Beilager und Bettleite im Ostseeraum - Fibri
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Bräutigam <strong>und</strong>t Braut sollen auch nicht mehr als des Montags <strong>und</strong> also nur einmahl für<br />
ihre Ehe oder Brautbette begleittet <strong>und</strong> geführet werden. Unnd solches sol geschehen, wan<br />
die copulation <strong>und</strong>t andere christliche Ceremonien in der Kirche verrichtet sein, unndt so<br />
bald wieder sie zu Hause komen, das spätliche unndt unzeitige beschwerliche zu Bette<br />
bringen hinfüro hiermit abgeschaffet sein. 130<br />
Dieses letzte Zitat verdeutlicht besonders klar den Wandel des Eheschließungsrechts als<br />
nunmehr kirchlichen Handlungsablauf <strong>im</strong> 16. <strong>und</strong> Anfang des 17. Jahrh<strong>und</strong>erts. Die Trauung<br />
rückte regelhaft vor das <strong>Beilager</strong>. Das öffentliche <strong>Beilager</strong>, welches der schon erwähnten<br />
interessanten Verdopplung unterlag, wird auf einen Tag festgelegt <strong>und</strong> soll stattfinden „sobald<br />
wieder sie zu Hause komen“. Die abendliche <strong>Bettleite</strong> wird verboten. Eben zu dieser Zeit tritt<br />
neben der Kirche auch die weltliche Obrigkeit mit ihrer Einflußnahme auf die Eheschließung<br />
in Aktion <strong>und</strong> drängt die öffentliche <strong>Bettleite</strong> <strong>und</strong> Bettsetzung als rechtskonstituierendes<br />
Element der Hochzeit zurück. 131<br />
Das <strong>Beilager</strong> <strong>im</strong> Baltikum <strong>und</strong> in Finnland<br />
Ein Vergleich des ländlichen Eheschließungsbrauchtums <strong>im</strong> Baltikum <strong>und</strong> in Finnland mit<br />
den oben besprochenen nord- <strong>und</strong> ostdeutschen sowie pommerschen <strong>und</strong> dänischen Quellen<br />
ergibt ein erstaunliches Weiterleben<br />
der öffentlichen <strong>Bettleite</strong> <strong>im</strong> Brauchtum vor allem der<br />
ländlichen Bevölkerung.<br />
m<br />
der<br />
bleiben <strong>und</strong> kleiden<br />
die Braut aus. Letzere n<strong>im</strong>mt ihr die Schuhe ab, erstere die Bröschen <strong>und</strong> macht ihr die<br />
132<br />
Ein gemeinsames Besteigen des Brautbettes in Anwesenheit von Verwandten <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>en<br />
findet sich <strong>im</strong> estnischen Brauchtum. Diese Übereinst<strong>im</strong> ung könnte von dem starken<br />
Kontakt mit schwedischem Recht in der Neuzeit herrühren. 133 Rosenplänter schrieb 1818, daß<br />
nur die Mutter des Bräutigams <strong>und</strong> die Brautmutter das junge Paar zu Bett bringen. 134 Von<br />
Insel Oesel ist leider nur <strong>und</strong>atiert folgende Beschreibung einer <strong>Bettleite</strong> überliefert:<br />
„Der Bräutigam legt sich zuerst in Kleidern zu Bette, dann bringt der Bräutigamsvater die<br />
Braut <strong>und</strong> wirft sie auch aufs Bette, zieht ihr mit dem Degen den Schleier ab <strong>und</strong> steckt den<br />
Degen in die Lage zwischen sie, zu einer Schutzwehr gegen den Satan (muß wohl der<br />
Asmodius gemeint sein). Die Brautjungfer <strong>und</strong> des Bräutigams Sajanadu<br />
Haken am Rocke los, dann entfernen sie sich <strong>und</strong> der Vorhang fällt.“ 135<br />
Aus dem Kirchspiel von Kodda findet sich noch in der ersten Hälfte des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
ebenfalls die <strong>Bettleite</strong> in Zeugengegenwart als Abschluß des Trauungstages. Die Braut wurde<br />
130 ADLER 1957, S. 101 Anm. 94.<br />
131 Man kann mit Adler eine Verbreitung der <strong>Bettleite</strong> in Pommern bis in die erste Hälfte des 17. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
hinein annehmen, während sie weiter westlich schon gänzlich abgeschafft werden sollte. ADLER 1955, S. 101<br />
Anm. 94.<br />
132 Schriftliche Rechtsquellen standen mir für das Baltikum <strong>und</strong> Finnland leider nicht zur Verfügung.<br />
133 Es wird wohl nicht notwendig sein auf prähistorische Berührungen von finno-ugrischen <strong>und</strong><br />
indogermanischen Volksgruppen zu rekurrieren, um die Ähnlichkeiten <strong>im</strong> Brauchtum zu erklären, wie es VON<br />
SCHRÖDER in seiner vergleichenden Studie über die Hochzeitsbräuche der Esten 1888 tat.<br />
134 VON SCHRÖDER 1888, S. 220. Vgl. ESTNISCHE VOLKSBRÄUCHE 1991, S. 76.<br />
135 LUCE S. 86, zitiert nach VON SCHRÖDER 1888, S. 167. Die Interpretation des Säbelrituals ist allerdings<br />
fraglich. Wahrscheinlich handelt es sich wohl eher um ein Fruchtbarkeitssymbol. Dafür spricht auch der von<br />
Schröder auf S. 172 berichtete Brauch in Slavonien, wobei ein „Spaßmacher“ nach der Bettbesteigung mit dem<br />
Säbel mehrmals in die Decke stößt <strong>und</strong> dabei die Fruchtbarkeit der Ehe beschwört.