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KEIN THEMA UND AUCH<br />
KEINEN ROTEN FADEN!<br />
Von René Gabriel: www.bxtotal.com<br />
Hätten Sie gewusst, wofür die Abkürzung THEMA steht? Nein – dann schreibe ich es Ihnen<br />
hier: THEMA steht für Theater Magdeburg. Thema kann aber auch eine Art Tagesordnung<br />
bedeuten. Beim Wein kann man ein Thema wählen indem man beispielsweise eine Vertikal-<br />
oder eine Horizontalprobe ansagt.<br />
Bei der Vertikalprobe werden von einem Weingut mehrere Jahrgänge entkorkt. Bei der<br />
Horizontaldegustation hat man eventuell einen Jahrgang als Thema und dann entkorkt man mehrere<br />
Châteaux des betreffenden Millesimes. Oder man wählt eine Weinregion als Thema. Oder man gibt<br />
den Teilnehmern ein Budget vor und jeder bringt eine Flasche welche zum betreffenden Betrag passt.<br />
Aber eben – wie es der Titel schon sagt. Wir hatten kein Thema! Nur eine Idee. Und diese Idee<br />
stammte von Weinfreund Bernd Neuhaus. Er hatte da noch zwei Flaschen im Keller, welche er<br />
unbedingt mit Freunden trinken wollte. Mit der Begründung, dass diese ja nicht mehr besser würden.<br />
Und zudem war da sicherlich auch eine nicht zu kleine Neugier vorhanden, wie denn der 1947<br />
Château Cheval Blanc und der 1947 Château Pétrus nebeneinander schmecken würden...<br />
Er erwähnte diesen Wunsch nur so nebenbei als wir im Auto in Richtung Alp Unterlauelen fuhren.<br />
Und er sagte, dass er das wohl am Freitag machen würde. Nicht gut, dachte ich, denn am Freitag<br />
würde ich bereits in Richtung Innsbruck, respektive Stubaier Gletscher unterwegs sein, weil ich da ein<br />
Wine&Dine für rund 100 Österreichische Weinfreunde kommentieren durfte.<br />
Donnerstag wäre besser, erwähnte ich. Da könne aber der Bärti Stocker nicht, meinte Bernd. Also rief<br />
ich gleich den Bärti an und dealte so lange, bis Alles dann am Donnerstag war.<br />
Und so trafen wir uns dann am Stammtisch vom Restaurant Sempacherhof. Und ich nahm noch ein<br />
paar 1947er aus meinem Keller mit. Dachte ich…
WER KEINEN ROTEN FADEN<br />
HAT – SOLL KEINEN FADEN<br />
ROTEN TRINKEN<br />
Das könnte das Motto letztendlich gewesen<br />
sein. Wie auch immer. Zuerst standen die zwei<br />
genannten Vandermeulen-Abfüllungen auf<br />
dem Tisch. Diese beiden Bouteillen hatten uns<br />
schliesslich auch angelockt.<br />
VANDERMEULEN?<br />
Zwischen 1918 bis 1955 existierte in Ostende<br />
(Belgien) die Weinhandlung Vandermeulen.<br />
Die Spezialität: Die zwei Brüder kauften<br />
jeweils namhaften Bordelaiser Weingütern die<br />
besten Fässer ab und bauten den Wein dann bei<br />
sich aus und füllten ihn mit dem Label<br />
Vandermeulen.<br />
Die wohl grösste Erfahrung mit solchen<br />
Weinen hat sicherlich der Achim Becker<br />
gemacht. Er schreibt auf seiner Webseite<br />
(www.wineterminator.com) von mehr als 1000<br />
Kontakten mit diesen sagenhaften<br />
Abfüllungen, welche meist besser gewesen<br />
sein sollen, als die Châteaufüllungen.<br />
Diese Erfahrung machte ich selber auch<br />
mehrere Male. Am eklatantesten war bisher<br />
immer die Differenz zwischen dem 1947er<br />
Château Margaux Original und der wesentlich<br />
besseren Vandermeulenabfüllung.<br />
1947 Cheval Blanc: Vandermeulen-<br />
Abfüllung: Gutes Füllniveau. Ich stutzte schon,<br />
als ich die Farbe sah. Der Cheval Blanc – egal<br />
welche Abfüllung und davon hatte ich schon<br />
einige – sollte dunkler sein. Das Bouquet<br />
anonym, etwas unsauber, kein Druck, keine<br />
Restfrucht, keine Faszination. Im Gaumen<br />
dumpf, etwas nasse Wolle, ein Hauch billiger<br />
Küchenmadeira, leicht bitter, aber doch fad<br />
und unsauber. Eine reele Vandermeulen? Ich<br />
wage es zu bezweifeln. Heute ist leider alles<br />
möglich und selbst geschulte Augen und<br />
erfahrene Profis haben Mühe die Originalität<br />
beim Betrachten festzustellen. Da aber die<br />
Farbe bereits nicht stimmte und auch ganz und<br />
gar keine Spurenelemente vom gewaltigen<br />
47er-Cheval-Druck da waren, muss man hier<br />
die ungewollte Vermutung eine möglichen<br />
Fälschung anstellen. Keine Bewertung.<br />
1947 Château Pétrus: Vandermeulen-<br />
Abfüllung. Füllniveau MS-LS. Braun und<br />
Ziegelrot, eine matte Mitte zeigend. Der erste<br />
Nasenkontakt war sehr enttäuschend;<br />
Kampfernoten, ein roter Essighauch,<br />
Maggikraut und alter Bratenjus. Doch man soll<br />
ja bekanntlich die Hoffnung nie aufgeben.<br />
Also wartete ich und schwenkte das Glas ganz<br />
vorsichtig und die schlechte Luft aus dem<br />
oberen Teil des Glases abzulassen. Das kennen<br />
Sie nicht? Immer warten und nicht gleich<br />
resigniert den Wein ausschütten. Denn am<br />
oberen Teil der Flasche, zwischen dem Korken<br />
und dem Wein selbst ist oft die Luft (nach so<br />
vielen Flaschenjahren) stinkig. So wie<br />
abgestandenes Blumenwasser halt! Also immer<br />
Lüften und warten! Hat schon oft geholfen und<br />
dann doch noch zu einem richtig grossen<br />
Altweinerlebnis verholfen. Zweiter<br />
Nasenansatz, nach etwa fünf Minuten: Süss!<br />
Rotbeerig! Pflaumig! Erdbeerig! Tatsächlich<br />
hatte sich das Nasenbild erholt und es kam ein<br />
burgundischer, duftiger Pétrus zum Vorschein,<br />
heller Tabak, ein Hauch Pulverkaffee, eine<br />
Nuance Colheita-Port, lag zwar nasal im<br />
teritären Bereich, was in seinem Rentenalter<br />
auch durchaus oportun ist. Im Gaumen weich,<br />
fein und elegant, auch hier mit einer noch<br />
deutlicheren Süsse ausgestattet, die Süsse<br />
mutiert und intensiviert sich von alleine,<br />
getrocknete Feigen, ja gar Feigensiup, bündelt<br />
sich zu einem extrem langen Finale mit feinem<br />
Kräuterhauch und Schokolade. Sicherlich<br />
keine ganz optimale Flasche, aber doch<br />
deutlich die Reflektion des sagenhaft, grossen<br />
1947er Pétrus’ zeigend. 18/20 vorbei
1947 Château Cantemerle: Hier fehlte von<br />
der Flasche rund ein Viertel! Also war das ein<br />
Füllniveau, welches weit unter der «Low<br />
shoulder» (LS) lag. Ideal, um mit Freunden<br />
diese Flasche zu entkorken, denn für eine<br />
Raritätendegustation wäre das ein zu grosses<br />
Risiko um dafür auch noch einen Obolus zu<br />
verlangen. Die Farbe; mittleres Weinrot,<br />
passender Reifeschimmer, also genügend<br />
Brauntöne darin. Die Nase; unglaublich!<br />
Duftet wie ein reifer, grosser Chambertin,<br />
rotbeeriges Früchtekompott, fein erdig,<br />
Kakaopulver. Im Gaumen cremig, saftig und<br />
bei sehr langem, aber nur mittelgewichtigen<br />
Körper sehr elegant bleibend. Einzig die fein<br />
kapselige Note stört im Gaumen, aber, das<br />
Positive überwog deutlich und faszinierte,<br />
endete mit mittlerem Druck aber durchaus<br />
harmonisch. So viel Plausch bei so hohem<br />
Risiko. Schon fast ein kleines Weinwunder!<br />
Es lohnt sich also hier nach gut gefüllten<br />
Flaschen zu suchen. Seinen Namen verdankt<br />
dieser heute mässige Haut-Médoc-Cinquième<br />
übrigens einer singenden Amsel. Singen = frz.<br />
chanter, Amsel = frz. Merle. 17/20 austrinken<br />
MALARTIC – PREMIER CRU?<br />
Ziemlich frech! Die damaligen Malartic-<br />
Besitzer André Ridoret und Jacques Marly<br />
schrieben saufrech «Premier grand Cru de<br />
Graves» auf ihr Etikett. Dies, obwohl es zu<br />
dieser Zeit gar kein Klassement im Graves<br />
gab. Und auch heute noch gibt es nur einen<br />
einzigen Premier in dieser Region, und der<br />
heisst Haut-Brion. Basta!<br />
1947 Château Malartic-Lagravière: Sehr<br />
dunkles Granat, gibt sich jünger, als vom<br />
Jahrgang her erwartet, immer noch viel Rot mit<br />
relativ wenig Reifetönen. Grossartiges<br />
Nasenbild, warm, ein Hauch Rosinen,<br />
Tabaknoten, Nescafé, Zedern und ein feiner<br />
Anklang von süsslichen Dörrfrüchten zeigend,<br />
irgendwie hat man hier eine gewisse Haut-<br />
Brion-Affinität von der Nase her, einzig der<br />
jodige Schimmer fehlt. Intensive Aromatik im<br />
Gaumen, aussen recht füllig, innen fein sandig<br />
und mit einer dezent störenden Kapselnote<br />
über dem Extrakt aufwartend. Somit lag die<br />
Wertung für das wunderbare Nasenbild etwas<br />
höher (19/20) als der Gaumenspass. Die<br />
Gesamtwertung: 17/20 austrinken
THEMENVERLASS MIT 1949 & 1971<br />
Verlassen wir kurz das eh nicht so richtig<br />
vorhandene 1947er-Thema. Eigentlich wollte<br />
ich noch einen 1947er Pavie mitnehmen und<br />
suchte im Keller danach. Ich fand dann eine<br />
alte Flasche und nahm an, dass es sich da auch<br />
tatsächlich um einen 1947er handeln würde.<br />
Ich entkorkte ihn und stellte die Bouteille auf<br />
dem Tisch. Ein früherer Besitzer hatte da, weil<br />
der Jahrgang nicht mehr ersichtlich war, mit<br />
Kugelschreiber 1949 drauf geschrieben.<br />
1949 Château Pavie: Abfüllung Raymond<br />
Ainé. Extrem schwarze Farbe, es sind fast<br />
keine Reifetöne ersichtlich. Auch das Bouquet<br />
war schwarz, Birnel, dunkles Pflaumenmus,<br />
Teer, kalter Kaffee, ein Hauch Earl-Grey. Im<br />
Gaumen eine unbändige, aber feine Kraft<br />
zeigend. Brachiales, unglaublich junges<br />
Erlebnis ganz besonderer Art. 19/20 trinken<br />
Kurz vor dem Mittag rief ich meinen<br />
Weinfreund Baschi Schwander an, ob er am<br />
Abend auch Lust hätte? Er hatte – und nahm<br />
einen 1971er Cheval Blanc mit.<br />
1971 Château Cheval Blanc: Intensives<br />
Ziegelrot mit purpurnem Schimmer, sehr dicht<br />
in der Mitte, wenn auch etwas glanzlos. Die<br />
Nase; ein Reigen wie aus Tausendundeiner<br />
Nacht, Arabische Gewürze, Raz-el-Hanut,<br />
Kümmel, Hagebuttenmarmelade, getrocknete<br />
Feigen und Kräutertee, mit dabei; viel süsser<br />
Malz und gedarrte Gerste. Im Gaumen fett, fast<br />
ölig, auch hier wieder mit einer unglaublich<br />
cremigen Süsse ausgestattet. Wer einmal einen<br />
«fast richtigen La Tâche» trinken möchte und<br />
das Budget dafür zu knapp ist, der kann sich<br />
mit diesem extrem ähnelnden 1971er Cheval<br />
gütlich trösten. 19/20 austrinken<br />
Spätberufener Weinfreund und Sponsor<br />
der Vandermeulen’s: Bernd Neuhaus<br />
SÜSSES FINALE – WIEDER MIT 1947<br />
1947 Château Rabaud: Dunkles<br />
Ockergold. Konzentriertes, trocken-süsses<br />
Bouquet, getrocknete Kumquatschalen,<br />
Nougat, alter Grand-Marnier und<br />
Brandynuancen, wenig Botrytis zeigend.<br />
Im Gaumen wieder sehr konzentriert,<br />
kompakt, caramelisierte Orangen, zur<br />
Süsse mit einer gut stützende Altersfrische<br />
ausgestattet. 18/20 austrinken