Fuhrer, Stephan - Prof. Dr. Stephan Fuhrer
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Der Abschluss des Versicherungsvertrages nach dem Entwurf zur Totalrevision des VVG<br />
Der Vorschlag wurde in geschlechtsneutraler Formulierung vom Bundesrat<br />
übernommen (Art. 4 E-VVG). Art. 5 E-VVG (halbzwingend) sieht daran anschliessend<br />
vor, dass der Versicherer seinen Antrag zu befristen hat, wobei<br />
die Frist bei Anträgen an Konsumenten mindestens drei Wochen betragen<br />
muss. Eine Bestimmung zur Bindung des Versicherungsnehmers an seinen<br />
Antrag wurde nicht mehr aufgenommen.<br />
Geht der Antrag vom Versicherer aus, so ändert sich nicht viel. Dass er<br />
seinen Antrag befristen muss, entspricht bereits heute gängiger Praxis. Die<br />
Versicherer befristen – wohl nicht ausnahmslos, aber mehrheitlich – bereits<br />
heute ihre Offerten. Die Änderung des Gesetzes verursacht für diesen Fall<br />
somit keine Probleme.<br />
Von Interesse und Gegenstand der weiteren Ausführungen ist der immer<br />
noch häufigere Fall der Antragstellung durch den Versicherungsnehmer.<br />
Diesbezüglich sollen neu ausschliesslich die Bestimmungen des OR gelten.<br />
Diese unterscheiden zwischen Anträgen unter An- und solchen unter Abwesenden.<br />
A. Anträge unter Anwesenden<br />
Stellt der Versicherungsnehmer seinen Antrag in Anwesenheit des Versicherers,<br />
so muss Letzterer den Antrag sofort annehmen, andernfalls ist der Antragsteller<br />
nicht weiter gebunden (Art. 4 Abs. 1 OR). Damit besteht jederzeit<br />
und für beide Parteien Klarheit darüber, ob ein Vertrag zustande gekommen<br />
ist oder nicht. Für diesen Fall schafft somit das neue Recht keine Probleme.<br />
Diese Konstellation ist aber eher selten: Sie kommt im Wesentlichen dann<br />
vor, wenn der Versicherer durch einen Agenten mit Abschlussvollmacht vertreten<br />
wird sowie beim Verkauf per Telefon.<br />
Die altrechtliche Unterscheidung zwischen Abschluss- und Vermittlungsagent<br />
nach Art. 34 a-VVG hätte eigentlich mit der Teilrevision 2004 aufgehoben<br />
werden sollen 9 . Da mit der Revision aber keine neue Bestimmung zur<br />
8 Dies gilt selbstverständlich bereits de lege lata. Da allerdings Art. 1 VVG nur von der<br />
Bindung des Versicherungsnehmers spricht, wird hin und wieder zu Unrecht behauptet,<br />
beim Versicherungsvertrag müsse der Antrag immer vom Versicherungsnehmer gestellt<br />
werden (so wird der Vertragsabschluss z.B. den Lehrlingen im offiziellen Lehrbuch des<br />
Berufsbildungsverbandes erklärt [HIRT THOMAS / BAUMANN ROBERT: Kunde und<br />
Versicherung, insurance@work, Zürich 2004, 115]; auch die ältere juristische Literatur geht<br />
im Grundsatz davon aus, lässt aber immerhin exotische Ausnahmen [genannt wird immer<br />
wieder die Automatenversicherung] zu; z.B. schreibt MAURER in seinem Lehrbuch<br />
[Schweizerisches Privatversicherungsrecht, 3. Auflage, Bern 1995, 214], dass regelmässig<br />
der Versicherungsinteressent und nicht der Versicherer Antragsteller sei). Die Kommission<br />
sah sich deshalb veranlasst, mit Art. 1 Abs. 1 VE-ExpK klarzustellen, dass beide<br />
Parteien als Antragsteller auftreten können.<br />
9 Botschaft vom 9.5.2003 zu einem Gesetz betreffend die Aufsicht über Versicherungsunternehmen<br />
(Versicherungsaufsichtsgesetz, VAG) und zur Änderung des Bundesgesetzes<br />
über den Versicherungsvertrag, BBl 2003, 3789, 3857.<br />
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