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Vom Fischer- zum Familienhund - AUFRAD.CH Home

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Reportage<br />

Ich frage sie nach dem Cão d’Água Português,<br />

dem Portugiesischen Wasserhund. Die<br />

Männer lächeln. «Der Cão war unser bester<br />

Freund», sagt Enrico. «Er hat uns ständig begleitet»,<br />

ergänzt José. «Uns alle.» Damit<br />

meint José nicht nur sich und seine beiden<br />

Freunde. Er meint damit alle alten <strong>Fischer</strong> -<br />

familien, die einst vom Meer vor ihrer Haus<br />

tür lebten.<br />

Weitreichende Folgen<br />

Mitten in der Nacht haben sich die <strong>Fischer</strong><br />

von ihren Frauen verabschiedet. Begleitet<br />

von ihren Hunden stacken sie <strong>zum</strong> Boot und<br />

stachen in See. Damals, als sie noch jung<br />

und kräftig waren, und das Meer vor ihrer<br />

Tür voller Mordsfische.<br />

Dann kamen die internationalen Konzerne<br />

mit ihrer industriellen <strong>Fischer</strong>ei und zerstörten<br />

die Lebensgrundlage unzähliger Küstenbewohner.<br />

Die Kinder der <strong>Fischer</strong> suchten in<br />

der Stadt nach Arbeit. Manche sind wieder<br />

zurückgekehrt an die Küste und fischen wieder.<br />

Die Boote sind moderner geworden,<br />

der Fisch teuer - man kann wieder leben als<br />

kleiner <strong>Fischer</strong>. Aber es ist hart. Die Meere<br />

sind weitgehend leer gefischt.<br />

Dass es hier in der Algarve auch einen Hund<br />

hart getroffen hat, zeigt wie weitreichend<br />

und unvorhersehbar der massive Eingriff des<br />

Menschen in die Natur ist. Der Cão d'Água<br />

Português ging an der industriellen <strong>Fischer</strong>ei<br />

beinahe zugrunde. Eine der ältesten Hunderassen<br />

wurde der Moderne geopfert.<br />

Herkunft ungewiss<br />

Der Ursprung des Cão d'Água Português ist<br />

bis heute nicht sicher geklärt. Es gibt zwar<br />

Theorien, die bauen aber nicht auf gefestigten<br />

Grundlagen. Sicher ist nur, dass die Besitzer<br />

Portugiesischer Wasserhunde meistens<br />

einfache, ärmere Leute waren – so wie die<br />

<strong>Fischer</strong> in der Algarve, denen die Wasserhunde<br />

Jahrhunderte lang dienten.<br />

Der erste Bibliograf, der sich den Ursprüngen<br />

des Wasserhundes annahm, war Prof. Dr.<br />

Manuel Fernandes Marques. Er setzte die<br />

Heimat der Wasserhunde in das Zweistromland<br />

(Mesopotamien), von wo sie durch ein<br />

fahrendes Händlervolk, die Phönizier, in der<br />

Welt verbreitet wurden. Die Phönizier kamen<br />

schon 1250 vor Christus auf die iberische<br />

Halbinsel, wo sie sich mit ihren Hunden niederliessen.<br />

200 vor Christus bis 300 nach Christus besetzten<br />

die Römer die iberische Halbinsel.<br />

26<br />

© Schweizer Hunde Magazin 7/08<br />

Damals beschrieb der alte Boethius einen<br />

«canis piscator», einen fischenden Hund –<br />

wahrscheinlich der Hund der Phönizier.<br />

Der Engländer James White nimmt an, dass<br />

sich der «canis piscator» mit den Hunden der<br />

Westgoten vermischte, die 300 bis 500 nach<br />

Christus unter König Ataulf aus Russland auf<br />

die iberische Halbinsel kamen. Daraus soll<br />

der Cão d'Água Português hervorgegangen<br />

sein.<br />

Die Hunde der Kirgiesen sollen morphologisch<br />

identisch mit den Wasserhunden sein.<br />

In einem von der Welt abgeschnittenem Tal<br />

haben die Kirgiesen seit Jahrtausenden ihre<br />

Rinderherden mit diesem Hund gehütet. Dieser<br />

Hund soll durch die extremen Temperaturbedingungen<br />

und die Anforderungen der<br />

Herden beste Arbeitseigenschaften erworben<br />

haben.<br />

Für <strong>Fischer</strong> unverzichtbar<br />

Hervorragende Arbeiter seien sie gewesen,<br />

ihre Hunde, bestätigen Enrico, Fabiano und<br />

José. Die <strong>Fischer</strong>hunde übernahmen alle Aufgaben,<br />

die ein Hund für den <strong>Fischer</strong> leisten<br />

konnte: Sie bewachten Boot, Gerät und<br />

Fang; sie rochen die Fischschwärme und gaben<br />

den <strong>Fischer</strong>n Signal <strong>zum</strong> Auswerfen der<br />

Netze; sie sprangen ins Wasser und trieben<br />

die Fische ins Netz; sie halfen beim Einholen<br />

der Netze; und sie hielten die Verbindung<br />

von Boot zu Boot und <strong>zum</strong> Festland.<br />

Früher wurde der Wasserhund an der gesamten<br />

Küste Portugals so eingesetzt. Für seine<br />

Dienste wurde er reichlich belohnt: Bis zu<br />

einem Drittel des Fangs soll den Hunden zugestanden<br />

haben.<br />

Natürlich, die <strong>Fischer</strong>hunde waren nicht nur<br />

unverzichtbar für die Arbeit, sie waren auch<br />

liebe und treue Freunde der alten <strong>Fischer</strong>, die<br />

abseits vom Trubel auf einer Bank sitzen und<br />

gestikulierend von ihren Hunden berichten,<br />

Prahlen inbegriffen. Einer war der kräftigste,<br />

einer hatte die beste Nase und einer tauchte<br />

sechs Meter tief. «Certamente!»<br />

Eintrag im Guinessbuch der Rekorde<br />

In der neuen Welt brauchen die <strong>Fischer</strong> keine<br />

Hunde. Sie pflügen rücksichtslos mit riesigen<br />

Schiffen durch die Meere. Der Portugiesische<br />

Wasserhund wurde arbeitslos. Nicht<br />

mehr gebraucht und also nicht mehr gezüchtet.<br />

Der Cão d'Água Português war nur noch<br />

für einen traurigen Eintrag im Guinnesbuch<br />

der Rekorde gut: Anfang der 1970er galt er<br />

mit weltweit 50 Exemplaren als seltenste Hunderasse<br />

überhaupt.<br />

Nach der portugiesischen Revolution von<br />

1974 wurde die Rasse wieder vermehrt gezüchtet,<br />

erzählen die alten <strong>Fischer</strong>. Der Staat<br />

finanzierte Zuchtstätten, <strong>zum</strong> Beispiel jene im<br />

nahen Ria Formosa, ich solle sie doch besuchen<br />

gehen. «Ohne diese Zuchtstätten wäre<br />

der Cão d'Água Português ausgestorben.»<br />

Der Portugiesische Wasserhund war für <strong>Fischer</strong> unverzichtbar, informiert eine Tafel im Naturschutz -<br />

gebiet Ria Formosa.

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