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Beilager und Bettleite im Ostseeraum - Fibri

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28<br />

Bräutigam <strong>und</strong>t Braut sollen auch nicht mehr als des Montags <strong>und</strong> also nur einmahl für<br />

ihre Ehe oder Brautbette begleittet <strong>und</strong> geführet werden. Unnd solches sol geschehen, wan<br />

die copulation <strong>und</strong>t andere christliche Ceremonien in der Kirche verrichtet sein, unndt so<br />

bald wieder sie zu Hause komen, das spätliche unndt unzeitige beschwerliche zu Bette<br />

bringen hinfüro hiermit abgeschaffet sein. 130<br />

Dieses letzte Zitat verdeutlicht besonders klar den Wandel des Eheschließungsrechts als<br />

nunmehr kirchlichen Handlungsablauf <strong>im</strong> 16. <strong>und</strong> Anfang des 17. Jahrh<strong>und</strong>erts. Die Trauung<br />

rückte regelhaft vor das <strong>Beilager</strong>. Das öffentliche <strong>Beilager</strong>, welches der schon erwähnten<br />

interessanten Verdopplung unterlag, wird auf einen Tag festgelegt <strong>und</strong> soll stattfinden „sobald<br />

wieder sie zu Hause komen“. Die abendliche <strong>Bettleite</strong> wird verboten. Eben zu dieser Zeit tritt<br />

neben der Kirche auch die weltliche Obrigkeit mit ihrer Einflußnahme auf die Eheschließung<br />

in Aktion <strong>und</strong> drängt die öffentliche <strong>Bettleite</strong> <strong>und</strong> Bettsetzung als rechtskonstituierendes<br />

Element der Hochzeit zurück. 131<br />

Das <strong>Beilager</strong> <strong>im</strong> Baltikum <strong>und</strong> in Finnland<br />

Ein Vergleich des ländlichen Eheschließungsbrauchtums <strong>im</strong> Baltikum <strong>und</strong> in Finnland mit<br />

den oben besprochenen nord- <strong>und</strong> ostdeutschen sowie pommerschen <strong>und</strong> dänischen Quellen<br />

ergibt ein erstaunliches Weiterleben<br />

der öffentlichen <strong>Bettleite</strong> <strong>im</strong> Brauchtum vor allem der<br />

ländlichen Bevölkerung.<br />

m<br />

der<br />

bleiben <strong>und</strong> kleiden<br />

die Braut aus. Letzere n<strong>im</strong>mt ihr die Schuhe ab, erstere die Bröschen <strong>und</strong> macht ihr die<br />

132<br />

Ein gemeinsames Besteigen des Brautbettes in Anwesenheit von Verwandten <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>en<br />

findet sich <strong>im</strong> estnischen Brauchtum. Diese Übereinst<strong>im</strong> ung könnte von dem starken<br />

Kontakt mit schwedischem Recht in der Neuzeit herrühren. 133 Rosenplänter schrieb 1818, daß<br />

nur die Mutter des Bräutigams <strong>und</strong> die Brautmutter das junge Paar zu Bett bringen. 134 Von<br />

Insel Oesel ist leider nur <strong>und</strong>atiert folgende Beschreibung einer <strong>Bettleite</strong> überliefert:<br />

„Der Bräutigam legt sich zuerst in Kleidern zu Bette, dann bringt der Bräutigamsvater die<br />

Braut <strong>und</strong> wirft sie auch aufs Bette, zieht ihr mit dem Degen den Schleier ab <strong>und</strong> steckt den<br />

Degen in die Lage zwischen sie, zu einer Schutzwehr gegen den Satan (muß wohl der<br />

Asmodius gemeint sein). Die Brautjungfer <strong>und</strong> des Bräutigams Sajanadu<br />

Haken am Rocke los, dann entfernen sie sich <strong>und</strong> der Vorhang fällt.“ 135<br />

Aus dem Kirchspiel von Kodda findet sich noch in der ersten Hälfte des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

ebenfalls die <strong>Bettleite</strong> in Zeugengegenwart als Abschluß des Trauungstages. Die Braut wurde<br />

130 ADLER 1957, S. 101 Anm. 94.<br />

131 Man kann mit Adler eine Verbreitung der <strong>Bettleite</strong> in Pommern bis in die erste Hälfte des 17. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

hinein annehmen, während sie weiter westlich schon gänzlich abgeschafft werden sollte. ADLER 1955, S. 101<br />

Anm. 94.<br />

132 Schriftliche Rechtsquellen standen mir für das Baltikum <strong>und</strong> Finnland leider nicht zur Verfügung.<br />

133 Es wird wohl nicht notwendig sein auf prähistorische Berührungen von finno-ugrischen <strong>und</strong><br />

indogermanischen Volksgruppen zu rekurrieren, um die Ähnlichkeiten <strong>im</strong> Brauchtum zu erklären, wie es VON<br />

SCHRÖDER in seiner vergleichenden Studie über die Hochzeitsbräuche der Esten 1888 tat.<br />

134 VON SCHRÖDER 1888, S. 220. Vgl. ESTNISCHE VOLKSBRÄUCHE 1991, S. 76.<br />

135 LUCE S. 86, zitiert nach VON SCHRÖDER 1888, S. 167. Die Interpretation des Säbelrituals ist allerdings<br />

fraglich. Wahrscheinlich handelt es sich wohl eher um ein Fruchtbarkeitssymbol. Dafür spricht auch der von<br />

Schröder auf S. 172 berichtete Brauch in Slavonien, wobei ein „Spaßmacher“ nach der Bettbesteigung mit dem<br />

Säbel mehrmals in die Decke stößt <strong>und</strong> dabei die Fruchtbarkeit der Ehe beschwört.

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