Heizen und Kühlen mit Beton, Tagungsband Expertenforum - Lafarge
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<strong>Expertenforum</strong><br />
<strong>Beton</strong><br />
<strong>Heizen</strong> + <strong>Kühlen</strong><br />
<strong>mit</strong> <strong>Beton</strong><br />
Klimawandel fordert<br />
Baukonzepte
Sehr geehrte Damen <strong>und</strong> Herren!<br />
Foto: Fischer<br />
Energie, in all ihren Facetten <strong>und</strong> Ursprungsformen,<br />
bestimmt zurzeit unsere Gespräche am Stammtisch,<br />
die nationale <strong>und</strong> internationale Medienlandschaft <strong>und</strong><br />
natürlich auch uns, die politischen Entscheidungsträger.<br />
Als Bürgermeister der Landeshauptstadt Graz sehe<br />
ich die Auseinandersetzung <strong>mit</strong> diesem gesellschaftspolitischen<br />
Thema als Chance, alle vorhandenen<br />
Ressourcen zu bündeln, um gemeinsam ein Energieeff<br />
zienzzentrum in Graz zu entwickeln <strong>und</strong> über die<br />
Stadtgrenzen hinaus effektiv zu nutzen.<br />
In Graz können wir eine Energiewende herbeiführen, davon bin ich überzeugt. Mit konkreten<br />
nachhaltigen Projekten wie etwa einer optimalen Wärmedämmung, Solarenergie <strong>und</strong><br />
Photovoltaik, Wind, Wasserkraft <strong>und</strong> Erdwärme. Graz hat 2.000 Sonnenst<strong>und</strong>en im Jahr,<br />
so könnte die Stadt energiepolitisch unabhängiger werden. R<strong>und</strong> 10 Millionen Quadratmeter<br />
Dachf äche gibt es in der Murmetropole. Wenn wir nur 30 Prozent dieser Fläche für<br />
Solarenergie- <strong>und</strong> Photovoltaik-Projekte nutzen würden, hätte dies die Dimension eines<br />
Kraftwerks in der Größenordnung von Voitsberg.<br />
Als Bürgermeister ist es meine Aufgabe vorauszudenken <strong>und</strong> gesellschaftspolitische<br />
Anstöße zu geben. Wir können eine Wende schaffen, ich bin überzeugt in den nächsten<br />
Jahren <strong>mit</strong> alternativen Ideen zum Themenkomplex Energie zu punkten.<br />
Mag. Siegfried Nagl<br />
Bürgermeister der Landeshauptstadt Graz
Inhalt<br />
Energieeffi zientes Bauen in Gegenwart <strong>und</strong> Zukunft ...........................................................................3<br />
LR Ing. Manfred WEGSCHEIDER<br />
Das Land Steiermark<br />
Klimabedingte Änderungen des Heiz- <strong>und</strong> <strong>Kühlen</strong>ergiebedarfs für Österreich .................................6<br />
Mag. Dr. Franz PRETTENTHALER MLitt<br />
Joanneum Research, Graz<br />
Klimadesign als zentrale Planungsdisziplin ........................................................................................12<br />
Univ.-Prof. Brian CODY BSc (Eng) Hons CEng MCIBSE<br />
Vorstand des Instituts für Gebäude <strong>und</strong> Energie, TU Graz<br />
Innovative Systeme der Erdwärmenutzung – regenerative Energie aus dem Untergr<strong>und</strong> .............13<br />
Univ.-Doz. DI Dr. techn. Dietmar ADAM<br />
Geotechnik Adam ZT GmbH, Brunn am Gebirge<br />
Wärmepumpen – rechtliche Erfordernisse ..........................................................................................20<br />
Mag. Dr. Michael FERSTL<br />
Amt der Steiermärkischen Landesregierung, FA 19A Wasserwirtschaftliche Planung, Graz<br />
<strong>Beton</strong> als Speichermasse – Konzepte für Energieoptimierung <strong>und</strong> Behaglichkeit .........................25<br />
Arch. DI Ernst GISELBRECHT<br />
Ernst Giselbrecht + Partner architektur zt gmbh, Graz<br />
Schnittstelle <strong>Beton</strong> <strong>und</strong> Kühltechnik – von der Baustellenkoordination<br />
bis zur Gewährleistung ..........................................................................................................................28<br />
DI Dr. techn. Gernot TILZ<br />
REHAU Gesellschaft m.b.H., Guntramsdorf<br />
Schnittstelle <strong>Beton</strong> <strong>und</strong> Akustik – schalltechnische Optimierung thermisch genutzter Decken ...31<br />
Ing. Manfred BULLA<br />
Saint-Gobain Ecophon, Leibnitz<br />
<strong>Beton</strong>fertigteile liefern Heiz- <strong>und</strong> <strong>Kühlen</strong>ergie – die neue Trepka-Zentrale ......................................34<br />
Bmstr. DI (FH) Robert KAMLEITNER<br />
Alfred Trepka GmbH, Obergrafendorf, www.trepka.at<br />
Nutzung speicherwirksamer Massen zum <strong>Heizen</strong> von Billa-Filialen .................................................38<br />
Ing. Markus KNAR, BSc.<br />
ERNST Haustechnik GesmbH. & Co KG, Olbendorf<br />
Visionen werden wahr: ENERGYbase – eine sonnige Bürozukunft ..................................................42<br />
DI Tim SELKEarsenal research, Wien<br />
Medieninhaber <strong>und</strong> Herausgeber:<br />
Zement + <strong>Beton</strong> Handels- <strong>und</strong> Werbeges.m.b.H. im Auftrag der Österreichischen Zementindustrie<br />
A-1030 Wien | Reisnerstraße 53 | T: 01/714 66 85 0 | F: 01/714 66 85 26<br />
zement@zement-beton.co.at | www.zement.at<br />
Druck: simply more printing | 1130 Wien<br />
Jänner 2009<br />
<strong>Expertenforum</strong> <strong>Beton</strong><br />
1
Energieeffi zientes Bauen in Gegenwart <strong>und</strong> Zukunft<br />
LR Ing. Manfred WEGSCHEIDER<br />
Das Land Steiermark<br />
Die Art <strong>und</strong> Weise, wie<br />
Gebäude jetzt errichtet werden,<br />
bestimmt deren Energiebedarf<br />
über einen langen<br />
Zeitraum: Die Planung wirkt<br />
über die gesamte Lebensdauer<br />
nach, die Ausführung<br />
der Gebäudehülle lässt sich<br />
später nur <strong>mit</strong> großem Aufwand<br />
verbessern. Auch bei der Haustechnik lässt<br />
die Planung im Allgemeinen Verbesserungen nur<br />
durch den nachträglichen Einbau von energieeff<br />
zienteren Komponenten zu; eine Nachbesserung<br />
des Energieversorgungskonzepts scheitert<br />
meist an Platz- oder konstruktiven Gründen, so<br />
können zum Beispiel fortschrittliche Speichersysteme<br />
häuf g nicht nachträglich installiert werden,<br />
ebenso wie Lüftungsanlagen <strong>mit</strong> Wärmerückgewinnung.<br />
Die derzeitige Bauweise wird maßgeblich von den<br />
baurechtlichen Anforderungen der B<strong>und</strong>esländer<br />
sowie – bei Wohngebäuden – von den Bestimmungen<br />
der Wohnbauförderung beeinf usst,<br />
welche wiederum die nationale Energie- <strong>und</strong> Klimapolitik<br />
<strong>und</strong> die Forderungen der Europäischen<br />
Union hinsichtlich Klimaschutz <strong>und</strong> Energieeff zienz<br />
widerspiegeln:<br />
Hier liegt der Schwerpunkt derzeit bei einer –<br />
im europäischen Kontext gesehen - durchaus<br />
fortschrittlichen Regelung insbes. bei der Wohnbauförderung<br />
im Bereich des Heizwärmebedarfs;<br />
im Mehrfamilienhaus-Wohnbau liegt beispielsweise<br />
der spezif sche Heizwärmebedarf beim<br />
Referenzklima (HWBBGF,ref) schon jetzt bei etwa<br />
44 kWh pro m² <strong>und</strong> Jahr, für Eigenheime bei r<strong>und</strong><br />
52 kWh/m².a. Dieser Gebäude-Nutzenergiebedarf<br />
berücksichtigt allerdings die Verluste der Heizung<br />
<strong>und</strong> Warmwasserbereitung noch nicht.<br />
In Folge ist die derzeitige Baupraxis bereits auf<br />
einen guten Wärmedämm-Standard bei Außen-<br />
bauteilen <strong>und</strong> auch schon auf kompaktere Bauweise<br />
– d. h. ein günstiges Verhältnis von wärmeabgebender<br />
Oberf äche zu Volumen – eingestellt,<br />
wozu auch die vorgeschriebene Verpf ichtung zur<br />
Erstellung von Energieausweisen für Neubauten<br />
beigetragen hat (seit vorigem Jahr im Baurecht<br />
gesetzlich verankert, zuvor schon seit vielen Jahren<br />
für geförderte Wohnbauten verpf ichtend).<br />
Auch dem Aspekt der Luftdichtheit wird zunehmend<br />
mehr Aufmerksamkeit geschenkt, <strong>und</strong><br />
auch die solare Warmwasserversorgung gehört<br />
bereits durchaus zum Standard. Noch immer aber<br />
ist die sequenzielle Planung von Bau <strong>und</strong> zugehöriger<br />
Haustechnik traditionell stark verankert,<br />
d. h. zuerst wird das Gebäude fertig geplant <strong>und</strong><br />
anschließend der Heizungsbauer <strong>und</strong> ggf. der<br />
Lüftungstechniker hinzugezogen; da<strong>mit</strong> werden<br />
aber häuf g fortschrittliche Lösungen verhindert,<br />
wie z. B. die Bauteilaktivierung (s. u.).<br />
Zukünftig wird eine weitere Senkung des durchschnittlichen<br />
Energiebedarfs bei Neubauten<br />
eine integrale Planung notwendig machen: D. h.<br />
bereits bei der Planung des Baukörpers muss die<br />
Haustechnik – z. B. in puncto Platzbedarf <strong>und</strong><br />
Einbaumöglichkeit - <strong>mit</strong> berücksichtigt <strong>und</strong> auf das<br />
konkrete Bauvorhaben abgestimmt werden. Als<br />
Beispiel sei hier die Bauteilaktivierung angeführt,<br />
<strong>Expertenforum</strong> <strong>Beton</strong><br />
3
<strong>Expertenforum</strong> <strong>Beton</strong><br />
4<br />
wo die Wärmespeicherfähigkeit von massiven<br />
Bauteilen (z. B. Zwischendecken) sowohl bei der<br />
Nutzung der Sonnenenergie für Heizzwecke eine<br />
durchaus wirtschaftliche Alternative zu Pufferspeichern<br />
darstellt als auch gleichermaßen zur<br />
Kühlung (von Gebäuden <strong>mit</strong> entsprechendem<br />
Kühlbedarf) dienen kann.<br />
Ein anderes, geradezu simples Beispiel gibt<br />
es auch bei den dzt. überwiegend installierten<br />
Niedertemperatur-Heizsystemen, wie sie nicht nur<br />
bei Wärmepumpen nötig sind: Hier muss seit dem<br />
Vorjahr bei der Installation von Fußboden- oder<br />
Wandheizsystemen in Außenbauteilen die Wärmedämmung<br />
wesentlich höhere Anforderungen<br />
erfüllen, um nicht zusätzliche Verluste durch die<br />
stärker aufgeheizte Wand bzw. den Boden zu produzieren:<br />
In der Praxis ist es zu einem späteren<br />
Planungszeitpunkt kaum mehr möglich, die nötige<br />
Dämmstärke bei einem Kellerdeckenaufbau unterzubringen,<br />
ohne die Mindesthöhe des Kellers<br />
zu unterschreiten.<br />
Ein weiterer Nachteil der zurzeit noch allzu verbreiteten<br />
sequenziellen Planung ist das Faktum,<br />
dass da<strong>mit</strong> eine Lebenszykluskostenbetrachtung<br />
gar nicht angestellt werden kann: Wie eingangs<br />
erwähnt, beeinf ussen die Planung <strong>und</strong> Ausführung<br />
eines neu errichteten Gebäudes inkl. der darin<br />
verbauten Komponenten über die jeweilige (hohe)<br />
Lebensdauer den Energieverbrauch <strong>und</strong> da<strong>mit</strong> die<br />
laufenden Kosten, welche die Errichtungskosten<br />
bei Weitem übersteigen. Bei einer Lebenszykluskostenbetrachtung<br />
kann bzw. wird meist ein auf<br />
niedrigen Energieverbrauch konzipierter Neubau<br />
trotz höherer Investitionskosten in Summe preisgünstiger<br />
kommen als ein nach (noch) üblichem<br />
Standard gebautes Objekt. Voraussetzung dafür<br />
ist aber eine gesamthafte (integrale) Planung, zu<br />
der als wesentlicher Bestandteil auch die aktive<br />
<strong>und</strong> passive Nutzung der Sonnenenergie sowie die<br />
Vermeidung der sommerlichen Überwärmung (bei<br />
Wohnbauten vom Baugesetz gefordert) bzw. die<br />
Verringerung von <strong>Kühlen</strong>ergiebedarf bei Nichtwohngebäuden<br />
zählen.<br />
In naher Zukunft wird einerseits zur Erfüllung<br />
noch strengerer Vorschriften beim Energiebedarf,<br />
andererseits aber auch aus wirtschaftlichen<br />
Gründen der Schwerpunkt der Weiterentwicklung<br />
energiesparender Gebäudekomponenten nicht –<br />
wie bisher – vorwiegend bei der Gebäudehülle,<br />
sondern bei der Haustechnik liegen; dies deshalb,<br />
da wesentliche Einsparmöglichkeiten durch<br />
verbesserte Wärmedämmeigenschaften von<br />
Bauteilen naturgemäß nur mehr in begrenztem<br />
Ausmaß möglich sein werden: Natürlich ist zukünftig<br />
bei der Verglasung <strong>mit</strong> noch niedrigeren<br />
Wärmedurchgangskoeff zienten zu rechnen, <strong>und</strong><br />
auch der Wärmedurchgang von Wänden <strong>und</strong><br />
Decken kann noch verringert werden. Hier ist<br />
aber nicht mehr jenes Verbesserungspotenzial
wie in den vergangenen Jahrzehnten vorhanden,<br />
<strong>und</strong> man muss sich vor Augen führen, dass bei<br />
großvolumigen Neubauten der Wärmeverlust<br />
durch die Lüftung bereits jetzt mehr ausmacht<br />
als jener Wärmeverlust, welcher aus dem Wärmedurchgang<br />
durch die Außenbauteile resultiert.<br />
Nochmals größer sind im Wohnungsneubau die<br />
Verluste bei Heizung <strong>und</strong> Warmwasserbereitung!<br />
Als logische Folge wird daher die kontrollierte<br />
Be- <strong>und</strong> Entlüftung <strong>mit</strong> Wärmerückgewinnung in<br />
allernächster Zukunft ebenso zum Standard gehören<br />
wie die Nutzung der Sonnenenergie – <strong>und</strong><br />
der Eff zienz der Warmwasserbereitung wird die<br />
gleiche Aufmerksamkeit zu widmen sein wie jener<br />
der Beheizung.<br />
Das Land Steiermark forciert diese Entwicklung<br />
in fachlicher Hinsicht <strong>mit</strong> seinen Energieberatungsstellen<br />
<strong>und</strong> f nanziell <strong>mit</strong> entsprechenden<br />
Förderinstrumenten. Die besonders erfreulichen<br />
Zuwachsraten in den letzten Jahren sowohl bei<br />
der Anzahl der Beratungen als auch bei der<br />
eff zienten Nutzung erneuerbarer Energieträger<br />
sprechen hier für sich <strong>und</strong> untermauern die Wichtigkeit<br />
dieser Entwicklung.<br />
Als zuständiger Landesrat für erneuerbare Energie<br />
wünsche ich in diesem Sinne der Veranstaltung<br />
einen erfolgreichen Verlauf <strong>und</strong> freue mich<br />
auf interessante Beiträge.<br />
<strong>Expertenforum</strong> <strong>Beton</strong><br />
5
<strong>Expertenforum</strong> <strong>Beton</strong><br />
6<br />
Klimabedingte Änderungen des Heiz- <strong>und</strong> <strong>Kühlen</strong>ergiebedarfs<br />
für Österreich<br />
Mag. Dr. Franz PRETTENTHALER MLitt<br />
Joanneum Research, Graz<br />
1 Entwicklung des energetischen<br />
Endverbrauchs für Raumwärme,<br />
Klimaanlagen <strong>und</strong> Warmwasser<br />
in Österreich<br />
Obwohl vielfach der Eindruck entsteht, dass der<br />
energetische Endverbrauch im Gebäudesektor<br />
abnimmt (Altbausanierungen, Niedrigenergiebauweise<br />
etc.), genügt ein Blick in die Energiestatistik,<br />
um Gegenteiliges festzustellen. Den<br />
Maßnahmen zur Steigerung der Energieeff zienz<br />
im Gebäudebereich wirkt im Wesentlichen der<br />
Trend zu mehr <strong>und</strong> größeren Wohnungen entgegen.<br />
Die Anzahl der Hauptwohnsitze erhöhte sich<br />
in Österreich zwischen 1990 <strong>und</strong> 2003 um zwölf<br />
Prozent, die durchschnittliche Wohnungsgröße<br />
stieg zwischen 1990 <strong>und</strong> 2003 um 23 Prozent<br />
(Statistik Austria, in: Gugele et al. 2005).<br />
Insgesamt stieg der energetische Endverbrauch<br />
seit 1995 deutlich an. Eine Bereinigung der ausgewiesenen<br />
Werte der Statistik Austria um den<br />
Heizgradtag(HGT)-Index der ZAMG zeigt allerdings<br />
zumindest in den letzten Jahren eine leichte<br />
Trendwende (Abbildung 1). Es scheint allerdings<br />
zu früh, um von einem langfristigen Trend zu<br />
sprechen.<br />
Für eine nähere Untersuchung des Wetter- <strong>und</strong><br />
Klimaeinf usses auf den Heiz- <strong>und</strong> <strong>Kühlen</strong>ergiebedarf<br />
sind die in Abbildung 1 dargestellten<br />
Daten nur bedingt tauglich, weil eine weitere<br />
Aufgliederung der Jahresreihen in die Nutzungs-<br />
Abbildung 1: Energetischer Endverbrauch für Raumwärme, Klimaanlagen <strong>und</strong> Warmwasser in Österreich<br />
Quelle: Datenquelle: Statistik Austria, ZAMG.
ereiche Raumwärme, Warmwasser <strong>und</strong> Klimaanlagen<br />
nach derzeitigem Datenstand bei der<br />
Statistik Austria nicht möglich ist. Gerade für die<br />
Klimafolgenforschung ist es aber notwendig, die<br />
unterschiedlichen Temperatursensitivitäten der<br />
Nutzungsbereiche zu kennen.<br />
2 Derzeitiger <strong>Heizen</strong>ergiebedarf<br />
Der aggregierte <strong>Heizen</strong>ergiebedarf wird von einer<br />
Vielzahl von Faktoren bestimmt. Insgesamt ist zu<br />
beobachten, dass der spezif sche <strong>Heizen</strong>ergiebedarf<br />
zwischen den einzelnen Gebäuden in hohem<br />
Maße variiert. Gebäude <strong>mit</strong> besonders gutem<br />
thermischen Standard (Passivhaus-Standard)<br />
benötigen dabei <strong>mit</strong>unter um einen Faktor 20 weniger<br />
<strong>Heizen</strong>ergiebedarf als schlecht gedämmte<br />
Gebäude. Neben dem klimatischen Einf uss auf<br />
die einzelnen Wohnungsstandorte spielen charakteristischerweise<br />
Kriterien wie Gebäudealter,<br />
Gebäudetyp <strong>und</strong> Beheizungsart eine Rolle.<br />
Abbildung 2 fasst die Unterschiede zwischen<br />
den einzelnen Baualtersklassen für die einzelnen<br />
Gebäudetypen zusammen, wobei berücksichtigt<br />
werden muss, dass in den letzten Jahren errichtete<br />
Gebäude in dieser Klassif zierung noch nicht<br />
ausgewiesen sind.<br />
Insgesamt ist festzustellen, dass es <strong>mit</strong> einer<br />
ersten theoretischen Darstellung des österreichischen<br />
Gebäudebestandes noch nicht möglich<br />
ist, konkrete Aussagen über dessen Temperatursensitivität<br />
zu treffen sowie den Einf uss von<br />
Sanierungsmaßnahmen beziehungsweise von<br />
Bestandsänderungen zu beurteilen.<br />
3 Derzeitiger <strong>Kühlen</strong>ergiebedarf<br />
Im Gegensatz zum Energieeinsatz für Raumwärme<br />
gibt es derzeit keine statistischen Aufzeichnungen<br />
bezüglich des <strong>Kühlen</strong>ergieeinsatzes in<br />
Österreich sowie kaum österreichspezif sche<br />
Literatur zu diesem Thema. Wichtig ist es, eine<br />
Abgrenzung darüber zu geben, was in der Folge<br />
unter <strong>Kühlen</strong>ergie verstanden wird. Auch wenn<br />
aufgr<strong>und</strong> der Datenlage nicht immer eine exakte<br />
Abgrenzung möglich ist, erfolgt eine Konzentration<br />
auf den Bereich Raumkühlung. Dies bedeutet,<br />
dass einerseits nur der Gebäudesektor betrachtet<br />
Abbildung 2: Raumheizungskennzahlen (nutzenergiebezogen) nach Baualter <strong>und</strong> Gebäudetyp<br />
Quelle: Jungmeier et al. 1996<br />
<strong>Expertenforum</strong> <strong>Beton</strong><br />
7
<strong>Expertenforum</strong> <strong>Beton</strong><br />
8<br />
wird, während die Transportkühlung bzw. die Kühlung<br />
von Lebens<strong>mit</strong>teln ausgeklammert werden.<br />
Andererseits ist die Raumkühlung wiederum nur<br />
ein Teilbereich der Klimatisierung, weil Klimaanlagen<br />
neben dem <strong>Kühlen</strong> auch eine Lüftungs-<br />
Heiz-, Befeuchtungs- <strong>und</strong> Entfeuchtungsfunktion<br />
aufweisen.<br />
3.1 Internationale Erfahrungen<br />
Europaweit bzw. OECD-weit sind verschiedene<br />
Untersuchungen zum Elektrizitätsverbrauch für<br />
die Klimatisierung von Wohn- <strong>und</strong> Nichtwohnbauten<br />
vorhanden, die Hinweise über den künftigen<br />
Klimatisierungstrend in Österreich geben<br />
können.<br />
In Studien <strong>mit</strong> Ländervergleich wird vielfach<br />
betont, dass zwischen den Ländern direkt vergleichbare<br />
Angaben kaum möglich sind. Vor allem<br />
bei Prognosen muss man davon ausgehen, dass<br />
Ergebnisse <strong>und</strong> Zusammenhänge aus anderen,<br />
Tabelle 1: Austattungsgrad <strong>mit</strong> Klimaanlagen<br />
Quelle: Centre for Energy Studies 2003, in: Waide 2004.<br />
Abbildung 3: <strong>Kühlen</strong>ergiebedarf von Klimaanlagen in den EU-15: BAU-Projektion<br />
Quelle: Adnot et al. 2003<br />
vor allem aus nichteuropäischen Ländern nicht<br />
unbesehen übernommen werden können, da<br />
Bauweisen, Heiz- <strong>und</strong> Kältetechnologien, Einstellungen<br />
<strong>und</strong> Verhaltensweisen nicht un<strong>mit</strong>telbar<br />
übertragbar sind. Tabelle 1 illustriert beispielsweise<br />
die unterschiedlichen Ausstattungsgrade <strong>mit</strong><br />
Klimaanlagen in den USA, Japan <strong>und</strong> Europa,<br />
wobei innerhalb der EU wiederum ein deutlicher<br />
Unterschied zwischen den einzelnen Mitgliedsstaaten<br />
besteht:<br />
Einigkeit herrscht in der Literatur darüber, dass für<br />
Europa ein mehr oder weniger starker Zuwachs<br />
der klimatisierten Fläche <strong>und</strong> des Elektrizitätsverbrauchs<br />
für die Klimatisierung im Nichtwohn- <strong>und</strong><br />
Wohnbereich zu erwarten ist. Obwohl deutliche<br />
Eff zienzsteigerungen für möglich gehalten<br />
werden, können diese die hohen Zuwachsraten<br />
derzeit nicht kompensieren (siehe Abbildung 3).<br />
Die in Abbildung 3 dargestellte Projektion zeigt<br />
den in einer europaweiten Studie errechneten<br />
Bereich USA Japan Europa<br />
Haushalte 65 % 85% 5 %<br />
Dienstleistungssektor 80 % 100 % 27 %
<strong>Kühlen</strong>ergiebedarf der einzelnen Klimagerätetypen<br />
sowie im Vergleich dazu deren <strong>Heizen</strong>ergiebedarf<br />
zwischen 1990 <strong>und</strong> 2020. Sowohl<br />
für zent rale als auch dezentrale Klimaanlagen<br />
werden weitere Zuwachsraten erwartet, wobei<br />
insgesamt große Unterschiede zwischen den einzelnen<br />
Ländern gegeben sind. Deutlich über dem<br />
EU-Schnitt von 4 % pro Jahr in der Periode 2000<br />
bis 2020 liegen dabei südliche Länder wie Portugal<br />
(8 % p. a.), Griechenland (6 % p. a.), aber<br />
auch Länder wie Dänemark (7 % p. a.), Deutschland<br />
(6 % p. a.) <strong>und</strong> Frankreich (5 % p. a.). Selbst<br />
wenn letztere Länder von einem niedrigeren<br />
Pro-Kopf-Niveau ausgehen wie etwa Spanien,<br />
Italien oder Griechenland, zeigt sich deutlich,<br />
dass Diskussionen r<strong>und</strong> um das Thema Kühlung<br />
<strong>und</strong> Klimatisierung keinesfalls nur auf Südeuropa<br />
reduziert werden dürfen.<br />
3.2 Österreich<br />
Dem steigenden Energiebedarf für Raumkühlung<br />
wird auch in Österreich in den letzten Jahren<br />
vermehrt Aufmerksamkeit geschenkt. Insbesondere<br />
wenn über die Auswirkungen von sommerlichen<br />
Hitzeperioden berichtet wird, f nden<br />
sich Meldungen darüber in den österreichischen<br />
Medien. Konkrete Einschätzungen des <strong>Kühlen</strong>ergiebedarfes<br />
erfolgten bisher in drei Studien, deren<br />
Ergebnisse an dieser Stelle kurz zusammengefasst<br />
werden.<br />
In der bereits erwähnten EU-Studie f nden sich<br />
auch Projektionen für Österreich. Demzufolge<br />
betrug der in Österreich im Jahr 2005 für Kühlzwecke<br />
im gesamten Gebäudebereich benötigte<br />
Energieeinsatz 549 Gigawattst<strong>und</strong>en bei einer<br />
insgesamt gekühlten Fläche von 26 Millionen<br />
Quadratmeter. Dieser Wert entspricht in etwa<br />
einem Prozent des Endenergieeinsatzes für<br />
Raumwärme im privaten Sektor beziehungsweise<br />
weniger als einem Prozent des für die EU-15<br />
angegebenen <strong>Kühlen</strong>ergiebedarfs (78.100 GWh).<br />
Obwohl der Vergleich <strong>mit</strong> dem <strong>Heizen</strong>ergiebedarf<br />
zeigt, dass das Thema <strong>Kühlen</strong> zurzeit in Öster reich<br />
noch eine untergeordnete Rolle spielt, weisen die<br />
ausgewiesenen Projektionen eine rasante Steigerung<br />
des <strong>Kühlen</strong>ergiebedarfs auf. Für Österreich<br />
wird beispielsweise eine Steigerung von 296 GWh<br />
im Kyoto-Basisjahr 1990 auf in etwa 700 GWh im<br />
Jahr 2020 vorausgesagt. Da<strong>mit</strong> würden im Jahr<br />
2020 durch Kühlung in etwa 250.000 Tonnen<br />
Treibhausgase verursacht werden.<br />
Ein ähnlicher Trend geht aus Untersuchungen<br />
des oberösterreichischen Energiesparverbands<br />
hervor, welcher für die Periode 2001 bis 2010<br />
eine Steigerung des oberösterreichischen <strong>Kühlen</strong>ergiebedarfs<br />
von mindestens 20 Prozent errechnet.<br />
Insgesamt weist die Studie einen Verbrauch<br />
von 131 GWh in der Basisperiode 2001 aus,<br />
wobei 97 GWh dem Bürosektor <strong>und</strong> 15 GWh dem<br />
Haushaltssektor zugeschrieben werden.<br />
Abbildung 4: <strong>Kühlen</strong>ergiebedarf für unterschiedliche Wachstumsraten des Kühlkoeffi zienten bei linearem KGT-Trend<br />
bzw. KGT-Trend-Szenario<br />
Quelle: Töglhofer et al. 2008.<br />
<strong>Expertenforum</strong> <strong>Beton</strong><br />
9
<strong>Expertenforum</strong> <strong>Beton</strong><br />
10<br />
Eine erste Abschätzung der Temperatursensitivität<br />
des Elektrizitätsbedarfs in Österreich wird in<br />
einer weiteren Studie durchgeführt. Mittels einer<br />
einfachen Regressionsanalyse wird in dieser<br />
Studie die Tages<strong>mit</strong>teltemperatur in Wien dem<br />
Tagesstromverbrauch im öffentlichen Netz gegenübergestellt.<br />
Die Ergebnisse zeigen, dass in den<br />
Wintermonaten ein Rückgang der tages<strong>mit</strong>tleren<br />
Temperatur gegenüber dem Vorjahr um einen<br />
Grad Celsius einen Verbrauchszuwachs von 1<br />
bis 1,1 GWh bedeutet, während im Hochsommer<br />
(>21 Grad Celsius) ein Temperaturanstieg gegenüber<br />
dem Vorjahr um ein Grad Celsius einen<br />
Anstieg des Stromverbrauchs um etwa 0,5 GWh<br />
bewirkt.<br />
4 Ergebnisse<br />
Abbildung 4 zeigt die Entwicklung des <strong>Kühlen</strong>ergiebedarfs<br />
unter Annahme verschiedener Wachstumsraten<br />
unter Zugr<strong>und</strong>elegung einer linearen<br />
Zunahme der durchschnittlichen KGT sowie für<br />
ein Trend-Szenario, welches die Variabilität der<br />
KGT zwischen den einzelnen Jahren beinhaltet.<br />
Letzteres scheint insbesondere bezüglich der<br />
Auswirkungen heißer Jahre besonders relevant.<br />
Während bei einem konstanten Kühlkoeff zienten<br />
in einem zukünftigen heißen Jahr (die KGT des<br />
Szenarios für die Jahre 2020 <strong>und</strong> 2029 entsprechen<br />
ungefähr dem Jahr 2003) etwa 100 GWh für<br />
Kühlung benötigt werden, sind es bei vier Prozent<br />
Wachstum im Jahr 2020 150 GWh, im Jahr 2029<br />
bereits 250 GWh. Der gezeigte Vergleich zeigt<br />
die Wichtigkeit, nicht nur Mittelwerte heranzuziehen,<br />
sondern auch Schwankungen zwischen den<br />
einzelnen Jahren zu betrachten.<br />
5 EXKURS: Die Kosten zusätzlicher<br />
Gebäudekühlung<br />
Angesichts des steigenden <strong>Kühlen</strong>ergiebedarfs<br />
wird häuf g die Frage nach den Kosten zusätzlicher<br />
Gebäudekühlung gestellt. Wichtig ist in<br />
diesem Zusammenhang, dass die verbrauchsgeb<strong>und</strong>enen<br />
Kosten für den derzeit dominanten<br />
<strong>Kühlen</strong>ergieträger Elektrizität nur einen<br />
kleinen Teil der Gesamtkosten ausmachen. So<br />
wird beispielsweise bei konventionellen Kompressionskältemaschinen<br />
für Bürogebäude von<br />
einem Anteil der Stromkosten an den Gesamtkosten<br />
von weniger als 30 Prozent ausgegangen,<br />
der Rest fällt auf Investitionskosten sowie<br />
zu einem geringen Teil auf Wartungskosten. Für<br />
Einkaufszentren betragen die Stromkosten r<strong>und</strong><br />
50 Prozent der Gesamtkosten.<br />
Die spezif schen Kühlkosten (pro kWh) sind im<br />
Vergleich zu den Heizkosten dementsprechend<br />
deutlich höher. Es werden je nach Technologie,<br />
Gebäudetyp <strong>und</strong> -größe spezif sche Kühlkosten<br />
von 11 bis 35 Cent ausgewiesen. Währenddessen<br />
betragen die Heizkosten für Privathaushalte<br />
derzeit etwa zehn Cent pro kWh, bei größeren<br />
Objekten liegen sie deutlich unter diesem Wert.<br />
Weiters ist es notwendig, die Kosten zusätzlicher<br />
Infrastruktur zu berücksichtigen. Schätzungen<br />
zeigen beispielsweise für Italien, dass aufgr<strong>und</strong><br />
von vermehrten Kühlspitzen bis 2020 zusätzliche<br />
3.500 MW Kapazität benötigt werden, <strong>mit</strong> etwa<br />
zwei Milliarden Euro an zusätzlichen Investitionen<br />
in die Elektrizitätsinfrastruktur. Auch wenn für Österreich<br />
zumindest in den nächsten Jahrzehnten<br />
keine Zusatzkapazitäten für Kühlzwecke benötigt<br />
werden, weil die Lastspitzen weiterhin in den Wintermonaten<br />
deutlich höher sein werden, wirken<br />
sich europaweite Kühlspitzen dennoch auf den<br />
Marktpreis für Elektrizität <strong>und</strong> da<strong>mit</strong> un<strong>mit</strong>telbar<br />
auf Österreich aus.<br />
6 Schlussfolgerungen<br />
Fasst man die bisher getroffenen Überlegungen<br />
zusammen, so ergibt sich in etwa folgendes Bild:<br />
Auch wenn der Faktor Klima einen deutlichen<br />
Einf uss auf den Heiz- <strong>und</strong> <strong>Kühlen</strong>ergiebedarf hat,<br />
wird dieser überwiegend durch zukünftige technische<br />
<strong>und</strong> sozioökonomische Entwicklungen,<br />
also durch den Faktor Mensch bestimmt. Höhere<br />
Temperaturen wirken sich insgesamt günstig auf<br />
den Gesamtenergiebedarf aus. Der <strong>Kühlen</strong>ergiebedarf<br />
wird in Österreich auf absehbare Zeit weiterhin<br />
nur einen Bruchteil des <strong>Heizen</strong>ergiebedarfs<br />
ausmachen. Die klimabedingte Einsparung an<br />
<strong>Heizen</strong>ergiebedarf wird um ein Vielfaches höher<br />
sein als der zusätzliche klimabedingte <strong>Kühlen</strong>ergiebedarf.<br />
Der <strong>Heizen</strong>ergiebedarf liegt in Österreich derzeit<br />
bei etwa 80.000 Gigawattst<strong>und</strong>en, während
der <strong>Kühlen</strong>ergiebedarf im Vergleich im Bereich<br />
mehrerer H<strong>und</strong>ert Gigawattst<strong>und</strong>en liegt, genaue<br />
statistische Zahlen liegen hierfür nicht vor.<br />
Dementsprechend überwiegt bei einem Temperaturanstieg<br />
von durchschnittlich zwei Grad Celsius<br />
deutlich der Effekt einer in etwa 20-prozentigen<br />
Reduktion des <strong>Heizen</strong>ergiebedarfs gegenüber<br />
einer ungefähren Verdoppelung des <strong>Kühlen</strong>ergiebedarfs.<br />
Beim Energieträger Elektrizität könnte der zusätzliche<br />
Bedarf im Sommer längerfristig allerdings<br />
mengenmäßig die Einsparungen an <strong>Heizen</strong>ergie<br />
im Winter kompensieren, da zur Kühlung derzeit<br />
fast ausschließlich auf Elektrizität zurückgegriffen<br />
wird, während nur ein kleiner Teil des <strong>Heizen</strong>ergiebedarfs<br />
aus Elektrizität gedeckt wird. Dies<br />
scheint vor allem dahingehend problematisch,<br />
dass die Kühllast sich im Gegensatz zur Heizlast<br />
tageszeitlich eher <strong>mit</strong> der allgemeinen Lastspitze<br />
überschneidet.<br />
Insgesamt geht aus den Szenarienrechnungen<br />
klar hervor, dass der zukünftige Heiz- <strong>und</strong> <strong>Kühlen</strong>ergiebedarf<br />
weniger durch den Faktor Klima,<br />
sondern viel mehr durch technische <strong>und</strong> sozioökonomische<br />
Entwicklungen bestimmt wird.<br />
Beim <strong>Heizen</strong>ergiebedarf können zusätzliche<br />
Anstrengungen im Bereich Energieeff zienz eine<br />
wesentlich größere Einsparung bewirken als<br />
höhere Temperaturen. Umgekehrt geht es beim<br />
Kühl energiebedarf derzeit darum, dem - zum<br />
einen aufgr<strong>und</strong> von Konsum- <strong>und</strong> Verhaltensänderungen,<br />
zum anderen aufgr<strong>und</strong> derzeitiger<br />
Entwicklungen in der Gebäudeplanung - stattf ndenden<br />
rasanten Anstieg sowohl der klimatisierten<br />
Flächen als auch des Elektrizitätsverbrauchs<br />
entgegenzuwirken.<br />
Auf Ebene der Privathaushalte spielt eine Reduktion<br />
des Heizwärmebedarfs übrigens aufgr<strong>und</strong><br />
wärmerer Winter im Vergleich zu anderen<br />
Faktoren wie den Zinssätzen oder den Energiepreisen<br />
nur eine unwesentliche Rolle. Bei einer<br />
Abnahme der Heizgradtage um sechs Prozent in<br />
den nächsten 20 Jahren beträgt die Abnahme der<br />
Gesamtheizkosten etwa für Hackgutheizungen<br />
zwei Prozent, für Öl- <strong>und</strong> Gasheizungen wegen<br />
des höheren Anteils der verbrauchsgeb<strong>und</strong>enen<br />
Kosten vier Prozent. Für letztere Technologien<br />
kann jedoch erwartet werden, dass die Preise,<br />
abgesehen von der unsicheren Marktpreisentwicklung,<br />
in den nächsten Jahren durch klimapolitische<br />
Maßnahmen (CO 2 -Steuer, Erhöhung der<br />
Energieabgaben) zusätzlich angehoben werden.<br />
Die Tatsache, dass unterschiedliche menschliche<br />
Anpassungsreaktionen an die steigenden<br />
Temperaturen im Bereich der Raumtemperierung<br />
den tatsächlichen künftigen Energiebedarf stark<br />
in die eine oder andere Richtung beeinf ussen<br />
können, darf nicht den Eifer der gerade begonnenen<br />
Forschungen in diesem Bereich dämpfen.<br />
Ganz im Gegenteil. Es wird dadurch offensichtlich,<br />
dass <strong>Heizen</strong> <strong>und</strong> <strong>Kühlen</strong> im Klimawandel ein<br />
ideales Beispiel für die Dringlichkeit jener Untersuchungen<br />
sind, die Anpassungsmaßnahmen<br />
an den Klimawandel <strong>und</strong> CO 2 -Reduktionsmaßnahmen<br />
gemeinsam untersuchen <strong>und</strong> auf ihre<br />
technischen <strong>und</strong> ökonomischen Synergiepotenziale<br />
testen. Nur so kann es gelingen, dass Anpassungsstrategien<br />
durch die positive Rückkoppelung<br />
das Klimaproblem nicht weiter verschärfen<br />
bzw. dass ausgeklügelte CO 2 -Reduktionspakete<br />
auch unter sich ändernden Klimabedingungen<br />
im Hinblick auf die einzusetzenden Mittel optimal<br />
gewählt werden können.<br />
Die genauen Literaturhinweise sowie weitere Details<br />
entnehmen Sie bitte dem folgenden Band:<br />
Prettenthaler, F., Gobiet, A., (Hg.), <strong>Heizen</strong> & <strong>Kühlen</strong><br />
im Klimawandel, Verlag der Österreichischen<br />
Akademie der Wissenschaften, Wien 2008, 134<br />
Seiten, ISBN 978-3-7001-4001-6<br />
<strong>Expertenforum</strong> <strong>Beton</strong><br />
11
<strong>Expertenforum</strong> <strong>Beton</strong><br />
12<br />
Klimadesign als zentrale Planungsdisziplin<br />
Univ.-Prof. Brian CODY BSc (Eng) Hons CEng MCIBSE<br />
Vorstand des Instituts für Gebäude <strong>und</strong> Energie, TU Graz<br />
Klimadesign ist die Entwicklung von ganzheitlichen<br />
Konzepten zur Maximierung der Energieeff zienz<br />
von Gebäuden <strong>und</strong> Städten. Was aber ist Energieeff<br />
zienz? Alle reden heute von „Energieeff zienz“.<br />
Dieser Begriff wird dabei leider häuf g missverstanden,<br />
missbraucht <strong>und</strong> <strong>mit</strong> „Energiebedarf“<br />
<strong>und</strong> „Energieverbrauch“ verwechselt, vor allem im<br />
Gebäudesektor, in dem niedriger Energieverbrauch<br />
<strong>mit</strong> einer hohen Energieeff zienz gleichgesetzt <strong>und</strong><br />
statt in die Maximierung der Energieeff zienz der<br />
Schwerpunkt von Forschung <strong>und</strong> Praxis in eine maximale<br />
Senkung des Energieverbrauchs gesteckt<br />
wird. Dieses Missverständnis ist gr<strong>und</strong>legend <strong>und</strong><br />
muss umgehend aufgeklärt werden, um zukünftige<br />
Fehlentwicklungen zu vermeiden. Die Maximierung<br />
der Energieeff zienz ist mehr als die Minimierung<br />
des Energieverbrauchs. Energieeff zienz impliziert<br />
Leistung <strong>und</strong> ist das Verhältnis zwischen Output<br />
(Nutzen) <strong>und</strong> Input (Ressourcen). Dabei geht es<br />
hauptsächlich darum, welchen Nutzen man aus der<br />
„verbrauchten“ Energie zieht. Im Zusammenhang<br />
<strong>mit</strong> der thermischen Leistung von Gebäuden ist<br />
die Energieeff zienz als Verhältnis zwischen der<br />
Qualität des Raumklimas <strong>und</strong> der Quantität des<br />
Energieverbrauchs zu begreifen. Derzeit gültige Instrumente<br />
zur Regulierung der Energieeff zienz von<br />
Gebäuden, einschließlich der neuen EU-Richtlinie<br />
über die Gesamtenergieeff zienz von Gebäuden<br />
<strong>und</strong> insbesondere der in den einzelnen Mitgliedsstaaten<br />
implementierten Methoden zur Bestimmung<br />
<strong>und</strong> Bewertung der energetischen Leistung von<br />
Gebäuden entsprechend der genannten Richtlinie,<br />
behandeln nur den Energiebedarf <strong>und</strong> nicht die<br />
Energieeff zienz. An meinem Institut haben wir nun<br />
eine Methode entwickelt, <strong>mit</strong> der wir die tatsächliche<br />
Energieeff zienz eines Gebäudes bestimmen<br />
können, sodass verschiedene Entwurfsoptionen<br />
wirklich <strong>mit</strong>einander verglichen werden können.<br />
Energieeff zienz bedeutet in diesem Zusammenhang<br />
das Verhältnis zwischen der Qualität des<br />
Raumklimas eines Gebäudes einerseits <strong>und</strong> der<br />
Energie, die aufgewendet werden muss, um dieses<br />
Raumklima aufrecht zu erhalten andererseits.<br />
Diese – BEEP genannte – Methode berücksichtigt<br />
den wechselseitigen Zusammenhang zwischen<br />
Energiebedarf <strong>und</strong> Raumklima <strong>und</strong> der berechnete<br />
BEEP-Wert ist ein Indikator für die gesamte<br />
Building Energy and Environmental Performance<br />
eines Gebäudes. Ergebnisse von Fallbeispielen,<br />
die <strong>mit</strong> dieser Methode untersucht wurden, zeigen<br />
eindeutig, dass niedriger Energieverbrauch <strong>mit</strong><br />
einer hohen Energieeff zienz nicht gleichgesetzt<br />
werden kann. Jüngste Fehlentwicklungen haben<br />
gezeigt, welche Folgen einseitiges eindimensionales<br />
Denken haben kann. Um diese zukünftig<br />
zu vermeiden, ist die Betrachtung von gesamten<br />
Systemen zwingend notwendig. Beim Vergleich<br />
verschiedener alternativer Lösungen im baulichen<br />
Kontext müssen neben der Energieeff zienz im<br />
Betrieb auch die Herstellung, die Errichtung <strong>und</strong> die<br />
Entsorgung eines Gebäudes berücksich tigt werden.<br />
Der Ausgangspunkt für eine hohe Energieeff zienz<br />
ist dabei die Stadtplanung, nicht das einzelne<br />
Gebäude. Auch ein Gebäude <strong>mit</strong> der höchsten<br />
Energieeff zienz der Welt ist relativ ineffektiv, wenn<br />
es nicht in eine energieeff ziente städtische Struktur<br />
eingeb<strong>und</strong>en ist. Weiche Faktoren wie Flexibilität<br />
<strong>und</strong> Adaptabilität während der Lebensdauer sind<br />
zu berücksichtigen – der Einf uss des voraussichtlichen<br />
Klimawandels auf das notwendige energetische<br />
Verhalten unserer Gebäude aber auch.<br />
Synergien durch die Vernetzung von Gebäude- <strong>und</strong><br />
Verkehrssystemen sollten ausgeschöpft werden.<br />
Bei der Entwicklung von Lösungen ist es wichtig,<br />
in Systemen zu denken <strong>und</strong> Gesamtkonzepte von<br />
einem holistischen Ansatz heraus zu entwickeln.<br />
Außerdem muss neben der Quantität der in einem<br />
spezif schen Prozess „verbrauchten“ Energie auch<br />
die Qualität dieser Energiemenge berücksichtigt<br />
werden. Im Vortrag werden diese Prinzipien anhand<br />
von aktuellen Forschungsprojekten <strong>und</strong> Beispielen<br />
aus der Praxis illustriert <strong>und</strong> verdeutlicht.
Innovative Systeme der Erdwärmenutzung –<br />
regenerative Energie aus dem Untergr<strong>und</strong><br />
Univ.-Doz. DI Dr. techn. Dietmar ADAM<br />
Geotechnik Adam ZT GmbH, Brunn am Gebirge<br />
Die Nutzung der ausgeglichenen Temperaturen<br />
im Untergr<strong>und</strong> zur Klimatisierung durch den Menschen<br />
hat eine lange Tradition, in Erdkellern <strong>und</strong><br />
Höhlen wird dies zur Lagerung von Lebens<strong>mit</strong>teln<br />
bereits seit Jahrtausenden verwendet. Die Einführung<br />
leistungsfähiger Wärmepumpen ermöglicht<br />
seit einigen Jahrzehnten die Anhebung der im<br />
Untergr<strong>und</strong> gespeicherten Energie auf Temperaturniveaus,<br />
die auch eine aktive Beheizung oder<br />
Kühlung von Gebäuden erlauben. Seit Anfang der<br />
90er- Jahre wurden Technologien entwickelt, die<br />
es erlauben, Absorbersysteme in die F<strong>und</strong>amente<br />
von Gebäuden zu integrieren <strong>und</strong> da<strong>mit</strong> größere<br />
Energiepotenziale zu günstigeren Preisen zu<br />
erschließen.<br />
1 Einleitung<br />
Erdberührte Bauwerksteile („Erdwärmeabsorber“)<br />
ermöglichen eine sehr wirtschaftliche Nutzung<br />
der geothermischen Energie. Dies betrifft<br />
vor allem Bauwerksteile aus <strong>Beton</strong> („Massivabsorber“).<br />
Hiefür kommen primär Tieff<strong>und</strong>ierungen<br />
(Pfähle, Schlitzwände), aber auch Flachf<strong>und</strong>ierungen<br />
<strong>und</strong> sogar Keller- bzw. Stützwände infrage.<br />
Die Absorberleitungen werden un<strong>mit</strong>telbar<br />
in die F<strong>und</strong>ierungselemente verlegt, zusätzliche<br />
Einbauten im Erdreich sind nicht erforderlich.<br />
Sonderanwendungen sind „Energietunnel“, Heizungen<br />
von Straßendecken, „Energie-Brunnen“<br />
etc. Es werden Systeme <strong>mit</strong> <strong>und</strong> ohne Wärmepumpen<br />
verwendet. Das Verfahren der geothermischen<br />
Energiebewirt schaftung ermöglicht<br />
eine umweltfre<strong>und</strong>liche, Ressourcen schonende<br />
Heizung <strong>und</strong>/oder Kühlung von Bauwerken.<br />
2 Geothermische<br />
Energiebewirtschaftung<br />
Prinzipiell kann zwischen zwei gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
verschiedenen Möglichkeiten der geother-<br />
mischen Energiebewirtschaftung unterschieden<br />
werden:<br />
– einfache geothermische Energieentnahme<br />
bzw. -zufuhr<br />
– saisonaler Betrieb <strong>mit</strong> Wärme- <strong>und</strong> Kältespeicherung<br />
Während beim einfachen geothermischen Betrieb<br />
(Entnahme bzw. Zuführen von Wärme aus dem<br />
bzw. in den Boden) der Energief uss lediglich in<br />
einer Richtung erfolgt, wird beim saiso nalen Betrieb<br />
die thermodynamische Trägheit des Bodens<br />
herangezogen, um Energie im Boden zu speichern,<br />
sodass diese zum benötigten Zeitpunkt<br />
wiederum entnommen werden kann. Bei einem<br />
saisonalen Speicher ist es daher möglich, eine<br />
ausgeglichene Energiebilanz im Zeitraum eines<br />
Jahres zu gewährleisten.<br />
3 Prinzip der geothermischen<br />
Energienutzung von<br />
F<strong>und</strong>ierungen<br />
In den meisten Klimazonen Europas ist die<br />
Temperatur des Untergr<strong>und</strong>es ab einer Tiefe von<br />
ca. 10-15 m relativ konstant: Bis zu einer Tiefe<br />
von ca. 50 m beträgt sie in der Regel 10-15° C.<br />
Daher reicht eine Umwälzung der Wärme für eine<br />
Heizung im Allgemeinen nicht aus; Ahnliches gilt<br />
für eine Kühlung. Aus diesem Gr<strong>und</strong> ist zu unterscheiden<br />
zwischen<br />
– Systemen ohne Wärmepumpe<br />
– Systemen <strong>mit</strong> Wärmepumpe.<br />
Mittels Wärmepumpe können Absorbersysteme<br />
zur Gebäudeheizung verwendet werden; umschaltbare<br />
Wärmepumpen ermöglichen sowohl<br />
eine Beheizung als auch eine Kühlung. Die<br />
Bodenwärme wird der Wärmepumpe durch den<br />
sog. Primärkreislauf zugeführt; der Sek<strong>und</strong>ärkreislauf<br />
bef ndet sich im Bauwerk. Leistungsfä-<br />
<strong>Expertenforum</strong> <strong>Beton</strong><br />
13
<strong>Expertenforum</strong> <strong>Beton</strong><br />
14<br />
hige Wärmepumpen weisen einen Wirkungsgrad<br />
von ca. 4 auf: In diesem Fall ist nur ¼ elektrische<br />
Energie erforderlich; der Hauptanteil von ¾ der<br />
erforderlichen Gesamtenergie stammt aus der<br />
Umweltwärme.<br />
Bei einem geothermischen Kühlsystem wird dem<br />
Gebäude Wärme entweder über eine Luftkühlung<br />
oder über ein auf Wasser basierendes Kühlsystem<br />
entzogen. Die Kältemaschine ist dabei an<br />
das Absorbersystem angeschlossen <strong>und</strong> leitet die<br />
Überschusswärme über das Transportmedium im<br />
Primärkreislauf in den Boden. Bei kombinierten<br />
Systemen bzw. saisonaler Erdwärmespeicherung<br />
kann die Energie bei Bedarf wiederum entnommen<br />
werden. Beim sog. „Free Cooling“ wird der Fremdenergiebedarf<br />
auf den Betrieb einer Umwälzpumpe<br />
reduziert.<br />
Das Gr<strong>und</strong>prinzip besteht darin, <strong>Beton</strong>elemente<br />
<strong>mit</strong> Kunststoff- bzw. Kupferrohren zu bestücken<br />
<strong>und</strong> <strong>mit</strong> einem geeigneten Medium (im Allgemeinen<br />
Wasser bzw. Mischungen aus Wasser <strong>und</strong><br />
Frostschutz<strong>mit</strong>tel [Glykol]) Erdwärme umzuwälzen<br />
<strong>und</strong> diese einer späteren Nutzung (Heizung,<br />
Kühlung) zuzuführen. Die hohe Wärmeleit- <strong>und</strong><br />
Speicherfähigkeit von <strong>Beton</strong> machen diesen Baustoff<br />
zu einem geeigneten Energieabsorber.<br />
Platten- <strong>und</strong> Pfahlgründungen von Bauwerken<br />
werden etwa seit Mitte der Achtzigerjahre zur<br />
Nutzung von geothermischer Energie herangezogen,<br />
ohne dass ein großer Mehraufwand bei der<br />
Herstellung der statisch ohnehin erforderlichen<br />
Bauteile notwendig ist. Seit dem Jahre 1996 sind<br />
auch Schlitzwände, die zur Baugrubensicherung<br />
bzw. F<strong>und</strong>ierung von Bauwerken dienen, als Energieabsorber<br />
im Einsatz.<br />
Im Prinzip können alle erdanliegenden <strong>Beton</strong>bauteile<br />
als Energieabsorber verwendet werden,<br />
so<strong>mit</strong> auch Flachf<strong>und</strong>ierungen. Tieff<strong>und</strong>ierungen<br />
(Pfähle, Schlitzwände) eignen sich in besonderer<br />
Weise, da tiefer liegende Bereiche des<br />
Untergr<strong>und</strong>es erschlossen werden, welche nicht<br />
mehr unter dem Einf uss der saisonalen Temperaturschwankungen<br />
an der Oberf äche stehen.<br />
Aus diesem Gr<strong>und</strong> ist auch der „Energiepfahl“<br />
jenes Element, <strong>mit</strong> dem am häuf gsten eine<br />
geothermische Energiebewirtschaftung erfolgt.<br />
Gr<strong>und</strong>sätzlich kommen folgende Tieff<strong>und</strong>ierungen<br />
infrage:<br />
– Ortbetonbohrpfähle<br />
– Rammpfähle aus Stahlbeton (Voll- <strong>und</strong> Hohlquerschnitt)<br />
– Schlitzwände<br />
An der Bewehrung werden in situ bzw. im Werk<br />
Wärmetauscherrohre montiert. Diese Rohre, die<br />
im Allgemeinen einen Durchmesser von 20 mm<br />
bis 25 mm aufweisen, bestehen aus PE, HDPE<br />
Abb. 1: HDPE-Absorberleitungen einer „Energiebodenplatte“,<br />
montiert auf der Sauberkeitsschichte eines<br />
Hochbaus<br />
Abb. 2: HDPE-Absorberleitungen eines „Energiepfahles“,<br />
montiert am Bewehrungskorb eines Bohrpfahles<br />
Abb. 3: HDPE-Absorberleitungen einer „Energieschlitzwand“,<br />
montiert am Bewehrungskorb eines Schlitzwandelementes
oder Kupfer. Beim <strong>Beton</strong>iervorgang werden die<br />
Schläuche unter Druck gesetzt, anschließend<br />
erfolgt eine Dichtheitsprüfung der Rohrleitungen<br />
<strong>mit</strong> einem def nierten Druck von 8 bis 10 bar.<br />
Ist die Bewehrung aufgr<strong>und</strong> großer Pfahllänge zu<br />
stoßen, so kann <strong>mit</strong>tels einer Schweißverbindung<br />
bzw. Patentkupplung die Verbindung der Rohrleitungen<br />
in wenigen Minuten hergestellt werden.<br />
Im Bereich des Pfahlkopfes ist eine Aussparung<br />
angebracht, in der sich die Vor- <strong>und</strong> Rücklauf eitungen<br />
bef nden. Die Pfähle können <strong>mit</strong> einem<br />
oder mehreren Kreisläufen ausgestattet werden.<br />
Beispiele von ausgeführten bzw. in Ausführung<br />
bef ndlichen Projekten <strong>mit</strong> Energief<strong>und</strong>ierungen<br />
sind:<br />
– das Rehabilitationszentrum<br />
Bad Schallerbach<br />
– die Messe- <strong>und</strong> Eishalle Dornbirn<br />
– das Kunsthaus Bregenz<br />
– das Keble College Oxford<br />
– das EA GeneraliCenter Wien<br />
– das Columbuscenter Wien<br />
– der Uniqa Tower Wien<br />
– die Strabag-Zentrale Wien<br />
4 Neuentwicklungen<br />
Die geothermische Heizung <strong>und</strong>/oder Kühlung<br />
von Wohnhäusern, Büro- <strong>und</strong> Geschäftsgebäuden,<br />
Industriebauwerken oder Sportstätten (z. B.<br />
Eislaufhallen) etc. wird in Österreich seit etwa 10<br />
Jahren immer häuf ger angewendet. Hinzu kommen<br />
verschiedenste weitere Einsatzmöglichkeiten<br />
der geothermischen Energie nutzung.<br />
4.1 „Energietunnel“<br />
Die Nutzung von Erdwärme <strong>mit</strong>tels Tunnelbauwerke<br />
bietet gegenüber den traditionellen Anwendungen<br />
folgende Vorteile:<br />
– Tunnelbauwerke liegen von Natur her in<br />
Tiefen, wo bereits <strong>mit</strong> konstanter Jahres<strong>mit</strong>teltemperatur<br />
gerechnet werden kann.<br />
– Tunnelbauwerke bieten große erdberührte<br />
Flächen <strong>und</strong> ermöglichen da<strong>mit</strong> die Erschließung<br />
deutlich größerer Energiemengen.<br />
– Längere Tunnel weisen erhebliche innere<br />
Wärmequellen, vor allem durch die Abwärme<br />
der Fahrzeuge, auf. In U-Bahn-Tunneln<br />
ist dies besonders prägnant, wo auch im<br />
Winter Temperaturen über 20° C vorherrschen<br />
können.<br />
– In den großen Genehmigungsverfahren,<br />
die für Tunnelbauwerke erforderlich sind,<br />
können aus Vorhaben wie der Erdwärmenutzung<br />
auch immaterielle Vorteile erwachsen,<br />
wie etwa ein positives Image des Projektwerbers<br />
oder eine erhöhte Akzeptanz des<br />
Tunnelbaus beim Anrainer.<br />
Die Möglichkeiten der Nutzung der Energie für<br />
Heiz- <strong>und</strong> Kühlzwecke sind vielfältig. Jedes<br />
Tunnelbauwerk verfügt zunächst über einen nicht<br />
unerheblichen Eigenbedarf an Energie. Besonders<br />
deutlich ist dies bei U-Bahn-Sta tionen, wo<br />
verschiedene Räumlichkeiten beheizt <strong>und</strong> gekühlt<br />
werden müssen. Im Eisenbahn- <strong>und</strong> Straßentunnelbau<br />
besteht jedoch auch oft die Notwendigkeit<br />
der Beheizung <strong>und</strong> Kühlung von Betriebsräumen,<br />
Schaltwarten oder Lüfterzentralen. Ein weiteres<br />
wichtiges Feld der Eigennutzung stellt die Eisfreihaltung<br />
dar, besonders im Straßentunnelbau, wo<br />
dies in den Portal- <strong>und</strong> Einfahrtsbereichen aus<br />
Gründen der Verkehrssicherheit sehr wünschenswert<br />
wäre. Im Eisenbahntunnelbau sind ebenfalls<br />
Zufahrten, besonders zu Wartungs- <strong>und</strong> Sicherungsanlagen<br />
wie Rettungsstollen, sowie Bahnsteige<br />
eisfrei zu halten.<br />
Darüber hinaus besteht die Möglichkeit der Veräußerung<br />
von Tunnelenergie an Drittnutzer. Dies ist<br />
vor allem bei innerstädtischen Tunnelbauwerken<br />
interessant, wo die Tunnel meist nah an der Oberf<br />
äche liegen <strong>und</strong> die Abstände zu den Nutzern<br />
gering sind. Ideal sind hier große, neu errichtete<br />
Objekte <strong>mit</strong> gemischter Wohn- <strong>und</strong> Gewerbenutzung<br />
<strong>und</strong> einem möglichst hohen Kühlbedarf.<br />
Beim Einbau von Massivabsorbern in Tunnels ist<br />
zunächst zwischen offenem <strong>und</strong> bergmännischem<br />
Tunnelbau zu unterscheiden. Bei der Anwendung<br />
der offenen Bauweise steht das bereits aus dem<br />
Hochbau bekannte Arsenal an Methoden zur<br />
Verfügung: Einbau von Absorbern in Bohrpfählen,<br />
Schlitzwänden <strong>und</strong> unter den Bodenplatten, zum<br />
Beispiel nach dem bewährten „Enercret“-System<br />
der Firma Nägelebau. Im bergmännischen Tun-<br />
<strong>Expertenforum</strong> <strong>Beton</strong><br />
15
<strong>Expertenforum</strong> <strong>Beton</strong><br />
16<br />
nelbau kann <strong>mit</strong> bestehenden Methoden lediglich<br />
der Sohlbereich von Tunnelröhren <strong>mit</strong> Absorberleitungen<br />
ausgestattet werden. Um auch die Tunnelschalen<br />
nutzen zu können, wurde von der TU<br />
Wien in Zusammenarbeit <strong>mit</strong> der Firma Polyfelt<br />
das so genannte „Energievlies“ entwickelt <strong>und</strong> im<br />
Rahmen einer Versuchsanlage im Lainzer Tunnel<br />
Bauabschnitt „LT22-Bierhäuselberg“ (Abb. 7)<br />
getestet. Weiterführende Forschungsaktivitäten<br />
beschäftigen sich derzeit <strong>mit</strong> der Nutzung von<br />
Erdwärme über Anker.<br />
Die Pilotanlage „Hadersdorf-Weidlingau“ im<br />
Lainzer Tunnel Bauabschnitt LT24, die im Februar<br />
2004 in Betrieb ging, stellt die erste großmaßstäbliche<br />
Anwendung zur Erdwärmenutzung im<br />
Tunnelbau dar. Über 59 Energiepfähle (Abb. 5)<br />
kann eine Wärmeleistung von 150 kW erzeugt<br />
werden, die zur Beheizung der nahe gelegenen<br />
Sporthauptschule Hadersdorf verwendet wird. Der<br />
Betrieb der Anlage wird durch ein umfassendes<br />
wissenschaftliches Forschungsprogramm begleitet,<br />
das es ermöglichen soll, künftige Anlagen<br />
noch eff zienter zu errichten <strong>und</strong> die verschiedenen<br />
Betriebszustände zu optimieren.<br />
Abbildung 5: Querschnitt der geothermischen Versuchsanlage in Hadersdorf-Weidlingau<br />
Abbildung 4: „Energietunnel“ <strong>mit</strong> bergmännischem Vortrieb.<br />
Situierung der verschiedenen Absorberelemente<br />
– schematisch
Abb. 6: Wärmebild des <strong>mit</strong> Energiepfählen ausgerüsteten Tunnelabschnittes beim Lainzer Tunnel Baulos „LT24 –<br />
Hadersdorf-Weidlingau“. Links ist die lokale Abkühlung (Pfeile) der Tunnelschale durch die Energiepfähle deutlich zu<br />
erkennen. Rechts ist im Vergleich dazu die gegenüberliegende Tunnelwand zu sehen, bei der kein Erdwärmeentzug<br />
stattfi ndet.<br />
Die Erfolge dieser Pilotanlage haben schließlich<br />
dazu beigetragen, dass diese Technologie auch<br />
im U-Bahn-Bau eingesetzt wird. Die Wiener Linien<br />
GmbH hat sich entschlossen, im Rahmen der<br />
Verlängerung der U-Bahn-Linie U2 die vier unterirdischen<br />
Stationen „Schottenring“, „Taborstraße“,<br />
„Praterstern“ <strong>und</strong> „Messe“ <strong>mit</strong> einer Erdwärmeanlage<br />
zur Deckung des Heiz- <strong>und</strong> Kühlbedarfs<br />
der Stationen auszurüsten. In Abhängigkeit der<br />
F<strong>und</strong>ierungselemente werden Energiepfähle,<br />
Energieschlitzwände oder Energiebodenplatten<br />
(Abb. 8) verwendet, um eine gesamte Heizleistung<br />
von 449 kW <strong>und</strong> eine gesamte Kühlleistung<br />
Abb. 7: Versuchsanlage <strong>mit</strong> Energievlies beim Baulos<br />
„LT22-Bierhäuselberg“<br />
von 131 kW zu gewährleisten. Besonders bei<br />
der Kühlleistung erweist sich die Nutzung der<br />
Erdwärme als hervorragende Energiequelle, da<br />
die Aggregate im Vergleich zur konventionellen<br />
Ausstattung kleiner ausfallen können <strong>und</strong> die<br />
angesaugten Luftmengen geringer sind, was wieder<br />
zu einer Reduktion von Stollenquerschnitten<br />
führt. Auch bei der Anwendung im U-Bahn-Bau ist<br />
ein intensives Mess- <strong>und</strong> Forschungsprogramm<br />
integ riert, wobei einerseits die Auswirkungen der<br />
Erdwärmeanlagen auf das Tragverhalten der F<strong>und</strong>ierungen<br />
<strong>und</strong> andererseits der Temperaturhaushalt<br />
des Untergr<strong>und</strong>es untersucht werden.<br />
Abb. 8: Herstellung einer Energiebodenplatte beim<br />
Baulos „U2/3-Praterstern“<br />
<strong>Expertenforum</strong> <strong>Beton</strong><br />
17
<strong>Expertenforum</strong> <strong>Beton</strong><br />
18<br />
4.2 „Energiebrunnen“<br />
Bei vielen Bauvorhaben werden Brunnen zur<br />
Absenkung des Gr<strong>und</strong>wasserspiegels benötigt.<br />
Diese meist temporären Maßnahmen können<br />
auch zur Heizung <strong>und</strong>/oder Kühlung benachbarter<br />
Bauwerke genutzt werden, <strong>und</strong> zwar<br />
sowohl temporär als auch permanent. Letzteres<br />
erfordert im Allgemeinen keine aufwändige<br />
zusätzliche wasserrechtliche Genehmigung,<br />
da die Nutzung von einzelnen Brunnen nur zur<br />
geothermischen Energiebewirtschaftung keinen<br />
Eingriff in den Wasserhaushalt des Untergr<strong>und</strong>es<br />
darstellt.<br />
Eine zu Forschungszwecken umfassend instrumentierte<br />
Versuchsanlage wird derzeit in Wien<br />
betrieben, bei der sowohl Entnahmebrunnen<br />
(Wärmequelle) als auch Versickerungsbrunnen<br />
(Wärmesenke) verwendet werden. Zur Erzielung<br />
eines geschlossenen Wärmeträgersystems dienen<br />
U-förmige Rohre als Erdwärmesonden.<br />
4.3 Heizung/Kühlung von<br />
Straßenkonstruktionen<br />
Die Nutzung der Geothermik im Straßenwesen<br />
betrifft vor allem die Heizung von Verkehrsf ächen<br />
in den Wintermonaten, <strong>und</strong> zwar <strong>mit</strong> folgenden<br />
Zielen:<br />
– eisfreie Fahrbahn, so<strong>mit</strong> erhöhte Verkehrssicherheit<br />
– Reduktion des Winterdienstes<br />
– erhöhter Umweltschutz, da Salzung <strong>und</strong><br />
Splittstreuung entfallen<br />
– Erhöhung der Lebensdauer der Fahrbahn<br />
– Verbesserung des Fahrkomforts (keine Montage<br />
von Schneeketten)<br />
– Minimierung von Frost-Tau-Schäden, besonders<br />
bei frostgefährdetem Untergr<strong>und</strong><br />
– Kosteneinsparungen sowohl aus betriebswirtschaftlicher<br />
Sicht für die Straßenverwaltung<br />
als auch aus übergeordneter volkswirtschaftlicher<br />
Sicht<br />
Auch in Galerien gegen Lawinen, Steinschlag<br />
oder Muren <strong>und</strong> in kurzen Tunnels bietet die<br />
Fahrbahnheizung Vorteile im Winter erfährt der<br />
kalte Fahrbahnbelag einen besonders intensiven<br />
Abrieb durch den Autoverkehr. Autoreifen <strong>mit</strong><br />
Spikes <strong>und</strong>/oder Ketten verstärken diesen Effekt<br />
noch mehr. Die daraus resultierende Luftverschmutzung<br />
erfordert eine erhöhte Leistung der<br />
Ventilation, was die Lufttemperatur <strong>und</strong> da<strong>mit</strong> die<br />
Belagstemperatur zusätzlich absenkt. Eine Fahrbahnheizung<br />
kann diesen negativen Kreislauf<br />
unterbrechen.<br />
Derzeit läuft ein mehrjähriges Forschungsprojekt,<br />
um unter anderem die optimale Situierung der<br />
Absorberleitungen (Rohre) aus energetischer<br />
<strong>und</strong> konstruktiver Sicht zu er<strong>mit</strong>teln. Die beiden<br />
Aspekte weisen z. T. konträre Optima auf, sodass<br />
meist Kompromisslösungen erforderlich sind.<br />
Auch die Möglichkeiten eines inter<strong>mit</strong>tierenden<br />
Betriebes werden untersucht.<br />
4.4 Heizung/Kühlung von<br />
Brückenfahrbahnen<br />
Bei auf Pfählen, Schlitzwänden, Brunnen oder<br />
Caissons gegründeten Straßen- <strong>und</strong> Autobahnbrücken<br />
können die F<strong>und</strong>ierungskörper als<br />
Energieabsorber ausgebildet werden, um die<br />
geothermische Energie für die Klimatisierung<br />
der Brückenfahrbahn zu nutzen. Das Energiebewirtschaftungssystem<br />
in Form eines saisonalen<br />
Speichers erfordert nicht unbedingt eine Wärmepumpe,<br />
sondern nur eine Umwälzpumpe. Mit dieser<br />
wirtschaftlichen Methode lassen sich folgende<br />
Vorteile erzielen:<br />
– Eis- <strong>und</strong> Schneefreihaltung der Fahrbahn,<br />
wo<strong>mit</strong> nicht nur auf Streusalz <strong>und</strong> Splitt vollständig<br />
verzichtet werden kann, sondern auch<br />
die Verkehrssicherheit deutlich erhöht wird.<br />
– Verringerung der temperaturbedingten Spurrillenbildung<br />
im Sommer, wobei die Fahrbahntemperatur<br />
immer unter der kritischen<br />
Temperatur gehalten werden kann.<br />
– Schonung des Tragwerkes, der Fahrbahn<br />
<strong>und</strong> insbesondere der Brückenlager durch<br />
den Ausgleich von saisonal <strong>und</strong> tageszeitlich<br />
bedingten Temperaturdifferenzen (Reduktion<br />
von temperaturbedingten Zwängungsspannungen).
Abbildung 9: Straßenkonstruktion <strong>mit</strong> geothermischer Heizung oder Kühlung der Fahrbahn. Beispiel für Heizschlangen<br />
in 10 cm Sandbettung<br />
Literatur<br />
– Adam, D.; Markiewicz, R. (2002): Nutzung<br />
der geothermischen Energie <strong>mit</strong>tels erdberührter<br />
Bauwerke – Teil 1: Theoretische<br />
Gr<strong>und</strong>lagen. In: ÖIAZ, 147. Jg., Heft 4/2002.<br />
Teil 2: Experimentelle Untersuchungen <strong>und</strong><br />
Computersimulationen. In ÖIAZ, 147. Jg.,<br />
Heft 5/2002. Teil 3: Ausführungsbeispiele<br />
<strong>und</strong> Neuentwicklungen. Erscheint in ÖIAZ,<br />
147.Jg., Heft 6/2002, Wien.<br />
– Brandl, H.; Markiewicz, R. (2001): Geothermische<br />
Nutzung von Bauwerksf<strong>und</strong>ierungen<br />
(„Energief<strong>und</strong>ierungen“). In: ÖIAZ, 146. Jg.,<br />
Heft 5-6/2001, Wien.<br />
– Brandl, H.; Adam, D.; Kopf, F. (1999): Geothermische<br />
Energienutzung <strong>mit</strong>tels Pfählen,<br />
Schlitzwänden <strong>und</strong> Stützbauwerken.<br />
Pfahl-Symposium 1999, TU Braunschweig,<br />
Deutschland.<br />
– Brandl, H.; Markiewicz, R. (2002): Die Nutzung<br />
geothermischer Energie im Bauwesen.<br />
Zement+<strong>Beton</strong> 4/02. Zement+<strong>Beton</strong> Handels-<br />
<strong>und</strong> Werbeges.m.b.H., Wien.<br />
<strong>Expertenforum</strong> <strong>Beton</strong><br />
19
<strong>Expertenforum</strong> <strong>Beton</strong><br />
20<br />
Wärmepumpen – rechtliche Erfordernisse<br />
Mag. Dr. Michael FERSTL<br />
Amt der Steiermärkischen Landesregierung, FA 19A Wasserwirtschaftliche Planung, Graz<br />
1 Unterscheidungen<br />
1.1 Thermische Nutzung des Gr<strong>und</strong>wassers<br />
Für den wirtschaftlichen Betrieb von thermischen<br />
Nutzungen des Gr<strong>und</strong>wassers gilt die Voraussetzung,<br />
dass möglichst ganzjährig Gr<strong>und</strong>wasser <strong>mit</strong><br />
konstanter Temperatur zur Verfügung steht.<br />
Bei der thermischen Nutzung von Gr<strong>und</strong>wasser<br />
wird dieses aus einem Entnahmebrunnen entnommen,<br />
in einem Wärmetauscher abgekühlt<br />
oder aufgewärmt <strong>und</strong> bevorzugt gr<strong>und</strong>wasserstromabwärts<br />
wieder dem Entnahmeaquifer<br />
zugeführt.<br />
1.2 Thermische Nutzung des Untergr<strong>und</strong>es<br />
1.2.1 Flachkollektoren<br />
Bei Flachkollektoren werden in einer Tiefe von<br />
etwa 1,2 bis 1,5 m f ächig <strong>und</strong> in Schlaufen<br />
Kunststoffrohre bzw. kunststoffummantelte<br />
Kupferrohre horizontal eingebaut <strong>und</strong> <strong>mit</strong> dem<br />
Wärmeträgermedium bzw. dem Arbeits<strong>mit</strong>tel<br />
gefüllt. Die über die Horizontalkollektoren aufgenommene<br />
Erdwärme wird der Wärmepumpe<br />
zugeführt.<br />
1.2.2 Vertikalkollektoren (Tiefensonden)<br />
Bei diesem Verfahren wird ein Kollektorsystem in<br />
ein Bohrloch eingebracht <strong>und</strong> <strong>mit</strong> dem Wärmeträgermedium<br />
bzw. dem Arbeits<strong>mit</strong>tel gefüllt. Es<br />
wird in erster Linie Wärme aus dem Erdinneren<br />
genutzt. Der Wärmeentzug f ndet hauptsächlich<br />
im Umkreis von 5 m um die Sonden statt. Daher<br />
wird bei Errichtung mehrerer Sonden ein Mindestabstand<br />
von 10 m empfohlen. Kann dieser Abstand<br />
nicht eingehalten werden, ist eine geringere<br />
spezif sche Entzugsleistung für die Bemessung in<br />
Rechnung zu stellen.<br />
2 Rechtliche Gr<strong>und</strong>lagen<br />
2.1 § 31c WRG: Sonstige Vorsorge gegen<br />
W assergefährdung<br />
– Die Errichtung von Anlagen zur Gewinnung<br />
von Erdwärme in wasserrechtlich besonders<br />
geschützten Gebieten <strong>und</strong> in geschlossenen<br />
Siedlungsgebieten ohne zentrale Wasserversorgung<br />
ist bewilligungspf ichtig.<br />
– Die Errichtung von Anlagen zu Gewinnung<br />
von Erdwärme in Form von Vertikalkollektoren<br />
(Tiefensonden) ist anzeigepf ichtig.<br />
– Die Errichtung von Anlagen zur Wärmenutzung<br />
der Gewässer ist anzeigepf ichtig<br />
2.2 § 114 WRG: Anzeigeverfahren<br />
– Ein Vorhaben ist 3 Monate vor Inangriffnahme<br />
<strong>mit</strong> Projektsunterlagen (siehe § 103)<br />
unter Angabe einer 3 Jahre nicht überschreitenden<br />
Bauvollendungsfrist anzuzeigen.<br />
– Eine Anlage gilt als bewilligt, wenn die<br />
Behörde nicht innerhalb von 3 Monaten ab<br />
Einlangen der Anzeige schriftlich <strong>mit</strong>teilt,<br />
dass die Durchführung eines Bewilligungsverfahrens<br />
erforderlich ist.<br />
– Im Anzeigeverfahren bewilligte Anlagen sind<br />
<strong>mit</strong> 15 Jahre ab Einbringung der Anzeige<br />
befristet.<br />
3 Wasserwirtschaftliche<br />
Rahmenbedingungen<br />
3.1 Allgemein<br />
In der Schutzzone III von Schutzgebieten sowie<br />
in Schongebieten gemäß § 34 WRG 1959 dürfen<br />
Anlagen zur thermischen Nutzung des Untergr<strong>und</strong>es<br />
<strong>und</strong> des Gr<strong>und</strong>wassers nur errichtet<br />
werden, wenn:
– die Anlagentypen dem besonderen Schutzbedarf<br />
entsprechen<br />
– spezielle Begleitmaßnahmen gesetzt werden<br />
(z. B. Sperrrohre, Hilfsverrohrung)<br />
– besondere hydrogeologische Standortbedingungen<br />
gegeben sind<br />
– Flachkollektoren bzw. Direktverdampferanlagen<br />
über HHGW verlegt werden (Richtlinie<br />
W72 der ÖVGW)<br />
– korrosionsbeständige Werkstoffe eingesetzt<br />
werden.<br />
3.2 Ablehnungsgründe<br />
Zur nachhaltigen Sicherung der derzeitigen<br />
<strong>und</strong> zukünftigen Trinkwasserversorgung, öffentlicher<br />
Interessen <strong>und</strong> fremder Rechte sind<br />
die Errichtung <strong>und</strong> der Betrieb von Anlagen zur<br />
thermischen Nutzung in folgenden Fällen nicht<br />
zulässig:<br />
– Lage der Anlage innerhalb der Schutzzonen<br />
I <strong>und</strong> II von Wasserschutzgebieten<br />
gemäß § 34 Abs. 1 WRG 1959. (Bei Abänderungen<br />
bzw. Neuausweisungen von<br />
Schutzgebieten der Zone II, wo Wohn- oder<br />
Betriebsobjekte <strong>mit</strong> Ölheizungen existieren,<br />
ist nach Einzelfallprüfung die Errichtung von<br />
Horizontalkollektoren <strong>mit</strong> nicht wassergefährdenden<br />
Kälte<strong>mit</strong>teln wie z. B. R 290 –<br />
Propan bzw. CO2 möglich.)<br />
– Lage der Anlage innerhalb der Schutzzone<br />
III von Wasserschutzgebieten gemäß<br />
§ 34 Abs. 1 WRG 1959, wenn ein besonderer<br />
Schutzbedarf der Gr<strong>und</strong>wasserüberdeckung<br />
gegeben ist (z. B. Ergiebigkeitsschutzgebiet<br />
bei Nutzung gespannter <strong>und</strong><br />
artesisch gespannter Gr<strong>und</strong>wässer).<br />
– Lage der Anlage im un<strong>mit</strong>telbaren Einzugsbereich<br />
von nach § 10 Abs. 1 WRG<br />
1959 bewilligungsfreien Gr<strong>und</strong>wasserentnahmen<br />
zum Zwecke der Trinkwasserversorgung,<br />
wenn eine Beeinträchtigung zu<br />
erwarten ist.<br />
– Thermische Auswirkungen der Anlage bis in<br />
die Schutzzone II von Wasserschutzgebieten<br />
gemäß § 34 Abs. 1 WRG 1959.<br />
– Einschränkung bestehender Rechte an der<br />
Nutzung des Gr<strong>und</strong>wassers <strong>und</strong> des Untergr<strong>und</strong>es.<br />
– Thermische Nutzung von gespannten <strong>und</strong><br />
artesisch gespannten Gr<strong>und</strong>wasservorkommen.<br />
– Anbohren von artesischen Gr<strong>und</strong>wasservorkommen<br />
<strong>mit</strong> einem artesischen Überdruck<br />
von mehr als 3 m über Gelände.<br />
– Anbohren bzw. Durchörtern von gespannten<br />
Gr<strong>und</strong>wasservorkommen <strong>mit</strong> wesentlichen<br />
Druckunterschieden.<br />
4 Anforderungen an ein<br />
Einreichprojekt<br />
Die Anforderungen für ein wasserrechtliches Einreichprojekt<br />
sind in § 103 WRG geregelt:<br />
4.1 Erdwärmepumpe (EWP)<br />
– Eigentümer/Betreiber (Name, Anschrift, Firmensitz),<br />
Projektverfasser (verantwortliche<br />
Zeichnung)<br />
– Art <strong>und</strong> Zweck<br />
– Dauer der Erdwärmenutzung<br />
– gr<strong>und</strong>buchmäßige Bezeichnung aller<br />
beanspruchten Liegenschaften <strong>und</strong> deren<br />
Eigentümer<br />
– berührte fremde Rechte (Wasser-, Fischerei-,<br />
Einforstungsrechte etc.) einschließlich<br />
Vereinbarungen, insbesondere Angabe<br />
bestehender wasserrechtlich bewilligter<br />
Wasserversorgungsanlagen in einem Umkreis<br />
von zumindest 150 m<br />
– Gegenstand <strong>und</strong> Umfang der Inanspruchnahme<br />
fremder Rechte<br />
– technische Beschreibung der EWP<br />
– Hersteller, Fabrikat, thermische <strong>und</strong> elektrische<br />
Leistungsdaten<br />
– verwendete Werkstoffe aller Bauteile,<br />
Art <strong>und</strong> Menge der eingesetzten Arbeits<strong>mit</strong>tel<br />
(Kälte<strong>mit</strong>tel, Kältemaschinenöl,<br />
Wärmträger etc.) <strong>mit</strong> Sicherheitsdatenblättern<br />
<strong>Expertenforum</strong> <strong>Beton</strong><br />
21
<strong>Expertenforum</strong> <strong>Beton</strong><br />
22<br />
– technische Daten des Kollektors (Anzahl<br />
der Kreise, Gesamtlänge <strong>und</strong> Gesamtinhalt<br />
der Leitungen etc.)<br />
– technische Ausrüstung <strong>und</strong> Sicherheitseinrichtungen,<br />
Betriebsweise<br />
– Darstellung der hydrologischen, hydrogeologischen<br />
<strong>und</strong> wasserwirtschaftlichen<br />
Verhältnisse<br />
– Untergr<strong>und</strong>- <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>wasserverhältnisse<br />
bis zur Endteufe<br />
– Lage in wasserrechtlich besonders<br />
geschützten Gebieten<br />
– Angaben betreffend Bohrverfahren,<br />
Bohrlochausbau, oberf ächennahe Abdichtung<br />
des Kollektorkopfes, Ringraumfüllung,<br />
Verrohrung etc.<br />
– technische Vorkehrungen, die bei der<br />
Durchörterung trennender Dichtschichten<br />
zwischen Gr<strong>und</strong>wasserstockwerken<br />
ergriffen werden müssen, um deren<br />
Kurzschluss zu verhindern, einschließlich<br />
Zeitplan<br />
– Er<strong>mit</strong>tlung des Wärmebedarfes <strong>und</strong> seine<br />
vorgesehene Deckung<br />
– Betriebsvorschrift<br />
– Betriebszeitdokumentation<br />
– Wartung <strong>und</strong> Überwachung (Wasserzähler,<br />
Entnahme- <strong>und</strong> Rückleittemperatur)<br />
– Vorgangsweise bei Störungs- <strong>und</strong> Gebrechensfall<br />
– Vorgangsweise bei endgültiger Einstellung<br />
der Wärmegewinnung<br />
4.2 Gr<strong>und</strong>wasserwärmepumpe (GWP)<br />
Zusätzlich zu 4.1:<br />
– Er<strong>mit</strong>tlung des Wasserbedarfes <strong>und</strong> seine<br />
vorgesehene Deckung<br />
– Ergebnis des Pumpversuches <strong>und</strong> evtl.<br />
Beweissicherungen<br />
– Darstellung der Versickerungsanlage (samt<br />
Versickerungsleistung)<br />
– Ergebnis der rechnerischen Abschätzung<br />
der Einf usslänge der Abkühlung des Gr<strong>und</strong>wassers;<br />
bei Flurabständen unter 2 m auch<br />
Beurteilung der Wärmewirkung auf Boden<br />
<strong>und</strong> Vegetation<br />
5 Verfahrensablauf<br />
5.1 Entscheidung – Erdwärme oder<br />
W asserwärme?<br />
Entscheidungsgr<strong>und</strong>lage: Energiebedarf, Geologie,<br />
abgeschätzte Kapazität der Ressource,<br />
Kosten-Nutzen<br />
5.2 Projektierung<br />
Erstellung der Antragsunterlagen nach § 103<br />
WRG unter Beiziehung eines fachk<strong>und</strong>igen <strong>und</strong><br />
befugten Ingenieurkonsulenten oder technischen<br />
Büros für Geologie <strong>und</strong> Hydrogeologie<br />
5.3 Planungsanmeldung<br />
Durchzuführen gem. § 55 (3) WRG beim wasserwirtschaftlichen<br />
Planungsorgan (FA19A – Wasserwirtschaftliche<br />
Planung <strong>und</strong> Siedlungswasserwirtschaft,<br />
Stempfergasse 5-7, 8010 Graz)<br />
5.4 Antrag um wasserrechtliche Bewilligung<br />
– Wenn durch die Bohrung <strong>und</strong>/oder den<br />
Pumpversuch eine Beeinträchtigung fremder<br />
Rechte oder öffentlicher Interessen befürchtet<br />
wird oder<br />
– bei einer Lage innerhalb eines wasserrechtlich<br />
besonders geschützten Gebiets oder<br />
Siedlungsgebiets ohne zentrale Wasserversorgung<br />
muss eine mündliche Verhandlung durchgeführt<br />
werden!<br />
– Wasserwärmepumpen:<br />
< 5 l/s --- Bezirkshauptmannschaft (BH),<br />
> 5 l/s --- Landeshauptmann (LH, FA13A<br />
– Wasserrecht, Landhausgasse 7, 8010<br />
Graz)<br />
– Erdwärmepumpen <strong>mit</strong>tels Tiefensonde:<br />
Bezirkshauptmannschaft (BH)<br />
5.5 Vorbegutachtung durch den<br />
Amtssachverständigen (ASV)<br />
5.6 Entscheidung, ob eine mündliche<br />
Verhandlung erforderlich ist<br />
Erfolgt innerhalb von 3 Monaten ab Antragstellung<br />
keine Rückmeldung der Behörde, gilt das Vorhaben<br />
als bewilligt. Ansonsten wird eine mündliche<br />
Verhandlung durchgeführt.
5.7 Parteiengehör (Wahrung der<br />
Berufungsfrist: 2 Wochen)<br />
5.8 Bewilligung – Bewilligung unter<br />
Au f agen – Ablehnung<br />
5.9 Berufung<br />
– Nächsthöhere Instanz:<br />
BH � LH � Verwaltungsgerichtshof (VwGH)<br />
LH � Lebensministerium = B<strong>und</strong>esministerium<br />
für Land-, Forstwirtschaft, Umwelt <strong>und</strong><br />
Wasserwirtschaft (BMLFUW) � VwGH<br />
– Zurückverweisung an die erste Instanz zur<br />
neuerlichen Verhandlung<br />
5.10 Entscheidung<br />
5.11 Errichtung durch ein konzessioniertes<br />
Unternehmen<br />
5.12 Kollaudierung<br />
Nach Ablauf der Bauvollendungsfrist wird die<br />
Übereinstimmung der ausgeführten Anlage <strong>mit</strong><br />
der erteilten Bewilligung überprüft.<br />
5.13 Wiederverleihung nach Ablauf der<br />
Bewilligungsfrist<br />
Im Anzeigeverfahren gilt eine Anlage für 15 Jahre,<br />
ansonsten für mindestens 10 Jahre bewilligt.<br />
Frühestens 5 Jahre, spätestens 6 Monate vor<br />
Ablauf kann ein Antrag auf Wiederverleihung<br />
eingebracht werden.<br />
6 Meldepfl ichten (an die Behörde)<br />
– Sämtliche Änderungen des Projektes<br />
– bei geringfügigen Änderungen erst bei<br />
der Kollaudierung erforderlich<br />
– sämtliche Störfälle bei der Errichtung (z. B.<br />
Austritt von Mineralölen, Übertagetreten von<br />
artesischem Wasser, Auftreten von Gasen<br />
etc.). Bei größeren Austritten von wassergefährdenden<br />
Stoffen in den Boden (>100 l)<br />
<strong>und</strong> bei jedem Austritt in das Gr<strong>und</strong>wasser<br />
sowie bei Auftritt von Gasen ist der Chemiealarmdienst<br />
des Landes Stmk., bei Austreten<br />
von artesisch gespanntem Gr<strong>und</strong>wasser<br />
auch die wasserwirtschaftliche Planung zu<br />
kontaktieren.<br />
– Sämtliche Störfälle beim Betrieb, die <strong>mit</strong><br />
einer Verunreinigung von Boden <strong>und</strong>/oder<br />
Gr<strong>und</strong>wasser einhergehen: Bei größeren<br />
Austritten von wassergefährdenden Stoffen<br />
in den Boden (> 100 l) <strong>und</strong> bei jedem Austritt<br />
in das Gr<strong>und</strong>wasser ist der Chemiealarmdienst<br />
des Landes Stmk. zu kontaktieren.<br />
– Sämtliche gemeldeten Beeinträchtigungen<br />
fremder Rechte<br />
– die Fertigstellung<br />
– das Ansuchen um Wiederverleihung<br />
– die dauerhafte Außerbetriebnahme der<br />
Anlage<br />
7 Normen <strong>und</strong> Richtlinien<br />
(auszugsweise)<br />
7.1 Rechtliche Normen<br />
– Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG 1959)<br />
BGBl Nr. 215/1959 i. d. F. BGBl. I Nr.<br />
123/2006<br />
– Gr<strong>und</strong>wasserschutzverordnung BGBl. II Nr.<br />
398/2000<br />
– Trinkwasserverordnung BGBl. II Nr.<br />
304/2001 i. d. F. BGBl II Nr. 254/2006<br />
7.2 Regelblätter des Österreichischen<br />
W asser- <strong>und</strong> Abfallwirtschaftsverbandes<br />
– Wasserwirtschaftliche Gesichtspunkte für<br />
die Projektierung von Gr<strong>und</strong>wasserwärmepumpenanlagen,<br />
Arbeitsbehelf Nr. 3, ÖWAV,<br />
Wien 1986<br />
– Anlagen zur Gewinnung von Erdwärme,<br />
Regelblatt 207, ÖWAV, Wien 1993<br />
– Bohrungen zur Gr<strong>und</strong>wassererk<strong>und</strong>ung,<br />
Regelblatt 208, ÖWAV, Wien 1993<br />
– Nutzung des Gr<strong>und</strong>wassers <strong>und</strong> der Erdwärme<br />
für <strong>Heizen</strong> <strong>und</strong> <strong>Kühlen</strong>, Entwurf Regelblatt<br />
207-2, ÖWAV<br />
7.3 Regelblätter des Deutschen Vereins<br />
des Gas- <strong>und</strong> Wasserfaches<br />
– Sanierung <strong>und</strong> Rückbau von Bohrungen<br />
- Gr<strong>und</strong>wassermessstellen <strong>und</strong> Brunnen,<br />
Arbeitsblatt W 135, Nov. 1998<br />
<strong>Expertenforum</strong> <strong>Beton</strong><br />
23
<strong>Expertenforum</strong> <strong>Beton</strong><br />
24<br />
– Geophysikalische Untersuchungen in Bohrungen<br />
- Brunnen <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>wassermessstellen,<br />
Arbeitsblatt W 110, Juni 2005<br />
– Planung, Durchführung <strong>und</strong> Auswertung von<br />
Pumpversuchen bei der Wassererschließung<br />
- Arbeitsblatt W 111, März 1997<br />
– Bohrungen zur Erk<strong>und</strong>ung, Gewinnung <strong>und</strong><br />
Beobachtung von Gr<strong>und</strong>wasser – Arbeitsblatt<br />
W 115, März 2001<br />
– Verwendung von Spülungszusätzen in Bohrspülungen<br />
bei Bohrarbeiten im Gr<strong>und</strong>wasser<br />
– Arbeitsblatt W 116, Apr. 1998<br />
– Bestimmung des Schüttkorndurchmessers<br />
<strong>und</strong> hydrologischer Parameter aus der Korngrößenverteilung<br />
für den Bau von Brunnen<br />
– Arbeitsblatt W 113, März 2001<br />
– Qualif kationsanforderungen für die Bereiche<br />
Bohrtechnik, Brunnenbau <strong>und</strong> Brunnenregenerierung<br />
– Arbeitsblatt W 120, Dez. 2005<br />
– Gewinnung <strong>und</strong> Entnahme von Gesteinsproben<br />
bei Bohrarbeiten zur Gr<strong>und</strong>wassererschließung<br />
– Arbeitsblatt W 114, Juni 1989<br />
7.4 ÖNORMEN<br />
– ÖNORM B 2400: Hydrologie – Hyd rograf<br />
sche Fachausdrücke <strong>und</strong> Zeichen,<br />
1. 11. 2004<br />
– ÖNORM B 2601: Wassererschließung<br />
– Brunnen – Planung, Bau <strong>und</strong> Betrieb,<br />
1. 2. 2004<br />
– ÖNORM B 2602: Wassererschließung –<br />
Quellfassungsanlagen – Planung, Bau,<br />
Betrieb, 1. 6. 2004<br />
– ÖNORMEN M 7753, M 7755-1, M 7763<br />
„Technische Ausführung von Wärmepumpenanlagen“<br />
– ÖNORM B 3120-3: Natürliche Gesteine –<br />
Probenahme – Körnungen, 1. 6. 2004<br />
– ÖNORM B 4422-2: Erd- <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>bau –<br />
Untersuchung von Böden – Bestimmung der<br />
Wasserdurchlässigkeit – Feldmethoden für<br />
oberf ächennahe Schichten, 1. 6. 2002<br />
– ÖNORM EN ISO 14688-1: Geotechnische<br />
Erk<strong>und</strong>ung <strong>und</strong> Untersuchung – Benennung,<br />
Beschreibung <strong>und</strong> Klassif zierung von Bo-<br />
–<br />
–<br />
–<br />
den, Teil 1: Benennung <strong>und</strong> Beschreibung,<br />
1. 2. 2003<br />
ÖNORM EN ISO 14688-2: Geotechnische<br />
Erk<strong>und</strong>ung <strong>und</strong> Untersuchung – Benennung,<br />
Beschreibung <strong>und</strong> Klassif zierung von<br />
Boden, Teil 2: Gr<strong>und</strong>lagen der Bodenklassif<br />
zierung, 1. 12. 2004<br />
ÖNORM EN ISO 22475-1: Probenentnahmeverfahren<br />
<strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>wassermessung, Teil<br />
1: Technische Gr<strong>und</strong>lagen der Ausführung,<br />
1. 12. 2006<br />
ÖNORMEN B 4401, Teil 1-4: Erd- <strong>und</strong><br />
Gr<strong>und</strong>bau – Erk<strong>und</strong>ung durch Schürfe <strong>und</strong><br />
Bohrungen sowie Entnahme von Proben
<strong>Beton</strong> als Speichermasse – Konzepte für Energieoptimierung <strong>und</strong><br />
Behaglichkeit<br />
Arch. DI Ernst GISELBRECHT<br />
Ernst Giselbrecht + Partner architektur zt gmbh, Graz<br />
Klimadesign, Energieoptimierung <strong>und</strong> Behaglichkeit<br />
sind Themen unserer Zeit, welche nicht nur<br />
die Bauherren <strong>und</strong> Gebäudeerrichter interessieren,<br />
sondern auch alle Nutzer.<br />
Moderne Architektur zeigt sich nicht nur darin,<br />
dass sie den Zeitgedanken Formen gibt, sondern<br />
auch die Energieopti mierung zum Thema der<br />
Gebäude macht. Es geht uns Architekten also<br />
darum, die Energiedaten zu optimieren, die Materialien<br />
richtig einzusetzen, <strong>und</strong> darüber hinaus<br />
soll dieses neue Interesse auch zu einer neuen<br />
Ästhetik führen, zu einer Architektur, die in ihrer<br />
Ausformung Ausdruck dieser neuen Gesinnung<br />
ist. Um dies zu erreichen, ist eine der Optionen,<br />
die zur Verfügung stehenden Materialien so zu<br />
wählen, dass sie ihre spezif schen Potenziale einsetzen<br />
können. Ein wichtiges Thema dabei ist die<br />
Speichermasse, <strong>und</strong> wie schon in der Einleitung<br />
erwähnt, ist <strong>Beton</strong> hier das Material schlechthin,<br />
welches wir in der Architektur verwenden.<br />
Als Architekten haben wir während des Studiums<br />
gelernt, dass wir unsere Bauwerke in das<br />
geograf sche Umfeld einbinden sollen. Heute ist<br />
es so, dass wir unsere Gebäude nicht nur in den<br />
landschaftlichen, sondern auch in den energetischen<br />
Umraum einfügen sollen. Dies wird immer<br />
mehr zum Thema, da sich dadurch Synergien <strong>und</strong><br />
Möglichkeiten ergeben, welche in großem Rahmen<br />
Energieeinsparungen bringen. Wenn wir das<br />
Potenzial des energetischen Umraums nutzen<br />
wollen, so brauchen wir die Möglichkeit der Speicherung,<br />
da die Energiepotenziale nicht jederzeit<br />
zur Verfügung stehen. <strong>Beton</strong> ist in diesem Fall<br />
ein ideales Material für uns Architekten, da <strong>Beton</strong><br />
neben der Speicherung auch noch viele andere<br />
Aufgaben übernehmen kann. So ist z. B. die Statik,<br />
die Raumbildung, aber auch die ästhetische<br />
Komponente der Oberf äche von Sichtbeton aus<br />
vielen modernen Architekturen nicht mehr wegzudenken.<br />
VN Medienhaus, Schwarzach<br />
Neben der Speicherfähigkeit ist es natürlich auch<br />
die Aktivierung der <strong>Beton</strong>teile, welche eine breite<br />
Verwendungs möglichkeit von Energie potenzialen<br />
bietet. Wir verwenden unser Tragsystem nicht<br />
nur für die Konstruktion des Bauwerks, sondern<br />
gleichzeitig für Heizung <strong>und</strong> Kühlung.<br />
Wie wir alle wissen, ist die Strahlungswärme<br />
<strong>mit</strong> Abstand die gesündeste <strong>und</strong> angenehmste<br />
Wärme. Mithilfe der <strong>Beton</strong>kern aktivierung können<br />
wir nicht nur das Prinzip des Kachelofens für das<br />
ganze Gebäude einsetzen, sondern das Gebäude<br />
auch kühlen.<br />
Wir sind heute aufgefordert, sehr leichte Gebäude<br />
zu bauen. Das hat da<strong>mit</strong> zu tun, dass die Masse<br />
eines Gebäudes in der heutigen Zeit auch einer<br />
der Indikatoren für die Kosten ist. Wir können<br />
<strong>mit</strong>hilfe der <strong>Beton</strong>kernaktivierung sehr leichte<br />
Gebäude <strong>mit</strong> dünnen Mauern bauen <strong>und</strong> einige<br />
Zentimeter hinter der Oberf äche die Wärme<br />
abführen. Dies führt dazu, dass wir in diesen<br />
leichten Gebäuden im Sommer ein Klima haben,<br />
wie wir es von alten Schlössern <strong>mit</strong> meterdicken<br />
Mauern kennen.<br />
<strong>Expertenforum</strong> <strong>Beton</strong><br />
25
<strong>Expertenforum</strong> <strong>Beton</strong><br />
26<br />
▲ Biokatalyse, Graz<br />
▼ Villa R., Graz
In diesem Zusammenhang müssen natürlich die<br />
Einsatz möglichkeiten der Materialien intelligent<br />
verknüpft werden. Es geht darum, dass die Qualitäten<br />
des Glases <strong>mit</strong> den Qualitäten der Speichermasse<br />
verb<strong>und</strong>en werden, um so Behaglichkeit<br />
zu schaffen. Das Multitalent <strong>Beton</strong> hilft uns dabei,<br />
<strong>und</strong> ich darf Ihnen einige Beispiele aus meinem<br />
Architektur büro zeigen.<br />
Medienhaus der Vlbg. Nachrichten<br />
Das Vorarlberger Medienhaus ist ein Beispiel<br />
dafür, wie Betriebsgebäude Energiepotenziale<br />
nutzen können. Die Heizung dieses Gebäudes<br />
wird gespeist durch die Abwärme der Druckmaschine.<br />
Das Gebäude ist eines der ersten,<br />
bei denen in Vorarlberg <strong>Beton</strong>kernaktivierung<br />
angewandt wurde. Die Kühlung verläuft über die<br />
Piloten, die notwendig waren, da sehr schlechte<br />
Gr<strong>und</strong>verhältnisse den Bau dort bestimmten. Die<br />
Piloten gehen ca. 36 m tief ins Erdreich <strong>und</strong> sind<br />
auch aktiviert <strong>und</strong> bestreiten die Kühlung. Das<br />
Gebäude hat ca. 5.000 m² Nutzf äche <strong>und</strong> weist<br />
Energiekosten für Heizung <strong>und</strong> Kühlung pro Jahr<br />
auf, die einem Einfamilienhaus entsprechen.<br />
Roche Diagnostics - New Site Graz<br />
Die Kühlanlagen der Reinräume übernehmen in<br />
der produktionsfreien Zeit die Kühlung über die<br />
<strong>Beton</strong>kern aktivierung. Die Speicherfähigkeit von<br />
<strong>Beton</strong> macht es möglich, die Zeiten, in denen keine<br />
<strong>Kühlen</strong>ergie zur Verfügung steht, zu überbrücken.<br />
So ist es möglich, ein Kühl aggregat einzusparen<br />
<strong>und</strong> die vorhandenen optimal einzusetzen.<br />
Biokatalyse TU Graz<br />
Laborgebäude <strong>mit</strong> Verglasung nach Süden - die<br />
besondere städtebauliche Situation machte es<br />
notwendig, dieses Laborgebäude nach Süden zu<br />
orientieren. Mithilfe von speziellen Sonnenschutzelementen,<br />
welche dem Gebäude als dynamische<br />
Fassade eine spezielle Ästhetik verleihen, <strong>und</strong><br />
der <strong>Beton</strong>kernaktivierung war es möglich, ein<br />
höchst behagliches Arbeitklima für dieses internationale<br />
Forschungszentrum zu realisieren.<br />
Villa in Rot<br />
Die Anwendung von Erdsonden <strong>und</strong> Wärmepumpe<br />
in Verbin dung <strong>mit</strong> <strong>Beton</strong>kernaktivierung schafft<br />
neue Möglichkeiten für Behaglichkeit auch im<br />
Wohnhausbau.<br />
Zentrale ÖWG/ÖWGES GRAZ<br />
Die größte steirische Wohnbaugenossenschaft<br />
hat für ihre Zentrale einen baukünstlerischen<br />
Wettbewerb ausgeschrieben, den wir gewinnen<br />
konnten. Das Gebäude beinhaltet neben den<br />
Administrations- <strong>und</strong> Technikerbüros auch eine<br />
Repräsentations- <strong>und</strong> Servicezone. Sämtliche<br />
Decken <strong>und</strong> <strong>Beton</strong>teile sollen aktiviert werden <strong>und</strong><br />
über ein Erdsondenfeld <strong>und</strong> Wärmepumpen die<br />
Heiz- <strong>und</strong> <strong>Kühlen</strong>ergie beziehen.<br />
Zusammen <strong>mit</strong> einer kontrollierten Be- <strong>und</strong> Entlüftung<br />
soll eine optimale Behaglichkeit garantiert<br />
werden. Dies könnte große Breitenwirkung haben<br />
<strong>und</strong> so vielleicht demnächst zum Standard im<br />
steirischen Wohnbau werden.<br />
<strong>Expertenforum</strong> <strong>Beton</strong><br />
27
<strong>Expertenforum</strong> <strong>Beton</strong><br />
28<br />
Schnittstelle <strong>Beton</strong> <strong>und</strong> Kühltechnik – von der<br />
Baustellenkoordination bis zur Gewährleistung<br />
DI Dr. techn. Gernot TILZ<br />
REHAU Gesellschaft m.b.H., Guntramsdorf<br />
Die Nutzung regenerativer Quellen auf der<br />
„Energiegewinnungsseite“ sowie die eff ziente<br />
Energieverteilung <strong>und</strong> Abgabe auf der „Nutzerseite“<br />
haben den Einsatz neuer Technologien <strong>und</strong><br />
Verfahren im Bauwesen erzwungen.<br />
Dem schnell wachsenden Markt <strong>und</strong> unbändigen<br />
Nachfragen nach derartigen Lösungen waren<br />
Planer, Verarbeiter <strong>und</strong> Systemanbieter in letzter<br />
Zeit nicht stets gewachsen.<br />
Nach vielen Versuchen <strong>und</strong> differenzierten Ansätzen<br />
<strong>mit</strong> anschaulichen, aber auch weniger glücklichen<br />
Lösungen lassen sich aus heutiger Sicht<br />
Qualitätskriterien def nieren, die, in Abhängigkeit<br />
der Projekteigenschaften, bestimmte Anforderungen<br />
an Planung, Verarbeitung, Systemkomponenten<br />
oder Materialien def nieren.<br />
Basis dieser Entwicklung war das intensive<br />
Zusammenspiel aus Forschung <strong>und</strong> Entwicklung,<br />
Fachplanern, Verarbeitern <strong>und</strong> der Industrie,<br />
Tab. 1: Qualitätskriterien <strong>und</strong> Einfl ussparameter bei Bauteilaktivierung <strong>und</strong> Geothermie<br />
deren Symbiose serienreife Systeme entsprungen<br />
sind, die wesentliche Qualitätskriterien wie<br />
– Betriebssicherheit<br />
– Dauerhaftigkeit<br />
– Eff zienz<br />
– Nachhaltigkeit in Hinblick auf<br />
Gewässer- <strong>und</strong> Bodenschutz<br />
erfüllen.<br />
Die eff ziente Kombination aus Aktivierung<br />
speicherwirksamer Massen <strong>und</strong> geothermischen<br />
Potenzialen ist längstens bekannt (Abb. 1). Um<br />
diesen Systemen auch langfristig einen fruchtbaren<br />
Boden für die eff ziente Gebäudebewirtschaftung<br />
zu sichern, bedarf es eines strikten<br />
Qualitätsmanagements, das sämtliche Bereiche<br />
der Herstellung, der Einzelkomponenten sowie<br />
der Planung berücksichtigt.<br />
Diese lassen sich im Wesentlichen in folgende<br />
Teilbereiche (Tab. 1) abbilden:<br />
Qualitätskriterium Dimensionierung Tiefbauverfahren Konstruktion Materialqualität<br />
Einf ussparameter – Heizbetrieb – Geologie<br />
– Leitungsstruktur – Mediumtemperatur<br />
– Kühlbetrieb – Wasserverhältnisse – Verlegeschema – Druck<br />
Betriebsst<strong>und</strong>en Bohrverfahren<br />
Schachtkonzept – mechanische<br />
– Lasten<br />
– Bohrtiefe<br />
– Flexibilität<br />
Beanspruchung<br />
– Regelung – Verpressvorgang – Zugänglichkeit – chemische<br />
– etc.<br />
– etc.<br />
– etc.<br />
Beanspruchung<br />
– etc.<br />
Abb. 1: Decken-Temperaturprofi l bei <strong>Beton</strong>kerntemperierung. Quelle: Tilz REHAU Gesellschaft m.b.H.
Heutige Erfahrungen zeigen uns, dass gerade<br />
im kombinierten Heiz- <strong>und</strong> Kühlbetrieb die hohe<br />
Eff zienz <strong>und</strong> Wirtschaftlichkeit der beschriebenen<br />
Anlagen liegt. Doch gerade in diesen Fällen sind<br />
aufgr<strong>und</strong> der höheren Beanspruchung, aufwändigeren<br />
Regelungen <strong>und</strong> komplexeren Hydraulikschemen<br />
alle Projektbeteiligten besonders<br />
gefordert.<br />
Wir sprechen aber auch von der Notwendigkeit<br />
einer exakten Darstellung bauphysikalischer<br />
Randbedingungen, die in standardisierten Berechnungstools<br />
geringen Einf uss f nden. Hocheff<br />
ziente Gebäude, die nicht zuletzt vom Einf uss<br />
solarer Gewinne abhängig sind, weisen eine<br />
Abb. 2: Fehlende Punktlastbeständigkeit bei PE-100-Rohren<br />
Quelle: Tilz REHAU Gesellschaft m.b.H.<br />
Abb. 3: Geplante Leitungsstrukturen als Mindeststandard<br />
Quelle: Tilz REHAU Gesellschaft m.b.H., Forster<br />
hohe Empf ndlichkeit gegenüber wechselnden<br />
Witterungsverhältnissen auf. Die Herausforderung<br />
liegt darin, den Spagat zwischen hoher Flexibilität<br />
in Hinblick auf wechselnde Witterungsverhältnisse<br />
<strong>und</strong> einem trägen Abgabesystem zu schaffen,<br />
eine Kunst an Dimensionierung <strong>und</strong> Regelungstechnik.<br />
Flexibilität betrifft einen weiteren wichtigen<br />
Bereich – jenen der Nutzung: Die Eff zienz einer<br />
geo thermischen Anspeisung der <strong>Beton</strong>kerntemperierung<br />
steigt <strong>mit</strong> zunehmendem <strong>Kühlen</strong>ergiebedarf.<br />
Diese sind vorwiegend bei komplexen<br />
Gebäuden im Bürohaus- <strong>und</strong> Industriebau<br />
vorzuf nden. Dort werden wir auch zunehmend<br />
Abb. 4: Positiv- <strong>und</strong> Negativ-<br />
Beispiel einer Verpressung<br />
– direkter Einfl uss auf die<br />
Effi zienz der Anlage<br />
Quelle: Tilz/Forster<br />
<strong>Expertenforum</strong> <strong>Beton</strong><br />
29
<strong>Expertenforum</strong> <strong>Beton</strong><br />
30<br />
<strong>mit</strong> häuf gen Nutzerwechseln oder veränderlichen<br />
Raumstrukturen konfrontiert. Nur ausgeklügelte<br />
Leitungsstrukturen <strong>und</strong> Strangkonzepte könne<br />
auch dauerhaft diese räumliche Flexibilität gewährleisten.<br />
Dieser Qualitätsanspruch, der seinen<br />
Anfang in den ersten Gr<strong>und</strong>zügen der Planung<br />
f nden muss, wirkt sich auch wesentlich auf den<br />
Betrieb sowie die Wartung <strong>und</strong> Instandhaltung<br />
des Gebäudes aus. Die Anforderung, den technischen<br />
Ausbau zugänglich <strong>und</strong> kontrollierbar zu<br />
halten, soll als Voraussetzung gelten. Sowie auch<br />
die Ansprüche an Verarbeitung <strong>und</strong> Materialqualität.<br />
Die Werkstoffbranche hat an die hohen Anforderungen<br />
an Systemkomponenten bei der<br />
Verbauung von Rohren in Schüttmaterial, wie<br />
etwa im Bereich der <strong>Beton</strong>kerntemperierung<br />
oder Geothermie, reagiert. Fehler durch Einsatz<br />
minderwertiger Rohrqualität, wie sie Anfang der<br />
80-er-Jahre im Bereich der Fußbodentechnik<br />
z. B. <strong>mit</strong> PEHD gemacht wurden, sollten auch in<br />
der <strong>Beton</strong>kerntemperierung <strong>und</strong> Geothermie der<br />
Vergangenheit angehören. So kann im Deckenbereich<br />
der Einsatz von PE-Xa als Standard<br />
angesehen werden, im Erdbereich haben sich die<br />
kunststofftechnischen Schwächen von PE 100<br />
bis dato noch nicht zur Gänze verbreitet. Tatsachen,<br />
wie die fehlende Punktlastbeständigkeit<br />
(siehe Abb. 2), das ausgeprägte Risswachstum<br />
bei Kerbverletzungen <strong>und</strong> die geringe Temperaturbeständigkeit<br />
bei PE 100, sollten gerade in<br />
Hinblick auf den steigenden <strong>Kühlen</strong>ergiebedarf<br />
unbedingt berücksichtigt werden. Der Einsatz von<br />
vernetztem Polyethylen sollte sich als Standard<br />
durchsetzen.<br />
Denn die Rohrqualität <strong>und</strong> die zugehörige Verarbeitung<br />
(Bohrung, Verpressung etc.) haben<br />
direkte Auswirkungen auf wesentliche Eigenschaften<br />
der Anlagen wie Dauerhaftigkeit, Betriebssicherheit,<br />
Eff zienz oder wasserrechtliche<br />
Aspekte (Abb. 3). Zur Sicherung des langfristigen<br />
Erfolges der <strong>Beton</strong>kernaktivierung in Kombination<br />
<strong>mit</strong> geothermischen Potenzialen führt deswegen<br />
kein Weg an einer interdisziplinäre Betrachtungen<br />
nach Tab. 1 vorbei. Letztendlich kann nur dieses<br />
übergreifende Systemdenken Ausgang für noch<br />
eff zientere Lösungen im Dienste einer nachhaltigen<br />
Gebäudebewirtschaftung sein.
Schnittstelle <strong>Beton</strong> <strong>und</strong> Akustik – schalltechnische Optimierung<br />
thermisch genutzter Decken<br />
Ing. Manfred BULLA<br />
Saint-Gobain Ecophon, Leibnitz<br />
Herausforderungen zwischen<br />
Architektur <strong>und</strong> Technik<br />
Die Kühlung moderner Bürogebäude durch <strong>Beton</strong>kerntemperierung<br />
(BKT) hat sich in den letzten<br />
Jahren in Europa zu einem elementaren Bestandteil<br />
der technischen Gebäudekonzepte entwickelt.<br />
Insbesondere die wirtschaftlichen Aspekte eines<br />
ressourcenschonenden Heiz- <strong>und</strong> Kühlbetriebs,<br />
aber auch die Vorteile im Hinblick auf eine komfortable<br />
Temperierung überzeugen dabei. Eine<br />
behagliche Raumtemperatur lässt sich durch die<br />
Nutzung großer Speichermassen <strong>und</strong> lediglich<br />
geringer Temperaturdifferenzen zwischen System<br />
<strong>und</strong> Raum herstellen.<br />
Für Planer <strong>und</strong> Bauherren ist dieser Trend besonders<br />
dann eine Herausforderung, wenn die<br />
Überschneidung <strong>mit</strong> akustischen Lösungen im<br />
Deckenbereich stattf ndet. Die thermische wie<br />
die akustische Anwendungsforschung zeigen<br />
jedoch: Es gibt Möglichkeiten, beiden Aspekten<br />
durch eine frühzeitige <strong>und</strong> ganzheitliche Planung<br />
gerecht zu werden.<br />
Mit dem Ziel, das System der Flächenkühlung<br />
umfangreich zu nutzen <strong>und</strong> dabei mindestens die<br />
thermische Gr<strong>und</strong>last im Gebäude abzudecken,<br />
müssen allerdings gr<strong>und</strong>sätzliche Entscheidungen<br />
über die Ansprüche an das Gebäude <strong>und</strong> den<br />
Raum getroffen werden.<br />
Basisentscheidungen zum Gebäude<br />
Basisentscheidungen zum Gebäudetyp <strong>und</strong> der<br />
Gebäudestruktur bilden die Voraussetzung für die<br />
Verbindung des akustischen Konzeptes <strong>mit</strong> der<br />
Funktionsweise der <strong>Beton</strong>kerntemperierung:<br />
– Begrenzung der Kühl- <strong>und</strong> Heizlasten durch<br />
Gebäudegestaltung <strong>und</strong> -konstruktion<br />
– größtmögliche Bauschwere zur thermischen<br />
Speicherfähigkeit<br />
– Akzeptanz einer eingeschränkten individuellen<br />
<strong>und</strong> genauen Regelbarkeit der Solltemperatur<br />
– Adaptation des Lüftungssystems an das<br />
thermische Konzept<br />
Die Decke <strong>mit</strong> ihrer Doppelfunktion im Hinblick auf<br />
die Temperierung <strong>und</strong> Bedämpfung des Raumes<br />
erhält dabei einen besonderen Einf uss.<br />
Konkurrierende Ansprüche an die<br />
Deckenfl äche<br />
Wesentliche Bedeutung hat der thermische<br />
Komfort im Aufenthaltsbereich des Raumes bis zu<br />
einer Höhe von 2,0 m. Um dabei ein adäquates<br />
Maß an Kühlung zu erreichen, muss in der Regel<br />
ein wesentlicher Teil der Deckenf äche unverdeckt<br />
bleiben. Gleichzeitig benötigt die akustische<br />
Konditionierung des Raumes ebenfalls große<br />
Anteile der Deckenf äche. Denn zum einen kann<br />
das notwendige Maß an Absorptionsf äche über<br />
andere Raumbegrenzungsf ächen oder Einrichtungsgegenstände<br />
nur schwer erreicht werden,<br />
zum anderen ist die Minderung der Schallausbreitung<br />
entscheidend für die Privacy im Raum.<br />
Offenk<strong>und</strong>ig nimmt der Temperaturverlauf an der<br />
Decke Einf uss auf die empf<strong>und</strong>ene (operative)<br />
Raumtemperatur, die sich aus der Lufttemperatur<br />
<strong>und</strong> der <strong>mit</strong>tleren Strahlungstemperatur der<br />
Umgebungsf ächen ergibt. Untersuchungen in<br />
der Klimakammer haben jedoch gezeigt, dass<br />
der thermische Komfort im Raum nicht allein von<br />
der energetischen Eff zienz der BKT abhängt.<br />
Auch die weiteren Raumbegrenzungsf ächen <strong>und</strong><br />
die Wärmeübertragung zur Decke wirken sich<br />
entsprechend aus. Das Eintreten von konvektiver<br />
Kälteemission kann durch den Einsatz von<br />
Deckensegeln gezielt unterstützt werden. Zahlreiche<br />
Randbedingungen bieten also Spielraum für<br />
die parallele Verwirklichung von akustischem <strong>und</strong><br />
<strong>Expertenforum</strong> <strong>Beton</strong><br />
31
<strong>Expertenforum</strong> <strong>Beton</strong><br />
32<br />
SÜC Coburg, Verwendung von Ecophon-Baffeln in den Büroräumen<br />
thermischem Komfort. Die thermische Behaglichkeit<br />
kann deshalb auch <strong>mit</strong> einer anteiligen<br />
Nutzung der Deckenf äche für akustische Maßnahmen<br />
erhalten bleiben, allerdings wächst der<br />
Energieaufwand da<strong>mit</strong> stärker.<br />
Die Entscheidung für das erforderliche Maß<br />
an raumakustischem Komfort orientiert sich an<br />
Raumform <strong>und</strong> -größe, Raumbelegung <strong>und</strong> Aktivität.<br />
Es gilt zu bedenken, dass die Einschränkung<br />
von oder der Verzicht auf effektive Akustikmaßnahmen<br />
sich kontinuierlich leistungsmindernd<br />
auswirken kann. Für den Einsatz in betonkernaktivierten<br />
Gebäuden, in denen nur eine geringe<br />
„Störung“ der thermisch aktivierten Deckenf äche<br />
durch Akustikmaßnahmen erlaubt ist, können<br />
akustisch höchstwirksame Baffelelemente oder<br />
kleinformatige Deckensegel eine ver<strong>mit</strong>telnde<br />
Lösung darstellen. Allerdings ermöglicht nur eine<br />
bewusste Auswahl <strong>und</strong> Platzierung der akustischen<br />
Elemente eine zuverlässige Wirkungsweise<br />
des thermischen Systems.
Die frühe Verankerung des raumakustischen<br />
Komforts innerhalb des Gesamtkonzeptes unterstützt<br />
eine gelungene <strong>und</strong> nutzerorientierte<br />
Raumgestaltung, denn: Akustik ist unverzichtbar.<br />
Doch im Hinblick auf eine wirksame <strong>Beton</strong>kerntemperierung<br />
ist nicht nur der Anteil der akustisch<br />
genutzten Deckenf äche zu berücksichtigen. Auch<br />
die Art der Luftführung trägt erheblich zum thermischen<br />
Komfort bei.<br />
Die Anpassung der akustischen<br />
Lösung an das Lüftungssystem<br />
Eine durchdachte Wahl von Akustikelementen<br />
<strong>und</strong> eine sorgfältige Planung der Raumluftführung<br />
sind Gr<strong>und</strong>voraussetzung für eine effektive Abfuhr<br />
der Wärmelasten über die Decke. Im europäischen<br />
Raum lassen sich dabei gr<strong>und</strong>sätzlich zwei<br />
Systeme unterscheiden.<br />
Quelllüftung wird üblicherweise für das zusätzliche<br />
Abkühlen des Raumes verwendet. Deshalb<br />
unterstützt es die Behaglichkeitstemperatur im<br />
Aufenthaltsbereich, wo kühlere Luft vom Boden<br />
aus entlang der Wärmequellen (Büromaterial,<br />
Personen) aufsteigt. Mischlüftung ist eine sehr<br />
häuf ge Form der Luftverteilung <strong>und</strong> wird <strong>mit</strong>unter<br />
für die zusätzliche Beheizung verwendet. Sie<br />
erlaubt eine gleichmäßige Temperaturverteilung<br />
im ganzen Raum.<br />
Untersuchungsergebnisse deuten an, dass ein<br />
erheblicher Anteil an der Raumkühlung durch die<br />
natürliche Konvektion erzeugt wird. Deshalb ist es<br />
wichtig, die Luftumwälzung unter der Decke nicht<br />
zu behindern. Abhängig vom akustischen System,<br />
dem Belegungsgrad der Decke, der Abhängehöhe<br />
zur Decke <strong>und</strong> den Entfernungen zwischen den<br />
akustischen Elementen können unterschiedliche<br />
Effekte auf die Kühlwirkung eintreten.<br />
Eine Belegungsdichte von 30-45 % der Raumgr<strong>und</strong>f<br />
äche stellt bereits häuf g eine sinnvolle<br />
akustische Maßnahme dar. Generell zeigt sich,<br />
dass da<strong>mit</strong> geringe Minderungen in der Kühlleistung<br />
<strong>und</strong> stabile Raumtemperaturen erreicht<br />
werden können.<br />
Ob eine derartige raumakustische Gestaltung für<br />
die vorgesehene Nutzung ausreichend ist, lässt<br />
sich erst in der individuellen Planung erkennen.<br />
Für eine optimale akustische Umgebung kann<br />
dann die ergänzende Nutzung untemperierter Flächen<br />
erforderlich sein. Dazu eignen sich Wandf ächen,<br />
Abkofferungen oder Deckenrandbereiche.<br />
Bewusste Entwicklung von<br />
anspruchsgerechten Räumen<br />
Die <strong>Beton</strong>kerntemperierung als nachhaltige<br />
Lösung f ndet nicht zuletzt solch großen Anklang<br />
durch die Vordergründigkeit der schieren <strong>Beton</strong>decke<br />
als zeitlose Verbindung von Form <strong>und</strong><br />
Funktion. Die Ergänzung dieses Systems durch<br />
akustische Elemente setzt sowohl funktionale als<br />
auch ästhetische Akzente. Es entstehen räumliche<br />
Umgebungen, die sich an den Kernbedürfnissen<br />
des Menschen orientieren <strong>und</strong> da<strong>mit</strong> für eine<br />
bewusste Planung stehen.<br />
<strong>Expertenforum</strong> <strong>Beton</strong><br />
33
<strong>Expertenforum</strong> <strong>Beton</strong><br />
34<br />
<strong>Beton</strong>fertigteile liefern Heiz- <strong>und</strong> <strong>Kühlen</strong>ergie – die neue<br />
Trepka-Zentrale<br />
Bmstr. DI (FH) Robert KAMLEITNER<br />
Alfred Trepka GmbH, Obergrafendorf, www.trepka.at<br />
Ziel der Firmenleitung war es, ein zeitgemäßes<br />
Gebäude für zeitgemäßes Arbeiten zu schaffen.<br />
Dies spiegelte sich in Vorgaben wie Funktionalität,<br />
Transparenz <strong>und</strong> Energieeff zienz. Aufgr<strong>und</strong> der<br />
Tatsache, dass <strong>Beton</strong> im Allgemeinen <strong>und</strong> Fertigteile<br />
im Speziellen unser Haupteinsatzgebiet sind,<br />
war klar, <strong>mit</strong> welchem Material wir bauen. Die<br />
hohe Wärmespeicherkapazität des <strong>Beton</strong>s legte<br />
für uns den Schluss nahe, ein Energiekonzept zu<br />
entwickeln, das <strong>Beton</strong> als Energiespeicher nutzt.<br />
Energiekonzept<br />
Klar ist, dass wer modern, innovativ <strong>und</strong> nachhaltig<br />
baut, nicht auf Energieträger wie Öl oder Gas<br />
greifen kann. Zur Gewährleistung der gewünschten<br />
Raumtemperatur <strong>und</strong> zur Sicherstellung einer<br />
ausreichenden Lüftung wurde ein Raumkonditionierunsgskonzept<br />
umgesetzt, das aus einer mechanischen<br />
Lüftung (kontrollierte Zu- <strong>und</strong> Abluft<br />
<strong>mit</strong> Wärmerückgewinnung) sowie einer Bauteilaktivierung<br />
(Wasser-Wasser-Wärmepumpe) besteht.<br />
Für die Nutzung des Energiespeichers <strong>Beton</strong><br />
wurden die Parapetwände (<strong>Beton</strong>sandwichwände)<br />
<strong>und</strong> die <strong>Beton</strong>decken vorgesehen (Abb. 1).<br />
Die kontrollierte Belüftung erfolgt in den Büros<br />
<strong>und</strong> wird in der zentralen Halle abgesaugt. Diese<br />
zentrale Halle (Abb. 2), das Herz des Gebäudes,<br />
dient zur passiven Solarenergienutzung <strong>und</strong> auch<br />
als grüne Lunge.<br />
Zur Abschätzung der thermischen Qualität wurde<br />
ein dynamisches Simulationsmodell des Gebäudes<br />
über ein Jahr simuliert. Daraus ergab sich<br />
eine Energiekennzahl von 20 kWh/m 2 a.<br />
Abb. 1: Systemansicht der betontemperierten Bauteile<br />
(rot)<br />
Abb. 2: Eingangshalle <strong>mit</strong> grüner Lunge
Planung<br />
Das von Bauatelier Schmelz & Partner vorgegebene<br />
Entwurfskonzept <strong>und</strong> Raumprogramm<br />
wurde durch die bürointerne Planungsabteilung<br />
in Zusammenarbeit <strong>mit</strong> dem Statiker, Herrn<br />
DI Schuh, in eine Fertigteillösung umgeplant.<br />
Ca. 74 % der massiven Gebäudeaußenhülle sind<br />
aus Stahlbetonfertigteilen. Hinzu kommen noch<br />
die Säulen sowie Unterzüge bzw. Träger.<br />
Vor allem bei der Planung der als Energiespeicher<br />
nutzbaren Sandwichwände (Abb. 3) sowie<br />
der Sonderelementdecken (Abb. 4) wurden,<br />
neben einer genauen Führung der Schläuche,<br />
auch deren exakte Anschlüsse geplant. Bei der<br />
Sonderelementdecke wurde eine trapezförmige<br />
Untersicht geplant, um einerseits die <strong>Beton</strong>oberf<br />
äche zu erhöhen <strong>und</strong> andererseits die Möglichkeit<br />
zu bieten, an den Tiefpunkten Befestigungen<br />
von Lampen, Einrichtungen etc. durchführen zu<br />
können. Nebenbei wirkte sich die Prof lierung der<br />
Untersicht positiv auf die Raumakustik aus.<br />
In die Fertigteilsäulen (40 cm x 40 cm) <strong>mit</strong> einer<br />
Länge von ca. 16,0 m wurde ein Kunststoffrohr<br />
Abb. 3: Systemschnitt<br />
Sandwichwand<br />
Abb. 4: Systemschnitt Sonderelementdecke<br />
DN100 <strong>mit</strong>eingeplant, um zusätzliche Geschossverbindungen<br />
für Leitungsführungen zu ermöglichen.<br />
Produktion der Fertigteile zum <strong>Heizen</strong><br />
<strong>und</strong> <strong>Kühlen</strong><br />
Die Sandwichwand <strong>mit</strong> einem Aufbau von 8 cm<br />
Vorsatzschale, 16 cm Dämmung <strong>und</strong> 14 cm Tragschale<br />
wurde gr<strong>und</strong>legend wie eine übliche Sandwichplatte<br />
produziert. Es wurden lediglich auf den<br />
Bewehrungskorb der Tragschale die Schläuche<br />
für den Transport der Heiz- <strong>und</strong> <strong>Kühlen</strong>ergie<br />
geb<strong>und</strong>en (Abb. 5). Auf die richtige Führung der<br />
Schläuche sowie deren Anschluss beim Fertigteil<br />
wurde besonders Wert gelegt.<br />
Abb. 5: Bewehrungskorb <strong>mit</strong> aufgeb<strong>und</strong>enen Schläuchen<br />
Des Weiteren wurde die Oberf äche der Vorsatzschale<br />
2-mal gesäuert <strong>und</strong> hydrophobiert,<br />
wodurch diese vor Verschmutzung <strong>und</strong> Regen<br />
geschützt wird. Die Farbe (Anthrazit) erzielten wir<br />
durch Beigabe von Eisenoxyd-Schwarz.<br />
Für die Prof lierung der Sonderelementdecke wurden<br />
Trapezteile aus Holz in die Schalung eingelegt.<br />
Ansonsten wurden ähnlich wie bei der Sandwichwand<br />
die Schläuche auf die Bewehrung geb<strong>und</strong>en,<br />
in die Schalung verlegt <strong>und</strong> <strong>mit</strong>einbetoniert.<br />
Bauphase<br />
Baubeginn war Juli 07. Wie meistens bei hausinternen<br />
Baustellen, werden diese bei guter Auftragslage<br />
hintangestellt. So war fast den ganzen<br />
Sommer Stillstand <strong>und</strong> erst im Oktober 07 wurde<br />
wieder weitergearbeitet. Aufgr<strong>und</strong> der hohen An-<br />
<strong>Expertenforum</strong> <strong>Beton</strong><br />
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<strong>Expertenforum</strong> <strong>Beton</strong><br />
36<br />
zahl an Fertigteilen <strong>und</strong> der da<strong>mit</strong> witterungsunabhängigen<br />
Montage, konnte aber trotzdem eine<br />
Komplettbauzeit (BM + Professionisten) von<br />
11 Monaten realisiert werden.<br />
Im Vergleich zu Standard-Fertigteilen stellt das<br />
Versetzen von Bauteilen, die <strong>mit</strong> Rohrleitungen<br />
bestückt sind (Abb. 6) keinen zusätzlichen Aufwand<br />
dar. Die Schläuche bei den Sonderelementdecken<br />
wurden vor dem <strong>Beton</strong>ieren des Aufbetons<br />
nach „oben“ geb<strong>und</strong>en (Abb. 7).<br />
Im Endausbau erfolgte dann der Anschluss der<br />
einzelnen Kreise (Decke <strong>und</strong> Parapetwand) an<br />
das Gesamtsystem, die dann unter dem Doppelboden<br />
verschwanden (Abb. 8 -10). Der Doppelboden<br />
ermöglicht es, nachträglich zu den einzelnen<br />
Kupplungsstellen der Heizkreis- bzw. Kühlkreisläufe<br />
zu gelangen.<br />
Abb. 6: Montage Sandwichwand<br />
Abb. 7: Sonderelementdecke <strong>mit</strong> oben verlegter Bewehrung<br />
Abb. 8:<br />
Kupplungsstelle<br />
Decke<br />
Abb. 9:<br />
Kupplungsstelle<br />
Parapetwand<br />
Abb. 10:<br />
Doppelboden
Bürozeit<br />
Am 8. 8. dieses Jahres erfolgte der Umzug<br />
(Abb. 11). In den ersten Tagen hatten wir im<br />
Vergleich zur sommerlichen Außentemperatur<br />
(+30° C) sehr kühle Innentemperaturen. Mittlerweile<br />
ist durch diverse kurzfristige Maßnahmen<br />
eine angenehme Raum- <strong>und</strong> Arbeitstemperatur<br />
entstanden. Die Anlagen <strong>und</strong> das ganze System<br />
werden wahrscheinlich 1 Jahr brauchen, um sich<br />
„einzuspielen“.<br />
Abb. 12: Neues Bürogebäude Nacht<br />
Abb. 11: Umzug 8.8.2008 Abb. 13: Neues Bürogebäude Tag<br />
In Anbetracht der schnellen Gesamtbauzeit<br />
<strong>und</strong> der einfachen Einbindung von innovativen<br />
Technologien wie die Nutzung der <strong>Beton</strong>fertigteile<br />
als Energiespeicher hat sich gezeigt, dass das<br />
„Produkt“ <strong>Beton</strong> <strong>und</strong> im Speziellen Fertigteilbeton<br />
zeitgemäß <strong>und</strong> wirtschaftlich ist <strong>und</strong> durchaus<br />
architektonische Highlights setzen kann.<br />
Das neue Bürogebäude (Abb. 12 + 13) soll aber<br />
nicht nur alleine dem Selbstzweck als innovatives<br />
<strong>und</strong> repräsentatives Gebäude dienen, sondern<br />
als Raum <strong>und</strong> Arbeitsplatz für die Mitarbeiter der<br />
Firma Trepka.<br />
Daten & Fakten<br />
Bauherr: Fam. Wieder<br />
Architektur: Winfried Schmelz<br />
Haustechnikplanung: BPS Engineering<br />
Nutzf äche: 1.680 m²<br />
EKZ: 20 kWh/m²a<br />
Sandwichfassade: U-Wert 0,24 W/m²K<br />
<strong>Beton</strong>temperierung: ca. 11.900 m Schläuche<br />
Bauzeit: Juli 2007-Juli 2008<br />
<strong>Expertenforum</strong> <strong>Beton</strong><br />
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<strong>Expertenforum</strong> <strong>Beton</strong><br />
38<br />
Nutzung speicherwirksamer Massen zum <strong>Heizen</strong> von Billa-Filialen<br />
Ing. Markus KNAR, BSc.<br />
ERNST Haustechnik GesmbH. & Co KG, Olbendorf<br />
Gr<strong>und</strong>gedanke<br />
Mit r<strong>und</strong> 16.300 Mitarbeitern ist BILLA der größte<br />
Nahversorger Österreichs. Mit über 1.000 Standorten<br />
zählt BILLA auch zu einem großen Abnehmer<br />
von Energie für Raumheizung, <strong>und</strong> es<br />
entsteht ein sehr großes Potenzial bei der Einsparung<br />
von Energie. Da REWE auch für Innovation<br />
<strong>und</strong> Umweltschutz steht, ist auch der schonende<br />
Umgang <strong>mit</strong> Ressourcen ein Anliegen des<br />
Konzerns. Um die Kosten für den Filialbetrieb auf<br />
einem angemessenen Level zu halten, werden<br />
Energiemarktpreisentwicklungen genauestens beobachtet.<br />
Aufgr<strong>und</strong> der steigenden Energiepreise<br />
in den letzten Jahren ist es nötig, eine Unabhängigkeit<br />
von fossilen Energieträgern zu erreichen<br />
<strong>und</strong> die benötigte Energie eff zienter zu nutzen.<br />
Es wird versucht, bei Filialneubauten die Beheizung<br />
nicht <strong>mit</strong>tels Öl- oder Erdgasheizungen<br />
durchzuführen. Auch bei der Sanierung von<br />
bestehenden Filialen wird versucht, eine Unabhängigkeit<br />
von fossilen Brennstoffen zu erreichen.<br />
Bei bestehenden Gebäuden ist dies nur <strong>mit</strong> einem<br />
erhöhten Aufwand möglich, wodurch eine wirtschaftliche<br />
Betrachtung der Umbausituation nicht<br />
außen vor gelassen werden darf. Bei vorhandener<br />
Fernwärmeinfrastruktur wird diese zuerst<br />
für die Energieversorgung der Filiale genutzt.<br />
Durch die Errichtung von Biomassefernheizanlagen<br />
auch außerhalb von Ballungsräumen ist ein<br />
Anschluss an dieses System auch im ländlichen<br />
Raum möglich.<br />
Jedoch stehen diese Szenarien nicht bei jeder<br />
Filialerrichtung zur Verfügung. Daher war es<br />
erforderlich, die auftretenden Energieströme in<br />
den Filialen genauer zu untersuchen. Dadurch<br />
sollten Ressourcen, welche in den meisten Filialen<br />
bereits vorhanden sind, ausreichend genutzt<br />
werden. Bei der Untersuchung hat sich deutlich<br />
herauskristallisiert, dass aufgr<strong>und</strong> des Einsatzes<br />
von <strong>Kühlen</strong>ergie im Bereich der Kühlmöbel <strong>und</strong><br />
Kühlräume Potenzial in der Abwärmenutzung<br />
dieser Anlagen besteht. In den vorhergegangenen<br />
Jahren wurde dieses Potenzial zur Erzeugung<br />
von Warmwasser <strong>mit</strong>tels eines Wärmerückgewinnungsboilers<br />
genutzt. Für Reinigungszwecke <strong>und</strong><br />
aufgr<strong>und</strong> der vorhandenen Fleischverarbeitung in<br />
den Filialen vor Ort wird ein großer Teil der Energie<br />
auch für die Warmwasserbereitung benötigt.<br />
Durch die ständig steigenden Energiepreise wurde<br />
dieses System weiterentwickelt <strong>und</strong> wird nun auch<br />
für die Beheizung von BILLA-Filialen eingesetzt.<br />
Bei bestehenden Filialen erfolgt die Wärmeabgabe<br />
<strong>mit</strong>tels Torluftschleier, Deckenstrahlerplatten <strong>und</strong><br />
Lufterhitzer. Hier kann <strong>mit</strong> geringem Investitionsaufwand<br />
die Abwärme der Kälteanlage genutzt<br />
werden. Bei Neubauten kann das System noch<br />
besser ausgenutzt werden, indem die Wärmeabgabe<br />
<strong>mit</strong>tels <strong>Beton</strong>kernaktivierung erfolgen kann, da<br />
bei der Errichtung der Filiale auf das Heizsystem<br />
Rücksicht genommen werden kann. In nachstehenden<br />
Punkten soll auf das eingesetzte System<br />
<strong>und</strong> dessen Anwendung <strong>mit</strong>tels <strong>Beton</strong>kernaktivierung<br />
eingegangen werden.<br />
Anwendungsvorgang<br />
Gr<strong>und</strong>voraussetzung für den Einsatz der <strong>Beton</strong>kerntemperierung<br />
ist die bauphysikalische Eigenschaft<br />
des Gebäudes. Hier ist darauf zu achten,<br />
dass sich die Wärmedurchgangswerte (U -Werte)<br />
aller Bauteile an den maximalen Werten der OIB-<br />
Richtlinie 6 bzw. den geltenden Wärmeschutzbestimmungen<br />
des jeweiligen B<strong>und</strong>eslandes<br />
orientieren. Nur dann kann nach der Wärmebedarfsberechnung<br />
eine vollkommene Abdeckung<br />
des Wärmebedarfs über die <strong>Beton</strong>kerntemperierung<br />
erfolgen. Würden diese Mindestanforderungen<br />
nicht eingehalten werden, wären zusätzliche<br />
Einbauten zur Wärmeabgabe erforderlich, welche<br />
für die Wirtschaftlichkeit der Gesamtanlage negative<br />
Auswirkungen hätten.
Bei den Filialen kommt das patentierte PE-RT-Register<br />
von der Fa. ECONICsystems zum Einsatz.<br />
Die Verlegung der Registermatten erfolgt direkt<br />
im Unterbeton – dadurch ergibt sich eine extrem<br />
große Speichermasse <strong>und</strong> Fläche für die Wärmeabgabe.<br />
Über den <strong>Beton</strong>kern kommt es zu einem<br />
großen Energieeintrag, welcher das Ausgleichen<br />
von Lastspitzen ermöglicht. Durch die diagonale<br />
Durchströmung <strong>mit</strong>tels Tichelmannsystem kommt<br />
es zu geringen Druckverlusten in den einzelnen<br />
Registern. Durch die Vorfertigung der Heizregister<br />
sind kurze Montagezeiten <strong>und</strong> hohe Verlegeleistungen<br />
möglich. Die Register werden <strong>mit</strong>tels<br />
Polyfusionsschweißung <strong>mit</strong>einander vor Ort<br />
verb<strong>und</strong>en.<br />
Die Rohrabstände von 7 cm <strong>und</strong> 14 cm ergeben<br />
eine gleichmäßige Oberf ächentemperatur. Um<br />
den Erfordernissen (automatische Tür im Eingangsbereich,<br />
gewünschte höhere Temperatur<br />
im Kassenbe reich) bestmöglich zu begegnen,<br />
Verlegung Registermatten<br />
Polyfusionsschweißung<br />
werden im Eingangs- <strong>und</strong> Kassen bereich Heizregister<br />
<strong>mit</strong> geringerem Rohrabstand verlegt sowie<br />
kleinere Heizkreise def niert. Als Ergebnis dieser<br />
Maßnahme schwankt am kältesten Tag die Lufttemperatur<br />
im Kassenbereich nur um 2° C (ohne<br />
Torluftschleier) <strong>und</strong> an der Fußbodenoberf äche<br />
nur um 0,4° C.<br />
Durch die hydraulischen Vorteile des ECONICsystems<br />
(gleichmäßige, laminare Durchströmung,<br />
spannungsfreies System, sehr geringer<br />
Druckverlust) ergibt sich die Möglichkeit, das zur<br />
Verfügung stehende niedrige Tem peraturniveau<br />
bestmöglich zu nut zen: Puffertemperatur VL ca.<br />
40° C – Oberf ächentemperatur ca. 22,5° C –<br />
Lufttemperatur ca. 20° C. Die konstante Gr<strong>und</strong>tempe<br />
rie r ung des Objektes stellt die Basis eines<br />
optimalen Behaglichkeitsempf ndens dar, zum<br />
Vorteil für K<strong>und</strong>en <strong>und</strong> Mitarbeiter.<br />
Die Wärmebereitstellung für die Filialen erfolgt<br />
durch die Kältef rma. Für die Systementwicklung<br />
der Kälteanlage in den Filialen zeichnet die<br />
Fa. ARNEG verantwortlich. Die Abdeckung des<br />
Wärmebedarfs erfolgt über die Kälteanlage <strong>und</strong><br />
eine Wärmepumpe. Die beiden Systeme speisen<br />
die Wärme in einem Puffer, der zusätzlich noch<br />
<strong>mit</strong> Heizstäben ausgestattet werden kann. In den<br />
bereits errichteten Filialen, in welchen die Wärmebereitstellung<br />
durch die Kälteanlage erfolgt,<br />
hat sich gezeigt, dass die Nachheizung <strong>mit</strong>tels<br />
Heizstäben nicht erforderlich ist. Diese werden<br />
trotzdem in das System integriert, um bei eventuellen<br />
Wartungsarbeiten die kurzfristig fehlende<br />
Leistung in das System zu speisen bzw. um als<br />
Backup-System zu fungieren. Tageszeitliche<br />
Schwankungen (K<strong>und</strong>enfrequenz) <strong>und</strong> jahreszeitliche<br />
Schwankungen (Sonneneinstrahlungen)<br />
im Wärmerückgewinnungssystem können durch<br />
die <strong>Beton</strong>kerntemperierung ausgeglichen bzw.<br />
abgeschwächt werden. Durch Fernablesung der<br />
aufgezeichneten Werte können Optimierungen im<br />
System durchgeführt werden. Da das Kältesystem<br />
für die Filiale regelmäßig gewartet werden muss,<br />
fallen keine zusätzlichen Serviceintervalle für die<br />
Anlage an, wenn diese für Wärmebereitstellung<br />
ausgelegt wird.<br />
An den durch die Kältef rma gespeisten Puffer<br />
wird ein Heizungsverteiler angeb<strong>und</strong>en. Dieser<br />
verfügt über einen Abgang für den Torluftschleier<br />
<strong>Expertenforum</strong> <strong>Beton</strong><br />
39
<strong>Expertenforum</strong> <strong>Beton</strong><br />
40<br />
Gr<strong>und</strong>schema WRG- Anlage<br />
im Eingangsbereich sowie über einen Abgang für<br />
die <strong>Beton</strong>kernaktivierung. Das System kann alleine<br />
durch die <strong>Beton</strong>kernaktivierung die benötigte<br />
Wärme in die Filiale einbringen. Ein zusätzlicher<br />
Torluftschleier wird nur bei Filialen ohne Windfang<br />
ausgeführt, wodurch die Behaglichkeit im Kassenbereich<br />
erhöht wird. Der Heizkreis für die <strong>Beton</strong>kerntemperierung<br />
wird zu drei Verteilerkästen<br />
(Kassenbereich, Verkaufsbereich, Nebenräume)<br />
geführt.<br />
Die Anforderung an die Haustechnik ist die exakte<br />
Berechnung des Wärmebedarfs unter Berücksichtigung<br />
aller möglichen Einf ussfaktoren. Diese<br />
Berechnung dient zur gesamten Auslegung des<br />
Heizungssystems.<br />
Es ist auch darauf zu achten, dass im Bereich von<br />
Kühlmöbeln <strong>und</strong> Ziehschächten keine Heizregister<br />
im <strong>Beton</strong> verlegt werden – es wird daher für<br />
jedes Objekt ein individueller Verlegeplan angefertigt.<br />
Das System kann nur funktionieren, wenn die geforderten<br />
Wassermengen in den einzelnen Heizkreisen<br />
eingehalten werden. Nur durch genaue<br />
Einregulierung der Heizkreise kann eine Zuteilung<br />
der Wassermengen gewährleistet werden. Sollten<br />
die geforderten Wassermengen nicht eingehalten<br />
werden, so kann die Wärmeabgabe des Systems<br />
nicht die mögliche <strong>und</strong> nötige Leistung abgeben.<br />
Einregulierungsprotokolle werden hier zwingend<br />
von den ausführenden Firmen eingefordert, um<br />
eventuelle Fehler vor Inbetriebnahme beheben zu<br />
können.<br />
Zum Beispiel wurden bisher folgende BILLA-<br />
Filialen in der Steiermark <strong>mit</strong> diesem System der<br />
<strong>Beton</strong>kerntemperierung in Kombination <strong>mit</strong> dem<br />
Wärmerückgewinnungssystem ausgestattet:<br />
– Graz, Wiesenauergasse<br />
–<br />
–<br />
–<br />
–<br />
–<br />
Wartberg im Mürztal<br />
Eibiswald<br />
Schwanberg<br />
Sinabelkirchen<br />
Knittelfeld<br />
Resümee<br />
Die <strong>Beton</strong>kerntemperierung hat sich in den bereits<br />
umgesetzten BILLA-Filialen bestens bewährt.<br />
Durch die Nutzung der Abwärme, welche durch<br />
die Kühlung der Vitrinen <strong>und</strong> Kühlräume anfällt,<br />
kann eine optimale Kombination <strong>mit</strong> einer <strong>Beton</strong>kernaktivierung<br />
erfolgen. Die durch die Abwärme<br />
bedingten niederen Temperaturen können hier<br />
bestmöglich eingesetzt werden. Die Abwärme<br />
wird nicht nur für die Warmwasserbereitung genutzt,<br />
sondern kann auch für Heizzwecke einge-
setzt werden. Eine schnelle <strong>und</strong> sichere Verlegung<br />
des Systems lässt eine rasche Umsetzung<br />
des Bauvorhabens zu. Durch die <strong>Beton</strong>kernaktivierung<br />
können die Kollisionspunkte <strong>mit</strong> anderen<br />
Gewerken verringert werden, da die benötigte<br />
Heizungsverteilung in der Bodenplatte erfolgen<br />
kann. Tages- <strong>und</strong> jahreszeitliche Schwankungen<br />
des Wärmerückgewinnungssystems können<br />
durch die <strong>Beton</strong>kernaktivierung ausgeglichen<br />
werden.<br />
Aufgr<strong>und</strong> der steigenden Energiepreise amortisieren<br />
sich die Investitionskosten in relativ kurzer<br />
Zeit. Die Filialen können unabhängig von fossilen<br />
Brennstoffen betrieben werden. Im Gegensatz zu<br />
einer erdgasbefeuerten BILLA-Filiale, können bei<br />
der Beheizung durch die Wärmerückgewinnungsanlage<br />
zirka 13 Tonnen CO 2 pro Jahr eingespart<br />
werden. Bei einer Befeuerung <strong>mit</strong>tels Heizöl<br />
extraleicht kann der CO 2 Ausstoß sogar um<br />
zirka 17 Tonnen CO 2 reduziert werden, wenn die<br />
Wärmerückgewinnungsanlage ausgeführt wird.<br />
Jede einzelne Filiale trägt zur CO 2 - Reduktion bei<br />
<strong>und</strong> liefert so<strong>mit</strong> ihren Beitrag zu den geforderten<br />
Zielen des Kyoto-Protokolls. Das System zeigt<br />
auf, dass durch eine ausgeklügelte Kombination<br />
von Systemen eine Ausnutzung der vorhandenen<br />
Ressourcen in einem optimalen Bereich liegen<br />
kann.<br />
<strong>Expertenforum</strong> <strong>Beton</strong><br />
41
<strong>Expertenforum</strong> <strong>Beton</strong><br />
42<br />
Visionen werden wahr: ENERGYbase – eine sonnige Bürozukunft<br />
DI Tim SELKE<br />
arsenal research, Wien<br />
Einleitung<br />
Während im Wohnbau die Passivbauweise schon<br />
seit vielen Jahren bewährt ist, werden in der Sparte<br />
Büro- <strong>und</strong> Gewerbeimmobilien größere Projekte<br />
noch seltener ausgeführt. Etwa 40 Prozent<br />
des gesamten Endenergieverbrauchs in Europa<br />
entfallen auf die Energieversorgung von Gebäuden.<br />
Insbesondere Bürogebäude liegen <strong>mit</strong> einem<br />
durchschnittlichen spezif schen Wärmebedarf von<br />
140 kWh/m².a [1] um etwa Faktor 10 über dem<br />
eines Einfamilienhauses im Passivhausstandard.<br />
ENERGYbase zeigt, welche Energieeff zienz-Potenziale<br />
in einer modernen Büroimmobilie durch<br />
heute vorhandene Technologien bereits genutzt<br />
werden können.<br />
Sunny Research - Konzept<br />
Das Gebäudekonzept von ENERGYbase, (Abbildung<br />
1), baut auf den Ergebnissen des von<br />
Abbildung 1: ENERGYbase, Außenansicht – Südfassade<br />
arsenal research <strong>und</strong> dem Architektenbüro „pos<br />
architekten“ durchgeführten Haus der Zukunft-<br />
Forschungsprojekts „Sunny Research“ auf.<br />
Wesentliches Ziel war die konzeptionelle Entwicklung<br />
einer neuen Büroimmobilie unter dem Aspekt<br />
hoher Energieeff zienz unter Einsatz von erneuerbaren<br />
Energieträgern sowie höchstmöglichem<br />
Nutzerkomfort. ENERGYbase ist die praktische<br />
Umsetzung dieses Forschungsprojekts.<br />
ENERGYbase – Immobilie<br />
Der Wiener Wirtschaftsförderungsfonds, Bauträger<br />
von ENERGYbase, stellt <strong>mit</strong> dem Projekt<br />
auf insgesamt fünf Ebenen 5.200 m² für Unternehmen,<br />
1.000 m² für Forschungs- & Entwicklungs-<br />
sowie 1.300 m² für Bildungseinrichtungen<br />
an modernster Infrastruktur zur Verfügung. Die<br />
Baukosten betragen 12,5 Mio. EUR. Diese liegen<br />
um 2 Mio. Euro über den Kosten eines herkömm-
Abbildung 2: ENERGYbase,<br />
Ansicht der Pfl anzenpuffer<br />
lichen modernen Büroobjektes. Rechnerisch<br />
reduzieren sich die anfallenden Energiekosten<br />
auf 20 Prozent <strong>und</strong> es werden im Vergleich zur<br />
Standardimmobilie r<strong>und</strong> 180 Tonnen weniger Kohlendioxid<br />
pro Jahr e<strong>mit</strong>tiert.<br />
Im Sommer wird die Zuluft durch eine so genannte<br />
solarthermisch angetriebene sorptionsgestützte<br />
Klimatisierung konditioniert, die zur Regeneration<br />
des Trocknungsrades erforderliche Antriebswärme<br />
wird durch eine 300 m² große Solarkollektoranlage<br />
generiert. Im Winter dient die thermische<br />
Solaranlage zur Heizungsunterstützung. Eine<br />
besondere Innovation in diesem Bauprojekt sind<br />
die sich über alle Geschossebenen erstreckenden<br />
Pf anzenpuffer, (Abbildung 2). In den vier Pf anzenpuffern<br />
wird im Winter die Zuluft biologisch<br />
befeuchtet. Die ganzjährige Temperierung der<br />
Büroräume erfolgt über eine <strong>Beton</strong>kernaktivierung.<br />
Darunter versteht man in die <strong>Beton</strong>decke<br />
Abbildung 3: ENERGYbase,<br />
Ansicht der Fotovoltaikanlage<br />
eingearbeitete Kunststoffrohre, die im Winter <strong>mit</strong><br />
warmem <strong>und</strong> im Sommer <strong>mit</strong> kühlem Wasser<br />
durchströmt werden. ENERGYbase verzichtet<br />
dadurch auf herkömmliche Heizkörper. Durch die<br />
großen Übertragungsf ächen kann die Heiz- <strong>und</strong><br />
Kühlleistung <strong>mit</strong> niedrigen Vorlauftemperaturen<br />
in den <strong>Beton</strong>kern erreicht werden. Dies wirkt sich<br />
positiv auf die Energieeff zienz der Wärmebereitstellungssysteme<br />
aus. Die sommerliche <strong>Beton</strong>kernkühlung<br />
erfolgt über die Nutzung von örtlich<br />
verfügbarem Gr<strong>und</strong>wasser <strong>und</strong> die Bereitstellung<br />
der notwendigen <strong>Heizen</strong>ergie erfolgt vorrangig<br />
über eine Gr<strong>und</strong>wasser gekoppelte Wärmepumpenanlage,<br />
die durch die Solarkollektoranlage unterstützt<br />
wird. Eine architektonische Besonderheit<br />
stellt die gefaltete Südfassade des Bürogebäudes<br />
dar, (Abbildung 3). Die spezielle Faltung der<br />
Südfassade ermöglicht einerseits hohe Energieerträge<br />
der solar aktiven Komponenten <strong>und</strong><br />
<strong>Expertenforum</strong> <strong>Beton</strong><br />
43
<strong>Expertenforum</strong> <strong>Beton</strong><br />
44<br />
andererseits wird baulich ein effektiver Sonnenschutz<br />
für die dahinter liegenden Bürobereiche<br />
geschaffen <strong>und</strong> vermeidet so<strong>mit</strong> die sommerliche<br />
Überwärmung durch direkt einfallende Solarstrahlung.<br />
Diese Glasfassade ist <strong>mit</strong> 400 m² Fotovoltaikmodulen<br />
bestückt, die <strong>mit</strong> einem Jahresertrag<br />
von r<strong>und</strong> 42.000 kWh einen Teil des Strombedarfs<br />
decken.<br />
Im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung<br />
wurden während der Planung in Zusammenarbeit<br />
<strong>mit</strong> dem Bauträger, Architekten <strong>und</strong> dem Haustechnikplaner<br />
Detailfragen zur Optimierung der<br />
<strong>Beton</strong>kernaktivierung, Kühl- <strong>und</strong> Heizlastprof le,<br />
Komfortparametern in den Büroräumen, Einstrahlung<br />
durch die Südfassade usw. <strong>mit</strong> umfangreichen<br />
Simulationen untersucht <strong>und</strong> bewertet. Seit<br />
der Inbetriebnahmen des Gebäudes im August<br />
2008 werden durch wissenschaftliche Langzeitmessungen<br />
Erkenntnisse über das gesamte<br />
Energieverhaltens dokumentiert <strong>und</strong> analysiert.<br />
Das Datenmaterial wird unter anderem Aufschluss<br />
über den Energiebedarf für <strong>Heizen</strong> <strong>und</strong> <strong>Kühlen</strong>,<br />
den Betrieb der Haustechnikanlagen <strong>und</strong> deren<br />
Regelung geben, um daraus neue Strategien für<br />
eine optimierte Betriebsführung zu entwickeln.<br />
Weiters wird das umfassende Monitoring des<br />
Gebäudes wichtige Erfahrungen <strong>und</strong> Empfehlung<br />
für zukünftige Projekte bereitstellen, in denen<br />
analoge Ziele hinsichtlich Energieeff zienz,<br />
Nutzung von Erneuerbaren Energien bei hohem<br />
Wohlfühlcharakter in der modernen Büroimmobilie<br />
gesetzt werden.<br />
Literatur<br />
[1] K. Voss, G. Löhnert, S. Herkel, A. Wagner, M.<br />
Wambsganß; „Bürogebäude <strong>mit</strong> Zukunft“ Solarpraxis<br />
AG, 2. Überarbeitete Auf age 2006,<br />
ISBN: 978-3-934595-59-0<br />
[2] BMWA, 2003. Energiebericht 2003, BMWA,<br />
S. 9