05.03.2013 Aufrufe

Not just pants - kathrin eckhardt

Not just pants - kathrin eckhardt

Not just pants - kathrin eckhardt

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

BÖRSEN UND MÄRKTE<br />

Investoren wetten auf Lockerungen<br />

Investoren in den USA bringen sich<br />

zurzeit in Position, um von einer weiteren<br />

quantitativen geldpolitischen<br />

Lockerung zu profitieren.<br />

Seite 21<br />

Soll und Front Haben 28.12.12 11.06.12 / /Nr. Nr. 302 133 / /Seite Seite 48 1/Teil / Teil 01<br />

Frauen sind die schöneren<br />

Männer . . .<br />

. . . und Männer manchmal die attraktiveren Frauen. Der Siegeszug<br />

des einst rein männlichen Hosenanzugs bereitet den Boden für<br />

neue Rollen zwischen den Geschlechtern<br />

Frauen in Männerkleidung<br />

waren einst Symbol für Freiheit,<br />

Rebellion und Emanzipation.<br />

Heute sind Frauen in Hosenanzügen<br />

kein Skandal mehr –<br />

und die Geschlechtergrenzen<br />

verschieben sich weiter.<br />

Kathrin Eckhardt<br />

«Das Mädchen sieht aus wie ein Mann,<br />

der aussieht wie ein Mädchen», beobachtete<br />

in der Zeit nach dem Ersten<br />

Weltkrieg ein Leser der «Berliner Illustrierten»<br />

und gewann damit eine Preisausschreibung<br />

für die treffendste Formulierung<br />

der damaligen Mode. Mitte<br />

der zwanziger Jahre fingen Frauen an,<br />

sich wie Männer zu kleiden. Sie trugen<br />

Vestons, Hemden und Hosen auch in<br />

der Stadt und zu gesellschaftlichen Anlässen.<br />

Die Grande Dame der Mode,<br />

Coco Chanel, bediente sich bereits früh<br />

für ihre eigene Garderobe im Kleiderschrank<br />

ihrer Geliebten und liess ihre<br />

Faszination für Männerkleider in ihre<br />

Kollektionen einfliessen.<br />

Allerdings: Die typisch weiblichen<br />

Merkmale wie Brust, Taille und Hüften<br />

verschwanden damals noch unter der<br />

eckigen, stark gesteiften Rüstung männlicher<br />

Anzüge. Eine der bekanntesten<br />

Frauen, die in den frühen dreissiger Jahren<br />

trotz männlicher Kleidung wusste,<br />

wie sie ihre Weiblichkeit ins rechte Licht<br />

rücken konnte, war die Sängerin und<br />

Schauspielerin Marlene Dietrich. Der<br />

feine Unterschied war dieser: Die Dietrich<br />

trug Hosenanzüge, die speziell auf<br />

den weiblichen Körper zugeschnitten<br />

waren. Ihre Kurven wurden dadurch<br />

nicht verhüllt, sondern betont, die Dietrich<br />

sah also trotz männlicher Kleidung<br />

nie wie ein Mann aus. Sie war in ihren<br />

eleganten Smokings aufregend und<br />

skandalös zugleich.<br />

Viel später griff Yves Saint Laurent<br />

das Thema neu auf und verlieh im Jahr<br />

1966 dem Anzug für die Frau neue Bedeutung.<br />

«Le Smoking» wurde als Symbol<br />

der weiblichen Emanzipation gewertet,<br />

und Yves Saint Laurent mauserte<br />

sich, als Erbfolger der damals bereits<br />

über 80-jährigen Coco Chanel, zum<br />

neuen Wegbereiter für Frauen in Anzügen.<br />

Pierre Bergé, Lebensgefährte des<br />

französischen Modeschöpfers, sagte<br />

einst: «Coco Chanel hat den Frauen die<br />

Freiheit gebracht, Yves Saint Laurent<br />

die Macht» – vermutlich ein gutes<br />

Résumé zur Erfolgsgeschichte des Hosenanzuges<br />

für die Frau.<br />

Coco Chanel und Yves Saint Laurent<br />

ist es also zu verdanken, wenn Frauen in<br />

einst typisch männlicher Kleidung heute<br />

nicht mehr skandalös, sondern recht<br />

alltäglich sind. Der Hosenanzug für die<br />

Frau hat sich auch in der Geschäftswelt<br />

durchgesetzt als das, was er bei Männern<br />

schon länger ist: als eine Art überregionaler,<br />

nonverbaler Standard für<br />

Seriosität und Kompetenz. Auf diese<br />

Basis hat auch Giorgio Armani wichtige<br />

Teile seines Imperiums gebaut. Und<br />

Jean-Paul Gaultier schneiderte ab Mitte<br />

der achtziger Jahre grossartige Kostüme<br />

für Frauen, die sich der männlichen Formensprache<br />

bedienten. – Heute lässt<br />

der US-Designer Tom Ford seine Super-<br />

Frauen in Hosenanzügen aus Satin über<br />

den Laufsteg schreiten. Der Brite Paul<br />

Smith hat den textilen Hybrid zwischen<br />

Mann und Frau zu seinem Markenzeichen<br />

gemacht.<br />

Labels wie Givenchy und das enigmatische<br />

Maison Martin Margiela lassen<br />

sich für ihre Damenkollektionen<br />

regelmässig von Standards der Männerwelt<br />

inspirieren. Und als vorläufigen<br />

Höhepunkt der Entwicklung hat Hedi<br />

Slimane seine erste Kollektion für Yves<br />

Saint Laurent auf einem burschikosen,<br />

kurzhaarigen Model fotografiert – mit<br />

Hemd, Krawatte und Sakko.<br />

In logischer Konsequenz ist nun,<br />

nach der Fusion von typisch männlicher<br />

und typisch weiblicher Kleidung, bereits<br />

die nächste Welle absehbar: Die Geschlechtergrenzen<br />

verschwinden ganz.<br />

«Wer ist Frau, und wer ist Mann?», ist<br />

derzeit ein beliebtes Spiel der Designer.<br />

Model Andrej Pejic, genetisch ein<br />

Mann, feiert Erfolge auf den internationalen<br />

Laufstegen – als Frau. Seine sinnlichen<br />

Lippen und langen, blonden<br />

Haare lassen ihn fast genauso attraktiv<br />

wie seine weiblichen Kolleginnen wirken.<br />

Und Givenchy hat seine Damenkollektion<br />

mit der Transsexuellen Lea T.<br />

beworben, der/die einst Assistent des<br />

Chef-Designers Riccardo Tisci war.<br />

Die Modeindustrie, die immer Indikator<br />

und Katalysator für gesellschaftliche<br />

Veränderungen war, macht uns<br />

NZZ AG<br />

also bereits gefasst auf etwas Neues, das<br />

im Raum steht: das dritte Geschlecht –<br />

nicht Mann und nicht Frau, sondern je<br />

nach Situation das eine oder andere sowie<br />

auch etwas dazwischen.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!