Prozesswasserbehandlung – notwendiges Übel ... - Die Wasserlinse
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4 <strong>Die</strong> <strong>Wasserlinse</strong> 2/2005<br />
<strong>Prozesswasserbehandlung</strong> <strong>–</strong> <strong>notwendiges</strong><br />
<strong>Übel</strong> oder kostengünstige Alternative?<br />
<strong>Die</strong> getrennte <strong>Prozesswasserbehandlung</strong> wird immer öfter als<br />
alternativer und kostengünstiger Weg gegenüber dem Ausbau/<br />
der Erweiterung der gesamten Kläranlage gesehen um den geforderten<br />
Grenzwert an Gesamt N sicher einzuhalten. Welche<br />
Möglichkeiten bietet die <strong>Prozesswasserbehandlung</strong>? Welche Verfahren<br />
sind möglich? Was ist sinnvoll? Was nicht? Wie steht es<br />
um die Kosten einer solchen <strong>Prozesswasserbehandlung</strong>? Wie aufwändig<br />
ist der Betrieb einer solchen Anlage? Der folgende Artikel<br />
beschäftigt sich mit der Behandlung von Prozessabwässern,<br />
wie sie im Kläranlagenbetrieb als Schlammwasser/Trübwasser/<br />
Überstandswasser aus der statischen Eindickung, Filtrate, Zentrate<br />
oder Dekantate aus der Schlammentwässerung, sowie Brüden<br />
aus der Schlammtrocknung entstehen.<br />
Durch die anaerobe Behandlung von<br />
Primär- und Sekundärschlämmen,<br />
deren Entwässerung und Trocknung<br />
entstehen Abwässer, sog. Prozesswässer,<br />
mit hohen Ammoniumkonzentrationen<br />
(Konzentrationen von weit über<br />
500 mg/l NH4-N sind üblich, Werte<br />
um 1.000 mg/l NH4-N sind normal).<br />
<strong>Die</strong>se Abwässer können 15 - 30 %<br />
der gesamten Fracht an Gesamt-N<br />
betragen.<br />
In vielen Fällen findet die Schlammentwässerung<br />
nicht kontinuierlich im<br />
7d/24h Zyklus statt, sondern nur<br />
während der normalen <strong>Die</strong>nstzeiten,<br />
also maximal 5d/8h.<br />
Wird die Schlammentwässerung also<br />
nicht kontinuierlich betrieben, sondern<br />
nur während der Betriebszeiten, verschiebt<br />
sich das Gesamt N-Verhältnis<br />
deutlich hin zum Prozesswasser und<br />
es entsteht während der Betriebs-/<br />
Entwässerungszeiten ein deutlicher<br />
Anstieg der Gesamt-N Zulauffracht.<br />
Ungeregelter Zulauf der<br />
Prozesswässer<br />
<strong>Die</strong>s führt im Allgemeinen zu Grenzwertüberschreitungen,<br />
bzw. großen<br />
Problemen im Klärwerksbetrieb (Blähschlamm,<br />
Dominanz von fadenförmigen<br />
Bakterien, O 2-Defizite, Geruchsbelästigung<br />
usw.).<br />
Eine mögliche einfache Alternative<br />
stellt die "Bewirtschaftung" des Prozesswassers<br />
dar. Hierbei werden die<br />
anfallenden Prozesswässer in einem<br />
Stapelbehälter gespeichert und dem<br />
Kläranlagenzulauf verteilt über 24 h<br />
zugegeben. <strong>Die</strong>ser Betriebszustand ist<br />
mit den Klärwerken vergleichbar die<br />
ihre Schlammentwässerung über 24<br />
Stunden / 7 Tage betreiben.<br />
Vergleichsmäßigung über 24 h<br />
<strong>Die</strong>se Verfahrensvariante reduziert die<br />
bestehenden Probleme nur, beseitigt<br />
sie aber nicht. Durch das ungünstige<br />
C-N Verhältnis besonders in den<br />
Nachtstunden und am Wochenende<br />
("dünnes" Abwasser) ist die Denitrifikation<br />
aufgrund des fehlenden Substrates<br />
ungenügend.
<strong>Die</strong>sem Phänomen kann man gezielt<br />
durch die Installation einer CSB-<br />
Online-Messung und einer dementsprechenden<br />
frachtabhängigen Dosierung<br />
des Prozesswassers entgegenwirken.<br />
Zusätzliche Zugabe von ext.<br />
C - Quelle<br />
Oftmals reicht der im Rohabwasser<br />
verfügbare Kohlenstoff aber trotz<br />
einer noch so intelligenten Onlinemessung-<br />
und Steuerung nicht aus,<br />
um die Denitrifikation mit dem nötigen<br />
Substrat (CSB) zu versorgen. <strong>Die</strong><br />
Folge ist eine unvollständige Denitrifikation<br />
und u. U. eine Nichteinhaltung<br />
des geforderten Grenzwertes für<br />
Gesamt-N. Eine mögliche Lösung<br />
wäre eine gezielte Dosierung einer<br />
externen C-Quelle (z.B. Essigsäure<br />
oder Methanol) um in Schwachlastzeiten<br />
der CSB-Unterversorgung der<br />
Denitrifikation entgegenzuwirken.<br />
Neben dem zusätzlichen Schlammwachstum/<br />
-anfall, dessen Behandlung<br />
und Entsorgung sind auch die<br />
Chemikalienkosten für die externe Kohlenstoffquelle<br />
nicht zu unterschätzen.<br />
Spätestens jetzt muss die Frage über<br />
den Sinn einer separaten <strong>Prozesswasserbehandlung</strong><br />
gestellt werden.<br />
Grundsätzlich werden die Verfahren<br />
zur <strong>Prozesswasserbehandlung</strong> in drei<br />
große Gruppen unterteilt.<br />
Zum einem die chemisch-physikalischen<br />
Verfahren, den sog. Austreibeverfahren<br />
(Luft- oder Dampfstrippung).<br />
Zum anderen die biologischen Verfahren,<br />
die sich in weitere Untergruppen<br />
Unterteilen lassen:<br />
Biofilmverfahren wie z.B. Festbettreaktoren,<br />
Belebungsverfahren mit fixiertem<br />
bzw. suspendiertem Trägermaterial<br />
(z.B. Terra-N/D-Verfahren), oder<br />
mit suspendierter Biomasse (SBR-Systeme),<br />
sowie weitere teilweise kombinierte<br />
Verfahren. Außerdem unterscheidet<br />
man zwischen kontinuierlichen<br />
und diskontinuierlichen Verfahren.<br />
<strong>Die</strong> dritte Übergruppe, die chemische<br />
Behandlung (z.B.: MAP-Fällung) spielt<br />
in der Abwasserbehandlung zur heutigen<br />
Zeit sowohl aus wirtschaftlichen<br />
als auch aus verfahrenstechnischen<br />
Gründen eine geringe bis keine Bedeutung<br />
und wird deshalb hier nur<br />
der Vollständigkeit halber erwähnt.<br />
Bei den chemisch-physikalischen-Verfahren<br />
wird das Prozesswasser in der<br />
Regel einer Vorbehandlung unterzogen.<br />
Im ersten Schritt müssen Feststoffe<br />
und organische Verbindungen<br />
entfernt werden, danach wird der geeignete<br />
pH-Wert durch Zugabe von<br />
Kalkmilch oder Natronlauge einge-<br />
stellt. <strong>Die</strong> eigentliche Entfernung des<br />
Stickstoffs geschieht über sog. Füllkörperkolonnen,<br />
über die das vorbehandelte<br />
Prozesswasser verrieselt wird<br />
und im Gegenstrom mit Luft oder<br />
Dampf begast wird. Bei diesem Vorgang<br />
wird der Ammoniumstickstoff<br />
aus dem Prozesswasser als Ammoniak<br />
im Abgas gelöst. Das Abgas wird je<br />
nach Verfahren in mehreren Schritten<br />
gereinigt.<br />
Bei der Luftstrippung wird das Abgas<br />
über eine saure Wäsche mit Schwefelsäure<br />
gereinigt, das gereinigte Gas<br />
wird im Kreislauf erneut der Strippkolonne<br />
zugeführt. Als Endprodukt entsteht<br />
Ammoniaksulfat.<br />
Bei der Dampfstrippung wird eine Aufkonzentrierung<br />
des Ammoniaks durch<br />
Brüdenkondensation und Teilrückführung<br />
in die Strippkolonne erreicht.<br />
Das Endprodukt ist Ammoniakwasser.<br />
Bei den chemisch-physikalischen Verfahren<br />
ist der apparative Aufwand <strong>–</strong><br />
und dadurch die Investitionskosten <strong>–</strong><br />
nicht unerheblich. Ebenfalls muss bedacht<br />
werden, dass der Einsatz der<br />
Chemikalien (Kalkmilch, bzw. Natronlauge<br />
und Schwefelsäure) den<br />
Schwankungen des Marktes unterliegt<br />
und hier erhebliche Kostensteigerungen<br />
auf der Betriebsmittelseite<br />
möglich sind. Auch die energetische<br />
Seite, besonders bei der Dampfstrippung,<br />
muss berücksichtigt werden.<br />
<strong>Die</strong> Entsorgung des Endproduktes<br />
(Ammoniaksulfat oder Ammoniakwasser)<br />
kann unter Umständen auch<br />
eine sehr kostenintensive Position sein,<br />
bzw. werden. <strong>Die</strong> bei der Vorbehandlung<br />
anfallenden Schlämme müssen<br />
ebenfalls entsorgt werden. Auch muss<br />
man erwähnen, dass es sich bei den<br />
Austreibeverfahren um ein <strong>–</strong> für den<br />
Kläranlagenbetreiber <strong>–</strong> neues Verfahren<br />
handelt, deren Regelparameter<br />
und Verfahrenstechnik nicht viel mit<br />
den auf der Kläranlage bekannten<br />
Techniken zu tun haben.<br />
Strippung mit saurer Wäsche<br />
<strong>Die</strong> biologischen Verfahren unterscheiden<br />
sich im Grunde nur durch<br />
verfahrens- bzw. anlagentechnische<br />
Unterschiede, primär kommen in<br />
allen derzeit großtechnisch laufenden<br />
Verfahren die selben biologischen<br />
Prozesse zur Geltung. Zum einen die<br />
Nitrifikation, zum anderen die Denitrifikation.<br />
Aufgrund der speziellen Zusammensetzung<br />
der Prozesswässer wie zum<br />
Beispiel:<br />
der hohe Stickstoffanteil,<br />
der geringe biologisch<br />
verfügbare Kohlenstoff (schlechtes<br />
C-N-Verhältnis),<br />
der zum Teil hohe pH-Wert<br />
(bei Eisen-Kalk-Konditionierung<br />
auf der Kammerfilterpresse),<br />
die im Verhältnis zur Stickstoffbelastung<br />
geringe Säurekapazität<br />
die höheren Temperaturen<br />
erfordert die Behandlung dieser<br />
Prozesswässer spezielle Verfahren die<br />
eine Reinigung gewährleisten.<br />
Eines der primären Probleme stellt<br />
die auf Grund der hohen Konzentration<br />
an Stickstoff vorzuhaltenden Nitrifikanten<br />
dar. <strong>Die</strong> Nitrifikanten sind<br />
Flockenbewohner und siedeln sich<br />
in einer normalen Belebungsbiologie<br />
auf den Flocken an. In der Nitrifikation<br />
einer Prozesswasserbelebung fehlen<br />
die flockenbildenden Bakterien<br />
jedoch völlig, das heißt die nitrifizierenden<br />
Bakterien werden mit der Zeit<br />
ausgeschwemmt und die Nitrifikationsleistung<br />
bricht völlig zusammen.<br />
Um dem entgegenzuwirken und die<br />
Nitrifikanten im System zurückzuhalten,<br />
sind folgende Verfahren zum<br />
heutigen Zeitpunkt in der Erprobung<br />
bzw. im großtechnischen Einsatz:<br />
Belebungsverfahren mit suspendiertem<br />
oder fixiertem Trägermaterial (z.B.<br />
Terra-N/D-Verfahren), Membranfilteranlagen<br />
und als Vertreter der diskontinuierlichen<br />
Verfahrensweise die SBR-<br />
Anlagen, auch die Festbettanlagen<br />
müssen erwähnt werden.<br />
Weiter muss zwischen kombinierten<br />
und getrennten Verfahren differenziert<br />
werden. Bei kombinierten Verfahren<br />
findet sowohl die Nitrifikation als auch<br />
die Denitrifikation im selben Bioreaktor<br />
statt. Bei getrennten Verfahren<br />
wird die Nitrifikation räumlich getrennt<br />
von der Denitrifikation betrieben (z.B.<br />
Terra-N/D-Verfahren).<br />
Terra-N/D - Verfahren<br />
(getrenntes Verfahren mit suspendiertem<br />
Trägermaterial)<br />
Ein Vorteil der getrennten Fahrweise<br />
stellt eine mögliche höhere Raumbelastung<br />
des Bioreaktors (Biozinöse<br />
mit "Spezialisten") und eine an die<br />
Kläranlage angepasste Fahrweise (z.B.<br />
Außerbetriebnahme der Denitrifikation<br />
in den Wintermonaten) und / oder<br />
die gezielte Nitritation (=Nitrifizierung<br />
nur zum Nitrit Kostenreduzierung<br />
an Strom für Belüftung und in der<br />
anschl. Denitrifikation Einsparung bei<br />
der C-Quelle) dar.<br />
Nitrifikation:<br />
NH 4 + + 2 O2<br />
NO 3 - + 2 H + + H2 O<br />
Im Vergleich hierzu die Nitritation:<br />
NH 4 + + 1½ O2<br />
NO 2 - + 2 H + + H2 O<br />
(summarisch dargestellte Reaktionsgleichungen)<br />
Der Abnahme der Säurekapazität<br />
während der Nitrifikation/Nitritation<br />
(Entstehung von H +-Ionen) muss<br />
mit pH-Stabilisierung durch Kalkmilch<br />
oder Natronlauge entgegengewirkt<br />
werden. Bei der Nitritation<br />
entsteht ca. 1/3 weniger H +, d.h. es<br />
muss weniger Natronlauge, bzw. Kalkmilch<br />
zudosiert werden. Bei kombinierten<br />
Verfahren mit Denitrifikation<br />
senkt sich der Verbrauch an Kalkmilch,<br />
bzw. Natronlauge deutlich, da die bei<br />
der Denitrifikation gewonnene Säurekapazität<br />
deren Abnahme bei der<br />
Nitrifikation entgegenwirkt (H + -Verbrauch).<br />
Sollte im vorrausgegangenen<br />
Schritt die Oxidation nur bis zum<br />
Nitrit (Nitratation) erfolgt sein, verringert<br />
sich in der Denitrifikation der<br />
Verbrauch an Kohlenstoff ungefähr<br />
um ein Drittel.<br />
Denitrifikation:<br />
4 NO 3 - + 5 C + 4 H +<br />
Denitritation:<br />
6 NO 2 - + 5 C + 4 H +<br />
2 N 2 + 5 CO 2 + 2 H 2 O<br />
3 N 2 + 5 CO 2 + 2 H 2 O<br />
(summarisch dargestellte Reaktionsgleichungen)<br />
Bei getrennten Verfahren kann durch<br />
geschickte Verfahrenstechnik (z.B.<br />
Rückführung des denitrifizierten Prozesswassers<br />
in den Zulauf der Nitrifikation)<br />
der Verbrauch an Kalkmilch<br />
oder Natronlauge ebenfalls deutlich<br />
gesenkt werden.<br />
Bei beiden Verfahren, der getrennten<br />
und kombinierten Behandlung der<br />
Prozesswässer muss eine externe C-<br />
Quelle zur Denitrifikation zugegeben<br />
werden, da der Kohlenstoff aus dem<br />
Prozesswasser biologisch nur schwer<br />
verfügbar ist und zudem in seiner<br />
Konzentration zu gering ist.<br />
Grundsätzlich kann gesagt werden,<br />
je vielfältiger eine Prozesswasseranlage<br />
betrieben werden kann, um so<br />
größer sind die Vorteile sowohl wirtschaftlich,<br />
als auch verfahrentechnisch<br />
für den sicheren und stabilen<br />
Betrieb der Kläranlage. <strong>Die</strong> Kosten<br />
einer biologischen <strong>Prozesswasserbehandlung</strong><br />
sind sehr stark von den örtlich<br />
vorhandenen Gegebenheiten auf<br />
dem Klärwerk abhängig. Können zum<br />
Beispiel vorhandene ungenützte, bzw.<br />
leerstehende Beckenvolumina für die<br />
<strong>Prozesswasserbehandlung</strong> genutzt<br />
werden, so reduzieren sich die Investitionskosten<br />
deutlich. Ist nur ein Defizit<br />
bei der Nitrifikation auf dem<br />
Klärwerk vorhanden, so können die<br />
Prozesswässer im ersten Teilschritt in<br />
einer Prozesswassernitrifikation behandelt<br />
werden und im zweiten Schritt der<br />
Hauptstromdenitrifikation zugegeben<br />
werden <strong>–</strong> dies spart Investitions- und<br />
Betriebskosten. Ebenfalls können örtlich<br />
anfallende Reststoffe wie zum Beispiel<br />
Abwässer mit hohen CSB Gehalten<br />
z.B. aus der Lebensmittelindustrie<br />
als C-Quelle für die Denitrifikation<br />
genutzt werden. Saubere "Abfalllaugen"<br />
können zur pH-Stabilisierung<br />
der Nitrifikation verwendet werden.<br />
Lesen Sie in der nächsten<br />
Ausgabe zu diesem Thema:<br />
Pfiffiges kostengünstiges<br />
Konzept der Prozesswas-<br />
serbehandlung auf die je-<br />
weiligen Bedürfnisse der<br />
Kläranlage zugeschnitten<br />
Autor:<br />
Projektleiter N-Verfahren<br />
Andreas Zacherl<br />
SÜD-CHEMIE AG<br />
Abwasserbehandlung und Anlagentechnik<br />
Ostenriederstr. 15<br />
D-85368 Moosburg<br />
Tel.: +49 (0)8761/82-612<br />
Fax.: +49 (0)8761/82-633<br />
Em@il: andreas.zacherl@sud-chemie.com<br />
www.sud-chemie.com<br />
2/2005 <strong>Die</strong> <strong>Wasserlinse</strong> 5