1951 1973 1995 2011 titelthema 4 — JUNGES THEATER Als Friedrich Schütter und Wolfgang Borchert sich 1951 zusammentaten, um ein Theater zu gründen, war die Hamburger Theaterszene erst vorsichtig dabei, sich nach dem Krieg wieder aufzurappeln. Junge Schauspieler hatten keine Bühne, Dramatiker keine Resonanz für ihre Werke. Den beiden mutigen Theatergründern lag es deshalb vor allem am Herzen, ihnen ein Forum zu verschaffen: das „Junge Theater“. — ERNST DEUTSCH Die historische „Brücke“ in den Großen Bleichen war die erste Spielstätte, weiter ging es in der Neuen Rabenstraße und an der Marschnerstraße. 1964 zog das Theater an die Mundsburg in einen ehemaligen UFA-Palast. Einer der Höhepunkte im Spielplan: Ernst Deutsch als Lessings „Nathan der Weise“. Am vierten Todestag des großartigen Schauspielers, dem 22. März 1973, wurde das Junge Theater ihm zu Ehren in Ernst-Deutsch-Theater umbenannt. — MODERNISIERUNG Nach dem Tod Friedrich Schütters im Jahr 1995 übernahm seine Frau Isabella Vértes-Schütter die Leitung des Theaters. Sie ist bis heute dessen Intendantin, unterbrochen von zwei Jahren, in denen Volker Lechtenbrink die künstlerische Leitung übernahm. Konsequent bemühte sie sich um Modernisierung des Hauses im Hinblick auf Programm und Ausstattung. Dabei behält sie Tradition und Aktualität, Unterhaltung und Auseinandersetzung mit Problemthemen stets im Blickfeld. 1999 bekam das Theater eine mobile Studiobühne, 2003 wurde die Jugendsparte „plattform“ gegründet. — JUBILÄUM Das Jubiläum wird am 13. Oktober mit einer großen Gala gefeiert, in der prominente Künstler, die dem Haus verbunden sind, mit Schauspiel, Tanz, Musik und Performance ein buntes Programm bieten werden. Ernst Deutsch Theater feiert 60 Jahre Bestehen Pünktlich zum Jubiläum gibt es nach 20 Jahren die neuauflage von „Heute weder Hamlet“. zeit für ein gespräch mit Volker lechtenbrink. Das Ernst-Deutsch- Theater feiert 60jähriges Bestehen: In der Jubiläumsspielzeit gibt es ein Wiedersehen mit einer Reihe von prominenten Künstlern, die immer wieder gern hierher kommen und sich dem Haus verbunden fühlen wie Uwe Friedrichsen, Judy Winter, Jörg Pleva oder Peter Striebeck. Auch Volker Lechtenbrink gehört dazu. Mit seinem Solo „Heute weder Hamlet“ feiert er jetzt selbst ein kleines Jubiläum. Nach zwanzig Jahren spielt er noch einmal den über das Theater und das Leben räsonnierenden Bühnenarbeiter Ingo Sassmann. „Das Ernst-Deutsch-Theater ist meine künstlerische Heimat“, sagt er. „Ich bin dort immer sehr gut behandelt worden.“ Mit Rollen- und Regieangeboten ebenso wie menschlich fühlte er sich behütet und beschützt, seit er 1983 unter Friedrich Schütters Intendanz dort zum ersten Mal aufgetreten ist. „Das hat sich wie ein roter Faden durch mein Leben gezogen.“ Auch immer neue Herausforderungen waren dabei, Wunschrollen wie „Des Teufels General“ oder „Der Hauptmann von Köpenick“. Zum 70. Geburtstag 2014 hat er wieder einen Wunsch am EDT frei – vielleicht ein Shakespeare-Drama, das er noch nie gespielt hat? Zum Jubiläum des Theaters hatte er sich selbst das Stück von Rainer Lewandowski ausgesucht, das er schon lange noch einmal spielen wollte. „Ich glaube, darin sind noch so viele Sachen versteckt, die ich damals in dem ‚jugendlichen’ Alter von Mitte Vierzig noch nicht so gespielt habe ExkLUSIVE VERLOSUNG Gewinnen Sie 3 x 2 Karten für die Jubiläums-Gala am 13. Oktober 2011 im Ernst Deutsch Theater. Sie müssen lediglich die Gewinnfrage beantworten, und uns die Lösung per Post oder Email zusenden. Mit etwas Glück sind Sie dabei! In welchem Jahr stand Volker Lechtenbrink zum ersten Mal mit „Heute weder Hamlet“ auf der Bühne? und die man heute aus einer anderen Sicht spielen kann.“ Ihn reizen in dem Monolog nicht nur die Interna über das Theater, die Bühnentechniker Ingo Sassmann ausplaudert, sondern vor allem das Schicksal dieses Mannes, der selbst gern Schauspieler geworden wäre. „Ich liebe gescheiterte Figuren“, meint er, solche wie den Wilhelm Vogt im „Hauptmann von Köpenick“, Menschen, die nicht durch Selbstverschulden in ihre schwierige Lage geraten sind. Oder eben den Sassmann. Trotz Höhen und Tiefen in seinem Leben, die in sein Gesicht auch ihre Furchen gegraben haben, hat Lechtenbrink ein solches Scheitern nie erlebt. Doch den Theateralltag, den Kampf der Menschen auf und hinter der Bühne, den findet er sehr realistisch dargestellt. Auch als Regisseur hat er sich unter anderem am Haus profiliert. Für ihn bedeutet Regie eine gute Möglichkeit, mit einem Stück zu arbeiten, das er gut findet. Obwohl für ihn keine Rolle darin ist. Früher hat er auch gleichzeitig inszeniert und gespielt. Doch da setzt sich inzwischen ein bisschen Altersweisheit durch: „Das würde ich nicht mehr machen. Man soll sich nicht überfordern“, gibt der 67jährige zu bedenken. In den Jahren 2004 bis 2006 hatte er die künstlerische Leitung des Ernst- Deutsch-Theaters übernommen, als Intendantin Isabella Vértes-Schütter sich vorübergehend eine Auszeit genommen hatte. Nicht nur deshalb setzt er sich vehement für das Überleben jedes Privattheaters ein, in Hamburg oder anderswo. „Um die Fülle an Theatern, die Hamburg hat, beneiden uns viele. Die Schließung eines The- termine für das Jubiläums-stück finden sie im <strong>ticketshop</strong> auf seite 15. Fotos: Oliver Fantitsch „Um die Fülle an Theatern, die Hamburg hat, beneiden uns viele. Die Schließung eines Theaters ist immer das Letzte, was man tun sollte.“ Volker Lechtenbrink aters ist immer das Letzte, was man tun sollte.“ Ein bisschen ins Schlingern geriet auch das EDT zwischenzeitlich, als die Publikumsresonanz zurückging. Doch das hat sich in den letzten Jahren wieder geändert. Als Beispiel führt Lechtenbrink seinen „Hauptmann von Köpenick“ an, der in kurzer Zeit ausverkauft war. „Eine Inszenierung, die nicht putzig war, keine Arbeit, keine Wohnung, kein Geld – das verstehen die Leute. Da kamen auch viele Jugendliche.“ Und Theaterneulinge. Die vor allem, so meint der Schauspieler, müssten durch nicht zu altbackene, aber auch nicht zu schräge Inszenierungen bei der Stange gehal- ten werden. „Wenn die rausgehen und sagen: Das war aber spannend!, dann hat das Theater auch eine Zukunft.“ In „Heute weder Hamlet“ muss er ganz allein für solche Spannung sorgen. Eine Mammutaufgabe, allein schon vom Text her. Das Schwierige ist für ihn aber auch das Positive: Er ist ganz allein dafür verantwortlich, ob sich die Zuschauer langweilen. Aber er kann sie auch ganz allein zum Lachen und zum Weinen bringen. Mehrere Auszeichnungen bestätigen dem Künstler als Schauspieler und Sänger seine hervorragenden Leistungen. Zuletzt bekam er im vergangenen Jahr den Rolf-Mares-Preis für seine Rolle als US-Präsident in „Frost / Nixon“. Er freut sich, so sagt er, über jeden Preis. Eine Auszeichnung allerdings ist ihm die allerliebste: In diesem Jahr wurde er in Hamburg in die ruhmvolle Runde der Ehren-Schleusenwärter aufgenommen, mit Freifahrschein für alle Alsterdampfer. Brigitte Ehrich FÜNF FRAGEN AN ... Volker leCHtenbrink sCHausPieler geburtsort: Cranz/Ostpreußen Jahrgang: 1944 ausbildung: Hamburger Hochschule für Bildende Künste, Hamburger Schauspielstudio Mit 10 Jahren hate er zum ersten Mal auf einer Bühne gestanden: im Märchen „LAWALU“ im Schauspielhaus in Hamburg. Gleich darauf zweimal im Thalia Theater – in „Barfuss in Athen“ und „Fanny“. 4 Jahre später ist er im legendären Film „Die Brücke“ zu sehen, und mit 16 Jahren hat er die Gelehrtenschule des Johanneums verlassen, um endgültig „seinen“ Beruf zu erlernen. Nach der Abschlussprüfung engagiert ihn sofort das Landestheater Hannover. Es folgen Köln und München. Mit Hans Lietzau geht Lechtenbrink schließlich wieder nach Hamburg ans Schauspielhaus. Bald darauf wechselt er an das Ernst Deutsch Theater, das bis heute seine künstlerische Heimat geblieben ist. Zwölf Jahre unterbricht der Künstler die Theaterlaufbahn für eine Musikkarriere, um dann endgültig wieder als Schauspieler und Regisseur zu arbeiten. Außerdem hat Volker Lechtenbrink die Bad Hersfelder Festspiele und zwei Jahre das Ernst Deutsch Theater geleitet. WoHer bezieHen sie kraFt Für iHre arbeit? immer wieder aus dem, was man als nächstes macht. Wenn man sagt: Ja, das will ich machen! Wenn man die reaktion des Publikums spürt und auch noch gute kritiken bekommt. Das ist dann doppelt schön. Hatten sie ein trauMziel in iHrer kinDHeit unD Was ist es Heute? Mit sieben Jahren wollte ich schauspieler werden, mit 67 bin ich’s. es ist anstrengend, aber auch eine gnade. WelCHes tHeater – oDer konzerterlebnis Hat sie tieF beeinDruCkt? ganz früher ein konzert von Harry belafonte in new York. Da habe ich mein idol zum ersten Mal live erlebt. zuletzt anna netrebko, Jonas kaufmann und erwin schrott auf der Waldbühne in berlin. Den unendlichen spaß, den die hatten, fand ich sehr erfrischend. Haben sie neben iHreM beruF zeit Für Hobbies oDer anDere leiDensCHaFten? leidenschaften hab ich. echte Hobbies aber hab ich keine – sowas wie Makramee oder laubsägearbeiten. eher Musik, Müßiggang, Fußball – Fußball gucken. Was ist iHr lebensMotto, Was treibt sie an? leb’ jeden tag, als wär’s dein letzter. alles sehen, was sich tut an einem tag, jeden Menschen sehen, nicht so durch die gegend ziehen und nicht nach links und rechts gucken. alles auf sich wirken lassen, jeden sonnenstrahl toll finden und nicht nur darauf warten, dass es wieder bewölkt wird und regnet.