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Formvorschrift erschwert die Kontrolle der Pflegequalität

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Medizinischer Dienst <strong>der</strong> Krankenversicherung<br />

Baden-Württemberg<br />

Formalie mit<br />

Nebenwirkungen:<br />

Um <strong>die</strong> <strong>Pflegequalität</strong><br />

zu prüfen,<br />

benötigt <strong>der</strong> MDK<br />

eine schriftliche<br />

Einwilligung des<br />

Bewohners.<br />

Der Fall machte im Juni Schlagzeilen und<br />

löste Entsetzen aus: Zwei Pfleger sollen<br />

in einem Seniorenheim bei Saarbrücken<br />

Pflegebedürftige misshandelt haben; zwei<br />

Menschen sind möglicherweise an den<br />

Folgen gestorben. Um solche Missstände in Pflegeheimen<br />

künftig zu verhin<strong>der</strong>n, kündigte <strong>der</strong> saarländische<br />

Sozialminister eine Vielzahl an Maßnahmen auf Landes-<br />

und Bundesebene an.<br />

Zusammen mit dem Pflege-Neuordnungsgesetz, das<br />

<strong>der</strong> Bundestag am 29. Juni verabschiedete, rückt damit<br />

das Ziel, <strong>die</strong> <strong>Pflegequalität</strong> in Pflegeeinrichtungen sicherzustellen,<br />

verstärkt in den Blickpunkt von Politik und<br />

Öffentlichkeit. Das Verlangen nach konkreteren Qualitätssicherungsmaßnahmen<br />

wird jedoch durch eine neue<br />

Vorschrift konterkariert, wonach eine Prüfung beim<br />

Pflegebedürftigen nun ausnahmslos einer schriftlichen<br />

Einwilligung bedarf.<br />

Um <strong>die</strong> Wirksamkeit <strong>der</strong> Pflegemaßnahmen und Um-<br />

August 2012<br />

P f l e g e - N e u o r d n u n g s g e s e t z m i t u n g e w o l l t e r N e b e n w i r k u n g<br />

<strong>Formvorschrift</strong> <strong>erschwert</strong> <strong>die</strong><br />

<strong>Kontrolle</strong> <strong>der</strong> <strong>Pflegequalität</strong><br />

Die Qualitätsprüfungen in Pflegeeinrichtungen werden durch das Pflege-Neuordnungsgesetz<br />

(PNG) ungewollt <strong>erschwert</strong>. Was nach einer nebensächlichen Formalie<br />

aussieht, kann <strong>die</strong> Effektivität <strong>der</strong> Qualitätsprüfungen ernsthaft beeinträchtigen. Ohne<br />

schriftliche Einwilligung ist keine Prüfung beim Pflegebedürftigen möglich – so lautet<br />

<strong>die</strong> Devise.<br />

setzung von Konzepten beurteilen zu können (Ergebnisqualität),<br />

ist stichprobenweise sowohl ein Blick in<br />

<strong>die</strong> jeweilige Pflegedokumentation als auch „unter <strong>die</strong><br />

Bettdecke“ erfor<strong>der</strong>lich. „Dies geschieht niemals gegen<br />

den Willen des Bewohners“, erklärt Dr. Waltraud Hannes,<br />

Leiterin des Fachbereichs Pflege des MDK Baden-<br />

Württemberg.Die Gutachter sind sich des Eingriffs in <strong>die</strong><br />

Intimsphäre des Betroffenen bewusst. Sie wissen auch,<br />

dass sie für <strong>die</strong> Pflegebedürftigen fremd sind und lassen<br />

sich deshalb beispielsweise Dekubitus gefährdete Hautregionen<br />

o<strong>der</strong> Wunden vom Personal <strong>der</strong> Einrichtung<br />

zeigen und vermeiden so den Körperkontakt.<br />

„Viele Bewohner möchten einfach<br />

nicht unterschreiben“<br />

Den betroffenen Pflegebedürftigen wird zunächst<br />

erklärt, worum es geht; sie erhalten ein Informationsblatt<br />

und werden am Tag <strong>der</strong> Prüfung um eine aktuelle<br />

schriftliche Einwilligungserklärung gebeten. Auch bei<br />

Bewohnern, <strong>die</strong> noch im vollen Besitz ihrer geistigen<br />

Kräfte sind, sorgt <strong>die</strong> Schriftform oft für Schwierigkeiten.<br />

„Viele Bewohner sind gerne bereit, sich an <strong>der</strong> Prüfung zu<br />

beteiligen, möchten aber einfach nichts unterschreiben“,<br />

erklärt Frau Dr. Hannes.<br />

Das ist nachvollziehbar: Gewarnt durch Angehörige<br />

o<strong>der</strong> auch <strong>die</strong> Präventionsarbeit <strong>der</strong> Polizei, hüten sich <strong>die</strong><br />

Bewohner davor, gegenüber fremden Personen etwas zu<br />

unterschreiben. Die Frage nach <strong>der</strong> Unterschrift irritiert<br />

deshalb in vielen Fällen, provoziert Ablehnung – und<br />

behin<strong>der</strong>t das Bemühen des MDK-Gutachters, einen vertrauensvollen<br />

Dialog zum Bewohner aufzubauen.<br />

Ein noch größeres Problem ergibt sich, wenn ein Pfle-


gebedürftiger selbst nicht mehr in <strong>der</strong> Lage ist, den Sachverhalt<br />

richtig zu erfassen und selbst zu entscheiden.<br />

Bislang nimmt <strong>der</strong> MDK-Mitarbeiter dann am Tag <strong>der</strong><br />

Prüfung Kontakt zum gesetzlichen Betreuer auf und holt<br />

bei ihm das Einverständnis telefonisch ein. In <strong>die</strong>sem Fall<br />

genügte <strong>die</strong> mündliche Einwilligung, <strong>die</strong> <strong>der</strong> Gutachter<br />

bislang schriftlich dokumentierte. Das Pflege-Neuordnungsgesetz<br />

sieht nun vor, dass auch <strong>die</strong> Einwilligung<br />

des ortsabwesenden Betreuers schriftlich erfolgen muss.<br />

Was auf den ersten Blick eine nebensächliche Formalie<br />

zu sein scheint, wird <strong>die</strong> Durchführung <strong>der</strong> Prüfung erheblich<br />

behin<strong>der</strong>n. „Die ausnahmslose Textform könnte<br />

jetzt in vielen Fällen zum KO-Kriterium für <strong>die</strong> Prüfung<br />

werden“, befürchtet Fachbereichsleiterin Dr. Hannes.<br />

Generell haben <strong>Formvorschrift</strong>en den Sinn, dass sie bei<br />

bindenden Rechtsgeschäften vor einer übereilten Entscheidung<br />

schützen und eine ausreichende Information<br />

des Betroffenen gewährleisten sollen. Kommt es später zu<br />

Streitigkeiten, <strong>die</strong>nt ein Schriftstück als Beweis. „Da <strong>die</strong><br />

Qualitätsprüfung des MDK jedoch für <strong>die</strong> Pflegebedürftigen<br />

keine rechtlichen Folgen mit sich bringt, verfehlt<br />

Maßnahmen wie Bauchgurte, etwa im Bett und<br />

am Stuhl, o<strong>der</strong> auch Bettgitter greifen empfindlich<br />

in <strong>die</strong> Freiheitsrechte eines Menschen ein.<br />

Nicht alles was gut gemeint ist, ist auch richtig und im<br />

Sinne etwa eines Demenzkranken. Viel zu selbstverständlich<br />

werden auch in <strong>der</strong> häuslichen Pflege Fixierungen als<br />

fürsorglicher Schutz des Pflegebedürftigen vor sich selbst<br />

angesehen. Doch mit Zahlen belegbar war <strong>der</strong> Einsatz<br />

solcher Maßnahmen bislang nicht.<br />

Vor <strong>die</strong>sem Hintergrund hat das Bundesministerium<br />

für Forschung und Bildung das Forschungsprojekt ReduFix<br />

ambulant ins Leben gerufen (www.redufix.com).<br />

Dabei wurde erstmals das Phänomen freiheitseinschrän-<br />

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r<br />

Wie kontrolliert <strong>der</strong> MDK<br />

<strong>die</strong> Pflegeheime?<br />

August 2012<br />

„Qualität in <strong>der</strong> Pflege – wie <strong>der</strong> ‚TÜV’ für das Pflegeheim<br />

funktioniert". Unter <strong>die</strong>sem Titel beschreibt eine<br />

neu erschienene Publikation des MDK Baden-Württemberg<br />

<strong>die</strong> Vorgehensweise bei <strong>der</strong> Qualitätsprüfung<br />

<strong>der</strong> Pflegeheime. Autoren sind Dr. Waltraud<br />

Hannes, Leiterin Fachbereich Pflege, Achim Maaß,<br />

Mitarbeiter Fachreferat Qualitätsprüfung Pflege und<br />

PD Dr. Matthias Mohrmann, Leiten<strong>der</strong> Arzt des MDK<br />

Baden-Württemberg.<br />

Das 80-seitige Buch steht im Internet zum kostenlosen<br />

Dowload bereit: www.mdkbw.de<br />

<strong>die</strong> Textform in <strong>die</strong>sem Fall ihren Zweck“, konstatiert<br />

Dr. Hannes. Stattdessen seien Nachteile für <strong>die</strong> Betroffenen<br />

zu erwarten: „Gerade <strong>die</strong> Bewohner, <strong>die</strong> ihre Interessen<br />

und Bedürfnisse nicht mehr selbst äußern können,<br />

fallen aus <strong>der</strong> Stichprobe, weil es nicht möglich ist, zeitnah<br />

vom Betreuer eine Einwilligung in Textform zu erhalten.“<br />

M D K B a d e n - W ü r t t e m b e r g u n t e r s t ü t z t F o r s c h u n g s p r o j e k t<br />

Viele Fixierungen müssen nicht sein<br />

Der MDK Baden-Württemberg engagiert sich über seinen gesetzlichen Auftrag hinaus<br />

für <strong>die</strong> Verbesserung <strong>der</strong> <strong>Pflegequalität</strong>. Ein Beispiel hierfür ist <strong>die</strong> Beteiligung an<br />

einem Forschungsprojekt im Bereich <strong>der</strong> häuslichen Pflege.<br />

FA M I l I E N B E W U S S t<br />

I N D I E z U K U N F t<br />

Der MDK Baden-Württemberg zählt mit seinen 930<br />

Beschäftigten zu den beson<strong>der</strong>s familienbewussten<br />

Unternehmen in Deutschland. Dies bescheinigt das<br />

zertifikat „Beruf und Familie“, das Geschäftsführer Karl-<br />

Heinz Plaumann im Juni bei einer Festveranstaltung in<br />

Berlin entgegennahm. „Die Auszeichnung bestätigt,<br />

dass Familienbewusstsein fest in unserer Unternehmenskultur<br />

verankert ist", freut sich Plaumann. Ziel sei<br />

es, das bestehende Angebot für <strong>die</strong> Vereinbarkeit von<br />

Beruf und Familie weiter kontinuierlich auszubauen.<br />

ken<strong>der</strong> Maßnahmen in <strong>der</strong> häuslichen Pflege systematisch<br />

untersucht, auch erste praktische Lösungsansätze<br />

wurden entwickelt.<br />

Um eine weitergehende Forschung zu ermöglichen,<br />

stellt <strong>der</strong> MDK Baden-Württemberg nun im Rahmen<br />

seiner Begutachtungstätigkeit vier Monate lang anonymisierte<br />

Daten zu Häufigkeit, Formen und rechtlicher<br />

Legitimation von freiheitsentziehenden Maßnahmen<br />

zur Verfügung. Die Daten werden an <strong>die</strong> AGP Sozialforschung<br />

Freiburg, einem Institut im Forschungs- und<br />

Innovationsverbund FIVE e.V. an <strong>der</strong> Evangelischen<br />

Hochschule Freiburg, übermittelt.<br />

Das ReduFix-Projekt ist ein Beispiel dafür, wie <strong>der</strong><br />

MDK Baden-Württemberg mit seinen Erfahrungen und<br />

seinem Wissen auch praxisrelevante Forschungsarbeiten<br />

unterstützt. „Im Bereich <strong>der</strong> professionellen Pflege haben<br />

nicht zuletzt auch <strong>die</strong> MDK-Prüfungen auf vielfältige<br />

Weise zur Qualitätsverbesserung beigetragen“, stellt Geschäftsführer<br />

Karl-Heinz Plaumann fest.<br />

Newsletter des MDK Baden-Württemberg<br />

Herausgeber: MDK Baden-Württemberg, Ahornweg 2, 77933 Lahr<br />

Ansprechpartner: Andreas Klein, MDK Baden-Württemberg<br />

Referat Geschäftsführung, Tel.: 07821/ 938-1202, E-Mail: andreas.klein@mdkbw.de<br />

Verantwortlich (i.S.d.P.): Karl-Heinz Plaumann<br />

Redaktion: Andreas Klein, Nadine Emunds,<br />

Kirsten Weber-Hertenstein, Christian Deutsch<br />

Grundlayout: Dietmar Grashoff

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