Die gesamte Ausgabe als PDF herunterladen - meins magazin
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FeinSinn zaubert<br />
I'm a Nerd, but that's OK!<br />
Ein Semester in Bordeaux<br />
<strong>Die</strong> Jagd nach neuen Planeten<br />
Heft 19 ǀ <strong>Ausgabe</strong> 10/09 ǀ www.<strong>meins</strong>-<strong>magazin</strong>.de
<strong>meins</strong><br />
2 Inhaltliches<br />
EchtZeit<br />
FernSicht<br />
ErkenntnisReich<br />
FeinSinn<br />
06 <strong>Die</strong> <strong>meins</strong>-WG mal ganz woanders<br />
08 Befremdung, Toleranz und orangefarbene Gewänder<br />
12 I'm a Nerd, but that's OK<br />
14 Inception<br />
15 Me Too<br />
16 Trödeln – eine geheime Geldquelle<br />
18 Über den Bachelorstudiengang Romanistik<br />
20 Fotostrecke Skulpturenpark Köln<br />
32 Istanbul – Ein Spaziergang durch Beyoğlu<br />
34 Ein Semester in Bordeaux<br />
34 Majiang und Mosquitos<br />
38 <strong>Die</strong> Jagd nach neuen Planeten<br />
40 Augen auf, beim Online-Kauf<br />
40 Erdmännchen schlagen unüberhörbar Alarm<br />
41 Landkinder haben weniger Heuschnupfen<br />
44 Wenn du glaubst, du bist verrückt, wirst du<br />
immer einen finden der verrückter ist<br />
46 Telepathie<br />
48 Wikipedia-Zauber<br />
49 Playlist<br />
50 Impressum<br />
Inhalt<br />
{<br />
Hallo lieber Leser,<br />
dieses <strong>meins</strong>-Heft zaubert ein bisschen. Nicht nur, um Euch, wie bei FernSicht, ver-<br />
schwinden und in Istanbul, Bordeaux und China wieder auftauchen zu lassen.<br />
Nein, wir zaubern Euch auch ein bisschen mehr Geld in die Geldbörse. Wie das geht,<br />
könnt ihr auf Seite 16 lesen - das Trödeln ist das sehr beliebt.<br />
Außerdem könnt ihr, apropos Geld, lesen, wie man günstigen Urlaub macht: die <strong>meins</strong>-<br />
WG fliegt für wenig Geld nach Spanien.<br />
Wenn ihr mal etwas anderes in Köln sehen wollt, lest Euch den Artikel über den Hare-<br />
Krishna Tempel durch (S.8). Außerdem gibt es direkt danach etwas über Hipster zu er-<br />
fahren. <strong>Die</strong> zaubern übrigens immer wieder neue Modetrends hervor - um dann meist<br />
dafür ausgelacht zu werden.<br />
ErkenntnisReich zaubert Euch neue Planeten herbei. Unter anderem einen, der von<br />
Forschern der Uni Köln entdeckt wurde. Außerdem erfahrt ihr in den drei Kurzen eini-<br />
ges wissenswertes rund um Heuschnupfen, Erdmännchen und Online Einkauf.<br />
FeinSinn zaubert natürlich wie immer am meisten - den Kreativität ist doch nichts<br />
anderes <strong>als</strong> Zauberei. Dazu gibt es wie immer Kurzgeschichten, Playlists und Gedichte.<br />
Viel Spaß beim Lesen wünscht Euch,<br />
Simeon Buß<br />
(stellvertr. Chefredakteur)<br />
{<br />
Editorial 3
EchtZeit
Bekanntlich geht ja alles irgendwann<br />
einmal zu Ende, die Wurst<br />
sogar an zwei Seiten. Manchmal<br />
kann einen diese Erkenntnis<br />
furchtbar traurig stimmen,<br />
manchmal findet man es schade<br />
und manchmal, ja manchmal<br />
wartet man auf das Ende, bevor<br />
alles eigentlich richtig<br />
begonnen hat.<br />
Dass zur letzten Kategorie definitiv das<br />
vergangene Semester gehört, das steht<br />
für die Meins-WG außer Frage. Gut, die<br />
Meinungen gehen darüber auseinander,<br />
wer von den Mitbewohnern wirklich Ferien<br />
verdient hat und für wen sie lediglich eine<br />
noch ereignislosere Variante der Vorlesungszeit<br />
sind. Aber in einem Punkt stimmen<br />
alle überein: Es wird Zeit für zweieinhalb<br />
Monate akademischer Abstinenz. Schon<br />
das <strong>gesamte</strong> Semester über haben unsere<br />
Meinsler ausführliche Ferienplanungen<br />
unternommen und zumindest in der Theorie<br />
müsste ihr Tagespensum vor Hobbys und<br />
Freizeitaktivitäten nur so bersten.<br />
Eine nette Sache, diese Theorie, wenn ihr<br />
Bruder, die Praxis, nicht häufig so ein Arsch-<br />
Weitsinn EchtZeit<br />
loch wäre. <strong>Die</strong>ser Praxis, oder auch Realität,<br />
hat es die Meins-WG nämlich zu verdanken,<br />
dass ihre Pläne nicht ganz so reibungslos<br />
verlaufen, wie ursprünglich geplant. Um genau<br />
zu sein, ist es sogar die Schuld der Uni,<br />
denn die lässt die Studenten auch während<br />
der Ferien dank Klausuren und Hausarbeiten<br />
nicht ganz alleine. Wie ernst man<br />
diese Ferienstolpersteine jetzt aber nehmen<br />
muss, darüber wird in der WG durchaus<br />
diskutiert. Eine solche Diskussion kann in<br />
etwa so aussehen:<br />
Akt 1<br />
Ein Zimmer auf dessen Boden mehr Müll,<br />
Klamotten und Flaschen liegen <strong>als</strong> Laminat.<br />
Zwei unserer Meinsler hängen auf der<br />
Couch und ziehen sich irgendwas im Fernsehen<br />
rein. Auftritt Meinsler Nr. 3.<br />
Meinsler 3: Ey Leute, habt ihr eigentlich<br />
schon irgendnen Urlaub geplant?<br />
Meinsler 1: Hmm, nä. Vielleicht n<br />
Wochenende nach Holland oder so.<br />
Hab keine Kohle.<br />
Meinslerin: Wenn du die beiden<br />
Hausarbeiten und die Klausuren für mich<br />
schreibst, dann komme ich gerne mit.<br />
mal ganz woanders<br />
Meinsler 3: Ach kommt schon. Ich hab nen<br />
super günstigen Flug gefunden. Hin und<br />
Zurück für 43 Euro pro Nase. Nach Spanien.<br />
Wird cool.<br />
Klausuren kann man auch wiederholen und<br />
jetzt tu nicht so, <strong>als</strong> wenn du nicht noch 3<br />
Jahre Zeit hättest für die Hausarbeiten.<br />
Meinsler 1: Ich hab trotzdem keine<br />
Kohle. Hotel oder Ferienwohnung kostet<br />
doch auch.<br />
Meinsler 3: Wir müssen ja noch nix buchen.<br />
Wir nehmen Rucksäcke mit und gucken,<br />
wohin es uns verschlägt. Sieht man eh mehr<br />
vom Land. Und wir könnten unser Spanisch<br />
mal wieder aufbessern.<br />
Meinslerin: Wo hast du nur immer so tolle<br />
Ideen her …<br />
Meinsler 1: Hm, na gut...ich bin dabei.<br />
Meinslerin: Was? Ne, ich lauf doch nicht<br />
quer durch Spanien. Das is viel zu heiß da<br />
unten, um mit nem Rucksack unterwegs zu<br />
sein. Und überhaupt …<br />
Meinsler 1/3: Du bist dabei? Cool.<br />
Zwei Wochen Spanien <strong>als</strong>o. Ohne Hotel,<br />
kein All-Inclusive Büffet und keine Schirmchendrinks.<br />
Nicht ganz das, was sich<br />
mancher Meinsler zunächst unter einem<br />
gelungenen Urlaub vorgestellt hat, aber<br />
man muss ja auch mal neue Erfahrungen<br />
machen. Vom Geld sparen ganz abgesehen.<br />
Schnell wird den Meinslern klar, dass so ein<br />
Urlaub trotzdem mehr Planung in Anspruch<br />
nimmt, <strong>als</strong> gedacht. Der billige Flug ist<br />
schnell gebucht, aber danach müssen<br />
Reiserouten und Hostels gesucht werden<br />
und überhaupt braucht man ja ein paar<br />
Infos über die Gegend. Gut, dass es dafür<br />
inzwischen das Internet gibt, denn irgendwelche<br />
Reiseführer sind zu teuer und bieten<br />
immer nur dieselben Tipps an, wie man in<br />
der jeweiligen Landessprache zu verstehen<br />
gibt, dass man Durchfall hat.<br />
Irgendwann ist es dann auch soweit. <strong>Die</strong><br />
Rucksäcke sind gepackt und die Reiseziele<br />
raus gesucht. Endlich Urlaub, geil! Ab in<br />
die Bahn, ab zum Flughafen und ab in den<br />
Flieger. Ab nach Spanien.<br />
Hm …<br />
Oder vielleicht auch erst einmal ab an den<br />
Arsch der Welt, um überhaupt das Flugzeug<br />
zu finden. Manche Airlines sind billig,<br />
nehmen es aber auch mit der Angabe ihres<br />
Abflugorts nicht ganz so genau.<br />
„Alter, das hier soll noch Düsseldorf sein?!<br />
Wir sind bestimmt schon siebzig Kilometer<br />
zu weit! Ich sehe hier keinen verdammten<br />
Terminal, aber dafür jede Menge Kühe.“<br />
„Mann, es heißt ja auch Düsseldorf-Weeze,<br />
das liegt nun mal ein bisschen außerhalb.<br />
Dafür war's billig. Und jetzt halt die Klappe<br />
und fahr da vorne rechts. Ich glaub in einer<br />
Stunde sind wir da ...“<br />
Sieben Stunden später kommen unsere<br />
Meinsler dann tatsächlich in Spanien an.<br />
Natürlich auch dort nicht am Ort ihrer<br />
eigentlichen Wahl, sondern einhundert<br />
Kilometer davon entfernt. Aber immerhin<br />
war es billig. Und irgendwie hat es etwas<br />
abenteuerliches. Jedenfalls für Großstädter,<br />
die es gewohnt sind in zehn Minuten von A<br />
nach B zu gelangen.<br />
Im Idealfall sollen Reisen ja auch immer<br />
bilden und tatsächlich hat die Meins-WG<br />
schon eine neue Lektion gelernt: <strong>Die</strong> Sache<br />
mit der Vernetzung der Welt hat echt gut<br />
geklappt. Keine lästigen Wochen- und Monatsreisen<br />
mehr von Land zu Land. Es hat<br />
sogar so gut geklappt, dass man vor lauter<br />
Vernetzung doch wieder gefühlte Wochen<br />
braucht, um an seinen Zielort zu kommen.<br />
Aber egal, warum stressen? Immerhin sind<br />
unsere Meinsler endlich angekommen in der<br />
Sonne. Zwar, wie bereits erwähnt, eine ganze<br />
Ecke von ihrem eigentlichen Ziel entfernt,<br />
aber genau deswegen haben sie auch keine<br />
zu genauen Pläne gemacht. Jetzt stellt sich<br />
nur die Frage, wie man aus dem Nirgend-<br />
wo raus kommt, in dem einen der Flieger<br />
abgeworfen hat. Ein Mietwagen kostet und<br />
auch zu Fuß gehen stellt sich nach ein paar<br />
Kilometern in der prallen Sonne <strong>als</strong> gar nicht<br />
mal so gute Idee heraus. Nach zwei Stunden<br />
zu Fuß auf dem heißen Asphalt hat die<br />
WG die Nase voll vom Laufen (es war nicht<br />
die Meinslerin, die zuerst angefangen hat zu<br />
nörgeln) und macht erst einmal Halt. Vielleicht<br />
nimmt sie ja ein netter Autofahrer mit,<br />
wenn sie sich schon selbst kein Auto mieten<br />
können. Also steht einer unserer Meinsler<br />
mit dummem Grinsen und ausgestrecktem<br />
Daumen am Straßenrand und versucht auf<br />
diese Weise irgendwie Mitleid mit drei abgerissenen<br />
Gestalten zu erheischen. Scheinbar<br />
sehen sie aber noch nicht verzweifelt genug<br />
aus, denn kein einziger Autofahrer kann sich<br />
erweichen für unsere Jungs anzuhalten.<br />
Das merken die Meinsler auch nach einer<br />
Stunde stehen, grinsen und warten. Und ihr<br />
nächster Gedanke ist der einzig logische:<br />
Wofür schleppen wir eigentlich eine Frau mit<br />
uns herum?<br />
Kurz darauf kommt dem weiblichen Teil<br />
der WG <strong>als</strong>o die ehrenvolle Aufgabe zu, an<br />
der Straße zu stehen und gleichzeitig nett<br />
und verzweifelt auszusehen. Dabei hilft ihr<br />
vielleicht auch der Ärger über ihre beiden<br />
männlichen Mitbewohner, die sich derweil<br />
ihrerseits in einem Gebüsch wirklich unsichtbar<br />
gemacht haben.<br />
Ein Trick, der echt gut funktioniert, denn<br />
kurz darauf sitzen sie auf der Ladefläche<br />
eines Kleinlasters, dessen Fahrer zunächst<br />
gar nicht so begeistert war über die männlichen<br />
Mitfahrer aus dem Gebüsch.<br />
Jetzt redet er aber fröhlich und in unverständlichem<br />
Spanisch-Kauderwelsch auf die<br />
Meinslerin ein, die es sich auf dem Beifahrersitz<br />
bequem gemacht hat, während sich<br />
die Jungs mitsamt ihren Rucksäcken und<br />
dem Bauschutt auf der Ladefläche arrangieren<br />
müssen. Ihr Fluchen kann die Meinslerin<br />
leider über den spanischen Wortschwall und<br />
die genauso spanische Pop-Schmieren-Musik<br />
aus dem Radio nicht hören. Eigentlich<br />
doch ein ganz guter Urlaubsanfang.<br />
Später werden in diesem Urlaub noch<br />
diverse Fälle von Autopannen, Kakerlaken<br />
und Badezimmern, Handydieben und<br />
vermeintlich giftigen Tieren vorkommen.<br />
Ach ja und zwischendurch werden sich<br />
die Meinsler auch noch wünschen, sie<br />
hätten den teuren Reiseführer mit den zehn<br />
verschiedenen Bezeichnungen für Durchfall<br />
gekauft. Aber das alles gehört in die Welt<br />
der Anekdoten und <strong>als</strong> die Drei an einem<br />
ihrer letzten Abende am Wasser sitzen und<br />
sich die Urlaubsfotos nicht zum ersten Mal<br />
durch gucken, hätten sie nicht übel Lust,<br />
den Flieger ohne sie starten zu lassen.<br />
Keine spanische Landstraße könnte einem<br />
so viel Zeit stehlen, wie eine Hausarbeit.<br />
Felix Schledde<br />
EchtZeit
Befremdung, Toleranz und orangefarbene Gewänder:<br />
Als ich an der Haltestelle Kalk-Post aussteige,<br />
weiß ich: jetzt gibt es kein Zurück<br />
mehr. Aber ich hatte es mir ja selbst ausgesucht.<br />
Mit meinem grün-grau gestreiften<br />
Longsleeve und meiner khakifarbenen Hose<br />
mache ich mich auf den Weg zum Sonntagsfest<br />
im Kölner Hare-Krishna-Tempel<br />
in der Taunusstraße. Extra hatte ich darauf<br />
geachtet, dass meine Kleidung nicht zu<br />
materialistisch aussieht, was grotesk ist,<br />
denn Kleidung ist per definitionem materiell.<br />
Wenigstens keine auffälligen Labels, nichts<br />
Körperbetontes; bei meiner Tasche hatte ich<br />
es nicht ganz geschafft: ziemlich selbstbewusst<br />
ziert sie eine metallische Plakette mit<br />
dem Namen einer recht teuren italienischen<br />
Marke. Ich habe nur die eine, <strong>als</strong>o musste<br />
ich sie wohl nehmen.<br />
Ein ganzes Stück muss ich auf<br />
der Taunusstraße noch zurücklegen. Ich<br />
komme vorbei an einem marokkanischen<br />
Café, einer leer stehenden Shisha-Lounge,<br />
einem arabischen Teeladen, einer kölschen<br />
Kneipe und zahlreichen türkischen Geschäften.<br />
Zwar hat die Hare-Krishna-Bewegung<br />
mit dem Islam wenig zu tun, aber ich<br />
wundere mich nicht, dass sich der Tempel<br />
ausgerechnet hier befindet. Auf der anderen<br />
Straßenseite sehe ich vor einem Haus, das<br />
aussieht wie jedes andere, mehrere Inder in<br />
feierlichen Gewändern: ich bin angekommen.<br />
Ich wechsele die Straßenseite, gehe<br />
auf die Gruppe zu, doch sie nehmen mich<br />
nicht wahr. Etwas abseits von ihnen steht<br />
eine westlich aussehende Frau. Sie hat<br />
schulterlange hellbraune Haare mit ein paar<br />
grauen Strähnen, sie trägt helle, farblose<br />
Kleidung, ein Armband aus Holzperlen und<br />
eine dazu passende Kette. Wie sie da steht<br />
und mit den Händen etwas nervös an ihrer<br />
dünnen handgefertigten Stofftasche spielt,<br />
merke ich: sie ist auch neu. Ich spreche sie<br />
an und sie stellt sich mir <strong>als</strong> Angelika vor, sie<br />
möchte einfach mal hier vorbeischauen, um<br />
sich ein Bild zu machen. Manche Klischees<br />
werden halt erfüllt.<br />
An dem Haus, vor dem wir stehen,<br />
dem Kölner Tempel, der „Gauradesh“<br />
EchtZeit<br />
genannt wird, prangt ein großes Logo von<br />
ISKCON, der International Society for Krishna<br />
Consciousness. <strong>Die</strong>s ist der offizielle<br />
Name der Hare-Krishna-Bewegung, die<br />
1966 mit der Gründung des ersten Tempels<br />
in New York begann und zunächst in Nordamerika,<br />
aber schnell auf der ganzen Welt<br />
bekannt wurde. <strong>Die</strong> Organisation ist zwar<br />
neu, stützt sich aber auf eine Philosophie,<br />
die Jahrtausende alt ist. Das wichtigste<br />
Schriftstück, die Bhagavad-Gita, ist bereits<br />
einige Jahrhunderte vor Christus entstanden;<br />
die zugrundeliegende Philosophie der<br />
Veden ist aber noch sehr viel älter. Nicht<br />
nur für ISKCON hat die Bhagavad-Gita<br />
eine hohe Relevanz: von allen hinduistischen<br />
Glaubensrichtungen wird sie <strong>als</strong><br />
eine der wichtigsten Schriften betrachtet;<br />
<strong>als</strong> philosophisches Werk findet sie auch in<br />
der westlichen Welt Beachtung. Einer der<br />
Grundsätze und damit das hohe Ziel der<br />
Hare-Krishna-Anhänger ist die Entsagung<br />
allen Materialismus und die Selbsterkenntnis<br />
der Seele sowie deren Verbindung zu<br />
Gott (Krishna).<br />
Angelikas und mein Ziel ist<br />
es erstmal, ins Gebäude zu gelangen.<br />
So schwer ist das nicht, die Tür ist auf.<br />
Wir gehen rein, ich schaue mich um, will<br />
irgendwas in der Hand haben, nehme mir<br />
einen der Flyer des „Gauradesh“-Tempels,<br />
die auf einer Ablage liegen. Plötzlich kommt<br />
Keshava, der Tempelpräsident, auf mich zu.<br />
Mit Keshava hatte ich vorher Mailkontakt,<br />
er wusste, dass ich komme und dass ich<br />
diesen Artikel schreiben werde. Als ich mich<br />
vorstelle, leuchten seine Augen: „Ach du<br />
bist Dennis“, sagt er, legt zur Begrüßung<br />
die Hand an meinen Oberarm. Er erklärt mir,<br />
wann das Fest beginnt, wo ich hingehen<br />
soll. Plötzlich fühle ich mich wohl. Ein Mann<br />
in einem orangefarbenen Gewand kommt zu<br />
uns. „Das ist Rupa“, sagt Keshava. „Hallo“,<br />
sage ich. „Hare Krishna“, sagt Rupa. Dann<br />
kommt noch einer, etwas jünger <strong>als</strong> ich, in<br />
weißem Gewand. „Hare Krisha“, sage ich,<br />
es fühlt sich komisch an. „Hare Krishna,<br />
Dennis. Wir kennen uns schon!“ Es ist Jan.<br />
Wegen ihm bin ich überhaupt hier. Vor drei<br />
mein Tag bei den Hare-Krishnas<br />
Monaten trafen wir uns in der Weimarer<br />
Fußgängerzone, er verkaufte dort Bücher.<br />
Vedische Literatur. Ich hatte Zeit, blieb<br />
stehen, wir kamen ins Gespräch. Ich hatte<br />
die Idee, den Kölner Tempel zu besuchen<br />
und darüber zu schreiben, wir tauschten<br />
Kontaktdaten aus und jetzt stehe ich wieder<br />
vor ihm. Jan führt mich die Treppe hinauf<br />
zum Tempelraum.<br />
Ich ziehe meine Schuhe aus und<br />
betrete den schönen Parkettboden, auf dem<br />
Sitzkissen liegen. Der Duft von Räucherstäbchen<br />
ist in der Luft. An dem einen Ende<br />
des Raumes ist ein Altar aufgebaut. Mit frischen<br />
Blumen geschmückt stehen auf dem<br />
Altar zwei Figuren, Deities (von engl. deity:<br />
Gottheit), die aussehen wie festlich gekleidete<br />
hinduistische Tänzerinnen. Am anderen<br />
Ende des Raumes sitzt eine ziemlich gut<br />
getroffene, sehr detailliert ausgearbeitete<br />
Statue von Prabhupada, dem Gründer von<br />
ISKCON.<br />
Der dam<strong>als</strong> 69 Jahre alte Inder<br />
setze den Startschuss für eine Bewegung,<br />
die in der im Umbruch befindlichen amerikanischen<br />
Gesellschaft zu einer Modeerscheinung<br />
wurde, aber schnell auch Europa<br />
erreichte: schon 1969 wurde in Hamburg<br />
der erste ISKCON-Tempel eröffnet. <strong>Die</strong><br />
Hare-Krishna-Anhänger tauchten plötzlich<br />
tanzend und singend in den Fußgängerzonen<br />
auf; in der Popkultur waren sie präsent:<br />
allen voran arbeiteten die Beatles Ideen<br />
der Krishna-Philosophie in ihre Songs<br />
ein. Aber nicht nur textlich, auch konkret<br />
musikalisch findet sich beispielsweise das<br />
Hare-Krishna—Mantra in den Backing<br />
Voc<strong>als</strong> zu „My sweet Lord“ wieder. Kein<br />
Wunder, denn George Harrison, Beatles-<br />
Gitarrist, war ein Devotee, ein Eingeweihter<br />
in den Glauben Krishnas. Doch schon in<br />
den 1970er Jahren machte die Bewegung<br />
extrem negative Schlagzeilen. Waffenbesitz,<br />
Gehirnwäsche, Drogenhandel, Ausbeutung<br />
wurde den Mitgliedern vorgeworfen. 1974<br />
wurde das deutsche Krishna-Zentrum im<br />
Taunus durchsucht, es wurden Waffen<br />
sichergestellt. Ein großer Missbrauchsskan-<br />
dal an Krishna-Privatschulen in den USA<br />
kam in den 90ern ans Licht. Das Bild, das<br />
sich die Öffentlichkeit von ISKCON machte,<br />
verschlechterte sich drastisch, der Aufschwung<br />
der Anfangsjahre war vorüber. Lebensphilosophie?<br />
Religionsge<strong>meins</strong>chaft?<br />
Wirtschaftsunternehmen? Sekte? Destruktiver<br />
Kult? Doch auch heute noch, 2010, ist<br />
die Bewegung aktiv, das kann ich gerade<br />
bezeugen.<br />
Ich setze mich auf eines der<br />
Sitzkissen und warte mit etwa zehn anderen<br />
Menschen auf den Beginn der Zeremonie.<br />
Bis jetzt ist der Großteil der Anwesenden,<br />
gerade mal ein Dutzend, offensichtlich<br />
indischer Herkunft, doch das soll nicht so<br />
bleiben. Keshava betritt den Raum, begrüßt<br />
mit seiner wirklich charismatischen Art alle<br />
Gäste. Für die wenigen, die zum ersten Mal<br />
gekommen sind, erklärt er kurz den Ablauf<br />
des Festes und schon geht es los.<br />
Den ersten Teil bildet das Chanten<br />
(=Singen) des Hare-Krishna-Mantras.<br />
Keshava singt, begleitet von Jan an einer<br />
Mridanga, einer speziellen indischen<br />
Trommel, den immergleichen Vers in jeweils<br />
unterschiedlicher Melodik und Rhythmik.<br />
Anschließend wiederholen wir alle seinen<br />
Gesang. Da ist er, der Mantra-Gesang, eines<br />
der Markenzeichen der Bewegung, das in<br />
der Kritik steht, bewusstseinsverändernde<br />
Funktion zu haben. Gehirnwäsche, so das<br />
große, böse Wort. Immer wieder beginnt<br />
Keshava den Vers, immer wieder wiederholen<br />
wir ihn. Ich warte darauf, dass mir<br />
langweilig wird. Aber mir wird gar nicht langweilig.<br />
Der Mantra-Gesang steigert sich in<br />
Lautstärke, Tonhöhe und Tempo: die Musik,<br />
die diesen Raum erfüllt, ist dynamisch,<br />
mitreißend, fast ekstatisch. Dann fängt<br />
Keshava die Spannung ab, singt das Mantra<br />
wieder tiefer, leiser, langsamer. Jan passt<br />
sich an, wir passen uns an. Währenddessen<br />
füllt sich der Raum. Sehr unterschiedliche<br />
Menschen kommen zum Fest: junge Menschen,<br />
alte Menschen, Deutsche, Ausländer,<br />
einige Frauen in bunten Gewändern,<br />
andere unauffälliger, ein Jugendlicher mit<br />
einer knielangen Schwimmhose und einem<br />
ausgewaschenen T-Shirt, ein Inder in einem<br />
langen hellbraunen Gewand, ein Deutscher<br />
mit schulterlangen Haaren und einem Stirnband.<br />
Eines aber haben alle ge<strong>meins</strong>am:<br />
sie betreten den Raum und knien sich auf<br />
den Boden, küssen ihn, halten inne, stehen<br />
wieder auf, begrüßen andere Festgäste,<br />
freuen sich über den Gesang, strahlen,<br />
und setzen sich auf die Sitzkissen. Bin ich<br />
in Köln? Wieder steigert sich der Gesang,<br />
es wird wieder laut, hoch, mitreißend. Ein<br />
paar Anläufe nimmt Keshava noch und erst<br />
nach einer knappen Stunde ist der Gesang<br />
vorbei.<br />
Was mich am meisten wundert –<br />
und weshalb ich mich trotz aller Fremdheit<br />
hier irgendwie wohlfühle – ist die Ungezwungenheit<br />
und Selbstverständlichkeit<br />
mit der diese Zeremonie bisher abläuft.<br />
Keshava geht ans Mikrofon und kündigt<br />
den anschließenden Gastredner an. <strong>Die</strong>ser<br />
geht nach vorn, setzt sich in seinem weißen<br />
Gewand neben den Altar und begrüßt die<br />
mittlerweile mehr <strong>als</strong> fünfzig Gäste. Der<br />
Raum ist voll. Nikhilananda heißt der Mann,<br />
der da vor uns sitzt. Er beginnt zu predigen<br />
von dem, was ihn in den letzten Wochen<br />
inspiriert habe. Ich kann nicht ganz folgen,<br />
sein Vokabular ist ungewöhnlich. Was ich<br />
verstehe, ist, dass es ihm grundsätzlich<br />
darum geht, die Missstände der materiellen<br />
Welt aufzuzeigen und stattdessen die Liebe<br />
regieren zu lassen. Er hat natürlich einen<br />
guten Aufhänger in diesem Zusammenhang:<br />
„<strong>Die</strong> Ratha yatra [eine festliche Parade, in<br />
der die ISKCON-Anhänger durch die Stadt<br />
ziehen] ist die eigentliche Loveparade.“ Man<br />
habe ja wieder einmal gesehen, dass das<br />
Verhalten der materiellen Menschen zum<br />
Verderben führen kann. Er lacht sehr viel,<br />
nickt beständig mit dem Kopf, um seine<br />
Aussagen zu unterstreichen. Ich kann mir<br />
nicht helfen, ich mag ihn nicht. In einem anderen<br />
Zusammenhang rutscht ihm das Wort<br />
„Neger“ heraus. Er merkt, dass das irgendwie<br />
unpassend war; er fügt hinzu: „Wie sagt<br />
man auf Deutsch? Schwarze? Darf man das<br />
so sagen?“. Ich rätsele, welche Sprache<br />
seine Muttersprache sein mag. Er hat einen<br />
ziemlich deutlichen amerikanischen Akzent.<br />
Aber seine Sprachmelodie erinnert an <strong>Die</strong>ter<br />
Bohlen. Später erfahre ich: er ist Hamburger<br />
und seit langer Zeit viel <strong>als</strong> Prediger<br />
unterwegs – auch im Ausland, wo er meist<br />
Englisch spricht. Plötzlich fällt das Wort<br />
„Verrückter“, auch diesmal verbessert er<br />
sich: „Oder, Moment, ich sollte wohl besser<br />
sagen…’mentally challenged’, ein Psychopath,<br />
schizophren“, und ich frage mich,<br />
ob die Menschen um mich herum auch<br />
merken, welche Begriffe da gerade in einen<br />
Topf geworfen wurden und wie grundlegend<br />
sich ihre Bedeutungen tatsächlich unterscheiden.<br />
<strong>Die</strong>ser Mann war direkter Schüler<br />
Prabhupadas, dem Gründer ISKCONs.<br />
Nachdem Nikhilananda fertig gesprochen<br />
hat – er hat seine Zeit überzogen,<br />
EchtZeit
denn in Köln fühle er sich immer so inspiriert<br />
– ist der dritte Teil des Sonntagsfestes an<br />
der Reihe: eine Altarzeremonie mit Gesang<br />
und Tanz. Keshava und Jan sind wieder<br />
für die Musik verantwortlich. <strong>Die</strong>smal aber<br />
sind alle Sitzkissen weggeräumt, wir stehen<br />
im Raum. <strong>Die</strong> Männer auf der linken, die<br />
Frauen auf der rechten Seite. Wie eben beginnt<br />
der Gesang verhalten, er steigert sich<br />
aber immer mehr. Einige haben Schellen in<br />
der Hand, die sie rhythmisch gegeneinander<br />
schlagen, fast alle im Raum singen, viele<br />
bewegen sich. Immer mehr tanzen, hüpfen.<br />
Ein Mann in einem braunen Gewand kommt<br />
fröhlich auf mich zu, fordert mich auf, richtig<br />
mitzumachen. Ich tanze, hüpfe nun auch,<br />
ein bisschen Spaß macht es zwar schon.<br />
Ich bin aber nicht ganz hier im Raum,<br />
ich gucke auch von außen auf das, was<br />
gerade geschieht. Verkleidete Menschen<br />
tanzen und singen zu Musik, vorne am Altar<br />
vollführt eine Frau in rosafarbenem Gewand<br />
mir unbekannte Rituale mit Blumen. Ich<br />
sage mir, Karneval ist doch eigentlich nichts<br />
anderes. Aber es ist mir bekannter. Und ich<br />
bin mir auch nicht so sicher, dass Karneval<br />
nichts anderes ist. Das Fremdheitsgefühl,<br />
das ich nach der ersten Begegnung mit<br />
Keshava weitgehend abgelegt hatte, wächst<br />
wieder. <strong>Die</strong>, die vorne in der ersten Reihe<br />
tanzen, direkt vor dem Altar, sind wirklich<br />
ekstatisch. Schweiß läuft ihnen das Gesicht<br />
herunter. Eine Polonaise bildet sich. Ich<br />
bin mitten drin. Ein kleiner Junge, vielleicht<br />
vier Jahre alt, ist hinter mir. Er hält sich an<br />
meiner Hose fest. Als die Polonaise sich<br />
auflöst, verlasse ich den Raum, gehe zur<br />
Toilette. Im Flur steht Nikhilananda. Ich frage<br />
mich, warum er nicht mittanzt. Müsste er<br />
nicht der Enthusiastischste von allen sein?<br />
EchtZeit<br />
Nach meinem Toilettengang betrete ich<br />
wieder den Raum. <strong>Die</strong> Stimmung ist etwas<br />
weniger euphorisch <strong>als</strong> vorhin. Zum Ende<br />
des Tanzes kommt Nikhilananda dann doch<br />
noch in den Raum und tanzt mit.<br />
Der Akt ist vorbei, das Festessen,<br />
genannt „prasadam“, geheiligtes Essen,<br />
steht nun auf dem Plan. <strong>Die</strong> Sitzkissen<br />
werden wieder auf dem Boden verteilt, aber<br />
sofort kommt Rupa zu mir. Es war vereinbart,<br />
dass ich noch mit Keshava spreche,<br />
über das Leben ganz konkret hier im Kölner<br />
Tempel. Keshava hatte nun stattdessen<br />
Rupa gebeten, das Gespräch zu führen.<br />
Nicht mit den anderen <strong>als</strong>o im Tempelraum,<br />
sondern im Erdgeschoss an einem richtigen<br />
Tisch essen wir. Wir sitzen in den Räumen<br />
eines ehemaligen Restaurants und jetzigen<br />
Catering-Service, den ISKCON betreibt und<br />
der Kindergärten unterschiedlicher Trägerschaft<br />
mit Essen versorgt. Jan kommt dazu,<br />
es ist eine nette Runde. Das Essen ist fantastisch.<br />
Rein vegetarisch, das versteht sich<br />
von selbst, denn die Hare-Krishna-Anhänger<br />
verzichten auf alles, was dem Körper nicht<br />
gut tut: Fleisch und jede Art von Drogen,<br />
auch Alkohol, Nikotin, sogar Koffein stehen<br />
auf der Liste der verbotenen Substanzen.<br />
„Der Körper ist das Haus unserer Seele,<br />
deswegen sollten wir ihn nicht vergiften“,<br />
erklärt Jan später. Wir essen ein Bohnen-<br />
Ingwer-Gericht, Reis mit Erbsen und<br />
Koriander, Gemüse ummantelt mit Teig, eine<br />
Joghurt-Gurke-Sauce, eine süße Grießnachspeise<br />
mit Trauben und Walnüssen. „Man<br />
nennt uns auch ‚kitchen religion’“, sagt Jan.<br />
Wie ist der erst 19jährige zu<br />
ISKCON gekommen? „Ich war in Bayern<br />
auf einer Institution, die nennt sich Gymnasium“,<br />
erklärt er zynisch, aber nicht<br />
unsympathisch, „da gab es einen Unterricht,<br />
der nannte sich Biologie und da gab<br />
es ein Thema, das nannte sich Evolution.“<br />
<strong>Die</strong> Evolutionstheorie habe er schon immer<br />
<strong>als</strong> lückenhaft und nicht nachvollziehbar<br />
empfunden. „Wenn du in den Wald gehst<br />
und eine Uhr findest, dann wirst du nicht<br />
bezweifeln, dass jemand sie hergestellt hat,<br />
oder?“ „Nein“, sage ich, gespannt. „Wir<br />
stimmen alle darin überein, dass Dinge nicht<br />
einfach so da sind. Wir sind überzeugt,<br />
dass jemand sie gemacht hat. Warum sollte<br />
<strong>als</strong>o diese perfekt funktionierende Welt<br />
einfach so entstanden sein? Irgendeine Art<br />
von höherer Intelligenz muss sie erschaffen<br />
haben.“ Ihm sei klar geworden, dass die Gesellschaft,<br />
das „System“, ihn krank machte.<br />
Also hat er nach Alternativen gesucht. „Ich<br />
habe erst einige Esoterikgruppen besucht,<br />
aber das war nicht das Wahre.“ Der Plan,<br />
nach Indien in ein Kloster zu gehen, reifte.<br />
Doch dann stolperte Jan über Bücher von<br />
Armin Risi, der in Zürich in einem ISKCON-<br />
Tempel lebte. Seine Bücher schienen im<br />
faktisch, logisch, intelligent; er fand in ihnen<br />
das, wonach er suchte. Also machte er sich<br />
auf den Weg in die Schweiz und zog mit<br />
Ende 17 in eben diesen Tempel. <strong>Die</strong> besondere<br />
Stimmung in der Villa auf einem Hügel<br />
mitten in der Stadt habe ihn sehr beeindruckt.<br />
Jetzt lebt Jan im Leipziger Tempel.<br />
Er ist Novize und wartet darauf, dass sein<br />
Tempelpräsident befindet, dass er bereit<br />
ist, Mönch zu werden. Es gebe dafür keine<br />
Prüfung; durch die Beobachtung seines<br />
Verhaltens werde der Präsident irgendwann<br />
seine Entscheidung treffen. Dann wird Jan<br />
sein weißes gegen ein orangefarbenes,<br />
safran-gefärbtes Gewand eintauschen, so<br />
wie Rupa. <strong>Die</strong> Farbe zeigt: ich entsage mich<br />
Allem – in Indien werden Leichen mit safrangefärbten<br />
Tüchern eingewickelt.<br />
Jans Erzählungen von seinem Alltag<br />
zeigen, wie weit „Entsagung“, wie er es<br />
selbst nennt, schon jetzt geht. Meistens ist<br />
er gar nicht im Tempel, sondern unterwegs:<br />
seine Hauptaufgabe ist es, Bücher zu verteilen<br />
und die vedische Literatur, die Philosophie<br />
der Hare-Krishna-Bewegung bekannter<br />
zu machen. So fährt er mit einem Van von<br />
Stadt zu Stadt, schläft in ihm und lebt in<br />
ihm. Wir gehen vor die Tür, er zeigt mir den<br />
Wagen. Ich bin sehr beeindruckt, hier gibt<br />
es wirklich nur das Nötigste. Bücherkisten,<br />
darauf Holzplatten und dünne Isomatten, ein<br />
paar Schubladen, eine winzige Kochplatte<br />
und eine ebenso winzige Spüle. Außen, am<br />
hinteren Teil des Wagens, ist ein Schlauch<br />
mit einem Duschkopf befestigt. „Das ist<br />
unsere Dusche. Wir stehen ja sehr früh auf<br />
[4.30 Uhr], <strong>als</strong>o stören wir auch keinen.<br />
Außerdem duschen wir nicht nackt, wir<br />
haben immer noch ein Tuch an.“ Zu seiner<br />
Mutter, bei der er aufgewachsen ist, hat Jan<br />
noch immer guten Kontakt, sie hat ihn sogar<br />
besucht, in Zürich und auch in Leipzig.<br />
„Und? Kommt sie damit klar, dass ihr Sohn<br />
ein Hare-Krishna ist?“ – „Am Anfang war es<br />
schwer. Aber jetzt sieht sie, dass es mir gut<br />
geht und das ist für sie das Wichtigste.“<br />
So ganz habe ich die Struktur, die<br />
Aufgabenverteilung innerhalb des Tempels<br />
nicht verstanden. Rupa erklärt es mir. „Es<br />
gibt den Tempelpräsidenten, der in eigener<br />
Verantwortung den Tempel leitet, allerdings<br />
unter bestimmten Richtlinien. Ein einheitliches<br />
Erscheinungsbild, eine einheitliche<br />
Organisationsstruktur ist das Ziel.“ So muss<br />
auch das wöchentliche Sonntagsfest organisiert<br />
werden und zum Beispiel die jährlich<br />
stattfindende Ratha Yatra, der festliche<br />
Umzug durch die Kölner Innenstadt, den Nikhilananda<br />
<strong>als</strong> die „eigentliche Loveparade“<br />
bezeichnete und bei der die Hare-Krishnas<br />
tanzend, singend und mit bunten Kostümen<br />
die Toleranz der Fußgänger auf den<br />
Prüfstand stellen. Das nächste Mal am 11.<br />
September. „Im Tempel leben dann Mönche<br />
wie ich“, fährt Rupa fort. „Ich zum Beispiel<br />
übernehme viele Hausmeister-Tätigkeiten,<br />
koche aber auch oft, betreue Gäste und<br />
halte Vorlesungen, verteile Bücher.“ Darüber<br />
hinaus gibt es Haushälter, die verschiedene<br />
Aufgaben im Tempel übernehmen und<br />
Gemeindemitglieder, die häufig Familie und<br />
Beruf haben. Sie unterstützen den Tempel<br />
finanziell und helfen bei Festen. Als ich<br />
nun in den Raum stelle, dass das doch ein<br />
hierarchisches System sei, erwidert Rupa<br />
sofort sehr bestimmt, dass es gewiss hierarchische<br />
Züge gebe, aber dass es sich dabei<br />
eben nicht um die Art von Hierarchie handle,<br />
die es in der materiellen Welt gibt. Es sei<br />
keine Machtstruktur „im eigentlichen Sinne“,<br />
denn niemand in der Organisation habe die<br />
Macht, einen anderen zu etwas zu zwingen,<br />
das dieser absolut nicht will. Es gehe dabei<br />
viel um „love and trust“, um Liebe und<br />
Vertrauen, auch zum Beispiel im Umgang<br />
mit Spenden. Genau in diesem Moment,<br />
wie bestellt, bringt einer der Festgäste eine<br />
kleine Schüssel mit einer überschaubaren<br />
Menge an Geld, die die Mitglieder gerade<br />
für das Fest und insbesondere das Essen<br />
gespendet hatten. Wir alle am Tisch lachen<br />
über sein Timing.<br />
Jan und besonders Rupa liegt<br />
sehr viel daran, dass ich ihre Philosophie<br />
verstehe. Immer wieder kommen sie auf die<br />
philosophischen Grundgedanken zurück,<br />
denn das sei es ja, weshalb sie hier sind.<br />
Ähnlich wie Jan konnte auch Rupa den<br />
Materialismus in der Gesellschaft nicht mehr<br />
ertragen. Er sei katholisch groß geworden,<br />
habe aber nie eine echte Beziehung<br />
zur christlichen Ge<strong>meins</strong>chaft aufbauen<br />
können. „Das Christentum ist für mich keine<br />
spirituelle, sondern eine soziale Institution.“<br />
Der dortige Dualismus, Gut und Böse, sei<br />
ihm außerdem schon immer fremd gewesen.<br />
„Das Christentum kann nicht erklären,<br />
warum es das Böse auf der Welt gibt,<br />
obwohl Gott ja allmächtig ist und das Gute<br />
will“, sagt er, „<strong>als</strong>o braucht es den Gegenpart:<br />
die Hölle.“ Das Christentum, sagt er,<br />
sei eigentlich viel radikaler <strong>als</strong> die Hare-<br />
Krishna-Philosophie. Aber kein Christ lebe<br />
diese Philosophie im eigentlichen Sinne.<br />
„Fast alle Menschen definieren sich nur über<br />
ihren Körper, ihre Wünsche sind materieller<br />
Natur.“ Das ist die Oberflächlichkeit,<br />
die Rupa so weit wie möglich zu meiden<br />
versucht. Mit Definition über den Körper<br />
meint er dabei allerdings längst nicht nur die<br />
Fixiertheit auf eine perfekte, fettminimierte<br />
Hollywood-Figur, sonnengebräunte Haut<br />
und Markenkleidung – auch Wünsche wie<br />
„Ich will ein guter Sänger/Ingenieur/Schreiner/etc.<br />
werden“ seien insofern materiell, <strong>als</strong><br />
dass sie sich auf eine Rolle beziehen, die<br />
der Körper erfüllt. „Das sind Hirngespinste,<br />
sentimentale Träumereien. Genau das <strong>als</strong>o,<br />
was uns immer vorgeworfen wird!“ Der<br />
Körper sei schließlich stets im Wandel. „Mit<br />
7 Jahren sagt jemand ‚ich’ und meint damit<br />
seinen Körper. Mit 18 sagt er immer noch<br />
‚ich’ und meint immer noch seinen Körper.“<br />
Dabei sind die Zellen aber nicht mehr die<br />
gleichen, sie sind eine Kopie der vorherigen.<br />
Im Tod müsse jedes Lebewesen seinen<br />
Körper sogar ganz loslassen. „Deshalb<br />
konzentrieren wir uns auf das Konstante<br />
und das, was uns wirklich ausmacht: unsere<br />
Seele. Wir versuchen, sie zu erkennen. Sie<br />
ist alles, was nach dem Tod bleibt.“<br />
Aber warum diese Ge<strong>meins</strong>chaft,<br />
warum diese Kleidung, warum braucht man<br />
ISKCON, um diese Philosophie zu leben?<br />
„ISKCON gibt uns eine Art Dach, gibt<br />
uns die Möglichkeit, Spiritualität zu leben<br />
in dieser westlichen Welt, die so wenig<br />
spirituell ist.“ Er betont dabei genau dieses<br />
Wort: Ge<strong>meins</strong>chaft. Ein Wort, das etwas<br />
so Positives meint, im Zusammenhang mit<br />
Sekten aber immer einen bedrohlichen Unterton<br />
hat. Den Begriff „Sekte“ habe ich im<br />
Gespräch wie im Artikel bislang vermieden.<br />
Jan ist es, der ihn beiläufig ins Spiel bringt.<br />
Als ich darauf eingehe und nachfrage, ob<br />
ISKCON denn nun <strong>als</strong> „Sekte“ bezeichnet<br />
werden kann, weist mich Rupa scharf zurück.<br />
„Wir sind Vertreter einer Jahrtausende<br />
alten Tradition.“ In der Tat gibt es weltweit<br />
renommierte Religionswissenschaftler, die<br />
den Bezug zur Tradition der Veden bestätigen.<br />
Aber es gibt auch die Gegenstimmen:<br />
die „Elterninitiative Sekten e.V.“ mit Sitz in<br />
Leverkusen zum Beispiel, die ISKCON <strong>als</strong><br />
„destruktiven Kult“ bezeichnet und erschütternde<br />
Erfahrungsberichte ehemaliger Devotees<br />
auf ihrer Internetseite veröffentlicht.<br />
Das alles spielt für mich in diesem<br />
Moment eine untergeordnete Rolle. Ich fühle<br />
mich akzeptiert von den Menschen, in deren<br />
Gegenwart ich nun seit sechs Stunden bin,<br />
gut zwei Stunden schon sitze ich alleine mit<br />
Jan und Rupa zusammen. Wir machen noch<br />
ein Foto, gehen dafür in den Tempelraum,<br />
der wieder leer ist und aufgeräumt. Wir stellen<br />
uns vor die Statue Prabhupadas, ich bin<br />
erstaunt, dass wir davor ein Foto machen<br />
dürfen. Der Ort kommt mir dafür irgendwie<br />
zu heilig vor. Als wir die Treppe hinunter<br />
gehen und die Verabschiedung naht, frage<br />
ich mich, wo Keshava eigentlich ist. Seit<br />
Ende der Tanzzeremonie vor mehr <strong>als</strong> zwei<br />
Stunden habe ich ihn nicht mehr gesehen.<br />
Ich gehe an zwei jungen Männer vorbei, die<br />
in gewöhnlicher Straßenkleidung im Flur<br />
stehen und schnappe nur einen Gesprächsfetzen<br />
auf: „…weißt du, mich Krishna völlig<br />
hinzugeben“, sagt einer. Ich verabschiede<br />
mich von Jan und Rupa, bedanke mich für<br />
das schöne, intensive, anregende Gespräch.<br />
Wir geben uns die Hand und Jan<br />
sagt „Tschüss“.<br />
Da bin ich wieder allein auf der<br />
Taunusstraße, es dämmert allmählich.<br />
Mein Kopf ist vollgestopft mit Gedanken<br />
und vielen, vielen Bildern. Ich fühle mich<br />
inspiriert, würden Jan und Rupa vermutlich<br />
sagen. Ich will noch nicht sofort nach<br />
Hause, setze mich in eine arabisch geführte<br />
Pizzeria, bestelle einen Milchkaffee und hole<br />
mein Notizbuch aus der Tasche. Der Kaffee<br />
schmeckt gut, aber mein Notizbuch kommt<br />
mir unnötig teuer und unnötig schön vor.<br />
Ich fühle mich materiell. <strong>Die</strong> Philosophie,<br />
sich über seine Seele zu definieren. Das hat<br />
doch was, das stimmt schon, denke ich. Ich<br />
bin verwirrt. Schon morgen werde ich mein<br />
Notizbuch wieder weniger unnötig schön<br />
finden. Ich weiß nicht, ob mich das beruhigt<br />
oder beunruhigt.<br />
Text und Bilder: Dennis Große-Plankermann<br />
EchtZeit
I’m a Nerd, but that’s OK<br />
Es ist zur gängigen Modeerscheinung<br />
westlicher Medien geworden<br />
über Hipster zu schreiben.<br />
Überall ließt man unter dem<br />
Stichworten Hornbrille, Jutebeutel<br />
oder Animal Collective von<br />
einer Gruppe mehr oder weniger<br />
junger Leute mit einem nahezu<br />
krampfhaften Drang zum<br />
ironisch Gebrochenen. Dabei<br />
geht es größtenteils eigentlich<br />
nur darum zu zeigen wie wenig<br />
Menschen mit extrem engen Hosen<br />
eigentlich darstellen. Leider<br />
besitzt ein Artikel in diese Richtung<br />
meist den Tiefgang eines<br />
Mario Barth Auftritts. Kennste?<br />
Sicher, man kann ewig über des Kaisers<br />
neue Kleider schreiben - jedoch weiß der<br />
verständige Leser bereits nach einem Artikel,<br />
dass der gute Mann wohl einfach nur<br />
nackt ist.<br />
Insgeheim wussten das die Meisten wohl<br />
ohnehin schon.<br />
Der Trend „Hipster“ selbst scheint sein<br />
Haltbarkeitsdatum längst überschritten zu<br />
haben.<br />
<strong>Die</strong>s ist leicht zu erkennen, blickt man allein<br />
hinter die Kulissen der Hausmarke des<br />
modernen Szenemenschen, „American<br />
Apparel“, zeichnet sich ein katastrophales<br />
Bild. Neben diversen Klagen aufgrund sexueller<br />
Belästigung und einem Rechtsstreit<br />
mit Woody Allen musste das Unternehmen<br />
im letzten Jahr 1500 Arbeiter entlassen, die<br />
ohne Arbeitserlaubnis in den USA illegal beschäftigt<br />
wurden. Dazu kommen sinkende<br />
Verkaufszahlen, Probleme in der Buchhaltung<br />
und dementsprechend ein Aktienkurs<br />
auf Talfahrt.<br />
Das was übrig bleibt findet sich vollständig<br />
bei H&M und Mumford & Sons. Fein<br />
säuberlich portionierte Happen jugendlicher<br />
Subkultur für 14, 95 Euro das Stück. Kein<br />
12 EchtZeit<br />
schlechter Schnitt für eine Generation der<br />
stets nur angedachten Ideen. Einer Generation<br />
voll von verschwendetem Potenzial.<br />
Rückblickend betrachtet wurde man wohl<br />
schlichtweg Opfer der Möglichkeiten. Statt<br />
Qualität galt Quantität. Man musste möglichst<br />
viel und am Besten noch gleichzeitig<br />
machen, schließlich gab es viel zu viel zu<br />
verpassen. Warum auf einer Party bleiben,<br />
während man zwei andere verpasste,<br />
warum ein Buch lesen wenn in der gleichen<br />
Zeit 30 Wikipedia-Einträge zu schaffen<br />
waren?<br />
Denn nach außen zählte nur die Oberfläche,<br />
das kennen oder das nicht kennen,<br />
fernab vom tatsächlichen Wissen. <strong>Die</strong><br />
Handlung an sich wurde zum angestrebten<br />
Zweck, während das Ergebnis sich <strong>als</strong><br />
nebensächlich darstellte. Das dadurch nie<br />
Nachhaltigkeit entstehen konnte liegt auf<br />
der Hand. Insofern scheint es auch nicht<br />
verwunderlich dass dieses von Anfang an<br />
schlecht konstruierte Gebilde nun langsam<br />
Stück für Stück in sich zusammenfällt um<br />
Platz für etwas Neues zu schaffen. Oder<br />
vielleicht sogar Platz für etwas Altes. Denn<br />
wenn Hipster in all der Zeit eine gute Sache<br />
bewirkt haben, dann ist es die Kultivierung<br />
des Internets und die Idealisierung des<br />
gemeinen Nerds.<br />
Erst vor kurzem habe ich in einem alten<br />
Playboy von 1996 einen Beitrag über<br />
die „Digitalen Deppen“ gelesen. In dem<br />
Artikel amüsiert Petra Reski sich über die<br />
Lächerlichkeit eines Netzes, das zu 90 %<br />
von Männern bevölkert wird, spottet über<br />
die Trivialität von Chatrunden und hält das<br />
Internet in Wahrheit lediglich für eine simple<br />
Bezugsstelle für schlechte Pornografie.<br />
Vergleicht man diese Einschätzungen mit<br />
dem heutigen Bild des Web 2.0, kommt<br />
man nicht umhin die radikalen Änderungen<br />
zu bemerken. Vor allem im Bereich der 10-<br />
24 Jährigen wird das Internet heutzutage<br />
fast zu gleichen Teilen von Männern und<br />
Frauen bevölkert, durch <strong>Die</strong>nste wie Twitter,<br />
Facebook oder StudiVZ werden völlig neue<br />
Ebenen der bedeutungslosen Kommunika-<br />
tion erklommen und besonders pornografische<br />
Inhalte finden allgemein eine immer<br />
größere Anerkennung.<br />
Wer wenn nicht Hipster haben an diesem<br />
Imagewandel maßgeblich beigetragen. Man<br />
denke einfach an die zahlreichen Musik-,<br />
Mode- und Fotografieblogs, tumblr, Last.fm<br />
oder die künstliche Aufplusterung in sozialen<br />
Netzwerken. Dazu kommt der Konsum<br />
moderner, geeklastiger US und UK Serien<br />
wie „O.C. California“, „Big Bang Theory“,<br />
„the IT Crowd“, „Spaced“ oder „How I met<br />
your mother“, der maßgeblich zu deren<br />
Erfolg beiträgt. Auch fallen die optischen<br />
Parallelen zum Nerd schnell ins Auge.<br />
Große Brille, enge Kleidung an einem dürren<br />
Körper, blasse Haut und ein unmöglicher<br />
Haarschnitt? Der typische Nerd wird quasi<br />
so geboren!<br />
Der Szenemensch von Heute wird sicherlich<br />
schnell wieder in Vergessenheit geraten,<br />
doch dafür traue ich seinen Erben noch<br />
Großes zu. Betrachtet man allein die letzten<br />
Präsidentschaftswahlen in Amerika und den<br />
ersten Nerd im weißen Haus, erhält man<br />
schon einen Ausblick darauf, was die Internetcommunity<br />
noch alles erreichen kann.<br />
Wer weiß, vielleicht schlüpft am Ende aus<br />
dem Kokon engsitzender Textilien noch ein<br />
wunderschöner Schmetterling<br />
Philip Schweers<br />
Hipster ist die Bezeichnung für eine<br />
„Subkultur“, die ihren Weg aus Berlin<br />
in die Großstädte Deutschlands<br />
fand. Eigenschaften eines typischen<br />
Hipsters umschließen: Jede Party<br />
mitzunehmen, möglichst wenig Emotionen<br />
zu zeigen und mehr Facebook<br />
Freunde zu haben <strong>als</strong> Woody Allen.<br />
Außerdem muss zu jedem Thema<br />
dieser Welt der jeweilige Senfs hinzuzugeben<br />
sein. Damit dies nicht zu<br />
anspruchsvoll ist, wird in Hipsterkreisen<br />
meist nur über Parties, Musik und<br />
Kleidung gesprochen. Apropos Kleidung:<br />
nötige Accessoires, die Hipster<br />
ausmachen: Hornbrille, Jutetasche,<br />
hautenge Markenhose, markant<br />
schief geschnittene Frisuren.<br />
Wer Pauschalisierungen findet, darf<br />
sie behalten.<br />
EchtZeit 13
Inception Me Too<br />
Dass Christopher Nolan intelligente und unterhaltsame<br />
Filme macht, ist spätestens seit<br />
den Filmen „The Prestige“ und „The Dark<br />
Knight“ nichts neues. Mit seinem neuen<br />
Werk „Inception“ übertrifft er sich allerdings<br />
selbst und liefert das Kinohighlight des<br />
Jahres.<br />
Dom Cobb (Leonardo DiCaprio) ist ein<br />
begnadeter <strong>Die</strong>b, genauer gesagt, ein<br />
Spezialist auf dem Gebiet der Extraktion. Er<br />
hat sich auf das höchste Gut in der Welt der<br />
Industriespionage spezialisiert: Informationen.<br />
Während der Traumphase, wenn der<br />
Verstand am verwundbarsten ist, stiehlt<br />
er aus dem Unterbewusstsein wertvolle<br />
Geheimnisse. <strong>Die</strong> Kehrseite seiner Tätigkeit,<br />
er hat alles verloren was er liebt und<br />
er wird auf der ganzen Welt gesucht. Ein<br />
letzter Auftrag, der ihm sein heißersehntes<br />
altes Leben wieder geben könnte, verlangt<br />
allerdings das fast Unmögliche. Cobb und<br />
sein Speziallistenteam sollen diesmal keinen<br />
<strong>Die</strong>bstahl, sondern genau das Gegenteil<br />
vollführen: das Einpflanzen - die Inception -<br />
einer Idee.<br />
In diesem, laut Regisseur/ Autor / Produzent<br />
Christopher Nolan, Gegenwarts- Sci- Fi-<br />
Action- Thriller taucht man in die Tiefen des<br />
Unterbewusstseins ein und sieht Träume<br />
Wirklichkeit werden. Der Großteil des Films<br />
handelt in dieser beeindruckend inszenierten<br />
Traumwelt in der das Unmögliche<br />
Hintergrundbild: "CINEMA" von LILITHIA auf www.deviantart.com<br />
14 EchtZeit<br />
versucht wird. Fast zehn Jahre arbeitete<br />
Nolan am Konzept für „Inception“. Das<br />
Ergebnis kann sich durchaus sehen lassen.<br />
Er schöpft aus den vollen der Kinokunst und<br />
zeigt noch nie gesehene Bilder, die Gänsehaut<br />
garantieren. Durch das Eintauchen<br />
in immer tiefere Traumdimensionen, knüpft<br />
Nolan ein komplexes Netz aus Handlungssträngen,<br />
das uns <strong>als</strong> Zuschauern die volle<br />
Aufmerksamkeit abverlangt. Allerdings lohnt<br />
es sich mal auf die Pinkelpause zu verzichten.<br />
Denn anders <strong>als</strong> andere Filme, in denen<br />
die Traum Thematik oft <strong>als</strong> Freifahrtschein<br />
für ein ausuferndes Verwirrspiel der Zuschauer<br />
genutzt wird, überzeugt „Inception“<br />
mit nachvollziehbarer Struktur und Logik<br />
der bizarren Traumrealitäten. Als Begleiter<br />
stellt Nolan uns die Figur der Ariadne (Ellen<br />
Page) - die Architektin - zur Seite. Auch sie<br />
ist neu und muss sich erst zurechtfinden in<br />
dieser verwirrend faszinierenden Nolanschen<br />
Traumwelt und steht - wie der Name<br />
schon verrät - für den roten Faden der uns<br />
durch dieses Labyrinth führt. <strong>Die</strong> geforderte<br />
Aufmerksamkeit wird zudem mit faszinierenden<br />
Bildern voller architektonischer<br />
wie perspektivischer Unmöglichkeiten und<br />
optischer Täuschungen, die an die Werke<br />
von M.C.Escher ( die unendliche Treppe )<br />
erinnern, belohnt.<br />
Während des Traums halten wir ihn für real.<br />
Erst wenn wir aufwachen, merken wir, dass<br />
er recht seltsam war. - erklärt uns Meister-<br />
dieb Dom Cobb in „Inception“. <strong>Die</strong>sem<br />
grundlegenden Realitätsanspruch, den<br />
Träume so an sich haben, löste Christopher<br />
Nolan wohl auch deshalb so bravourös, weil<br />
er es sich und seinem Team auch nicht ganz<br />
so einfach machte. Trotz des „Avatar“ –<br />
Zeitalters, versuchte er Computereffekte auf<br />
ein Minimum zu reduzieren. Dass nicht zu<br />
viel in die Trickkiste gegriffen wurde, merkt<br />
man dem Film auch an. Anstelle, wurden<br />
aufwendige und vor allem hydraulische Sets<br />
gebaut. Darunter ein Hotelkorridor der sich<br />
um 360° drehen konnte und in dem Schauspieler<br />
Joseph Gordon - Levitt auch selbst –<br />
nach wochenlangem Training – seine Szene<br />
und seinen Stunt spielte. Um möglichst viel<br />
an Origin<strong>als</strong>chauplätzen drehen zu können,<br />
wurde auch viel gereist. Da „Inception“ uns<br />
nicht nur in die Traumwelt entführt, sondern<br />
fast einmal um die ganze Welt, fanden die<br />
Dreharbeiten in sechs Ländern und vier<br />
Kontinenten statt. Nolans Hang zu unbequemer<br />
aber lohnender Authentizität trägt<br />
zum realistischen Ambiente seines Films<br />
über Träume bei.<br />
„Inception“ ist ein Meisterwerk geworden,<br />
dass Christopher Nolan in den Regie Olymp<br />
katapultiert. Ein Leuchtfeuer des gegenwärtigen<br />
Kinos, das neue Maßstäbe setzt. Ein<br />
Film, den man nicht verpassen darf, weil er<br />
uns <strong>als</strong> Zuschauer wieder daran erinnert,<br />
warum es das Kino überhaupt gibt.<br />
Sabina Filipovic<br />
Ein absolut sehenswerter kleiner Film mit<br />
großer Wirkung<br />
Daniel ist 34 Jahre alt, hat sein Studium mit<br />
Auszeichnung abgeschlossen und beginnt<br />
einen neuen Job. Zwischen ihm und<br />
seiner Kollegin Laura entwickelt sich eine<br />
enge Freundschaft aus der die große Liebe<br />
wird. Der einzige Haken an der Sache ist,<br />
dass er ein Chromosom zu viel hat. Daniel<br />
ist mit dem Down - Syndrom auf die Welt<br />
gekommen.<br />
<strong>Die</strong>se ungewöhnliche Liebesgeschichte<br />
ist für die spanischen Regisseure Álvaro<br />
Pastor und Antonio Naharro, der erste<br />
abendfüllende Kinospielfilm. Pastor und<br />
Naharro schaffen es mit Feingefühl und<br />
Respekt die schwierige Thematik von Liebe<br />
und Sexualität bei Menschen mit Down –<br />
Syndrom ehrlich und mit viel Leichtigkeit<br />
darzustellen. Ein Film mit einer schlichten<br />
Erzählweise und einer klaren Inszenierung,<br />
bei der viel mit der Schulterkamera und mit<br />
natürlichen Lichtquellen gedreht wurde.<br />
<strong>Die</strong> alltäglichen Vorurteile und Ressentiments<br />
die Daniel begegnen, treten durch<br />
das Lachen und die Unbeschwertheit des<br />
liebenswürdigen und ungleichen Paars in<br />
den Hintergrund. Vor allem wegen seiner<br />
grandiosen Darsteller Pablo Pineda (Daniel),<br />
der tatsächlich <strong>als</strong> erster Europäer mit Down<br />
– Syndrom einen Hochschulabschluss<br />
erlangte, und Almodovar – Schauspielerin<br />
Lola Dueñas (Laura) ist „Me Too“ eine bewegende<br />
Romanze geworden die ins Mitten ins<br />
Herz trifft. Bei den Filmfestiv<strong>als</strong> in San Sebastian<br />
erhielten beide Darsteller 2009 die<br />
„Silberne Muschel“ <strong>als</strong> Beste Schauspieler<br />
und in Rotterdam wurde „Me Too“ 2010<br />
Sabina Filipovic<br />
EchtZeit 15
Man kennt es ja: Wir Studenten<br />
sind oft knapp bei Kasse! Voral-<br />
lem jetzt im Zeitalter der Studien-<br />
gebühren. Da reicht oft ein Job<br />
nicht mehr aus. Ein bisschen legal<br />
erworbenes Taschengeld käme im<br />
Prinzip jedem von uns gelegen,<br />
oder? Und wenn man dieses legal<br />
erworbene Taschengeld auch noch<br />
mit einer netten häuslichen Ent-<br />
rümplung verbinden kann, wäre<br />
es für uns Studierende fast wie ein<br />
Sechser im Lotto.<br />
Na klar, gemeint ist das Trödeln,<br />
oder besser gesagt der Flohmarkt.<br />
Meins-<strong>magazin</strong> hat für euch einen<br />
Tag lang den BWLer Besim auf<br />
dem Flohmarkt begleitet und eine<br />
geheime Geldquelle entdeckt.<br />
EchtZeit<br />
Trödeln - eine geheime Geldquelle<br />
Sonntagmorgen, 06:30Uhr: Besims Wecker<br />
klingelt. Der Frühe Vogel fängt den Wurm.<br />
Deswegen steht der FH-Student lieber<br />
etwas eher auf, um bereits um 07:15Uhr<br />
vor den Toren der Alten Feuerwache, nähe<br />
Ebertplatz, zu stehen. „Um 08:00Uhr wird<br />
zwar erst das Tor geöffnet, aber bis dahin<br />
hat sich hinter mir eine lange Schlange<br />
gebildet, um die besten Plätze abzustauben.<br />
Wer einen guten Platz hat, verkauft auch<br />
mehr.“<br />
08:00Uhr: Ein Gedränge hat sich vor der<br />
Alten Feuerwache entwickelt. Nicht nur ein<br />
menschlicher Auflauf, auch Autos stehen<br />
Schlange, um auf das Gelände fahren zu<br />
können. Jeder „Nicht-Trödler“, der die<br />
anliegende Straße befahren will, sollte<br />
lieber einen anderen Weg wählen, denn<br />
hier ist derzeit jeder versuchte Durchgang<br />
vergebens. Sobald die Tore öffnen stürmen<br />
die Trödler auf die Fläche, besetzen den<br />
erwünschten Platz und bauen schnellstmöglich<br />
auf. „<strong>Die</strong> eingefleischtesten Kunden<br />
stehen schon beim Aufbau auf der Matte<br />
und wühlen sogar in noch nicht ausgepackten<br />
Sachen rum“, so Besim. Das frühe<br />
Aufstehen wird belohnt, seinen erwünschten<br />
Platz bekommt er nämlich.<br />
Während des Aufbaus erklärt Besim mir, wie<br />
man sich eigentlich anmelden muss, um<br />
auf dem Flohmarkt verkaufen zu können:<br />
„Zunächst schaut man unter www.altefeuerwachekoeln.de<br />
nach, wann der nächste<br />
Flohmarkt stattfindet. Am Montag zwischen<br />
17Uhr und 19Uhr vor dem Flohmarktsonntag<br />
ist dann immer die telefonische<br />
Anmeldung oder online zwischen 18Uhr<br />
und 19Uhr. Wenn dann am <strong>Die</strong>nstag die<br />
Standgebühr bezahlt wurde, ist die Anmeldung<br />
verbindlich. Jeder gemietete Meter<br />
kostet 8Euro. Fairnesshalber und wegen<br />
der hohen Nachfrage darf ein Stand sich<br />
höchstens auf 4 Meter belaufen. Außerdem<br />
gibt es zwei Bereiche. Mietet man den roten<br />
Bereich darf man, wie ich, schon um 8Uhr<br />
aufbauen, bei dem weißen Bereich erst um<br />
9Uhr. Spätentens um 18Uhr aber muss alles<br />
wieder geräumt sein.“<br />
Derweilen stöbern die frühen Besucher<br />
tatsächlich in noch nicht ausgepackten Taschen,<br />
um gute Ware zu erbeuten. Besims<br />
Nachbarin Angelique hat sich noch nicht<br />
ganz daran gewöhnt und möchte lieber erst<br />
alles aufbauen, bevor verkauft wird. „Da<br />
verliert man sehr schnell den Überblick und<br />
merkt auch nicht gleich, ob was fehlt“, so<br />
die hauptberufliche Erzieherin. Das Aufbauen<br />
der eigens mitgebrachten Tische und<br />
Klamottenständer benötigt schließlich die<br />
Aufmerksamkeit der Verkäufer.<br />
„Egal ob CDs, Klamotten, Schuhe, Schulbücher,<br />
Bilder, Elektroware oder alte Handys<br />
– auf dem Flohmarkt kann man praktisch alles<br />
verkaufen“, schwärmt Besim, „wichtig ist<br />
nur, dass es kein Müll ist, sondern wirklich<br />
schöne, brauchbare Dinge. Wer her kommt<br />
und abgetragene Shirts für 5Euro loswerden<br />
will, ist hier f<strong>als</strong>ch. <strong>Die</strong> Menschen kaufen<br />
keinen Müll und schon gar nicht für 5Euro.<br />
Da bekommt man bei diversen Billigdiscountern<br />
neue Shirts für den Preis.“<br />
Der Tag bewegt sich gen Mittag und bei<br />
Besim läuft das Geschäft prächtig. Rund<br />
200Euro hat er schon eingenommen. „Jetzt<br />
wird es nicht mehr so gut laufen. Schließlich<br />
hab ich unter anderem eine Digital Kamera<br />
und eine teure Uhr verkauft“, befürchtet er,<br />
„da kommt schnell mal 200Euro zusammen“.<br />
Auch andere Verkäufer scheinen<br />
einen guten Handel zu machen. „Solange<br />
das Wetter mitspielt, sind die Kunden bester<br />
Laune und kaufen folglich mehr“, weiß<br />
Angelique. Eigentlich kommt die freund-<br />
liche Verkäuferin aus der Südstadt, doch<br />
sie bietet ihre Sachen stets auf der Alten<br />
Feuerwache an. „<strong>Die</strong> familiäre Atmosphäre<br />
und die Menschen hier gefallen mir. Ich sehe<br />
das Verkaufen nicht <strong>als</strong> Arbeit, sondern <strong>als</strong><br />
Vergnügen an“, sagt die 27Jährige.<br />
Informatikstudentin Lena kauft gerne auf<br />
dem Flohmarkt ein. Am liebsten kauft sie<br />
H<strong>als</strong>tücher. „So ein H<strong>als</strong>tuch bekommt man<br />
in normalen Geschäften für 7-10 Euro. Hier<br />
sehe ich meistens sehr ausgefallene Tücher,<br />
die weit unter diesem Preis liegen. Aber vor<br />
allem mag ich den Flair des Flohmarkts. Im<br />
Geschäft ist alles festgesetzt, hier hat man<br />
nicht nur relativ günstige Preise, sondern<br />
kann diese auch noch weiter runter handeln.<br />
Das macht Spaß“, erklärt Lena.<br />
Gegen 17Uhr beginnen die Verkäufer aufzuräumen,<br />
da kaum mehr Kunden kommen.<br />
Mit knapp 350Euro ist Besim sehr zufrieden<br />
mit diesem für ihn besonders sonnigen<br />
Sonntag. „Das hat sich wirklich gelohnt. <strong>Die</strong><br />
Sachen wären andernfalls verwahrlost und<br />
so haben sie noch irgendwo Verwendung<br />
gefunden und ich bin um einiges reicher“,<br />
lacht er ein wenig erschöpft. Für <strong>meins</strong><strong>magazin</strong><br />
Leser gibt der 26Jährige mir noch<br />
einen Tipp mit auf den Weg: „Wer nichts zu<br />
verkaufen hat und gerne kocht und backt,<br />
kann vielleicht selbstgemachte Kuchen und<br />
Snacks für Flohmarktbesucher und -verkäufer<br />
anbieten.“ Auch so ein Stand existiert an<br />
der Alten Feuerwache, aber warum sollte<br />
man keine Konkurrenz machen dürfen…?<br />
Text und Bilder: Veronika Czerniewicz<br />
EchtZeit
Ein altes Fach in neuem Gewand<br />
Über den Bachelorstudiengang Romanistik<br />
Ich werde häufig gefragt, was sich hinter<br />
dem Studienfach Romanistik verbirgt und in<br />
der Tat könnte ich auch einfacher formulieren,<br />
was ich studiere, nämlich Französisch<br />
und Spanisch. <strong>Die</strong>se Angabe klingt jedoch<br />
nicht ganz so altehrwürdig und geheimnisvoll,<br />
daher gebe ich meist dem Überbegriff<br />
den Vorzug. Doch auch die Frage, was man<br />
denn genau studiert, wenn man (diese)<br />
zwei Sprachen studiert, wird mir bisweilen<br />
gestellt. Meist in der Verbindung „auf<br />
Lehramt?“.<br />
Nein, nicht auf Lehramt, nicht mehr auf<br />
Magister, sondern auf Bachelor. Selbst im<br />
traditionsbewussten Fach Romanistik kann<br />
man sich nicht mehr gegen die neue Spezies<br />
der B.A.’s wehren, die sich im Philosophikum<br />
der Universität zu Köln immer weiter<br />
verbreiten. Doch was macht das Bachelorfach<br />
Romanistik in Köln aus?<br />
Zunächst handelt es sich dabei um einen<br />
Zwei-Fach-Bachelor, was bedeutet, dass es<br />
möglich ist, lediglich eine der romanischen<br />
Sprachen (Französisch, Spanisch, Italienisch,<br />
Portugiesisch) mit einem weiteren<br />
Fach der Philosophischen Fakultät zu<br />
verbinden. Man kann jedoch auch zwei romanische<br />
Sprachen studieren, worüber man<br />
nicht selten verständnislose Blicke erntet.<br />
Das Studium gliedert sich in Sprachpraxis,<br />
Sprachwissenschaft, Literaturwissenschaft<br />
und Landeskunde. Erst- und letztgenannte<br />
Module werden in der jeweils studierten<br />
Sprache von Muttersprachlern aus den<br />
entsprechenden Ländern unterrichtet. Zu<br />
Studienbeginn werden B1-Kenntnisse der<br />
jeweiligen Sprache vorausgesetzt, was allerdings<br />
nicht bedeutet, dass man ohne solche<br />
nicht trotzdem anfangen könnte Romanistik<br />
zu studieren, man muss sich lediglich auf<br />
eine Verlängerung des Studiums durch<br />
Propädeutika gefasst machen (und die Regelstudienzeit<br />
darf man <strong>als</strong> B.A.-Student ja<br />
nie aus den Augen verlieren…). <strong>Die</strong> Sprachkurse,<br />
zu denen auch Übersetzungskurse<br />
gehören, verbessern die Sprachkenntnisse<br />
18 EchtZeit<br />
zwar, können einen Auslandsaufenthalt<br />
jedoch nicht ersetzen, welcher in Köln<br />
übrigens nicht obligatorisch ist, sondern nur<br />
dringend angeraten wird.<br />
Alle Module münden in einer Bachelorprüfung<br />
und –arbeit, von denen im Moment die<br />
ersten durchgeführt bzw. verfasst werden,<br />
daher hapert es auch noch manchmal<br />
mit der Organisation - Probleme mit dem<br />
universitären Netzwerk und Lieblingsthema<br />
Klips exklusive. <strong>Die</strong> Tatsache, dass man <strong>als</strong><br />
Bachelorstudent alle Veranstaltungen mit<br />
Lehramtstudenten teilt, führt leider dazu,<br />
dass man <strong>als</strong> solcher hin und wieder übergangen<br />
wird, man Informationen über das<br />
eigene Studium verzweifelt suchen muss<br />
und schließlich immer wieder auf das recht<br />
kurz gehaltene Modulhandbuch zurückgreifen<br />
muss.<br />
Wer über diese formellen Schwierigkeiten<br />
jedoch hinwegsieht, darf sich darauf freuen,<br />
sich mit inhaltlichen Fragen zu beschäftigen<br />
wie: inwiefern hängt unser Denken mit<br />
unserer Sprache zusammen und bedeutet<br />
eine andere Sprache zu beherrschen auch,<br />
sich in fremde Denkmuster hineinzudenken?<br />
Auf literaturwissenschaftlicher Ebene kann<br />
man sich z.B. mit den Romanen Marcel<br />
Prousts beschäftigen, mit der existenzialistischen<br />
Philosophie Jean-Paul Sartres, der<br />
Romantik, dem Realismus, der Antike. Oder<br />
aber mit der Lyrik im goldenen Zeitalter<br />
oder den politischen Gedichten zur Zeit des<br />
spanischen Bürgerkriegs.<br />
Einer Frage wird man selbstverständlich<br />
nicht entgehen können, einer, die mindestens<br />
jedem Geisteswissenschaftler, wenn<br />
nicht jedem, der nicht Medizin, Jura oder<br />
auf Lehramt studiert, früher oder später,<br />
aber eigentlich permanent blüht: Und was<br />
willst du damit machen?<br />
Tja, die leidige alte Frage und die perfekte<br />
Antwort habe ich zwischen „Mal sehen“,<br />
„alles und nichts“ oder dem Versuch<br />
penibler Aufzählung aller sich mir bietenden<br />
Möglichkeiten noch nicht gefunden.<br />
Tatsächlich gibt es vielfältige Möglichkeiten<br />
im Kulturbereich, bei internationalen Organisationen,<br />
im Lektorat und so weiter und<br />
so fort. Letztendlich kann wohl keiner, der<br />
sich noch im Studium befindet, sicher sagen<br />
wohin es ihn verschlägt, aber ist das nicht<br />
auch etwas Schönes?<br />
<strong>Die</strong> Möglichkeit der Spezialisierung durch<br />
einen Master ist ebenfalls gegeben: so kann<br />
man im Nachhinein doch noch „nachgeben“<br />
und einen Master of Education ablegen<br />
(jedoch noch nicht in Köln), um doch noch<br />
in den so häufig abgewiesenen Lehrerberuf<br />
einzusteigen (aber das nach all der Mühe<br />
bei der Rechtfertigung des eigenen Studienfachs,<br />
nicht auf Lehramt?).<br />
Außerdem gibt es den wohlklingenden<br />
Masterstudiengang Literaturübersetzen in<br />
Düsseldorf und zahlreiche andere weiterführende<br />
Übersetzer- und Dolmetscherstudiengänge.<br />
Was den Master angeht, gibt es auch noch<br />
einen weiteren Bonus zu nennen: bleibt man<br />
beim Fach Romanistik an der Uni Köln, gibt<br />
es hier keine Zulassungsbeschränkungen,<br />
Eignungstests, Grenznoten oder andere<br />
Filtermaßnahmen, vor denen es einem <strong>als</strong><br />
Bachelorstudent graut, und man kann sich<br />
ohne jeglichen Stress weiterhin mit Voltaire,<br />
Dante, Góngora und Camus befassen und<br />
nebenher den schönen Abschluss Master of<br />
Arts erlangen.<br />
Leyla Bektas<br />
?EchtZeit 19
Fotostrecke Skulpturenpark Köln<br />
René Becker
René Becker
René Becker
René Becker
René Becker
FernSicht<br />
Bild: Leyla Bektas
Istanbul – Ein Spaziergang<br />
durch Beyoğlu<br />
32 FernSicht<br />
In seinem Nobelpreisgekürten<br />
Buch Istanbul (2003) schreibt<br />
Orhan Pamuk, dass lediglich<br />
die Leute, die außerhalb von<br />
Istanbul leben, das Innere<br />
Istanbuls ausnahmslos loben<br />
und die Stadt <strong>als</strong> durchweg<br />
schön beschreiben und<br />
darstellen können.<br />
<strong>Die</strong>ses Schicksal wird wohl jedem zuteil, der<br />
einen kurzen Trip in diese Stadt unternimmt,<br />
so auch mir, sogar im doppelten Sinne. Zum<br />
einen lebe ich nicht in Istanbul und zum<br />
anderen wohne ich in den paar Tagen nicht<br />
in der Innenstadt, sondern eine Stunde von<br />
ihr entfernt. Nähert man sich ihr von der<br />
Peripherie über die Schnellstraße, so reihen<br />
sich ärmlich anmutende Viertel an neu<br />
gebaute Hochhäuser und an Bauflächen.<br />
<strong>Die</strong> Außenbezirke Istanbuls weisen kaum<br />
Grün oder freien Platz auf, hier wird Beton<br />
an Beton gereiht, Tendenz steigend. <strong>Die</strong><br />
Innenstadt mit Vierteln wie Ortaköy oder<br />
Taksim hingegen steht in Widerspruch<br />
zu dieser Flächennutzung: hier und dort<br />
verfallene, nicht mehr bewohnbare, alte<br />
Holzhäuser, denen man ihre ehemalige<br />
Anmut und Schönheit noch anmerkt und<br />
welchen man eher eine Restauration<br />
wünschen würde, <strong>als</strong> den Außenbezirken<br />
einen weiteren gleich aussehenden Neubau.<br />
Seit vielen Jahren fahre ich nun<br />
nach Istanbul, aber wirklich<br />
kennen tue ich diese Stadt nicht.<br />
Kann man sie in ihrer Vielfalt und Größe<br />
überhaupt erfassen? <strong>Die</strong>ses Jahr orientiere<br />
ich mich geographisch ein wenig, das<br />
lässt sie mir näher erscheinen. Von den<br />
letzten Jahren habe ich Eindrücke im Kopf<br />
behalten, es gefällt mir, diese Bilder im Kopf<br />
nun auch auf einer Stadtkarte einordnen<br />
zu können. <strong>Die</strong>se Berechenbarkeit macht<br />
mir die Stadt nicht langweilig, sondern<br />
vertrauter.<br />
Wir starten am Taksimplatz, laufen durch<br />
den alten Stadtkern um Beyoğlu, einstiges<br />
Wohnviertel ethnischer Minderheiten.<br />
<strong>Die</strong>ser Stadtteil besteht zu einem Großteil<br />
aus der Istiklâl Caddesi, der Straße der<br />
Unabhängigkeit, einer breiten, langen und<br />
belebten Einkaufsstraße, durch die sich<br />
eine Bummelbahn mit einem Waggon ihren<br />
Weg bahnt, und über der auch im Juli eine<br />
weihnachtlich anmutende Beleuchtung<br />
funkelt. Auf dieser Straße laufen<br />
verschleierte neben knapp bekleideten<br />
Frauen. Ich empfinde es <strong>als</strong> komfortabel,<br />
wegen meines Rockes, der nicht einmal<br />
kurz ist, nicht viele fixierende Männerblicke<br />
auf mir zu spüren, wie ich es beispielsweise<br />
in Ankara erlebe. Würde ich hier in<br />
Beyoğlu wohnen, würde ich mir morgens<br />
wahrscheinlich keine moralischen Gedanken<br />
darüber machen, was ich anziehe und das<br />
tragen wonach mir ist – das bin ich gewohnt<br />
und das weiß ich hier zu schätzen.<br />
Schön sind die kleinen Gassen um die große<br />
Istiklâl Straße herum: der Fischmarkt (Balık<br />
Pazarı), die Ciçek Pasajı und die Sofyalı<br />
Sokak. Hier lässt es sich angenehm im<br />
Schatten flanieren, Restaurants und Cafés<br />
pflastern den Weg, häufig in Verbindung mit<br />
Live-Musik. Folgt man der Istiklâl Caddesi<br />
und passiert das schwedische Konsulat auf<br />
der Linken, wird die große Einkaufsstraße<br />
zu einer absteigenden Gasse mit einigen<br />
Kreativ-/Second-Hand-Geschäften und<br />
unzähligen Musikinstrumenten-Läden.<br />
An jeder Ecke gibt es preiswerten, frisch<br />
gepressten Saft zu kaufen. Wir nähern uns<br />
dem Galata-Turm, unter dem Alt und Jung<br />
den Schatten genießt. Durch enge Gassen<br />
laufen wir auf das Goldene Horn zu, in<br />
Galata am Ufer kann man sich noch einen<br />
Fisch auf die Hand nehmen, bevor man auf<br />
der Brücke von Fischrestaurantbesitzern<br />
geworben wird.<br />
Das Wasser ist hier so nah und<br />
blau, dass ich nicht umhin<br />
kann, diese Stadt <strong>als</strong> schön zu<br />
beschreiben, wohl wissend, dass<br />
dies nur ein Teil des Ganzen<br />
ist und sicherlich einer der<br />
angenehmeren.<br />
Kurze Zeit später bin ich auch wieder<br />
entnervt, <strong>als</strong> wir uns durch einen Tunnel<br />
unseren Weg auf die andere Seite<br />
erkämpfen, in der Hitze und umgeben von<br />
Körpergerüchen und Leuten, die selbst<br />
in diesem Gedränge noch ein Geschäft<br />
machen wollen. <strong>Die</strong> Stadt strengt mich an<br />
und doch fasziniert sie mich. Ich werde die<br />
nächsten Jahre wiederkommen.<br />
Text und Bilder: Leyla Bektas<br />
FernSicht 33
Ein Semester in Bordeaux<br />
I. Noch in Köln / August 2010<br />
In weniger <strong>als</strong> einem Monat ist<br />
es nun soweit. Seit einem Jahr<br />
schon denke ich schon so: in<br />
einem Jahr, in sechs, in zwei<br />
Monaten bin ich in Bordeaux.<br />
Immer dieser Countdown, mit immer<br />
weniger Monaten und Tagen vor mir, aber<br />
näher bringt es mir die Sache nicht. Ich bin<br />
jetzt, 24 Tage vor Abreise, nicht schlauer<br />
<strong>als</strong> vor 100 Tagen und werde es auch nicht<br />
sein, wenn ich schon im Zug sitze. Ich male<br />
mir heute die gleichen Szenarien aus wie<br />
vor ein paar Monaten, meine nächtlichen<br />
Träume spielen sich vielleicht etwas<br />
häufiger in Bordeaux ab, aber die fiktiven<br />
Geschehnisse haben eigentlich nichts<br />
mit Bordeaux, sondern eher mit meiner<br />
jeweiligen Verfassung zu tun.<br />
Majiang und Mosquitos<br />
Mein Auslandssemester in Südchina.<br />
Peter und Daniel fliegen in vier<br />
Wochen nach China. Das ist<br />
ja eigentlich schon fast nichts<br />
besonderes mehr, zumal die<br />
Volksrepublik <strong>als</strong> aufsteigende<br />
Wirtschaftsmacht, sowohl<br />
gefeiert <strong>als</strong> auch gefürchtet,<br />
immer mehr ausländische<br />
Studierende ins Land lockt, die<br />
das Land und die Sprache lernen<br />
wollen. Denn ist Chinesisch<br />
nicht nur die weltweit meist<br />
gesprochene Muttersprache<br />
sondern eben auch mehr<br />
und mehr der Schlüssel zum<br />
Geschäftserfolg auf asiatischem<br />
Raum.<br />
FernSicht<br />
Und das wissen die Chinesischen<br />
Universitäten auch zu schätzen, bieten<br />
maßgeschneiderte Sprachkurse mit<br />
Ausländerwohnheimen für besseren<br />
Wohnkomfort und vielen anderen<br />
Annehmlichkeiten. Doch was, wenn man<br />
wie Peter, Daniel oder ich selbst Chinesisch<br />
<strong>als</strong> Hauptfach studiert und die unverfälschte<br />
Chinaerfahrung sucht?<br />
Erst Shanghai, dann Guangzhou, von<br />
dort aus noch zwei Stunden mit dem<br />
Bus nach Zhuhai, das wird die Route von<br />
Peter und Daniel und war auch meine<br />
vor fast genau einem Jahr. In Zhuhai<br />
werden sie ankommen vor dem längsten<br />
Unterrichtsgebäude Südasiens: ein langer<br />
weißer Kasten auf Stelzen, eingekeilt<br />
zwischen zwei dunkelgrünen Hügeln,<br />
hunderte von Unterrichtsräumen fassend,<br />
das Jiao Xue Lou des Außencampus Zhuhai<br />
der Sun Yatsen-Universität. Dort werden<br />
Man denkt über die Zukunft<br />
nach. Ich tue es, vielleicht noch<br />
mehr, <strong>als</strong> ich über Vergangenes<br />
sinniere, zumindest im Moment.<br />
Was wird sie mir bringen? Qué será? Es<br />
ist schwierig, etwas darüber zu sagen,<br />
denn es führt einen immer wieder zum<br />
Ausgangspunkt zurück, man landet immer<br />
wieder bei Null und schließlich erzählen<br />
einem alle das Gleiche: „du wirst schon<br />
sehen, wie es wird. Es macht keinen Sinn,<br />
groß darüber nachzudenken. Lass es auf<br />
dich zukommen.“. Was Besseres kann<br />
ich mir auch nicht sagen. Lass es auf<br />
dich zukommen. Geht das überhaupt?<br />
Ist das nicht hohe Kunst? Überhaupt –<br />
nicht darüber nachdenken, ein Ding der<br />
Unmöglichkeit? An irgendwas muss ich<br />
doch denken.<br />
Aber Schluss mit den pseudo-<br />
beide ein Jahr studieren, so wie nur wenige<br />
Studenten der Universität zu Köln vor ihnen.<br />
Zhuhai ist fast schon ein<br />
Geheimtipp - wenn man<br />
ein etwas abenteuerliches<br />
Auslandsstudium sucht.<br />
Als ich vor über einem Jahr das erste Mal<br />
zum Beratungsgespräch im Akademischen<br />
Auslandsamt saß, fragte mich die<br />
Mitarbeiterin, ob ich mich in China auch<br />
für Guangdong - die in Deutschland auch<br />
<strong>als</strong> Kanton bekannte Provinz interessieren<br />
würde. Erst musste ich etwas stutzen - ich<br />
wollte ja Chinesisch studieren und diese<br />
Gegend ist <strong>als</strong> Sonderwirtschaftszone<br />
auch dafür bekannt mit seiner eigenen acht<br />
tönige Sprache "Guangdong Hua" sämtliche<br />
Ausländer auf kommunikatives Grundeis<br />
laufen zulassen, wenn sie hier ihr "Nihao!"<br />
an den Kantonesen zu bringen versuchen.<br />
Vielleicht gerade deshalb entschied ich mich<br />
den Sprung ins subtropische Wasser zu<br />
wagen, denn wo sonst würde ich vielleicht<br />
noch ein "echtes" Stückchen China<br />
mitbekommen.<br />
Doch was für eine Portion meine<br />
philosophischen Fragestellungen. So<br />
tiefgründig und einzigartig ist ein Erasmus-<br />
Aufenthalt im Nachbarland nun wirklich<br />
nicht. Als Erasmus-Student ist man schon<br />
lange kein Exot mehr. Im Gegenteil –<br />
wer heutzutage diese Gelegenheit an<br />
sich vorbeiziehen lässt, muss schon<br />
triftige Gründe vorweisen können. Ist ja<br />
fast wie Pauschalurlaub, wie Mallorca,<br />
eigentlich geht man gar nicht weg. Der<br />
Organisationsaufwand ist gering, die<br />
Bewerbung für einen Nebenjob wäre<br />
umfangreicher. Ein paar Emails von der<br />
Uni, aber klappen tut es sowieso immer<br />
irgendwie, so heißt es.<br />
Bin ich aufgeregt? Es hält sich in Grenzen,<br />
zu viele Dinge, die man hier noch regeln<br />
muss, keine Zeit sich allzu verrückt zu<br />
machen, wie es sonst meine Spezialität<br />
ist. Klar, schon ein paar Sachen, die das<br />
Potenzial hätten, mir Panik zu machen…<br />
zum Beispiel die noch nicht vorhandene<br />
Wohnung. Doch auch das haben etliche<br />
Kommilitonin Elena und ich uns aufgeladen<br />
hatten, wurde uns wohl erst bei unserer<br />
Ankunft bewusst.<br />
Plumsklos, Bananenstauden,<br />
Taifune - kein südasiatisches<br />
Dschungelklischee blieb uns<br />
vorenthalten.<br />
Ob nachts eine Riesenspinne aus der<br />
Klimanlage krabelte oder morgens sich ein<br />
Kakerlake auf der Schulter räkelte, die Natur<br />
macht selbst vor unserer klimatisierten<br />
"Luxuswohnung" mit zwei Schlafzimmern<br />
und Küche mit Kühlschrank nicht halt.<br />
Magenverstimmungen, daumengroße<br />
Mosquito-stiche, Kaffeeentzug -<br />
rückblickend kommt einem vieles<br />
nicht mehr so schlimm vor. Mit nur 30<br />
ausländischen Studenten, einer Überzahl<br />
davon Koreanern, ließ es sich schnell auch<br />
chinesische Freunde finden, die einem<br />
nicht nur beim Mittagessen halfen die<br />
Sprachkenntnisse aufzupolieren, sondern<br />
uns in das chinesische Studentenleben<br />
ließen. Obwohl man uns auf hundert Metern<br />
schon <strong>als</strong> Laowais ausmachen konnte,<br />
gerne mal auch an der Bushaltestelle<br />
Erasmus-Studenten schon vor mir erlebt,<br />
ist längst kein Abenteuer mehr, man mietet<br />
sich in ein Hostel ein und sucht vor Ort,<br />
hat immer geklappt, wird <strong>als</strong>o auch bei mir<br />
schon klappen. <strong>Die</strong>se ganze Angelegenheit<br />
ist wirklich nicht so spektakulär.<br />
Und dann gehe ich auch noch<br />
nach Frankreich, näher geht es<br />
kaum und klassischer wäre nur<br />
Spanien.<br />
Etliche Male dort gewesen, habe es lieben<br />
gelernt und verstehe nicht die Abneigung,<br />
die einige gegenüber dem Land und seinen<br />
Einwohnern hegen. Vielleicht wird das<br />
meine Mission: Vorurteile aufdecken! Auch<br />
nicht sehr kreativ…orientiere ich mich an<br />
den Berichten zurückgekehrter „Erasmuser“<br />
werde ich in einem Monat ohnehin vor<br />
lauter Wein und Partys nicht mehr wissen<br />
wo die Uni ist, geschweige denn eine<br />
auf die Echtheit unserer hellen Haut,<br />
Haare und Augenfarben überprüft oder<br />
ausgefragt wurden, verschwanden die<br />
Berührungsängste völlig. Ob morgens<br />
Milchtee und Bratnudeln zu frühstücken,<br />
abends zum Straßengrill zu schlendern oder<br />
Majiang zu zocken, selbst das Handeln um<br />
Gemüse geht nur auf Chinesisch und wird<br />
somit einfach Teil des Studiums, jeder Tritt<br />
vor die Tür eine neue Unterrichtsstunde,<br />
parallel in Chinesisch und Kantonesisch,<br />
versteht sich. Auch wenn das eigentliche<br />
Lernen einen erst den richtigen Geschmack<br />
vom chinesischen "Studentenleben" verlieh:<br />
Seitenweise Vokabelübungen und Aufsätze<br />
schreiben, Texte auswendig zu Lernen<br />
und Reden aus dem Stehgreif halten,<br />
Anstandsunterricht und Kalligraphie -<br />
schnell wurde uns klar, warum<br />
chinesische Studenten so oft<br />
Instantnudeln essen und jede<br />
freie Minute zum Schlafen<br />
nutzen.<br />
Der Unterricht begann meist um 8 Uhr,<br />
doch Mittagspausen inklusive Mittagsschlaf<br />
werden eisern eingehalten, abends<br />
komparatistische Studie über französische<br />
und deutsche Verhaltensweisen anfertigen.<br />
Dabei ist das schon eine super Sache,<br />
Erasmus, wenn man einmal darüber<br />
hinwegsieht, dass es so normal ist.<br />
Eigentlich ist es gerade eine super Sache,<br />
dass es so normal ist. Ich finde es ganz<br />
wunderbar, dass einem auf dem Weg ins<br />
Ausland keine Steine in den Weg gelegt<br />
werden. Es ist toll, dass es keine Frage des<br />
Geldes, sondern der Motivation ist. Egal,<br />
was mich nun erwartet, was…ja, auf mich<br />
zukommt (aber kommt es überhaupt auf<br />
mich zu, bewege ich mich nicht darauf zu?),<br />
diese Dinge bleiben sicher, genau wie etwas<br />
anderes sicher bleibt: Ich freue mich! Denn<br />
so normal es auch sein mag, mit Erasmus<br />
ins europäische Ausland zu gehen, so ist<br />
es für die Allgemeinheit vielleicht nichts<br />
Besonderes, aber für den Einzelnen, und<br />
somit auch für mich, wird es das auf jeden<br />
Fall sein.<br />
Leyla Bektas<br />
noch etwas Sport, all das aber auf dem<br />
abgeschotteten Campus, den man<br />
höchstens zum Einkaufen oder Essen gehen<br />
verlässt. Vor den Toren warten auch bereits<br />
die Fliegenden Händler mit Imbissbuden,<br />
frischem Obst und Postlieferungen, die<br />
über Privatversand laufen. In die Disco<br />
gehen die wenigsten, denn um 11 Uhr<br />
schließen die Campustore, allein wer wie wir<br />
"Ausländer" in einer Privatwohnung lebt, hat<br />
Narrenfreiheit und geht auch in die örtliche<br />
Bar. Ein wenig erinnert das Leben ans<br />
Internat, auch die Sicherheitseinweisungen<br />
und das soziale Verhalten, erst recht<br />
zwischen den Geschlechtern. Händchen<br />
Halten in der Öffentlichkeit ja, für weiteres<br />
lassen die getrennten Wohnheime keinen<br />
Freiraum. Das wirkt auf den ersten Blick<br />
vielleicht weltfremd, aber dann sind wir es,<br />
die unsere Einstellung auflockern und diese<br />
scheinbare Verklemmung im Vergleich zum<br />
aufdringlichen Balzverhalten in den Bars<br />
schon recht entspannt finden.<br />
Das Leben in China läuft nun mal nach einer<br />
anderen Uhr, aber das habe ich erst nach<br />
meiner Rückkehr wirklich verstanden.<br />
Maximiliane Koschyk<br />
FernSicht
ErkenntnisReich<br />
Foto: René Becker
Foto: www.corot.de<br />
<strong>Die</strong> Jagd nach<br />
neuen Planeten<br />
Kölner Forscher suchen im Licht der Sterne<br />
von Christine Willen<br />
Sag mir, wie viel Sternlein stehen? Wer in<br />
den Nachthimmel schaut, mag über diese<br />
Frage schon einmal philosophiert haben.<br />
Für die Kölner Forscher vom rheinischen<br />
Institut für Umweltforschung ist diese<br />
Antwort kein Problem: „<strong>Die</strong> Anzahl hängt<br />
vom Blickwinkel und den technischen<br />
Möglichkeiten ab“, weiß Dr. Martin Pätzold.<br />
„Wenn wir mit bloßem Auge in den<br />
sternenklaren Nachthimmel schauen, dann<br />
sehen wir etwa 5000 Sterne am Firmament.“<br />
Am 27. 12. 2006 schoss ein Satellit namens<br />
„CoRoT“ in eine Umlaufbahn der Erde.<br />
<strong>Die</strong>ser Satellit ist ein Weltraumspäher.<br />
Er soll im Universum nach den Planeten<br />
außerhalb unseres Sonnensystems suchen.<br />
„CoRoT ist ein hochauflösendes Teleskop,<br />
es beobachtet ungefähr 12 000 Sterne in<br />
einem bestimmten Sternenfeld“, erläutert<br />
38 ErkenntnisReich<br />
Pätzold. Je nach Stand der Technik werden<br />
Astronomen in der Zukunft immer weiter<br />
entfernt liegende Sterne sehen können.<br />
Allein in unserer Galaxie, der Milchstraße,<br />
gibt es 400 Milliarden Sterne, von denen<br />
etwa 15 % unserer Sonne ähneln. Für<br />
die Kölner Forscher ist es allerdings viele<br />
interessanter mit Hilfe der Sterne neue<br />
Planeten zu entdecken. Und zwar diejenigen<br />
Planeten, die außerhalb unserer Sonne<br />
kreisen. <strong>Die</strong> Kölner Forscher rund um Herrn<br />
Pätzold sind an einer Weltraummission der<br />
französischen Raumfahrtagentur CNES<br />
beteiligt. CoRoT steht für Convection,<br />
Rotation und planetare Transits. „Wir haben<br />
eine spezielle Software entwickelt, mit<br />
der wir die Daten von CoRoT auswerten<br />
können.“, erzählt Pätzold.<br />
CoRoT funktioniert wie eine<br />
Digitalkamera.<br />
Das Weltraumteleskop macht alle 10<br />
Minuten ein Bild von einem bestimmten<br />
Sternenfeld und das durchgehend bis<br />
zu 150 Tage lang. Daraus ergibt sich<br />
der so genannte Strahlungsfluss eines<br />
Sternes über die Zeit. Mit Hilfe von<br />
Hochleistungsrechnern im Rechenzentrum<br />
der Universität Köln wird der Strahlungsfluss<br />
auf Schwankungen hin untersucht.<br />
„Wenn diese Schwankungen, sich<br />
durch ein kurzzeitiges und periodisch<br />
wiederkehrendes Absinken der<br />
Lichtintensität auszeichnen, dann können<br />
wir ziemlich sicher davon ausgehen, dass<br />
dafür ein Körper verantwortlich ist, der die<br />
Sternscheibe bedeckt. <strong>Die</strong>ses Phänomen<br />
kennen wir auch von unserer Sonne, zum<br />
Beispiel <strong>als</strong> im Jahr 2004 der Planet Venus<br />
vor der Sonnenscheibe herwanderte.“,<br />
weiß Pätzold. Das ist die so genannte<br />
Transit-Methode mit der man Planeten<br />
entdecken kann: ein Begleiter läuft an der<br />
Sternenscheibe vorbei.<br />
„Planeten und Planetensystem<br />
sind üblich im Weltraum – nur<br />
eben schwer zu finden“, weiß<br />
Pätzold.<br />
<strong>Die</strong> Endeckung neuer Planeten ist aber eher<br />
ein Zufallsprodukt. Genau in der Ebene<br />
zwischen Stern und Teleskop muss die<br />
Umlaufbahn eines neuen Planeten verlaufen,<br />
um sichtbar zu sein. Da aber noch viele<br />
andere Umlaufbahnen möglich sind, werden<br />
mit dieser Methode Schätzungsweise nur<br />
5 % der extrasolaren Planeten entdeckt.<br />
Foto: Christine Willen<br />
Foto: www.corot.de<br />
„Dann ist immer noch nicht geklärt, ob<br />
dieser Begleiter ein erdähnlicher oder<br />
ein gasförmiger Planet ist oder sogar zu<br />
den extrem selten beobachteten braunen<br />
Zwergen gehört. Mit der Transit-Methode<br />
können wir die Umlaufbahn und die Größe<br />
des Begleiters feststellen.“, erläutert<br />
Pätzold. Dann übernehmen Astronomen<br />
die weiteren Untersuchungen und schauen<br />
sich den besagten Stern und sein Begleiter<br />
noch mal genauer an. Von der Erde aus<br />
kann man feststellen, aus welchem Material<br />
der Begleiter besteht und welche Dichte<br />
er hat. „Bei einer Dichte von 3000-5000<br />
Kilogramm pro Kubikmeter, handelt es sich<br />
um einen erdähnlichen Planeten. Bei einer<br />
Dichte von 1000 Kilogramm pro Kubikmeter<br />
ist es ein gasförmiger Planet, wie etwa<br />
der Jupiter oder der Saturn aus unserem<br />
Sonnensystem.“, erläutert Pätzold.<br />
<strong>Die</strong> braunen<br />
Zwerge stellen ein<br />
besonderes Mysterium<br />
dar.<br />
Braune Zwerge können<br />
die Forscher nur schwer<br />
zuordnen. Sind es Sterne<br />
oder Planeten? „Auf<br />
jeden Fall sind braune<br />
Zwerge, viel zu groß um<br />
<strong>als</strong> Planet durchzugehen<br />
aber eben auch viel zu klein, um <strong>als</strong> Sonne<br />
deklariert zu werden, da sie kein Licht<br />
abstrahlen. Braune Zwerge sind so etwas<br />
wie die Verlierer aus dem All“, erzählt<br />
Pätzold augenzwinkernd. Bisher wurden<br />
in dem Projekt 15 Begleiter entdeckt.<br />
Einer davon ist der Erde ähnlich, zwölf<br />
sind gasförmig und zwei sind den braunen<br />
Zwergen zuzuordnen. Das Projekt läuft<br />
noch bis 2013. Bis dahin rechnen die Kölner<br />
Forscher noch mindestens 100 weitere<br />
Planeten mit Hilfe des Weltraumteleskops<br />
CoRoT zu entdecken. „Jetzt befindet sich<br />
das Teleskop in etwa 900 Kilometer über der<br />
Erde. Wenn das Projekt vorbei ist, wird das<br />
Teleskop abgeschaltet und in eine weiter<br />
draußen liegende, stabile Umlaufbahn<br />
geschossen.“, weiß Pätzold. Stabile<br />
Umlaufbahn, das heißt für mindestens<br />
4000 Jahre stabil. Eine andere Möglichkeit<br />
Satelliten zu entsorgen, wäre sie in der<br />
Erdatmosphäre verglühen zu lassen.<br />
Wer gibt den neuen Planeten<br />
einen Namen?<br />
Wäre es nicht schön, einen neuen Planeten<br />
seinen Namen geben zu können? Im<br />
Fall von Planeten ist das leider nicht<br />
möglich. Nur bei Kometen können die<br />
Entdecker den Namen geben. Trotzdem<br />
sind sich die Experten rund um CoRoT<br />
bei der Namensgebung noch nicht bis<br />
ins Detail einig. Hier stellen die Braunen<br />
Zwerge einmal mehr einen Sonderfall dar.<br />
Normalerweise heißt ein neu entdecktes<br />
Objekt immer „CoRoT, plus eine Zahl,<br />
plus ein kleiner Buchstabe“. <strong>Die</strong> Zahl steht<br />
für den Stern und der kleine Buchstabe<br />
für seinen Planeten. So ist zum Beispiel<br />
„CoRoT-8b“, ein relativ kleiner Planet, der<br />
etwa 30 % kleiner ist <strong>als</strong> Saturn. Wie will<br />
man nun die braunen Zwerge nennen, wo<br />
sie doch weder Sonne noch Planet sind?<br />
Vermutlich wird man sich darauf einigen,<br />
dass braune Zwerge Großbuchstaben<br />
tragen statt des üblichen Kleinbuchstaben<br />
am Ende des Namens.<br />
ErkenntnisReich 39
Augen auf, beim Online-Kauf<br />
Internet-Kunden gehen verhältnismäßig naiv mit ihren persönlichen Daten um<br />
In der Theorie sind sich alle Internet-Kunden einig: 95 % geben an, großen Wert auf den Schutz ihrer Privatsphäre zu legen. Ein Experiment<br />
mit Studierenden der TU Berlin offenbarte nun ein völlig anderes Kaufverhalten. <strong>Die</strong> Teilnehmer der Studie konnten über die Amazon-Plattform<br />
eine DVD bei zwei verschiedenen Online-Anbietern erwerben. Einer von den beiden Anbietern erfragte neben den kaufrelevanten Informationen<br />
zusätzlich noch das Geburtsdatum und das Einkommen des Käufers. In dem ersten Experiment war die DVD bei beiden Anbietern gleich teuer.<br />
In diesem Fall entschieden sich etwa gleich viele Probanten für den einen oder anderen Anbieter. Ohne irgendeinen Vorteil davon zu haben,<br />
gaben etwa die Hälfte der Probanten ihre persönlichen Daten preis. War die DVD bei dem Anbieter mit den zusätzlichen Datenangaben um<br />
nur einen Euro günstiger, so entschieden sich sogar 90 % der Käufer für die günstigere DVD. Das Ergebnis zeigt, das in der Praxis gar nicht<br />
so sehr auf Datenschutz geachtet wird. Es bestehe wenig Bereitschaft, die Kaufbedingungen der Anbieter genau zu vergleichen, selbst wenn<br />
diese Bedingungen völlig transparent dargestellt würden. Christine Willen<br />
40 ErkenntnisReich<br />
Erdmännchen schlagen unüberhörbar Alarm<br />
Nicht-linerare Lautphänomene erhöhen die Aufmerksamkeit bei Gefahren<br />
Nicht-linerare Lautphänomene, das sind Lautäußerungen bei der eine Stimmmembran doppelt so schnell schwingt, wie die andere. Hört<br />
sich kompliziert an? Ist es aber gar nicht. Nicht-linerare Lautphänomene sind vergleichbar mit Babygeschrei oder einem Ausruf aus Furcht.<br />
Verhaltensbiologen der Universität Zürich haben jetzt den nicht-linearen sing sang der Erdmännchen in der Kalahari in Südafrika untersucht.<br />
Und zwar kommen diese Lautphänomene genau dann vor, wenn sie sich gegenseitig vor Raubtieren warnen. Nicht-lineare Lautphänomene<br />
steigern die Aufmerksamkeit, da sie schlichtweg überraschender, unvorhersehbarer und damit schwieriger zu überhören seien. Überhören<br />
konnten die Erdmännchen auch nicht die Tonbandaufnahmen von Marta Manser und Simon Townsend von der Universität Zürich. <strong>Die</strong><br />
beiden Verhaltensbiologen spielten den Erdmännchen Warnrufe vor, waren diese Nicht-linear, dann retteten sich die Erdmännchen eher in<br />
ihr Schutzloch und brauchten länger, bis sie wieder auf Nahrungssuche gingen. Somit wurde zum ersten Mal bewiesen, dass nicht-lineare<br />
Lautphänomene bei Tieren eine wichtige Funktion erfüllen. Damit nicht genug: weitere Forschungen sollen darauf abzielen, anhand der<br />
Erdmännchen, die menschlichen schrägen Lautphänomene besser zu verstehen. Uuuiiiaaah, was für eine Untersuchung! Christine Willen<br />
Landkinder haben weniger Heuschnupfen<br />
Ausgerechnet ein Stoff aus Pflanzen verhindert die übersteigerte Immunantwort<br />
Auf dem Bauernhof groß zu werden kann vor Allergien schützen. Forscher der Ruhr-Universität Bochum haben den Staub aus Viehställen<br />
untersucht, um herauszufinden ob sich dort der Schlüssel zu diesem Phänomen befindet. „<strong>Die</strong> Suche nach der schützenden Substanz war<br />
wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen“, sagt Dr. Marcus Peters. Stallstaub besteht hauptsächlich aus pflanzlichen Bestandteilen. Davon<br />
mit etwa 10 % aus einem großen Zuckermolekül, dass so genannte Arabinogalaktan. <strong>Die</strong>ser Zucker kommt zum Beispiel in der Futterpflanze<br />
Wiesenfuchsschwanz vor. Zuckermoleküle spielen eine wichtige Rolle für das Erkennen von Bakterien durch das Immunsystem. So testeten<br />
die Forscher an Laborratten, ob sich eine Immunantwort in Anwesenheit von Arabinogalaktan veränderte. Mit dem Ergebnis, dass die<br />
Immunantwort zwar etwas gedämpft war, aber die Abwehr von Krankheitserregern an sich trotzdem funktionierte. Es wurde lediglich eine<br />
übersteigerte Immunantwort verhindert, wie es etwa bei Allergien der Fall ist. So schützt ausgerechnet das Gras-Bestanteil vor Heuschnupfen.<br />
„In kleinen Konzentrationen können die Pollen des Wiesenfuchsschwanzes Allergien auslösen, in großen Dosen und sehr früh im Leben aber<br />
auch verhindern. Nichts anderes <strong>als</strong> eine Dosissteigerung ist ja auch die Strategie bei der Hyposensibilisierung.“, weiß Peters. Christine Willen<br />
ErkenntnisReich 41
FeinSinn<br />
Foto: René Becker
Es regnete schon den ganzen Tag.<br />
Zudem war es nebelig. Hermann<br />
stand mitten unter einem Regenrohr.<br />
Besser gesagt, unter einem Loch in<br />
einem Regenrohr. Das Wasser lief sein<br />
Gesicht hinab, unter seinen Kleidern<br />
hindurch direkt in seine Schuhe. Es war<br />
<strong>als</strong> ob er mit Regenwasser duschte.<br />
Ein schöner, dicker Strahl, der direkt<br />
auf seinen Kopf klatschte. Er selbst<br />
zählte die Sekunden, seit er angefangen<br />
hatte zu frieren. Menschen die tief<br />
gebückt unter ihren Regenschirmen<br />
vorbeigingen, betrachteten ihn mit<br />
argwöhnischen Blicken. Einige waren<br />
gekommen, hatten ihn gefragt, ob alles<br />
in Ordnung sei. Er hatte nur genickt,<br />
gegrinst und gewunken. Er konnte<br />
von Geburt aus nicht sprechen. Das<br />
wussten sie natürlich nicht, waren<br />
sich veralbert vorgekommen und ihres<br />
Weges gegangen. Er hatte mit den<br />
Schultern gezuckt, genickt, gegrinst und<br />
gewunken.<br />
Aus dem gleichen Grund, eben weil<br />
er nicht sprechen konnte, stand er<br />
hier. Er hatte sich in seiner Jugend oft<br />
Experimente ausgedacht, um sich von<br />
seiner Sprachlosigkeit abzulenken.<br />
Dinge selbst herauszufinden, war immer<br />
eine Leidenschaft von ihm gewesen.<br />
Sie kompensierte das nicht vorhandene<br />
Vermögen zu Sprechen. Deshalb stand<br />
er hier und zählte die Sekunden, die<br />
er aushielt unter dem kalten Strahl zu<br />
stehen und zu frieren. Wenn es ihm zu<br />
kalt werden würde, würde er gehen.<br />
<strong>Die</strong> Sekunden, die er gezählt hätte, tief<br />
in seinem Kopf verwurzelt nach Hause<br />
tragen und sie aufschreiben. In das Buch<br />
in dem er all die Dinge festhielt, die er<br />
selbst rausgefunden hatte.<br />
Es war ein großes, dickes Buch mit dem<br />
Titel: „<strong>Die</strong> Experimente des Hermann<br />
FeinSinn<br />
Wassernau“. Als Untertitel hatte er<br />
festgehalten: „Ich muss wohl verrückt<br />
gewesen sein, doch das sollten sie mir<br />
verzeihen.“<br />
Er wusste nicht für wen er das Buch<br />
schrieb. Er hatte einfach damit<br />
angefangen. Doch er wusste, dass<br />
wahrscheinlich niemand ihn je wirklich<br />
verstehen würde. Genauso, wie er<br />
niemandem je wirklich etwas sagen<br />
können würde.<br />
„Fünfhundereinundachzig,<br />
fünfhundertzweiundachzig,<br />
fünfhundertdreiungachzig.“<br />
Das Wasser lief immer noch in Strömen,<br />
doch noch war Hermann nicht kalt<br />
genug. Ja, er hielt sich wirklich für<br />
verrückt. Ein wenig jedenfalls. Aber er<br />
hatte Spaß daran.<br />
„Fünfhundertvierundachzig,<br />
fünfhunderfünfundachzig,<br />
fünfhundersechsundachzig.“<br />
Während er so vor sich hinzählte, grinste,<br />
nickte und winkte, bemerkte er einen<br />
Mann mit Hut, der auf ihn zu kam.<br />
„Fünfhundertsiebenundachzig,<br />
fünfhundertachtundachzig,<br />
fünfhundertneunundachzig.“<br />
Der andere trat jetzt neben ihn,<br />
verbeugte sich, grinste, nickte, zuckte<br />
mit den Schultern und winkte ihm zu.<br />
Dann gab er ihm die Hand. Lachte kurz<br />
auf und begann sich auszuziehen.<br />
„Fünfhunder...“ Hermann sah dem<br />
Fremden verwundert zu. <strong>Die</strong>ser zog sich<br />
aus, bis auf die nackte Haut, stellte sich<br />
in den Regen und begann zu tanzen. Den<br />
Hut vor sich auf den Boden gestellt, wie<br />
es die Straßenmusiker taten. Langsam<br />
lief das schwarze Kleidungsstück mit<br />
Wasser voll. Der Mann machte sich aber<br />
allen Anscheins nach nichts daraus,<br />
sondern tanzte ausgelassen. Hermann<br />
grinste ihm zu. Es regnete zwar, doch er<br />
fühlte sich verstanden. Ein Schimmer der<br />
Sonne brach durch die Wolken. Hermann<br />
fiel auf, dass er vergessen hatte, wo er<br />
aufgehört hatte zu zählen. Doch er fror<br />
eh nicht mehr. Der Mann nahm den mit<br />
Wasser gefüllten Hut in die Hand, und<br />
setzte ihn sich auf. Das Wasser lief ihn<br />
Strömen an seinem nackten Körper<br />
entlang. Er lachte auf, klaubte seine<br />
anderen nassen Sachen auf, und lief<br />
davon. Hermann nickte. Dann ging auch<br />
er davon.<br />
Wenn du glaubst,<br />
du bist verrückt,<br />
wirst du immer<br />
einen finden, der<br />
verrückter ist.<br />
FeinSinn<br />
Christopher Dröge { Bild von sxc.hu (bertvthul)<br />
Simeon Buß | Bild von Evelyn Laoun
Telepathie<br />
Sehr geehrte Frau Kannengießer,<br />
Wir bedanken uns herzlich für ihre<br />
Bewerbung um einen Studienplatz an<br />
der Kunsthochschule Berlin-Weißensee<br />
für das Wintersemester 06/07.<br />
Leider müssen wir ihnen mitteilen,<br />
dass…<br />
Lena lässt den Brief sinken. Weiter<br />
braucht sie nicht zu lesen. Den Rest<br />
kennt sie bereits aus dem halben<br />
Dutzend anderer Ablehnungsschreiben,<br />
die sie in der untersten Schublade ihres<br />
Schreibtisches aufbewahrt. Trotzdem<br />
dauert es eine Weile, bis sich ihr<br />
Herzschlag wieder beruhigt.<br />
Das war’s dann wohl. Als sie an der<br />
Mappe gearbeitet hatte, hatte sie<br />
beschlossen, dass es ihr letzter Versuch<br />
sein würde. Wenn sie sie auch diesmal<br />
ablehnten, würde sie diesen schal<br />
gewordenen Traum zu Grabe tragen und<br />
sich etwas Neues überlegen.<br />
Dam<strong>als</strong> hat das sehr einfach und<br />
vernünftig geklungen. Aber jetzt, da sie<br />
es schwarz auf weiß hat, fällt ihr einfach<br />
nichts „Neues“ ein.<br />
Seit sieben Semestern studiert sie<br />
nun schon Kunstgeschichte, was sie<br />
nach den ersten Ablehnungen für eine<br />
passable Notlösung gehalten hat. Aber in<br />
den vergangenen Jahren hat sie ständig<br />
diese flüsternde Stimme im Hinterkopf<br />
gehabt: Das ist es nicht. Das ist nicht<br />
das, was du mit deinem Leben anfangen<br />
willst. Deswegen hat sie es noch einmal<br />
wissen wollen.<br />
Noch nicht einmal Mitte zwanzig und<br />
schon gescheitert. Sie denkt an die<br />
naiven Vorstellungen die sie früher<br />
gehabt hat; irgendwie kommt ihr die<br />
Küche auf einmal kälter vor. Sie ließ den<br />
Blick noch einmal über das Schreiben<br />
wandern.<br />
„Bitte betrachten sie dies nicht <strong>als</strong><br />
46 FeinSinn<br />
eine Abwertung ihrer künstlerischen<br />
Fähigkeiten…“<br />
Wütend knüllt sie den Brief zusammen<br />
und feuerte ihn in Richtung des<br />
Papierkorbs. Nicht <strong>als</strong> Abwertung. Der<br />
reine Hohn.<br />
Sie schnappte sich das Telefon und<br />
wählte Stefans Nummer. Ihre Hausarbeit<br />
über die Fluxus-Bewegung wird wohl<br />
warten müssen. Heute Abend braucht<br />
sie ein wenig Ablenkung.<br />
Sie treffen sich in ihrer Stammkneipe,<br />
einer kleinen Bar, in der sie alte<br />
Soulsachen und Funk aus den<br />
Siebzigern spielen.<br />
„Trink doch nicht so schnell“ meint<br />
Stefan, <strong>als</strong> sie ihr zweites Bier in einem<br />
Zug zur Hälfte hinunterkippt.<br />
„Ich trink heute so schnell und so viel ich<br />
will“ murrt Lena.<br />
Stefan schweigt einen Moment, bevor<br />
er einen neuen Versuch startet sie<br />
aufzumuntern.<br />
„Versuch es doch nächstes Jahr einfach<br />
noch mal. <strong>Die</strong>se Gutachter sind doch<br />
genauso subjektiv wie du und ich. <strong>Die</strong>ses<br />
Mal hattest du halt Pech, nächstes Mal<br />
vielleicht Glück.“<br />
Lena schüttelt den Kopf. „Nein, ich<br />
muss mir das aus dem Kopf schlagen.<br />
Irgendwann muss man einfach der<br />
Realität ins Auge sehen. Ich kann doch<br />
nicht ewig meinen Träumen hinterher<br />
hängen.“<br />
Stefan zuckt die Achseln. „Warum<br />
eigentlich nicht? Wenigstens hast du<br />
dann noch Ziele im Leben; ist doch egal,<br />
wie unrealistisch sie sind. Immerhin<br />
wagt man dann etwas, anstatt einfach<br />
aufzugeben.“<br />
Lena lässt sich das durch den Kopf<br />
gehen. „Tja… so gesehen… irgendwie<br />
hast du schon recht. Aber soll ich<br />
jetzt darauf vertrauen, dass ich beim<br />
nächsten Mal zufällig an den einen<br />
Prüfer gerate, der meine Sachen für gut<br />
genug hält, nachdem ich vorher schon<br />
hundertmal abgelehnt wurde? Ich glaube<br />
einfach nicht an Zufall.“<br />
„Na ja, ich auch nicht. Ich glaube nur,<br />
dass du die verdammt beste verkannte<br />
Künstlerin in diesem Land bist.“ Er steht<br />
auf und küsst sie im Vorbeigehen auf die<br />
Wange. „ich geh mal auf Klo.“<br />
Zwei Stunden später kommt Lena von<br />
der Toilette wieder, wobei sie etwas<br />
erschrocken bemerkt, dass sie anfängt<br />
zu schwanken.<br />
„Ich glaube, ich hab langsam genug.<br />
Lass uns gleich mal gehen“ sagt sie, <strong>als</strong><br />
sie sich setzte.<br />
Stefan nickt geistesabwesend, starrt<br />
derweil auf das Display seines Handys.<br />
„Ja, okay. Lass uns nur kurz warten, ich<br />
will wissen, was Jan will, vielleicht ist er<br />
ja irgendwo in der Nähe.“<br />
„Häh? Hat er dich gerade angerufen?“<br />
Stefan schüttelt den Kopf. „Nein, aber<br />
er wird mir gleich eine SMS schreiben.<br />
Ich hatte gerade einen Fall von<br />
Gedankenübertragung; hab irgendwie<br />
gedacht, ich könnte mich ja mal bei ihm<br />
melden und jedes Mal, wenn ich das tue,<br />
ruft kurze Zeit später er bei mir an.“<br />
Lena glaubt sich verhört zu haben: „Du<br />
willst mir <strong>als</strong>o weismachen, dass du zwar<br />
nicht an Zufälle glaubst, aber dafür an<br />
Telepathie? Du spinnst doch.“<br />
„Klar glaub ich daran. Passiert dir das<br />
nie? Ich hab das ständig.“ In diesem<br />
Moment gibt Stefans Telefon ein schrilles<br />
Piepen von sich. Triumphierend zeigte er<br />
ihr das Display.<br />
„Siehst du? SMS von Jan, wie ich gesagt<br />
habe.“<br />
Lena muss lachen und schüttelt<br />
ungläubig den Kopf. „Okay, wie hast du<br />
das gemacht?“<br />
Stefan grinst und tippt sich an die Stirn.<br />
Das Rattern der S-Bahn versetzt sie<br />
beide in einen dämmrigen Zustand und<br />
den größten Teil der Heimfahrt verbringen<br />
sie schweigend. Lena hängt ihren<br />
Gedanken nach.<br />
Gerade passieren sie den Bahnhof, der<br />
Lena immer im Gedächtnis bleiben wird,<br />
denn vor Jahren hat sie hier eine sehr<br />
kalte Nacht verbracht. Das war an dem<br />
Tag gewesen, <strong>als</strong> ihre Eltern sich getrennt<br />
hatten; zuhause hatte sie es einfach nicht<br />
mehr ausgehalten. Eine andere Illusion,<br />
die zerbrochen ist. Inzwischen ist es<br />
mehr <strong>als</strong> ein Jahr her, dass sie das letzte<br />
Mal mit ihrem Vater gesprochen hat.<br />
Vielleicht hat Stefan ja recht. Vielleicht<br />
sollte man manchmal besser auf seine<br />
Träume und Illusionen aufpassen, damit<br />
man weitermacht und nicht aufgibt. Aber<br />
vielleicht ist es manchmal auch besser,<br />
sich von ihnen zu verabschieden, damit<br />
man offen für Neues sein kann.<br />
Sie denkt an die Telefonnummer ihres<br />
Vaters, die in ihrer Schublade unter dem<br />
Stapel mit den Ablehnungsschreiben<br />
liegt. Sie beschließt, am nächsten Tag bei<br />
ihm anzurufen. Warum auch nicht?<br />
Das Klingeln ihres Handys reißt sie aus<br />
ihren Überlegungen. Sie traut ihren<br />
Augen nicht, <strong>als</strong> sie die Nummer des<br />
Anrufers auf dem Display sieht.<br />
FeinSinn 47<br />
Christopher Dröge { Bild von sxc.hu)
Wikipedia-Zauber<br />
FeinSinn hat sich in dieser <strong>Ausgabe</strong> besonders den Rätsel-Freunden angenommen und hofft, dass Ihr uns die<br />
richtigen Lösungen der Wikipedia-Gedichte herzaubert. <strong>Die</strong> Lösung des Rätsels drucken wir natürlich in der<br />
nächsten <strong>Ausgabe</strong>.<br />
Ein kleiner Tipp: <strong>Die</strong> Reihenfolge der Wörter aus den Artikeln wurde jeweils beibehalten.<br />
Und nun: Viel Spass beim Rätseln!<br />
Bezogene Bedeutungen<br />
(ohne Plural) Menschen<br />
Grundstrukturen zu gebrauchen<br />
Bedeutet das Wort<br />
Oder mittels anderer<br />
fest definiertes verfügen<br />
Instrument einer Absicht<br />
Zudem (beim Menschen)<br />
Medium des Denkens<br />
gehalten von konstruierten<br />
unterschieden<br />
Disziplin<br />
zum Teil<br />
aber auch Inhalt<br />
wie<br />
???<br />
Überwiegend Macht<br />
reservierte<br />
früher den einen<br />
verschiedenen Gebrauch<br />
jedoch heute<br />
(europazentrisch und)<br />
umstritten<br />
Menschheit, des Lebens<br />
Sich Natur ausgeweitet<br />
Gennant<br />
???<br />
48 FeinSinn<br />
Abfolge im Gegensatz<br />
Richtung ist Wahrnehmung<br />
Vierdimensionale Rolle<br />
nur in einem einzigen Punkt (bezeichnet)<br />
dem Wesen der Themen<br />
berührt<br />
bei allen bewegten Körpern<br />
Entwicklung<br />
Betrachtet <strong>als</strong> Wertgegenstand<br />
Bedeutet die Form<br />
???<br />
Playlist<br />
Crystal Castles - Magic Spells<br />
The Tango Magicians – The Third Process<br />
Queen - A Kind Of Magic<br />
The Jimi Hendrix Experience - Spanish Castle Magic<br />
Explosions in the Sky - Magic Hours<br />
Nina Simone - I Put A Spell On You<br />
Portishead - Magic doors<br />
Here We Go Magic - Collector<br />
Magic Man – Monster<br />
Ladytron - Light & Magic<br />
Jarvis Cocker – Black Magic<br />
The Magic Magicians – I'm On Your Side<br />
Klimek – Movies Is Magic<br />
Magic Kids – Superball<br />
Moritz Heumer { Bild von sxc.hu Iris Sygulla { Bild von sxc.hu<br />
FeinSinn 49
Impressum<br />
Herausgeber: Verein zur Förderung studentischen Journalismus Köln e.V.<br />
www.vfsjk.de<br />
ViSdP Niels Walker<br />
Chefredaktion: Niels Walker (stellv. Simeon Buß)<br />
Art Direction: Sebastian Herscheid<br />
Bildredaktion: Sebastian Herscheid<br />
Redaktion/Lektorat: Leyla Bektas, Simeon Buß, Christopher Dröge, Sabina Filipovic,<br />
Dennis Große-Plankermann, Moritz Heumer, Maximiliane Koschyk,<br />
Christiane Mehling, Felix Schledde, PhilippSchweers, Christine Willen<br />
Gestaltung/Layout: Sven Albrecht, Sara Copray, Elisa Hapke, Sebastian Herscheid<br />
Fotografie: René Becker, Leyla Bektas, Veronika Czernievicz, Dennis Große-Plankermann,<br />
Eva Helm, Denise Hoffmeister, Evelyn Laoun, Christine Willen<br />
Website: www.<strong>meins</strong>-<strong>magazin</strong>.de<br />
Erscheinungsweise: monatlich<br />
50 Impressum