziert: AKTC 2009a, 246; AKTC 2009b, 246
Die Verbindung von Holz mit Perlmutt sowie
die Form und Gestaltung dieser wunderschönen
Flügeltür stehen für die Handwerkstradition
von Gujarat, welches im 16. Jahrhundert das
Zentrum der Perlmuttverarbeitung war. Ähnliche
bewegliche Objekte sind gleichfalls mit
einem Muster aus einzelnen gelochten Perlmuttplättchen
bestückt. Die Tür gehörte einst vermutlich
zu einem öffentlichen Gebäude, wie
einem Tempel oder Grabmal, oder zu einem
prächtigen Wohnhaus. Die Kette, die vom oberen
Rand des rechten Türfl ügels herabhängt
und sich zum Schließen der Tür an einem
Haken im Türrahmen befestigen ließ, weist
darauf hin, dass die Tür im Innenbereich angebracht
gewesen war. Eine Außentür wäre aus
Sicherheitsgründen mit einer stabileren Sperrvorrichtung
versehen gewesen. LA
261

200 Zwei Drachenkelche mit Edelsteinschalen Einer der Kelche ist mit einer aus einem einzigen
Mogulindisch, 16.–17. Jahrhundert
Stück blassgrüner Jade gefertigten Schale versehen.
Bronzefassung und Marmorbasis:
Auf deren Außenseite ist ein fi ligranes vegetabiles
frühes 19. Jahrhundert
Motiv mit Ranken, Rosetten und Palmetten aus
Jade- bzw. Achatschale: Höhe 4.3 cm;
Gold und eingelegten bunten Edelsteinen appli-
Länge 16,4 cm; Breite 9,6 cm
ziert. Seitdem Baron Lionel de Rothschild (1808 –
Bronzefassung: max. Höhe 18 cm;
1897) dieses Objekt erworben hatte, befand es
max. Breite 28 cm
sich im Familienbesitz. Auf der einen Seite enthält
Marmorbasis: Länge 16,5; Breite 8,2 cm
die Applikation das Wappen des Königreiches
AKM 00813
Navarra mit der sogenannten Navarrakette. Aufgrund
des Wappens der Bourbonen auf der anderen
Seite, jenes der französischen bzw. später der
spanischen Königsfamilie, sowie der Messingfassung
aus dem 19. Jahrhundert von dem Londoner
Künstler Benjamin Vuillamy (1780 –1854), lässt
sich die Geschichte dieses Objektes – zumindest
teilweise – rekonstruieren.
Objekte aus Jade wurden von den Moguln sehr
geschätzt. Der Mogulkaiser Jahangir (reg. 1605 –
1627) besaß eine umfangreiche Sammlung, die
teils noch von seinen timuridischen Vorfahren
stammte. Jahangir war ein großer Abnehmer derartiger
Luxusobjekte, die oft ältere Beispiele imitieren.
Während des 17. Jahrhunderts wurden
Gefäße aus wertvollem Gestein mit vegetabilen
Applikationen aus goldener Filigranarbeit und
Edelsteinen verziert. Da am Hof der Moguln Steinschleifer
aus Europa beschäftigt waren, gehen
einige dieser Verzierungen auf westliche Vorbilder
zurück.
Das Wappen, das dem König von Frankreich
vorbehalten war, deutet mit großer Wahrscheinlichkeit
darauf hin, dass das Stück für einen europäischen
Auftraggeber hergestellt, vielleicht sogar
von einem Repräsentanten des Königs selbst in
Auftrag gegeben wurde. Möglich ist auch, dass
262
es ein diplomatisches Geschenk an den französischen
König war.
Dieser Kelch weist eine auffallende Ähnlichkeit
mit zahlreichen Objekten aus dem sogenannten
»Tesoro del Delfín« auf, der zwischen dem
Louvre in Paris und dem Prado in Madrid aufgeteilt
ist. Der spanische Teil dieser Sammlung
gehörte einst dem französischen Dauphin Louis,
Sohn von Louis XIV. (1638 –1715). Nach seinem
Tod gelangte sie in den Besitz von Philipp von
Anjou, welcher Spanien zwischen 1683 und 1746
als Philipp V. regierte. Im Jahr 1716 bzw. 1776
wurden die Kunstgegenstände nach Madrid verbracht
und dort im Gabinete de Historia Natural
deponiert. Als im Jahr 1813 die Truppen Napoleons
aus Madrid abzogen, nahmen sie die Sammlung
als Teil einer reichen Beute nach Frankreich
mit, wo sie zunächst in Orléans und später in
Paris gelagert wurde. Die französische Regierung
unterzeichnete 1815 ein Abkommen mit Spanien,
in dem die Rückgabe der meisten Objekte festgelegt
war. Doch gingen einige Stücke durch
Unregelmäßigkeiten beim darauffolgenden Rückgabeverfahren
verloren.
Dem Zeitpunkt nach zu urteilen, zu dem Baron
Lionel de Rothschild seinen Kelch erwarb, besteht
die Möglichkeit, dass dieser einst zum spanischen
Teil des Kronprinzenschatzes gehörte. Die
Marmorbasis und der Bronzedrachen sind keine
originalen Bestandteile der Objekte, sondern wurden
später hinzugefügt. Es könnte jedoch sein,
dass diese bronzene Hinzufügung in Anlehnung
an die ursprüngliche, heute verlorene Fassung
gestaltet wurde; ähnliche Drachenfassungen fi nden
sich an Gefäßen des »Tesoro del Delfín« im
Museo del Prado in Madrid. FV

201 Eine Seeschlange verschlingt
die herrscherliche Flotte
Blatt aus dem Gulšan-i ³Išq des Nusrati
Indien, Dekkan, circa 1670
Tinte, Gouache und Gold auf Papier
39 x 23,5 cm
AKM 00167
Publiziert: Welch – Welch 1982, 229–231 (Nr. 77);
Falk 1985, 174 (Nr. 154); AKTC 2007a, 137 (Nr. 104);
AKTC 2007b, 139 (Nr. 104); AKTC 2008a, 212 – 213
(Nr. 80); AKTC 2009a, 247; AKTC 2009b, 247
Eine gigantische Seeschlange hat ihren goldgeschuppten
Leib um die herrscherliche Flotte
geschlungen. Ihr mit voll besetzten Schiffen gefülltes
Maul deutet schon das Schicksal der übrigen
Mannschaft an. Als wenn die fl eischfressende
Schlange nicht schon genug wäre, so
wimmelt auch noch das furchterregende Meer
nur so von dämonenköpfi gen Fischen, Riesenkrabben
und -schildkröten, Wassernixen und
Meermännern. Die meisten Seeleute beten mit
erhobenen Händen um Rettung aus diesem
Albtraum. Das Bild ist eine Illustration aus dem
Gulšan-i ³Išq (»Rosengarten der Liebe«), einem
Heldenepos, das der Dichter Nusrati für Sultan
³Ali II. ibn Muhammad ³Adil Shah (reg. 1656 –
1672) in Dekkani-Urdu verfasste (Falk 1985,
174). Die ³Adil-Shahis waren große Kunstmäzene
und regierten das Dekkan-Sultanat von
Bijapur ab 1489 als unabhängigen schiitischen
Kleinstaat, bis es 1689 dem Mogulreich einverleibt
wurde. Vermutlich war das Bild gegen
Ende der Regierungszeit des Sultans ³Ali oder
während der Regierungszeit seines Nachfolgers
Sikandar ³Ali Shah (reg. 1672 –1686) von einem
Aristokraten in Auftrag gegeben worden
(Welch – Welch 1982, 229). Das Unglück auf
See gehört zu den Sujets im Hamzanama und
ist Teil des Schelmenmotivs im Genre der
Abenteuer-Romanzen, in denen Helden fremde
Länder bereisen und Gefahren sowohl auf
Land als auch zur See begegnen. AF
263

202
203
204
205
264
Vier Albumblätter mit Kalligraphie-Proben
Seite aus einem Album für Shah Jahan
Kalligraphie signiert von Mir ³Ali;
Randmalerei signiert von Daulat Jan
Kalligraphie: Iran, Herat, circa 1520
Rand: mogulindisch, circa 1640
Tinte, Gouache und Gold auf Papier
39,2 x 25,4 cm
AKM 00145
Publiziert: Falk 1985, 65, Nr. 36; AKTC 2007a, 173
(Nr. 146v); AKTC 2007b, 173 (Nr. 146v);
AKTC 2008a, 270 – 271 (Nr. 106); AKTC 2009a, 248;
AKTC 2009b, 248
Kalligraphie mit Signatur
des Mir ³Ali (gest. circa 1544)
Rand: Mogulindisch, circa 1640
Tinte, Gouache und Gold auf Papier
Blatt 37,9 x 25,6 cm; Text 18,3 x 10,1 cm
Signiert:
(rechts oben) li-katibuhu (»sein Schreiber ist«)
(links unten) al-faqir ³Ali al-katib satara
Allah ³uyunahu (»der bedürftige ³Ali der Schreiber
[= Mir ³Ali], Gott schütze seine Augen«)
Kalligraphie: Iran, safawidisch, 16. Jahrhundert
AKM 00255
Publiziert: AKTC 2009a, 250; AKTC 2009b, 250
Kalligraphie des Prinzen Dara Shikoh
Indien, Burhanpur
Kalligraphie: datiert 1041 H / 1631-2 AD
Rand: 18. Jahrhundert
Tinte, Gouache und Gold auf Papier
Blatt 42,3 x 28,8 cm; Text 21,9 x 6,3 cm
AKM 00249
Publiziert: Falk 1985, 167 (Nr. 145); AKTC 2007a,
124 (Nr. 89); AKTC 2007b, 126 (Nr. 89);
AKTC 2009a, 250; AKTC 2009b, 250
Kalligraphie aus einem Album
des Shah Jahan
Signiert von Mir ³Ali
Kalligraphie: Iran, Herat, safawidisch circa 1520
Rand: mogulindisch, circa 1640
Tinte, Gouache und Gold auf Papier
Blatt 36,9 x 25,2 cm; Text 27,2 x 14,1 cm
AKM 00351
Publiziert: Falk 1985, 65 (Nr. 36); AKTC 2007a, 173
(Nr. 146); AKTC 2007b, 173 (Nr. 146); AKTC 2009a,
250; AKTC 2009b, 250
Während des 16. und 17. Jahrhunderts entwickelten
die drei Gunpowder Empires, zunächst
die Safawiden, dann die Osmanen und Moguln,
ein wachsendes Interesse an Kunst und Kunstsammlungen.
So kam es, dass nicht nur die
Künstler ein bis dahin eher ungewohntes Selbstbewusstsein
an den Tag legten, sichtbar an den
immer häufi ger vorkommenden Bildsignaturen.
Auch fürstliche und vermögende Förderer, die
Alben zusammenstellen ließen, hatten nun die
Möglichkeit, über ihre Sammlungen ihren individuellen
Geschmack und ihre persönliche Kennerschaft
auszudrücken. Diese ausgefallenen Alben
waren gefüllt mit Musterstücken von Kalligraphien,
Malereien und Zeichnungen, darunter einseitige,
in sich geschlossene Kompositionen, aber
auch Teile von illustrierten Handschriften sowie
Übungen in Schönschrift (für ein kadscharisches
Beispiel siehe Kat. Nr. 174). Die Arbeiten von
Malern und Kalligraphen wurden aufgrund ihrer
individuellen Stile und Kunstfertigkeit für die
Alben ausgewählt und manchmal auch mit eigenhändigen
Kommentaren des Mäzens versehen.
Unter den vier Albumblättern befi nden sich
sowohl Werke von persischen Meistern der Kalligraphie
als auch von Mogulprinzen, die im Rahmen
ihrer fürstlichen Erziehung in der Kunst der
Schönschrift unterrichtet wurden. Drei der Blätter
(Kat. Nr. 202, 203 und 205) signierte einer der
größten Meister im Nasta³liq-Duktus, Mir ³Ali
(gest. ca. 1544), der in Herat und Buchara an den
Höfen der Timuriden, Usbeken und Safawiden
diente. Qadi Ahmad rühmte ihn im 16. Jahrhundert
in seinem Traktat über Kalligraphen und
Maler (Qadi Ahmad in Minorsky 1959, 131). Auf
dem Albumblatt Kat. Nr. 202 signierte der Kalligraph
zwei Gedichtverse in der linken unteren
Ecke des inneren Rahmens mit der arabischen
Formel katabahu Mir ³Ali (»Mir ³Ali schrieb es«).
Die schwarz kalligraphierten und rot umrandeten
Verse sind persisch:
»Mein Gott, sollte das gesamte Universum
vom Wind verweht werden
so möge die Lampe des Glücks nicht erlöschen
und sollte das gesamte Universum mit Wasser
überfl utet werden
so möge das Brandmal der Unglückseligen
nicht verwaschen.«
Weitere persische Verse umrahmen den Haupttext
in länglichen Kartuschen, die sich mit kleinteiligen,
farbenreich mit fl oralen und vegetabilen
Ranken ausgefüllten Feldern abwechseln. Links
und rechts außen ist das zentrale Textfeld durch
zwei vertikale Streifen aus grün marmoriertem
Papier abgesetzt. Dies zeigt, dass die Gesamtkomposition
von Text, Bild und Rand aus einzelnen
Papierstücken zusammengestellt worden ist. Ein
breiter Streifen aus goldenen vegetabilen Ornamenten
auf grünem Grund bildet den äußersten
Rahmen um die Kalligraphie und setzt sie vom
Rand des Blattes ab, auf das sie montiert ist. Auf
dem Blattrand, der als Bildfl äche genutzt wird,
tummeln sich verschiedene Vögel, Antilopen und
ein Tiger zwischen blühenden Pfl anzen. Über Motive,
Malstil und die Randsignatur ³Amal-i Daulat
Jan (»Werk des Daulat Khan«) ließ sich diese
Seite als Teil eines Albums identifi zieren, das einst
für Großmogul Shah Jahan (reg. 1628 –1658) gefertigt
wurde. Vor allem die sorgfältige Ausführung
der Pfl anzen ist charakteristisch für die Mogulmalerei,
die von europäischen, durch jesuitische
Missionare nach Indien transportierten Botanikbüchern
beeinfl usst war. Während dieses einzelne
Blatt ins frühe 16. Jahrhundert datieren könnte,
wurde das Album, dem es entstammt, vermutlich
um 1640 zusammengestellt. Das ist der Zeitpunkt,
zu dem der gleiche Künstler, der den Rand ausmalte,
wohl auch die Blumen und Kühe in den
Zwischenräumen von Mir ³Alis Text einfügte.
Die beiden ähnlichen, von Mir ³Ali signierten
Blätter (Kat. Nr. 202 und 203) gehörten gleich -
falls in das Album des Shah Jahan. Wie bei Kat.
Nr. 202 ist der Rahmen um Kat. Nr. 203 mit Motiven
aus Flora und Fauna bemalt. Es sind kauernde
Antilopen, Eisvögel und Papageien abgebildet.
Kat. Nr. 204 und 205 wiederum sind etwas anders
gestaltet. Die Kalligraphieblätter sind in einen
Rahmen mit botanisch akkurat dargestellten
Pfl anzen und Blumen montiert.
Womöglich schätzten die Moguln Mir ³Ali
nicht nur für sein Talent, sondern auch für sein
Lobgedicht auf Babur, den Gründer ihrer Dynastie
(Welch – Welch 1982, 220). Zu der Zeit, als das
Album für Shah Jahan kompiliert wurde, begaben
sich zahlreiche persische Dichter an die Mogulhöfe
von Agra und Lahore. So fand der Einfl uss,
der einst aus dem Iran nach Indien gekommen
war, nun seinen Weg von Ost nach West und
führte im Iran zur Entstehung des »indischen
Stils« (sabk-i hindi; Welch 1976a, 9). Diese Dichter
und Kalligraphen müssen auch einen großen
Einfl uss auf die Prinzenerziehung am Hof gehabt
haben. Die persischen Verse auf dem Albumblatt
Kat. Nr. 204 signierte Shah Jahans Lieblingssohn,
Muhammad Dara Shikoh (1615 –1659), und datierte
es 1041 H / 1631-2 AD zu Burhanpur im
Dekkan. Vermutlich stammen die Verse aus der
Zeit der Mogulfeldzüge in den Dekkan. Das Blatt
wurde später in ein Album des 18. Jahrhunderts
eingefügt. Ein mutmaßlich aus demselben Album
entnommenes Blatt wurde 1631 gleichfalls in
Burhanpur gefertigt und befi ndet sich heute im
British Museum, London. LA

202 203
204
205
265

206 Landschaft mit Dorfbewohnern,
Auf der Darstellung sehen wir eine typisch nord-
Reisenden und Tieren
indische Landschaft aus der Gangesebene um
Indien, Avadh, Lakhnau, circa 1800
Lakhnau. Sie ist grüner und wasserreicher als die
Tinte und Wasserfarben auf Papier
weiter westlich gelegene Gegend um Delhi, aber
28,7 x 41,4 cm
trockener als das östlich gelegene Bengalen.
AKM 00461
Vom Horizont, wo ein hübsches Dorf mit
Publiziert: AKTC 2009a, 252; AKTC 2009b, 252
einem Hindu-Tempel nordindischen Typs liegt,
schlängelt sich ein Hohlweg bis in den Vordergrund
der Darstellung. In der weiten, sanft gewellten
Landschaft mit der für die Region typischen
Vegetation, darunter Dattelpalmen und ein Mangobaum,
bewegen sich Dorfbewohner, Reisende
und Tiere. Flora und Fauna sind ebenfalls typisch
für die Gegend um Lakhnau. Links unten weidet
eine Gruppe von Hirschziegenantilopen, die beliebtes
Jagdwild waren. Des Weiteren sieht man
eine ganze Kuhherde rechts im Bildhintergrund
sowie Füchse, Wildschweine und einen Löwen.
Zwei Ochsenkutschen mit Reisenden werden von
indisch gekleideten Soldaten eskortiert. Von den
beiden Reitern zu Pferd wird einer ebenfalls von
Soldaten begleitet. Handelsreisende transportieren
auf Kamelen ihr Gut. Rechts im Vordergrund
halten sich indische Bauern am und auf dem Weg
auf. Sie sind zwar einfach, aber nicht ärmlich gekleidet.
Ihre leichte Bekleidung erklärt sich durch
die Jahreszeit, die im Bild wiedergegeben ist. Die
Landschaft ist grün und die Teiche sind voll, es
muss also kurz nach der Regenzeit im Oktober
sein. Zwei Personen sitzen am Wegrand und
unterhalten sich. Daneben hebt ein Bauer seine
Hand grüßend zu einer in einer Hütte sitzenden
Person. Ein Paar ist auf einem Muli unterwegs.
Dieses Bild enthält keinerlei symbolische oder
allegorische Darstellungen und hebt sich damit
von der früheren, traditionellen Mogulmalerei
ab. Selbst der Löwe, sonst Zeichen der Königswürde,
hat hier keinen Symbolgehalt. Es handelt
sich um ein reines Landschaftsbild, das die Gegend
um Lakhnau darstellt. Das Sujet der Landschaftsmalerei
ist der europäischen Malerei entnommen
und negiert gänzlich die Symbolik der
traditionellen indischen Malerei. Mit dem Weg,
der sich durch die Landschaft bis zum Horizont
stark verjüngt und das Dorf, das im Hintergrund
zwar noch in seinen Einzelheiten zu erkennen,
aber in verblassten Farben wiedergegeben ist,
266
enthält das Bild eine weitere, der traditionellen
Malerei unbekannte Besonderheit: die Perspektive.
Dennoch ist die gezeigte Landschaft nicht
realistisch dargestellt, sondern zeigt eine ideale,
wohlhabende Gegend. Das Dorf ist reich, die
Häuser sind aus Ziegeln oder Stein gebaut,
manche sogar zweigeschossig. Auch der Hindu-
Tempel ist aus Stein gebaut und relativ groß.
Es ist kein spezifi scher Ort dargestellt, sondern
nur irgendein Dorf, mit dem man den Wohl -
stand selbst der einfachen Ortschaften zeigen
wollte. Die Kühe sind wohlgenährt und weiden
auf einer grünen Wiese. Weitläufi ge Weiden,
die wegen der sonstigen Bevölkerungsdichte zu
Ackerland umfunktioniert wurden, sind ein
wahrer Luxus. Die Straße ist sicher, und selbst
den wilden Tieren geht es gut. Dieses Landschaftsbild
soll den Wohlstand darstellen, den
die Nawabs von Lakhnau nicht nur der Hauptstadt,
sondern dem ganzen Land gebracht haben.
Lakhnau wurde von Nawabs (wörtlich
»Stellvertreter« des Großmoguls) regiert und war
einer der Staaten, die im frühen 18. Jahrhundert
aus dem zerfallenden Mogulreich hervorgingen.
Schon gegen Ende des 17. Jahrhunderts waren
die Moguln nach ihren schweren Eroberungskämpfen
im Dekkan geschwächt und ihrer Ressourcen
beraubt. Nach Aurangzebs Tod 1707
schwand die Macht des Mogulkaisers rapide
angesichts der hofi nternen Machtkämpfe, der
Auseinandersetzungen mit den Provinzgouverneuren
und innerer Feinde wie den Marathen
aus dem Süden, die von Aurangzeb dreißig Jahre
lang vergeblich bekämpft worden waren. Die
reichsten Gouverneure machten sich unabhängig
und erkannten den Großmogul in Delhi nur
noch nominell an. Zu diesen gehörten seit 1732
auch die Nawabs von Lakhnau. Sie profi tierten
vom Reichtum der mittleren Gangesebene, gerieten
jedoch ihrerseits zunehmend unter den Einfl
uss der Briten im angrenzenden Bengalen. Bereits
zu Ende des 18. Jahrhunderts waren die
Herrscher von Lakhnau Vasallen der Briten, bis
sie 1856 entmachtet wurden. Auf diese Weise kamen
auch europäische Einfl üsse in der Kunst,
wie etwa die perspektivische Landschaftsmalerei,
an ihren Hof. VD / SP

267

207 Palast in Delhi
Dargestellt ist der Palast der Begum Somru,
Mogulindisch, Delhi, circa 1820–1830
gleichfalls abgebildet in Reminiscences of Imperial
Tinte, Gouache und Gold auf Papier
Delhi, einem Album bestehend aus 89 Seiten und
29,3 x 21 cm
etwa 130 Bildern von Monumenten in Delhi aus
AKM 00464
der Zeit vor und während der Mogulherrschaft.
Publiziert: AKTC 2009a, 252; AKTC 2009b, 252
Das Werk wurde kompiliert und betextet von Sir
Thomas Theophilus Metcalfe (1795–1853), Stellvertreter
des Generalgouverneurs von Indien am
Hof des letzten Großmoguls Bahadur Shah II.
Metcalfe beschreibt Begum Somru als Witwe eines
gewissen »Walter Reinhard, Kind unbekannter
Eltern, der unter dem Namen ›Summer‹ in
den französischen Dienst getreten war. Wegen
seiner dunklen Gesichtsfarbe erhielt er den Spitznamen
›Sombre‹, was später zu Sumroo wurde.
Unter diesem Namen war Ihre Hoheit im Allgemeinen
bekannt, obwohl sie sich selbst immer
Begum Sombre nannte.« Metcalfe kommentiert
auch die zweifelhafte Herkunft der Begum, die
man entweder für einen Spross einer noblen
Mogulfamilie oder für eine aus Kashmir stammende
Sklavin hielt, die an Somru verkauft wurde.
Fakt ist, dass Begum Somru das Fürstentum
ihres Mannes übernahm, als dieser 1778 starb,
und unabhängige Herrscherin bis zu ihrem Tod
im Jahr 1837 blieb. LA
268
Der im Kolonialstil erbaute Palast ist von der
Südseite abgebildet. Die strenge Symmetrie des
Gartens mag noch den Gestaltungsprinzipien eines
Mogulgartens entsprechen. Die Gesamtanlage
und ihre architektonischen Details wie Giebel,
korinthische Säulen und die symmetrisch angelegte
Freitreppe sind jedoch dem europäischen Barock
entnommen. Auffällig ist der Gegensatz der strengen
Symmetrie von Architektur und Park zu den
Menschen, die sich ohne offi ziellen Anlass frei
und zwanglos in der Anlage zu bewegen scheinen.
In Darbar-Szenen (vgl. Kat. Nr. 194) hingegen,
in denen ebenfalls große Menschengruppen vor
einem Palast abgebildet sind, gibt es für alle Personen
in der Menschenmenge eine streng festgelegte
und ihrem Stand entsprechende Position. In
der traditionellen Mogulmalerei wäre eine solch
freie Darstellung einer Szene ohne jeglichen Anlass,
wie hier abgebildet, undenkbar. Das fröhliche
Treiben wäre als Chaos und als Zeichen für
den Verfall der Herrschermacht gedeutet worden.
Nicht nur in der abgebildeten Kolonialarchitektur,
auch in der Wahl und Darstellung des Sujets
macht sich der Einfl uss europäischer Malerei
in diesem Bild bemerkbar. Wahrscheinlich lag
dem Maler, der durchaus in der traditionellen
Malerei geschult war, ein Druck mit der Darstellung
eines europäischen barocken Marktplatzes
vor, den er an seine indische Umgebung adaptierte.
Das dargestellte Gebäude wurde später in eine
Bank umgewandelt. VD / SP

269

208 Fliesenbogen
Es ist nicht bekannt, aus welchem Gebäude der
Pakistan, Multan?, 16. Jahrhundert oder später gefl ieste Bogenzwickel stammt. Ähnlicher Fliesen-
Irdenware, weiße Engobenmalerei unter kobaltblauer schmuck fi ndet sich als Außenverkleidung von
und türkiser Glasur
Grabmonumenten in Multan (Pandschab). Das
124 x 226 cm
Grab von Sultan ³Ali Akbar aus dem 16. Jahrhun-
AKM 00582
dert beispielsweise ist verkleidet mit Fliesenzwi-
Publiziert: AKTC 2007a, 185 (Nr. A); AKTC 2007b, ckeln, die dem des AKM sehr ähnlich sind. Jede
Schmutztitel und 190 (Kat. A); AKTC 2009a, 254; der acht Seiten dieses Grabmals ist mit Zwickeln
AKTC 2009b, 254
über blinden Bögen versehen. Die Farbpalette, die
270
aus türkiser und blauer Unterglasurmalerei auf weißem
Grund besteht, zeigt den starken Einfl uss timuridischer
Arbeiten aus Zentralasien. Möglicherweise
hatten zentralasiatische Handwerker ihr Wissen und
Musterrepertoire nach Pakistan mitgebracht. Das
Motiv eines zentralen Punktes, um den sich wirbelartig
stilisierte Blätter winden, war zwischen dem
15. und 17. Jahrhundert auf Fliesenfeldern in Multan
und Sind (Südpakistan) weit verbreitet. AF

271

Umschriften
272
ﻉ
ء
چ
ﺫ
ﺽ
گ ﺝ
ﻍ
ﺡ
ﺥ
پ
ﻕ
ﺭ
ﺱ
ﺵ
ﺹ
ﻁ
ﺙ
ﺯ
ﻅ
ژ
ﺍ
ﻭ
ﻱ
ﻭ
ﻱ
Eingedeutschte Personen- bzw. Ortsnamen
und Begriffe, die in gängigen Lexika stehen,
sind in der entsprechenden Schreibweise
wiedergegeben, z. B. Imam, Hedschas, Ali.
Weitere Namen und Wörter, die teilweise ins
Deutsche eingegangen sind und häufi ger erwähnt
werden, wie beispielsweise Mamluken,
Muhammad, sind entsprechend den fachlichen
Konventionen geschrieben bzw. in einer
Form, die der Lautung der Ursprungssprache
am nächsten kommt. Ansonsten erscheinen
oft erwähnte Eigennamen und Begriffe
in der Regel im Fließtext in einer vereinfachten
Umschrift, die bei einigen Buchstaben
der englischen Lautung angeglichen ist. Die
Sonderzeichen » ³« und » ²« der wissenschaftlichen
Umschrift sind beibehalten.
Arabisch Persisch Türkisch vereinfacht Aussprache
Arabische, persische und türkisch-osmanische
Begriffe und Eigennamen sowie Buchtitel
und Textzitate erscheinen im Übrigen in der
wissenschaftlichen Umschrift der Deutschen
Mor genländischen Gesellschaft.
Bei Datumsangaben ist zuerst das Jahr der
muslimischen Zeitrechnung genannt, die im
Jahr 622 n. Chr. mit der Hidschra (Auswanderung
des Propheten Muhammad von Mekka
nach Medina) beginnt. Es ist mit dem
Kürzel H gekennzeichnet. Dann folgt das
entsprechende Jahr der christlichen Zeitrechnung
AD. Ist nur eine Jahreszahl angegeben,
so handelt es sich immer um die
christliche Zeitrechnung.
Alle Koranzitate sind der deutschen Übersetzung
von Adel Theodor Khoury 1987 entnommen.
³ ³ explosiver Kehllaut
² ² stimmloser Anlaut, wie in Ur’ahn
c ç ch tsch
d y dh weiches englisches th, wie in there
k z d dumpfes, emphatisches d
g g g
f j wie englisch job
g gh Zäpfchen-r
b b fast unhörbares, in der Kehle gesprochenes r
h h stark aspiriertes, stimmloses h
j kh wie in Bach
p p p
q q dumpfes, gutturales k
r r Zungen-r
s s scharfes s
š r sh sch
s s dumpfes, emphatisches s
t t dumpfes, emphatisches t
v q th hartes englisches th, wie in thing
z z stimmhaftes s, wie in Rose
x z emphatisches, stimmhaftes englisches th
ž zh stimmhaftes weiches j, wie in Journal
ı ı dumpfes i, wie e im Auslaut (Sonne)
a a langes a
u u langes u
i i langes i
ō o langes o
e e langes e

Adapiert und modifi ziert nach einer Karte aus: Hayward Gallery, The Arts of Islam, London 1976, 46.
Die islamischen Dynastien Die Karte bietet eine vereinfachte Übersicht
zu den politisch mitunter hochkomplexen
Dynastien der islamischen Welt. Weite Teile
Zentralasiens, Chinas, Südostasiens und Afrikas
werden nicht berücksichtigt.
Dekkan
Hindustan
Afghanistan
Transoxanien
Iran
Irak
Anatolien
Europäischer
Teil der Türkei
Syrien
Ägypten
Maghreb
Spanien
Die rechtgeleiteten
Kalifen 632 – 661
Die rechtgeleiteten
Kalifen 632 – 661
700 800 900 1000 1100 1200 1300 1400 1500 1600 1700 1800 1900
Umayyaden
750 – 1258
Umayyaden
Damaskus 661 – 750
Abbasiden
750 – 1258
Abbasiden
750 – 1258
Aghlabiden
800 – 909
Rustamiden
778 – 909
Idrisiden
789 – 985
Samaniden
819 – 1005
Tuluniden
868 – 905
Ikhshidid
935 –969
Umayyaden
Cordoba 755 – 1031
Buyiden
932 – 1062
Berberstämme
Ghaznawiden
977 – 1186
Fatimiden
909 – 1171
Ziriden
972 – 1152
Taifa-
Königreiche
1031 – 1090
Ghuriden
ca. 1011 – 1215
Seldschuken
1040 – 1194
Almoraviden
1062 – 1147
Khwarazm-
Schahs
1017 – 1231
Zengiden
Zengiden
1127 – 1251
Almohaden
1130 – 1269
Ayyubiden
1169 – 1250
Sultanate
von Delhi
1206 – 1555
Abbasiden
Rumseldschuken
1081 – 1307
Mongolen und
nachfolgende Dynastien
1127 – 1251
Emirate
12. – 15. Jh.
Bahmaniden
1347 – 1526
Mamluken
1250 – 1517
Meriniden
1217 – 1465
Timuriden
1370 – 1507
Nasriden 1232 – 1492
Turkmenen
1501 – 1501
Hafsiden 1229 – 1574
Zayaniden 1236 – 1555
Dekkan-
Sultanate
1490 – 1687
Safawiden
1501 – 1736
Osmanen
1231 – 1922
Wattasiden
1474 – 1550 Saaditen
1510 – 1659
Moguln
1526 – 1858
Khanate
1500 – 1920
Durrani
1747 – 1973
Zand-Prinzen
1751 – 1794
Baraksai
1819 – 1979
Kadscharen
1779 – 1925
Dynastie des
Muhammad Ali
1805 – 1953
Alawiten 1631 – bis jetzt
700 800 900 1000 1100 1200 1300 1400 1500 1600 1700 1800 1900
273

Zeittafel
ca. 570 Geburt des Propheten Muhammad
in Mekka.
595 Muhammad heiratet Khadija, eine
wohlhabende Kauffrau.
610 Muhammad empfängt seine erste
Offenbarung. Beginn des prophetischen
Sendungsauftrages.
619 Tod von Khadija.
622 Hidschra oder Auswanderung des
Propheten von Mekka nach Medina.
Beginn des muslimischen Mondkalenders.
624 Der Prophet beginnt mit dem Bau
seines Hauses in Medina. Schlacht von
Badr und erster Sieg für die Muslime.
Die Gebetsrichtung (Qibla) wird von
Jerusalem nach Medina geändert.
625 Hochzeit von Fatima, einer Tochter
Muhammads, und Ali.
630 Friedliche Einnahme der Stadt Mekka.
632 Ereignis von Ghadir Khumm, mit
dem die Schiiten den Erbanspruch Alis und
seiner Nachfolger auf das Kalifat bzw.
Imamat begründen. Tod des Propheten
Muhammad in Medina.
632 – 634 Abu Bakr wird zum ersten
Kalifen ausgerufen.
634 – 644 ³Umar wird zum zweiten
Kalifen ausgerufen.
635 Gründung der Stadt Basra (Irak) und
Bau der ersten Moschee.
637 Eroberung von Ktesiphon, der Hauptstadt
des persischen Sassanidenreiches.
638 Gründung der Stadt Kufa (Irak) und
ihrer Großen Moschee.
274
638 Erster Bau der Al-Aqsa-Moschee im
Haram ash-Sharif auf dem Tempelberg in
Jerusalem.
641 – 642 Gründung der Stadt Fustat
(Kairo) und Bau der ³Amr-Moschee.
644 – 656 ³Uthman wird zum dritten
Kalifen ausgerufen. Bau des umayyadischen
Kalifenpalastes Qasr al-Khadra² in
Damaskus (Syrien).
650 – 651 Eroberung von Nishapur (Iran)
und Bau der ersten Großen Moschee.
656 – 661 Kalifat von Ali, Schwiegersohn
des Propheten.
661 Ermordung des Imam Ali.
670 Gründung der Stadt Kairouan
(Tunesien) und ihrer Großen Moschee.
680 Tod von Imam Husain, Alis Sohn, bei
Kerbela (Irak).
691 Bau der Qubbat as-Sakhra-Moschee
(»Felsendom«) in Jerusalem durch den
umayyadischen Kalifen ³Abd al-Malik.
ca. 696 Währungsreform; das sassanidische
und byzantinische Münzgeld
wird durch Münzen mit ausschließlich
arabischer Beschriftung ersetzt.
707 – 715 Bau der Umayyaden-Moschee
von Damaskus.
711 Arabische Eroberung der Iberischen
Halbinsel.
712 – 715 Bau des Badeschlosses Qusair
³Amra (Jordanien).
712 Bau der Großen Moschee in Samarkand
(Usbekistan).
713 Bau der Großen Moschee in Buchara
(Usbekistan).
714 – 716 Abschluss der arabischen
Eroberung der Iberischen Halbinsel und
von Teilen Südwestfrankreichs.
715 Gründung von Ramallah (Palästina)
und der Großen Moschee.
718 Entwurf der Großen Moschee von
Saragossa (Spanien).
724 – 727 Bau des umayyadischen Palastes
Qasr al-Hair al-Gharbi (Syrien).
728 – 729 Bau des umayyadischen Palastes
Qasr al-Hair ash-Sharqi (Syrien).
732 Schlacht von Tours und Poitiers im
zentralen Westfrankreich.
744 Bau des umayyadischen Palastes von
Mschatta (Jordanien).
748 Bau des Palastkomplexes Dar al-Imara
des Abu Muslim in Merw (Turkmenistan).
ca. 750 Beginn der Übersetzung klassischer
medizinischer und philosophischer
Werke ins Arabische.
754 Bau der Großen Moschee von
Nishapur (Iran).
756 ³Abd ar-Rahman [I.] ad-Dajil baut den
Palast von Rusafa bei Cordoba.
762 Gründung von Bagdad als Hauptstadt
der Abbasiden.
765 Tod von Imam Ja³far as-Sadiq.
772 Al-Mansur baut die Stadt und
die Große Moschee von ar-Raqqa /
ar-Rafi qa (Syrien).

776 Mögliche Errichtung des Palastes von
Ukhaidir (Irak).
784 – 786 Erste Bauphase der Großen
Moschee von Cordoba (Spanien).
790 Bau der Großen Moschee von
Tlemcen (Algerien).
793 – 794 Erstes Minarett der Großen
Moschee von Cordoba (Spanien).
794 Erste Papiermühle in Bagdad (Irak).
797 – 806 Bau der ersten Alcazaba
(»Zitadelle«) in Toledo (Spanien).
806 Der abbasidische Kalif Harun ar-Rashid
ordnet den Bau von Hiraqla bei Raqqa
(Syrien) an.
808 Gründung von Fes (Marokko).
821 Bau des Ribat (»Festung«) von Sousse
(Tunesien).
822 – 842 Mögliche Gründung von Madrid
durch Emir ³Abd ar-Rahman II.
822 – 852 Muhammad I. ordnet den Bau
der »Puerta de San Esteban« in der Großen
Moschee von Cordoba (Spanien) an.
829 Bau der Großen Moschee von
Sevilla (Spanien).
830 Gründung des Bait al-Hikma
(»Haus der Weisheit«) in Bagdad.
833 – 844 Erste Erweiterung der
Großen Moschee von Cordoba (Spanien).
835 Bau der Alcazaba (»Zitadelle«)
von Merida (Spanien).
836 Der abbasidische Kalif al-Mu³tasim
gründet die Stadt Samarra (Irak).
839 Einrichtung von diplomatischen
Vertretungen zwischen Cordoba und
Byzanz.
847 Bau der Großen Moschee von
Samarra (Irak).
ca. 850 Übersetzung der medizinischen
Werke von Hippokrates und Galen ins
Arabische.
855 Tod von Ahmad ibn Hanbal,
Gründer der hanbalitischen Rechtsschule.
859 Gründung der al-Qarawiyyin
Moschee in Fes (Marokko).
860 – 861 Gründung der Festung von
Alamut (Iran).
862 Bau der Qubbat as-Sulaibiyya,
des ersten muslimischen Mausoleums,
in Samarra (Irak).
ca. 866 Tod des arabischen Philosophen
und Gelehrten al-Kindi.
868 Tod von al-Jahiz, Literat und Meister
der arabischen Prosa.
870 Tod von al-Bukhari, Autor einer
berühmten kanonischen Hadith-Sammlung.
873 Tod von Hunain ibn Ishaq, christlicharabischer
Gelehrter und Übersetzer
medizinischer, naturwissenschaftlicher und
philosophischer Werke aus dem Griechischen
ins Arabische.
875 Bau der Moschee der drei Türen in
Kairouan (Tunesien). Gründung der Stadt
Badajoz (Spanien).
879 Vollendung der Moschee des Ibn
Tulun in Fustat (Kairo, Ägypten).
909 Etablierung der Fatimiden in
Nord afrika.
922 Tod des persischen Mystikers
Mansur al-Hallaj.
923 Tod von at-Tabari, Autor bedeutender
Werke zur frühislamischen Geschichte.
925 Tod des persischen Arztes, Naturwissenschaftlers
und Philosophen Abu Bakr
ar-Razi (Rhazes).
929 Tod des arabischen Astronomen
al-Battani (Albatenius).
931 Tod des andalusischen Philosophen
und Mystikers Ibn Masarra.
935 Tod von Abu l-Hasan al-Ash³ari,
Grün der der asharitischen Theologie schule.
936 Gründung der Palaststadt Madinat
az-Zahra bei Cordoba (Spanien).
940 Tod des abbasidischen Wesirs und
Kalligraphen Ibn Muqla.
ca. 947 Ibn Hauqal, arabischer Geograph
und Autor, besucht al-Andalus und den
Maghreb.
950 Tod des Philosophen al-Farabi
(Alpharabius).
952 Hauptminarett der Großen Moschee
von Cordoba (Spanien).
953 Fatimidische Goldmünze von
Imam-Kalif al-Mu³izz (Kat. Nr. 68 – 76,
mittlere Reihe, links)
956 Tod von al-Mas³udi, vielseitiger
arabischer Philosoph, Geograph und
Historiker.
275

961 Al-Hakam II. erweitert die Große
Moschee von Cordoba (Spanien).
969 – 970 Fatimidische Eroberung
Ägyptens und Gründung der neuen
Hauptstadt Kairo (al-Qahira).
979 – 981 Bau der Palaststadt Madinat
az-Zahra bei Cordoba (Spanien).
987 Grabstele aus Marmor (Kat. Nr. 59)
988 Letzte Erweiterung der Großen
Moschee von Cordoba (Spanien).
988 – 989 Gründung der Al-Azhar-
Universität in Kairo (Ägypten).
999 – 1000 Bau der Bab al-Mardum-
Moschee in Toledo (Spanien).
1000 Tod von al-Muqaddasi, arabischer
Weltreisender und Geograph.
1005 Gründung der Dar al-Hikma
(»Haus der Weisheit«) in Kairo.
1006 – 1007 Bau des Turm-Mausoleums
Gunbad-i Qabus bei Gurgan (Iran).
1007 Tod von Maslama al-Majriti,
anda lusischer Mathematiker und Astronom.
ca. 1010 Der persische Dichter Firdausi
beschließt das Versepos Schahname
(»Buch der Könige«).
1022 Tod des arabischen Kalligraphen
und Illuminierers Ibn al-Bawwab.
1030 Der persische Universalgelehrte
al-Biruni vollendet sein umfassendes Werk
über Indien. Tod des persischen Philosophen
und Historikers Miskawaih. Tod des
andalusischen Dichters Ibn Darraj.
276
1035 Tod von Ibn as-Samh, andalusischer
Autor von Werken zur Geometrie und von
astronomischen Tabellen.
1037 Tod des einfl ussreichen persischen
Philosophen, Naturwissenschaftlers und
Arztes Ibn Sina (Avicenna).
1039 Tod von Ibn al-Haitham (Alhazen),
be deutender arabischer Astronom und
Physiker.
1049 – 1083 Bau des Palastes Aljaferia in
Saragossa (Spanien).
1052 Handschrift des Qanun fi t-tibb
(»Kanon der Medizin«) von Ibn Sina,
Fünftes Buch; Titelblatt (Kat. Nr. 111).
1064 Tod von Ibn Hazm, andalusischer
Philosoph und Theologe.
1067 Gründung der Nizamiyya Madrasa in
Bagdad (Irak).
1068 – 1069 Zerstörung der fatimidischen
Bibliotheken.
1070 Tod von Ibn Zaidun, berühmter
andalusischer Dichter.
1081 Tod von al-Baji, bedeutender
andalusischer Theologe und Literat.
1086 Tod von Ibn ³Ammar, andalusischer
Dichter und Wesir des Königs von Sevilla
(Spanien).
1090 Gründung eines ismailitischen Staates
in der Festung von Alamut (Iran).
1111 Tod des bedeutenden persischen
Juristen und Theologen al-Ghazali (Algazel).
1122 Tod von al-Hariri, arabischer Dichter
und Meister der literarischen Gattung der
Maqamat (Kurzgeschichten in Reimprosa).
1134 Tod von Ibn ³Abdun, andalusischer
Dichter und Autor.
1139 Tod von Ibn Bajja (Avempace),
andalusischer Philosoph, Dichter, Musiker
und Wissenschaftler.
1143 Erste Übersetzung des Korans in
mittelalterliches Latein durch Robert of
Ketton.
1147 Tod des andalusischen Dichters und
Anthologen Ibn Bassam.
ca. 1150 Übersetzung der Werke Ibn
Sinas (Avicenna) ins Lateinische.
1154 Al-Idrisi vollendet seine Universalgeographie
am Hof des normannischen
Königs Roger II. von Sizilien. Bau des
Nur ad-Din-Hospitals in Damaskus (Syrien).
1160 Tod des berühmten andalusischen
Dichters Ibn Quzman.
1162 Tod des andalusischen Arztes Ibn
Zuhr (Avenzoar).
1170 – 1180 Bau der almohadischen
Großen Moschee von Sevilla (Spanien) mit
ihrem Minarett, heute »Giralda« genannt.
1179 Tod von Ibn Khair al-Ishbili, Philologe
und Hadith-Gelehrter von Sevilla
(Spanien).
1185 Tod des bekannten andalusischen
Arztes und Philosophen Ibn Tufail.
1187 Fariduddin ³Attar schreibt das
allegorische Versepos Man. tiq at-tair
(»Vogelgespräche«).
1198 Tod des andalusischen Philosophen
und Arztes Ibn Rushd (Averroes), Autor
bedeutender Aristoteles-Kommentare.

ca. 1200 Handschrift der Jawass al-ašfar
(De materia medica) des Dioscurides; vier
illustrierte Blätter (Kat. Nr. 112 – 115).
1204 Tod des jüdischen Philosophen und
Theologen Ibn Maimun (Maimonides).
1209 Tod des persischen Dichters Nizami,
Autor romantischer Versepen.
1217 Tod des andalusischen Reisenden Ibn
Jubair, Autor der berühmten Rihla (»Reise«).
1233 Tod des Ibn al-Athir, Autor einer
monumentalen Weltgeschichte.
1235 Handschrift der Mi²a laila wa-laila
(»Hundertundeine Nacht«) von az-Zuhri
(Kat. Nr. 46).
1238 Bau der Alhambra in Granada
(Spanien) durch den Nasridenherrscher
Muhammad I.
1240 Tod des andalusischen Philosophen
und Mystikers Ibn al-³Arabi in Damaskus.
1248 Tod des andalusischen Botanikers
und Pharmakologen Ibn al-Baitar.
1258 Zerstörung Bagdads durch die
Mongolen.
1259 Baubeginn des Observatoriums von
Maragha (Iran).
1273 Tod von Jalaluddin Rumi, persischer
Philosoph und Autor mystischer Gedichte.
1274 Tod von Nasiruddin Tusi, herausragender
schiitisch-persischer Philosoph
und Astronom.
1284 Bau des al-Mansur-Hospitals in
Kairo (Ägypten).
1286 Tod von Ibn Sa³id al-Maghribi,
andalusischer Dichter, Historiker und
Geograph.
1292 Tod von Sa³di, persischer Dichter
und Mystiker, ein Meister lyrischer und
ethisch-didaktischer Poesie.
1294 Tod des Musikers und bedeutenden
Musiktheoretikers Safi ad-Din.
ca. 1300 Schreibkasten mit Einlegearbeiten
aus Gold und Silber (Kat. Nr. 136).
1310 Tod des arabischen Dramatikers
Ibn Danyal.
1333 – 1354 Erweiterung der Alhambra
in Granada (Spanien).
1349 Gründung der al-Qarawiyyin-
Bibliothek in Fes (Marokko).
1354 Handschrift von »Das Buch des
Wissens von sinnreichen mechanischen
Vorrichtungen« (Automata) von al-Jazari;
Illustration »Gerät für den Aderlass«
(Kat. Nr. 93).
1368 Tod des berberischen Weltreisenden
Ibn Battuta.
1375 Tod des andalusischen Chronisten
von Granada Ibn al-Khatib.
1390 Tod des lyrischen Dichters Hafi z, des
berühmtesten Poeten persischer Sprache.
1398 Tod des Kalligraphen Yaqut al-
Musta³simi.
1406 Tod des einfl ussreichen Geschichtsphilosophen
Ibn Khaldun.
ca. 1420 Gründung des Observatoriums
in Samarkand (Usbekistan).
1453 Eroberung Konstantinopels durch
die Osmanen.
1492 Eroberung des nasridischen Königreichs
von Granada durch die christlichen
Kastilier. Ende der muslimischen Herrschaft
in Spanien.
1498 Vasco da Gama erreicht Indien
über das Kap der Guten Hoffnung und den
Indischen Ozean.
ca. 1520 Album für den Großmogul Shah
Jahan; Kalligraphie-Blatt (Kat. Nr. 202).
1520 – 1540 Das Schahname (»Buch der
Könige«) des Schah Tahmasp; fünf Illustrationen
(Kat. Nr. 162 –166).
1536 Tod des Malers Bihzad, Meister der
persischen Miniaturmalerei.
1537 – 1538 Erste gedruckte Koranaus gabe
von Paganino und Alessandro Paganini.
1544 Tod des Dichters und Kalligraphen
Mir ³Ali Harawi.
1550 – 1557 Bau des Moscheekomplexes
des osmanischen Sultans Süleyman des
Prächtigen in Istanbul.
ca. 1570 Porträt von Sultan Selim II.
(Kat. Nr. 98).
1588 Tod von Sinan, Hofarchitekt Süleymans
des Prächtigen.
1593 Handschrift von Anwar-i Suhaili
(»Die Lichtstrahlen des Suhail«) des Husain
ibn ³Ali al-Kashifi (Kat. Nr. 154).
1602 Handschrift von Rumis Maqnawi
(Kat. Nr. 37).
277

1628 Porträts der Großmoguln Jahangir
und Shah Jahan (Kat. Nr. 192).
1631 – 1632 Kalligraphie des Prinzen Dara
Shikoh (Kat. Nr. 204).
1632 – 1654 Bau des Taj Mahal in Agra
durch den Mogulherrscher Shah Jahan.
1640 Tod des persisch-schiitischen
Theologen und Philosophen Mulla Sadra.
1658 Tod des türkischen Kosmographen
und Enzyklopädisten Hajji Khalifa (Katib
Çelebi).
1718 – 1720 Koran auf Textil (Kat. Nr. 25).
1727 Ibrahim Müteferrika baut die erste
osmanische Druckerpresse in arabischer
Schrift auf.
1798 – 1801 Französische Ägyptenexpedition
unter Napoleon.
ca. 1805 Porträt von Sultan Selim III.
(Kat. Nr. 100).
1808 Brief des persischen Kron prinzen
³Abbas Mirza an Napoleon I. (Kat. Nr. 184).
1813 Veröffentlichung von James Murphys
The Arabian Antiquities of Spain.
1821 Gründung der Bulaq Druckerei in
Kairo.
1828 In Kairo erscheint die erste arabische
Zeitung.
1836 – 1837 Veröffentlichung von Girault
de Prangeys Souvenirs de Grenade et de
l’Alhambra.
278
1839 Veröffentlichung von Girault de
Prangeys Monuments arabes et moresques de
Cordoue, Séville et Grenade.
1842 – 1845 Veröffentlichung von Owen
Jones’ Plans, Elevations, Sections and Details
of the Alhambra.
1861 Chao Jin Tu Ji des Ma Fuchu
(Kat. Nr. 30).
1865 Schreibkästchen aus Lack
(Kat. Nr. 186).
1869 Eröffnung des Suezkanals in Ägypten.
1876 Ausstellung persischer Kunst im
Kensington Museum in London.
1885 Ausstellung persischer und
arabischer Kunst im Burlington Fine Arts
Club in London.
1893 Exposition d’Art Musulman im
Palais de l’Industrie in Paris. Handschrift
Gulšan-i Raz des Shabistari (Kat. Nr. 187).
1903 Exposition des Arts Musulmans im
Pavillion de Marsan des Louvre in Paris.
1905 Exposition d’Art Musulman in Algier.
1910 Ausstellung Meisterwerke Muhammedanischer
Kunst in München.
1911 Beginn der Ausgrabungen in der
Palaststadt Madinat az-Zahra bei Cordoba
durch Ricardo Velásquez Bosco.
1912 Exposition d’Art Persan im Musée des
Arts Décoratifs in Paris.
1914 Tod des politischen Journalisten und
Romanautors Jurji Zaidan.
1920 Das Muhammadan Anglo-Oriental
College in Aligarh (Indien) wird zur
Universität (heute: Aligarh Muslim University)
erhoben.
1931 Exhibition of Persian Art im Burlington
House in London.
1935 Ausstellung persischer Kunst in der
Eremitage in Leningrad (Sankt Petersburg).
1938 Tod von Muhammad Iqbal, Dichter
und Philosoph in Lahore (Pakistan).
1973 Tod des ägyptischen Literaten Taha
Hussein.
1976 Ausstellung The Arts of Islam in der
Hayward Gallery in London.
1977 Der Aga Khan Award for Architecture
wird ins Leben gerufen.
1979 Abdus Salam erhält als erster
muslimischer Wissenschaftler den Nobelpreis
für Physik. Einrichtung des Aga
Khan Program for Islamic Architecture
(AKPIA) am Massachusetts Institute of
Technology (MIT) und an der Harvard
University, Cambridge, Mass.
1980 Qal³at Beni Hammad in Algerien
wird Weltkulturerbe der UNESCO.
1981 Die Medina von Fes (Marokko) sowie
die Festung und Shalimar-Gärten in Lahore
(Pakistan) werden Weltkulturerbe der
UNESCO.
1982 Die ummauerte historische Stadt
Schibam im Jemen wird Weltkulturerbe der
UNESCO.
1983 Die Festung von Agra und das
Grabmal Taj Mahal in Indien werden
Weltkulturerbe der UNESCO.

1984 Die Alhambra in Granada und die
Altstadt von Cordoba werden Weltkulturerbe
der UNESCO.
1985 Die historische Moscheenstadt
Bagerhat in Bangladesh, das Wüstenschloss
Qusair ³Amra in Jordanien, die Große
Moschee und das Hospital von Divribi
in der Türkei sowie die Medina von
Marrakesch in Marokko werden Weltkulturerbe
der UNESCO.
1986 Fatehpur Sikri in Indien und die
Altstadt von Sanaa im Jemen werden
Weltkulturerbe der UNESCO.
1987 Tod des ägyptischen Erzählers und
Dramatikers Taufi q al-Hakim.
1988 Timbuktu und die historischen
Stadtkerne von Djenné in Mali und Kairouan
in Tunesien werden Weltkulturerbe der
UNESCO. Gründung des Aga Khan Trust
for Culture (AKTC). Der ägyptische
Schriftsteller Nagib Mahfuz wird mit dem
Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet.
1989 Tod des ägyptischen Architekten
Hassan Fathy.
1990 Itchan Kala, die ummauerte Altstadt
von Chiwa in Usbekistan, wird Weltkulturerbe
der UNESCO.
1993 Das Grab des Mogulherrschers
Humayun und der Qutb-Minar-Komplex in
Delhi (Indien), die historische Stadt Zabid
(Jemen) und der historische Stadtkern von
Buchara (Usbekistan) werden UNESCO-
Weltkulturerbe.
1996 Die alten Karawanenstädte Ouadane,
Chinguetti, Tichitt und Oualata in der
Sahara (Mauretanien) und die Altstadt von
Meknes (Marokko) werden UNESCO-
Weltkulturerbe.
1997 Die Qila Rohtas (»Rohtas-Festung«)
in Pakistan wird UNESCO-Weltkultur -
erbe. Tod des pakistanischen Musikers
Nusrat Fateh Ali Khan.
1999 Ahmed Zewail (Ägypten/USA) erhält
den Nobelpreis für Chemie.
2000 Die Steinerne Stadt auf Sansibar und
das historische Zentrum von Shahr-i Sabz
(Usbekistan) werden Weltkulturerbe der
UNESCO. Gründung der Aga Khan
Music Initiative in Central Asia (AKMICA).
2001 Die historischen Altstädte von
Lamu (Kenia) und Samarkand (Usbekistan)
werden UNESCO-Weltkulturerbe.
2002 Das Minarett und die Ruinen von
Jam (Afghanistan) werden UNESCO-
Weltkulturerbe. ArchNet, die Internetressource
mit der größten Online-Sammlung
zur historischen Architektur der
islamischen Welt wird lanciert.
2003 Die iranische Menschenrechtlerin
Shirin Ebadi erhält den Friedensnobel -
preis. Das Mausoleum des Khoja Ahmed
Yasawi (Kasachstan) wird UNESCO-
Weltkultur erbe.
2004 Das Grabmal von Askia in Mali wird
UNESCO-Weltkulturerbe.
2005 Die Alte Brücke und die Altstadt von
Mostar (Bosnien und Herzegowina), die alte
Residenzstadt Kunya-Urgench (Turkmenistan)
und das Grabmal des Oljaitu in
Soltaniyye (Iran) werden UNESCO-Weltkulturerbe.
Einweihung des Al-Azhar-
Parks in Kairo, eines der von Prinz Karim
Aga Khan geförderten Städtebauprojekte.
2006 Der türkische Schriftsteller Orhan
Pamuk erhält den Nobelpreis für Literatur.
Der Wirtschaftsprofessor Muhammad
Yunus aus Bangladesch erhält den Friedensnobelpreis.
Tod des ägyptischen Schriftstellers
Nagib Mahfuz. Tod des Sängers
und Musikers Ali Ibrahim Touré aus Mali.
2007 Die Mehmed-Para-Sokolovi-Brücke
(Bosnien und Herzegowina), die historische
Residenzstadt von Samarra (Irak) und
das Rote Fort in Delhi (Indien) werden
UNESCO-Weltkulturerbe.
2008 Archäologische Stätte Al-Hijr
(Mada’in Salih, Saudi-Arabien) wird
UNESCO-Weltkulturerbe. Tod des
palästinensischen Dichters Mahmud
Darwish (*1941).
2009 Der Burdsch Chalifa in Dubai
erreicht seine maximale Höhe von 828
Metern und ist das höchste Bauwerk der
Welt. Rede des US-Präsidenten Barack
Obama in der Universität Kairo an die
islamische Welt.
279

Glossar
Abbasiden Dynastie, die Bagdad gründete
und zwischen 750 und 1258 weite Teile des
islamischen Kernlandes beherrschte.
abfad Alphanumerisches System, in dem
einem jeden Buchstaben des arabischen
Alphabets ein Zahlenwert zugeordnet ist.
Almohaden Berberdynastie, die zwischen
1130 und 1269 im Westteil Nordafrikas
und im Südteil der Iberischen Halbinsel
herrschte.
Almoraviden Berberdynastie, die zwischen
1062 und 1147 in einem Teil Nordafrikas
und im Süden der Iberischen Halbinsel
herrschte.
aya Koranvers.
Ayyubiden Von Salah ad-Din (Saladin)
gegründete Dynastie, die zwischen 1169
und 1260 in Ägypten und Syrien herrschte.
Basmala Der Ausruf bismi llahi r-rahmani
r-rahim (»Im Namen des barmherzigen und
gnädigen Gottes«), der die meisten Koransuren
einleitet.
Bihari Imposante Kursivschrift mit dicken,
gerundeten Buchstabenendungen und
großen Abständen zwischen den Wörtern.
Wurde ausschließlich in Indien verwendet.
Dhikr Gebetsform, die aus der ständigen
Wiederholung eines Namens oder einer
Formel besteht. Ein Dhikr kann allein oder
mit anderen gemeinsam gesprochen werden.
Fatimiden Schiitisch-ismailitische Dynastie,
die zwischen 909 und 1171 weite Teile
Nordafrikas und des Nahen Ostens
beherrschte. Begründer der Hauptstadt
Kairo.
280
fanna Bezeichnet im Koran den Himmel
bzw. das Paradies und ist im Arabischen
der »Garten«, durch dessen Friedlichkeit
wiederum der Paradies-Garten versinnbildlicht
sein kann.
Ghaznawiden Türkische Dynastie, die
zwischen 977 und 1186 große Teile des Iran
und Indiens sowie Afghanistan beherrschte.
Ghubari »Staubschrift«. Winzige Schrift,
deren Name aufgrund ihres Formats vom
arabischen Wort für Staub (gubar) abgeleitet
ist und die für die Taubenpost erfunden
wurde.
Hadith Überlieferung der Aussprüche
und Handlungen des Propheten und, im
schiitischen Islam, der Imame.
Hadsch Jährliche Pilgerfahrt nach Mekka.
Hasten Oberlängen der Buchstaben
der arabischen Schrift, die hoch aufragend
und besonders verziert sein können.
Hedschas Landschaft im westlichen
Saudi-Arabien. Hier befi nden sich die
heiligsten Orte des Islam: Mekka und
Medina.
Ilkhane »Provinz-Fürsten«. Von Hülegü,
Enkel des Dschingis Khan, gegründete
Dynastie, die zwischen 1256 und 1353
im Iran herrschte.
Imam Im Allgemeinen ein Vorbeter und
religiöser Führer. Innerhalb der Schia eine
spirituelle Autorität, welche von ³Ali ibn
Abi Talib und Fatima, der Tochter des
Propheten, abstammt.
Dschazira Gebiet, das sich in Nordostsyrien,
Nordwestirak und in der Südosttürkei
zwischen Euphrat und Tigris erstreckt.
fuz² Ein Dreißigstel des Korans.
Ka³ba Kubischer Bau in Mekka,
zentraler Punkt der Hadsch.
Kadscharen Dynastie, die zwischen
1779 und 1925 im Iran herrschte.
Khanqa Sufi loge oder -hospiz.
Kiswa Stoffverkleidung der Kaaba
in Mekka.
Kufi Geometrisch-eckige Schrift mit
ausgeprägten vertikalen und horizontalen
Linien.
Madrasa Kolleg oder Erziehungseinrichtung,
insbesondere für religiöse Studien.
Maghreb Westlicher Teil der islamischen
Welt. Umfasst die heutigen Länder Marokko,
Tunesien, Algerien, Libyen und Mauretanien.
Maghribi Charakteristisch gerundeter
Schriftstil, der in Nordafrika und Spanien
verwendet wurde.
maqsura »Herrscherloge« in Form eines
abgetrennten Teils in der Moschee, meist
neben dem Minbar.
Mamluken Türkischstämmige Dynastie,
die zwischen 1250 und 1517 von der
Hauptstadt Kairo aus über Ägypten, Syrien
und Palästina herrschte.
Mihrab Wandnische in einer Moschee,
die in Gebetsrichtung zeigt.
Minbar Erhöhte Kanzel in einer Moschee,
von der die Freitagspredigt gehalten wird.

Moguln Von Babur, einem Nachfahren
des Timur, gegründete Dynastie, die den
indischen Subkontinent zwischen 1526
und 1858 beherrschte.
Muhaqqaq Monumentale Kursivschrift
mit ausgewogenen aufsteigenden und
waagrechten Strichen.
Muqarnas Dekoratives Architekturelement
für Gewölbe oder Trompen, zusammengesetzt
aus zahlreichen kleinen und
geometrisch geformten Nischen, die
Stalaktiten oder Honigwaben ähneln.
Muraqqa³ Album mit einer Sammlung
von Beispielen an Kalligraphie und Malerei.
Naskhi Kursivschrift, die als Schreibschrift
verwendet wurde und auf der die moderne
Typographie basiert.
Nasriden Dynastie, die zwischen 1230
und 1492 in Südspanien von der Hauptstadt
Granada aus herrschte.
Nasta³liq Elegante, »hängende« Schrift,
charakterisiert durch kurze, aufsteigende
Linien sowie durch schwungvoll verlängerte
Diagonallinien. Wurde zum Papiersparen
entwickelt; da man schräg abwärts schreibt,
lässt sich das nächste Wort schon über dem
vorhergehenden anfangen.
Osmanen Dynastie, die während des
frühen 14. Jahrhunderts in Anatolien an
die Macht kam und über 600 Jahre lang,
bis 1924, die Türkei, den Balkan, Teile
Nordafrikas, Ägypten und den Nahen
Osten beherrschte.
Pir Spiritueller Führer, der seine Schüler
auf dem mystischen Pfad leitet.
Qasida Genre der Dichtkunst; im Persischen
ein lyrisches Gedicht, oft panegyrischen
Inhalts.
Qibla Die jeweilige Richtung des muslimischen
Gebetes nach Mekka.
Qilin Das Einhorn aus der chinesischen
Mythologie. Personifi kation des Guten,
Puren und Friedvollen.
Rihan Gerundete Schrift, die kleinere
Entsprechung des Muhaqqaq, bemerkenswert
aufgrund ihrer sanften Linienführung,
gleichmäßigen Abstände und Ausgewogenheit.
Riqa³ Schrift reinster Ausprägung für
Verwaltungserlasse oder offi zielle Korrespondenzen.
Safawiden Dynastie, die zwischen
1501 und 1722 im Iran herrschte und
die schiitische Glaubensrichtung zur
Staatsreligion erklärte.
Samaniden Dynastie, die zwischen
819 und 1005 in Zentralasien und Transoxanien
herrschte.
Saz Ein in der osmanischen Kunst des
16. Jahrhunderts beliebter Dekorstil mit
vegetabilen Elementen in Form von langen,
»gefi ederten« Blättern.
Schahada Das muslimische Glaubensbekenntnis.
Seldschuken Türkische Dynastie, die
zwischen 1040 und 1194 Teile des Iran
und des Irak und zwischen 1081 und 1307
Anatolien beherrschte.
Shari³a Korpus von Gesetzen, die alle
Lebensbereiche eines Muslims regeln.
Shikasta Dichte Schrift, in der üblicherweise
getrennt geschriebene Buchstaben
und Wörter verbunden werden, und die
es dem Kalligraphen erlaubt, ganze Wörter
mit einem einzigen Strich auszuführen.
Simurgh Sagenhafter Vogel aus der
persischen Mythologie.
Sure (arab. sura) Kapitel im Koran.
Tauqi³ Für administrative Zwecke
verwendete Schrift, entspricht dem
kleineren Riqa³.
Tawhid Die Einheit Gottes bzw. der
Glaube an die göttliche Einheit, eines der
fundamentalen Dogmen des Islam.
Thuluth Große, elegante Kursivschrift,
oft für Inschriften genutzt. Monumentale
Entsprechung der Naskhi-Schrift.
Timuriden Durch Timur gegründete
Dynastie, die zwischen 1370 und 1507
Zentralasien und Afghanistan beherrschte.
Tiraz Stoff mit eingewebten, gestickten
oder gemalten Inschriften.
Tughra Charakteristisch geformtes und
aufwändig ausgeführtes Monogramm eines
osmanischen Sultans.
³ulama² Religions- und Rechtsgelehrte.
Umayyaden Dynastie, die das islamische
Kernland zwischen 661 und 750 mit
Damaskus als Hauptstadt regierte sowie von
756 bis 1031 auf der Iberischen Halbinsel
von ihrer Hauptstadt Cordoba aus herrschte.
Waqf Religiöse Stiftung, die vertraglich
an einen wohltätigen Zweck gebunden ist.
281

Literatur
AKTC 2007a Aga Khan Trust for Culture,
Splendori a Corte: Ara del Mondo Islamico
nelle Collezioni del Museo Aga Khan.
Milano 2007.
AKTC 2007b Aga Khan Trust for Culture,
Spirit & Life: Masterpieces of Islamic Art
from the Aga Khan Museum Collection.
London 2007.
AKTC 2008a Aga Khan Trust for Culture –
Gulbenkian Museum, The Path of Princes.
Lissabon 2008. (englisch und portugiesisch)
AKTC 2008b Aga Khan Trust for Culture –
Fundación Real de Toledo, Geographies
of Islam. Toledo 2008. (Broschüre, englisch
und spanisch)
AKTC 2009a Aga Khan Trust for Culture –
Fundación »la Caixa«, Barcelona,
Los mundos del Islam en la colección del
Museo Aga Khan. Madrid 2009.
AKTC 2009b Aga Khan Trust for Culture –
Fundación »la Caixa«, Barcelona, Els mons
de l’Islam a la collecció del Museu Aga Khan.
Barcelona 2009.
Abu l-Fazl 1977 Abu l-Fazl ²Allami, The
A³in-i Akbari. Englische Übersetzung von
Henri Blochmann, 3. Aufl . New Delhi 1977.
Adle 1993 Adle, Chahryar, »Les artistes
nommés Dust-Mohammad au XVIe siècle«,
Studia Iranica, 22 (1993), 219 – 296.
Allan 2002 James W. Allan, Metalwork
Treasures from Islamic Courts. Doha:
Museum of Islamic Art – London:
Islamic Art Society 2002.
Atasoy – Raby 1989 Nurhan Atasoy –
Julian Raby, Iznik: The Pottery of Ottoman-
Turkey. London 1989.
282
Atıl 1981 Esin Atıl, Kalila wa Dimna:
Fables from a Fourteenth-Century Arabic
Manuscript. Washington, D.C. 1981.
Atıl 1981 Esin Atıl, Renaissance of Islam:
Art of the Mamluks. Washington, D.C.:
Smithsonian Institution 1981.
Atıl 1990 Esin Atıl (ed.), Islamic Art
and Patronage: Treasures from Kuwait.
New York 1990.
Atıl – Chase – Jett 1985 Esin Atıl –
W. T. Chase – Paul Jett, Islamic Metalwork in
the Freer Gallery of Art. Washington, D. C.:
The Gallery, Smithsonian Institution 1985.
Baer 1981 E. Baer, »Dawat«, Encyclo -
pae dia of Islam (2nd ed.), suppl. 3 – 4.
Leiden 1981, 203 – 204.
Barrucand – Bednorz 2002 Marianne
Barrucand – Achim Bednorz, Moorish Archi -
tecture in Andalusia. Köln 2002 (1. ed. 1992).
Bayani – Contadini – Stanley 1999 Manijeh
Bayani – Anna Contadini – Tim Stanley,
The Decorated Word: Qur’ans of the 17 th to
19 th centuries. London: The Nour Foundation
1999.
Beach 1978 Milo Cleveland Beach,
The Grand Mogul: Imperial Painting in India
1600 – 1660. Sterling and Francine Clark Art
Institute, Williamstown, MA 1978.
Beach 1987 Milo Cleveland Beach, Early
Mughal Painting: The Polsky Lectures in
In dian and Southeast Asian Art and Archaeology.
Cambridge, MA – London: Published
for the Asia Society by Harvard University
Press 1987.
Beach – Koch 1997 Milo Cleveland
Beach – Ebba Koch, King of the World,
The Padshahnama: An Imperial Manuscript
from the Royal Library, Windsor Castle.
London 1997.
Bernus-Taylor 1989 Marthe Bernus-
Taylor (ed.), Arabesques et jardins de
paradis: collections françaises d’art islamique.
Paris 1989.
Binyon – Winkinson – Gray 1933 Laurence
Binyon – J. V. S. Wilkinson – Basil
Gray, Persian Miniature Painting, including
a Critical and Descriptive Catalogue of the
Miniatures Exhibited at Burlington House
January – March 1931. London 1933.
Blair 2006 Sheila Blair, Islamic Calligraphy.
Edinburgh 2006.
Bloom 1986 Jonathan Bloom,
»Al-Ma²mun’s Blue Koran?«, Revue des
études islamiques 54 (1986), 59 – 65.
Bloom 1989 Jonathan Bloom, »The Blue
Koran: An Early Fatimid Kufi c Manuscript
from the Maghreb«. In: François Deroche
(ed.), Les Manuscrits du moyen-orient: Essais
de codicologie et paléographie, Paris – Istanbul
1989, 95 – 99.
Bloom 1991 Jonathan Bloom, »The Early
Fatimid Blue Koran Manuscript«, Graeco-
Arabica 4 (1991), 171 – 78.
Bloom 2007 Jonathan M. Bloom, Arts of
the City Victorious: Islamic Art and Architecture
in Fatimid North Africa and Egypt.
New Haven – London 2007.
Brisch 1965 Klaus Brisch, »Zum Bab
al-Wuzara² (Puerta de San Esteban) der
Hauptmoschee von Córdoba«. In: Charles
Geddes et al. (eds.), Studies in Islamic Art
and Architecture in Honour of Professor
K. A. C. Creswell. Cairo 1965, 30 – 48.

Brisch 1966 Klaus Brisch, Die Fenstergitter
und verwandte Ornamente der Hauptmoschee
von Córdoba: Eine Untersuchung zur
spanisch-islamischen Ornamentik.
Madrider Forschungen 4. Berlin 1966.
Bronstein 1938 Leo Bronstein, »Deco rative
Woodwork of the Islamic Period«.
In: A. U. Pope (ed.), A Survey of Persian Art.
Oxford 1938.
Brown 1924 Percy Brown, Indian Painting
under the Mughals A.D. 1550 to A.D. 1750.
Oxford 1924.
Bulliett 1987 R. W. Bulliett, »Medieval
Arabic Tarsh: A Forgotten Chapter in the
History of Printing«, Journal of the American
Oriental Society 107/3 (1987), 427 – 438.
Canby 1994 Sheila R. Canby (ed.),
Huma yun’s Garden Party: Princes of the
House of Timur and Early Mughal Painting.
Bombay 1994.
Canby 1998 Sheila R. Canby, Princes,
Poets and Paladins: Islamic and Indian
Paintings from the Collection of Prince and
Princess Sadruddin Aga Khan. London 1998.
Canby 1999 Sheila R. Canby, The Golden
Age of Persian Art, 1501 – 1722.
London: British Museum Press 1999.
Canby 2005 Sheila R. Canby, Islamic Art
in Detail. London 2005.
Canby 2009 Sheila R. Canby, Shah ³Abbas:
The Remaking of Iran. London: British
Museum Press 2009.
Canepa 2006 Teresa Canepa, Zhangzhou
Export Ceramics: The so-called Swatow Wares.
London 2006.
Carboni 2001 Stefano Carboni (ed.), Glass
from Islamic Lands: The al-Sabah Collection,
Kuwait National Museum. New York 2001.
Carboni 2007 Stefano Carboni (ed.),
Venice and the Islamic World 828-1797.
New York 2007.
Carboni – Whitehouse 2001 Stefano
Carboni – David Whitehouse, Glass of
the Sultans. New York: The Metropolitan
Museum of Art 2001.
Carswell 1972 John Carswell, »Some
Fif teenth-Century Hexagonal Tiles«,
Victoria and Albert Museum Yearbook 3
(1972), 59 – 75.
Casamar – Valdés 1999 Manuel
Casamar – Fernando Valdés Fernández,
»Les objets égyptiens en cristal de roche«.
In: Marianne Barrucand (ed.), L’Égypte
fatimide: son art et son histoire.
Paris 1999, 367 – 382.
Columbus OH 1951 Gallery of Fine Arts,
The Arts of Old Persia. Columbus, OH 1951.
Creswell 1940 K. A. C. Creswell, »The
Great Mosque of Cordova«. In: Early
Muslim Architecture: Umayyads, Early
³Abbasids and Tulunids. Part 2, Early
³Abbasids, Umayyads of Cordova, Aghlabids,
Tulunids, and Samanids, A. D. 751 – 905.
Oxford 1940, 138 –161.
Cummins 2006 Joan Cummins, Indian
Painting from Cave Temples to the Colonial
Period. Boston 2006.
David-Weill 1931 Jean David-Weill,
Les bois à épigraphes jusqu’à l’époque
mamelouke. Cairo 1931.
De Blois 1991 François de Blois, »The
Pancatantra: From India to the West - and
Back. In: Ernst Grube (ed.), A Mirror for
Princes from India: Illustrated Versions of the
Kalilah wa Dimnah, Anvar-i Suhayli, Iyar-i
Danish, and Humayun Nameh. Bombay 1991.
De Fouchécour 2006 Hâfez de Chiraz,
Le Divân. Œuvre lyrique d’un spirituel en
Perse au XIVe siècle, Introd., trad. du persan
et commentaires par Charles-Henri de
Fouchécour. Lagrasse 2006.
Delhi 1912 Delhi Museum of Archaeology,
Loan Exhibition of Antiquities, Coronation
Durbar, 1911. Calcutta, Baptist Mission
Press 1912.
Derman 1998 M. Ugur Derman, Letters
in Gold: Ottoman Calligraphy from the Sakip
Sabanci Collection, Istanbul. New York 1998.
Déroche 1983 François Déroche, Les
Manuscrits du Coran: Aux origines de la
calligraphie coranique. Paris 1983.
Déroche 1992 François Déroche,
The Abbasid Tradition: Qur’ans of the
8 th to the 10 th Centuries AD. London 1992.
Déroche 1999 François Déroche, »Tradition
et innovation dans la pratique de
l’écriture au Maghreb pendant les IV/Xe
siècles«. In: S. Lancel (ed.), Afrique du Nord
antique et médiévale: numismatique, langues,
écritures et arts du livre, spécifi cité des arts
fi gurés (Actes du VIIe colloque internationale
sur l’histoire et l’archéologie de l’Afrique
du Nord). Paris 1999, 233 – 247.
Déroche 2000 François Déroche (ed.),
Manuel de codicologie des manuscrits en
écriture arabe. Paris 2000.
Déroche – Von Gladiss 1999 François
Déroche – Almut von Gladiss, Buchkunst
zur Ehre Allahs, Der Pracht koran im
Museum für Islamische Kunst. Berlin 1999.
283

Diba 1989 Layla S. Diba, »Persian Painting
in the Eighteenth Century: Tradition and
Transmission«, Muqarnas 6 (1989), 147 – 160.
Diba 1998 Layla S. Diba (ed.), Royal
Persian Paintings: The Qajar Epoch,
1785 – 1925. New York 1998.
Dickson – Welch 1981 Martin B.
Dickson – Stuart Cary Welch, The Houghton
Shahnameh. Cambridge, MA 1981.
Digard 2002 Jean-Pierre Digard (ed.),
Chevaux et cavaliers arabes dans les arts
d’Orient et d’Occident. Paris 2002.
Dodds 1992 Jerrilynn Dodds (ed.),
Al-Andalus: The Art of Islamic Spain. New
York 1992.
Ecker 2004 Heather Ecker, Caliphs and
Kings: The Art and Infl uence of Islamic Spain.
Washington, D.C.: Smithsonian Institution
2004.
Ettinghausen 1954 Richard Ettinghausen,
»Notes on the Lusterware of Spain«.
Ars Orientalis 1 (1954), 133 – 156.
Ewert 1968 Christian Ewert, Spanischislamische
Systeme sich kreuzender Bögen.
Bd. 1: Die senkrechten ebenen Systeme sich
kreuzender Bögen als Stützkonstruktionen
der vier Rippen kuppeln in der ehemaligen
Hauptmoschee von Cór doba. Madrider
Forschungen 2. Berlin 1968.
Ewert – Wisshak 1981 Christian Ewert –
Jens-Peter Wisshak, Forschungen zur almo -
hadischen Moschee. Bd. 1, Vorstufen: Hierar -
chische Gliederungen westislamischer Betsäle
des 8. bis 11. Jahr hunderts: Die Hauptmoscheen
von Qairawan und Córdoba und ihr
Bannkreis. Madrider Beiträge 9. Mainz 1981.
Falk 1985 Toby Falk (ed.), Treasures of
Islam. London 1985.
284
Falk – Archer 1981 Toby Falk – Mildred
Archer, Indian Miniatures in the India Offi ce
Library. London 1981.
Farhad 1990 Massumeh Farhad, »The
Art of Mu³in Musavvir: A Mirror of His
Times«. In: Sheila R. Canby (ed.), Persian
Masters: Five Centuries of Painting.
Bombay 1990, 113 – 2 8.
Farhad 1992 Massumeh Farhad, »An
Artist’s Impression: Mu`in Musavvir’s Tiger
Attacking A Youth«, Muqarnas 9 (1992),
116 –123.
Fehérvári 2000 Géza Fehérvári, Ceramics
of the Islamic world in the Tareq Rajab
Museum. London 2000.
Ferdausi 2002 Abu’l-Qasem Ferdausi,
Rostam. Die Legenden aus dem Šahname.
Aus dem Persischen übersetzt und herausgegeben
von Jürgen Ehlers. Stuttgart 2002.
von Folsach 2001 Kjeld von Folsach,
Art from the World of Islam in The David
Collection. Copenhagen: Davids Samling
2001.
Fraser – Kwiatkowski 2006 Marcus
Fraser – Will Kwiatkowski, Ink and Gold:
Islamic Calligraphy. Berlin – London 2006.
Geneva 1988 Islamic Calligraphy: Sacred
and Secular Writings, Ausstellungskatalog.
Genf: Musée d’Art et d’Histoire 1988.
Ghouchani 1985 Abdullah Ghouchani,
Angular Kufi c on old mosques of Isfahan.
Isfahan 1985 (persisch).
Goitein 1967– 83 Solomon D. Goitein,
A Mediterranean Society: The Jewish
Communities of the Arab World as Portrayed
in the Documents of the Cairo Geniza.
Berkeley, CA 1967 – 1983.
Goswamy – Fischer 1987 B. N. Goswamy
– E. Fischer, Wonders of a Golden Age:
Painting at the Court of the Great Mughals,
Indian Art of the 16 th and 17 th Centuries from
Collections in Switzerland. Zürich 1987.
Grabar 2009 Oleg Grabar, Masterpieces
of Islamic art. The decorated page from the
8 th to the 17 th Century. München 2009.
Granada 1992 Al-Andalus. Las artes
islámicas en España. Ausstellungskatalog,
ed. J. Dodds. Granada 1992.
Granada 1995 Arte islámico en Granada.
Propuesta para un Museo de la Alhambra.
Ausstellungskatalog. Granada 1995.
Guesdon – Vernay-Nouri 2001 Marie-
Geneviève Guesdon – Annie Vernay-Nouri,
L’Art du livre arabe: Du manuscript au livre
d’artiste. Paris 2001.
Haldane 1983 Duncan Haldane, Islamic
Bookbindings in the Victoria and Albert
Museum. London 1983.
Hernández 1940 Félix Hernández, »The
Alcazaba of Mérida: 220 H. (835)«. In:
K. A. C. Creswell (ed.), Early Muslim Archi -
tecture: Umayyads, Early ³Abbasids and
Tulunids. Part 2, Early ³Abbasids, Umayyads
of Cordova, Aghlabids, Tulunids and Samanids,
A. D. 751 – 905. Oxford 1940. 197–207.
Herzfeld 1943 Ernst Herzfeld, »Studies in
Architecture II«, Ars Islamica 10 (1943),
13 – 70.
Hillenbrand 1996 Robert Hillenbrand,
»The Iconography of the Shahnama-yi
Shahi«, Pembroke Papers 4 (1996), 53 – 78.
Hillenbrand 2004 Robert Hillenbrand (ed.),
Persian Painting from the Mongols to the
Qajars: Studies in Honour of B. W. Robinson.
London 2000.

Hillenbrand 2002 Robert Hillenbrand,
»The Arts of the Book in Ilkhanid Iran«. In:
Linda Komaroff – Stefano Carboni (eds.),
The Legacy of Genghis Khan. Courtly Art
and Culture in Western Asia, 1256-1353.
New Haven – London: Yale University
Press 2002.
Hillenbrand 2004 Robert Hillenbrand (ed.),
Shahnama: The Visual Language of the
Persian Book of Kings. Aldershot,
England 2004.
Ilyasov 2008 Jangar Ilyasov, »Central Asian
Ceramics in the Collections throughout the
World«, San’at Journal of the Academy of
Arts of Uzbekistan 3-4 (2008), 7 – 9.
Ilyasova – Imamberdyev 2005 Saida
Ilyasova – Rawschan Imamberdyev,
»Eine Sammlung glasierter Keramik aus
Taschkent«, Tribus 54 (2005), 91 – 101.
Ivanov 1996 Anatoly Ivanov, »The
Compiling and Decoration of the Album«.
In: Oleg Akimushkin (ed.), The St. Petersburg
Muraqqa‘: Album of Indian and Persian
Miniatures of the 16 th – 18 th Centuries
and Specimens of Persian Calligraphy of
³Imad al-Hasani. Milano 1996, 20 – 32.
James 1992a David James, The Master
Scribes: Qur’ans of the 10 th to the 14 th
Centuries AD. London 1992.
James 1992b David James, After Timur:
Qur’ans of the 15 th and 16 th Centuries.
London 1992.
Jenkins-Madina 1997 Marilyn Jenkins-
Madina, Katalogeinträge in: Helen Evans –
William Wixom (eds.), The Glory of
Byzantium: Art and Culture of the Middle
Byzantine Era, AD 843 – 1261.
New York 1997, 418 – 421.
Jenkins-Madina 2006 Marilyn Jenkins-
Madina, Raqqa Revisited: Ceramics of
Ayyubid Syria. New York: The Metropolitan
Museum of Art, New Haven – London: Yale
University Press 2006.
Karimzadeh Tabrizi 1990 M. A. Karimzadeh
Tabrizi, The Lives and Art of the Old
Painters of Iran. London 1990.
Kessler 1994 Adam T. Kessler, Empires
beyond the Great Wall: The Heritage of
Genghis Khan. Los Angeles 1994.
Khalili – Robinson – Stanley 1996 – 1997
Nasser D. Khalili – B. W. Robinson – Tim
Stanley, Lacquer of the Islamic Lands.
London 1996 – 1997.
King 1987 David A. King, Islamic Astronomical
Instruments. London 1987.
King 1998 David A. King, »Les instruments
scientifi ques en terres d’Islam«.
In: Sophie Makariou (ed.), L’apparence des
cieux: Astronomie et Astrologie en terre
d’Islam. Paris 1998, 75 – 95.
King 2005 David A. King, In Synchrony
with the Heavens: Studies in Astronomical
Timekeeping and Instrumentation in Mediaeval
Islamic Civilization. Vol. 2, Instruments
of Mass Calculation. Leiden 2005.
Komaroff – Carboni 2002 Linda Komaroff
– Stefano Carboni (eds.), The Legacy of
Genghis Khan: Courtly Art and Culture in
Western Asia, 1256 – 1353. New York 2002.
Kühnel 1960 Ernst Kühnel, »Antike und
Orient als Quellen der spanisch-islamischen
Kunst«. Madrider Mitteilungen 1 (1960),
174 – 181, Taf. 52 – 57.
Kühnel 1971 Ernst Kühnel, Die islamischen
Elfen bein skulpturen, VIII-XIII. Jahrhundert.
Berlin 1971.
Leach 1986 L. Y. Leach, »Painting in
Kashmir from 1600 to 1650«. In: R. Skelton –
A. Topsfi eld – S. Strong – R. Gill (eds.),
Facets of lndian Art. London 1986.
Leach 2004 Linda York Leach, »Pages
from an Akbarnama«. In: Rosemary Grill –
Susan Stronge – Andrew Topsfi eld (eds.),
Arts of Mughal India: Studies in Honour of
Robert Skelton. Ahmedabad, India 2004.
Lentz – Lowry 1989 Thomas Lentz –
Glenn Lowry, Timur and the Princely Vision:
Persian Art and Culture in the Fifteenth
Century. Los Angeles 1989.
Lings – Safadi 1976 Martin Lings – Yasin
Hamid Safadi, The Qur’an. Ausstellungskatalog.
London 1976.
London 1976 The Arts of Islam.
London 1976.
London 2001 N. Pourjavady (ed.),
The Splendour of Iran 3. London 2001.
Lowry – Nemazee 1988 Glenn D.
Lowry – Susan Nemazee, A Jeweler’s Eye:
Islamic Arts of the Book from the Vever
Collection. Washington – London 1988.
Makariou 2001
Sophie Makariou (ed.), L’Orient de Saladin.
Ausstellungskatalog. Paris: Institut du
Monde Arabe 2001.
Makariou 2007
Sophie Makariou, Chefs-d’œuvre islamiques
de l’Aga Khan Museum. Paris 2007.
Martin 1912 Fredrik Robert Martin,
The Miniature Painting – Painters of Persia,
India and Turkey from the Eighth to the
Eighteenth Century, 2 vol. London 1912.
Mayer 1933 L. A. Mayer, Saracenic
Heraldry: A survey. Oxford 1933.
285

Meinecke 1974 Michael Meinecke, »Die
Bedeutung der mamlukischen Heraldik für
die Kunst geschichte«, Zeitschrift der
Deutschen Morgenländischen Gesellschaft
(1974), Suppl. II., XVIII Deutscher
Orientalistentag, Vorträge, 213– 240.
Melikian-Chirvani 1970 Assadullah
Souren Melikian-Chirvani, »Le roman de
Varqé et Golrâh«, Arts Asiatiques XXII
(1970), 1– 262.
Melikian-Chirvani 1982 Assadullah
Souren Melikian-Chirvani, Islamic Metalwork
from the Iranian World 8 th – 18 th Centuries.
London 1982.
Melikian-Chirvani 1985 Assadullah
Souren Melikian-Chirvani, Sulwan al-muta³ fi
³udwan al-atba³: A Rediscovered Masterpiece
of Arab Literature and Painting. Kuwait 1985.
Melikian-Chirvani 1991 Assadullah
Souren Melikian-Chirvani, »From the Royal
Boat to the Beggar’s Bowl«, Islamic Art IV
(1991), 3 – 112.
Melikian-Chirvani 2007 Assadullah Souren
Melikian-Chirvani, Le Chant du monde: L’Art
de l’Iran safavide, 1501 – 1736. Paris 2007.
Minorsky 1959 V. Minorsky (transl.),
Calligraphers and Painters: A Treatise by
Qadi Ahmad, Son of Mir Munshi (circa A.H.
1015 / A.D. 1606). Washington, D.C. 1959.
Müller-Wiener (in Vorber.), Martina
Müller-Wiener, Zwischen Kunst, Technik
und Wissenschaft. Islamische Astrolabien
und Automaten des 9.–13. Jahrhunderts im
Kontext einer höfi schen Objektkultur.
MWNF 2006 Die Mudejar-Kunst. Islamische
Ästhetik in christlicher Kunst. Museum
With No Frontiers, hrsg. v. Eva Schubert.
Tübingen – Berlin 2006.
286
Necipoblu 1993 Gülru Necipoblu,
»Framing the Gaze in Ottoman, Safavid,
and Mughal Palaces«, Ars Orientalis 23
(1993), 303 – 342.
Nelson 2005 Robert S. Nelson, »Letters
and Language / Ornament and Identity in
Byzantium and Islam«. In: Irene A. Bierman
(ed.), The Experience of Islamic Art on the
Margins of Islam. Reading 2005. 61 – 88.
Pope 1938-1939 Arthur U. Pope,
A Survey of Persian Art. London 1938 – 1939.
Raby 1999 Julian Raby, Qajar Portraits.
London – New York 1999.
Richards 1993 John F. Richards, The New
Cambridge History of India. Vol. 1 / 5: The
Mughal Empire. Cambridge: Cambridge
University Press 1993.
Richard 1997 Francis Richard, Splendeurs
persanes. Paris 1997.
Riyadh 1985 The Unity of Islamic Art:
An Exhibition to Inaugurate the Islamic Art
Gallery of the King Faisal Center for
Research and Islamic Studies. Riyadh 1985.
Robinson 1974 Basil W. Robinson, »Two
Persian Manuscripts in the Library of the
Marquess of Bute«, Oriental Art (Spring
1974), 50 – 56.
Robinson 1976a Basil W. Robinson,
»Isma³il II’s Copy of the Shahnama«,
Iran 14 (1976), 1 – 8.
Robinson 1976b Basil W. Robinson,
Rothschild and Binney Collections: Persian
and Mughal Art. London 1976.
Robinson 1988 Basil W. Robinson,
»Ali Asghar, Court Painter«, Iran 26 (1988),
125 – 128.
Robinson 1989 Basil W. Robinson, »Qajar
lacquer«, Muqarnas 6 (1989), 131 – 146.
Robinson 2002 Basil W. Robinson,
The Persian Book of Kings. An Epitome of
the Shahnama of Firdawsi. London 2002.
Rogers 2008 J. Michael Rogers,
The Arts of Islam: Treasures from
the Nasser D. Khalili Collection.
Abu Dhabi 2008.
Roxburgh 1998 David J. Roxburgh,
»Disorderly Conduct?: F. R. Martin and
the Bahram Mirza Album«, Muqarnas 15
(1998), 32 – 57.
Roxburgh 2005 David J. Roxburgh,
The Persian Album, 1400 – 1600,
From Dispersal to Collection.
New Haven: Yale University Press 2005.
Safwat – Zakariya 1996 Nabil Safwat –
Mohamed Zakariya, The Art of the Pen:
Cal ligraphy of the 14 th to 20 th Centuries.
Oxford 1996.
Sezgin 2003 Fuat Sezgin, Wissenschaft und
Technik im Islam. Katalog der Instrumentensammlung
des Institutes für Geschichte der
Arabisch-Islamischen Wissenschaften Bd. 4:
7. Medizin, 8. Chemie, 9. Mineralien.
Frankfurt am Main 2003.
Simpson 1979 Marianna S. Simpson,
The Illustrations of an Epic: The Earliest
Shahnama Manuscripts. New York 1979.
Simpson 1982 Marianna Shreve Simpson,
The Pattern of Early Shahnama Illustration«,
Studia Artium Orientalis et Occidentalis 1
(1982), 43 – 53.

Simpson 2002 Marianna Shreve Simpson,
»A Recon struction and Preliminary Account
of the 1341 Shahnama«. In: R. Hillenbrand
(ed.), Persian Painting from the Mongols
to the Qajars: Studies in honour of Basil W.
Robinson. London – New York: I.B. Tauris
2000. 217–247.
Sims 2002 Eleanor Sims, Peerless Images:
Persian Paintings and its Sources.
New Haven – London 2002.
Soucek 2006 Priscilla Soucek, »The Visual
Language of Qajar Medals«. In: Doris Beh -
rens-Abouseif – Stephen Vernoit (eds.), Islamic
Art in the 19 th Century. Leiden 2006.
305 – 332.
Soudavar 1992 Abolala Soudavar, Art of
the Persian Courts: Selections from the Art
and History Trust Collection. New York 1992.
Stanley 1995 Tim Stanley, The Qur’an and
Calligraphy: A Selection of Fine Manuscript
Material. London 1995.
Stanley 2003 Tim Stanley, »The Rise of
Lacquer Binding«. In: Jon Thompson –
Sheila Canby (eds.), Hunt for Paradise:
Court Arts of Safavid Iran, 1501 – 1576.
New York 2003. 185 – 201.
Stchouckine 1935 Ivan Stchoukine,
»Portraits Moghols, IV. La Collection du
Baron Maurice de Rothschild«, Revue des
arts asiatiques 9 / 4 (1935), 190 – 208.
Terrasse 1932 Henri Terrasse, L’art
hispano-mauresque des origines au XIIIe
siècle. Publications del’Institut des Hautes
Études Marocaines, 25. Paris 1932.
Thompson – Canby 2003 Jon Thompson
– Sheila Canby (eds.), Hunt for Paradise:
Court Arts of Safavid Iran, 1501 – 1576.
New York 2003.
Tokyo 1980 The World of Persian Pottery,
Gluck Collection. Tokyo 1980.
Wasserstein 1985 David Wasserstein,
The Rise and Fall of the Party-Kings: Politics
and Society in Islamic Spain, 1002 – 1086.
Princeton, N. J. 1985.
Watson 2004 Oliver Watson, Ceramics
from Islamic Lands. London 2004.
Welch 1963 Stuart C. Welch, »Mughal
and Deccani Miniature Paintings from a
Private Collection«, Ars Orientalis 5 (1963),
221 fi g. 17.
Welch 1972a Anthony Welch, Collection
of Islamic Art: Prince Sadruddin Aga Khan,
vol. 1. Geneva 1972.
Welch 1972b Anthony Welch, Collection
of Islamic Art: Prince Sadruddin Aga Khan,
vol. 2. Geneva 1972.
Welch 1973 Anthony Welch, Shah ³Abbas
and the Arts of Isfahan. New York 1973.
Welch 1976a Anthony Welch, Artists for
the Shah: Late Sixteenth-Century Painting at
the Imperial Court of Iran. London 1976.
Welch 1976b Stuart Cary Welch, Persische
Buchmalerei. München 1976.
Welch 1978a Anthony Welch, Collection
of Islamic Art: Prince Sadruddin Aga Khan,
vol. 3. Geneva 1978.
Welch 1978b Anthony Welch, Collection
of Islamic Art: Prince Sadruddin Aga Khan,
vol. 4. Geneva 1978.
Welch 1979a Anthony Welch, Calligraphy
in the Arts of the Muslim World.
New York 1979.
Welch 1979b Stuart Cary Welch,
Wonders of the Age: Masterpieces of
Early Safavid Painting 1501 – 1576.
Cambridge, Mass. 1979.
Welch 1985 Stuart Cary Welch, India:
Art and Culture 1300 – 1900. New York:
The Metropolitan Museum of Art 1985.
Welch – Welch 1982 Anthony Welch –
Stuart Cary Welch, Arts of the Islamic Book:
The Collection of Prince Sadruddin Aga Khan.
London 1982.
Welch – Schimmel – Swietochowski –
Thackston 1985 Stuart Cary Welch – Annemarie
Schimmel – M. L. Swietochowski –
W. M. Thackston, The Emperor’s Album:
Images of Mughal India. New York 1985.
Wiedemann 1918 Eilhard Wiedemann,
»Über Schalen, die beim Aderlaß verwendet
werden, und Waschgefäße nach Gazarî«.
Archiv für Geschichte der Medizin 11 (1918),
22 – 43. Nachdr. E. Wiedemann, Gesammelte
Schriften zur arabisch-islamischen Wissenschaftsgeschichte
Bd. III. Institut für
Geschichte der Arabisch-Islamischen
Wissenschaften. Frankfurt am Main 2003.
1607 – 1628.
Wood 2002 Wood, Barry David,
The Shahnama-i Isma’il: Art and Cultural
Memory in Sixteenth-Century Iran.
Ph. D. diss. Harvard University 2002.
Wright 1977 Sir Denis Wright,
The English amongst the Persians during the
Qajar Period 1787 – 1921. London 1977.
Zebrowski 1983 Mark Zebrowski,
Deccani Painting. London: Sotheby
Publications; Berkeley – Los Angeles:
University of California Press 1983.
287

Verena Daiber ist Dozentin für Arabisch und islamische Kunstgeschichte
an der Universität Bamberg mit den Forschungsschwerpunkten
Architektur, Keramik und Handschriften. Von 2002 bis
2005 war sie Mitarbeiterin des Deutschen Archäologischen Instituts,
Außenstelle Damaskus. Sie publizierte u. a. eine Studie zur
Keramik aus Baalbek und Beiträge für den Ausstellungszyklus
»Islamische Kunst im Mittelmeerraum« von Museum Ohne Grenzen
(MWNF). Demnächst erscheint ihre Dissertation Damaskus:
Bautradition und Notablenpolitik in der öffentlichen Architektur
des 18. Jahrhunderts und das Erdbeben von 1759.
Benoît Junod ist Anwalt und war Schweizer Diplomat, bis er sich
auf bildende Kunst und Kulturmanagement spezialisierte. Als Berater
des Aga Khan Trust for Culture und seit 2008 als Direktor
der Abteilung Museen und Ausstellungen zeichnet er für die Koordinierung
und Entwicklung des Aga-Khan-Museum-Projektes
verantwortlich. Er kuratierte den Großteil der Aga-Khan-Ausstellungen
in Europa.

Prinz Karim Aga Khan IV. besitzt eine der bedeutendsten und kostbarsten
Kollektionen islamischer Kunst.
Dieser Band präsentiert über 200 Meisterwerke der wertvollen Sammlung mit
großformatigen prachtvollen Abbildungen, die von Essays und Kommentaren
fachkundiger Autoren begleitet werden. Illuminierte Manuskripte, kostbare
Miniaturen, prächtig dekorierte Keramikobjekte sowie Holz- und Metallarbeiten
dokumentieren den Reichtum und die außergewöhnliche Vielfalt des
islamisch geprägten Kulturraumes und seiner Geschichte.
ISBN 978-3-89479-603-7
9 783894 796037