METAL MIRROR #46 - Metal und Humor, JBO, Grailknights ...
METAL MIRROR #46 - Metal und Humor, JBO, Grailknights ...
METAL MIRROR #46 - Metal und Humor, JBO, Grailknights ...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
ENSLAVED haben das besondere Talent, <strong>Metal</strong>-<br />
Fans aller Genres anzusprechen. Musikkenner wis-<br />
sen die großartigen Klänge der norwegischen Band<br />
zu schätzen. Ihr neuester Output „Axioma Ethica<br />
Odini“ ist im Gegensatz zu seinem Vorgänger „Ver-<br />
tebrae“ wieder ein Tick böser geworden. Und auch<br />
hinter dem Titel verbirgt sich wieder einmal ein<br />
großes Konzept, das uns Gitarrist Ivar gerne vor-<br />
stellen möchte.<br />
Das Hier unD Jetzt ÄnDern<br />
Text: Jenny Bombeck | Foto: Enslaved<br />
Auch Musiker führen ein Leben, das nicht immer<br />
aus Sex, Drugs and Rock‘n‘Roll besteht. Gitarrist<br />
Ivar Bjørnson sitzt noch im Meeting <strong>und</strong> so<br />
muss erst einmal das Interview eine St<strong>und</strong>e nach<br />
hinten verschoben werden. Aber ein Profi lässt sich hinterher<br />
nichts anmerken. Ivar macht am Telefon einen entspannten<br />
Eindruck, während er Enslaveds neuestes poetisches Werk<br />
vorstellt. Das Wort ‚poetisch‘ tritt während des Gesprächs<br />
öfter auf. Und jeder, der sich einmal die Zeit genommen hat,<br />
um die Lyrics der Band genauer zu studieren, wird diese Bezeichnung<br />
nachvollziehen können. Auf plakatives Phrasengedresche<br />
wird man bei dieser Band nicht stoßen. Die Truppe<br />
präferiert Konzeptalben, die zwar keine Geschichten erzählen,<br />
aber dennoch einen roten Faden in Form eines Überthe-<br />
mas haben. Auch dieses Mal haben sich Ivar <strong>und</strong> Sänger <strong>und</strong><br />
Bassist Grutle Kjellson Gedanken gemacht. Hinter „Axioma<br />
Ethica Odini“ verbirgt sich ein philosophisches Buch, das<br />
Ivar bereits selber gelesen hat <strong>und</strong> ihnen als Inspirationsquelle<br />
diente.<br />
Ratschläge statt Gebote<br />
„Das Buch heißt ‚Ethica Odini‘ <strong>und</strong> gehört mit zu den zentralen<br />
Veröffentlichungen, wenn es um den Bereich der Philosophie<br />
geht. Es beinhaltet die Ethik Odins sowie die der<br />
Wikingerära. Das Buch wurde später von Mönchen übersetzt,<br />
sodass diese Literatur mittlerweile weltweit bekannt ist. Ich<br />
habe es bereits auch selber in verschiedenen Sprachen gelesen.<br />
Es ist nicht das längste Buch <strong>und</strong> besteht aus ein paar<br />
h<strong>und</strong>ert Versen, die recht poetisch gehalten sind. Wir haben<br />
das Werk schließlich mit dem Wort Axiom verb<strong>und</strong>en, das<br />
ein wissenschaftlicher Begriff für die absolute Wahrheit ist“,<br />
erklärt der bärtige Norweger.<br />
Der Kontrast zwischen der natürlichen Ethik <strong>und</strong> der die<br />
von Menschen gemacht wurde, zieht sich durch das gesamte<br />
Album. Manche Songs haben einen direkten Bezug auf einige<br />
Verse, andere wiederum seien einfach generell davon inspiriert.<br />
Ivar betont bei dieser Beschreibung noch einmal, dass<br />
sich dieses Buch von anderen religiösen Texten unterscheide,<br />
indem es keine Ge- <strong>und</strong> Verbote aufstellt, wie es so oft<br />
die christliche, muslimische oder jüdische Religion mache.<br />
„Ethica Odini“ gebe eher Ratschläge <strong>und</strong> zeige Beispiele auf,<br />
die dem Menschen helfen sollen.<br />
Bei einer derartigen Komplexität der Texte fragt man sich,<br />
ob eine einzelne Person dies allein bewältigen kann. Hierbei<br />
stellt sich heraus, dass sich Ivar <strong>und</strong> Grutle die Arbeit aufteilen<br />
<strong>und</strong> gemeinsam an den Texten feilen <strong>und</strong> auch gerne die<br />
ein oder andere ergiebige Diskussion darüber führen. „Wir<br />
kreieren für jedes Album ein kleines, eigenes Universum, in<br />
dem die Songs eine Verbindung haben. Diese Art zu schreiben,<br />
ist für mich als Songwriter sehr inspirierend. Ein Universum<br />
zu erschaffen, gibt mir <strong>und</strong> dem Album das Gefühl,<br />
eine Geschichte von Wert geschaffen zu haben“, erklärt Ivar.<br />
Der Text des Songs „Singular“ beschäftigt sich beispielsweise<br />
mit der Frage nach der Individualität innerhalb einer<br />
Gruppe oder Gesellschaft. Viele moderne Menschen in der<br />
westlichen Welt haben Angst davor alleine dazustehen. Ivar<br />
klärt dies folgendermaßen: „Es gibt viele Menschen, die<br />
Angst davor haben, nicht dazuzugehören. Einige gehen so<br />
weit, dass sie ihre eigene Persönlichkeit dafür aufgeben. Jeder<br />
will in der Öffentlichkeit stehen. Heutzutage sammelt jeder<br />
sogenannte Fre<strong>und</strong>e auf Social-Media-Plattformen. Da bleibt<br />
die Frage offen, ob man überhaupt noch die Zeit findet, sich<br />
selber weiterzuentwickeln oder ob man wirklich weiß, wer<br />
man ist, wenn all meine Gedanken auf die von anderen Menschen<br />
beruhen <strong>und</strong> von der Öffentlichkeit beeinflusst sind.<br />
Ein gutes Beispiel hierfür sind Jugendliche, die psychische<br />
Probleme bekommen, weil sie nicht genügend Fre<strong>und</strong>e auf<br />
Facebook sammeln <strong>und</strong> somit nicht beliebt genug erscheinen.<br />
Man muss nicht die Meinung anderer übernehmen, um ein<br />
wertvoller Mensch zu sein.“<br />
Eine unendliche Geschichte<br />
Wenn man den Verlauf der Albenveröffentlichungen näher<br />
betrachtet, so fällt einem auf, dass sich Enslaved mit<br />
der Zeit aus textlicher Sicht immer weiter von der populären<br />
Viking-Szene entfernt haben. Ivar erklärt, dass dies aber<br />
kein bewusster Schritt gewesen sei. Sie hätten mit der Zeit<br />
herausgef<strong>und</strong>en, dass es ihnen persönlich mehr liegt, wenn<br />
sie die Nordische Mythologie aus einem anderen Blickwinkel<br />
betrachten. Über Wikingerkämpfe zu schreiben, sei nur ein<br />
kleines Fragment dieser Szene. Außerdem habe er das Gefühl,<br />
dass nur die mittelalterliche Zeit des Heidentums genauer<br />
betrachtet werde. Für Enslaved ist das Heidentum eine<br />
unendliche Geschichte, die aus philosophischer <strong>und</strong> psychologischer<br />
Sicht erk<strong>und</strong>et werden kann. Außerdem kritisiert er,<br />
dass die Pagan-Szene eigentlich gar nichts verändern möchte.<br />
Sie flüchtet lediglich <strong>und</strong> kreiert ihre eigene Phantasiewelt,<br />
die mit der Realität nicht viel am Hut habe. Enslaved hingegen<br />
haben sich dazu entschieden, mehr am Hier <strong>und</strong> Jetzt<br />
verändern zu wollen.<br />
Und ihr natürlicher Instinkt hat sie dazu geführt, dass dieses<br />
Album, im Gegensatz zu seinem Vorgänger, wieder aggressiver<br />
werden sollte. Enslaveds dunklere Seite kommt erneut<br />
zum Vorschein <strong>und</strong> gerade dies erfreut so manchen Fan, dem<br />
die Band zuletzt zu progressiv wurde.<br />
www.enslaved.no<br />
12 13