Beilager und Bettleite im Ostseeraum - Fibri
Beilager und Bettleite im Ostseeraum - Fibri
Beilager und Bettleite im Ostseeraum - Fibri
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
26<br />
Bettbeschreitung wurde somit, möglicherweise <strong>im</strong> Rückgriff auf ihren ursprünglichen<br />
rechtlichen Symbolgehalt, an vielen Orten zum vollgültigen Zeichen des Ehevollzugs. 121<br />
Festkultur <strong>und</strong> Sozialdisziplinierung der Eheschließung in der frühen Neuzeit.<br />
In den Forschungen zur Entwicklung des Eheschließungsrechts sind in jüngster Zeit die<br />
sozialdisziplinierenden <strong>und</strong> ordnenden Einflüsse der Obrigkeit wieder stärker ins Blickfeld<br />
geraten. 122 In den westeuropäischen Städten kamen seit dem 13. Jahrh<strong>und</strong>ert Luxus- <strong>und</strong><br />
Hochzeitsordnungen auf, die massiv in die Gestaltung der Feste eingriffen <strong>und</strong> gleichzeitig<br />
Formen neuer Festkultur widerspiegeln. Die älteste Lübecker Hochzeitsordnung unterschied<br />
keine Klassen verschiedener Bürger <strong>und</strong> damit auch keine Hochzeitstypen. In der<br />
Hochzeitsordnung aus dem Jahre 1410 waren nur Abendhochzeiten gestattet. 123 Kurz darauf,<br />
in einer Ordnung aus der ersten Hälfte des 15. Jahrh<strong>und</strong>erts, werden Tages- <strong>und</strong><br />
Abendhochzeiten (aufgeteilt in drei Unterklassen) unterschieden <strong>und</strong> in eine deutliche<br />
Reihenfolge gestellt. Tageshochzeiten waren den besonders vermögenden Bürgern<br />
vorbehalten. Auf ihnen durften in Lübeck über 50 Personen eingeladen <strong>und</strong> mit erlesenen<br />
Speisen <strong>und</strong> Wein bewirtet werden. Es kam somit <strong>im</strong> 15. Jahrh<strong>und</strong>ert in Lübeck zu einer<br />
weitergehenden Differenzierung der Hochzeitstypen mit dem Ziel, unangemessenen Luxus zu<br />
verhindern. 124 In den Hochzeits- <strong>und</strong> Luxusordnungen spiegelt sich in besonderer Weise die<br />
Differenzierung <strong>und</strong> das Repräsentationsverlangen einzelner Gruppen der städtischen<br />
Gesellschaft wider. Wenn man ihnen einen reaktionären Charakter unterstellt (der zumeist der<br />
eigentliche Gr<strong>und</strong> für den Erlaß einer neuen Ordnung ist) so tritt eine ganze Reihe von<br />
Neuerungen <strong>im</strong> 15. Jahrh<strong>und</strong>ert in der Festkultur zutage, die einer Reglementierung durch den<br />
Rat bedurften. Die Feste wurden scheinbar <strong>im</strong>mer üppiger <strong>und</strong> nahmen einen stark<br />
ostentativen Charakter an; der Reichtum wurde zur Schau gestellt. Da auch <strong>im</strong> städtischen<br />
Patriziat bei einer Hochzeit durchaus beachtliche Vermögenswerte transferiert wurden, war<br />
dort das symbolische <strong>Beilager</strong> zum Vollzug der Ehe mit ihren güterrechtlichen D<strong>im</strong>ensionen<br />
lange <strong>im</strong> Gebrauch. Behn ging 1833 davon aus, daß ein symbolisches <strong>Beilager</strong> in Lübeck <strong>im</strong><br />
15. <strong>und</strong> 16. Jahrh<strong>und</strong>ert die übliche Form des bezeugbaren Ehevollzugs war.<br />
„Bei den Hochzeitsfeierlichkeiten stellt sich die priesterliche Trauung zwar als ein durch<br />
die Religion gebotenes, sonst aber außerwesentliches Requisit dar. Offenbar legte man auch<br />
in Lübeck die Ehe erst dann bürgerliche Wirkung bei, wenn das <strong>Beilager</strong> vollzogen war. [...]<br />
Das <strong>Beilager</strong> wurde in Gegenwart der Verwandten des Bräutigams in soweit vollzogen, daß<br />
sie der Förmlichkeit beiwohnten, wenn die Fre<strong>und</strong>e der Braut diese zum Bräutigam ins Bette<br />
Das Mittelalterliche Recht, wie die weiter unten vorkommenden urk<strong>und</strong>lichen Äußerungen bezeugen <strong>und</strong> die<br />
revid. StR. meinen den realen Vollzug.“<br />
121<br />
Vgl. hierzu auch FISCHER 1782, S. 125; mit einem Zitat aus dem Tübinger Stadtrecht von 1493: „Begibt sich,<br />
daß zwey zu der Ee gryffend, unnd das ein vor unnd ehe sy byschlaffend <strong>und</strong> Inn die ee vor der Kirch gemachet<br />
ist, mit Toud abgat, unnd denn Zwitracht <strong>und</strong> Krieg entstaat um das Gut [...], so solle keins das ander erben.<br />
Sondern soll das abgestorbene Gute seine nächsten Fre<strong>und</strong>en seyen <strong>und</strong> bleiben, <strong>und</strong> dann so hand sie<br />
byschlaffen, wann die Decken den Mann mit der Frauen beschlecht (Hervorh. durch den Verf).“ Vgl. SCHRÖTER<br />
1991, S. 376.<br />
122<br />
Vgl. BULST 1991, 39 ff. mit neuerer Literatur.<br />
123<br />
BEHN 1833, S. 67 Anm 11.<br />
124<br />
BULST 1991, S. 43, 50.